RE:Baktrianoi

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Bewohner von Baktra
Band II,2 (1896) S. 28062813
Baktrer in der Wikipedia
Baktrer in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register II,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|II,2|2806|2813|Baktrianoi|[[REAutor]]|RE:Baktrianoi}}        

Baktrianoi, auch Baktroi und Baktrioi, die Bewohner der Stadt Baktra und der Satrapie Baktriane, sollen nach Artemidoros bei Strab. XI 517 ebenso wie die Sogdianoi vor alters Nomaden gewesen sein; doch waren sie neben der Viehzucht auch dem Ackerbau ergeben, und ihre Lebensweise gestaltete sich milder als jene der Sogdianoi. Infolge der centralen Lage ihres Landes wurden sie von allen Ereignissen betroffen, welche Asien erschütterten; ihre Geschichte verdient daher genauere Betrachtung.

1. Die alte Zeit bis zum Tode Alexanders des Grossen, 1000 bis 323 v. Chr. Die ältesten arischen Wanderungen hatten in den nördlichen Oasen von Chorasmia, Sogdiane und Baktriane arianische Stämme abgelagert oder zurückgelassen, deren primitive Kulturzustände wir aus dem Avestâ kennen lernen. Der Gegensatz zwischen den rohen und räuberischen Steppennomaden und den ackerbautreibenden Insassen der Fruchtoasen schuf zumal im baktrischen Lande einen wehrhaften Kriegsadel, aus dessen Mitte allmählich das erbliche Königtum hervorging; kavi lautet das arianische Wort für König, das in den Veden noch die ältere Bedeutung ,Seher, weise‘ besitzt. Nach der Tradition war Balch der alte Sitz der Kavyanidendynastie, und im Avestâ tritt Kavi Vistâçpa, Sohn des Aurvaṭaçpa, als jener Machthaber hervor, welcher dem Reformwerk des Zarathustra, das an die Stelle der altarischen Naturgötter das dualistische Princip setzte, zugethan war und es förderte. Es heisst demnach, Zoroastres habe die Gesetze des guten Geistes ἐν Ἀριανοῖς verkündet (Diod. II 37) und habe am Hofe eines Königs Hystaspes gelebt (Amm. Marc. XXIII 6, 32. Agathias II 24). Medische Sagenklitterungen erzählten von einem Kriege des Ninos und der Semiramis mit Oxyartes, dem mächtigen Könige von Baktra; wie später Kephalion erfuhr, soll es ,der Magier‘ Zoroastres selbst gewesen sein, der als König von B. der Semiramis unterlag (Euseb. Chron. ed. Aucher p. 43. 35. Syncell 167. Pomp. Trogus bei Iust. I 1, 9. Arnob. I 5. Moses Chor. I p. 87 u. a. O.). Mag auch in diesen Sagen Willkür hervortreten, so prägt sich doch darin die [2807] Grundanschauung aus, dass vor der medischen Herrschaft in Baktra, dem Sitze des Zendglaubens, eine der assyrischen ebenbürtige Macht bestanden habe. Im Kampfe wider Ninive sollen sich (nach Ktesias) die B. zuletzt den Medern angeschlossen haben. Die medischen Könige haben auf dem Höhepunkt ihrer Macht die Oberherrschaft über Baktriane ausgeübt; sie waren in den Kämpfen wider die Sakai, welche Medien brandschatzten, auf die wirksame Hülfe der baktrischen Vasallenfürsten angewiesen; die zarathustrische Religion wurde Reichsreligion, und zu Hütern und Priestern derselben wurde der medische Stamm der Magoi eingesetzt. Als Kyros das persische Reich festigte, bestand das Haus der Kavyaniden nicht mehr; die den Medern ergebenen Völker sollen sich dem Kyros nicht gleich unterworfen haben; die B. leisteten Widerstand und fügten sich erst, nachdem Kyros durch seine Vermählung mit des Astyages Tochter Amytis seine Legitimität bekräftigt hatte; nach harten Kämpfen fügten sich auch die Sakai; an der Iaxartesbeuge erbaute Kyros Kyropolis und sechs kleinere