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BLKÖ:Tettenborn, Friedrich Karl Freiherr

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 44 (1882), ab Seite: 39. (Quelle)
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Tettenborn, Friedrich Karl Freiherr (Staatsmann und Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. zu Tettenborn in der Grafschaft Hohenstein am 19. Februar 1778, gest. zu Wien am 9. December 1845). Der Sproß eines niedersächsischen Geschlechtes, welches seinen Ursprung bis an das Ende des dreizehnten Jahrhunderts zurückführt. Sein Vater, anfänglich Soldat, war zuletzt markgräflich badenscher Oberjägermeister in Rastatt, die Mutter eine geborene Gräfin Arz, einem alten Tirolergeschlecht entstammend. Im elterlichen Hause zu Rastatt erhielt der Sohn seine erste Erziehung, wobei die Beschäftigung des Vaters auf des Knaben und Jünglings körperliche Entwickelung wesentlichen Einfluß übte. Im Alter von 13 Jahren kam er als Page an den Hof des Kurfürsten von Mainz. Das üppige Leben, welches daselbst herrschte, erlitt bei der Annäherung der Franzosen im Jahre 1792 mit einem Mate eine gewaltige Störung. Bei der Ankunft des Generals Custine floh der Kurfürst nach Aschaffenburg, und der nun fünfzehnjährige Tettenborn kehrte zu seinem Vater zurück, den die veränderten Verhältnisse auch für seinen Sohn neue Pläne fassen ließen. Dieser wurde denn 1793 zu dem berühmten Bergrathe Bechstein in Waltershausen [40] gebracht, damit er sich unter dessen Leitung der Forstwissenschaft widme. Doch hier blieb er nicht lange, noch im nämlichen Jahre bezog er die Universität Göttingen, die er aber in Folge jugendlicher Uebereilung mit Jena vertauschen mußte. Da rief ihn die Erkrankung des Vaters eiligst nach Rastatt zurück, wo er denselben schon nicht mehr am Leben fand. Nun stand seiner Neigung zum Soldatenleben, die er bisher dem väterlichen Wunsche unterordnet hatte, nichts weiter im Wege, er konnte, zumal auch die Mutter bereits vor mehreren Jahren gestorben war, sich frei entscheiden, und so gab er die begonnenen Studien auf und trat 1794, im Alter von 16 Jahren als Cadet bei dem k. k. Joseph Graf Kinsky’schen, nachmals Klenau’schen Chevauxlegers-Regimente ein, welches zu jener Zeit in den Niederlanden stationirte. Nach wenigen Monaten zum Unterlieutenant vorgerückt, vollführte er bald eine Reihe von Waffenthaten, welche seinem Namen in der Kriegsgeschichte Oesterreichs unvergänglichen Ruhm erwarben. Im Jahre 1799 finden wir den jungen Uhlanenofficier mit seinem Regiment in der Armee des Erzherzogs Karl. Es war zuerst im Treffen von Frauenfeld (24. Mai), wo dasselbe viele seiner ausgezeichnetsten Officiere verlor. Die Franzosen hatten in einem Walde festen Posto gefaßt und von da aus unsere Truppen in die Flanke genommen. Schleunige Hilfe that noth. Da ließ Tettenborn eine halbe Schwadron absitzen, stürmte mit ihr zu Fuß den Wald und trieb die von dem raschen und unerwarteten Angriffe bestürzten Franzosen aus demselben. Drei Tage danach, im Gefecht bei Winterthur (27. Mai), bildete er mit seiner Schwadron die Vorhut. Die Franzosen, die vor der Stadt sechs Geschütze aufgepflanzt hatten, empfingen ihn mit einem mörderischen Feuer. Da stürmte er an der Spitze seiner Uhlanen auf das feindliche Geschütz und hieb den größten Theil der dasselbe vertheidigenden Kanoniere nieder. Nun aber sprengte französische Reiterei zur Unterstützung herbei. Tettenborns Pferd, von einem Stiche verwundet, brach zusammen. Die feindlichen Reiter drangen auf ihn ein, hieben, schossen und stachen nach ihm und er würde, so tapfer er sich auch wehrte, rettungslos verloren gewesen sein, wenn nicht sein Rittmeister, der nachmalige Generalmajor und Maria Theresien-Ritter Joseph Georg