RE:Etrusker

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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I. Volk in Italien. II. Sprache
Band VI,1 (1907) S. 730806
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Etrusker. Die überlieferten Formen des Volksnamens gehen sämtlich auf den Stamm turs zurück: Τυρσ–ηνοί, jünger Τυρρηνοί, umbrisch turs-kum numen = etruscum nomen (Eugubinische Tafel I b 17), jünger tuscom nome (Eug. Taf. VI b 58), lat. Tusci und mit Metathesis und vorgesetztem e: E-trus-ci, Etruria. Von diesem Stamme nicht zu trennen ist die in ägyptischen Denkmälern der Könige Merneptah und Ramses III. (14. und 13. Jhdt. v. Chr.) vorkommende Namensform Turscha (Turuscha); ein Beweis nicht nur für das hohe Alter des Volksnamens, sondern auch dafür, daß er ein bestimmtes Volk, nicht etwa Seeräuber verschiedenen barbarischen Stammes, bezeichnet. Die von Griechen geprägte Namensform Τυρσ–ηνοί (die Endung ist namentlich in der Gegend des Hellespont verbreitet) scheint die Art des Wohnens in hohen, festen Häusern (Türmen, Burgen: τύρσις, turris), welche den Griechen und später den Italikern als für dieses Volk charakteristisch erschien, zu bezeichnen. Der einheimische Name war nach dem Zeugnis des Dionys von Halikarnass: Rásena (Rasna) (I 30: αὐτοὶ μέντοι σφᾶς αὐτοὺς ἀπὸ ἡγεμόνων τινος Ῥασέννα τὸν αὐτὸν ἐκείνῳ τρόπον ὀνομάζουσι). Mit Otfried Müller (M.-D. I 65) [1] und Pauli (Altital. Forsch. II 2. 173f.) scheint mir dieses Zeugnis unverwerflich zu sein und eine Stütze in gewissen, mit diesem Namen zusammenhängenden Wortformen etruskischer Inschriften zu finden. Die Verbindung dieses Namens mit dem der Raeti ist dagegen gänzlich ungegründet und zu verwerfen (Deecke und Pauli a. a. O.). Griechen wie Römern galten die E. als ein stammfremdes, barbarisches, von allen bekannten nach Sprache und Sitte verschiedenes Volk (Dionys. I 30). Auch die moderne Sprachforschung hat bisher weder in der Zuteilung zu einer bestimmten Sprachen- und Völkerfamilie ein sicheres Ergebnis zu erzielen vermocht, noch zu einem wirklichen Verständnis der Sprache geführt. Aus dem uns zu Gebote stehenden Material ist ein solches [731] schwerlich zu gewinnen. Daß die E. in der nach ihnen benannten Landschaft nicht von Anfang an gesessen haben, ist sicher; der Name des mitten hindurchfließenden Umbro genügt allein schon zum Beweise dafür. Von ganz vereinzelten Stimmen (Dionys. a. a. O.) abgesehen, sind denn auch die Alten einig darin, sie als eingewandert zu betrachten.

Über die Herkunft der Etrusker stehen zwei Meinungen einander gegenüber. Die eine sucht ihre Heimat im Osten, an der Küste Kleinasiens und auf den Inseln im nördlichen Teile des Aegaeischen Meeres und läßt sie von da zu Schiff nach Italien gelangen und von der Westküste der nach ihnen benannten Landschaft aus diese erobern, dann sich weiter ausbreiten. Die andere nimmt an, daß sie von Norden her über die Alpen gekommen sind, sich zuerst in der Poebene festgesetzt haben und von da weiter nach Süden vorgedrungen sind. K. Otfr. Müller hat beide Ansichten mit einander zu verbinden versucht. Wir beginnen mit der Prüfung der ersteren, welche allein auf eine antike Überlieferung sich stützt. Diese wiederum geht zurück auf Herodot I 94. Er berichtet nach lydischer Sage, daß, als Ates, des Manes Sohn, König war, infolge einer schweren Hungersnot die eine Hälfte des lydischen Volkes unter Führung des Königssohnes Tyrsenos übers Meer gezogen seien und im Lande der Ὀμβρικοί (Umbrer) eine neue Heimat gefunden hätten, von ihrem Führer hätten sie dann den neuen Namen Τυρσηνοί bekommen. Diese Ansicht von der Herkunft der E. aus Lydien ist in der antiken Literatur zu fast allgemeiner Anerkennung gelangt. Als merkwürdig hebt Otfr. Müller (I 67f.) mit Recht hervor, ,wie tief sie in die in Etrurien selbst geglaubte Urgeschichte der Nation eingedrungen ist’; im J. 26 n. Chr. finden wir sie in einer Verhandlung vor dem römischen Senat wie von Sardes behauptet, so von Etrurien aus offiziell anerkannt (Tac. ann. IV 55). Aber es liegt kein Grund vor, den nationalen Überlieferungen, welche Tarquinii an der etruskischen Westküste als die Mutterstadt der Zwölfstädte diesseits wie jenseits des Apennin und den Ausgangspunkt der Religion betrachteten, ein hohes Alter zuzuschreiben und aus ihnen ein selbständiges Zeugnis für die Einwanderung der Vorfahren aus dem Osten, übers Meer, herzuleiten. Vielmehr scheinen jene Überlieferungen von der auf Herodot fußenden, namentlich von Timaios weiter ausgeführten griechischen beeinflußt und danach gemodelt zu sein (vgl. Ed. Meyer Geschichte d. Alt. II 503 und die Stellen bei Geffcken Timaios Geogr. d. Westens 147f.). Nun liegt es auf der Hand, daß die Erzählung Herodots in ihrer völlig sagenhaften Form nicht als geschichtliche Überlieferung gelten kann. Dionys von Halikarnass I 28 hat sie mit Berufung auf den lydischen Geschichtschreiber Xanthos verworfen, der weder von Tyrsenos als lydischem Königssohne noch von der Auswanderung unter seiner Führung etwas wisse. Aber ehe wir, ihm folgend, die Herodoteische Nachricht einfach beiseite schieben, haben wir eine andere Gruppe von Nachrichten zu prüfen, welche das Vorhandensein von Tyrsenern zwar nicht in Lydien, aber im nördlichen Teile des Aegaeischen Meeres und [732] zwar noch für das 5. Jhdt. sicher bezeugen. Diese Nachrichten sind verdunkelt, und bis in die neueste Zeit ist Verwirrung gestiftet worden dadurch, daß die antike historische Kombination seit Hekataios an Stelle des Tyrsenernamens den der Pelasger eingesetzt hat. Es ist das Verdienst Ed. Meyers, die Geschichte des Pelasgernamens im Altertum klargestellt und dadurch in eines der dunkelsten Kapitel antiker Überlieferung Licht gebracht zu haben (Forsch. zur alten Gesch. I 1–134, das 1. Kap. = Philol. N. F. II 1889, 466ff.; vgl. auch Busolt Griech. Gesch. I2 172ff.). Herodot, unter dem Einfluß jener Kombination, kennt im Aegaeischen Meere keine Tyrsener, sondern nur Pelasger, jene nur in Italien. Daraus, daß die zu seiner Zeit noch vorhandenen ,Pelasger’ zu Plakia und Skylake an der Propontis und anderswo eine von den Umwohnern verschiedene, barbarische Sprache redeten, welche andererseits mit der der Bewohner von Kroton, [2] oberhalb der Tyrsener, d. i. der etruskischen Stadt Cortona, übereinstimmte, schließt er, daß die Pelasger eben Barbaren gewesen seien (I 57). Wir ziehen daraus den wichtigen Schluß, daß es zur Zeit des Herodot an jenen Orten des griechischen Ostens Reste einer tyrsenischen d. h. etruskischen Bevölkerung gab, welche die Sprache ihrer Stammesgenossen in Italien redeten (Ed. Meyer a. a. O. 26). Dieser Schluß hat eine Bestätigung erfahren durch die Auffindung einer sehr altertümlichen, schwerlich unter die Mitte des 6. Jhdts. herabzudatierenden Inschrift auf Lemnos, deren Sprache mit der uns aus etruskischen Inschriften bekannten zwar nicht identisch, ihr aber doch in so hohem Grade ähnlich ist, daß ein Zusammenhang nicht abgewiesen werden kann (Cousin und Durrbach Bull. hell. X 1886, 1ff. Pauli Eine vorgriech. Inschr. auf Lemnos 1. Abt. 1886. 2. Abt. 1894). Die von den Athenern aus Lemnos (nach Herod. VI 140 zur Zeit des ionischen Aufstandes, in Wirklichkeit erheblich früher, bald nach 510 oder, wie Ed. Meyer a. a. O. 16 wahrscheinlich macht, schon in der Zeit der Pisistratidenherrschaft) vertriebenen Tyrsener siedelten sich auf der Athoshalbinsel an (Thuk. IV 109). Außerdem sind Tyrsener (mit Einschluß der Herodoteischen [733] Pelasger) nachzuweisen auf Imbros (Herod. V 26), Samothrake (Herod. II 51), Lesbos (die Stadt Μέταον von Μέτας Τυρρηνός begründet nach Hellanikos frg. 121 bei Steph. Byz. s. v.), Plakia und Skylake an der Propontis (Herod. I 57), Termerion an der karischen Küste (Suid. s. Τερμέρια κακά, wo mit Otfr. Müller für τύραννοι Τυρρηνοί zu schreiben ist).

Daran, daß diese Tyrsener mit den in Italien angesessenen zu einem Volke gehören, ist, namentlich seit Auffindung der lemnischen Inschrift, unmöglich zu zweifeln. Wir haben nur die Wahl, entweder anzunehmen, daß es sich um in der alten Heimat sitzen gebliebene, versprengte Reste des E.-Volkes handelt, oder aber um Scharen, welche, als Piraten von Italien gekommen, sich an günstig gelegenen Punkten, namentlich auf den von Griechen nicht okkupierten Felseninseln Lemnos und Imbros, festgesetzt hatten, um von hier aus dem Seeraube nachzugehen. Die letztere Annahme bezeichnet Ed. Meyer (a. a. O. 27) als die einstweilen bei weitem wahrscheinlichere. Aber die naheliegenden Bedenken dagegen hat schon Busolt a. a. O. 175f. richtig hervorgehoben. Wenn die E. auf Lemnos etwa im 7. Jhdt. aus Etrurien dorthin gekommen wären, so würden sie gewiß ihr heimisches Alphabet mitgebracht haben, während das der lemnischen Inschrift in entscheidenden Buchstaben ( = λ, höchst wahrscheinlich ψ = ψ) abweicht, also aus einem griechischen Alphabete der östlichen Gruppe abgeleitet ist und ein Zeichen für den o-Laut besitzt, welcher dem Etruskischen fehlt. Auch die Abweichung der Sprache von der der italisch-etruskischen Inschriften wäre bei dieser Annahme nicht erklärlich. Aber es handelt sich nicht bloß um Lemnos; Busolt sagt richtig: ,die tyrsenische Bevölkerung auf den Inseln des Thrakischen Meeres und an der kleinasiatischen Küste erscheint doch zu zahlreich, als daß man sie von bloßen Raubfahrten aus dem weit entfernten Westmeer herleiten könnte‘. Alles drängt vielmehr, so scheint mir, zu der ersteren Annahme. Wir erinnern uns hier des bei weitem ältesten Zeugnisses für den Tyrsenernamen und zugleich das erste Eingreifen des Volkes in die Geschichte der Mittelmeervölker, nämlich der Turscha der ägyptischen Denkmäler (Ed. Meyer Gesch. d. Alt. I 315. W. M. Müller Asien und Europa 357ff.). Sie gehören zu den ,Nordvölkern, von ihren Inseln gekommen‘, ohne Zweifel von den Inseln und Küsten im Norden des Mittelmeeres; wir dürfen sie als die Vorfahren jener Tyrsener in Anspruch nehmen, deren Reste sich noch bis ins 5. Jhdt. dort behauptet haben und lange Zeit hindurch als Seeräuber gefürchtet waren. Der Gedanke, daß diese Turscha und die mit ihnen zusammen, aber auch schon früher zu Setis Zeit erscheinenden Schardana aus Etrurien bezw. Sardinien nach Ägypten gefahren seien, ist unbedingt abzuweisen [3]; [734] solche schon im 14. bezw. 13. Jhdt. v. Chr. bestehende Beziehungen müßten sicherlich Spuren in den italischen Gräberfunden zurückgelassen haben, welche gänzlich fehlen.

Genauere Angaben, wo dieses Piratenvolk der Turscha–Τυρσηνοί im Gebiete des Aegaeischen Meeres saß, stehen uns nicht zu Gebote; griechische Überlieferung reicht nicht so hoch hinauf, in den Bereich der babylonisch-assyrischen sind sie schwerlich gekommen. Aber wir dürfen ohne weiteres annehmen, daß sie an der kleinasiatischen Küste und auf den Inseln früher einen weit größeren Raum in Anspruch genommen und erst vor der sich ausbreitenden griechischen Kolonisation immer mehr haben zurückweichen müssen. So finden wir auf Lemnos im 9./8. Jhdt. noch keine Tyrsener sondern Sinter (Il. I 594, vgl. Od. VIII 294). [4]

In diesem Zusammenhang erscheint es doch erklärlich, wie die Erzählung Herodots von der Herkunft der Tyrsener aus Lydien entstehen konnte, nämlich aus dem Vorhandensein einer Ansiedlung von Tyrsenern an der Küste und deren von dort erfolgter Auswanderung. Eine Erinnerung an beides kann sich sehr wohl im Lande erhalten haben. Die Ableitung des Namens Τυρσηνοί von der Stadt Τύρρα im südlichen Lydien (Etym. M. s. τύραννος), deren Alter übrigens nicht feststeht), und die Verbindung von Τόρηβος, Τόρηβοι mit beiden (M.-D. I 74f.) ist freilich sprachlich in doppelter Hinsicht bedenklich (wegen des ursprünglichen σ in Τυρσηνοί und des einfachen ρ in Τόρηβος, s. Deecke a. a. O. Anm. 24); in der Wiedergabe der ihm aus lydischer Quelle zugegangenen Erzählung durch Herodot muß vielmehr, auch abgesehen von der fabelhaften Ausschmückung, ein Irrtum untergelaufen sein, den näher feststellen zu wollen müßig wäre. Aber der zu Grunde liegende Vorgang selbst ordnet sich ein in einen größeren Zusammenhang, den wir jetzt besser übersehen als es zu Otfr. Müllers Zeit möglich war; wir wissen, daß Turscha–Τυρσηνοί seit dem 14. Jhdt. im Gebiete des Aegaeischen Meeres saßen, in Italien finden wir die Τυρσηνοί wieder; daß hier nur eine zufällige Namensgleichheit vorliege, ist ausgeschlossen, also [735] sind wir zu dem Schlusse gezwungen, daß jene, die den Griechen als ein seegewaltiges Piratenvolk galten, den weiten Weg übers Meer in das ferne Westland gefunden haben.

Gegen die Vorstellung nun, daß in alter Zeit ein ganzes Volk über See weither habe kommen können, hat man sich bis in die neueste Zeit gesträubt (s. v. Duhn Bonner Studien f. R. Kekulé 36). Sie ist in der Tat unzulässig, aber bei näherer Überlegung sehen wir uns keineswegs genötigt, einen solchen unwahrscheinlichen Vorgang anzunehmen. Sicherlich wohnten die aegaeischen Tyrsener zur Zeit ihres Aufbruchs nicht in geschlossener Masse beieinander, sondern zerstreut, in einzelnen kleineren Clans. Auch in der neuen italischen Heimat waren ja die XII populi Etruriae niemals zu einem festgefügten Staate vereinigt. So wird auch der Aufbruch nicht auf einmal in großer Masse, sondern in kleineren Scharen, clanweise erfolgt sein, diese setzten sich zunächst an der Küste fest, indem sie vermöge ihrer besseren Waffen die Einwohner unterwarfen; auf die Kunde von ihrem Erfolg drangen neue Scharen nach, so daß die ganze Einwanderung sich über eine lange Zeit, vielleicht ein Jahrhundert, erstreckt haben wird. Ferner aber: die Bevölkerung, welche die Eroberer im Lande vorfanden, wurde nicht aus dem Lande vertrieben, sondern blieb, wenigstens zum größeren Teile, als Leibeigene oder Hörige sitzen (Nissen Ital. Landesk. I 499). Aus der allmählichen Verschmelzung einer verhältnismäßig dünnen Schicht tyrsenischer Eroberer und der unterworfenen italischen Bevölkerung erwuchs ein neues Volk, die E. So betrachtet verliert die Einwanderung aus so weiter Ferne das Unwahrscheinliche, das ihr zunächst anhaftet.

Die andere Hypothese von der Einwanderung der E. von Norden her über die Alpen geht auf B. G. Niebuhr zurück und ist in neuerer Zeit namentlich von W. Helbig nachdrücklich vertreten worden (Italiker in der Poebene 1879, 100ff.; Ann. d. Inst. 1884, 108ff.). Sie stützt sich auf keine antike Überlieferung; ihr Ausgangspunkt, daß nämlich in den rätischen Alpen E. saßen, wird durch Ortsnamen und namentlich durch dort gefundene etruskische Inschriften allerdings bestätigt (Pauli Altital. Forsch. I). Doch sind diese sämtlich verhältnismäßig jung, meist erst aus dem 2. Jhdt. v. Chr,, kaum über 260 v. Chr. hinaufreichend (a. a. O. 130). und gestatten keineswegs den Schluß (welchen Pauli 111 für die von Sondrio im Gegensatz zu denen von Bozen zieht), daß es sich um zurückgebliebene Reste eines von Norden eingewanderten Volkes handle; vielmehr liegt kein stichhaltiger Grund vor, die Angabe des Livius V 33. Iustin. XX 5 und Plin. n. h. III 33 zu bezweifeln, daß E. der Poebene, durch die Gallier gedrängt, in die Berge ausgewichen seien. Das Etruskertum der Raeter ist also an sich nicht genügend, um die Einwanderung der E. über die Alpen zu beweisen, wie es nach der Darstellung von Nissen (Ital. Landesk. I 497f.) den Anschein hat. Helbigs Beweisführung beruht denn auch im wesentlichen auf Schlüssen aus der Beobachtung der Funde, namentlich der Nekropolen von Tarquinii und Bologna, welche allein damals durch sorgfältig geführte und genau [736] beobachtete Ausgrabungen bekannt waren. Ihr Gang ist kurz folgender: von der ältesten Schicht der Nekropole von Tarquinii, den tombe a pozzo (Schachtgräbern, welche die Reste des verbrannten Toten in einem tönernen Ossuar enthalten) zu den unmittelbar folgenden Bestattungsgräbern a fossa und a cassa (Gruben ohne und mit steinernem Sarg), ferner den stollenförmigen (a corrideo) und den eigentlichen Kammergräbern (a camera) lassen die dem Toten mitgegebenen Beigaben eine fortlaufende Entwicklung erkennen, nirgends einen sprunghaften Wechsel, welcher auf das Auftreten eines fremden erobernden Volkes schließen ließe. Da nun mindestens die Kammergräber sicher von E. herrühren, so schließt Helbig, daß auch die älteren Grabtypen, einschließlich der den Ritus des Verbrennens zeigenden Schachtgräber, diesen zuzuschreiben seien. Derselbe Grabritus nicht nur, sondern die ganze durch die ältesten Gräber von Tarquinii vertretene Kultur ist nun nicht auf Etrurien beschränkt, sondern findet sich wieder in Latium (um den Albanersee, in und um Rom, in Ardea), in Umbrien und östlich des Apennin in den älteren Gräbergruppen der großen Nekropole im Westen von Bologna (nach den Grundeigentümern Benacci und Arnoaldi benannt) und der zuerst erforschten von Villanova, nach welchen sie als ,Villanovakultur‘ bezeichnet zu werden pflegt. Daraus schließt Helbig, daß E. und Italiker (Umbrer, Latiner), als sie ihre späteren Wohnsitze westlich des Apennin erreichten, im Besitze einer wesentlich gleichartigen Kultur waren, welche sie in längerem Zusammenleben östlich des Apennin erworben hatten. Während der ganzen Dauer der sog. Villanovakultur seien mithin E. und Italiker, wenngleich nach Abstammung und Sprache verschieden, für uns nicht voneinander zu scheiden. Nach oben hin hängt die Villanovakultur durch mehrere Zwischenglieder (namentlich die Nekropole von Bismantova) zusammen mit der der Pfahldörfer im Wasser und auf dem trockenen Lande, der sog. Terremare. An dieser letzteren Kultur können die E. nach Funden in den oberen Schichten einiger Terremare höchstens gegen deren Schluß teilgenommen haben, im allgemeinen gehört sie den Italikern an, welche über die Alpen in die Poebene gelangt sind. Die E. sind ihnen, so nimmt Helbig an, beträchtlich später auf demselben Wege gefolgt und haben sich ebenfalls zunächst in der Poebene nieder gelassen. Ihre Einwanderung steht nach Helbig im Zusammenhange mit der großen Völkerbewegung, welche sich in Zentraleuropa um das 10. Jhdt. v. Chr. vollzogen hat. Als die E. später den Apennin überschritten und sich in der nach ihnen benannten Landschaft festsetzten, blieb, nach Helbig, ein Teil zurück. Diesem gehört der unzweifelhaft etruskische jüngere Teil der Nekropole von Bologna (Certosagruppe) an, sowie die etruskische Kolonie in pian di Misano (vermutlich ist der antike Name hier erhalten) bei Marzabotto, weiter aufwärts im Tal des Reno, welche mit jener eng zusammenhängt. In ihr herrscht ganz vorwiegend der Ritus des Bestattens, im Gegensatz zu der älteren Brandnekropole. Die Zeit dieser jüngeren etruskischen Kulturschicht wird durch die in ihr gefundenen attischen Vasen (jüngere sf. und rf.) auf das 5. Jhdt. v. Chr. oder, [737] da in Marzabotto vereinzelt spätkorinthische Vasen gefunden worden sind, noch die zweite Hälfte des 6. Jhdts., ihr Ende durch die gallische Invasion um 400 v. Chr. bestimmt. Zwischen dem älteren und dem jüngeren Teil der Nekropole klafft nach Helbig eine Lücke, deren Ausfüllung er von weiteren Nachgrabungen erwartet.

