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ADB:Schönberg, Luise von

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Artikel „Schönberg, Luise von“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 264–267, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%B6nberg,_Luise_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 15:00 Uhr UTC)
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Schönberg: Luise v. S., geboren auf Schloß Wernigerode am 24. November 1771, † am 8. April 1856 zu Groß-Krausche bei Gnadenberg. Unter den vier trefflichen Töchtern des Grafen Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode und der Auguste Eleonore geb. Gräfin zu Stolberg-Stolberg, die an Geist, Gemüth und mit der Hand regsamste, wurde sie von ihrer geistvollen frommen Mutter, deren besonderer Liebling sie von jung auf war, mit größter Sorgfalt und nach Grundsätzen, bei denen sie noch der greise Gellert berathen, sowie nach denen der bekannten Schriftstellerin Beaumont erzogen. Mit lichtblauen Augen und den blonden Haaren ihres Vaters begabt, war die siebenzehnjährige Jungfrau, wie ein 1789 von Oppermann in Pastellfarben gemaltes Bild sie darstellt, eine überaus liebliche Erscheinung. Dazu stimmte ihr liebevolles und dabei geschäftiges Wesen – der bekannte Joh. Mich. Sailer nannte sie wol „das Leben“ –, durch welches sie die Ordnerin und Seele der zahlreichen mit Liedes- und Instrumentenklang, Kränzen und Tänzen begangenen lieblichen Familienfeste wurde, die das Leben des gräflichen Hauses verschönten. Sie wußte dabei die willige Hülfe Gleim’s, des Bibliothekars Benzler, Klamer Schmidt’s und Fischer’s in Halberstadt für den dichterischen Schmuck dieser Feste trefflich zu nutzen. Seit 1786 lernte sie in der genannten Stadt, wo ihr Vater als Domherr, zeitweise Dechant, einige Wochen im Frühjahr und Herbst anwesend sein mußte, den Dichter Gleim und dessen Nichten sehr nahe kennen und blieb ihnen bis an ihr Ende herzlich zugethan. Gleich hierbei ist zu bemerken, was von all den zahlreichen Beziehungen ihres späteren Lebens gilt, daß Luise beispielsweise beim Studium deutscher Dichter, unter denen ihr Klopstock wol am höchsten stand, das Wahre und Schöne auch da und bei denen suchte und freudig anerkannte, die mit ihr nicht auf gleicher Stufe christlicher Erkenntniß und Bekenntnisses standen. Mit geistig hervorragenden Persönlichkeiten, wie mit Jung Stilling, Lavater, Herder, Joh. Mich. Sailer, dem Theologen und Schulmann Ewald bekannt zu werden, bot ihr der reiche Verkehr ihres Vaterhauses reiche und eifrig benutzte Gelegenheit, auch dienten dazu wiederholte Reisen nach Süddeutschland, der Schweiz, Sachsen und Schlesien. Den Ueberlieferungen des Hauses entsprach es, daß Luise von Jugend auf bis in ihr hohes Alter ein Tagebuch führte, das für sie, abgesehen von zahlreichen darin niedergelegten allgemeinen Beobachtungen, ein ernster Gewissensspiegel wurde und sie sehr nachsichtig in der Beurtheilung Anderer machte. Als ihr Vetter Graf Friedrich Leopold durch seine romantische Richtung und durch einen Kreis frommer geistvoller Männer und Frauen in Münster angezogen im J. 1800 zur römischen Kirche übertrat und ein gleiches Ansinnen an seine, Luisens Bruder Ferdinand verlobte Tochter Mariagnes stellte, diese aber, ebenso wie ihr Bräutigam, fest bei ihrem Bekenntnisse blieb, wurde diese jugendliche Tochter des Dichters der besonderen geistlichen Sorge Luisens anbefohlen. Luise übte dabei die größte Gewissenhaftigkeit und begleitete ihren Pflegling sogar zum Confirmationsunterricht. Eine Erweiterung ihres Wirkungskreises war eingetreten, seit ihr Vater sie 1797 zur Aebtissin des Jungfrauenklosters Drübeck bestellt hatte. Ihr war aber eine andere Aufgabe beschieden, indem sie am 21. December 1807 dem königl. sächs. Kammerherrn Moriz Haubold v. Schönberg, einem