von Mayer [Bd. XVIII, S. 147, Nr. 83][WS 1], ihn herausgehauen hätte. – Als am 18. September 1799 Erzherzog Karl die Stadt Mannheim mit Sturm genommen hatte, setzte sich der Feind mit einem Theile seiner Macht außerhalb fest, und die Vertreibung desselben erfolgte nun durch mehrere hartnäckige Gefechte, in welchen sich Tettenborn so auszeichnete, daß er in der Relation ausdrücklich dafür belobt wurde. Beim Sturme selbst war er einer der Ersten gewesen, welche durch die aufgehauenen Thore in die Stadt sprengend, in den Straßen eine Menge Gefangener gemacht hatten. – Nachdem nun General Kray den Oberbefehl des Heeres übernommen, bewährte unser Uhlanenofficier in den häufigen Nachtrabsgefechten wieder seine Bravour und Tapferkeit. Bei Biberach (im Mai 1800) hielt er sich so standhaft gegen den andrängenden Feind, daß er in zwei Stunden drei Pferde unter dem Leibe verlor. Nicht minder ausgezeichnet focht er bei Riedeschingen am 3. Mai 1800. Nach dem Treffen bei Neuburg beordert, mit einer Abtheilung Chevauxlegers und Huszaren das Truppencorps, welches [41] gegen Landshut marschirte, seitwärts zu begleiten und die Brücken über die Isar zu zerstören, behauptete er sich neun Tage zu Freisingen gegen einen weit überlegenen Feind, den er über seine Stärke geschickt zu täuschen wußte. Und als er nach hartnäckigem Kampfe endlich der Uebermacht weichend, seine Richtung gegen München einschlug, vollführte er ein wackeres Reiterstück. Jenseit der Isar sah er eine beträchtliche Anzahl Packpferde einherziehen. Es waren die es französischen Generals Lecourbe. Mit fünf seiner entschlossensten Reiter; durchschwamm er den Fluß und fiel über die überlegene Bedeckung so rasch und ungestüm her, daß diese ihr Heil in der; Flucht suchte, alles dem Angreifer überlassend, der die Beute nun ungehindert auf das andere Ufer brachte. In der Schlacht bei Hohenlinden (am 3. December 1800) leistete er bei dem Rückzuge, auf welchem er mit seiner Abtheilung den linken Flügel deckte, so vorzügliche Dienste, daß ihm darüber die besondere Zufriedenheit ausgesprochen wurde. Inzwischen war er zum Rittmeister und Schwadronscommandanten im Regimente vorgerückt. Als er dann mit eingetretener Waffenruhe nach Prag in Station kam, bewährte er auch im Frieden seinen Muth, jenen Muth, von welchem, wie Tettenborns Biograph Varnhagen nebenbei bemerkt, viele Kenner behaupten, daß er von dem Muthe auf dem Schlachtfelde sehr verschieden sei, der aber nur ein vollgiltiger Beweis des ritterlichen Wesens unseres Helden war. Um jene Zeit befreundete sich derselbe mit dem Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen. Dieses Freundschaftsband wurde noch inniger, als er im Jahre 1804 mit einem Auftrage an den österreichischen Gesandten Grafen (nachmals Fürsten) Metternich nach Berlin kam und mit dem Prinzen vertrauten Umgang pflog. Aus diesen Tagen ist ein Erlebniß Tettenborns zu berichten, das zu bezeichnend für sein ganzes Wesen erscheint, um verschwiegen zu werden. Da er in Berlin die nicht unbeträchtliche Erbschaft nach einem im Preußischen verstorbenen Verwandten erhoben hatte, sollte er vor seiner Rückreise von dem außer Landes gehenden Vermögen das gesetzliche Abzugsgeld zahlen. Seiner Versicherung, daß er von dieser Erbschaft nicht einen Heller mitnehme, wollte man aber nicht glauben und bestand deshalb auf Bezahlung der Steuer. Nun bewies er, daß er während seines kurzen Aufenthaltes in Berlin die ganze Summe gleich an Ort und Stelle verbraucht, also dem Lande nicht einen Heller entzogen habe. Nun, Frauengunst, Spiel und alle anderen Freuden des Soldatenlebens erklären zur Genüge, wie sich in kürzester Zeit ein gespickter Beutel in eine leere Blase verwandelt. Und jene vorerwähnten Momente spielen in Tettenborns