RE:Glans
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
Schleudergeschosse (teilweise beschriftet) | |||
Band VII,1 (1910) S. 1377–1380 | |||
Schleuderblei in der Wikipedia | |||
Schleuderblei in Wikidata | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register VII,1 | Alle Register | ||
|
Glans. Steine und Kugeln als Schleudergeschosse zu verwenden, war bei den Völkern des Altertums vielfach üblich, Fougères 1608ff., s. Art. Funda (auch hinsichtlich der im Wald von Gavre [Loire Inférieure] gefundenen, R. Kerviler Rev. arch. 1883 II 281ff. Taf. XXIV). Glandes latericiae sind aus Enna, Mommsen Ztschr. d. Altertumswiss. 1846, 782ff., Tunis, Karthago bekannt, Fougères 1609. Gauckler Nouv. Archives des Missions scientif. XV (1907) über rund 2500 solcher Kugeln aus Ton und rund 20 000 Ballistenkugeln aus Kalkstein, mit punischen Buchstaben, gefunden bei den Häfen von Karthago, Arch. Anz. 1909, 194. Nach Caesar bell. Gall. V 45 hatten die Nervier ferventes fusili ex argilla glandes, die weißglühend gemacht geschleudert wurden, um das Stroh der Baracken in Brand zu stecken. Schulten fand in Numantia zahlreiche runde Tonkugeln mit eingeritzten Ornamenten (auf einer ein anscheinend iberischer Buchstabe), auch solche in Form von glandes, so daß es scheinen könnte, als hätten die Numantiner, als es an Blei fehlte, zum Ton gegriffen, Arch. Anz. 1905, 165. 1907, 34. Aus Blei haben solche Geschosse zuerst Griechen hergestellt, Xenophon anab. III 3, 16 rühmt die rhodischen Bogenschützen deswegen. Über die Verwendung und Funde dieser Bleikugeln im Osten s. Art. Σφενδόνη, Σφενδονῆται. W. Vischer Kl. Schrift. II 240–258. Die Römer haben zuerst Schleuderer von griechischen Völkern als Hilfsmannschaften herangezogen, s. Art. Funditores; die Kunst, derartige Glandes zweckmäßig zu fertigen, wurde dann in Italien selbst geübt. Nonius p. 553 M: glandis est plumbum in modum glandis informatum. Die erste Sammlung der gefundenen Stücke gab 1844 de Minicis heraus, doch waren darunter eine Anzahl gefälschte. Den Grund zur wissenschaftlichen Prüfung der Glandes legte Mommsen, der im CIL I p. 189–194.[1] p. 559ff. (vgl. Bull. d. Inst. 1862, 40) wenigstens einige Exemplare veröffentlichte, danach Ritschl in den Priscae lat. mon. epigraphica, Tafel VIII. IX. Eine sehr lebhafte Diskussion knüpfte sich an die von Feuardent angeblich aus Asculum gekauften Stücke, von denen Desjardins in den Desiderata du Corpus inscr. Lat. de l'Académie de Berlin, Paris 1874–1875 über 600 veröffentlichte. Bergk Bonner Jahrbücher LV 1875, 1ff., vgl. seine Sonderschrift 1876, erklärte diese für unecht, publizierte aber 108 seiner Ansicht nach sichere Exemplare. Zangemeister, der die durch die Berliner Akademie von Feuardent erworbenen 444 Stücke zunächst für echt erklärt hatte, Monatsberichte 1875, 465ff.; vgl. Mommsen ebd. 479 und im Neuen Reich 1876 II 417ff., zeigte, daß eine zweite von demselben angebotene Serie gefälscht war, Monatsberichte 1876, 64ff., ebenso die von Desjardins und Bergk veröffentlichten Stücke, und wurde von der Akademie beauftragt, eine umfassende Sammlung des gesamten Materials in den Museen der europäischen Länder zur Vorbereitung einer kritischen Ausgabe zu unternehmen, wobei es ihm 1877 gelang, in Ascoli selbst das Fälschernest aufzudecken. Seine mustergültige Publikation in Ephem. epigr. VI (1885) p. 1–143 mit 13 Tafeln, in der auch nähere Mitteilungen über die Falsifikate und die Tätigkeit des Fälschers Vincenzini [1378] gegeben sind, liegt der folgenden Liste und Erörterung zugrunde (zitiert als Z.), die nr. beziehen sich ebenfalls auf Zangemeisters Sammlung.