Die scharfsinnige, in sich geschlossene, auf ein reiches Beobachtungsmaterial gegründete Darstellung Helbigs hat ihres Eindrucks nicht verfehlt und eine Zeit lang die Wissenschaft beherrscht. W. Deecke (Die Falisker 1888, 61) und J. Martha (L’art étrusque 1889, 28; mit größerer Reserve – ,La question est toujours pendante‘ – äußert er sich in dem Artikel Etruria in Daremberg et Saglio Dict. II 1 [1892] 819) stimmen Helbig zu, St. Gsell (Fouilles dans la nécrop. de Vulci 1891), dem wir die erste wirklich wissenschaftliche Erforschung der Nekropole von Vulci verdanken, läßt am Schlusse einer ausgezeichnet klaren Untersuchung der Frage (S. 315–344) die endgültige Entscheidung zwar offen, ist aber (Seite_342) der Helbigschen Lösung sichtlich geneigt. Ed. Meyers (Gesch. d. Altert. II § 321 S. 503f.) mit allem Vorbehalt gegebene Ansicht deckt sich wenigstens im Endresultat (Herkunft aus dem Norden) mit dieser. Auch ich habe lange Zeit hindurch unter dem Banne der Schlußfolgerungen Helbigs gestanden. Aber eine Reihe von Erwägungen scheint mir entschieden gegen sie zu sprechen. Zwar die Herodoteische Tradition, welche Helbig als eine Erfindung der Phokaeer, wie mir scheint allzu leicht, beiseite schiebt, könnten auch die Gegner allenfalls preisgeben, die Tatsache aber, daß schon im 14. Jhdt. v. Chr. die Turscha an der Küste Kleinasiens und auf den Inseln des Aegaeischen Meeres saßen, ließe sich von Helbigs Standpunkt aus nur unter der Voraussetzung erklären, daß diese auf dem Landwege durch das Donautal über die Alpen in die Poebene gelangt wären. Dies ist in der Tat die Meinung von Busolt Griech. Gesch. I2 174, 3. Aber ist sie wahrscheinlich bei einem seegewohnten Volke, welches wagen konnte, dem mächtigen Pharaonenreiche auf dem für jene Zeit immerhin langen Seewege entgegenzutreten? Wie erklärt es sich ferner, daß die Nation nach jahrhundertelangem Verweilen im Binnenlande wiederum in historischer Zeit als Seemacht erscheint? Der entscheidende Punkt in Helbigs Beweisführung ist aber seine Beurteilung des Verhältnisses der beiden Teile der Nekropole von Bologna zu einander. Hier führt, meine ich, eine unbefangene Betrachtung der Tatsachen zu entgegengesetzten Ergebnissen und zur Ablehnung der ganzen Hypothese. Wie E. Brizio, von Helbig (S. 161) mit unverdienter Geringschätzung behandelt, zuerst erkannt hat (vgl. dessen späteren Aufsatz Sopra la provenienza degli Etruschi in Atti e Mem. d. R. deput. di st. patr. per le Romagne, 1885 ser. III vol. III 183ff.) und jetzt in übersichtlicher Weise von O. Montelius La civilisation primitive en Italie I 1895, 358ff. dargestellt ist, besteht zwischen dem älteren (4 Gruppen von Gräbern) und dem jüngeren (6 Gruppen) Teile der Nekropole ein tiefgehender Gegensatz, nicht nur im Bestattungsritus (dort fast ausschließlich Verbrennung, hier [738] ganz überwiegend Beisetzung der Leichen), sondern auch in der durch die Beigaben wiedergespiegelten Kultur. Beide Teile sind auch räumlich von einander getrennt: ein 2,50 m breiter Graben begrenzt im Westen den älteren Teil; zwischen ihm und der jüngeren Nekropole ist bei den Grabungen des J. 1883/4 in dem podere S. Polo (Besitzer Arnoaldi Veli) ein 56 m breiter Streifen Landes konstatiert worden, welcher keinerlei Gräber enthält. Dieser Tatbestand weist deutlich darauf hin, daß hier eine stammfremde Bevölkerung mit anderer, höher entwickelter Kultur in einem gewissen Abstand von dem Friedhof der alteingesessenen, diesen respektierend, sich eine neue Ruhestätte für ihre Toten geschaffen hat. Diese jüngere Bevölkerung ist, wie Inschriften in ihrer Sprache bezeugen, die etruskische, die ältere kann demnach nur als italische oder genauer umbrische angesprochen werden. Daß zwischen beiden Teilen der Nekropole eine zeitliche Lücke klaffe, wie Helbig annimmt, ist keineswegs erwiesen, vielmehr wahrscheinlich, daß sich bei den in der Poebene zurückgebliebenen Italikern die Villanovakultur beträchtlich länger erhalten habe als bei den weiter südlich vorgedrungenen Stammesgenossen. Wir können die Frage einstweilen unentschieden lassen, ob nun auch die älteste Gräberschicht der Schachtgräber (tombe a pozzo) mit Leichenbrand in Tarquinii und sonst in Etrurien den Umbrern zuzuschreiben sei. Sicher ist, daß die E. erst nach Eroberung des Landes westlich vom Apennin von dort aus in die Poebene eingedrungen sind. Soweit wir jetzt urteilen können, fällt dieser letztere Vorgang in die zweite Hälfte des 6. Jhdts. Möglich, daß neue Funde der eben begonnenen Ausgrabungen der französischen Schule dazu nötigen werden, diesen Termin noch etwas hinaufzurücken, die Beurteilung des ganzen Tatbestandes werden sie schwerlich zu ändern vermögen. [Die Ausgrabungen des Sommers 1906 haben für Brizios Ansicht entschieden; es ist keine Spur einer Übergangsnekropole gefunden worden, s. A. Grenier Comptes rendus de l’acad. des inscr. et belles lettres 1906, 315ff.]. Daß die antike, von den E. selbst geglaubte Tradition zu unserer Auffassung stimmt, ist schon oben bemerkt worden, die Sage von der Gründung der Stadt Felsina durch den Perusiner Aucnus (Serv. Aen. X 198) hat kaum Anspruch auf Glaubwürdigkeit, die Zusammenstellung des Stadtnamens Felsina mit velzna, velsu, der etruskischen Namensform von Volsinii, ist sprachlich unzulässig, die daraus von Dennis (Cities and cim. of Etr. II2 20) und Montelius (Civilis. I 359) erschlossene Kolonisation von der letzteren Stadt aus hinfällig. Der Stadtname weist auf ein etruskisches Geschlecht der felsna, felzna, helzu als Gründer hin, welches in Inschriften aus der Gegend von Clusium nachzuweisen ist (W. Schulze Lat. Eigennamen 568, 163). Die Hypothese von der Einwanderung der E. über die Alpen ist mit dem oben geschilderten Tatbestande nur unter der Annahme vereinbar, daß sie nach kürzerem Verweilen in der Poebene den Apennin überschritten und dann nach Eroberung des nach ihnen benannten Landes wiederum zurückflutend die früher verlassenen Sitze östlich des Apennin erobert hätten, vielleicht gestützt auf dort zurückgebliebene [739] Stammesgenossen (so Ed. Meyer II 503). Dieser an sich wenig wahrscheinlichen Annahme stehen aber andere Erwägungen entschieden entgegen (s. u.).

Die Auffassung Otfr. Müllers deckt sich in ihrem ersten Teile mit der von uns befürworteten, daß nämlich die E. mit den aus dem griechischen Osten zur See nach Italien gekommenen Tyrsenern identisch seien, nur daß wir diese für ein ungriechisches Volk halten müssen, während der Altmeister, durch die im Altertum aufgekommene Vermischung mit den Pelasgern getäuscht, sie als griechischen Stamm betrachtet und die so auffallend starke Hellenisierung der E. auf sie zurückführt (M.-D. I 82). Seine weitere Vermutung, daß mit diesem griechischen Bestandteil ein anderer stammfremder, nämlich die über die Alpen nach Italien gelangten Rásener, zu einer Nation zusammengeschmolzen sei (a. a. O. 97) – wie und wo vermag er selbst nicht anzugeben – müssen wir aus den angegebenen Gründen ablehnen, ebenso wie die Identität des Namens der Rásener mit dem der Raeter.

Prüfen wir jetzt, wie sich das archäologische Material zu der erstbesprochenen Hypothese, der Einwanderung der E. auf dem Seewege von Kleinasien her, verhält und ob es gestattet, den Zeitpunkt dieser Einwanderung näher zu bestimmen. Eine Vorfrage ist die, ob, wie in Felsina vom Ausgange des 6. Jhdts. an, in dem Bestattungsritus ein entscheidendes ethnographisches Kriterium auch für die ältere Zeit und das eigentliche Etrurien vorliegt, wie namentlich Brizio (a. a. O.) und von Duhn (Bonn. Stud. R. Kekulé gewidm. 1891, 21ff.) behauptet haben, andere Forscher, namentlich Ed. Meyer (II 508), ebenso entschieden in Abrede stellen. Die sorgfältig beobachteten Ausgrabungen Gh. Ghirardinis (Mon. ant. d. Linc. VIII 1898, 117ff.) in Volterra sprechen für die letztere Ansicht: Verbrennungsgräber (a pozzo) und Bestattungsgräber (a fossa) mit völlig gleichartigem Inhalt, des Ausgangs der Villanovakultur, also der Zeit vom Ende des 8. Jhdts. bis tief ins 7. hinein, liegen hier untereinander gemischt. Die Zuteilung an zwei verschiedene Volksstämme erscheint ausgeschlossen; beide Gräbertypen können nur einem und demselben Volksstamm, und zwar der Zeit nach nur den E. zugeschrieben werden. In der Tat hat in historischer Zeit an keinem Orte Etruriens der eine oder der andere Bestattungsritus ausschließlich geherrscht, und die Versuche, den zeitweisen Wechsel desselben zu erklären (als Durchbruch des italischen Ritus des Verbrennens) können nur als einstweilen unbeweisbare Vermutungen gelten (für Griechenland und den griechischen Osten vgl. die sorgfältige Zusammenstellung von Dragendorff Thera II 83–89, welche ebenfalls zu dem Ergebnisse führt, daß der Wechsel im Bestattungsritus nicht auf einen Wechsel der Nationalität oder des Stammes zurückzuführen ist). Nur das erscheint als sicher, daß die Urbevölkerung Italiens ihre Toten begrub, und daß die von Norden her in die Halbinsel eingewanderten Italiker den neuen Ritus des Verbrennens mitgebracht haben. Überall in Etrurien stellen, von der Steinzeit abgesehen, Schachtgräber mit tönernen Ossuaren, welche die Reste des verbrannten [740] Toten enthalten, den ältesten Grabtypus dar. Die neueren systematisch ausgeführten und wissenschaftlich beobachteten Ausgrabungen in den Nekropolen von Cometo-Tarquinia, Vulci und besonders deutlich Vetulonia lassen ferner erkennen, daß diese tombe a pozzo zu größeren Gruppen, richtigen Friedhöfen, vereinigt und daß die einzelnen zwar immer nur für je ein Individuum bestimmt, aber doch mehrere auf einmal, nach einem gewissen Plane angelegt sind (Ghirardini Not. d. scavi 1881, 344). Die den Toten mitgegebenen Gegenstände sind in diesen Gräbern im ganzen gleichartig, gering an Zahl und Wert. Erst an der Peripherie der Gruppen gelegene Gräber zeigen eine reichere Ausstattung, sie sind untermischt mit Gräbern von anderem Typus und zum Teil auch verschiedenem Bestattungsritus. In Corneto-Tarquinia und in Vulci folgen unmittelbar auf die pozzi die Gruben (fosse) mit unverbrannten Leichen (doch finden sich in Vulci verhältnismäßig zahlreiche Fälle von fosse mit Leichenbrand, also Beibehaltung des alten Ritus für die neue Grabform), in Vetulonia (s. Falchi Vet. e la sua necrop. ant. 1891) zunächst die sog. ripostiglî stranieri, d. h. größere und tiefere Schachtgräber ohne Ossuar, auf dem Boden des Schachtes die Reste des verbrannten Toten und reichere Beigaben als in den gewöhnlichen pozzi, meist um eine Schale mit Zahnkronen geordnet, die bei der Verbrennung abgesprungen und anscheinend als Symbol des Kopfes sorgfältig gesammelt sind (vgl. Milani Not. d. scavi 1895, 25). Ferner ebensolche Gräber von einem nicht vollständigen Ringe aufrechtstehender Steinplatten umgeben (tombe a circolo interrotto) und andere, bei denen der Plattenring ununterbrochen ist (tombe a circolo continuo) und mehrere Schachtgräber umschließt, welche die Reste des verbrannten Toten in einem hölzernen Sarge enthalten, darunter wiederum Zahnkronen, die Beigaben teils in, teils (ursprünglich) auf dem Sarge, das Ganze anscheinend ursprünglich durch eine Art Kuppeldach aus Steinen und Holzsparren bedeckt, darüber Reste des Leichenkarrens und bei Männern Pferdegeschirr. Es sind dies die ersten Familiengräber; der Grabritus weist einen Übergang von der Verbrennung zum Begraben auf. Das glänzendste Beispiel dieses Typus bietet die tomba del Duce (Grabinhalt im Museo archeologico zu Florenz), ein prächtig ausgestattetes Fürstengrab, die Reste des Toten in einer bronzenen Larnax gesammelt, die Beigaben in fünf Gruben von verschiedener Tiefe verteilt, unter ihnen bemerkenswert die Reste eines Kriegswagens mit eisernen Radreifen und ebensolchen Gebissen für zwei Pferde. Innerhalb dieses Grabtypus ist man vollständig zu dem Ritus des Begrabens übergegangen, welchen mehrere tombe a circolo zeigen. Wenn nicht alle, so waren jedenfalls einige Gräber dieses Typus von Erdhügeln, Tumuli, überdeckt, wie der tumulo delle Migliarine (Not. d. scavi 1894, 340), als deren Bekrönung Stelen dienten, wie die mit einer eingeritzten Kriegerfigur geschmückte, welche den Namen des Avle Eluske aufweist (Milani Museo topogr. 36), die älteste etruskische Grabstele. Auch große Tumuli mit gemauerten Grabkammem finden sich in Vetulonia; der einzige untersuchte ist der tumulo della Pietrera mit [741] runder Kuppel über einem Gemach von viereckigem Grundriß, um dasselbe herum mehrere Gräber nach Art der in den circoli gebräuchlichen, zum Teil mit prächtiger Ausstattung (durchweg Frauen gehörig): ein Beweis dafür, daß die Grabformen der tombe a circolo und die Kuppelgräber im wesentlichen derselben Periode angehören, was auch durch die Beigaben bestätigt wird. Im allgemeinen ist die Entwicklung der Gräbertypen an der etruskischen Westküste bei lokal verschiedenen Zwischenstufen im Endziel wesentlich dieselbe, nämlich auf Kammergräber für Beisetzung gerichtete, welche entweder in den Felsen gehauen oder aus überkragenden Blöcken aufgemauert sind, in beiden Fällen von Tumuli überdeckt. Und zwar zeigen die eigentlich monumentalen Gräber der letzten Form zwei Varietäten: die des Kuppelgrabes im Gebiete des etruskischen Erzgebirges (Vetulonia: tum. della Pietrera, Volterra: Tum. von Casalmarittimo, Florenz: Kuppelgrab von Quinto Fiorentino), oder stollenförmige Grabkammern im südlichen Tafel- und dem östlich anstoßenden Binnenlande: berühmtestes Beispiel das Regulini-Galassi-Grab in Caere, die Cucumella und Cucumelletta in Vulci, das Grab von Monte Acuto bei Formello im Gebiet von Veji (Not. d. scavi 1882, 292), denen sich in Latium das Grab Bernardini in Praeneste nicht nur dem Inhalt, sondern nach den Beobachtungen von G. Pinza (Bull. com. 1898, 187ff.) auch der Form nach anschließt. Die Chronologie dieser ganzen Gräberschicht ist mit hinreichender Sicherheit festgestellt, namentlich durch die in den Gräbern gefundenen griechischen bemalten Vasen. Wie G. Karo in einem inhaltreichen Aufsatze: Cenni sulla cronologia preclassica nell’ Italia centrale (Bull. di paletnol. it. XXIV 144ff.) gegenüber wesentlich höheren Ansetzungen von Montelius (Preclassical cronology in Greece and Italy, Journal of the anthrop. Inst. 1897, 261ff. – mir unzugänglich) mit unwiderleglichen Gründen dargetan hat, gehört die Gruppe der reichen Fürstengräber (das Regulini-Galassi-Grab in Caere und die gleichzeitigen, oben angeführten in Vetulonia, Vulci, Veji, Praeneste) der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. v. Chr. an. Damals war an der etruskischen Westküste und in dem unmittelbar anschließenden Binnenlande der Ritus des Begrabens zur (wenn auch nicht ausschließlichen) Herrschaft gelangt. Der Beginn dieser Entwicklungsreihe reicht in die zweite Hälfte des 8. Jhdts. hinauf; die ältesten griechischen importierten Vasen, die sog. rasi italo-geometrici, finden sich schon in jüngeren Schachtgräbern von Corneto und Vulci (vgl. Gsell Fouilles de Vulci 399), sie sind nach Karos sehr wahrscheinlicher Vermutung (Bull. di paletn. it. XXX 24) in Kyme in Campanien fabriziert, bald auch in Etrurien nachgeahmt worden. Damit ist das Ende der älteren Kulturschicht der tombe a pozzo ungefähr auf die zweite Hälfte des 8. Jhdts. fixiert, doch ist zu betonen, daß dieser ältere Grabtypus neben dem jüngeren noch tief ins 7. Jhdt. hinein fortdauert. Wie hoch die oben erwähnten zusammenhängenden Friedhöfe von tombe a pozzo hinaufreichen, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen; immerhin dürften sie im ganzen zwei bis drei Jahrhunderte umfassen, so daß wir als ungefähren [742] Anfangstermin das J. 1000 v. Chr. gewinnen würden.

Daß die dem Ende dieser Entwicklungsperiode angehörenden reichen Gräber den E. zuzuschreiben sind, kann nicht zweifelhaft sein, denn wir finden in Vetulonia schon in der tomba del Duce und auf der zu einem gleichartigen Grabe (a circolo) gehörenden Grabstele (s. o.), sowie in dem ungefähr gleichzeitigen Regulini-Galassi-Grabe in Caere, von welchem nach dem gesamten Grabinhalte die andern gleichartigen zeitlich nicht zu trennen sind, schon etruskische Inschriften. Fraglich kann nur sein, ob auch die ganze ältere Schicht der tombe a pozzo als etruskisch in Anspruch genommen werden darf, oder ob wir im stande sind, das Einsetzen einer neuen Kulturperiode an einem bestimmten Punkte zu konstatieren. Daß die ethnographische Scheidung nicht mit dem Aufkommen des neuen Bestattungsritus zusammenfallen muß, ist schon gesagt. Wenn wir nun mit Helbig die ganze Kulturschicht der tombe a pozzo den E. zuschreiben, so würde deren Ankunft in der nach ihnen benannten Landschaft um das J. 1000 v. Chr. fallen. Den Ritus des Verbrennens der Toten könnten sie entweder von den unterworfenen Umbrern angenommen, möglicherweise aber auch aus ihren alten Sitzen im Osten mitgebracht haben. Die Nekropolen dieser Zeit in Kleinasien sind noch wenig erforscht; in der einzigen näher bekannten, der von Assarlik bei Halikarnass, herrscht eben der Ritus der Leichenverbrennung (Dümmler Athen. Mitt. XIII 1888, 273ff.).

Das Auftreten der E. in Italien fiele so zusammen mit dem des Eisens, ihr Aufbruch aus den alten Sitzen in Kleinasien und auf den Inseln gegen die Zeit des Abschlusses der griechischen Kolonisation. Den geometrischen Stil, welcher am Ende der mykenischen Epoche einsetzt, hätten sie mitgebracht und namentlich in der Verfertigung geometrisch verzierter Metallbleche verwertet, welche den Weg auch über den Apennin fanden. Erst nach einer fast drei Jahrhunderte dauernden Betätigung in diesen Bahnen hätte ihre Kunst und Kultur durch den damals einsetzenden griechischen Einfluß einen gewaltigen Aufschwung genommen und im Laufe des 7. Jhdts. zu jener ersten Glanzperiode ihres Kunsthandwerkes geführt, welche die reichen Fürstengräber wiederspiegeln. Das ist in kurzen Zügen die Ansicht, welche Furtwängler in seinem ausgezeichneten Gemmenwerke III 173ff. vertritt. Aber so vollständig wir auch mit ihm in der Herleitung der E. aus dem Osten übereinstimmen, gegen den angenommenen Zeitpunkt ihres Erscheinens in Italien erheben sich schwerwiegende Bedenken. Das nächstliegende ist, daß bei dieser Annahme Gräber der Umbrer aus der Zeit vor der E.-Invasion überhaupt nicht nachzuweisen wären, denn eine ältere Gräberschicht als die der tombe a pozzo kennen wir, abgesehen von den Bestattungsgräbern der Steinzeit, bisher nicht in Etrurien. Die Annahme aber, daß Eroberer und Unterworfene jahrhundertelang auf demselben Kulturzustande und in den gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen verharrt hätten, ist wenig wahrscheinlich. Man dürfte erwarten, daß die Gräber der etruskischen Adligen sich wenigstens [743] durch reichere und wertvollere Beigaben, von denen der umbrischen Hörigen unterschieden. Die Schachtgräber-Friedhöfe spiegeln dagegen in ihrer Anlage und dem Inhalte der einzelnen Gräber einen Zustand der Gesellschaft wieder, in welchem Rang- und Besitzunterschiede nur in sehr beschränktem Maße vorhanden gewesen, das einzelne Individuum nur wenig hervorgetreten sein kann; dieselben Verhältnisse, welche auf der anderen Seite des Apennin schon die Urnenfriedhöfe der Terremare in der Poebene erkennen lassen. Die rapide Entwicklung, welche am Ende der Schachtgräberperiode einsetzt und in rund einem Jahrhundert zu der durch die Fürstengräber vertretenen reichen Kultur führt, fällt allerdings mit dem steigenden griechischen Import zusammen, kann aber nicht durch noch so lebhafte Handelsbeziehungen einer Bevölkerung auf dem bezeichneten wirtschaftlichen und Kulturniveau erklärt werden. Um die fremden Handelsleute anzulocken, mußte eine bevorrechtete, besitzende und dadurch kaufkräftige Klasse entstanden sein; die plötzliche außerordentliche Steigerung inländischer Produktion hat dieselbe Voraussetzung. Dieser Umschwung in den ganzen wirtschaftlichen Verhältnissen aber erklärt sich am natürlichsten eben durch die etruskische Eroberung. Die ersten Anzeichen dieses Umschwunges erkennen wir in der Ausstattung der reicheren Gräber an der Peripherie der alten Schachtgräberfriedhöfe. Wir glauben deshalb nur die jüngeren Schachtgräber den E. zuschreiben, ihr erstes Auftreten an der etruskischen Westküste in das 8. Jhdt. v. Chr. setzen zu dürfen.

Für diese Datierung sprechen auch die folgenden Gründe. Die überaus lebhaften Beziehungen der ionischen und aiolischen Griechenstädte Kleinasiens, namentlich Phokaias zu den E., welche nach Ausweis der Funde seit dem Ende des 7. Jhdts. bestanden haben, legen nach Furtwänglers Vermutung (a. a. O. S. 89 Anm. 3) den Gedanken nahe, daß sie auf die Zeit zurückgehen, wo die Tyrsener-E. noch im griechischen Osten saßen, ja daß die Phokaeer durch sie zu ihren Fahrten nach dem Westen veranlaßt worden sind. Aber wahrscheinlich wird diese überaus ansprechende Vermutung erst, wenn wir den Aufbruch der Tyrsener in das 8. Jhdt. setzen, nicht mit Furtwängler ins 11. Denn nur bei jener Annahme ergibt sich die Möglichkeit fast ununterbrochen andauernder Beziehungen. Auch die beispiellose Vertrautheit mit dem griechischen Sagenstoff, welche die eigene künstlerische Produktion der E. schon im 6. Jhdt. zeigt, kann nicht durch noch so rege Handelsbeziehungen erworben sein, sondern setzt ein lang andauerndes und nicht allzuweit zurückliegendes Zusammenleben mit einer griechischen Bevölkerung voraus, eben den Ioniern und Aiolern, welchen das Epos seine dichterische Gestaltung verdankt. Selbst nach keiner Richtung schöpferisch veranlagt, werden die tyrsenischen Adligen in der alten Heimat dem Vortrage griechischer Rhapsoden gelauscht und die Kenntnis der Sprache wie die Freude an dem Sagenstoff in die neue Heimat mitgenommen haben, wo die in dem engen Kreise des herrschenden Adels bewahrte Tradition dann vermutlich bald durch zuwandernde griechische Künstler [744] lebendig erhalten wurde. Diese ,Hellenisierung‘ der E. ist, wie Otfr. Müller, so auch uns, wenn auch in etwas veränderter Auffassung, der stärkste Beweis für die Herkunft des Volkes aus dem griechischen Osten, zugleich auch dafür, daß die Eroberung der neuen Wohnsitze in verhältnismäßig später Zeit stattgefunden hat. Auch die Tumulusform der vornehmen Grabmäler, welche in Etrurien in der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. zur Herrschaft gelangt, ist aus Kleinasien mitgebracht; die Blüte der Nekropole von Sardes fällt mit der Periode der archaischen etruskischen Fürstengräber zeitlich zusammen. Daß die langgestreckten Grabkammern mit ihrer durch Überkragung hergestellten Wölbung, wie sie diesen Gräbern in Südetrurien eigentümlich sind, den lydischen durchaus gleichen, ist sicherlich kein Zufall und schwerlich durch Handelsbeziehungen allein zu erklären; für die Kuppelgräber des etruskischen Erzgebirges und des Arnotales freilich fehlt es in Kleinasien gänzlich an Vorbildern. Als solche haben vielmehr gewiß die in mykenische Zeit hinaufreichenden Nuraghen Sardiniens gedient, denn ein reger, schon im 7. Jhdt. bestehender Verkehr der der Insel zunächst wohnenden E. mit dieser ist aus den Monumenten mit Sicherheit zu erschließen (namentlich den eigentümlichen Gefäßen in Gestalt einer Barke, welche in Sardinien wie in Etrurien – wir erinnern nur an die tomba del Duce in Vetulonia – vorkommen); gewiß waren im allgemeinen die E. die Gebenden.

Zu den wirklich beweisenden Gründen für die Herkunft der E. aus dem Osten rechnen wir ferner die neuerdings ebenfalls durch monumentale Beläge gesicherte Abhängigkeit ihrer Haruspicin (s. d.) von der babylonischen. Denn daß sie diese im Mittelpunkt ihrer ganzen religiösen Anschauungen stehende Lehre erst in Italien, auf dem Wege des Handels (und zwar nicht mit Griechen, denn die griechische Hieroskopie ist einmal verhältnismäßig jung, nicht über das 6. Jhdt. hinaufreichend, und weicht, obgleich derselben babylonischen Wurzel entsprossen, doch in ihrer Ausbildung von der etruskischen Lehre erkennbar ab, s. G. Körte Röm. Mitt. XX 1905, 374ff.) erhalten haben sollten, ist undenkbar.