Leben eine so hervorragende Rolle, daß sie reichen Stoff zu einer anziehenden Erzählung darböten. Einzelne Episoden aus seinem Soldatenleben, wie seine Ungnade bei Kaiser Franz, sein Courierritt von Paris nach Wien u. d. m. sind auch von Feuilletonisten mit mehr oder weniger Glück verwerthet worden. – Der Feldzug des Jahres 1805 hat manches dunkle Blatt in Oesterreichs Kriegsgeschichte aufzuweisen, aber zur Ehre seines Heeres auch manches lichte. Tettenborn stand mit einem Theile des Regiments, in welchem er diente, in Ulm, wo er mehrere ihm aufgetragene Recognoscirungen mit gewohnter Bravour ausführte. Da erfolgte die schmähliche Uebergabe der Stadt. Ein Theil des [42] Heeres war fest entschlossen, sich dieser Schmach zu entziehen. Erzherzog Ferdinand faßte den kühnen Entschluß, mit einem Theile der Reiterei durch den Feind durchzubrechen und sich nach Böhmen zu werfen. Er betraute den muthigen Tettenborn mit der Führung der Vorhut. Und mit einer Bravour ohne Gleichen löste dieser auch die schwierige Aufgabe. Die geretteten Schaaren kamen glücklich nach Böhmen. Tettenborn blieb nun zur Deckung der Straße, die über Waldmünchen nach diesem Lande führte, in der Oberpfalz zurück. Hier hielt er sich, einzelne glückliche Gefechte bestehend, durch mehrere Wochen gegen die französischen Streifabtheilungen, bis am 8. November General Baraguay d’Hillers mit einem Corps von 8000 Mann gegen ihn heranrückte. Nun war er genöthigt, sich nach Böhmen zurückzuziehen, aber der französische General folgte ihm auf dem Fuße dahin. Unser Held jedoch verlor den Kopf nicht: zwischen Pilsen und Klentsch rief er das Landvolk zu den Waffen, ließ in allen Orten die Sturmglocke läuten und stellte sich nun den ihm mächtig überlegenen Baraguay entgegen. Dieser aber durch den trefflich improvisirten Landsturm erschreckt, zog sich zunächst nach Klattau zurück und verließ darauf Böhmen. Nach geschlossenem Frieden wurde Tettenborn durch die Nachricht überrascht, daß die unter seinem Befehle gestandenen Officiere der Regimenter Klenau und Kinsky für ihn das Theresienkreuz verlangt hätten; das Ordenscapitel erkannte die Forderung der Officiere vollkommen an, und Tettenborn erhielt einstimmig im Capitel vom April 1806 das Ritterkreuz. In dem Zeugnisse des Fürsten Schwarzenberg, der unserem Rittmeister die Führung der Avantgarde anvertraut hatte, heißt es wörtlich: „daß Tettenborns bekannte Fähigkeiten und erprobte Bravour Veranlassung waren, ihm diesen wichtigen Auftrag zu ertheilen. Rastlose Thätigkeit, Klugheit, Echtheit der Rapporte, Entschlossenheit und Muth, vereinigte er stets in einem so hohen Grade, daß der Fürst in ihm einen der ausgezeichnetsten Officier der Armee erkenne, und daß, wenn der äußerst schwierige Rückzug des Erzherzogs Ferdinand einer Aufmerksamkeit gewürdigt werde, Tettenborn ein großer Theil des glücklichen Erfolges zuzuschreiben sei“. In der nun folgenden Friedenszeit lebte er abwechselnd in Wien und Prag. Im Jahre 1808 wurde ihm der Antrag gemacht, den Fürsten Schwarzenberg, welcher als österreichischer Botschafter nach St. Petersburg ging, als erster Adjutant und Botschafts-Cavalier dahin zu begleiten. Vor seiner Abreise noch erhielt er den Kammerherrnschlüssel, dann eilte er dem bereits abgereisten Fürsten nach und holte ihn in Wilna ein, worauf er mit ihm in St. Petersburg eintraf. Als im Mai 1809 die Nachricht von dem Ausbruch des neuen Krieges gegen Napoleon nach Petersburg gelangte, wurde er von dem Fürsten Schwarzenberg mit besonderen Aufträgen als Courier zu dem Heere entsendet, welches unter Erzherzog Karl eben den ewig denkwürdigen Sieg bei Aspern erkämpft hatte und nun einer neuen Schlacht auf dem Marchfelde entgegensah. An dieser Schlacht bei Wagram nahm er in so