ausgezeichneten Beamten, die Hand reichte. Es war eine sehr ernste Zeit, in welcher dieser Ehebund gestiftet wurde. Und wenn sie schon ein Jahr vorher ein „Erloschen sind die heitern Sonnen“, dann im nächsten Jahre die Bemerkung: „Nur im thätigen Leben erwachsen uns die freundlichen [265] Blumen des Frühlings“ in ihrem Tagebuche bemerkt hatte, so sollte sie bald Gelegenheit zur Entfaltung einer reichen Thätigkeit finden. Zunächst blieb sie noch in Wernigerode, wo ihr Gemahl, der, um in der traurigen Zeit eine Stütze ihres Vaters zu sein, den sächsischen Staatsdienst verlassen hatte, auch noch blieb. Im Mai 1809 folgte sie mit ihrer halbjährigen einzigen Tochter Auguste ihrem Gatten nach Dresden, wo dieser seine amtliche Thätigkeit wieder aufnahm. Während damals in der Hauptstadt des auf Seiten Napoleon’s stehenden Sachsens ein üppiges Leben herrschte, fand Luise in einem größeren Kreise reiche Genüsse für Geist und Gemüth. Besonders trat sie von Anfang an in den Kreis der litterarischen Familie Körner (die Körner’sche „Akademie“), wo sie auch gelegentlich Schleiermachers, Zelter von Berlin u. A. kennen lernte, ebenso den Maler Gerh. v. Kügelgen und Frau. Als sie hier (15. Sept. 1810) auch mit Goethe in Berührung kam, bemerkt sie, daß seine äußere Bekanntschaft ihr nicht genügend war, ein bemerkenswerth vorsichtiges Urtheil. Die Verbindung mit der Familie Körner war eine dauernde. Während zunächst die behagliche Gemüthlichkeit des Dresdener Aufenthalts sie mit einer verflachenden Weltlichkeit bedrohte, sollte bald der furchtbare Ernst der Zeit den Gedanken eine andere Richtung, Herz und Hand eine andere Thätigkeit anweisen. Luise mußte ihren innigst geliebten König Friedrich Wilhelm III. mit anderen Fürsten im Gefolge Napoleon’s unter Glockenläuten, „obwol es dem ernsten Herzen wie Trauergeläute klang“, zu Pfingsten 1812 in Dresden einreiten sehen. Ein großer Genuß war ihr in dieser ernsten Zeit der Verkehr mit Frau v. Krüdener. Am Ende des Jahres, seit am 15. December Napoleon fliehend nach der Elbstadt gekommen war, bereitete sich die große Wendung der Dinge vor, an der sie leidend aber doch weit mehr unermüdlich schaffend und helfend den lebhaftesten Antheil nahm. Ihrem Gemahl war im J. 1813 das ganze Verpflegungswesen übertragen. Als er im März auf einmal 500 Kranke aus der Neustadt in die Altstadt überführen mußte, wachte Luise unter Gesang, Gebet und Bibellesen bis 4 Uhr Morgens, als alle glücklich übergeführt waren. Am 11. und 12. April vertheilte sie unter die preußischen Freiwilligen auf deren Wunsch Bibeln und Neue Testamente, bald bekam sie auch ihren bei Groß-Görschen verwundeten Bruder Anton zu pflegen. Und als eine Zeit lang Dresden ein heiß umstrittener Rückzugs- und Rüstungsplatz Napoleon’s wurde, suchte Frau v. S., in deren Quartier der Gouverneur der Stadt, General Duronel, lag, in umfassender Weise die Noth der Verwundeten zu lindern und trat deshalb mit der Aufsichtsbehörde der Lazarethe in Verbindung, während ihr Gemahl im Mai vom Minister v. Einsiedel die Kreiscommission übertragen erhielt. Luise war für die Verpflegung der verwundeten Gefangenen ungemein thätig; sie schickte ihre Leute fleißig mit Nahrungsmitteln in die Lazarethe und besuchte sie selbst, wobei es manche Schwierigkeiten zu überwinden gab. Ihr Haus und Quartier füllte sich immer mehr mit Einquartierung: Fouché, Herzog von Otranto, ein Graf Arrivabene und verschiedene Officiere des französischen Heeres zogen ein, darunter der Obrist Golzio, der edelmüthig den Vaterlandssinn seiner Wirthe sowie die Tapferkeit der Preußen anerkannte und schonte. Während vom Juni ab Napoleon den Hof und das Herz der Dresdener mit einander jagenden Bällen, Concerten, Couren, Theatern umgaukelte, fand Luise immer mehr Gelegenheit, Kranke und Verwundete zu pflegen. Am 3. August, König