Eine weitere Stütze für die Herkunft nicht nur, sondern auch für die von uns angenommene Zeit der Einwanderung der E. scheinen mir die Nachrichten über die ihnen zugeschriebene Einrichtung der Wohnhäuser zu gewähren, welche ebenfalls neuerdings durch die Monumente bestätigt worden sind. Der für das altrömische Wohnhaus, im Gegensätze zum griechischen, charakteristische Raum nämlich, das Atrium (und damit der ganze durch diesen bedingte Plan des Hauses), wird von Varro de l. l. V 61 (M.-D. I 239ff.) auf die E. zurückgeführt. Schon Otfr. Müller hat auf die Ähnlichkeit dieses Raumes mit dem Megaron der Homerischen Anaktenhäuser hingewiesen, Nissen (Pomp. Stud. 610ff.) die Anlage des römischen Hauses durch die von Galen. XIV 17 gegebene Beschreibung eines Bauernhauses seiner pergamenischen Heimat treffend erläutert. Dieser Haustypus nun, der sich dort von der mykenischen Zeit her durch die Jahrhunderte erhalten hat, ist unseres Erachtens von [745] den E. aus ihrer alten Heimat nach Italien mitgebracht worden. Vor ihrer Ankunft wohnten die Italiker in aus Zweigen und Lehm errichteten ursprünglich runden, dann auch ovalen oder rechteckigen Hütten, welche nur einen Raum enthielten; Modelle von solchen, die sog. Hüttenurnen, finden sich als Gefäße zur Aufnahme der Leichenasche in den älteren tombe a pozzo zu Tarquinii, Bisenzio, Vetulonia wie in Latium. Die etruskischen Häuser in pian di Misano bei Marzabatto sind mindestens bis zu einer gewissen Höhe aus Steinblöcken aufgeführt und lassen bereits die wesentlichen Bestandteile des römischen Hauses mit einem großen (zuweilen zum Teil unbedeckten?) atrium als Mittelpunkt erkennen (s. Brizio Mon. ant. d. Lincei I 1892, 311ff.; die Annahme, daß außer dem atrium in dem Hause der isola IX tav. VI 1 auch ein peristylium vorhanden gewesen sei, scheint mir nicht gesichert und a priori ganz unwahrscheinlich). Diese Stadt ist vom Ende des 6. bis zur Wende des 5./4. Jhdts. von E. bewohnt gewesen. Es läßt sich aber nachweisen, daß der Haustypus, wenn auch nicht in der Ausbildung wie ihn die reichsten Häuser von Marzabotto zeigen, einer weit älteren Zeit angehören muß. Denn schon die ältesten auf die Fürstengräber des Typus Regulini-Galassi unmittelbar folgenden, d. h. in den Anfang des 6. Jhdts. zu setzenden Kammergräber (aus dem lebenden Felsen gehauen), welche deutlich ein Bild des Hauses der Lebenden im kleinen geben wollen (wie die tomba d’Iside in Vulci und die tomba Campana in Veji), zeigen den quadratischen Grundriß des Ganzen und eine Einteilung in ein größeres gemeinsames Wohngemach (atrium), an das sich kleinere (Schlaf- oder andere) Gemächer anschließen. Dadurch ist die Ausbildung dieses Typus mindestens schon für das 7. Jhdt. gesichert und die Annahme gestattet, daß neben anderen Errungenschaften einer höheren Kultur die erobernden Tyrsener auch den Bau fester steinerner Wohnhäuser zuerst in Mittelitalien eingeführt haben. [5] Vielleicht erklärt sich daraus der ihnen von den Umbrern wie früher von den Griechen gegebene Name Turski = ,Turmmänner‘. Die Schachtgräber mit ,Hüttenurnen‘ gehören sicherlich nicht den E., sondern den Umbrern vor der etruskischen Eroberung, so in Vetulonia di [746] älteste und größte Schachtgräbernekropole des Poggio alla Guardia, während die jüngeren des Poggio alle Birbe und namentlich colle Baroncio, in welchen Hüttenurnen vollständig fehlen, nach der Ankunft der Etrusker, namentlich für die unterworfene einheimische Bevölkerung angelegt worden sind. Nach dem oben Gesagten dürfen wir aber die älteren Schachtgräber mit Sicherheit über das 8. Jhdt. hinaufdatieren und gewinnen so eine neue Bestätigung für unsere Ansetzung der etruskischen Eroberung.

Endlich glauben wir auch den ältesten in Etrurien nachweisbaren Helmtypus als von den Tyrsenern mitgebracht in Anspruch nehmen zu dürfen, nämlich die von Helbig (Sur les attributs des Saliens in Mém. de l’ac. des inscr. et b. lettres XXXVII 2, 1905, 236ff.) mit Recht als Vorbilder der Kopfbedeckung der Salier bezeichneten Helme aus Bronzeblech mit apex und mit oder ohne (in Metall nachgeahmtem) Busch, sowie deren Nachbildungen in Ton. Diese Helme mykenischer Zeit zuzuschreiben, wie Helbig will, geht nicht an, denn ein direkter Einfluß mykenischer Kultur auf Mittelitalien ist sicherlich ausgeschlossen (vgl. Karo Bull. di paletn. it. XXIV 149); vielmehr handelt es sich um ein Nachleben eines uraltmykenischen Typus in der Zeit des geometrischen Stiles. Helme dieses Typus aus Metall, wie Nachbildungen in Ton, haben sich in tombe a pozzo als Deckel von Villanova-Urnen, auf oder neben solchen, gefunden, so in Corneto-Tarquinia (vgl. Montelius Civ. pr. II T. 276, 11. 277, 6. 279, 3. 277, 1. 278, 2. 279, 1. 6. Ghirardini Not. d. scavi 1881, tav. V 23. 26 S. 359f. 1882, tav. XIII 8), neuerdings in mehreren Exemplaren in den Ausgrabungen des Herrn V. Fioroni 1904 und 1905, in Falerii (Montelius II T. 310, 2), eine kleine Bronzefigur von einem Kandelaber mit solchem Helm in Vetulonia (Montelius T. 179, 1a, c, aus dem circolo di Cerrecchio, Köpfe aus circolo degli Acquastrini ebd. 192). Soviel ich sehe, gehören die betreffenden Gräber zu den reicher ausgestatteten, jüngeren dieser Gattung (so sicher das schöne Metallexemplar Fioroni, in einer cassa gefunden, wie die beiden von Ghirardini Not. 1881 tav. V publizierten), ebenso gehören die aus tombe a circolo von Vetulonia stammenden Nachbildungen in etruskische Zeit. Ein bei S. Maria di Capua gefundenes Exemplar (v. Duhn Ann. d. Inst. 1883 tav. N 2) und die östlich des Apennin gefundenen (im Tanaro bei Asti Montelius Civ. pr. I 47, 10, die ähnlichen Exemplare ebd. T. 146 [Novilara] und T. 161, die Statuette von Bologna ebd. I T. 98, 10 werden durch Handel von Etrurien dorthin gelangt sein; die in Zentraleuropa gefundenen Varietäten dieses Helmtypus sind mit Undset Ann. d. Inst. 1885, 102f. gewiß als jüngere Modifikationen zu betrachten und können hier deshalb beiseite gelassen werden). Wenn nun dieser Helmtypus nicht über das 8. Jhdt. hinaufzureichen scheint, andrerseits die ersten in Etrurien auftretenden Waffenstücke derart gewiß als ein auszeichnendes Attribut den Angehörigen der herrschenden Kriegerkaste mit ins Grab gegeben worden sind, so stimmt auch dieses den Monumenten abgewonnene Zeugnis zu den bisherigen Ergebnissen. Mit den Helmen geht zusammen der von Helbig a. a. O. [747] 248 besprochene, gleichfalls auf einen altmykenischen zurückgehende Schwerttypus, und ebenso charakteristische Beigaben für Gräber des herrschenden etruskischen Adels sind die Pferdegebisse, die Reste von eisernen Rädern der Kriegswagen und die kleinen Modelle von solchen in Ton, welche sich gleichfalls schon in tombe a pozzo gefunden haben (Helbig 270; dazu das von Ghirardini Not. d. scavi 1882, 178 beschriebene und ein weiteres Exemplar der Ausgrabungen Fioroni in Corneto), ebenso wie in späteren, sicher etruskischen Gräbern der unmittelbar folgenden Periode (zweite Hälfte des 7. Jhdts.). Wenn man die besprochenen Helme und Schwerter für griechischen Import ansieht, wie Undset tut, und sie wesentlich über das 8. Jhdt. hinaufdatiert, so entsteht die weitere Schwierigkeit, welche Griechen dann diesen Import vermittelt haben sollten. Daß die Fahrten der Phokaeer in das ferne Westland so hoch hinaufreichen, ist völlig unwahrscheinlich, und in Campanien haben die Griechen erst mit der Gründung von Kyme, nicht vor der Mitte des 8. Jhdts., festen Fuß gefaßt.

Fassen wir alle angeführten Beobachtungen und Tatsachen aus den Funden in Etrurien zusammen, so ergeben sich, wie auch Furtwängler (Gemmen III 173) erkannt hat, lediglich Bestätigungen der von den E. selbst geglaubten Überlieferung von ihrer Herkunft aus dem Osten, nichts was dieser widerspräche. Die Ankunft der Tyrsener an der etrurischen Westküste aber kann bei dieser Annahme, darin stimme ich mit v. Wilamowitzens jüngster Äußerung zur Sache (Anzeige von Mon. ant. d. Linc. XIV 1 im Lit. Centralbl. 1906, 262) überein, nur im 8. Jhdt., oder doch nicht wesentlich früher, erfolgt sein. Ein lückenloser Beweis für beide Annahmen kann freilich, wie Herbig (Berl. Philol. Wochenschr. 1905 nr. 33/4) in einer Anzeige von vier Schriften V. J. Modestovs, welcher, wenn auch mit im einzelnen mehrfach anfechtbarer und von der unsrigen abweichender Argumentation zu demselben Endresultat gelangt (mir zugänglich war nur die vierte ,In che stadio si trovi oggi la questione etrusca‘, Atti del Congr. internaz. di scienze storiche vol. II 1, 1905, 23–48), bemerkt, zurzeit noch nicht geliefert werden. Vielleicht werden neue Fundtatsachen uns gestatten, namentlich den zweiten Punkt, die Zeit der Einwanderung, noch genauer festzustellen, möglicherweise mit geringer Verschiebung nach oben: die Erkenntnis, daß eine höhere Kultur in Mittelitalien erst mit der etruskischen Eroberung beginnt, und zwar in verhältnismäßig junger Zeit, erscheint mir schon jetzt durch das Studium der Funde sicher begründet. Sie wird auch meines Erachtens nicht, wie v. Wilamowitz a. a. O. urteilt, durch die Ergebnisse von W. Schulzes ausgezeichneten Forschungen (Z. Gesch. lat. Eigennamen, Abh. Gött. Ges. d. Wiss. N. F. V 5, 1904) erschüttert. Wie tiefgehend die Wechselbeziehungen zwischen dem Etruskischen und den italischen Sprachen gewesen sind, ist allerdings durch W. Schulze in überraschender Weise klargestellt worden. Er weist nach, daß die E. eine große Anzahl von Praenomina aus den latinischen Dialekten entlehnt und nach ihrer Weise zu Familiennamen [748] umgeschaffen (262), andere latinische Gentilnamen fertig herübergenommen haben (263), andrerseits die Latiner etruskische Nomina in mannigfaltiger Weise den Wortbildungsgewohnheiten ihrer eigenen Sprache angepaßt haben (285), die große Masse der scheinbar latinischen Cognomina auf -o aus verkleideten etruskischen -u Formen besteht (314), wie denn überhaupt die E. den Römern, was den Gebrauch der Cognomina betrifft, ein gutes Stück voraus waren (321). Alle diese Tatsachen stimmen durchaus zu der Vorstellung, die wir uns von der Art und Weise der etruskischen Invasion gebildet haben: erst aus der Verschmelzung der Tyrsener mit den unterworfenen Italikern ist die Nation der E. entstanden. Daß ihr politischer und kultureller Einfluß bis gegen Ende des 5. Jhdts. weit über die Grenzen des eigentlichen Etruriens hinausreichte, wird durch die sprachlichen Beobachtungen nur in ein helleres Licht gesetzt. Daß diese zu dem Schlusse zwingen, die Berührungen der Italiker mit den fremden Eroberern müßten um Jahrhunderte über das 8. Jhdt. hinaufreichen, vermag ich nicht anzuerkennen. Auch die Ergebnisse des IV. Kapitels des Schulzeschen Buches ,Gentilnamen und Ortsnamen‘ S. 522ff. scheinen mir in dieser Richtung nicht beweisend. Auch über die während eines längeren Zeitraumes unter etruskischer Herrschaft oder mindestens Vorherrschaft stehenden Landschaften hinaus, so von Campanien aus südlich nach Apulien hinein, mögen in der Zeit der höchsten etruskischen Macht unternehmende Condottieri vorübergehend Fuß gefaßt und Eroberungen gemacht haben, von denen nur durch die etruskischen Gentilnamen eine Kunde auf uns gekommen ist. Was den Zusammenhang des Namens der Calabri mit dem etruskrischen Gentilnamen kalaprena (Schulze 524) betrifft, so scheint mir die Frage erwägenswert, ob nicht tyrsenische Scharen auf dem Wege in die spätere Heimat in Calabrien vorübergehend sich niedergelassen haben.

Allmähliche Ausdehnung und schließlicher Zerfall der etruskischen Macht. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, haben die E. sich zuerst in dem südwestlichen Tafelland mit den Städten Caere, Tarquinii, Vulci, Veji und in dem nördlich anschließenden eigentlichen Erzgebirge von Cosa bis Volaterrae, mit Vetulonia als dem bedeutendsten Zentrum, niedergelassen. Nur aus diesem Gebiet besitzen wir älteste, bis ins 7. Jhdt. v. Chr. hinaufreichende etruskische Inschriften. Gleichzeitig fassten sie auch im Faliskergebiet festen Fuß, wie die nur hier nach einem festen Plan durch die Generaldirektion der Altertümer unter F. Barnabeis Leitung ausgeführte systematische Erforschung der ganzen Landschaft deutlich erkennen läßt, wenn auch leider viele Einzeltatsachen nicht zuverlässig festgestellt worden sind. Aus dem im Mon. ant. dell’ acc. dei Lincei IV veröffentlichten Bericht, welcher allerdings nur die Ergebnisse der Ausgrabungen von Narce vollständig bringt, ergibt sich ein klares Bild der allmählichen Besiedlung der Landschaft. Auf der Suche nach den ältesten städtischen Ansiedlungen fand man, von Falerii aus dem Oberlauf der Treia folgend, eine solche in Monte S. Angelo in fester Lage, durch einen [749] Wall von formlosen Steinen und Erde geschützt (tav. III. S. 29 Fig. 4). Die zugehörige Nekropole enthält Schachtgräber (tombe a pozzo) des echten alten Villanovatypus, und erweist also die Ansiedlung als eine alte, der etruskischen Eroberung vorausliegende. Ähnliche Niederlassungen finden sich in Monte Rocca Romana, Monte Calvi und Monte Lucchetti. Sie müssen schon verlassen gewesen sein, als an zwei Orten der Landschaft größere städtische Ansiedlungen entstanden: in Narce (tav. I. III. S. 12 Fig. 1 und S. 24 Fig. 3) und Cività Castellana (S. 14 Fig. 2). An der Stelle der ersteren ist der alte Name bis heute, nur leicht verändert, haften geblieben, denn ohne Zweifel mit Recht hat El. Lattes (a. a. O. 106, 1) das naharcum numen der Eugubinischen Tafeln herangezogen; die andere ist das alte Falerii. An beiden Orten gehören die ältesten Gräber der jüngeren Schachtgräberkultur an, es folgen Bestattungsgräber a fossa und a camera (in den Felsen gehauene Grabkammern), deren Inhalt in Narce bis zur Wende des 5./4. Jhdts. (Narce gehört vermutlich zu den 396 von Camillus zerstörten faliskischen Kastellen), in Falerii bis ins 3. Jhdt. hinein (Zerstörung 241) reicht. Diese neueren Ansiedlungen müssen wir den erobernden Etruskern zuweisen, welche die alten Bewohner zwangen, ihre früheren festen Sitze zu verlassen. Die Zeit dieses Vorgangs, am Ausgang der Schachtgräberperiode, stimmt zu unseren oben gewonnenen Ergebnissen. An beiden Orten erkennt man deutlich eine allmähliche Ausdehnung der Stadt durch Hinzuziehung benachbarter Hügel und eine schließliche Befestigung durch eine wohlgefügte Steinmauer. Eine verhältnismäßig große Zahl von etruskischen Inschriften mit durchweg ältesten Buchstabenformen auf Gefäßen der alten einheimischen Technik des impasto italico (der Vorläufer der vasi di bucchero) beweist das relativ hohe Alter der etruskischen Eroberung (a. a. O. 321ff.), eine altfaliskische auf einem Gefäß derselben Technik (Not. d. scavi 1887, 175) das Fortbestehen der alten einheimischen Kultur unter der hier besonders dünnen Schicht der Eroberer.

Ähnlich, wie er hier fast greifbar vorliegt, dürfen wir uns den Vorgang der etruskischen Eroberung auch sonst denken. Zum Bau fester Steinmauern sind die E. offenbar erst verhältnismäßig spät übergegangen: für Volterra ergibt sich aus Ghirardinis verdienstvoller Untersuchung (Mon. ant. d. acc. d. Linc. X 1901, 205ff.), daß die so höchst altertümlich aussehenden Mauern jünger sein müssen als die innerhalb derselben liegenden Gräber (s. o.), demnach höchstens noch in das Ende des 7. Jhdts. hinaufreichen können. Es liegt kein Grund vor, irgend einer der andern Städtemauern in Etrurien ein höheres Alter zuzuschreiben. Vielmehr ist anzunehmen, daß die E. ihre städtischen Ansiedlungen zunächst durch schnell aufzuführende Erdwälle geschützt und erst in der Periode der Fürstengräber begonnen haben, die inzwischen durch (wohl zwangsweisen) Zuzug der unterworfenen Umbrer stark vergrößerten Städte mit einem festen Mauerring zu umgeben. Auch in den ionischen und aiolischen Griechenstädten Kleinasiens scheint man feste Steinmauern nicht vor dem 7. Jhdt. errichtet zu haben (in diese Zeit gehören die Reste der [750] ältesten, dem Tempel gleichzeitigen Ringmauer von Neandria (s. Koldewey Neandria, 51. Berl. Winckelmanns-Progr. 1891, 10), z. T. erst um die Mitte des 6. nach Herodots bekannter Nachricht (I 141). Auch hier wird, wie bei den Tumulusgräbern (s. o.), ein direkter Zusammenhang nicht abzuweisen sein. Wesentlich, rund ein Jahrhundert, jünger sind die vielbewunderten, für uralt gehaltenen Mauern im Herniker- und den benachbarten Gebieten. Eine auf Veranlassung der Scuola Archeologica vorgenommene, höchst dankenswerte Untersuchung der Mauern von Norba hat zweifellos dargetan (s. L. Savignoni Atti del Congr. internaz. di scienze stor. vol. V 255ff.), daß diese nicht vor der Wende des 6./5. Jhdts. entstanden sein können. Damit ist das noch in manchen Köpfen spukende Phantom von der Existenz uralter ,pelasgischer‘ (richtiger aus der mykenischen Epoche stammender) Mauern (vgl. Deecke in M.-D. I 243, 8) in Mittelitalien endgültig beseitigt.

Es liegt in der Natur der Sache, daß die Eroberung des Binnenlandes nicht unbeträchtlich, wohl um mehrere Generationen, später erfolgte als die der Küste. Die bedeutendste Stadt, Volsinii an der Stelle des heutigen Orvieto, scheint erst um die Wende des 7./6. Jhdts. angelegt zu sein: die erhaltenen Gräber reichen nicht über das 6. Jhdt. hinauf, aus dem Fehlen von tombe a pozzo darf geschlossen werden, daß hier eine alte umbrische Ansiedlung nicht bestanden hat. Clusium dagegen liegt, wie der alte umbrische Name Camars oder Camers (M.-D. I 96) bezeugt, an der Stelle einer solchen: hier hat sich auch der altitalische Ritus des Verbrennens am längsten erhalten; auf die tombe a pozzo (wichtigste Gräberfelder Poggio Renzo und Fonte all’ Aja) folgen die tombe a ziro: größere Schachtgräber mit Leichenbrand in großen Tongefäßen (ziri). Auf die in diesen Gräbern gefundenen, nur dem clusinischen Gebiet eigentümlichen Canopen (Aschengefässe mit menschlichem Kopf als Deckel, aus Ton und Bronzeblech, häufig auf einem Sessel aus denselben Materialien stehend) sind der Erfindung, die älteren Exemplare auch der Ausführung nach, altitalisch, umbrisch (vgl. L. A. Milani Mus. it. I 289ff.). Bei der großen Menge der in Chiusi und dem benachbarten Perugia gefundenen etruskischen Inschriften (fast 2/3 des Gesamtbestandes) fällt das Fehlen solcher von hocharchaischem Charakter auf. Etruskische Sprache und Kultur ist hier ohne Zweifel später zur Herrschaft gelangt als an der Küste. Spätestens um die Mitte des 6. Jhdts. jedoch ist, so dürfen wir annehmen, nicht nur die Eroberung, sondern auch die Etruskisierung der ganzen Landschaft Etruria vollendet gewesen.

In die zweite Hälfte des 6. Jhdts. fällt, soweit wir jetzt urteilen können (s. o.), der Vorstoß der E. über den Apennin, die Eroberung der Poebene. Von den zwölf Städten, welche sie hier gegründet haben sollen, vermögen wir nur Felsina, Melpum und Mantua mit Sicherheit nachzuweisen (M.-D. I 130ff.). Außerdem ist wahrscheinlich Atria an der Pomündung als etruskische Stadt anzusehen, vielleicht auch Spina. Möglicherweise sind diese letzteren schon in älterer Zeit auf dem Seeweg begründet worden, worauf die [751] Nachricht bei Dionys. VII 8 von einem Ansturm der durch die Kelten von dort vertriebenen E. im Verein mit andern Barbaren auf Cumae um Ol. 64 schließen läßt. Das Zeugnis des Hellanikos bei Dionys. I 28 hat, weil auf Herodot I 57 beruhend, keinen selbständigen Wert (s. o. S. 732 Anm.), mit Recht sagt Ed. Meyer, daß Hellanikos dem Wortlaute nach noch keine E. im Polande kenne. Die etruskische Herrschaft in Oberitalien hat nur wenig mehr als ein Jahrhundert gedauert, da die gallische Invasion um die Wende des 5./4. Jhdts. ihr ein Ende machte. Daß sie sich an mehreren Orten auch unter der gallischen Herrschaft behauptet haben, ist nach vereinzelten Runden anzunehmen (vgl. auch Strab. V 216), für Mantua durch Plinius n. h. III 130 bezeugt.

Gut bezeugt und durch die Funde etruskischer Inschriften bestätigt ist die Herrschaft der E. in Campanien (M.-D. I 160ff.; vgl. W. Schulze Z. Gesch. lat. Eigennamen 62ff.). Wie hoch sie hinaufreicht, steht freilich nicht fest, sicherlich nicht bis ins 8. Jhdt., wie Otfr. Müller aus der durch sie bewirkten Hemmung der ,uralten griechischen Kolonisierung dieser Gegend‘ schloß. Denn die Gründung von Kyme ist, wie wir jetzt wissen, keineswegs so alt, wie die antike Überlieferung angibt, sondern erst in der zweiten Hälfte des 8. Jhdts. erfolgt, und die etruskischen Inschriften Campaniens weichen in ihren Buchstabenformen von denen des Mutterlandes ab und enthalten neben altertümlichen etruskischen Buchstabenformen solche oskischen und sabellischen Ursprungs, ein Beweis dafür, daß die E. ihr Alphabet nicht etwa in Campanien von Kyme empfangen haben, sondern im Mutterlande, und daß die Kolonisierung Campaniens später von dort aus erfolgt ist, und zwar wahrscheinlich von Südetrurien aus wegen der Wiederkehr dortiger Ortsnamen in Campanien (M.-D. I 169).

Die Beziehungen der E. zu Kyme scheinen im 8./7. Jhdt. freundliche gewesen zu sein, wenigstens lassen die Funde auf einen regen Handelsverkehr schließen; erst als die E. in Campanien festen Fuß gefaßt hatten, änderte sich dies; im 6. Jhdt. treten die ionischen und aiolischen Städte Kleinasiens die Erbschaft des kymäischen Importhandels in Etrurien an und die campanischen E. in ein feindliches Verhältnis zu Kyme. Wenn die Nachricht des Dionys VII 3 richtig ist, daß um 524 E. aus dem Polande mit andern Barbaren Kyme angegriffen haben, so scheint sie mit Otfr. Müller so verstanden werden zu müssen, daß die schon im Lande befindlichen E. Zuzug von Stammesgenossen erhielten, nicht daß damals erst die E. in Campanien erschienen sind (so Karo Bull. di paletn. it. XXX 22). Vielmehr scheint es mir wahrscheinlich, daß sie schon in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts dort festen Fuß gefaßt hatten. Deshalb kann ich mit Otfr. Müller (I 165) dem Zeugnis Catos (Velleius I 7) keinen Glauben beimessen, daß Capua, die bedeutendste Stadt der Landschaft, in etruskischer Zeit Vulturnum genannt, erst gegen 283 d. St. = 471 v. Chr. von ihnen gegründet, oder auch nur besetzt worden sei. Das Ende ihrer Herrschaft in Campanien fällt wohl mit der Ermordung der herrschenden etruskischen Adligen in Capua durch die samnitischen Neubürger im J. d. St. 331 = 423 zusammen [752] (M.-D. 172), so daß die Gesamtdauer die der Herrschaft in Oberitalien nicht wesentlich überstiegen haben wird.