ausgezeichneter Weise Antheil, daß er vom Erzherzog Karl am 6. Juli auf der Wahlstatt zum Major ernannt, im Schlachtberichte namentlich belobt und ihm sofort die Deckung des Rückzuges übertragen wurde, zu welchem Ende er außer der nöthigen Reiterei auch noch ein Jägerbataillon [43] unter seinen Befehl bekam. In der wenige Tage danach folgenden Schlacht von Znaim, welche, als der Sieg schon zu Oesterreichs Fahnen sich neigte, durch den inzwischen abgeschlossenen Waffenstillstand abgebrochen wurde, that sich Tettenborn von neuem hervor, auch wurde er vom Erzherzog Karl, der ihm seine volle Huld zuwandte, in Sachen des Waffenstillstandes zu verschiedenen Sendungen an Napoleon und Berthier verwendet, wodurch der Friede unter vortheilhaften Bedingungen für Oesterreich zu Stande kam. Mit dem Ritterkreuze des eben gestifteten Leopoldordens ausgezeichnet, begleitete er den Fürsten Schwarzenberg in derselben Eigenschaft, wie früher nach St. Petersburg, nach Paris. Von dem Vertrauen des Fürsten beehrt, entwickelte er daselbst eine sehr erfolgreiche Thätigkeit. Obwohl Napoleon instinctiv keine Sympathien für den jungen aber selbständigen und jeder Kriecherei abholden Kriegshelden hegte, so ließ er ihn doch gelten. Bei dem durch seinen Ausgang unglücklich berühmten Feste des Fürsten Schwarzenberg vergaß sich mancher Franzose so weit, eine verrätherische Absicht von Seite der österreichischen Officiere gegen Napoleon vorauszusetzen. Als nun ein französischer Oberst auch Tettenborn mit einer solchen zweideutigen Aeußerung anredete, konnte sich dieser in seiner Entrüstung nicht halten und warf den dreisten Sprecher rücklings zu Boden. Daß der Franzosenkaiser dieses Vorgehen weiter nicht übel nahm, bewies der Umstand, daß Tettenborn zugleich mit mehreren anderen österreichischen Officieren, welche sich wie er während des Brandes durch opfervolle Anstrengung bei den Rettungsarbeiten hervorgethan, den Orden der Ehrenlegion erhielt. Trotz alledem war ihm Napoleon doch nicht freundlich gesinnt. Als dieser den Befehl erließ, daß an seinem Hofe alle Militärs, welche bisher in ihrer dienstmäßigen Uniform daselbst erschienen waren, ohne Unterschied sich in französischer Hoftracht vorzustellen hätten, wollte Tettenborn, der früher Major beim 9. Uhlanen-Regiment gewesen und dann in gleicher Eigenschaft zu Radetzky-Huszaren Nr. 5 übersetzt worden war, mit der Uniform nicht auch seinen Schnurrbart opfern und erschien in der neu vorgeschriebenen Kleidung mit demselben. Napoleon darüber ärgerlich, redete ihn höhnisch mit den Worten an: „Ein Schnurrbart ist doch recht lächerlich bei solcher Kleidung!“‘, allein Tettenborn erwiderte, ohne sich weiter zu besinnen: „Vielmehr solche Kleidung bei einem Schnurrbart!“ und der kleine Corse steckte diese Replik ein. Mehrere Male machte unser Botschaftscavalier in wichtigen Angelegenheiten die Reise nach Wien und wieder nach Paris zurück. Er überbrachte die Nachricht von der Geburt des Königs von Rom nach Wien, indem er mit einer Bravour ohne Gleichen den französischen Courier, der einen Vorsprung von 120 Stunden hatte, trotz eines Sturzes, der ihn etliche Stunden aufhielt, weitaus überholte, die ganze Strecke in vier Tagen, zehn Stunden zurücklegend. Als dann Napoleon die Rüstungen gegen Rußland betrieb, sagte Tettenborn die durch die verwandtschaftlichen Bande, welche Frankreich und Oesterreich verknüpften, bedingte politische Stellung des letzteren nicht zu, und so verlockend für ihn der Umstand sein mochte, daß sein hoher Gönner Fürst Schwarzenberg mit dem Oberbefehl der Napoleon von Oesterreich zugesicherten Hilfstruppen betraut werden sollte, fühlte er sich doch als Ausländer[44] unabhängig genug, um jetzt nicht für jenen Mann zu kämpfen, gegen den er bisher