Grenzfesten. Kurz vor seinem Tode soll er seinen jüngeren Sohn Tanyoxarkes (Smerdis) zum Statthalter von Baktriane, Parthia und Chorasmia ernannt haben; seither wurden die höchsten Prinzen des königlichen Hauses nach Baktriane geschickt. Bei der Thronbesteigung des Dareios hielt Dâdaršis, der Satrap von Bâkhtris, treu zu dem neuen Herrscher und besiegte den margianischen Rebellen Frâda. Die Bewaffnung der B. schildert Herodotos VII 64; das Hauptstück war der indische Bogen von Rohr. Nach der Reichsorganisation des Dareios bildeten die B. bis zu den Aigloi den zwölften Steuerbezirk, welcher den hohen Jahresbetrag von 360 Talenten (2 160 000 Mark) abwarf, Herodot. III 92. Seitdem Dareios das indische Fünfstromland bis zu den Dardai hinauf erobert hatte, zog Baktriane den indischen Handel an sich. Wir hören von Handelszügen der B. in die wüsten Strecken des nordindischen Goldlandes; baktrische Karawanen müssen zur Zeit, als die Arimaspensage nach Hellas gelangte, mit der serischen Handelsstadt Issedon verkehrt haben, und dieser Verkehr erhielt sich durch alle folgenden Jahrhunderte. Der Transport indischer Waren auf dem Oxos wird in der hellenistischen Zeit bezeugt (s. u. Baktros). Xerxes betraute zwei seiner Brüder nach einander mit der Verwaltung Baktrianes, Masistes (Herodot. IX 113) und Hystaspes. Von Aufständen der B. ist öfter die Rede, so namentlich unter Artaxerxes I. (Ktes. bei Phot. 72, 31. Diod. XI 69). Im Heere des letzten Dareios standen 30 000 baktrische Reiter, tausend davon bildeten die königliche Garde; nach der Schlacht bei Gaugamela nahmen sie den Rückweg, an der Spitze der König mit dem Satrapen Bessos, einem Achaimeniden. Der tapfere Widerstand, den die B. und noch mehr die Sogdianoi durch volle zwei Jahre dem Alexandros entgegensetzten, zeigt, dass der arianische Volksgeist sich gerade im Nordosten des Reiches am reinsten und kräftigsten erhalten hatte; die makedonische Fremdherrschaft war nicht im stande, den zarathustrischen Glauben aus dem Herzen des Volkes zu bannen. Die Tradition der Parsi, welche dem Alexandros die Verbrennung des vollständigen, 21 Bücher umfassenden Avestaoriginales [2808] zuschreibt, mag erfunden sein; dass jedoch der Eroberer die religiöse Empfindlichkeit nicht immer schonte, zeigt das Verbot des in Baktriane herrschenden zendischen Brauches, die Leichname den Hunden und Geiern zum Frasse auszusetzen (Onesikritus bei Strab. XI 517). Unter Alexandros waren Satrapen von Baktriane Artabazos, dann Amyntas, an dessen Stelle später Philippos trat. Auf eine falsche Nachricht von Alexandros Tod in Indien erhoben sich, ihres Exils überdrüssig, 3000 hellenische Ansiedler und bemächtigten sich der Burg von Baktra, willens, den Rückweg in die Heimat zu erzwingen; das Unternehmen misslang, die Gärung dauerte fort. Nach Alexandros Tod setzten sich 20 000 Fussgänger und 3000 Reiter, lauter Hellenen, aus den verschiedenen Standlagern in Bewegung; Pithon beruhigte die Meuterer, die makedonischen Truppen fielen jedoch über sie her und metzelten sie nieder. Der Satrap Philippos, welcher sich zu schwach erwiesen hatte, wurde von Antipatros 321 nach Parthia versetzt; Baktriane und Sogdiane erhielt Stasanor, bisher Satrap von Areia und Drangiane (Arr. bei Phot. 92, 35); dieser soll sich bei den Einheimischen wie bei den Hellenen sehr beliebt gemacht haben. Über diese ältere Periode vgl. W. Geiger Ostiranische Kultur 1882. Duncker Gesch. d. Altertums IV 15–37. Droysen Gesch. d. Hellenismus.