Die antike Überlieferung läßt die etruskischen Ansiedlungen in Campanien als vom eigentlichen Etrurien durch einen großen Zwischenraum getrennt erscheinen. In Wirklichkeit war es nicht so: in Latium erweist sich die alte Stadt Tusculum schon durch ihren Namen als eine Gründung der Tusci (W. Schulze 542), auch an anderen Orten finden wir ihre Spuren. Wenn sie auch schwerlich die ganze Landschaft unterworfen, sicherlich nicht sie zu einer eigentlich etruskischen gemacht haben (in Praeneste bestand am Ende des 7. Jhdts. ein latinisches Gemeinwesen, wie die Goldfibel aus tomba Bernardini mit der altlatinischen Inschrift Manios med vhevhaked Numasioi, vgl. Röm. Mitt. 1887, 37, beweist), so behaupteten sie sicher dort das ganze 6. Jhdt. hindurch die Oberherrschaft (vgl. die etruskische Inschrift mi tites latines auf einem in Veji gefundenen Napf aus impasto italico, Not. d. scavi 1889, 61). Daß sie in Rom geherrscht haben, wird heute von niemand mehr bezweifelt; jetzt hat W. Schulze wahrscheinlich gemacht, daß nicht nur die sog. Tribus der Tities Ramnes Luceres etruskische Gentilnamen tragen (a. a. O. 582), wie die porta Ratumenna und Capena, sondern daß der Stadtname selbst nichts anderes bedeutet als die Siedlung der etruskischen ruma (571ff.). Der Tiber (von etrusk. ϑepre) war lange Zeit hindurch im vollen Sinn des Worts ein tuscus amnis. Freilich, wenn auch eine etruskische Gens ihr den Namen gegeben hat, so ist doch die Stadt im 6. Jhdt. schon eine wesentlich latinische gewesen: die Sprache des hoch ins 6. Jhdt. hinaufreichenden Cippus auf dem Forum und der wenig jüngeren Duenosinschrift ist latinisch. Mit der Vertreibung des letzten Königs brach das latinische Element vollends durch und konnte bald die einstigen Herrscher im eigenen Lande angreifen. Auch in Umbrien, im Volsker- und Marsergebiet finden wir Spuren etruskischer Namengebung, welche auf einstige Herrschaft deuten.

So waren die E. im 6. und bis tief in das 5. Jhdt. hinein die vorherrschende Macht in Italien. Der Verfall ihrer Macht wurde in erster Linie durch die gallische Invasion in Oberitalien bedingt, denn der Kampf gegen die neuen Eindringlinge hinderte sie, zusammen mit dem Mangel an festem Zusammenhalte innerhalb der eigenen Nation, ihre ganze Kraft dem aufstrebenden Rom entgegenzustellen. Im J. 396 v. Chr., angeblich an demselben Tage, erlag Melpum den Galliern, Veji den Römern. Damit war die Kraft der Nation gebrochen. Bald geriet Südetrurien unter römische Herrschaft. Vergebens suchten die freigebliebenen Städte sich durch die mit Geld erkaufte Hilfe gallischer Scharen ihrer zu erwehren; gegen Ende des 4. Jhdts. drang ein römisches Heer unter dem Consul Q. Fabius durch den bis dahin nicht überschrittenen Ciminischen Bergwald in das innere Etrurien ein, und die große Schlacht am Vadimonischen See (309) erschütterte die Macht der E., eine zweite an derselben Stelle brach sie endgültig im J. 283. Der letzte von den Triumphalfasten über Etrurien im allgemeinen verzeichnete Triumph fällt in das J. 281. 265 fiel die [753] nach Tarquiniis Sturz bedeutendste Stadt Volsinii, 241 Falerii (vgl. M.-D. I 118ff. Mommsen Röm. Gesch. I7 336f.). Seitdem war es mit Etruriens politischer Selbständigkeit vorbei, die nationale Kultur und Sprache aber erhielt sich noch bis in den Anfang der Kaiserzeit (s. Art. Etruria).

Politische Organisation (s. Otfr. Müller II. Buch, M.-D. I 318–372). Aus der spärlichen Überlieferung gewinnen wir nur ein recht allgemein gehaltenes Bild von den staatlichen Einrichtungen der E., für Einzelheiten versagen unsere Quellen. Sicher bezeugt ist ein Staatenbund, welcher 12 selbständige Städte oder Staaten umfaßte: die XII populi Etruriae. Diese Zwölfzahl wird nicht nur für das eigentliche Etrurien, sondern auch für die späteren Eroberungen in Campanien und Oberitalien berichtet. Die einzelnen Städte vermögen wir für die letzteren durchaus nicht festzustellen, für das eigentliche Etrurien erhalten wir beträchtlich mehr, nämlich 17 Namen von Städten, welche Anspruch zu haben scheinen, zu den stimmberechtigten Gliedern des Bundes gezählt zu werden. Es muß angenommen werden, daß mehrere Städte zusammen eine Stimme auf der Bundesversammlung hatten, oder daß die kleineren von einer stimmführenden größeren Stadt abhängig waren; eine einwandfreie Liste von zwölf solchen ist für keine Zeit aufzustellen. Die regelmäßigen Bundesversammlungen fanden alljährlich, wie es scheint im Frühjahr, bei dem Heiligtum der Voltumna (ad fanum Voltumnae), dessen Lage bisher nicht sicher bestimmt ist, statt. Auf Antrag einzelner Bundesglieder konnten außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Mit der Hauptversammlung war, wie bei den Griechen, eine Art Nationalfest mit Markt und Spielen verbunden, auch wurde hier (Liv. V 1, 5) ein allgemeiner Oberpriester gewählt. Die Macht der Bundesversammlung über die einzelnen Staaten war anscheinend recht gering; jedenfalls konnten sie auf eigene Hand Verträge schließen und Krieg führen, und es wird mehrfach erwähnt, daß einzelne bei allgemeinen, vom Bund beschlossenen Unternehmungen fehlten. Ein Oberfeldherr des Bundes ist nicht ausdrücklich bezeugt.

Über die Verfassung der Einzelstaaten sind wir ebenfalls nur mangelhaft unterrichtet. Ursprünglich scheinen an ihrer Spitze Könige (ob erbliche?) gestanden zu haben, welche sicherlich unter starker Mitwirkung des Adels regierten. Aber schon im Lauf des 5. Jhdts. waren an ihre Stelle gewählte Magistrate getreten, wenigstens wird berichtet (Liv. V 1, 3), daß den Vejentern deshalb die Bundeshilfe verweigert worden sei, weil sie, des inneren Haders müde, wieder einen König gewählt hätten. Jedenfalls blieb die Verfassung überall eine streng aristokratische, mit starkem Einfluß der Priesterschaft; nur der Adel, die principes nach römischer Bezeichnung, hatte Anteil an der Regierung und an den priesterlichen Würden. Wie es der oben ausgeführten Vorstellung von der Eroberung des Landes entspricht, herrschten die reichen Adelsfamilien über Scharen von hörigen Bauern. Aus ihnen konnten sie schnell beträchtliche Heere zusammenstellen (M.-D. I 352). In den Zeiten der nationalen Vollkraft mögen solche Adelige mit ihren kriegsgewohnten [754] Gefolgsleuten vielfach Eroberungs- und Beutezüge außer Landes unternommen haben; ja es ist anzunehmen, daß die Eroberungen in Campanien und Oberitalien auf diese Weise, nicht als Unternehmungen der Staaten oder gar des Bundes, erfolgt sind. In der nationalen Überlieferung lebte das Gedächtnis solcher kriegerischen Führer fort, wie der Gebrüder Vipina und des Macstrna (Mastarna), von deren Taten auch künstlerische Darstellungen erhalten sind (s. u.). Aus den Gefolgsleuten, die jedenfalls zum Teil nicht tuskischer, sondern einheimisch italischer Abkunft waren, wird sich allmählich ein Kriegerstand gemischter Zusammensetzung gebildet haben, und nicht mit Unrecht hat schon Niebuhr von Söldnerheeren gesprochen.

Den Kern der etruskischen Heere bildeten die Schwerbewaffneten. Die Hauptangriffswaffe war, wie auch die Funde lehren, die große Stoßlanze, daneben ein kurzes Schwert. Von den Schutzwaffen haben wir die ältesten, von den tyrsenischen Eroberern höchst wahrscheinlich mitgebrachten Helme bereits erwähnt, auch der Rundschild ist schon seit dem Anfang des 7. Jhdts. zu belegen (tomba del guerriero von Tarquinii, deren Inhalt im Berliner Museum). Die weitere Entwicklung der Waffenformen bedarf einer besonderen Untersuchung. Die Trompete galt den Griechen allgemein als Erfindung der Τυρσηνοί, d. h. der im Gebiet des Aegaeischen Meeres hausenden Vorfahren der E. Reiterei im eigentlichen Sinn war der älteren Zeit einschließlich des 6. Jhdts. fremd: das Pferd diente dem adeligen Krieger nur zur schnelleren Fortbewegung, nicht zum Angriff. Die Könige (und Vornehmen) bedienten sich noch das ganze 6. Jhdt. hindurch des Kriegswagens (s. Helbig Mélanges Perrot 167ff.; Mém. de l’ac. des inscr. et b. lettr. XXXVII 2, 1905, 270ff.), prächtig verzierte Exemplare von solchen sind uns aus einem Grabfund bei Perugia (vgl. Petersen Röm. Mitt. IX 1894 S. 274ff.) und dem neueren von Norcia (Furtwängler bei Bruckmann-Arndt Denkm. 586. 587) erhalten.

Familienleben. Daß ein Volk mit so ausgesprochen aristokratischer Verfassung den höchsten Wert auf die Herkunft des einzelnen der bevorzugten Klasse angehörigen Bürgers legen mußte, liegt auf der Hand. Damit hängt es zusammen, daß ,sich offenbar früh die Sitte eingebürgert hat, ein doppeltes Gentilicium zu führen, das eine zur Bezeichnung der Gens, das andere wahrscheinlich zur Bezeichnung der stirpes, in die die Gens auseinanderging. Das zweite kann nur von einer durch Verschwägerung verbundenen Familie herübergenommen sein‘ (W. Schulze Z. Gesch. latein. Eigennamen 321). Ebenso gehört hierher der Wert, welcher auf die mütterliche Abstammung nicht weniger als auf die väterliche gelegt wurde. Die Nachrichten des Theopomp bei Athen. XII 517 d. e von der Weibergemeinschaft bei den E., und daß sie alle Kinder aufgezogen hätten, da man ja nicht wissen konnte, wer ihr Vater sei, stehen in offenbarem Widerspruch zu dem eben Angeführten und beruhen ohne Zweifel auf Übelwollen oder Mißverständnis, wie denn auch seine Schilderungen von der Sittenlosigkeit der E. mindestens als stark übertrieben bezeichnet werden müssen, nicht nur für die ältere [755] Zeit, sondern auch für die des Aristoteles, Theopomp und Timaios. Gewiß führten die in der Hand weniger Bevorzugter vereinigten Reichtümer zunächst in den Kreisen des herrschenden Adels zu Üppigkeit und Wohlleben, und diese trugen zum Verfall der Nation wesentlich bei, wie denn auch die späteren Monumente, etwa vom 3. Jhdt. an, eine gewisse physische Degeneration (pingues et obesi Etrusci) erkennen lassen, aber die Generationen, welche mit starker Hand jene Reichtümer errungen hatten, dürfen wir uns nicht als entnervt und in Sittenlosigkeit aufgewachsen denken. Die geachtete Stellung und größere Freiheit, welche die Frauen genossen, ist sicherlich kein Beweis dafür. Den Griechen mußte sie auffallen, aber was uns aus Aristoteles Schrift über die Τυρρηνῶν νόμιμα (Athen. I 23 d, frg. 556 R.) als Beleg angeführt wird (vgl. Theopomp. bei Athen. XII 517 d), daß die Frauen bei den E. (abweichend von der griechischen und altrömischen Sitte) mit den Männern bei Tische lagen, darf nach Ausweis der Monumente nicht einmal als sicher gelten, wenigstens nicht für die ältere Zeit und für ganz Etrurien. Zwar zeigen drei Tonsarkophagc des 6. Jhdts. aus Caere, (der beste im Museo di villa Giulia in Rom, s. Savignoni Mon. d. Linc. VIII 13. 14), Mann und Frau nebeneinander wie beim Mahl gelagert, aber wo (auf cometaner Wandgemälden, den archaischen Grabaltären von Chiusi) Gastmähler dargestellt sind, an denen auch Frauen teilnehmen, da dürfen wir diese, schon ihrem Benehmen nach, nicht für Ehefrauen halten, vielmehr annehmen, daß die Freuden des Jenseits gemeint sind, zu denen der Verkehr mit schönen Frauen wesentlich mit gehört. Andererseits ist unter den schönen Grabdenkmälern der Volumnier in dem Familiengrab bei Perugia, welche um die Wende des 4./3. Jhdts. zu setzen sind, die einzige Frau, welche am Gelage der Männer teilnimmt, nicht gelagert wie diese, sondern auf einem Thronsessel sitzend dargestellt. Denselben Typus zeigen die als Aschenbehälter dienenden Statuen sitzender Frauen aus dem Gebiet von Clusium (Berlin, Ant. Skulpt. nr. 1262. Glyptoth. Ny-Carlsberg pl. 182), welche ins 4. Jhdt. gehören (für Männer ist dieser Typus in derselben Zeit nicht verwendet worden). In einer schönen Grabgruppe desselben Gebiets im Museum von Florenz, vielleicht noch des 5. Jhdts. (Not. d. scavi 1888 tav. XIV. Martha L’art étr. 339), sitzt die Frau, prächtig verschleiert, neben dem liegenden, die Trinkschale haltenden Mann, in zwei andern (Berlin 1261 und Louvre Mon. d. Inst. VI 60. Martha 341) ist an Stelle der Frau ein ebenfalls sitzender weiblicher Todesdämon getreten, mit welchem der Verstorbene gewissermaßen vermählt erscheint. Alle diese Monumente machen es wahrscheinlich, daß auch bei den E. nach älterer und strengerer Sitte die Frauen bei Tisch saßen. Der Zusatz bei Aristoteles, Mann und Frau hätten beim Mahl ὑπὸ τῷ αὐτῷ ἱματίῳ gelegen, geht vielleicht auf ein Mißverständnis etruskischer Kunstwerke wie des Sarkophags von Vulci Mon. d. Inst. VIII 19 zurück, wo Mann und Frau im Ehebett ruhend dargestellt sind, was den Griechen auffallend und schamlos erscheinen mochte.

Über die physikalische Beschaffenheit des Landes Etrurien, [756] die hauptsächlichen Naturprodukte und deren Gewinnung s. Otfr. Müller Buch I Kap. 1. 2 und den Art. Etruria. Die reichen Schätze von Kupfer (Erzgebirge) und Eisen (Ilva) sind wohl erst nach der Eroberung durch die Tyrsener in größerem Umfang ausgebeutet worden. Beide Metalle werden schon früh von den fremden Händlern als Tauschobjekte gesucht worden sein, zuerst von den campanischen Kymaeern. So waren sie als Rohmaterial eine Quelle des Reichtums für die tyrsenischen Eroberer und ermöglichten ferner das überraschend schnelle Aufblühen des eigenen Kunstgewerbes, dessen Erzeugnisse im 5. Jhdt. weithin versandt wurden. Weniger bedeutend scheinen die Silberminen bei dem heutigen Montieri gewesen zu sein, und Gold, dessen Verarbeitung zu kunstvollen Schmucksachen in eigentümlicher Technik vielleicht bis ins 8. Jhdt. hinaufreicht, muß von außen eingeführt worden sein; während der Zeit ihrer Herrschaft in Oberitalien scheinen sie dort Gold und Silber gewonnen zu haben (M.-D. I 225).

Handel und Verkehr. Das Bild, welches uns die Nachrichten aus dem Altertum von den Handelsbeziehungen der E. geben, ist in neuerer Zeit wesentlich vervollständigt worden – wenigstens was die Einfuhr fremder Waren nach Etrurien betrifft – durch die im Lande gemachten Funde. Die ältesten Träger dieses Importhandels sind ohne Zweifel Phönizier gewesen, und zwar reicht ihr Handel in die Zeiten vor der etruskischen Eroberung hinauf, wie die freilich spärlichen Funde sicher phönizischer Produkte in tombe a pozzo beweisen. Dieser phönizische Import hat aber von Karthago aus in etruskischer Zeit fortbestanden; daß Verträge zwischen E. und der neuen phönizischen Vormacht bestanden, bezeugt uns Aristoteles (Pol. III 5). Sicher war der phönizische Import mindestens bis zur Mitte des 6. Jhdts. ein bedeutender. Wenn auch damals eine gewisse reinliche Scheidung in den Handelsinteressen Karthagos und Etruriens eingetreten zu sein scheint (s. Furtwängler (Gemmen III 171), so wird doch der Import von karthagischen Rohprodukten, wie Weihrauch, Elfenbein, wohlriechende Öle, auch weiter fortgedauert haben. Die namentlich durch W. Helbig vertretenen Vorstellungen von einer ausgedehnten eigenen Kunstindustrie der Phönizier, speziell der Karthager, werden freilich erheblich eingeschränkt werden müssen zu Gunsten der kleinasiatischen Griechenstädte (vgl. meine Ausführungen Gordion 126f.). Diese, vor allen Phokaia, wurden seit Ende des 7. Jhdts. gefährliche Konkurrenten der Karthager. Um 537 finden wir die E. im Bunde mit diesen gegen die Eindringlinge, welche sich auf der Insel Alalia (seit 565 ungefähr) festgesetzt hatten. Das ganze 7. Jhdt. hindurch, ja vielleicht schon seit Ende des 8., müssen sehr lebhafte Handelsbeziehungen zwischen Kyme in Campanien und Etrurien bestanden haben (s. Karo Bull. di paletn. it. XXX 23f.). Von dort aus gelangte die Kenntnis der Schrift, wohl in der ersten Hälfte des 7. Jhdts., zu den E. wie zu den Latinern. Anscheinend ist Kyme für diese Zeit die Vermittlerin für den Import griechischer Erzeugnisse aus dem Osten und dem festländischen Griechenland, namentlich Korinth, gewesen. Auch Syrakus war wohl an [757] diesem Zwischenhandel beteiligt, durch welchen die sog. protokorinthische, deren Ursprungsort noch nicht mit Sicherheit ermittelt ist, und die korinthische bemalte Tonware im 7. Jhdt. massenhaft nach Etrurien eingeführt wurden.

Als die attische Tonware die korinthische von den auswärtigen Märkten zu verdrängen begann, schon während der ersten Hälfte des 6. Jhdts., scheinen die seegewaltigen E. ihre Schiffe nach Athen gesandt zu haben, um diese begehrten Kunsterzeugnisse zu holen. Furtwängler a. a. O. 172f. hat gewichtige Gründe gegen die von Helbig vertretene Ansicht vorgebracht, daß während des ganzen 6. Jhdts. der Handel mit attischen Vasen ausschließlich über Syrakus als Zwischenstation gegangen sei. Dieser direkte Handel der E. mit Athen scheint erst nach den Perserkriegen allmählich ins Stocken geraten zu sein, nachdem die etruskische Vorherrschaft zur See durch die sizilischen Griechen gebrochen war (Seesieg des Hieron bei Kyme 474). Auf lebhafte Handelsbeziehungen mit Cypern während des 5. Jhdts. scheinen Prägart, Typen und Münzfuß der ältesten etruskischen Silbermünzen hinzuweisen. Sicher bestanden solche mit Syrakus und Sizilien das ganze 5. und 4. Jhdt. hindurch; im 4./3. ist ein starker Import (namentlich keramischer Erzeugnisse) aus den Griechenstädten Campaniens nach Etrurien festzustellen. Von da an geht unter der römischen Herrschaft der Außenhandel Etruriens allmählich zurück. Aus den Münzfunden ist zu schließen, daß an dem etruskischen Handel eine in der Überlieferung gar nicht hervortretende Stadt, Populonia, mindestens seit der Mitte des 5. Jhdts. ganz besonders stark beteiligt war. Im allgemeinen gestattet der späte Beginn und die geringe Ausdehnung der etruskischen Münzprägung in Edelmetall und andererseits das ebenfalls spärliche Vorkommen fremder Münzen in Etrurien wohl den Schluß, daß der Handel wesentlich Tauschhandel war.

Im Austausch werden die E. außer Bodenprodukten namentlich Kupfer und Eisen gegeben haben, bald aber auch Erzeugnisse ihres eigenen Kunstgewerbes. Im Athen des 5. Jhdts. wurde tuskisches Erzgerät hoch geschätzt und tyrrhenisches Schuhwerk erfreute sich eines weit verbreiteten Rufs.

,Über den etruskischen Tauschhandel nach dem Norden‘ vgl. H. Genthe 2. Aufl. 1874. Die künstlerisch bedeutendsten Fundstücke (so die Amphora von Grächwyl u. a.) sind freilich nicht etruskisch, sondern griechisch; an ihrem Vertrieb werden Atria und Spina, aber auch die phokaeische Colonia Massilia beteiligt gewesen sein. Über Bernsteinhandel s. Helbig Mem. d. Linc. 1877.

Münzwesen. Das etruskische Münzwesen ist im Verhältnis zu der Macht und dem Reichtum des Volks auffallend spät und wenig entwickelt. Bis zum Ende des 6. Jhdts. bildete Kupfer in formlosen Stücken (aes rude), mit der Wage zugewogen, die einzige Münze. Außerdem sind vereinzelte runde Gold- und Silberscheiben ohne Prägung hier zu erwähnen. Die ältesten im Lande gefundenen fremden Münzen stammen von Phokaia und andern kleinasiatischen Städten. Erst um 500 beginnt die eigene Prägung. Von [758] Goldmünzen sind nur wenige Typen bekannt, darunter nur einer, welcher dem Anfang des 5. Jhdts. zugeschrieben werden kann (Löwenkopf, ℞' glatt, der Typus in Kleinasien und in mehreren phokaeischen Kolonien nachweisbar), ein anderer jüngerer (c. 450–350), welcher dem Fundort nach wahrscheinlich Populonia gehört. Eine vielbesprochene Goldmünze (jugendlicher Kopf nach links, Stier, darüber fliegende Taube) mit der Inschrift velznani (so ist mit Garrucci zu lesen) und eine andere (Frauenkopf nach rechts, laufender Hund) mit der Inschrift velsu, welche Sambon wohl mit Recht um die Mitte des 4. Jhdts. setzt, gehören sicher nicht nach Norditalien, wo damals die etruskische Herrschaft bereits gestürzt war, sondern nach Volsinii (etr. Namensform velzna, velsu) und geben Zeugnis von den oben erwähnten Handelsbeziehungen mit Campanien, wohin auch Typen und Münzfuß weisen. Die Silberprägung beginnt um 450 v. Chr., die einzelnen Stücke teils auf den persischen (im allgemeinen die älteren), teils auf den euboeischen Fuß geprägt. Sambon 16f. weist darauf hin, daß beide Münzsysteme gleichzeitig während des 5. Jhdts. auf Cypern in Gebrauch waren. Dort finden sich auch Stücke mit nur einseitiger Prägung, wie ein Teil der älteren etruskischen sie zeigt, und die Typen haben große Ähnlichkeit mit jenen, so daß mehrfach cyprische Silbermünzen als etruskische angesprochen worden sind. Nur die (zahlreichste) Serie mit dem Gorgoneion (ca. 450–250) kann mit Sicherheit einer bestimmten Stadt, nämlich Populonia, zugewiesen werden. In Kupfer folgt auf das aes rude das aes signatum, Barren mit Marken, dann mit Bildtypen, von denen der mit Rind dem Hauptfundort nach mit Wahrscheinlichkeit Clusium zugeschrieben wird. Die runden, gegossenen Stücke (aes grave) reichen schwerlich über das Ende des 5. Jhdts. hinauf, die Verteilung auf die einzelnen Städte nach den auf der Rückseite vorkommenden Buchstaben ist unsicher; nur Volaterrae (velaϑri), Vetulonia (vetlunia?) und Telamon (tlamu) setzen den Stadtnamen ausgeschrieben auf die von ihnen ausgegebenen Stücke. Die kleineren Nominale wurden seit der Mitte des 4. Jhdts. geprägt. Die Prägung von Populonia mit dem Stadtnamen pupluna gehört dem 3. Jhdt. an und macht die römischen Reduktionen vom Triental- bis zum Uncialfuß (gegen 217 v. Chr.) mit. Demselben Jahrhundert gehört ein in mehreren Exemplaren gefundener Sextans an, welcher durch die Inschriften: pufluna, vetalu, χα auf einen Bund von Populonia, Vetulonia und Camars (?) hinweist. Sicher nach Vetulonia gehören die Münzen mit der Inschrift vatl(= vatluna), welche vielleicht noch in das Ende des 4. Jhdts. hinaufreichen und das ganze 3. Jhdt. hindurch geprägt worden sind. Ebenfalls in dieses gehören die häufigen Münzen campanischen Stils mit Negerkopf und Elefant, welche nach der Invasion des Pyrrhus und vor 250 geprägt zu sein scheinen und sämtlich aus der Gegend um den Trasimenischen See und dem Chianatal stammen. Die Erklärung der Inschriften varcnas und peiϑesa auf andern Münzen ungefähr derselben Zeit (Namen uns unbekannter Städte?), sowie die Zuteilung einer schönen Serie von Münzen mit vertieft geprägtem Revers ist unsicher. Mit dem Ende des [759] 3. Jhdts. scheint auch die Kupferprägung aufgehört zu haben, doch weist die starke Abnützung der Kupfermünzen von Populonia auf einen lange dauernden Umlauf (auch nach dem Aufhören der Prägung?) hin.

Vgl. Deecke Das etrusk. Münzwesen (Etr. Forsch. 2. Heft) 1876 und Beilage I bei M.-D. I 380–434, welcher eine Einteilung in sechs Perioden versucht hat, doch sind seine Schlußfolgerungen zum Teil allzu kühn; ein sorgfältiges kritisches Verzeichnis der etruskischen Münzen (mit Ausschluß des aes grave) mit vortrefflichen Abbildungen gibt A. Sambon Les monnaies ant. de l’Italie I 8–83, dessen sachkundigen Ausführungen und vorsichtigen Datierungen wir im vorstehenden meist gefolgt sind (vgl. noch Milani Mus. top. dell’ Etr. passim).