immer gestritten, und nahm im Frühjahr 1812 seine Entlassung aus der österreichischen Armee, um in die russische zu treten, wo er, bekannt von seinem Aufenthalt in St. Petersburg, mit offenen Armen ausgenommen wurde. Wir haben bisher Tettenborn’s Lebensabschnitte ausführlicher geschildert, da sie sämmtlich Momente der österreichischen Kriegsgeschichte bilden, nun da der Held in fremden Verhältnissen thätig ist, wollen wir sein übriges Leben im allgemeinen Umrisse zusammenfassen. Im russischen Heere als Oberstlieutenant angestellt, diente er zunächst unter dem Oberbefehl des Generals Kutusoff, der seine Abneigung, die er gegen alle Fremden im russischen Dienste hegte, Tettenborn gegenüber bald überwand, nachdem mehrere Gefechte vorgefallen waren, in denen derselbe wie bisher seine Bravour und Umsicht bewährt hatte. Nach dem Abzug der Franzosen aus Moskau erhielt er Befehl, mit einem fliegenden Corps dem Feinde allen möglichen Abbruch zu thun. Er vollführte den Auftrag mit glänzenden Erfolgen, wie seine Gefechte bei dem Bache Plisse, bei Lepel, bei Kobelnitzki und Umgebung und über alles seine Einnahme Wilna’s beweisen, bei welcher die Franzosen 48 Kanonen, 7 Fahnen, 6000 Gefangene, die 24.000 Kranken ungerechnet, verloren. Zum Oberst vorgerückt, stand er unter dem Oberbefehl des Generals Wittgenstein. Sein Uebergang bei Wrietzen, die Ueberrumpelung Berlins, wo Augereau mit mehr denn 8000 Mann stand, die, wenn im Ganzen auch fehlgeschlagen, doch immer einer der glänzendsten Reiterzüge bleibt, sind neue Lorbeerblätter in seinem Ruhmeskranze. Bei dem Vordringen der Russen ins Innere Deutschlands hatte sich deren Aufmerksamkeit längst auf Hamburg gerichtet, wo die Franzosen mit empörender Willkür schalteten und walteten. Zu dem Zuge dahin wurde Oberst Tettenborn ausersehen, der ihn mit einem erlesenen Corps von Kosaken, Dragonern, Huszaren und zwei Stück leichten Geschützes ausführte. Am 14. März 1813 traf er in Ludwigslust ein, am 17. März lieferte er dem französischen General Morand, welcher mit dritthalbtausend Mann und 16 Geschützen den französischen Machthabern in Hamburg zu Hilfe eilte, ein Gefecht, in welchem er ihm sechs Geschütze abnahm und ihn zu eiligstem Rückzuge zwang, und am 18. März hielt er seinen feierlichen Einzug in die Stadt, allgemein als Retter begrüßt, dessen Namen nun weit und breit in den benachbarten Ländern erklang und bis über das Meer hinüberschallte. Die „Leipziger Illustrirte Zeitung“ vom 21. März 1863 [Bd. XL, Nr. 1029] feiert S. 195 den fünfzigsten Jahrestag dieses geschichtlichen Ereignisses durch eine ausführliche Schilderung desselben, welche sie mit einem Bilde, das den Einzug Tettenborn’s in Hamburg darstellt, illustrirt. In der Hansestadt harrten seiner die wichtigsten und schwierigsten Geschäfte. Mit diplomatischer Umsicht und soldatischer Energie löste er alle Aufgaben, stellte die alte Regierungsform her, errichtete die hanseatische Legion, hielt den Muth der Bürger, als die Franzosen sich mit verstärkter Macht in Hamburg festsetzten, in allen bedenklichen Lagen aufrecht, stellte sich dem General Vandamme, als dieser die Stadt zu beschießen begann, entschlossen entgegen. Aber das unsichere Verhalten der Schweden und der Dänen, die bald Hilfe leisteten, bald sie zurückzogen, bald Feind, bald Freund spielten, die Erschöpfung [45] der durch den schweren wochenlangen Waffendienst hart mitgenommenen Hamburger Bürgerwehr, verbunden mit zahllosen anderen Uebelständen, führten die Katastrophe der Räumung Hamburgs herbei. Am 30. Mai verließ er mit seinen wenigen Truppen die Stadt und mußte noch seinen Nachtrab von den Dänen feindlich angegriffen sehen. Ueber diese Hamburger Episode Tettenborn’s berichtet ein Geschichtsschreiber: „So endete