2. Das helleno-baktrische Reich, bis 140 v. Chr. Seleukos I. Nikator, seit 306 βασιλεύς, sah sich genötigt, den Besitz von Baktriane und den östlichen Satrapien mit Waffengewalt zu sichern; er verstärkte Alexandreschata und liess durch seinen Feldherrn Demodamas eine Recognoscierung an der Iaxartesbeuge vornehmen; hierauf schloss er die Vereinbarung mit dem indischen Fürsten Čandragupta 303. Sein Sohn Antiochos I. Soter (280–261), welcher durch vier Jahre die östlichen Satrapien verwaltet hatte, liess viele Festen Arianes wiederherstellen und erneuerte den indischen Friedensbund mit Amitraghâta. Während Antiochos II. Theos (261–246) in einen Krieg mit Ptolemaios II. verwickelt war, versuchte Diodotos mille urbium Bactrianarum praefectus (Iustin. XLI 4, 5) die syrische Herrschaft abzuschütteln; er prägte Münzen mit der Aufschrift βασιλέως Ἀντιόχου, jedoch mit seinem eigenen Kopfbild und mit baktrischem Typus; zu offenem Abfall schritt er im J. 250 und liess sich fortan König nennen; ausser Baktra beherrschte er auch ,alles umliegende Land‘ (Strab. XI 515, wo durch einen Gedächtnisfehler Euthydemos statt Diodotos steht); ob jedoch die vorhandenen Goldstateren, Tetradrachmen und Drachmen mit der Aufschrift βασιλέως Διοδότου ihm angehören oder seinem Nachfolger, lässt sich nicht entscheiden. Seinem Beispiele scheint der parthische Statthalter Andragoras gefolgt zu sein; es giebt wenigstens einige Münzen mit der Aufschrift Ἀνδραγόρου, ohne jeden Bezug auf die Seleukiden; zugleich begann sich in Parthia der nationale Hass gegen die Makedonen zu regen, wie die Ermordung des Pherekles durch das dahisch-parnische Brüderpaar Arsakes und Teridates im J. 248 beweist; vollständig ging Parthia erst unter Seleukos II. Kallinikos (246–226) im J. 242/41 verloren: Teridates beseitigte den Andragoras und liess sich im Feuertempel von Asaak als Arsakes I. zum König krönen, bald darauf eroberte er Hyrkania; [2809] doch flösste ihm das baktrische Reich Furcht ein. Als er sich zum Kriege rüstete, starb Diodotos I. (etwa im J. 238?); diesem folgte sein Sohn Diodotos II. Seleukos, der mittlerweile sein Reich wiedergewonnen hatte, beschloss die abgefallenen Provinzen des Ostens zurück zu erobern; darum vereinigten sich Diodotos II. und Arsakes I. zu einem Defensivbund. Die Parther schlugen das syrische Heer völlig (Iustin. XLI 4, 9f.). Antiochos III. Megas (223–187), welcher bisher Statthalter der persischen Provinzen gewesen, nahm den Eroberungsgedanken wieder auf und erreichte durch seinen Feldzug gegen die Parther im J. 209 eine vorübergehende Anerkennung der makedonischen Oberherrschaft; im folgenden J. 208 wandte er sich gegen Baktra. Hier waren seit einiger Zeit Wirren eingerissen, das Haus des Diodotos war beseitigt worden, und die Herrscherwürde befand sich in den Händen des Euthydemos aus Magnesia. Antiochos überschritt den Areios, schlug die baktrische Reiterei und belagerte im J. 207 Zariaspa (Polyb. X 49); da sich die Belagerung in die Länge zog, wurden Unterhandlungen angeknüpft, welche zu einem Friedensschluss im J. 206 führten: Antiochos gestand dem Euthydemos, welcher auf die dem Hellenismus von seiten der Parther und der nordischen Nomadenvölker drohenden Gefahren hinwies, den Königstitel zu und versprach dessen Sohne Demetrios seine Tochter (Laodike?) zur Frau; Euthydemos zahlte eine Kriegscontribution, übergab seine Kriegselefanten und versorgte das syrische Heer mit Proviant; Antiochos zog dann über Kophene, wo er den indischen Bund mit Subhagasêna erneuerte, Arachosia und Drangiane in die karmanischen Winterquartiere. Von Euthydemos hat die baktrische Stadt Εὐθυδήμου ἄνασσα ihren Namen; aus der Ortschaft Δημητριάς in Arachosia folgert man, dass diese Provinz samt Areia und dem Lande der Paropanisadai in den Besitz des baktrischen Reiches gekommen war, sei es infolge der Vermählung des Demetrios mit der syrischen Prinzessin, oder durch Annexion zur Zeit, als Antiochos mit den Römern beschäftigt war. Jedenfalls nahm das baktrische Reich unter Euthydemos und dessen Sohn und Mitregenten Demetrios einen gewaltigen Aufschwung. Mag auch die Nachricht (Strab. XI 516) von der Eroberung der indischen Landschaften Patalene, Syrastrene und des Küstenstrichs Sigerdis eher auf die späteren indischen Herrscher Apollodotos und Menandros (Peripl. mar. Erythr. 