Kunst. Schon Otfr. Müller hat mit dem ihm eigenen bewundernswürdigen Scharfblick im Gegensatz zu der älteren, noch von Winckelmann geteilten Anschauung erkannt, daß die etruskische Kunst nur als ein Ableger der griechischen auf fremdem Boden zu betrachten sei (M.-D. II 273). In der Tat bleibt sie durchaus abhängig von griechischen Vorbildern; in sauberer technischer Kleinarbeit haben die etruskischen Künstler diese zuweilen erreicht, ja übertroffen, aber es fehlt ihnen ein unmittelbares Verhältnis zur Natur, der Sinn für das Organische, sie bleiben Handwerker. Sehr richtig hebt Furtwängler in seiner ausgezeichneten Behandlung der etruskischen Glyptik, dem einzigen Zweig etruskischer Kunstübung, welcher bisher eine abschließende Darstellung erfahren hat, hervor, daß wir kein etruskisches Kunstwerk mit Künstlerinschrift kennen, überhaupt keinen etruskischen Künstler als Persönlichkeit (Ant. Gemmen III 180). Es ist neuerdings mit gutem Grund vermutet worden, daß nicht nur durch den Handel eingeführte griechische Kunstwerke als Vorbilder dienten, sondern daß mindestens schon in der ersten Hälfte des 6. Jhdts. ionische Künstler, angelockt durch den reichen Verdienst, den die Prunkliebe des etruskischen Adels gewährleistete, sich im Lande niedergelassen haben (Furtwängler a. a. O. 89. Savignoni Mon. d. Linc. VIII 536). Die Beobachtung, daß in der tomba del Barone zu Corneto unter der Farbe Buchstaben eingeritzt sind, welche dem etruskischen Alphabet fehlen, also von griechischer Hand, scheint diese Vermutung zu bestätigen (vgl. auch Plin. n. h. XXXV 152, Einwanderung korinthischer Künstler nach Tarquinii; die griechischen Künstler Damophilos und Gorgasos nach Rom berufen [doch wohl aus Etrurien], um den gegen Ende des 6. Jhdts. nach tuskischer Weise erbauten Tempel der Ceres am Circus Maximus mit Tonbildern und Wandgemälden zu schmücken, Plin. ebd. 154). Bei einer Reihe von besonders feinen Kunstwerken bleibt die Entscheidung unsicher, ob sie importiert oder von im Land ansässigen griechischen Künstlern gefertigt, oder als etruskische Nachahmungen zu betrachten sind. Eine erste Glanzperiode des etruskischen Kunstgewerbes fällt in das 7. Jhdt., ausgezeichnet namentlich durch vorzügliche toreutische Arbeiten in Gold und Erz, die auch nach außerhalb (Kyme, Latium) gingen, in Praeneste, wie die Manios-Fibula beweist, in eigener Produktion [760] nachgeahmt wurden. Im 6. Jhdt. fand eine wesentliche Steigerung des kunstgewerblichen Betriebs unter ionischem, dann attischem Einfluß statt. Die Zeit von ca. 550–450 darf als die eigentliche Blütezeit der etruskischen Kunst angesehen werden, ,der strenge griechische Übergangsstil vom Anfang des 5. Jhdts. wird der klassische Stil der E.‘ (Furtwängler a. a. O. 185). Der freie, schöne Stil artet unter ihren Händen bald in Weichlichkeit und Manier aus. So finden wir im 4. Jhdt. nur wenige erfreuliche Hervorbringungen unter griechisch-campanischem Einfluß, die folgenden Jahrhunderte zeigen eine künstlerisch minderwertige Massenproduktion, ausschließlich für den inländischen Bedarf.

Wir geben im folgenden einen kurzen Überblick über die einzelnen Kunstzweige.

Architektur. Ursprung und Entwicklung der etruskischen Baukunst sind noch wenig erforscht. Fördernde Bemerkungen dazu geben Degering Über etr. Tempelbau, Nachr. d. Ges. d. Wiss. Göttingen 1897, 137ff. R. Delbrück Drei Tempel vom For. Hol. in Rom, Capitol v. Signia 1903. Der Tempelbau geht schwerlich über das 6. Jhdt. hinauf, was von Resten erhalten ist nicht älter als dessen Ende. Über die Bauformen und Verhältnisse des tuskischen Tempels sind wir durch die Beschreibung Vitruvs unterrichtet (vgl. Wiegand Le temple étrusque d'après Vitruve in Glyptothèque Ny-Carlsberg zu Taf. 170–179). Dachstuhl und Gebälk des etruskischen Tempels wurden auch später aus Holz hergestellt und mit Terracottaplatten verkleidet, wie auch die Giebel mit Skulpturen aus Ton geschmückt wurden. Charakteristisch sind ein hoher Unterbau (Podium) mit breitem Vorbau und die Orientierung nach Süden. Dieser Typus herrscht in ganz Mittelitalien bis zum 3. Jhdt. Reste des Unterbaus von 5 bezw. 4 Tempeln (denn b rührt wohl eher von einem großen Altar her) sind in Marzabotto (Misanum) erhalten (Brizio Mon. d. Linc. I 256ff.), ferner in Fiesole, Tarquinii, Rusellae, Falerii, Florenz. Architektonische Terracotten von einem leider nicht näher untersuchten Tempel des 6./5. Jhdts. wurden 1869 in Caere gefunden (Wiegand Glyptoth. Ny-Carlsb. Taf. 170–179); wichtige Giebelskulpturen aus Ton eines Tempels von Luna des 3./2. Jhdts. und von Telamon sind im Florentiner Museum, s. Milani Mus. it. di ant. class. I 1ff. und Museo topogr. 73ff. 95ff. Ergänzend treten für die Kenntnis der tuskanischen Bauformen die aus dem Felsen gehauenen Gräber, namentlich die Grabfassaden Südetruriens ein, davon zwei in Nachahmung eines Tempels mit Säulen und Giebelskulpturen (Dennis Cit. and cim. of Etr. I2 199).

Fälschlich ist den E. die Erfindung des Bogenbaus zugeschrieben worden; die Überwölbung der Cloaca maxima in Rom gehört aber ebensowenig in die Königszeit wie die sog. Servianische Mauer. Die Wölbung der porta all’ arco in Volterra, ein gewölbtes Stadttor, rührt von einer späteren Restauration römischer Zeit her (C. Ricci Volterra 12).

Über Städte- und Straßenbau s. u. S. 768. Im allgemeinen vgl. Durm Etr. Baukunst 1905.

Toreutik. Die reichen Fürstengräber des 7. Jhdts. in Etrurien und Latium (Praeneste) [761] weisen eine überraschende Fülle von Goldschmuck in äußerst subtiler Technik (Granulier- und Filigranarbeit) auf, welche G. Karo mit guten Gründen als einheimisch etruskisch in Anspruch nimmt (Sulle orificerie di Vetulonia in Milanis Studi e mat. I 235ff. II 97ff.). Als Arbeiten etruskischer Goldschmiedekunst müssen daher auch die ganz gleichartigen Schmucksachen (Fibeln und Verschlußstücke) gelten, welche in einem archaischen Grabe von Kyme in Campanien gefunden sind (Pellegrini Mon. d. Linc. XIII 201f. Karo Bull. d. paletn. it. XXX 1ff.); wir dürfen sie also als erste Zeugen für den Export etruskisch-toreutischer Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Auch aus der klassischen Zeit der etruskischen Kunst (c. 550–450) kennen wir überaus feine und zierliche Schmucksachen. Die der jüngeren Zeit stehen hinter jenen entschieden zurück. Die einheimisch etruskische Glyptik beginnt am Ende des 6. Jhdts. im Anschluß an importierte ionische Vorbilder und liefert bis zur Mitte des 5. Jhdts. Werke von vollendet sauberer technischer Ausführung, die zum Teil mit griechischen wetteifern können. Die Form der Steine ist ausschließlich die des Skarabaeus. Es folgt die mit handwerksmäßiger Routine gearbeitete Klasse der Rundperlskarabaeen, die bis ins 3. Jhdt. hineinreicht, endlich eine Klasse von geschnittenen Steinen in affektiert altertümlichem Stil (Furtwängler Ant. Gemmen III 110ff., vgl. 78ff.). Auch die Arbeiten in Erz reichen bis in die ersten Zeiten der Eroberung des Landes hinauf, namentlich die Verarbeitung von Metallblechen mit getriebenen Zieraten; sehr früh ist auch der Bronzeguß geübt worden. Meisterwerke der Toreutik des 6. Jhdts. wie der getriebene Schmuck des Kriegswagens von Norcia (Denkm. gr. u. röm. Sk. Taf. 586. 587) und des etwas jüngeren von Perugia (Petersen Röm. Mitt. IX 253ff.; Ant. Denkm. II 14) sind freilich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ionisch-griechische Arbeiten zu betrachten; ebenso wohl auch der berühmte Leuchter von Cortona (Martha L’art étr. 531), der schon dem Beginne des 5. Jhdts. angehört, dieser auch wegen der offenbar nachträglich und roh angebrachten Tafel mit der Inschrift. Aber es fehlt nicht an kunstvoll verzierten Arbeiten aus der Zeit vom Ende des 6. bis in die zweite Hälfte des 5. Jhdts., welche die hohe Wertschätzung etruskischer Leuchter und allerhand Erzgerätes in Athen während der Zeit der höchsten Kunstblüte (Pherekrates bei Athen. XV 700 c und Kritias ebd. I 28 b) völlig begreiflich erscheinen lassen. Sicher etruskische Erzgeräte sind unter den Funden in Griechenland freilich bisher nicht nachzuweisen. Eine unter den etruskischen Monumenten besonders hervortretende Klasse sind die Metallspiegel mit gravierten Darstellungen. Sie waren in Etrurien etwa seit der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. offenbar außerordentlich beliebt, scheinen aber nicht exportiert worden zu sein (Ed. Gerhard Etrusk. Spiegel Bd. 1–4. 5. Bd. von A. Klügmann und G. Körte 1884–1897). Die Darstellungen sind mit ganz wenigen Ausnahmen (s. u. S. 766f.) der griechischen Mythologie entnommen, erklärende Inschriften zu den einzelnen Gestalten beliebt. Als Vorbilder dienten wohl hauptsächlich griechische Vasenbilder [762] des späteren sf. und namentlich des streng rf. Stiles, die große Masse ist von Vorbildern des freien Stiles (seit dem 4. Jhdt. durch Campanien vermittelt) abhängig. Die Ausläufer der Gattung, welche bis ans Ende des 3. Jhdts. zu reichen scheint, zeigen eine weichliche, flaue und manierierte Behandlung. Die Vorbilder sind auch schon im 4. Jhdt. vielfach entstellt und mißverstanden. Etwa seit der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. kommen daneben Klappspiegel mit reliefverzierter Kapsel auf. In der Verfertigung äußerst sauber gearbeiteter und geschmackvoll verzierter Erzgeräte zum Gebrauche des täglichen Lebens lag offenbar die Hauptstärke der etruskischen Toreuten. Auf dem Gebiete statuarischer Werke in Erzguß haben sie es schwerlich zur Meisterschaft gebracht, wenn auch die Römer bei der Eroberung von Volsinii allein 2000 Erzstatuen erbeutet haben sollen (Plin. n. h. XXXIV 34). Die erhaltenen, meist kleineren figürlichen Bronzen lassen den Mangel an wahrhaft künstlerischer Empfindung, an gleichmäßiger Durchbildung aller Teile deutlich genug empfinden. Eben wegen dieser Mängel glaube ich die von Studniczka Röm. Mitt. II 90ff. Taf. 4. 5 als griechisches Werk des Übergangsstiles besprochene Bronzestatue Sciarra (jetzt in Kopenhagen) mit Bestimmtheit als etruskisch in Anspruch nehmen zu müssen (vgl. Furtwängler Meisterwerke 76, 1) und von kleineren Bronzefiguren den etwas älteren, vollgegossenen Kopf der früheren Sammlung Tyszkiewicz (Fröhner Coll. Tyszk. pl. XIII), der übrigens sicher in Etrurien gefunden ist, sowie den von Kalkmann (Arch. Jahrb. VII 127ff.) als Werk der aiginetischen Kunst publizierten speerwerfenden Jüngling des Louvre (auch hier im Einverständnis mit Furtwängler Meisterwerke 718, 1).

Keramik. Frühzeitig haben die E. in der Keramik eine ausgedehnte Tätigkeit entfaltet und es zu großer technischer Vollendung gebracht. Eine einheimisch italische Gattung von Tonware ist von ihnen weiter gepflegt worden: Gefäße aus nicht gereinigtem Ton, am offenen Feuer gebrannt und mit einem Überzug von Harzen mit Zusatz von Holzkohle oder Ocker zur Erzielung von schwarzer oder roter Färbung versehen, die sog. vasi ad impasto italico (artificiale). Seit der Mitte des 7. Jhdts. entwickelte sich daraus nach dem Vorbilde aus dem griechischen Osten eingeführter Exemplare eine speziell für Etrurien charakteristische Tonware von tiefschwarzer Färbung und lebhaftem, durch Politur erzieltem Glanz, die sog. vasi di bucchero. Sie sind aus fein geschlemmtem Ton im Brennofen hergestellt, die schwarze Farbe mittels Durchschmauchung (Imprägnierung mit Holzkohle) erzielt. Daneben geht ein an die ältere Technik erinnerndes Verfahren mit einem Überzuge her (s. G. Körte Gordion Exkurs II 227f.). Auf die älteste Gattung des feinen äußerst dünnwandigen bucchero folgt eine andere mit Reliefstreifen, die mittels rotierender Zylinder mit vertiefter Verzierung hergestellt sind, endlich dickwandigere Gefäße mit frei modellierten Reliefs, oft von ansehnlicher Größe, die am zahlreichsten vertreten sind. Die beiden ersten Gattungen gehören der Zeit von Mitte des 7. bis Mitte des 6. Jhdts. an, die letzte reicht von da bis mindestens zur Mitte des 5. Jhdts. (vgl. [763] Karo Bull. di paletn. it. XXIV 156ff.). Neben den schwarzen geht eine Gruppe von großen rottonigen Gefäßen (red ware) mit gestempelten Reliefs her. Auch die attischen bemalten Gefäße haben die E. nachzuahmen versucht, jedoch mit geringem Erfolge.

Seit dem Ende des 5. Jhdts. entwickelt sich in Falerii unter campanisch-griechischem Einfluß eine blühende Produktion bemalter Tongefäße, die sich später auch auf Südetrurien ausdehnt und bis ins 2. Jhdt. zu reichen scheint. Unter den Darstellungen werden immer mehr Gegenstände des bakchischen Kreises bevorzugt. Ebenfalls unter campanischem Einfluß steht die in denselben Gegenden erzeugte schwarzgefirnißte, glatte oder mit Verzierungen in Relief versehene Tonware. Speziell Volsinii eigentümlich scheinen die Reliefgefäße mit Versilberung zu sein, deren Verfertigung namentlich in das 3. Jhdt. fällt. Die aretinische Ware gehört schon nicht mehr in den Bereich der etruskischen Kunst.

Von plastischen Arbeiten in Ton sind uns die zur Verzierung von Tempeln gehörigen wenigstens in Resten bekannt. Die archaischen (Fund von Caere u. a.) stehen ganz unter ionischem Einfluß, rühren vielleicht sogar von im Lande ansäßigen griechischen Künstlern her. Das gleiche ist nicht ohne Wahrscheinlichkeit von den trefflichen archaischen Sarkophagen von Caere vermutet worden (Savignoni Mon. d. Linc. VIII 536). Aus der Zeit des freien Stiles sind die Giebelskulpturen von Luna und Telamon (s. o.) und besonders treffliche Fragmente aus Falerii im Museo di Villa Giulia in Rom zu nennen. Die jüngeren Tonsarkophage und Aschenkisten, welche im 3./2. Jhdt. besonders in Clusium massenhaft erzeugt wurden, sind künstlerisch minderwertig, nur die Porträtköpfe der Toten auf den Deckeln zuweilen von überraschender Lebendigkeit und scharfer Charakteristik (z. B. Martha 348).

Statuarische Skulptur in Stein scheint in Etrurien wenig oder gar nicht geübt worden zu sein; es fehlte auch an geeignetem Material; die Marmorbrüche von Luna sind erst in römischer Zeit ausgebeutet worden. Eine in der Nekropole von Orvieto (Volsinii) in einem kleinen Heiligtum ausgegrabene archaische Statuette der nackten Aphrodite ist aus dem griechischen Osten importiert worden (s. G. Körte in Arch. Stud. f. H. Brunn 1ff.). Als älteste einheimische Versuche können die Reste von Statuen aus Pietra fetida des Tumulo della Pietrera in Vetulonia gelten (jetzt im Museum zu Florenz, s. Milani Mus. topogr. 35f.), sowie die nicht unerheblich jüngere Tufffigur eines Kriegers in München (Watzinger Athen. Mitt. 1900, 447ff.). Reliefskulpturen in Stein kennen wir in größerer Zahl; mehrere Stelen von Vetulonia, Volterra, Fiesole gehören noch in die archaische Zeit. Aus dem 5. Jhdt. sind die zahlreichen Grabaltäre des Gebiets von Clusium aus dem einheimischen weichen Stinkkalk mit Darstellungen noch archaisch gebundenen Stils (vgl. Martha 342f.) zu erwähnen, sowie die Grabstatuen und Gruppen desselben Gebietes (vgl. o.) aus dem 4. Jhdt. Aus Südetrurien ein schöner Steinsarkophag im Museo Gregoriano noch gebundenen Stils des 5. Jhdts. und andere etwas jüngere im Museum zu Cometo-Tarquinia. [764] Für Südetrurien charakteristisch sind Sarkophage aus Nenfro, einer vulkanischen Gesteinsart, etwa vom Ende des 4. bis ins 2. Jhdt. reichend. An drei Orten, nämlich Volterra, Chiusi und Perugia, endlich hat sich in der Zeit des Verfalles der etruskischen Kunst, dem 3. und 2. Jhdt., bis ins 1. hinabreichend, eine ausgedehnte Fabrikation von Aschenkisten (urne) entfaltet, welche meist das Bild des gelagerten Toten auf dem Deckel zeigen und deren Vorder-, oft auch die Nebenseiten mit Darstellungen in Relief geschmückt sind. Als Material wird das einheimische benutzt: in Volterra Alabaster, in Chiusi eine zwischen Alabaster und Marmor die Mitte haltende Steinart sowie Travertin, in Perugia der letztere. An den beiden letzteren Orten sind auch gleichartige Aschenkisten aus Ton gefertigt worden. Künstlerisch sind die Deckelfiguren wie die Reliefs mit wenigen Ausnahmen von recht geringem Wert. Das hohe Interesse der letzteren beruht auf dem Inhalt der Darstellungen, welche zum überwiegenden Teile der griechischen Heldensage entnommen und nach griechischen Vorlagen (nicht ohne vielfache Mißverständnisse und Entstellungen sowie Zutaten dämonischer Gestalten) gefertigt sind; das gilt auch für den größten Teil der die Reise in die Unterwelt und das Leben im Jenseits behandelnden sowie der dekorativen Reliefs (vgl. I rilievi delle urne etrusche, Bd. I von H. Brunn, Bd. II und III [in Vorbereitung] von G. Körte bearbeitet).

Malerei. Von der Malerei der E., welche nach den von Plinius in Caere (XXX 17) und Ardea (X 115) gesehenen und für uralt gehaltenen Gemälden auch zur Ausschmückung von Tempeln diente, bekommen wir eine Vorstellung durch eine größere Zahl von Wandgemälden, welche in den aus dem lebenden Felsen gehauenen unterirdischen Kammergräbern namentlich in Veji, Cometo-Tarquinia, Vulci, Chiusi und der Umgebung von Orvieto (Volsinii) erhalten sind (vgl. Dennis Citics and cimeteries of Etr. I2 33ff. 301ff. 449f. II 48ff. 321ff.; zur Zeitbestimmung s. Arch. Jahrb. VII 1897, 65). Die ältesten derselben, die der grotta Campana in Veji, der tomba dei Tori (farbige Abbildung in Ant. Denkm. II Taf. 41), del cacciatore (farb. Abb. Mon. d. Inst. XII Taf. 13–14 a), delle leonesse (Ant. Denkm. II Taf. 42) in Cometo sind ganz von ionischer Kunst abhängig, gegen Ende des 6. Jhdts. setzt der attische Einfluß der sf. (tomba del Barone, dei vasi dipinti in Corneto) und der streng rf. Vasenmalerei ein (schönstes Beispiel tomba della pulcella in Corneto, Ant. Denkm. II Taf. 43). Dem 5. Jhdt. gehören auch die bemalten Gräber von Chiusi an. Die Darstellungen beziehen sich zum überwiegenden Teile auf die Verherrlichung des Toten durch Spiele (namentlich Wagenrennen und Faustkämpfe) und Tänze; Gelage, an denen auch Frauen teilnahmen, deuten auf die Freuden des Jenseits. Die Darstellung des Troilosmythus in der tomba dei Tori steht als mythologische Darstellung allein. National Etruskisches begegnet wenig, so in der tomba degli auguri in Cometo (Mon. d. Inst. XI 25) der grausame Kampf eines nackten gefesselten Mannes, dem ein Sack über den Kopf gezogen ist, mit einem Hunde, von einem Mann, mit Maske und hoher spitzer Mütze (Φersu) geleitet. [765] Dieselbe Figur kehrt mit der gleichen Inschrift als Tänzer in demselben Grabe wieder und eine ähnliche in tomba del pulcinella (Bajetti) in Corneto (Bull. d. Inst. 1873, 73ff.). Der Technik nach sind diese Malereien sämtlich direkt auf die geglättete Felswand, gemalt mit Benutzung eines leimartigen Bindemittels. Die Konturen sind durch Einritzung vorgezeichnet. Eine neue Richtung setzt um die Wende des 5. und 4. Jhdts. ein im unmittelbaren Anschluß an die attische Monumentalmalerei nach Polygnot und die von Apollodor eingeführte Neuerung der körperlichen Modellierung durch Licht und Schatten (Schraffierung). Hierher gehört die tomba dell’ Orco in Corneto mit Szenen aus der Unterwelt (Hades und Persephone thronend, Theseus und Peirithoos von einem Dämon Tuχulχa bewacht, Polyphemabenteuer, Geryon, vgl. Mon. d. Inst. IX 14–15 e), die jetzt im Museo Torlonia an der Lungara befindlichen Gemälde aus der tomba François in Vulci (vgl. Arch. Jahrb. VII 1897, 57ff.) mit der Darstellung der Opferung der gefallenen Troianer durch Achill, mehrerer Helden der griechischen Sage in der Unterwelt und der hochinteressanten der Befreiung des Caile Vipina aus der Gefangenschaft des Cneve Tarχu Rumaχ = Cn. Tarquinius Romanus durch die Macstrna und seine Gefährten, und die Gemälde der von Golini entdeckten Gräber von Sette Camine bei Orvieto (Conestabile Pitt. mur.). Etwas jünger ist die grotta del Tifone in Corneto, deren Benützung bis in die Zeit der Anwendung der lateinischen Sprache gereicht hat, und andere geringere daselbst. Mit dem Ende des 4. Jhdts. scheint die Sitte, die Gräber mit Gemälden zu verzieren, im wesentlichen aufgehört zu haben.

An die Wandgemälde anzuschließen sind die von zwei Cornetaner Sarkophagen aus alabasterähnlichem Stein, der eine schönere im Florentiner Museum mit Amazonenkämpfen (Mon. d. Inst. IX T. 60), der andere, dessen Gemälde stark beschädigt sind (Opferung der Troianer durch Achill, Amazonenkämpfe), im städtischen Museum von Corneto (Bull. d. Inst. 1877. 100ff.). Beide stehen dem Stile und der Zeit nach den schönsten Wandgemälden des 4. Jhdts. nahe.

Religion. Die Beschaffenheit unserer Quellen gestattet nicht, ein klares und vollständiges Bild der etruskischen Religion zu entwerfen. Nur das erkennen wir, daß die Beziehungen der Götter untereinander und zu der Menschenwelt in ein höchst konsequent ausgebildetes, spitzfindiges System gebracht waren. In dessen Mittelpunkt stand die Lehre von der Erforschung des Götterwillens durch Beobachtung und Deutung der von den Göttern gegebenen Zeichen verschiedener Art (Blitze, Beschaffenheit der Leber der Opfertiere, Vögelflug, Prodigien). Diese Lehre war in der geheimnisvollen disciplina (s. Art. Etrusca disciplina) niedergelegt, welche auf göttliche Offenbarung (durch den Dämon Tages, der sie dem Eponymen von Tarquinii, Tarchun, mitgeteilt hatte) zurückgeführt wurde. Die Nachrichten der Alten über die einzelnen in Etrurien verehrten Götter hat Otfr. Müller (Buch III 3; M.-D. II 42ff.) zusammengestellt. Sie werden ergänzt durch eine beträchtliche Anzahl gravierter bildlicher Darstellungen aus der griechischen Mythologie [766] auf etruskischen Metallspiegeln, denen die etruskischen Namen der betreffenden griechischen Götter beigeschrieben sind. Wir erhalten so zuverlässige Kunde über die Namensform und Bedeutung einer Anzahl etruskischer Götter. Weiteren Aufschluß gewähren uns zwei andersartige Monumente, nämlich die Bleiplatte von Magliano im Museum zu Florenz (vgl. L. A. Milani Mon. d. Linc. II 1893. Deecke Progr. v. Buchsweiler, 1885), mit einer im einzelnen noch unverständlichen Inschrift, vermutlich rituellen Inhaltes, die nach den höchst altertümlichen Formen der Buchstaben und der spiralförmigen Anordnung sicher dem 6. Jhdt. v. Chr. zuzuschreiben ist (vgl. G. Körte Röm. Mitt. XX 1905, 369), und der Bronzeleber von Piacenza, dem Modell einer Schafsleber, wie sie die etruskischen Haruspices zur Ausübung ihrer Kunst und vermutlich zur Unterweisung von Schülern benutzten, mit in 40 (+2) Regionen verteilten Götternamen, aus dem 3./2. Jhdt. v. Chr. (jetzt im Museo civico zu Piacenza; genaue Wiedergabe der Inschriften Röm. Mitt. XX 355, vgl. 362ff.).