Friedrich Wilhelm’s III. Geburtstag, schickte sie Wein und Kuchen in das Hospital der Gefangenen. Neue Verwundete bekam sie in ihrem Hause zu pflegen, auch wurden, sobald nur Lebensmittel zu haben waren, die Armen, besonders die Gefangenen versorgt, was bei der steigenden Noth und dem ausbrechenden Hungertyphus immer schwieriger wurde. Kurz nachdem sie mit ihrer Freundin Emma Körner den Tod Theodor [266] Körner’s betrauert hatte, kamen am 22. October 1813 die ersten Nachrichten von der Leipziger Schlacht, die sie mit Staunen und Anbetung erfüllten. Nachdem sie noch wider ihres Gemahls wohlgemeinte Absicht tapfer in der belagerten Stadt ausgehalten hatte, nahmen die von ihr verpflegten französischen Officiere dankbar-rührenden Abschied, und nun nahm sie am 13. November den österreichischen Feldzeugmeister Chasteler in’s Haus. Am 1. December empfängt sie die Abgeordneten des Landwehrausschusses und tritt auf deren Wunsch an die Spitze der Dresdener Frauen und Jungfrauen zur Stiftung einer Fahne. Damit begann eine Reihe vaterländischer Liebeswerke, wobei Körners, v. Zezschwitz u. A. ihre Helfer und Berather wurden. Zum Empfang von Gaben für die Landwehr bestimmte sie ein Geschäftszimmer, das sie täglich zu einer bestimmten Zeit eröffnete. – Seit Februar 1814 nahm sie eifrig den Gedanken einer Suppenvertheilung in die Hand, ging selbst in die Armenküche und benutzte dieses Werk auch zur Seelenpflege. Schwieriger noch, aber besonders segensreich, war die Sorge für die durch den Krieg vaterlos Gewordenen oder ganz Verwaisten. Es wurden drei Waisenhäuser zu Pirna, Grünberg bei Hermsdorf und zu Dresden gegründet; letzterem stand sie selbst vor, dem zu Grünberg ihre Schwester Friederike, Gräfin Dohna, sie führte aber die Aufsicht über das ganze Unternehmen, und bei ihr fanden die wöchentlichen Besprechungen statt. Eins dieser Waisenkinder behielt sie ganz bei sich im Hause. Auf Veranlassung des Landsyndicus und Dichters v. Houwald trat sie auch mit dem Ausschuß für Nothleidende in Verbindung. – Nachdem Herr v. S. ein Glied des russisch-preußischen Gouvernements unter dem Fürsten Repnin, dann dem Minister v. d. Reck gewesen war, wurde er im Juli 1815 zum ersten preußischen Präsidenten der Regierung in Merseburg bestimmt. Auch hier gab es für Luise Gelegenheit genug zu Liebeswerken; im allgemeinen verliefen aber die Jahre des Merseburger Aufenthalts stiller, und sie konnte neben der sorgfältigen Erziehung ihrer Tochter ungehinderter ihren weitverzweigten Briefwechsel, der einen großen und Lieblingstheil ihrer Thätigkeit bildete, pflegen. Die Durchschnittszahl der von ihrer schönen zierlichen Hand geschriebenen Briefe betrug jährlich gegen vier- bis sechshundert. In den Jahren 1821 und 1822 machte sie längere Reisen zu ihren Eltern zu Peterswaldau in Schlesien; bei der ersten war sie beim Hinscheiden ihrer Mutter zugegen. Im J. 1823 folgte sie ihrem Gemahl, der im Ministerium arbeitete, nach Berlin. Hier in der Landeshauptstadt eröffnete sich wieder ein reicher Verkehr und ihr Haus (erst Behrenstraße 69, dann 1827 am Wilhelmsplatz) wurde der Mittelpunkt eines gesegneten geistigen Lebens. Zu diesem Kreise, in welchem die frohe, gehobene Stimmung einer christlichen Frühlingszeit herrschte, gehörten die Hofprediger Theremin und Strauß, dann v. Hollweg, v. Lancizolle, v. Sommerfelds, v. Röders, Ritters u. A. Frau v. S. hörte noch den alten frommen Jänecke und gewährte dem Joh. Goßner eine Zeit lang Unterkommen, bis dieser eine feste Stellung fand. Sie besuchte die Mittwochsvorträge, die in den Armenanstalten des Frhr. v. Kottwitz von O. v. Gerlach, Tholuck, Sander gehalten wurden und nahm sich fast über Vermögen der Noth der Armen an, indem sie all ihr Geschmeide bis auf eine für ihre Tochter bestimmte Schnur echter Perlen zu diesem Zweck veräußerte. In ihrem Hause gab sie