47) zu beziehen sein, so viel ist sicher, dass wenigstens das indische Fünfstromland von Demetrios erobert wurde; dieser erste Yavanakönig setzte sich in der Feste Çâkala fest, welche er seinem Vater zu Ehren Εὐθυδήμεια nannte. Um den baktrischen Handel nach Sera zu sichern und mit den Seres Fühlung zu gewinnen, wurde (um 190) die Ostgrenze des Reiches bis zu den Hunnen (Φαυνοί Strab. a. a. O.) vorgeschoben und dieses unruhige, damals auch von Čîna erfolgreich bekämpfte Volk in Schrecken gesetzt. Die Münzen βασιλέως Εὐθυδήμου zeigen uns einen Mann in mittleren Jahren; sie haben ein bedeutendes Verbreitungsgebiet, von Balch bis Seistân und Penǧâb; auch die des Demetrios sind häufig, darunter ältere, noch aus Baktra stammende, mit bloss griechischer Aufschrift βασιλέως Δημητρίου, [2810] und jüngere aus der Indosregion in zwei Sprachen, z. B. βασιλέως ἀνικήτου Δημητρίου / mahârâǧasa aparaǧitasa Deme(triyasa); es giebt auch viele Münzen eines Euthydemos mit sehr jugendlichem Typus, diese müssen einem Sohne und Mitregenten des Demetrios, Euthydemos II., zugeschrieben werden. Euthydemos I. starb in hohem Alter (etwa im J. 180?); aber auch seinem Hause blieb die Erbfolge nicht gesichert. In Baktra erhob sich ein Usurpator, Eukratides, ein Mann von grosser Energie und Tapferkeit, welcher darnach strebte, die ganze indobaktrische Herrschaft in seiner Hand zu vereinigen. Von ihm erhielt die baktrische Feste Εὐκρατιδία den Namen. Zuerst hatte er den Angriff des Demetrios rex Indiae (Iustin.) auszuhalten; er geriet dabei in grosse Bedrängnis, schliesslich gelang es ihm, den grössten Teil des Penǧâb zu erobern, wo er Herr von ‚tausend Städten‘ wurde (Strab. XV 686), während Demetrios auf ein kleineres Gebiet beschränkt blieb. Die von Euthydemos eingesetzten Eparchen in Areia, Drangiane, Arachosia, Kophene und Gandaritis, welche nach dessen Tode ebenfalls als selbständige Könige auftraten und sich durch die Macht des Usurpators bedroht sahen, scheinen sich zu einem Bunde wider Eukratides vereinigt zu haben, voran Agathokles, ferner Antimachos, Platon u. a.; bezeichnend sind namentlich die Münzen βασιλεύοντος Ἀγαθοκλέους Δικαίου mit den Namen der Stifter und Mitbegründer der hellenischen Herrschaft, Ἀλεξάνδρου τοῦ Φιλίππου, Διοδότου Σωτῆρος, Εὐθυδήμου Θεοῦ, Ἀντιόχου (III.) Νικάτορος. Münzen anderer gleichzeitiger Teilfürsten, wie des Antialkides und Lysias, zeigen hinwieder dieselben Embleme wie die des Eukratides; vielleicht waren es Verbündete dieses Herrschers, der sich gezwungen sah, mit einigen seiner Rivalen zu pactieren, nachdem er sich auch mit Demetrios versöhnt hatte; eine seiner Münzen verewigt den Ehebund (seines Sohnes) Ἡλιοκλέους καὶ Λαοδίκης (Tochter des Demetrios, Enkelin des Antiochos III.). Für die überaus zahlreichen Gold- und Silbermünzen dieser gaben den Stoff die Silberbergwerke oberhalb Alexandria sub Caucaso und an der Indosbeuge, sowie der Goldstaub aus dem Lande der Bautai und das aus den Quellbächen des Oxos gehobene Flussgold; die von hellenischen Werkmeistern besorgte Prägung steht unübertroffen da. Die älteren Münzen des Eukratides führen den blossen Titel βασιλεύς, die späteren weithin verbreiteten Münzen nennen ihn βασιλεύς μέγας, was