Die große Mehrzahl der uns so bekannten Götternamen ist echt etruskisch und vermutlich schon aus der alten Heimat im Osten mitgebracht. Inwieweit auf die dort entstandenen Vorstellungen von den Göttern fremde Einflüsse (neben griechischen kämen besonders babylonische in Betracht wegen der unzweifelhaften Abhängigkeit der etruskischen Haruspicin von der babylonischen) eingewirkt haben, entzieht sich unserer Kenntnis. Eine kleine Zahl von Namen und zwar von Göttern, welche in dem etruskischen Religionssystem bedeutsam hervortreten, ist dagegen unzweifelhaft italisch und beweist, daß die Ausbildung des etruskischen Götterkreises und vermutlich des ganzen Religionssystems, der disciplina, erst nach der Ankunft in Italien erfolgt ist. Wir stellen diese ihrem Namen nach ursprünglich italischen Götter voran: uni = Iuno (Hera), menrva (menerva, meneruva, mera) = Minerva (Athena). Diese beiden Göttinnen sind in historischer Zeit mit Tinia (Iuppiter) eng zu einem Dreiverein verbunden, der bei keiner Städtegründung und im Kulte keiner etruskischen Stadt fehlen durfte (Serv. Aen. I 422) und auch in dem von E. geweihten und erbauten capitolinischen Tempel in Rom verehrt wurde. Beide sind höchst wahrscheinlich von den Faliskern übernommen, wo ihr alter und bedeutender Kult bezeugt ist. Wie diese beiden gehört auch maris (mariś, marś) = Mars zu den ,blitzwerfenden Göttern‘; sein Kult reicht in sehr alte Zeit hinauf, denn der Name kommt bereits auf der Bleiplatte von Magliano vor. Außerdem ist noch der Name des Sonnengottes, uśil (usil) = Sol. italischen Ursprungs (sab. ausel ; zur selben Wurzel gehört aur Etr. Sp. V 78), welcher schon auf einem etruskischen Spiegel des 5. Jhdts. (Gerhard Etr. Sp. Taf. 364) vorkommt. Endlich ist hercle ein nicht echt etruskischer, sondern rezipierter Gott, welcher wahrscheinlich aus Kyme in Campanien zu den E. wie zu den Italikern gekommen ist (vgl. Röm. Mitt. XX 369). Es ist bemerkenswert, daß die einzigen Spuren von nichtgriechischen Göttermythen, von denen wir durch etruskische Spiegelzeichnungen des 4. Jhdts. Kunde haben, eben diese fremden, auf italischem Boden [767] rezipierten Götter betreffen. Hercle ist auf einem seine Säugung durch uni = Hera darstellenden Spiegel als deren Sohn bezeichnet (Etr. Sp. V Taf. 60). Andere Spiegel stellen eine Liebesvereinigung von hercle und menrva dar (Gerhard Etr. Sp. 164. 167), aus welcher ein Sohn marśhercles, d. h. Mars des hercle Sohn (Etr. Sp. V Nachtr. nr. 16), oder mehrere mariś-Kinder mit verschiedenen Beinamen (Gerhard Taf. 166. 257 B, vgl. Marx Arch. Ztg. 1885, 169ff.) entsprießen. Die übrigen aus Kunstdarstellungen ihrer Bedeutung nach sicher bekannten etruskischen Götter sind: tinia = Zeus, neϑuns = Neptunus (ein echt etruskischer Gott nach Thulins wohl begründeter Ansicht, von mir auf der Bronze von Piacenza nachgewiesen), śeϑlans = Hephaistos, turan = Aphrodite, turms = Hermes, fufluns = Dionysos, ein häufig dargestellter Gott; als seine Gattin erscheint araϑa, areaϑa = Ariadne, einmal (Etr. Sp. V Taf. 35) vesuna, eine italische für die Umbrer und Marser bezeugte Göttin; ϑesan = Eos.

Andere auf der Bronze von Piacenza vorkommende Götter, welche mit römischen der Namensform (ob auch sämtlich der ursprünglichen Bedeutung nach?) nach identifiziert werden können, sind: ani = Ianus, selvans = Silvanus, satre = Saturnus, vetis = Veiovis; mae = Majus ist aus Macrob. Sat. I 12, 17 als ein in Tusculum verehrter Gott nachzuweisen. Eine Reihe von weiteren Götternamen, wie duflϑa, cilens, cvlalp, tecvm, leϑam, eϑauśva, tluscv ist bisher trotz alles aufgewandten Scharfsinnes (vgl. Thulin Die Götternamen des Martianus Capella und der w:Bronzeleber von Piacenza, Religionsgesch. Vers. und Vorarb. herausg. von A. Dieterich u. R. Wünsch III 1 und G. Körte Röm. Mitt. XX 364ff.) nicht sicher erklärt worden; von ihnen erscheint caϑa in der Form cauϑa auf der Bleiplatte von Magliano. Aus Spiegeldarstellungen kennen wir ferner eine Anzahl von Göttinnen niederen Ranges, welche sämtlich zu dem Kreise der turan zu gehören scheinen: am häufigsten kommt lasa vor, welche man irrtümlich zu einer Schicksalsgöttin hat machen wollen, außerdem alpan, aχvizr, evan, zipanu (zipna, zipnu), ϑaina, ϑanr, mean meanpe), rescial, snenaϑ. Alleinstehende Namen sind aminϑ (Etr. Sp. V Taf. 88, 2) neben einer Statue des Eros als Knabe und Svutaf (ebd. V Taf. 35) neben einer Darstellung desselben als geflügelter Jüngling. Es entspricht dem, was wir sonst von dem etruskischen Volkscharakter wissen, daß außer dem Kreise der Liebesgöttin der der Unterwelt mit einer gewissen Vorliebe ausgemalt worden ist. Zwar der uns als etruskisch überlieferte Name des Unterweltsgottes Manius begegnet auf Monumenten nicht, vielmehr trägt das Herrscherpaar der Unterwelt die aus dem Griechischen übernommenen Namen aita (Αἵδης) und φersipnei (Περσεφόνη), aber als Führer, Wächter und Peiniger der Toten spielt Charon (χarun, χaru) eine große Rolle. Sein Name ist ebenfalls zweifellos griechisch, seine Erscheinung aber aus dem Bilde des grämlichen, auch auf attischen Lekythen mit vulgären Gesichtszügen ausgestatteten Totenschiffers ins Dämonisch-Grausige gesteigert. Neben ihm kommt ein verwandter Dämon mit dem etruskischen Namen tuχulχa vor [768] und zwei weibliche Todesgöttinnen oder -Dämonen vanϑ und culśu. Ähnliche unbenannte Dämonen von furienhaftem Äußern sind mit Vorliebe in Darstellungen aus der griechischen Mythologie eingemischt, wie denn die blutigen und grauenhaften Stoffe (Opferung der Iphigenie, thebanischer Brudermord, Tod des Hippolytos, des Aktaion und Oinomaos) von der späteren etruskischen Kunst sichtlich bevorzugt worden sind.

Die in der römischen Überlieferung besonders hervortretenden Götter Vertumnus (deus Etruriae princeps nach Varro de l. l. V 46), Nortia und Voltumna, alle drei in Volsinii heimisch, haben in den etruskischen Monumenten keine erkennbare Spur hinterlassen. Ein Bild des erstgenannten hat man ohne zureichenden Grund in einer Bronzestatuette des Florentiner Museums erkennen wollen (Not. d. scavi 1884, 270ff).

Von Stoffen der etruskischen Heldensage sind uns nur zwei Episoden aus den Taten der Brüder Caile und Aule Vipinas, Überfall des Sehers Cacu Etr. Sp. V T. 127. Ril. delle urne etr. II T. 119 und Befreiung des ersteren durch Macstrna (Wandgem. im François-Grabe von Vulci aus dem Anfang des 4. Jhdts., G. Körte Arch. Jahrb. 1897, 67) sowie der freiwillige Opfertod eines unbekannten Helden (Ril. d. urne etr. II 115) bekannt.

Kultur. Die E. haben aus ihrer alten Heimat im Osten eine hochentwickelte Kultur mitgebracht und sie den damals noch auf einer ziemlich niedrigen Kulturstufe befindlichen Bewohnern Mittelitaliens übermittelt. Darauf beruht ihre Rolle in der Geschichte. In der Errichtung fester steinerner Wohngebäude mit mehreren nach einem eigentümlichen Plan verteilten Innenräumen sind sie die Lehrmeister der Italiker gewesen, das System der Limitation, auf welcher die Landvermessung beruht, ist, wenn auch in seinen Anfängen schon den Italikern (Terremare der Poebene) bekannt, von ihnen auf religiöser Grundlage ausgebildet worden. Ebenso sind sie zweifellos in der planmäßigen Anlage von Städten mit einem auf den Hauptlinien decumanus und cardo beruhenden Straßensystem, der kunstvollen Pflasterung der Straßen und deren Entwässerung vorangegangen. Die gegen Ende des 6. Jhdts. gegründete etruskische Stadt in pian di Misano bei Marzabotto zeigt diese Einrichtungen schon in hoher Vollendung, während in Rom erst am Anfang des 3. Jhdts. mit der Pflasterung der Straßen begonnen wurde. Erhebliche Reste der etruskischen Stadt Vetulonia hat Is. Falchi (Not. d. scavi 1895, 272ff.) entdeckt. Straßenanlagen, zweifellos etruskischer Zeit, sind in und bei Saturnia erhalten (Not. d. scavi 1882, 55). Auch im Bau fester Steinmauern zum Schutze der Städte sind sie vorangegangen (s. o. S. 749f.): zweifellos auch in der Erbauung von Tempeln nach einem eigentümlichen Plane, welcher von den umwohnenden Italikern einfach übernommen wurde.

Die Grundlagen dieser Kultur sind im wesentlichen griechische. Sie sind nach der Ankunft in Italien durch fortgesetzten engen Verkehr mit Griechen in derselben Richtung erweitert worden. Von der aiolisch-chalkidischen Kolonie Kyme in Campanien empfingen die E., ungefähr gleichzeitig auch die Latiner, das kostbare Geschenk der Schrift. Daran ist festzuhalten gegenüber [769] neuerdings geäußerten abweichenden Ansichten (d. Karo Bull. di paletn. it. XXX 24ff.), denn, hätten die E. das Alphabet bereits im Osten erhalten, so müßte es eben ein östliches sein, während das etruskische Alphabet bekanntlich aus einem zur westlichen Gruppe der griechischen Alphabete gehörigen abgeleitet ist. Die etruskische Tracht ist, soweit wir sie aus den Monumenten kennen, von der ionischen in nichts Wesentlichem verschieden. Die Kunst beruht, wie wir gesehen haben, nach Inhalt und Form durchaus auf Nachahmung der griechischen. Aber, daß das Leben in den etruskischen Städten in weitem Umfange wie eine Kopie der griechischen Zustände erscheine (Ed. Meyer Gesch. d. Alt. II § 439), vermag ich nicht zuzugeben. Wir müssen uns hüten, aus den auf die Leichenspiele bezüglichen Darstellungen etruskischer Grabgemälde, welche im wesentlichen auf griechischen Vorbildern beruhen, allzu weit gehende Schlüsse auf das wirkliche Leben der Zeit zu machen. Zwar, daß die adlige Jugend Etruriens allerlei Sport, vorzugsweise wohl Pferdesport und Jagd, getrieben hat, ist unzweifelhaft. Daß die griechische Gymnastik auch in Etrurien ein nationales Bildungselement gewesen sei, erscheint mir unwahrscheinlich. Die Physiognomien der Faustkämpfer auf jenen Wandgemälden weisen auf berufsmäßige, wahrscheinlich unfreie Athleten; auch die Tänzer, Tänzerinnen und Flötenspieler sind in denselben Kreisen zu suchen. Auch die Künstler gehörten gewiß nicht der herrschenden Kaste an; damit hängt das gänzliche Zurücktreten ihrer Person zusammen. In dem Wenigen, was wir von den inneren Zuständen Etruriens wissen, ist ein starker nationaler Einschlag unverkennbar, der in direktem Gegensatz zu griechischem Wesen steht. Dahin gehört das starre Festhalten an einer aristokratisch-priesterlichen Verfassung, die durchaus formalistisch spitzfindige Tendenz der Religion, eine Neigung zu äußerem Prunk und Zeremoniell, die sich früh in der Ausbildung von Tracht und Insignien der Könige, dann der Magistrate äußert, ferner ein Zug zum Düstern und Grausamen (die Gladiatorenspiele sollen von Etrurien nach Rom gekommen sein, die Sitte der Menschenopfer hat lange angedauert). Die griechische Kunst war dem prachtliebenden etruskischen Adel ein Gegenstand des Vergnügens und des Luxus; ein inneres Verhältnis hat er schwerlich zu ihr gehabt. Freilich die griechische Götter- und Heldensage muß inhaltlich den E. früh vertraut gewesen sein, sie freuten sich, den bekannten Gestalten auf Kunstdarstellungen zu begegnen. Auch die Kenntnis der griechischen Sprache wird schon um der Handelsinteressen willen in Etrurien gepflegt worden sein. Daß man auch die Schönheit griechischer Dichtung zu würdigen verstanden habe, ist nicht anzunehmen. An Übersetzungen des Epos und später der Tragödien ins Etruskische vermag ich nicht (mit Ed. Meyer und Furtwängler Ant. G. III 200) zu glauben. Daran hindert schon der im Verhältnis zu Griechenland offenbar geringe Gebrauch, den man von der Schrift machte; unter den etruskischen Inschriften sind nur verschwindend wenige, welche nicht Grabinschriften sind, und von den letzteren geben wieder nur wenige mehr als Namen. Wie höhere Bildung überhaupt [770] auf die Kreise des Adels beschränkt geblieben sein wird, so wird die Literatur schwerlich über Ritualvorschriften (die Agramer Mumienbinden scheinen solche zu enthalten) und Divination sowie geschichtliche Aufzeichnungen wesentlich hinausgegangen sein. Daß die. Darstellungen griechischer Mythen auf etruskischen Monumenten durchweg auf bildlicher Tradition, nicht auf einer wirklichen Kenntnis der dichterischen Quellen der benützten Vorbilder beruht, scheinen mir die zahlreichen und starken Mißverständnisse und Entstellungen, denen wir überall begegnen, zu beweisen (vgl. Strena Helbigiana S. 166ff.).

  1. In dieser Form zitieren wir das grundlegende Werk: K. Otfried Müller Die Etrusker, neu bearbeitet von W. Deecke, Stuttgart 1877.
  2. Daß im Texte des Herodot statt Κρηστῶνα und Κρηστωνιῆται Κροτῶνα und Κροτωνιῆται einzusetzen ist, hat Ed. Meyer unwiderleglich erwiesen; so hat Dionys. I 29 gelesen, die Lesart unserer Hss. ist gelehrte Konjektur auf Grund von Thukydides IV 109. Wenn Herodot sagt καὶ γὰρ δὴ οὔτε οἱ Κροτωνιῆται οὐδαμοῖσι τῶν νῦν σφέας περιοικεόντων εἰσὶ ὁμόγλοωσσοι οὔτε οἱ Πλακιηνοί, σφίσι δὲ ὁμόγλωσσοι, so wird er die Abweichung von der Sprache der Umwohner wohl für die Bewohner von Plakia erkundet, auf die von Cortona dagegen nur übertragen haben, denn es ist undenkbar, daß deren Sprache sich von der ihrer Landsleute irgend wesentlich unterschieden haben sollte. Sehr richtig sagt Ed. Meyer, daß Hellanikos (bei Dionys. I 28) auf dieser Herodotstelle fuße, der Pelasger aus Thessalien übers Meer an den Fluß von Spina gelangen, zuerst Cortona im Binnenlande und von da aus Tyrsenien erobern und ihren Namen in Tyrsener umwandeln läßt.
  3. Ed. Meyer ist G. d. A. II 211 dieser, auch von W. M. Müller, wenigstens bezüglich der Schardana, geteilten Ansicht beigetreten. Einen irgendwie stichhaltigen Beweis für dieselbe vermisse ich jedoch. Die sehr viel jüngeren sardischen Bronzefigürchen (des 7./6. Jhdts. v. Chr.) zeigen nicht eine schlagende Übereinstimmung mit den [734] ägyptischen Abbildungen, sondern sogar erhebliche Abweichungen, so vor allem die Unbärtigkeit (vgl. G. Pinza Mon. ant. de Lincei XI 216ff.). Der Name aber kann ebensowohl mit der Stadt Sardes wie mit Sardinien in Verbindung gebracht werden. Ich bleibe deshalb bei der von Pais, Perrot, Maspero mit guten Gründen vertretenen nächstliegenden Ansicht, daß die in den ägyptischen Urkunden aufgezählten Völkerschaften im 14.–12. Jhdt. v. Chr. sämtlich an den Küsten und auf den Inseln des Aegaeischen Meeres saßen (vgl. neuerdings R. Weill Rev. arch. 1904, 60ff.; nur die Zusammenstellung der Turscha mit der Stadt Τάρσος [S. 64] scheint mir wenig überzeugend).
  4. Der Annahme von C. Fredrich (Athen. Mitt. XXXI 84), die Τυρσηνοί auf Lemnos seien kein neues Volk, sondern nur griechische Bezeichnung der Seeraub treibenden Sinter, steht das so viel höhere Alter des Tyrsenernamens in der ägyptischen Form Turscha entgegen.
  5. Gewiß erhielten sich die alten primitiven Hütten noch lange im Gebrauch namentlich der hörigen italischen Bevölkerung, und auch die etruskischen Gründer der Kolonie von Misanum haben provisorisch solche errichtet (Brizio a. a. O. 326ff.), aber die Vorstellung, daß längs der Straßen des etruskischen Felsina ausschließlich oder vorwiegend solche Hütten aus Lehm mit Strohdach standen (Helbig Ann. d. Inst. 1884, 134), ist zweifellos irrig, vielmehr aus den trümmerhaften Resten das Vorhandensein von Häusern mit viereckigem Grundriß und mehreren Innenräumen (vielleicht neben geringeren von runder Form) zu erkennen (vgl. Zannoni Arcaiche abitazioni di Bologna 1892, 69–76. 102). Danach sind die Ausführungen von Pfuhl Athen. Mitt. XXX (1905) 336 und Altmann D. ital. Rundbauten 6 (vgl. auch Montelius Civ. prim. I 408) zu berichtigen.

Etruskische Sprache.

I. Geschichte der etruskischen Sprachwissenschaft.

§ 1. Deren Anfänge kann man über die drei großen Werke von Dempster, Gori und Lanzi nicht zurückdatieren. Thomas Dempster, ein Schotte, verfaßte seine Etruria regalis in der Zeit, als er Pandektist in Pisa war (1616–1619), aber als er 1625 als Professor der Litterae humaniores in Bologna starb, war sie noch ungedruckt. Erst 1723 wurde sie durch Dempsters Landsmann Thomas Coke in Florenz herausgegeben, und des Ph. Bonarota Brief an den Herausgeber im 2. Band hat gerade den sprachwissenschaftlichen Gehalt des Buches nicht unerheblich erhöht. Während für Dempster die etruskische Sprache in die vier Dialekte Oskisch, Raetisch, Umbrisch, Faliskisch zerfällt und die Iguvinischen Tafeln ein Denkmal des Etruskischen sind, vermutet Bonarota (S. 101) bereits mit ziemlicher Bestimmtheit, daß letztere vielmehr umbrisch geschrieben seien und diese Sprache mit dem Etruskischen nichts zu tun habe. Die Begründung durch die Verschiedenheit des Wortschatzes, besonders das Fehlen von Worten auf -al in den Iguvinischen Tafeln, ist schlagend. Bei Dempster selbst spielen sprachliche Betrachtungen nur eine Nebenrolle; doch hat er das Verdienst, in Band I (S. 88ff.) zum erstenmal die von Griechen und Römern überlieferten etruskischen Worte zusammengestellt zu haben. Dempsters Werk entfachte in Florenz einen gewaltigen Enthusiasmus, und aus dieser ,Etruscheria‘, die Justi (Winckelmann II 1, 245f.) prächtig geschildert hat, wuchs A. F. Gori’s Museo Etrusco (3 Bde., Florenz 1737–1743) heraus, ein lange über seine Zeit hinaus wichtiges Sammel- und Bilderwerk, doch für die Sprachfrage unmittelbar ohne Bedeutung.

Systematisch wurde diese zum erstenmal untersucht in dem Saggio di lingua Etrusca e di altre antiche d’Italia (3 Bände, 1. Aufl. Florenz 1789, 2. Aufl. 1824–1825) von Luigi Lanzi († 1810), auf dessen Grabstein in Sta. Croce die Worte stehen: Etruscorum monumentis interpretatis ... celebrium sui temporis eruditorum gloriam ingenio et doctrina adsecutus est (vgl. über Lanzi Ugo Segrè L. Lanzi e le sue opere. Assisi 1904). Lanzi hat nicht nur das Verdienst einer im ganzen reinlichen Scheidung des Etruskischen und der einzelnen italischen Dialekte, sondern er hat auch für das Etruskische im besonderen manches geleistet, was unverloren ist. Seine Methode ist freilich eine wunderliche Mischung aus Richtigem und Falschem (genau wie bei so vielen späteren Etruskologen): er bedient sich der Kombination, [771] die ihm z. B. zu der wichtigen Erkenntnis verholfen hat, daß das Zeichen ein Zischlaut ist (so erkannte er die Identität der Namen und auf den beiden vatikanischen Aschenurnen Fabr. 2323 und 2326; Saggio I2 163. II2 301); er bedient sich daneben aber auch der ,etymologischen‘ Methode, indem er etruskische Wörter nach Anklängen an attische, ionische, dorische, lateinische, hebräische Wörter, auch völlig fiktive, erklärt, selbst wo er den Sinn zunächst durch Kombination festgestellt hat (turce ,dedit‘ soll z. B. = δεδώρευκε sein). So stehen neben Deutungen, mit denen er dem Richtigen wenigstens sehr nahe gekommen ist (z. B. ril ,Jahre‘, mi Eingang von Besitzformeln ,sum‘, Suffix -al), so absurde wie die der Worte municleϑ = μονόκλητος oder puiam amce = ,filiam hance‘, über deren wahren Wert unten gesprochen werden wird.

§ 2. Was für die Deutung des Alphabets nach Lanzi zu tun blieb, leistete Lepsius (De tabulis Eugubinis 1833): das bisher x gelesene erwies er als z. Mit seiner Abhandlung und K. Otfr. Müllers Etruskern (Breslau 1828) ging der Prinzipat in der Etruskologie auf die Deutschen über. Zwar spielen in K. Otfr. Müllers Werk die sprachlichen Fragen eine Nebenrolle, doch warf seine Forschung immerhin auch auf diese Lebensäußerung des rätselhaften Volkes einiges Licht. Er erkannte die verheerenden Akzentwirkungen, mehr oder weniger richtig auch die Natur einiger an die Eigennamen antretenden Suffixe, wie -al, -sa. -i; Mommsen R. G. I8 117 gibt Müllers Ergebnisse wieder.

Die nächsten 40 Jahre sahen wichtige Quellenwerke entstehen, aber kein systematisches Werk über die etruskische Sprache. 1840 begannen Gerhards ,Etruskische Spiegel‘ zu erscheinen und lieferten in zuverlässigen Nachbildungen ein Material, das, wie gerade K. Otfr. Müller gezeigt hatte, durch die Wiedergabe griechischer Eigennamen für die etruskische Lautlehre von einer Bedeutung ohne gleichen ist. Eine im ganzen verläßliche Kodifizierung des etruskischen (ebenso wie des übrigen italischen) Inschriftenschatzes gab Ar. Fabretti in seinem Corpus inscriptionum Italicarum (Turin 1867), das durch drei Supplemente (1872, 1874, 1878) und die Appendice von G. F. Gamurrini (Florenz 1880) auf dem laufenden erhalten wurde. Für Südetrurien ist dies Werk noch jetzt unentbehrlich (weiterhin zitiert als Fa. oder Fabr., I, II, III, Ga. oder Gam.). Während so die festen Grundlagen für eine ernste Wissenschaft gelegt werden, verliert die Interpretation dieses Ideal mehr und mehr aus den Augen. Es ist die Zeit, in der das Etruskische bald für Keltisch, bald für Germanisch, bald für Slavisch, Armenisch, Sanskrit, für Semitisch, für Altaisch usw. erklärt wird (Übersicht bei Corssen I S. XVIf.), und wo auch namhafte Gelehrte es sich nicht versagen, zu dem Schatz unfreiwilliger Komik, der hier aufgehäuft wird, köstliche Beisteuer zu liefern. Man mag sich zur Milderung des trockenen Tones wenigstens eine kleine Probe aus einem mit besonderem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit auftretenden Werk gefallen lassen. Der Jenenser Semitist Stickel deutet in seinem Buch ,Das Etruskische [772] durch Erklärung von Inschriften und Namen als semitische Sprache erwiesen‘ (Leipz. 1858) S. 183 die Grabinschrift aeleścneveś laϑisalisla ,mach aufsteigen das Feuer wie die Seele! für ewig gehet er fort mit dem Hingang‘; aber es ist zu lesen larisalisla (Deecke Fo. III 218 nr. 15) und zu übersetzen ,des Gnaeus Aelius des Sohnes des Laris‘. S. 110 wird in schlechtem Holzschnitt aus Gori oder Dempster eine Marsyasdarstellung von einer Aschenkiste mit der Inschrift vel vesiś sapevanial slan (in Wirklichkeit vielmehr capevanial clan, d. i. ,Vel Vesiś, Sohn der Capevani‘, Fa. 1374 = CIE 4096) wiedergegeben und übersetzt ,ein böser Herr, welcher rüstet einen Greis zum Schinden‘ (eigentlich ,bereitet ihn vor wegen des Hautabziehens, welches er mit ihm vorhat‘). Ein allerliebstes Seitenstück dazu ist K. v. Schmitz' Deutung des Cippus Perusinus aus dem Deutschen (Ztschr. f. Altertumswissensch. Sept. 1846 Beilage).