Gefunden sind Glandes (vgl. Z. p. XVIII–XXIV Verzeichnis der Fundorte) a) in Sizilien bei Enna, mit dem Namen des L. Piso, Consul 133 v. Chr., der im Sklavenkriege die Stadt belagerte, die 132 von Rupilius erobert wurde; b) am Vorgebirge Leucopetra bei Rhegium mit dem Namen des Q. Salvidienus, den Octavian 42 gegen S. Pompeius schickte, Dio XLVIII 18. Appian. bell. civ. IV 85; c) in Asculum, im Bundesgenossenkriege belagert und Ende 89 erobert von Cn. Pompeius Strabon und in dem übrigen Picenum – diese sind auch veröffentlicht im CIL IX 6086[2] I-XLVIII –, sie gehören beiden kriegführenden Parteien, Römern wie Italikern an, Z. p. 10, eine vielleicht etruskische nr. 45 würde sich auf Hilfsmannschaften der Etrusker beziehen, die die Italiker unterstützten, Liv. per. 74. Oros. V 18, 17; d) in Cumae; e) in Perusia aus dem Kriege in den J. 41 und 40; Appian. bell. civ. V 36 erwähnt die Verwendung von Schleuderbleien bei der Belagerung, Z. p. 52; f) in Spanien aus dem Krieg des Caesar gegen die Söhne des Pompeius im J. 45, Bell. Hisp. 13. 18 (s. u.). CIL II p. 194;[3] 9) in Apsorus (Ossero) auf der Insel Cherso, Arch.-epigr. Mitt. 1880, 79, Z. p. 81, von 22 Exemplaren haben nur zwei eingeritzte Inschriften. Bei andern Stücken Z. p. 82ff. ist der Fundort nicht mehr festzustellen. Die älteste Schleuderkugel mit dem Namen des Consuls Piso stammt aus dem J. 133, Z. p. 3, die jüngste aus dem Perusinischen Krieg, vielleicht eine nr. 2 aus dem Treffen bei Naulochos i. J. 36; gebraucht werden Glandes noch Tac. hist. V 17 von Civilis: saxis glandibusque et ceteris missilibus proelium incipitur. In der Kaiserzeit ist der Brauch aufgegeben; Glandes mit den Namen Traians, Marc Aurels, Constantins sind Fälschungen, Z. p. X, nur Steine werden noch geschleudert (s. d. Art. Funditores). Die Art der Aufschriften (Z. p. XV) gleicht der auf den griechischen Bleien üblichen. Man findet
1) den Namen des kriegführenden Volkes oder Staates im Nominativ (bei den Griechen im Genitiv): Itali nr. 3–5. 125–127; Fir(mani) nr. 6. 7. 129 (s. u.). Die Ergänzung ist wohl sicher, da Firmum nach Appian. bell. civ. I 47 am Krieg teilnahm, Z. p. 17;