die zweisprachigen mit Mahârâǧa wiedergeben; die καυσία erscheint mit Ohr und Horn eines Stiers geschmückt; als Schutzgötter treten neben Nike vorzugsweise die Dioskuroi auf; überaus häufig erscheint das sprengende Ross, Symbol von Baktra. Hervorzuheben als grösste und schwerste Münze aus dem Altertum ist ein Zwanzig-Goldstater βασιλέως μεγάλου Εὐκρατίδου im Gewichte von 2593½ Gramm (Revue numismatique, Paris 1867, pl. XII); seine späteren Goldstateren und Silberdrachmen, ebenso jene des Antialkides und Lysias sowie der folgenden indischen Teilherrscher, zeigen an Stelle des ,attischen‘ den sogenannten ‚persischen‘ Münzfuss. Erwähnt sei noch eine Denkmünze auf Eukratides mit der Inschrift Karîçiye-negara devata ,Gott der Stadt Karîçi‘. Neben Eukratides tritt in [2811] dessen zweiter Regierungshälfte sein Sohn Heliokles als Mitregent auf; es gibt aus Balch stammende einsprachige Münzen βασιλέως Ἡλιοκλέους, darunter eine mit dem Datum πγ (83) der baktrischen Aera, also etwa aus dem J. 163; daneben finden sich auch zweisprachige, mit der indischen Legende mahârâǧasa dhramikasa Heliyakreyasa. Jedenfalls war Heliokles der letzte hellenische König, welcher noch auf baktrischem Boden geherrscht hat. Seit Euthydemos und Demetrios war der Schwerpunkt der hellenischen Macht nach Kophene und in das eigentliche Indien verlegt worden, sehr zum Schaden der nördlichen Provinzen, welche Eukratides der Obhut des Heliokles überwies. Das, was Euthydemos befürchtet hatte, trat ein: im Schosse der Barbarenwelt traten grosse Bewegungen ein, deren Ziel gegen Baktra gerichtet war, das treibende Element waren die Hunnen; auch die Parthoi thaten das Ihrige zur Schwächung des baktrischen Reiches. Wie die sinischen Annalen berichten, hatten sich die Hunnen auf die tibetischen Nordstämme, welche sînisch Yue.či (s. Iatioi und Asioi) und indisch Tukhâra (s. Tocharoi) genannt wurden, geworfen und diese zur Auswanderung gezwungen; dieselben fanden einen Ausweg durch das Quellgebiet des Iaxartes in das Land der nördlichen Sakai (sin. Sse), welche um das J. 162 grösstenteils das Feld räumten und über den ‚hängenden Pass‘ (an der Grenze des Pâmir, Bolor und Hindukuš) in das obere Indosthal einfielen, wo sie eine neue Herrschaft begründeten; da nun aber die Yue.či in ihrer neuen Heimat von den hunnischen U.sun bedrängt wurden, überschritten sie endlich den Iaxartes und eroberten, etwa im J. 159, die reiche Landschaft Sogdiane, welche bis dahin dem baktrischen Reiche gehört hatte. Die machte sich der fünfte Partherkönig Mithradates I. zu nutze und entriss dem Eukratides, der stets in Indien beschäftigt war, die margianischen Grenzcantone Aspionos und Turiua (Strab. XI 517); der Verlust von Areia und Drangiane folgte nach. Eukratides, von allen Seiten bedrängt, kehrte eilig nach Baktra zurück; auf dem Wege dahin erschlug ihn sein eigener Sohn und Mitregent Heliokles (Iustin. XLI 16, 5). Die nordischen Nomaden, deren Herrscher nördlich vom Oxos (sin. Uei, neupers. Veh-rôt) residierte, setzten über den Strom und bemächtigten sich der Hauptstadt Zariaspa, die sie Kien.ši (Var. Lan.ši) benannten. So ging im J. 140/39 Baktra, ,die Zierde von Ariane‘, die Stätte hellenischen Lebens, an fremde Nomaden über (Strab. XI 511. Pomp. Trogus prol. XLI). Vgl. über diese Epoche Alfr. v. Gutschmid Geschichte Irans und seiner Nebenländer, Tübingen 1888, wo auf S. 172 Nachweise über die ältere Litteratur gegeben sind; die Münzen, welche hier die Hauptquelle unserer Kenntnis bilden, behandeln Alfr. v. Sallet Nachfolger Alexanders des Grossen in Baktrien und Indien, Berlin 1879, und vorwiegend auf Grund des im British Museum aufgehäuften Münzenmaterials Percy Gardner Greek and Scythic kings of Bactria and India, ed. by Reginald Stuart Poole, London 1886.