§ 3. Corssens großes Werk ,Über die Sprache der Etrusker‘ (I Leipz. 1874. II 1875), in dem das Etruskische als indogermanisch-italische Sprache erwiesen werden soll, hebt sich über jene Leistungen nur durch gewissenhafteren (obwohl auch längst nicht immer zuverlässigen) Gebrauch der epigraphischen Hilfsmittel und einen gewissen Schein der Systematik heraus; in der Interpretation ist es allermeist so absurd und wertlos, wie das von Stickel. Dies war, ehe noch der zweite Band erschien, in dem kleinen Heftchen erwiesen, mit dem W. Deecke die wissenschaftliche Etruskologie begründete (Corssen und die Sprache der Etrusker, Stuttgart 1874, weiterhin zitiert als Deecke Kritik). Deecke hat hier den Weg vorgezeichnet, den die Wissenschaft bisher immer nur zu ihrem Schaden verlassen hat. Der methodische Leitsatz des Etruskologen ist bereits von Dionys von Halikarnass (I 30) formuliert: οὐδενὶ ἄλλῳ ἔθνει ὁμόγλωσσον. Darin ist aber keineswegs völlige Resignation eingeschlossen. Es muß möglich sein, das Etruskische wenigstens bis zu einem gewissen Grade ohne jegliche Sprachvergleichung aus sich heraus, durch Kombination verschiedener Inschriften, durch Erwägung des Zweckes der einzelnen Inschrift und ähnliche Mittel zu erklären. Ausgezeichnete Proben dieser Sätze lieferten außer der Erstlingsschrift selbst bald die weiteren Arbeiten Deeckes, die vier Bände Etruskische Forschungen (Stuttg. 1875ff., fortan zitiert Deecke Fo. I–IV), seine vortreffliche Darstellung der etruskischen Sprache in der zweiten Auflage von Otfr. Müllers Etruskern (Stuttg. 1877 II 328ff.), die einzige zuverlässige und vollständige Zusammenfassung unseres Wissens von der etruskischen Sprache, jetzt freilich in manchem überholt, sowie endlich einige einzelne Aufsätze, die noch gelegentlich zu würdigen sind. Durch Deecke ward C. Pauli angezogen, der seine den gleichen Weg einschlagenden Etruskischen Studien (3 Bde.. Hannover 1879ff., zitiert Pauli Etr. Stu. I–III) bald mit Deeckes Forschungen zu den ,Etruskischen Forschungen und Studien‘ (Fo. u. Stu., 6 Bde., Stuttgart 1881ff.) verband. Kaum war die Verbindung eingetreten, als Deecke einen bei seiner früheren Klarheit und Entschiedenheit unbegreiflichen Stellungswechsel vornahm. Es ist eines der merkwürdigsten [773] psychologischen Rätsel in unserer Wissenschaft, wie der Mann, der Corssens Verirrungen einst für immer abgetan zu haben schien, plötzlich sie selbst wieder aufnimmt und Interpretationen zu Wege bringt wie die der Bleitafel von Magliano (Rh. Mus. XXXIX 141ff.); merkwürdiger noch, daß ein Mann wie Gust. Meyer diesen Neu-Corssenianismus als ,Lösung der Etruskerfrage‘ feiern konnte (Essays u. Studien z. Sprachgesch. und Volkskunde, Berlin 1885, 13ff.). Der Gegensatz zwischen Deecke und Pauli kennzeichnete sich in der Begründung neuer Reihen der Studien (Altitalische Studien, 5 Bde., Hannover 1883ff.) und Forschungen (Altitalische Forschungen, 3 Bde., Leipzig 1885ff.) durch Pauli (zitiert als Altit. Stu. und Altit. Fo.), worin Pauli der alten voraussetzungslosen Methode treu blieb. Deecke fand anfänglich einen neuen Mitarbeiter an S. Bugge, aber die neuen Weggenossen gerieten, wie es auf solchen Irrwegen nicht anders geschehen konnte, selbst bald wieder aus einander, indem Bugge (Etruskisch und Armenisch, Christiania 1890) das Etruskische plötzlich für Armenisch zu erklären begann (wie lange vor ihm Bob. Ellis Etruscan and Armenian, Lond. 1861).

§ 4. Wenn auch nach der Qualität der Ergebnisse über den Wert der Methoden kein Unbefangener im Zweifel sein konnte, so begannen doch unleugbar die Früchte der kombinatorischen Methode immer spärlicher zu werden. Umsomehr bemühten sich ihre Anhänger, der Forschung der Zukunft ein sicheres Fundament zu verschaffen. Die Texte Fabrettis und Gamurrinis zu revidieren und mit den zahlreichen neuen Funden zu einem Corpus inscriptionum Etruscarum (CIE) zu vereinigen, unternahm Pauli in Gemeinschaft mit O. A. Danielsson. Davon liegt der erste Band (Leipz. 1893–1902) vollendet vor; er umfaßt in etwa 5000 Nummern die Inschriften des nördlichen Etruriens; die Ausgabe des minder starken zweiten Bandes haben nach Paulis Tod Danielsson, G. Herbig und A. Torp übernommen. Eine Nachprüfung einzelner Nummern des Corpus, sowie eine Konkordanz mit den ältern Corpora findet man bei E. Lattes Correzioni, giunte, postille al CIE (Florenz 1904; zitiert Lattes Correzioni).

Die Jahre, die das CIE entstehen sahen, brachten gleichzeitig einen neuen Anstoß für die Forschung, indem sie die beiden Sprachdenkmale ans Licht förderten, die alles bis dahin Bekannte, auch den w:Cippus Perusinus, weitaus an Umfang übertreffen: die Agramer Mumienbinden und die Berliner Inschrift (s. § § 7 und 11, 1). Wenn man nun auch nicht sagen kann, daß bisher unser Verständnis des etruskischen Lexikons und der etruskischen Flexion durch diese großen Funde erheblich gewonnen hätte, so ist doch klarer als je geworden, daß beide mit dem Italischen, aber auch mit all den andern Sprachen, die man bisher herangezogen hat, keinerlei entscheidende Ähnlichkeit aufweisen. Die indogermanisierende Auffassung des Etruskischen kann als völlig erledigt gelten, seit der letzte sachkundige Verfechter des Corssenianismus, Elia Lattes, sich durch die Berliner Inschrift hat bekehren lassen (Rendiconti del R. Ist. Lombardo di scienze e lettere, sér. II vol. XXXIII 345ff.; über sonstige [774] Arbeiten von ihm s. Vollmöllers Jahresber. über die Fortschr. d. roman. Philol. IV 72. V 53. VI 430. VII 37 und weiter unten). Auf dem verlassenen Weg begegnet man heute nur noch völligen Dilettanten, wie etwa dem Advokaten Gius. Fregni (Delle più celebri iscrizioni etrusche, Modena 1897; Sulla iscrizione etrusca perugina, ebd. 1899). Aber auch anderweitige Verknüpfungsversuche sind durch die neuen Funde ad absurdum geführt worden oder wenigstens ohne jede Bestätigung geblieben; ehrenhalber sei davon V. Thomsens Vergleich mit den kaukasischen Sprachen erwähnt (Remarques sur la parenté de la langue étrusque, Bulletin de l’Académie Roy. des Sciences et des Lettres, Kopenhagen 1899, nr. 4). Im übrigen zeigen die letzten größeren kombinatorischen Arbeiten, die von A. Torp (Etrusk. Beitr., 2 Bde., Leipzig 1902 und 1903, hier zitiert als Beitr. I und II; andere werden weiterhin genannt), wie selbst überzeugte Gegner der etymologisierenden Methode nur zu leicht unwillkürlich ins Indogermanisieren verfallen. Offenbar sind trotz der neuen Funde wenigstens die leichteren Kombinationsmöglichkeiten erschöpft, und in dem Wunsch, weiter zu kommen, schenkt man ins Ohr fallenden Assoziationen mit lateinischen Wörtern, ohne es zu wollen, mehr Gehör, als man je im Prinzip für erlaubt halten würde. Die Tatsache kann natürlich ebensowenig gegen die voraussetzungslose kombinierende Methode beweisen, wie deren bisher nicht allzu große Ergiebigkeit.

§ 5. Bei dieser Sachlage hat W. Schulzes großartiges Werk ,Zur Geschichte lateinischer Eigennamen‘ (Abh. Götting. Ges. d. Wiss. VII 4) gewirkt wie ein aufgerissenes Fenster in einem Zimmer, in dem der Sauerstoff nahezu aufgeatmet ist. Schulze will nicht die etruskischen Sprachdenkmäler interpretieren; er hat vielmehr gezeigt, wie man auch ohne das aus ihnen reichsten sprachlichen Gewinn ziehen und weitgreifende historische Ergebnisse gewinnen kann. Er hat den etruskischen Namenschatz weit systematischer aufgearbeitet als Deecke (Müllers Etrusker I2 474ff.; Fo. III), vor allem unter ständiger Vergleichung des lateinischen Materials. Da sich hierbei gezeigt hat, daß den längst nachgewiesenen Entlehnungen der Etrusker aus letzterem massenhafte Entlehnungen umgekehrter Art zur Seite gehen, so kann künftig keinerlei ernsthafte Forschung auf dem Gebiet der lateinischen Namen der etruskischen Sprache entraten. Die Namen der Ramnes, Tities, Luceres, der Name der Stadt Roma selbst sind solche etruskischer Geschlechter (Schulze 218. 580); etruskische Suffixe sind in lateinischen Eigennamen überaus oft herauszufinden oder herauszufühlen, besonders das charakteristische n-Suffix in zahlreichen Metamorphosen und Weiterbildungen (Schulze 65ff. 107ff.). Unter solchen Umständen darf man nunmehr die Frage aufwerfen, ob etwa auch im sonstigen lateinischen Wortschatz sich etruskisches Gut finden möge. Daß des Laberius homo levenna = levis (Gell. XVI 7, 11) aus lateinischem Stamm mit etruskischer Eigennamenendung wie Porsenna, Sisenna, Ergenna gebildet ist, hat Schulze 283 vortrefflich erwiesen; neuerdings erklärt er auch Appellativa (sporta, gruma) als etruskische Formen griechischer Wörter (σπυρίδα, γνώμονα S.-Ber. [775] Akad. Berl. 6. Juli 1905). Persona ,Maske‘ habe ich im Archiv f. lat. Lex. XV 145f. aus dem Etruskischen herzuleiten versucht (ganz ähnlich übrigens nach einem dankenswerten Hinweis von Lattes schon Deecke Fo. u. Stu. VI 47). Bestätigen und vermehren sich diese Ansätze, so läßt sich viel für das Etruskische wie für das Lateinische hoffen.

II. Material. Dauer und Ausdehnung der etruskischen Sprache. Da wir, wie vorhin gesagt, einige etruskische Wörter durch griechische und römische Schriftsteller kennen, so können wir das Material in indirekt und direkt Überliefertes scheiden.

A. Indirekt Überliefertes. § 6. Dies indirekt überlieferte Material stelle ich hier, so weit ich kann, vollständig zusammen, worin nicht nur, wie oben erwähnt, Dempster, sondern auch Deecke (Müller II 508ff.) vorangegangen ist, leider ohne Quellenangabe und unter Vermischung mit den auf kombinatorischem Weg erschlossenen Worten. Sehr groß ist die Ausbeute nicht. Das meiste gibt Hesych (Immisch De lexici Hesychiani glossis Italicis, Leipz. Stud. VIII 318ff.) und der Liber glossarum, letzterer die Monatsnamen (Bröker Philol. II 246ff. Mommsen Rh. Mus. XVI 146. Götz im Corp. gloss. VI 692), anderes findet sich versprengt bei den verschiedensten Schriftstellern. Auf Eigennamen gehe ich nicht weiter ein. Nur darauf sei hingewiesen, daß die aus der lateinischen Überlieferung bekannten Praenomina Lars, Lartis (davon zu sondern Lar, Laris Deecke Fo. III 183), Arruns Arruntis (vgl. § 26), Tanaquil in ihren epichorischen Formen larϑ oder lart, arunϑ oder arnϑ, ϑanχvil (mit verschiedenen Varianten, vgl. Deecke 161 und unten 14 d und 24) häufig erscheinen; den Gentilnamen lecne (= lat. Licinius Schulze 108 Anm. 3) hat Marx (Wiener Stud. XX 322) bei Novius atell. 3 entdeckt. Alles übrige folgt nunmehr alphabetisch; nur die Monatsnamen stelle ich am Schluß zusammen. Daß alles wirklich etruskisch und gerade in dieser Form etruskisch ist, läßt sich natürlich nicht behaupten. Verdächtig sind, schon wegen der Lautierung, da das Etruskische keine Medien kennt, die Hesychglossen ἀγαλήτορα παῖδα, ἄνδας βορέας, βύρρος κάνθαρος, δάμνος ἵππος, δροῦνα ἡ ἀρχὴ. Δέα θεὰ ὑπὸ Τυρρηνῶν und κάπρα αἵξ Τυρρηνοί enthalten wohl die bekannten indogermanisch-italischen Worte.

αἰσοὶ θεοὶ ὑπὸ Τυρρηνῶν Hes. Dazu die Anekdote bei Sueton Aug. 97. Cass. Dio LVI 29, daß gegen das Lebensende des Augustus ictu fulminis ex inscriptione statuae eius prima nominis littera effluxit; responsum est (von Haruspices natürlich), centum solos dies posthac victurum quem numerum C littera notaret, futurumque ut inter deos referretur, quod aesar, id est reliqua pars e Caesaris nomine, Etrusca lingua deus vocaretur. Man muß hier nur statt Caesar, das Sueton nach dem Gebrauch seiner Zeit einsetzt, sich vielmehr CAISAR geschrieben denken, wie ja Cassius Dio natürlich setzt. Die Suffixdifferenz aiso; aisar darf nicht bedenklich machen (aisar vielleicht Pluralbildung, vgl. § 31 a); wir kennen die eine wie die andere Form nicht nur aus etruskischen Sprachdenkmälern in mannigfachen Ableitungen und Weiterbildungen (aiseraś, [776] auch eiseraś, da ai und ei im Etruskischen wechseln, auf den Binden und inschriftlich; dazu vermutlich ais eis, aisna eisna, aisvale u. a. auf den Binden; eisnev inschriftlich), sondern auch aus indogermanisch-italischen Inschriften (osk. aisusis; marrucin. aisos Nomin. Plur. 2. Dekl., wie Conway erkannt hat, also genau = αἰσοί; umbr. esuno ,divinus‘, volsk. esaristrom ,Opfer‘ mit Monopthongisierung; Bücheler Lexic. Ital. IV; Rh. Mus. XXXIII 35). Dazu wohl die Eigennamen Aeserius, Stadt Aesernia, Aesius u. a. Schulze 162. 478. Vermutlich von den Italern aus dem Etruskischen entlehnt, da ais- kein indogermanischer Stamm zu sein scheint, ar; -er- ein charakteristisch etruskisches Suffix ist und umbrisch esuno- die epichorische Rhotazisierung vermissen läßt.

ἄντας αἰετός ὑπὸ Τυρρηνῶν Hes.
ἄρακος ἰέραξ Τυρρηνοί ders.
τοὺς πιθήκοῦς φαοὶ παρὰ, τοῖς Τυρρηνοῖς ἀρίμους καλεῖσθαι Strab. XIII 626.
arse verse averte ignem significat. Tuscorum enim lingua arse averte, verse ignem constat appellari, unde Afranius (415 Ribb.) inscribat aliquis in ostio arse verse Paul. F. p. 18 M.; vgl. Placid. Corp. gloss. V 7, 16 = 48, 22. Aber die Inschrift Orelli 1384 ist unecht, s. Corssen I 49. Der Verdacht liegt nahe, daß arse mit averte der äußeren Ähnlichkeit wegen übersetzt ist.
ὀταισόν ἁναδενδρὰς Τυρρηνοί Hes.

atrium wird wiederholt von der etruskischen Stadt Atria hergeleitet (Varro de l. l. V 161. Paul. F. p. 13. Serv. Aen. I 726).

αὐκήλως ἕως ὑπὸ Τυρρηνῶν Hes.

Varro in Scauro baltea dixit et tuscum vocabulum ait esse. item humanarum XVIII Charis. Gramm. Lat. I 77 (anders Varro de ling. lat. V 116).

Statius Tullianus de vocabulis rerum libro primo ait dixisse Callimachum Tuscos Camillum appellasse Mercurium, quo vocabulo significant praeministrum deorum Macrob. Sat. III 8, 6. Vgl. Schol. Lycophr. 162 Καδμῖλος ὁ Ἑρμῆς ἐν Τυρρηνίαι, und dagegen Varro de ling. lat. VII 3 Casmilus nominaturSamothrece mysteriis dius quidam administer dis magnis. Verbum esse graecum arbitror, quod apud Callimachum in poematibus eius inveni (frg. 409). Mercur heißt im Etruskischen turms (§ 14).

capys lingua Tusca falco Serv. Aen. X 145 (vgl. Paul. F. p. 43 s. Capuam. Isid. orig. XII 7, 57).

cassidem a Tuscis nominatam (dicunt), illi enim galeam cassim nominant, credo a capite Isid. orig. XVIII 14, 1.

falae dictae ab altitudine, a falado, quod apud Etruscos significat caelum Paul. F. p. 88 M. = 93 Th. d. P.

helvacea genus ornamenti Lydii dictum a colore usw. Paul. F. p. 99.

iduum nomen a Tuscis, apud quos is dies itis vocatur, sumptum est. Item autem illi interpretantur Iovis fiduciam ... sunt qui aestiment Idus ab ove iduli dictas, quam hoc nomine vocant Tusci, et omnibus Idibus Iovi immolatur ... Nobis illa ratio nominis vero propior aestimatur, ut Idus vocemus diem qui dividit mensem [777] iduare enim Etrusca lingua dividere est Macrob. Sat. I 15, 14ff. Der letzte Teil der Nachricht durch die media d verdächtig, während itis gerade im t gegenüber d charakteristisch etruskischen Lautstand zeigt.

vernaculis artificibus, quia ister Tusco verbo ludius vocabatur, nomen histrionibus inditum Liv. VII 2, 6.

laena .. quidam appellatam existimant Tusce Paul. F. p. 117.

lanista gladiator i. e. carnifex Tusca lingua appellatus Isid. orig. X 159 Lind.

mantisa additamentum dicitur lingua Tusca usw. Paul. F. p. 132.

Im Artikel nepos, von dem im Farnesinus so gut wie nichts geblieben ist, stand bei Fest. 165 Tuscis dicitur. Bei Paulus steht unter nepotes luxuriosae vitae homines usw., dann nepos compositum ab eo quod natus post sit patri. Nepos ,Enkel‘ haben die E. aus dem Indogermanisch-italischen entlehnt, s. u. Abschn. IV.

subulo dictus quod ita dicunt tibicines Tusci; quocirca radices eius in Etruria, non Latio quaerundae Varro de ling. lat. VII 35.

(vorsus πλέϑρον ist im Arcerianus der Gromatiker 30, 9 als Wort der Osci et Umbri bezeugt, nur die schlechtere Überlieferung gibt Tusci et Umbri).

Monatsnamen Velcitanus, Cabreas, Ampiles, Aclus, Traneus, Ermius, Celius, Xosfer = März bis Oktober. Die Latinisierung der Endungen liegt zu Tage; mit -us oder -ius wird regelmäßig die etruskische Endung -e wiedergegeben, s. zuletzt Schulze 65 Anm. 2 u. ö. und unten § 14ε u. ö.

B. Direkt überliefertes Material.

1. Handschriftliches. § 7. Diese Gruppe wird allein durch die Agramer Mumienbinden gebildet, mit deren Veröffentlichung 1892 J. Krall die wissenschaftliche Welt überraschte (Die etrusk. Mumienbinden des Agramer Nationalmuseums [mit Faksimile], Denkschr. Akad. Wien Phil.-hist. Kl. Bd. XLI 3). Ein Teil der Binden der betreffenden Mumie ,griechisch-römischer Zeit‘ (Krall 10, genauere Datierung ist nicht versucht) besteht aus Streifen einer leinenen Buchrolle. Von dieser lassen sich die letzten 12 Kolumnen und zwar, von den ersten drei abgesehen, mit ziemlicher Vollständigkeit herstellen und großenteils sicher lesen (Revision von Kralls Lesungen bei Torp Beitr. II); das Ganze enthält etwa 1500 Worte. Über den Inhalt sind nur allgemeine Vermutungen möglich. Mit der Mumie selbst hat der Text zweifellos so wenig zu tun, wie der Inhalt der als Mumienkartonagen verwendeten Papyri mit den Mumien von Oxyrhynchos u. a. Das ergibt sich schon daraus, daß die einzelnen Streifen aus der Rolle in genau der doppelten Länge der Mumie (324 cm) herausgerissen worden sind. Auch Linnen als Schreibstoff ergibt keinen sichern Schluß auf den Inhalt; denn neben den multi libri lintei quod ad sacra attinet bei Marc Aurel ad Front. IV 4 und sibyllinischen Texten auf Leinwand (Claudian. bell. Get. 232. Symmach. epist. IV 34, 3) werden auch private Texte, Tagebücher u. dgl. auf demselben Material geschrieben erwähnt (Frankfurter bei Krall 20, vgl. Mommsen R. F. II 214). Eher führt schon die schöne Ausstattung (Torp bei Thulin Die etrusk. Disciplin [778] I [Göteborgs Högskolas Årsskrift 1905 V] S. 8) und die regelmäßige Schrift zu der Annahme, daß es sich nicht um den ersten besten Text handelte. Auffällig ist sodann die starke Formelhaftigkeit (Krall 44ff.), wie etwa in den Arvalakten oder auf den Iguvinischen Tafeln, und die, wie es scheint, zum Teil sehr kunstvoll durch Homoioteleuton, Assonanz u. dgl. gegliederte Sprache (Thulin Italische sakrale Poesie und Prosa, Berlin 1906, 5ff.). Vor allem aber ist darauf Gewicht zu legen, daß der größte Teil dessen, was man vom Wortschatz versteht, sakraler Natur ist. Nicht nur findet sich der vorhin schon besprochene Stamm ais; eis- ,Gott‘ in den verschiedensten Ableitungen, sondern wir treffen auch eine Anzahl bekannter Götternamen, einzelne davon sehr häufig (zehnmal tinś, tinśi oder tinśin zu tinś, tinia ,Juppiter‘; achtmal neϑuns, neϑunsl ,Neptunus‘; etwa sechsmal ϑesan ,Aurora‘; wiederholt un, une, was vielleicht zu uni ,Iuno‘ gehört; einmal, obwohl nicht sicher gelesen, usil ,Sol‘; oftmaliges mlaχ, das bisweilen mit neϑuns verbunden ist, will Lattes Archiv. f. Lexikogr. VIII 441 als Malacia deuten). Zugegeben, daß hier manche ‘Metonymien‘ unterlaufen mögen (s. insbes. § 25 über tinś) – V 20 scheint verbunden ϑesan eiseraś ,Aurorae deae‘ und eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß wir verses Traced from the right On linen white By mighty seers of yore, mit Macaulay zu reden, vor uns haben, ist im ganzen doch wohl vorhanden. Vielleicht also haben wir es hier sogar mit einem der berühmten libri Etrusci oder Tagetici zu tun, und ich will wenigstens in aller Kürze auf die weitergehende Vermutung hinweisen, die ich im Rh. Mus. LVI 638f. etwas näher ausgeführt habe: da neϑdunsl sich auf den Binden wiederholt mit flere, fleres (flerχva, flerχve) verbunden zeigt, für die längst die Bedeutung statua vermutet war, so könnte es sich um jenen Teil der Blitzlehre handeln, der sich mit dem Einschlagen der Blitze gerade in Statuen befaßte (vgl. was von mir a. a. O. und neuerdings von Thulin Die etrusk. Disciplin I 115f. beigebracht ist). Damit könnten sich auch die Monatsdaten, die ich hier und da auf den Binden erkennen zu können meinte (vgl. unten § 38 b), in der Weise, wie ich es a. a. O. getan habe, vereinbaren lassen, doch bleibt dies alles ein recht unsicherer Aufbau (vgl. die meine Vermutungen weiterbildende Schrift von A. Torp Etrusk. Monatsdaten, Videnskabs-Selskabets Skrifter. II. Hist.-fil. Klasse, Christiania 1902 nr. 4 und dagegen Lattes Rh. Mus. LVII 318ff.). – Zur relativen Zeitbestimmung der Binden läßt sich Alphabet und Orthographie verwenden; darüber siehe das unmittelbar folgende.