2) den Namen des Feldherrn, der die Glandes anfertigen ließ, im Nominativ (bei den Griechen meist im Genitiv): L. Piso L. f cos. nr. 1 CIL X 8063;[4] T. Lafr(enius) pr(aetor) nr. 3; Mag(nus) imp(erator) nr. 2; Cn. Mag(nus) imp(erator) nr. 49. CIL II 4965;[5] Q. Sal(vidienus) im(perator) nr. 51. CIL X 8337[6] A; Rufus imp. nr. 68; Caesar imp. nr. 68; M. Fer[i]d[iu]s tr(ibunus) mil(itum) l(egionis) XI nr. 76, vgl. Cic. ad fam. VIII 9, 4; T. Etri pr(imi) pil(i) leg(ionis) IIII nr. 69; Apidi pr. pil. l. VI nr. 72. 73; Apidi ... pr. pil. nr. 74; Ap. pr. pi[l]. nr. 71; l. XII Scaeva pr. pil. nr. 79; L. Maenius pr. l. XII, X millia nr. 112; M. Ruf(us?) l. XV nr. 22; D. M. Oc. l. IIII nr. 70; L. Rusti Optati a. m. nr. 82; D. Tad. Po. nr. 83; C. Cad(ius) C... nr. 14; P. Carpin. (P. Carp. N.) nr. 114;
3) den Namen und die Zahl der Legion: a) auf Glandes aus Asculum leg. XI nr. 21, l. XV leg. [1379] XV nr. 22–26, l(egio?) Gal(lorum?) nr. 17, legio quar(ta?) nr. 19, l[eg.] IX nr. 20 (die Echtheit der Aufschrift ist nicht zweifellos); b) auf Glandes aus Perusia l. XI, divom Iulium nr. 77, l. XI, div. Iul. nr. 78; l. XII nr. 81, l. XII victrix nr. 80; Z. p. 53; c) auf Glandes unbekannter Herkunft leg. XI nr. 111, leg. XIII nr. 113;
4) den Namen der Schleuderer: Firm(ani) nr. 6. 7 (s. o.), Galli nr. 16, Fer. nr. 8, Mar. nr. 15;
5) den Namen des Verfertigers: C. Fabricius fecit nr. 116 (die Echtheit ist nicht zweifellos);
6) Ausrufe verschiedener Art, Mahnungen an das Geschoß, auch scherzhafte Anreden, a) auf Glandes aus Ausculum (Z. p. 10): feri Pomp(eium) nr. 9; vgl. Z. p. 142; fer sal(utem) Pom(peio), fer? nr. 10; Asc(u)lanis [d]on(um?) nr. 11; feri Pic... nr. 12; fugitivi peristis nr. 13; em tibi malum malo nr. 27; t[?]aurum vo[re?]s malo?, tamen emoves omnem nr. 29; tamen emoves omnem nr. 28; op terga nr. 30. 31; ventri (?) nr. 34; b) auf spanischen: ac(c)ipe(?) nr. 50; c) auf perusinischen: Fulviae [la]ndicam peto nr. 56, pet[o] Octavia(ni) oder Octaria(norum) culum nr. 58, Octavi lax. nr. 61, Octavi laxe, sede nr. 62, L. Antoni calve, peristi C. Caesaris victoria nr. 64, L. A(ntoni) calve (et) Fulvia, culum pan(dite) nr. 65, Caesar ... felix nr. 66. 67; esureis et me celas nr. 84; pathce(?) nr. 89. Unsichere Lesungen nr. 52–55. 57. 59. 60. 85. 91ff.; d) auf Glandes aus Apsorus (Ossero): pertinacia vos radicitu[s] tol(l)et nr. 109. Ferner sind von Emblemen angebracht z. B. ein Dolch nr. 38, auch mit Inschrift nr. 3 a. 16. 25, eine Palme (?) nr. 42, ein Delphin nr. 44, ein Blitz nr. 103, auch geflügelt nr. 50. 51. 68 oder mit Inschrift nr. 56. 63. 66. 67. 68. 72. 73. 76. 77. 82. 108; vgl. Z. p. XVII. Ein Phallus ist nr. 61. 62 dargestellt. Auch in dieser Hinsicht gleichen die Glandes den griechischen Schleuderbleien, wie von Vischer gesammelte Beispiele zeigen.