3. Die Zeit der ,skythischen‘ Herrschaft, 140 v. Chr. bis 560 n. Chr. Wenn in den klassischen Schriftwerken dieser Periode von B. die Rede, [2812] muss hiebei stets an das herrschende Volk der Yue.či oder Tocharoi, welche Ptolemaios als μέγα ἔθνος in Baktriane ansetzt, gedacht werden. Auf der Welttafel des Augustus am Nordostrande der Erde standen neben Essedones die Bactrianoe (missverständlich Bactrianae Geogr. Rav.) verzeichnet; über deren Herkunft berichtet das Gloss. Placidi: B. Scythae fuerunt, qui suorum factione a sedibus suis pulsi iuxta Bactrum flurium consederunt. Im Peripl. mar. Erythr. 47 wird das μαχιμώτατον ἔθνος Βακτριανῶν zugleich als Handelsvolk vorgeführt, welches serische Produkte den indischen Emporien zuführte; auch die sinischen Berichte rühmen wie an den Parthern so an den B. (sin. Ta.hia) den regen Handelsgeist, was sich natürlich vor allem auf die arianischen (und hellenischen?) Bewohner bezieht. Die römischen Kaiser seit Augustus verfolgten sorgsam die Bewegungen der innerasiatischen Mächte; von Baktriane aus erhofften sie gelegentlich einen Hinterhalt gegen die Parthoi; von Kämpfen der Tocharoi mit den Parthoi ist wiederholt die Rede. Unter Hadrianus kamen Abgesandte der Bactrani nach Rom (Hist. Aug. Hadr. 21, 14); später versprachen die B. ihre Beihülfe zur Befreiung des von Šâhpuhr I. eingekerkerten Valerianus (ebd. Valer. 7, 1); im Triumphzug des Aurelianus im J. 274 traten unter den Nationen, welche der Zenobia Söldner geschickt hatten, Persae Indi Bactrani Seres mit Huldigungsgeschenken auf (ebd. Aurel. 33, 4. 41, 10). Zur Sasanidenzeit heisst der König von Bahl buzurg-Kušân-šâh, die syrischen Chronisten reden von den Kušânoyê, die armenischen von den Kušanq̔ auf den indischen Münzen der Yue.či (50 bis 360 n. Chr.) findet sich regelmässig als Stammesname der Fürsten Kušâna (auch Khušâna, Khašâna) angegeben, wofür die griechische Legende κορανο (ρ oder P ist hier neugeschaffenes Zeichen für σανπῖ und gleich š auszusprechen) oder χοραν bietet; der Ursprung dieses Namens erklärt sich auf folgende Weise. Um das J. 30 v. Chr. riss, sinischen Berichten zufolge, Kieu.-tsieu.khio der Teilfürst von Kušâna im Sogdthale (bei den arabischen Geographen heisst dieser zwischen Ištîchan und Debusiye gelegene Ort Kušâniya, Kušânî und Kušâni-kath) die Herrschaft über die vier übrigen Yue.čiherrschaften an sich und fügte als fünfte Provinz Kao.fu (Kabura des Ptol., jetzt Kâbul) hinzu; er nennt sich auf den indischen Münzen Kuǧula, griech. Κοζουλο, κοζολα. Sein Sohn Yen.kao.čin gab dem allgemeinen Zuge der Nordvölker nach und verlegte den Schwerpunkt seiner Macht nach Gandhâra und nach dem westlichen Indien; er nennt sich auf den Münzen Hima Kapiça, griech. Οημο Καδφισης. Unter dessen Nachfolgern ragt Kaniška (78–120 n. Chr.) hervor, griech. Κανηρκου oder Κανηρκι (ρ wiederum als š auszusprechen), als Inhaber des grossen Reiches der Gandarai und Kaspeiraioi und als Schützer der Lehre Buddhas. Die Goldmünzen dieser indischen Fürsten haben das Gewicht der aurei der römischen Kaiserzeit; auf allen erscheint jene Bezeichnung Kušâna, κορανο. Die Münzen des Kaniška und seines Nachfolgers Huviška, griech. Ὀοηρκι, haben