die hamburgische Unternehmung nach zehnwöchentlicher Dauer, unter dem größten Glücksanschein begonnen, mit ungeheurer Ausdauer und Kunst behauptet, durch die Einwirkung höherer Verhältnisse und allgemeine Verdunkelung derselben gefallen! Tettenborn hatte das Aeußerste geleistet und bis zum letzten Augenblicke gegen alle auf diesen Punkt gehäufte Schwierigkeiten gekämpft, er hatte Streitkräfte geschaffen, geborgt, erzwungen; aber gegen solche Steigerung des Unglücks war alles Ringen am Ende vergeblich“. Tettenborn war ganz in der Nähe von Hamburg geblieben und empfing die Nachricht vom Abschlusse des Waffenstillstandes in Lauenburg. Bei den nun folgenden großen Veränderungen der verbündeten Heere wurde er den Vortruppen des Generals Walmoden zugetheilt. Nach Beginn der Feindseligkeiten spielten sich auch die Kämpfe an der oberen Elbe ab, wo der feindlichen Hauptmacht von über 60.000 Mann unter Davoust nur 18.000 Mann ungeübter zusammengeraffter Truppen unter Wallmoden gegenüberstanden. Vor allem galt es, den Gegner über unsere Schwäche zu täuschen, und diese Aufgabe, für Tettenborn wie gemacht, führte dieser wieder in meisterhafter Weise aus. Im Gefechte bei Vellahn am 21. August durchbrach er mit seinen Kosaken die feindliche Schützenlinie und täuschte mit seinen 5000 Mann die vierfache feindliche Uebermacht, und im Gefechte bei Stecknitz nahm er den Franzosen 500 Gefangene ab, noch in einigen kleineren Gefechten mehrere Vortheile erringend. Bei dem Jagdschloß Görde unweit Dannenberg lieferte Wallmoden dem General Davoust am 16. September ein blutiges Treffen, welches mit der völligen Vernichtung der feindlichen Division Pecheux endigte. In diesem Gefechte hatte Tettenborn den Angriff eröffnet und durch seine Dispositionen den Feind so zu beschäftigen verstanden, daß dieser bei dem unaufhaltbaren Andrang der Unseren gar keine Zeit zu geordneter Gegenwehr gewann. Tettenborn’s Pferd wurde im dichtesten Kugelregen gestreift, während er selbst unverletzt blieb, dem General Wallmoden ein Pferd unter dem Leibe erschossen. Während gute Nachrichten von den verbündeten Heeren eintrafen, blieb auch Wallmoden an der oberen Elbe nicht unthätig. Tettenborn schlug dem General einen Zug nach Bremen vor. Die Entfernung von der Elbe zur Weser betrug immerhin 20 bis 24 Meilen. Das Wagniß war kein geringes, aber seine Zuversicht eine so große, daß der Feldherr darauf einging. So brach er denn am 10. October in aller Frühe mit 800 Kosaken, 800 preußischen Jägern und vier hanseatischen Kanonen, von Beckede, wo der Uebergang über die Elbe still vor sich ging, nach der Weser auf. Das Wetter war das ungünstigste, der Regen goß in Strömen. Doch die Ueberrumpelung Bremens gelang durch Tettenborn’s Vorsichtsmaßregeln und sonstige treffliche Dispositionen vollkommen. Am 15. October capitulirte der Feind, der freien Abzug erhielt, aber, große Vorräthe, ansehnliche [46] Cassen, Geschütz und Munition und alle Pferde seiner Reiterei zurücklassen mußte. Tettenborn hielt unter dem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug und schickte an General Wallmoden die Nachricht seines glänzenden Sieges, die Schlüssel der Stadt an Kaiser Alexander, welcher dieselben auf dem Schlachtfelde von Leipzig im Augenblicke des entschiedenen Sieges erhielt. Bis dahin unter dem Oberbefehle Wallmoden’s, mit dem ihn freundschaftliche Bande vereinten, kam er jetzt unter jenen des Kronprinzen von Schweden, der ihm anfangs eine feindselige Gesinnung entgegenbrachte, aber bald von derselben abließ, nachdem er Tettenborn kennen und schätzen gelernt. Mit dem Kronprinzen rückte dieser am 4. December 1813 nach Holstein vor. Mit gewohnter Energie griff er in den Gang der Dinge ein. Bei Bramstadt fing er die für den Prinzen