Die Glandes wurden gegossen, die Formen bestanden aus zwei einander ähnlichen Halbformen mit einem Loch zum Eingießen des Bleis an der Spitze; manche Exemplare zeigen Unebenheiten und deutliche Spuren davon. Bronze ist nicht verwendet, wie Zangemeister p. XIII. XXV Vischer gegenüber feststellte, der sich durch die Patina täuschen ließ. Daß es Tonformen waren, wie Mommsen CIL I p. 188[7] vermutete, zeigt die 1870 in Phanagoria gefundene, jetzt in der Ermitage zu Petersburg befindliche (Abb. bei Z. p. XI); sie ermöglichten die gleichzeitige Anfertigung von mehreren G. Die Geschosse sind meist oblong, an den beiden Seiten zugespitzt, manche mit einer eisernen Spitze (aculeus glandis) versehen, Z. nr. 23. Es gibt jedoch auch andere Formen (rhombenartige, sechseckige), wie ein Blick auf Zangemeisters Tafeln lehrt, vgl. p. XII. Den griechischen gleichen am meisten die von Enna, die von Perusia sind eher einem Mandelkern, die von Asculum einer Pflaume ähnlich (Gabrielli Bull. d. Inst. 1879, 191). Der praktische Sinn der Alten hat die zweckmäßigste Art solcher Projektile geschickt herausgefunden, wie Semper und Kerviler näher gezeigt haben. Über das Gewicht der Stücke gibt Zangemeister im einzelnen Angaben, am leichtesten sind die [1380] sizilischen, zwischen 34 und 46 g, am schwersten die von Asculum, im Mittel 47,13 g, ein mittleres Gewicht haben die von Perusia. Die Aufschriften und Zeichen, die auf die Oberfläche kommen sollten, waren in die Form eingeschnitten. Dabei sind manchmal Versehen untergelaufen, z. B. Buchstaben mißlungen, so auf einem spanischen Exemplar Z. nr. 50 Acipe. Die meisten Glandes waren ohne Aufschrift; gesammelt sind natürlich lieber die mit solcher. Die Schrift läuft fast immer von links nach rechts; einigemal besteht die Inschrift aus drei oder vier Zeilen, dann βουστροφηδόν zu lesen, Z. nr. 53. 55–58. 60. 69. 82 u. a., p. XIV. 53, auch beide Seiten sind beschrieben. Selten sind die Buchstaben in Cursive in das fertiggestellte Stück eingeritzt. Man gebrauchte diese Wurfgeschosse auch wie Pfeile, um in eine belagerte Stadt Botschaft gelangen zu lassen, Bell. Hisp. 13. 18. 19 (glans inscripta). In einzelnen Fällen sind Löcher, die sich in Glandes finden, dadurch entstanden, daß die Stücke von den Bauern als Amulett getragen werden. Zangemeister p. XIIIff. XXIff. Die Alten glaubten beobachtet zu haben, daß die Bleikugeln sich zu stark erhitzten, und die Dichter malen aus, wie das Blei flüssig wird, Verg. Aen. IX 587 (Servius). Ovid. met. XIV 825. Lucret. VI 176ff.: ut omnia motu percalefacta vides ardescere, plumbea vero glans etiam longo cursu volvenda liquescit. 305. Lucan. Phars. VI 513. Stat. Theb. X 533. Vgl. Seneca nat. quaest. II 57: si liquescit glans funda et attritu aeris velut igne destillat. Über die Heilung der durch Glandes verursachten Wunden vgl. Celsus VII 5, 2. Literatur: Zangemeister a. a. O. (p. XXXII–XLIII, auch die älteren Schriften verzeichnet). De Minicis Sulle antiche ghiande missili e sulle loro iscrizioni, Dissertazione letta alla pontificia accad. rom. di arch. 3 Nov. 1839, Rom 1844, vgl. Dissertazioni della pont. acc. rom. XI (1852) 187–256; dazu Borghesi Oeuvr. VII 162ff. Semper Über die bleiernen Schleudergeschosse der Alten und über zweckmäßige Gestaltung der Wurfkörper im allgemeinen, Frankfurt a. M. 1859. Kerviler Des projectiles cylindroconiques ou en olive depuis l’antiquité jusqu’ à nos jours, Rev. arch. 1883 II 281ff. W. Vischer Kleine Schriften II 240–258. 259–284. Bergk Inschriften röm. Schleudergeschosse, Leipzig 1876. Alb. Müller in Baumeister Denkmäler III 2077; Philol. XLVII N. F. I (1889) 739–746. G. Fougères in Daremberg-Saglio Dict. II 2, 1608–1611. Rossbach S.-Ber. der Prussia 1900 Heft 21, 326ff. (23 Schleuderbleie aus Poggibonsi).