ausschliesslich griechische Legenden – ein Beweis der nachhaltigen Einwirkung des hellenischen Kultuselementes im indischen Grenzgebiet –, und [2813] das Pantheon dieser Kuschanenfürsten zeigt ein buntes Gemisch griechischer, arianischer und zu geringstem Teile indischer Göttergestalten. Von griechischen Göttern begegnen Ἥλιος, Σαλήνη, Ἥφαιστος, Ἡρακιλο, die babylonische Ναναία oder Νάνα, der ägyptische Σαραπο; in grösserer Zahl und in einer Lautform, welche sich inniger an das Zend anschliesst als an das Pahlavî, treten die Volksgötter der baktrischen Arianoi auf, z. B. Adrô, Maô oder Manaô-bagô, Miirô oder Miorô (zd. Miθrô), Orlagnô (zd. Vereθraghnô), Farrô (iran. farnô, os. färn, neupers. farr), Mazdoanô, Oadô (zd. Vatô), Arooaspo (zd. Aurvaṭaçpô, Heros von Baktra), Oaninda, Ašaviχšô, Ardoχšô, Oaχšô u. a. Man sieht, wie sehr sich der arianische Volksglaube bei den Yue.či eingebürgert hat; infolge dieser Receptivität fand in Baktra zuletzt auch die Lehre des Buddha Eingang (vgl. Samanaioi). Diese Kuschanendynastie scheint sich in mehrere Herrschaften zerteilt zu haben; es giebt keinen Beweis dafür, dass Kaniška auch über Baktra geherrscht habe. Am Schluss dieser Periode, etwa um 450, erlangten im Norden des Zweistromlandes die Hunnen grosse Macht; der Name der Hunni (s. d. und Chionitae) steht seitdem im Vordergrund der Ereignisse, und an die Stelle der Kuschanen treten in Baktra und Sogdiane die ,weissen Hunnen‘ oder Ephthalitai (s. d.), armen. Hephthalq̔, syr. Abdeloyê, arab. Habṭal, neupers. Yeftalân, sin. Ye.tha. Den sinischen Berichten zufolge vermochten diese 100 000 Krieger aufzustellen; sie herrschten über vierzig Länder; der Fürst wechselte seinen Sitz je nach der Jahreszeit; so traf z. B. der sinische Pilger Sung.yün den Hofstaat der Ye.tha im Gebiet von Badaχšân. Wiederum bildete sich im Altai und Thiën.šan eine neue Macht, die der Turkoi. Schon die ersten Chaqâne der Türken bekämpften erfolgreich das Volk der Ye.tha; in den Jahren 555–560 verbanden sich die Türken mit Chosrau I. Anôšarwân zum Sturze der Yeftal; einige Grenzgebiete im Südwesten gingen an die Perser über, das meiste behielten die Türken; um das Jahr 630 gehorchten ihnen 27 tocharische Fürstentümer. Von kurzer Dauer war der Einfluss der sinischen Regierung der Thang im Zweistromland. Yezdegerd III., von den Arabern bei Nihâvend 642 geschlagen, suchte vergeblich in Balch Hülfe bei den Türken und den sinischen Beamten; in tumultuarischen Schlachten eroberten die arabischen Feldherrn alle Länder bis zum Iaxartes, und damit war die Herrschaft des Islam besiegelt. Längst waren die Spuren hellenischer Kultur verwischt; nunmehr verlor auch die Religion des Zarathustra ihren angestammten Boden und musste in den indischen Emporien eine neue Heimstätte suchen. Dauernde Ruhe war aber auch dem Zweistromlande niemals beschieden. Über diese Periode vgl. Nöldekes Geschichte der Sasaniden nach dem persischen Annalisten Ṭabarî; die sinischen Nachrichten sind jetzt am vollständigsten übersetzt von Specht Journ. asiat., Paris 1883, II 317–350; über die Münzen der Kuschanen vgl. die vorhin angeführten Werke, ferner Sir Alex. Cunningham Coins of the Indo-Scythians, London 1892.