Friedrich von Hessen bestimmten Briefschaften des Königs von Dänemark auf, dessen Absichten und Lage darin vollständig enthüllt waren; in Itzehoe nahm er ein Reiterdepot, bei Husum zehn Geschütze, doch als er am 6. Jänner 1814 sich nach Schleswig in Marsch setzte, unterbrach ein Waffenstillstand seine weitern Bewegungen; gleichwohl hielt er während dieser Zeit mit seiner kleinen Truppe den größten Theil des genannten Herzogthums in seiner Gewalt. Der Kronprinz von Schweden aber erkannte nun vollends Tettenborn’s Vorzüge und wollte ihn mit der nämlichen Freiheit des Verhaltens und Wirkens wie bisher, auch für den bevorstehenden französischen Feldzug in seinem Heere belassen. Am 24. Jänner 1814 trat unser Held den Marsch nach dem Rhein an. Während seines kurzen Aufenthaltes in Bremen verlieh ihm die Stadt das große Bürgerrecht. In Köln am Rhein eingerückt, wurde er dazu bestimmt, zwischen dem Heere des Kronprinzen von Schweden und jenem des Feldmarschalls Blücher in Frankreich einzudringen und die Verbindung beider zu erhalten. Nach einem langen beschwerlichen Marsche zum größeren Theile durch feindliches Gebiet, nach mehreren siegreichen Gefechten mit bewaffneten Haufen gelangte er am 25. Februar nach Rheims. Da faßte er den Entschluß, in das Innere des Landstriches zwischen der Marne und Aube, wo eben die Stellung Napoleon’s, Blücher’s und Schwarzenberg’s entscheidende Kämpfe erwarten ließ, vorzudringen, um womöglich Stellung oder Marsch des Feindes zu entdecken. Diese mehrere Wochen bis zum 26. März, dauernden Bewegungen Tettenborn’s, während deren er oft großen feindlichen Heeresabtheilungen in nächste Nähe kam, immer aber geschickt einem ungleichen Kampfe auswich, dabei stets die Verbindung zwischen den einzelnen Armeen der Alliirten aufrecht erhaltend und zur endlich erfolgten Einnahme von Paris durch Auffangen feindlicher Couriere und Auskundschaftung der Bewegungen des französischen Heeres die wichtigsten Dienste leistend, böten den lehrreichsten Stoff zur Einzeldarstellung durch einen gewiegten Taktiker. Der Glanzpunkt dieses kriegsgeschichtlich denkwürdigen Zuges ist aber das Gefecht von St. Dizier, in welchem Tettenborn mit einer Truppe von ungefähr 1000 Mann einem von Napoleon geführten Corps von etwa 10.000 Reitern gegenüber stand und nur 40 Mann verlor. Napoleon selbst sprach auf seiner Fahrt nach Elba in rühmlichster Weise von diesem Gefechte und dem Helden desselben. Hier schließen Tettenborn’s [47] Waffenthaten. Während des nun folgenden Aufenthaltes in Paris wurde er mit glänzenden Ehren. überhäuft, auch erhielt er zur Belohnung seiner trefflichen Dienste durch Vermittlung des Kaisers Alexander und mit Zustimmung des Königs von Preußen beträchtliche Güter in Westphalen, welche Napoleon früher einem seiner Generale verliehen hatte und deren eines schon von Alters her im Besitze der Tettenborn gewesen. Am Feldzuge des Jahres 1815 nahm er nicht mehr Theil. Nach dem Frieden verlebte er, da seine Gesundheit durch die langjährigen Kriegsstrapazen gelitten, einen längeren Urlaub theils auf seinen Gütern, theils in Italien an der Seite seiner Gattin. Im Jahre 1818 verließ er die russischen Dienste und trat als Generallieutenant in badische über. 1819 ging er als Gesandter Badens nach Wien, wo er durch 26 Jahre, bis zu seinem 1845 erfolgten Tode, auf diesem Posten blieb, als einer der gebildetsten und liebenswürdigsten[WS 2] Diplomaten bei Hof und in den höheren wie überhaupt in den gebildeten Kreisen ebensolcher Beliebtheit sich erfreuend, wie vordem als Held und Krieger in den militärischen Kreisen aller Länder, in denen er einen vieljährigen Waffendienst verbrachte. Andreas Graf Thürheim, der beredte, begeisterte Herold des österreichischen Waffenruhmes, hatte