unbemittelten Studenten einen Mittagstisch. Besonders Sonntag Abends fanden darin erbauliche Andachten statt, die u. A. von Goßner, Strauß und O. v. Gerlach abgehalten wurden. Als sich in Berlin ein Verein zur Besserung der Strafgefangenen bildete, unternahm sie es auf Ansinnen ihres Gemahls, einen ähnlichen für Frauen zu gründen. Mit großer Anstrengung ihrer Kräfte besuchte sie dazu die Gefangenhäuser. Als v. S. 1831 aus seiner amtlichen Stellung austrat, machte Luise eine erquickliche Erholungsreise nach Wernigerode, folgte dann Anfangs September ihrem zum [267] Oberpräsidenten von Pommern berufenen Gemahl nach Stettin. Das dortige stille erbauliche Leben bildete eine Uebergangszeit zu der nach 1835 mit dem endgültigen Rücktritt ihres an den Augen leidenden Gemahls aus seiner amtlichen Stellung anhebenden Ruhezeit, die sie meist in dem 1836 von ihrem Gemahl erkauften Groß-Krausche verlebte. Hier, wo sie allerdings erst im April 1838 ihren Einzug hielt, trat sie in die engste Beziehung zu dem benachbarten Gnadenberg und zur Brüdergemeinde, zu welcher es sie schon seit längeren Jahren gezogen hatte. Auf Zinzendorf’s Schriften, die sie neben denen von Luther, Hofacker u. A. fleißig las, hatte sie schon früher Sailer hingewiesen. Bis in die letzten Lebensjahre und die Zeit großer Schwachheit hinein übte sie nach äußersten Kräften die Werke des Wohlthuns, und ihre für die Bedürftigen allzeit gefüllte grüne Seidentasche war beständig an ihrer Seite. Im J. 1839 wurde sie auch noch die fleißige Gehülfin ihres Gemahls, als dieser den Vorsitz über die Bibelgesellschaft übernahm. Unerwähnt mag nicht bleiben, daß Luise’s fleißige Hand sich auch in der Kunststickerei übte und daß als bemerkenswerthe Denkmale ihres Kunstfleißes noch an ihrem späten Lebensabend die schönen mit Chenille gestickten Gedenkbücher entstanden. Da sie ihr Leben lang sehr frühe aufzustehen pflegte, so konnte sie auch ungemein viel vor sich bringen. Ihre schriftstellerische Thätigkeit war frei von jedem Trachten nach Ruhm und Anerkennung. Der ausgedehnten Briefstellerei und Tagebuchführung – das älteste reicht schon von 1784–1789 – ist bereits gedacht. Besonders schätzbar ist ihre zwischen 1821 und 1831 mit sorgfältiger Benutzung von Briefen und Tagebüchern gearbeitete Schrift: „Christian Friedrich, Graf zu Stolberg-Wernigerode, und Auguste Eleonore, Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, geb. Gräfin zu Stolberg-Stolberg“, die nach ihrem Tode 1858, 158 S. gr. 8° stark bei Flemming in Glogau als Handschrift gedruckt wurde. Im J. 1843 stellte sie eine Sammlung von Lebensbeschreibungen frommer Frauen aus allen Zeiten für eine fürstliche Braut zusammen, im Jahre darauf bearbeitete sie zu gleichem Zweck wieder Lebensbeschreibungen und übernahm auf der Gräfin Reden Bitten die Bearbeitung eines Tractats für Dienende aus dem Englischen. Wieder ein Jahr darauf schrieb sie an Lebensbeschreibungen ihrer Geschwister, von denen die Graf Constantin’s am 4. August 1848 zum Abschluß gelangte; 1851 setzte sie das Leben der Gräfin Maria v. Bückeburg auf und nach 1852 schrieb sie wieder Lebensskizzen ihrer Geschwister. – Abgesehen von dem Oppermann’schen Jugendbilde ist von Zeichnungen, die von ihr gemacht wurden, nur noch der im August 1843 durch den Maler Hanstein von der 72jährigen gefertigten Abbildung zu gedenken, die im Steindruck vervielfältigt wurde.

Die Quellen dieser Mittheilungen sind sehr reichhaltige. Wir nennen nur die drei von ihrer Tochter Auguste, Gräfin Schlieffen, verfaßten: 1) Frau v. Schönberg, geb. Gräfin zu Stolberg, meist nach den Tagebüchern sowie nach eigenen Erlebnissen. Handschrift von 560 Quartseiten; 2) L. v. Sch., geb. Gräfin zu Stolb.-Wern. Dresden o. J. 15 Druckseiten kl. 8°; 3) Ein Bild. Kurze Zeichnung des Lebensganges und der Persönlichkeit der Frau v. Schönberg.