den Helden noch persönlich gekannt und schreibt, „daß der liebenswürdige, wohlwollende Charakter des edlen Greises, wo dieser sich zeigte, demselben die allgemeine Verehrung erwarb. Die Trauer bei seinem im December 1845 erfolgten Tode war eine allgemeine. Viele der angesehensten Generale des Heeres, als die Grafen Mensdorf, Heinrich Hardegg, die Freiherren Karl Mengen und Puchner, Theresienritter Baron Plaechel u. s. w. hatten in ihrer Jugend in Klenau’s viel gerühmten Reiterschaaren mit Tettenborn gedient und dessen kühnen Unternehmungsgeist, todesverwegene Tapferkeit mit eigenen Augen zu bewundern Gelegenheit gehabt. Wie ein Ritter- und Reiterbild einer längst entschwundenen Zeit ragte Baron Tettenborn, wenn man die kräftige Gestalt mit dem treuherzigen Wesen und dem weißgelockten Kranze von Haaren um das kahle Haupt sah, in unsere Generation der langen Friedensjahre herein“. – Tettenborn’s Gemalin Therese überlebte ihn um 31 Jahre und starb, eine wegen ihrer liebenswürdigen und anspruchslosen Persönlichkeit allverehrte Matrone, im Alter von 88 Jahren zu Stift Neuburg bei Heidelberg am 11. September 1876. – Zur Zeit dient ein. Karl von Tettenborn als Oberlieutenant und Regimentsadjutant im 2. Dragoner-Regiment Kaiser Franz Joseph.

Varnhagen von Ense (Karl August). Geschichte der Kriegszüge des Generals von Tettenborn in den Jahren 1813 und 1814 (Tübingen 1815, 8°.). – Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität (Frankfurt a. M., 4°.) 1856, Nr. 5: „Rittmeister von Tettenborn“ [oft und mit dem veränderten Titel: „Zwei Couriere“, natürlich ohne Angabe der Quelle, nachgedruckt]. – Geist der Zeit (Wien, Härter, gr. 8°.) 1817, Märzheft, S. 329–373; Aprilheft, S. 1–38: „Tettenborn“. – Hirtenfeld (J.), Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wie. Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, kl. 4°.) Bd. II, S. 776. – (Hormayr’s) Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst (Wien. 4°.) VIII. Jahrg. (1817), Nr. 23 bis 26, 35–38, 47, 48, 53 und 54. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1863, Nr. 1029: „Tettenborn in Hamburg im Jahre 1813“. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung, Bd. II, S. 510. – Oesterreichische Wehrzeitung (Wien, gr. 4°.) 1870, Nr. 34 und 35, im Feuilleton: [48] „Parteigänger“ saus dem Werke des polnischen Generals Wiliczinski: „Ueber den Partisanen- und kleinen Krieg“ (Wien 1869, Gerold)]. – Omnibus. Illustrirtes Wochenblatt (Hamburg, 4°.) 1863, Nr. 11: „Der 18. März 1813 in Hamburg“. – Szöllösy (Joh. Nep. v.). Tagebuch gefeierter Helden und wichtiger kriegerischer Ereignisse der neuesten Zeit... (Fünfkirchen in Ungarn 1837, gr. 8°.) S. 124. – Thürheim (Andreas Graf). Die Reiter-Regimenter der k. k. österreichischen Armee (Wien 1862, Geitler, gr. 8°.) Bd. II: „Die Huszaren“, S. 155; Bd. III: „Uhlanen“, S. 254, 255, 258, 271. – Derselbe. Licht- und Schattenbilder aus dem Soldatenleben und der Gesellschaft (Prag und Teplitz 1876, Dominicus, 8°.) S. 36 und 86. – Zeitgenossen. Biographien und Charakteristiken (Leipzig, Brockhaus, gr. 8°.) Bd. II, S. 1–51.
Porträte. [Mit Uebergehung der meist scheußlichen Holzschnitte.] 1) Lith. nach Stieler 1818 (4°., Karlsruhe, bei Müller). – 2) C. Schule sc. (8°.). – 3) Dähling del. Laurens sc. (4°.). – In meiner Porträtsammlung befindet sich ein Porträt mit der Unterschrift: „Alexander Freiherr von Tettenborn, k. k. Oesterreichischer Huszaren-Lieutenant“. (Fol., ganze Figur, in Huszaren-Officiersuniform, ohne Angabe des Zeichners und Lithographen.) Unser Held heißt Friedrich Karl, und der Porträtirte möchte wohl ein Sohn unseres Helden sein.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XVIII, S. 147, Nr. 13].
  2. Vorlage: liebenswürdisten.