2. Von etruskischen Inschriften mögen wir etwa 8000, allerdings sehr verschiedenen Umfangs besitzen; die Mehrzahl gibt nichts wie Namen. Auch zeitlich und örtlich gehen sie sehr weit auseinander. § 8. Die ältesten mögen bis 600, ja selbst etwas weiter zurückreichen. Sie kennzeichnen sich insbesondere durch ihre Schrift (vgl. Pauli Altit. Fo. III 81ff., besonders 100ff. 150ff. Lattes Rendiconti del R. Ist. Lomb. ser. II vol. XXXII 1899, 694ff.; s. auch Joh. Schmidt o. Bd. I S. 1618f.). Indizien hohen Alters sind insbesondere a) Theta mit Kreuz in der Rundung, [779] während jüngere Inschriften nur den Punkt im Kreis oder den bloßen Kreis haben; diese Entwicklung hängt damit zusammen, daß das etruskische Alphabet, außer etwa hier und da in der Diaspora (s. die Inschrift von Novilara § 9; die Bilingue von Pesaro ebd., die Inschrift von Lemnos § 10), den Vokal o nicht besitzt; b) k und q als Zeichen des Gutturals, letzteres nur vor u, z. B. in vhelequ Fabr. 2404, das zugleich durch das jetzt auch von der praenestinischen Maniosspange her bekannte vh = f seine Altertümlichkeit beweist; lateinisches qu wird mit cv transkribiert, z. B. cvinte CIE 1998; c) Interpunktion mit dreifachem (gelegentlich auch vierfachem) Punkt; d) die Schriftrichtung: Bustrophedon, insbesondere schlangenförmiges (wie auf der großen Inschrift von S. Maria di Capua. § 11, 1), aber auch Rechtsläufigkeit, die sich allerdings nur bei einzeiligen Inschriften zu finden scheint. Zu den unter a) berührten Modifikationen der Buchstabenform lassen sich z. B. noch die des r (älter , jünger ), die des m und n (in den jüngern Formen werden die linken Hasten bis auf die Linie heruntergezogen), die Rundung des h () hinzufügen. Zeichen später Entstehung ist Schwanken der Orthographie, wie es am deutlichsten in den Agramer Binden hervortritt. Zwar in manchen Dingen scheint die etruskische Schrift nie ganz fest gewesen zu sein: oft wechselt beispielshalber aspirierter und unaspirierter Laut (z. B. śeχ ,Tochter‘ CIE 1011. 1548 u. ö. = śec ebd. 1046. 1533 u. ö.; lart Vorname 180 = larϑ) 181f.; aχsi = acsi 3809f.; tremsinei: ϑremsini 4621f.; Aconius Achonius 3731f. = CIL XI 1979f.[1] usw. usw.), ebenso ai und ei (z. B. Name anain.. und anein.. 3913. 3636ff.). Aber auch hier wird vielleicht eingehendere Forschung das Schwanken als sekundär, eine der beiden Formen als die ältere erweisen, wie es Schulze für ai gegenüber ei bereits wahrscheinlich gemacht hat (S. 385). Jung ist wohl das Schwanken zwischen ś und s, das bereits oben § 1 erwähnt wurde (z. B. śerturial 3670 = serturial 3671 auf Grabschriften von Geschwistern in Perusia; tuśurϑir 3860 = tusurϑir 3858). Denn hier ist für die ältere Zeit scharfe Scheidung umso zweifelloser, als der Norden und Süden Etruriens s und ś zunächst in geradezu entgegengesetzter Weise verwenden: dort wird s geschrieben, wo hier ś, und umgekehrt (nach Pauli Altit. Fo. III 172, der freilich der Nachprüfung bedarf). Ein Literaturdenkmal, das so regellos wie die Binden śpureśtreś, śpureśtres, śpurestreś nebeneinander schreibt, scheint relativ sehr jung. Jung sind natürlich auch die Bilinguen (Deecke Etr. Fo. u. Stu. V), jung etruskische Inschriften, die mit lateinischen Buchstaben geschrieben sind (2107f. 2563. 2693. 2732f. u. a.). Die letzten Klassen von Inschriften reichen wenigstens zum Teil gewiß in die caesarisch-augusteische Zeit herunter (Corssen I 31. Deecke a. a. O. V 1. 27. 128). Zur jüngsten Schicht gehören natürlich auch die lateinischen Inschriften, die den Habitus der etruskischen nachahmen, also die mit dem Mutternamen vom Typus A. Ancarius A. f Tolmaca natus (CIL XI 2267);[2] sie sind zusammengestellt von Lattes (Le iscrizioni latine col matronimico di provenienza etrusca, Atti dell’ Accademia di Napoli XVIII 1, 1896). Ob Inschriften [780] existieren, die über die augusteische Zeit hinuntergehen, weiß ich nicht zu sagen. Aber das Etruskische hat, wenn nicht als gesprochene Sprache, doch etwa in derselben Art wie das Sanskrit noch Jahrhunderte weiter existiert. Denn die Haruspices beim Heere Iulians haben ihre Ritualbücher gewiß so gut etruskisch gelesen wie die Haruspices der caesarischen Zeit (Ammian. XXIII 5, 10ff.). Für irgendwelche Fortdauer etruskischer Spracheigentümlichkeiten im heutigen Italienisch ist kein Beweis geführt; wenn Nissen Landeskunde I 494, ich weiß nicht auf wessen Autorität hin, die eigentümliche Wandlung des Gutturals zum Spiranten im Florentinischen (das ,c aspirato‘ in havallo poho) mit der etruskischen Neigung zur Aspiration (s. o.) in Zusammenhang bringt, so ist erstens Spirant und Aspirate verwechselt und zweitens vergessen, daß die Erscheinung sich im Etruskischen keineswegs auf den Guttural beschränkt.

§ 9. Die örtliche Verbreitung etruskischer Inschriften gewährt merkwürdige Blicke auf die Einflußsphäre und, wie es scheint, auch die Handelsbeziehungen des Volkes. Die Hauptmasse der Denkmäler entstammt dem eigentlichen Etrurien, wo sich Süden und Osten, z. B. Tarquinii-Corneto und Clusium ganz besonders teils durch Alter, teils durch Ergiebigkeit der Nekropolen auszeichnen. In Umbrien hat namentlich die nächste Nachbarschaft von Etrurien (Tuder) einiges geliefert. Aber der Apennin setzt keine Grenze: Felsina-Bologna hat mit seiner Umgegend, namentlich seit der Aufdeckung der Nekropole von Marzabotto erheblich beigesteuert, und unter den vereinzelten Denkmälern an der Ostküste befindet sich ein so wichtiges, wie die junge Bilingue des haruspex und fulguriator Cafatius aus Pisaurum (Deecke Fo. u. Stu. V 27. Fabr. 69. CIL XI 6363),[3] während die etruskische Natur der wohl bis ins 6. Jhdt. zurückreichenden, durch Skulptur und Text gleich merkwürdigen Inschrift von Novilara bei Pisaurum (veröffentlicht von Lattes Rendiconti d. Accad. d. Lincei Ser. V vol. II 775ff. 855ff. Brizio Monum. antichi V 178ff.) nicht völlig gesichert ist: sie bietet die dem eigentlichen Etruskischen fremden Zeichen und Laute b und ú = o und ist unter fremdartigen Gräbern mit Hockerstellung gefunden (Brizio a. a. O. Duhn Neue Heidelb. Jahrb. 1896. 35), hat aber allerdings in den sprachlichen Formen nicht wenige auffallende Ähnlichkeiten mit dem Etruskischen (Lattes Herm. XXXI 465ff.). Seit die Funde bei Cemenelion (dem heutigen Cimiez in der Nähe von Nizza) als Fälschungen angesehen werden müssen (Pais bei Nissen Landeskunde II 137, 1), ist die Inschrift von Busca bei Saluzzo in Piemont als westlichster Vorposten der etruskischen Sprachzeugen anzusehen (Fabr. 42; die Echtheit von Mommsen in der sofort zu zitierenden Abhandlung 215 wohl mit Unrecht bezweifelt). Nach Norden zu haben sich Inschriften in Schriftarten, die der etruskischen sehr ähnlich sind, bekanntlich an den Seen und hoch hinauf in gewisse Alpentäler gefunden (Mommsen Die nordetruskischen Alphabete, Mitteilungen der antiquar. Gesellsch. in Zürich VII 1853). Nachdem bereits Mommsen sich mit größter Entschiedenheit dahin ausgesprochen hatte, daß die Schrift nichts [781] für den sprachlichen Charakter der Inschriften beweisen könne, hat Pauli (Altit. Fo. I) die sprachliche Bestimmung dieser Denkmäler unternommen. Nach Aussonderung der Inschriften mit abweichendem sprachlichen Habitus (darunter die von Lugano, die jetzt nicht ohne Wahrscheinlichkeit für das Ligurische in Anspruch genommen werden, Pauli Beilage zur Allgem. Ztg. 1900 nr. 157. Kretschmer K. Z. XXXVIII 97ff. Herbig Anzeiger f. Schweizer. Altertumskunde 1905/6, 187ff.; irrig z. B. Nissen Landeskunde I 487), ergaben sich als möglicherweise etruskisch einige wenige in dem von Pauli sog. Sondrio-Alphabete geschriebene Inschriften: eine aus Tresivio im Valtellin, eine von Voltino am Gardasee (die freilich die Buchstaben b und o enthält), eine von Rotzo bei Bassano (Pauli nr. 27. 30. 31). Mit größter Wahrscheinlichkeit aber lassen sich als etruskisch bezeichnen die Inschriften in Paulis ,Bozener‘ Alphabet, die sich im Etschtal von Verona bis Matrey bei Innsbruck gefunden haben (Pauli nr. 32ff.). Die scharfe Scheidung, die Pauli vollzogen hat, ändert also schließlich nichts an der längst beobachteten Übereinstimmung der Fundtatsachen mit der namentlich durch Livius (V 33, 10; vgl. Nissen I 484f.) vertretenen Tradition, daß Räter und Etrusker sprachlich zusammenhängen. Aus dieser Überlieferung hat zuerst L. Steub den Mut geschöpft, die sonderbar klingenden Ortsnamen Südtirols und Graubündens mit etruskischen Namen zu vergleichen (Über die Urbewohner Rätiens und ihren Zusammenhang mit den Etruskern, München 1843; Zur rätischen Ethnologie, Stuttgart 1854). Seinem Material fehlte vielfach die Zuverlässigkeit, ihm selbst die Vertrautheit mit der romanischen Sprachwissenschaft, die viele von jenen Ortsnamen mit Sicherheit als raetoromanische oder jedenfalls als romanische Formen erklärt. Auch was Paulis Kritik (Altit. Fo. II 2, 186ff.) von Steubs Material übrig lassen will, wie etwa tirol. Velthurns: etrusk. Gentile velϑurna, Ladurns: ❊larϑurnisa (gemeint ist etwa larϑuruśa), scheint mir scharfe Nachprüfung nötig zu haben, die, wie ich meine, den Gröberschen Satz (in seinem Grundriß I2 107) ,sprachlich ist die Frage noch jetzt unentscheidbar‘ zu Ungunsten Steubs erledigen wird. Aber das schließt nicht aus, daß andere in der Verwendung anderer Ortsnamen glücklicher sind. So hat jetzt Schulze auf Namen mit dem Suffix -enna hingewiesen, die eigentlich etruskische Gentilicia sind (§ 5; vgl. auch den Volksnamen Ῥασέννα Dion. Hal. I 30), aber wie viele Gentilicia im Etruskischen auch als Stadtnamen verwendet werden. So ist das Suffix -enna eine Art Leitfossil für etruskische Bevölkerungsschicht wie -asco; -asca für ligurische. Ravenna hat etruskische Reste hergegeben (Fa. 49), und nicht weit ab von dem oben genannten Tresivio liegt die Raeterstadt Clavenna, das heutige Chiavenna.

Nach Westen setzte das Meer der Ausbreitung der etruskischen Sprache Grenzen. Aber schon sind auf Sardinien etruskische Namenspuren gefunden (Schulze 96, 1); vielleicht kommt auch hier einst noch Greifbareres zu Tage (vgl. Körte o. S. 733 Anm.*). Nach Süden hin zeigen zunächst die faliskischen Inschriften, dann aber Rom selbst in seinem Namen, dem der ältesten Tribus u. a. [782] auch sprachlich den etruskischen Einfluß (Schulze 579), und so reichte die politische und sprachliche Machtsphäre der E. einst bis nach Campanien hinunter. Denn wenn früher hier nur Tongefäße von Nola und Capua kurze Inschriften lieferten, so hat vor wenigen Jahren die letztgenannte Nekropole die umfänglichste etruskische Inschrift hergegeben (s. § 11, 1) und damit zugleich den Zweifeln an der durch die alte Überlieferung behaupteten Etruskerherrschaft in Campanien ein Ende gemacht (v. Duhn Riv. di stor. ant. I 38ff. V 35f.). Zu Kalabrien scheint der Gentilname kalaprenas in Beziehung zu stehen (Not. d. scavi 1880, 444. Schulze 524). Auf dürftige Spuren etruskischer Epigraphik auf Sizilien hat Lattes aufmerksam gemacht (Rendiconti dell’ istituto Lombardo ser. II vol. XXXVII 1904, 619ff.).

§ 10. Aber die E. haben inschriftliche Reste auch außerhalb Italiens hinterlassen. Ich will die Frage nicht stellen, auf die gar zu viel Antworten möglich sind: wie der liber linteus auf den Leib der ägyptischen Mumie gekommen sein mag (Etruskischer Spiegel in Ägypten Martha Bullet. de correspond. hellén. IX 1885, 239ff.). Aber wenn wir jetzt auf einem Elfenbeintäfelchen aus Karthago eine etruskische Weihung an den punischen Gott Melkart kennen (Bréal Journal des Savants 1899, 63ff.), so muß mit einem dauernden oder vorübergehenden Aufenthalt einzelner E. in Karthago wohl zu Handelszwecken gerechnet werden. Ganz anders steht es in jedem Fall um den vielberufenen Stein von Lemnos. Dieser, von Cousin und Durrbach gefunden und im Bull. de correspond. hellén. X 1ff. veröffentlicht, jetzt nach freundlicher Mitteilung von Thulin im Nationalmuseum zu Athen, zeigt außer einer rohen Kriegerfigur zwei mehrzeilige, sich zum Teil deckende Inschriften, die eine um den Kopf der Gestalt herum, die andere auf der Seitenfläche des Steins; das Alphabet der Inschriften gehört, wie jetzt wohl allgemein angenommen wird, zur westgriechischen Gruppe ( = χ: Kirchhoff Stud. z. G. d. griech. Alph.⁴ 54ff. Torp Die vorgriech. Inschr. v. Lemnos. Christiania Videnskabs-Selskabs Skrifter II Hist.-filos. Kl. 1903 nr. 4, 1ff. Gercke Herm. XLI 551, 3). Wegen der primitiven Ausführung pflegt man das Denkmal etwa dem 6. Jhdt. zuzuschreiben. Fast alle, die bisher sich mit der Inschrift beschäftigt haben, glauben in ihren Sprachformen (trotz des o, das sich hier wie z. B. in den Inschriften von Pisaurum § 8 a findet) große Ähnlichkeit mit dem Etruskischen zu erkennen (bes. Pauli Altit. Fo. II und Torp a. a. O.) und finden eine Stütze dieser Kombination in der bekannten antiken Nachricht von den Tyrrhenern auf Lemnos (s. namentlich E. Meyer Forschgn. z. alten Gesch. I 19). Auch ich muß mich zu diesem Glauben bekennen, trotz des Widerspruchs von v. Wilamowitz S.-Ber. Akad. Berlin 1906, 76 und auf die Gefahr hin, daß Fredrichs Funde auf Lemnos uns widerlegen. Ich gebe die Beweisführung in der Anordnung, in der sie mir – ich will nicht sagen zwingend, aber doch recht einleuchtend scheint; ich gebe sie noch aus dem besonderen Grunde, weil meiner Überzeugung nach Torp gerade die wirklich bedeutsamen Beweisstücke weggeworfen hat. 1) Die Inschrift ist nach ihrem Habitus wohl zweifellos [783] eine Grabschrift. 2) Eine Grabschrift enthält außer dem Namen des Verstorbenen normalerweise eine Altersangabe; eine solche ist also auch für die lemnische Inschrift vorauszusetzen. 3) Die übliche Altersangabe auf den etruskischen Grabschriften besteht aus dem Wort avils ,Jahre‘ mit zugesetztem Zahlwort. 4) Der auf der lemnischen Inschrift dargestellte ist ein Erwachsener; seine Altersangabe müßte also ein Zehnerzahlwort enthalten. 5) Die etruskischen Zehner haben das charakteristische Suffix -alχ; das in mannigfaltigen Formen (z. B. ce-alχ-uz Agr. X 2) erscheint. 6) Beide Teile der lemnischen Inschrift enthalten in ihrem Verlaufe die Gruppen sialχveiz aviz bezw. aviz sialχviz. 7) Die E. haben einen Einer śa, zu dem der Zehner nicht belegt ist und *śalxχ- oder ähnlich gelautet haben muß. 8) Nach der Tradition haben E. auf Lemnos gesessen. ,Der Zufall spielt oft wunderliche Spiele‘: an diesen Satz muß sich halten, wer die Verwandtschaft des ,Lemnischen‘ mit dem Etruskischen ableugnet. Wenn auf jenes av. sialχ. beidemal folgt maraz⋮ mav (mit leerem Raum dahinter) bezw. marazm: aviz, so kann damit zur Altersangabe noch ein Einer hinzugesetzt sein unter Wiederholung des Wortes für ,Jahr‘; es stimmt dazu, daß das Affix -m im Etruskischen ,und‘ bedeutet (§ § 29. 32), und gerade das Schwanken der Interpunktion mag lemnisch m als affigierte Partikel charakterisieren. Möglich ist aber auch (und auch das würde dem Typus etruskischer Inschriften entsprechen), daß hinzugefügt war ,und so und so viel Jahr hat der Verstorbene irgend ein Amt bekleidet‘. Schließlich sei Bugges (Der Ursprung der Etrusker, Christiania Videnskabs-Selskabs Forhandlinger 1886 nr. 6) scharfsinniger Einfall nicht verschwiegen, daß sich im Text der Inschrift, wie morinail auf die Stadt Myrina auf Lemnos, so φokiasiale auf das nicht sehr weit entfernte Phokaia beziehe (Bildung etwa wie truials ,Troianer‘ Fa. 2162); die Beziehungen Phokaias zu den E. sind oben von G. Körte (S. 743) besprochen. – Wie E. nach Lemnos gekommen sind (wenn es denn E. waren), darauf gibt es auch wieder mehr als eine Antwort; nur an einen Streifzug von Seeräubern vermag ich nicht recht zu glauben: sollten die sich Zeit genommen haben, einem der ihrigen ein immerhin Kunst und Zeit erforderndes Denkmal zu setzen?

Nach diesem Überblick über Chronologie und Verbreitung der etruskischen Sprache und ihrer Inschriften zähle ich die umfangreichsten sowie die für die Interpretation wichtigsten auf. Die beiden Kategorien fallen keineswegs, wie man denken könnte, durchaus zusammen. Vielmehr erschließen sich die kürzeren Inschriften nicht nur an sich dem Verständnis oftmals leichter, sondern sie bieten auch das bessere Material für die kombinatorische Tätigkeit, die vorläufig dem Interpreten der etruskischen Denkmäler allein obliegt. Als umfänglichste oder sonst für den Grammatiker wichtige Inschriften nennen wir:

§ 11. Inschriften auf Stein oder Ton. 1) Die Tontafel von S. Maria di Capua, jetzt im Berliner Museum, herausgegeben von Bücheler Rh. Mus. LV 1ff. (geringfügige und unsichere secundae curae von Skutsch Woch. f. kl. Phil. 1901, 96f. und Torp Etr. Beitr. II). Trotz starker [784] Verstümmelung am oberen und unteren Rand noch etwa 300 Worte. Die altertümliche Schriftrichtung und Interpunktion (s. o. § 8 c. d), außerdem die historische Wahrscheinlichkeit weisen die Inschrift den Zeiten der Etruskerherrschaft in Campanien oder den unmittelbar folgenden, also etwa dem 5. Jhdt. zu. Für die Interpretation kommen zahlreiche auffallende Übereinstimmungen mit den Mumienbinden sowie mit den Götternamen z. B. der Bronzeleber (unten nr. 6) in Betracht; dergleichen ist zusammengestellt von Lattes Rendic. dell’ Ist. Lomb. Ser. II Bd. XXXIII (1900) 541ff.

2) Der w:Cippus Perusinus, CIE 4538. Etwa 1,5 m hoch, 0,5 breit, 0,25 tief, vorn und links mit etwa 120 Worten beschrieben. Erheblich jünger als nr. 1; sehr wenig Worttrennung durch Interpunktion, doch läßt sie sich kombinatorisch fast durchweg mit Sicherheit herstellen. Nach gewöhnlicher Annahme sepulkralen Inhalts: klar ist, daß zwei Familien, afuna und velϑina, genannt werden und mehrmals das Wort naper mit Zusatz von Zahlen erscheint. Das letzte ist auch auf dem kleinen Cippus von Volaterrae, CIE 48, der Fall. Die Vermutung liegt nahe, daß naper ein Maß bezeichne und der Cippus sich auf eine Gebietsteilung zwischen zwei Familien beziehen könne; dabei mag es sich immerhin um Terrain für Gräber handeln.

3) Die neunzeilige Pfeilerinschrift der Grotta del Tifone von Tarquinii-Corneto (Dennis Cities and Cemet. I3 329. Fa. 2279; gute Photographie Moscioni 9084). Erst eingehauen, dann ausgemalt; jetzt sehr zerstört. Sie bezeichnet zweifellos das Grab als der Familie pumpu gehörig: lavtn (etwa familia) pumpus steht in Z. 1. und die Beischriften zu einzelnen Figuren der Wandgemälde weisen sie als pumpus aus.

4) Ähnlichen Inhalt haben wohl die 30 Worte der im Innern eines Grabes bei Torre di S. Manno in der Nähe von Perusia entdeckten Inschrift CIE 4116 (vgl. Dennis II 451). Das Grab gehörte der Familie precu (lavtn precuš am Schluß der Inschrift).

Hierzu kommt nun 5) eine ganze Reihe von Sarkophaginschriften zum Teil erheblichen Umfangs. Ich hebe hervor a) die pulena-Sarkophage von Tarquinii (Gam. 799ff.), von denen der erste auf einer Rolle in der Hand der Deckelfigur eine Aufschrift von gegen 60 Worten in 9 Zeilen trägt (Name, Verwandtschaftsverhältnis, Ämter sind kenntlich; man fühlt sich an die Scipionensarkophage erinnert, und ins 3. Jhdt. sollen auch die etruskischen Sarkophage fallen); b) die aleϑnas-Sarkophage von Viterbo (Fa. 2055ff. = III 318ff. Dennis I3 153); c) die neugefundenen Sarkophage von Toscanella (Torp und Herbig Berichte Akad. München 1904, 508ff., weiterhin zitiert Herbig-Torp; nach dem Urteil der Herausgeber bis ins 5. Jhdt, zurückreichend). – Wie die Sarkophaginschriften, so hellen sich auch die weit zahlreicheren Inschriften von Aschenurnen, namentlich von solchen, die derselben Familie zugehören, gegenseitig auf; freilich sind sie, obwohl an Zahl weit überlegen, insofern weniger ausgiebig, als sie außer dem Namen im allgemeinen nur etwa Verwandtschafts- und Altersangaben bieten.

§ 12. Inschriften auf Metall. 6) Das sog. Templum von Piacenza, veröffentlicht und [785] vortrefflich erläutert von Deecke Etr. Fo. IV; Fo. u. Stu. II 65ff., neuerdings besprochen in den wertvollen Arbeiten von Thulin (Die Götter des Martianus Capella und der Bronzeleber von Piacenza, Religionsgesch. Versuche u. Vorarbeiten III 1, Gießen 1906; vgl. Blecher De extispicio, ebd. II 4) und von G. Körte Röm. Mitt. XX 1905, 348ff. (hier auch die genaueste Ausgabe und die besten Abbildungen). Deecke erkannte in dem merkwürdig geformten Gegenstand eine Kalbsleber, die auf der Seite der fibrae, der Leberlappen, mit Götternamen ganz bedeckt ist, auf der andern, die durch das suspensorium hepatis halbiert ist, nur die beiden Worte usils und tivs d. h. Solis und Lunae (§§ 14. 25) trägt (die Lesung tivs ist nicht nur sprachlich viel wahrscheinlicher als das von Thulin 11 angenommene tivr, sondern wird, wie Körte 364, 1 nachweist, auch durch die Buchstabenform empfohlen). Am Rand der Lappenseite sind die Götternamen in 16 Felder gesondert, wie ebenfalls Deecke erkannte, in Übereinstimmung mit der Sechzehnteilung des etruskischen Himmels, über die wir durch des Martianus Capella (41ff.) Exzerpt aus Nigidius Figulus (Wissowa Gesammelte Abhandlg. 125ff.) genauer orientiert sind. Das Objekt, das den Zwecken der Eingeweide- und Blitzschau gedient haben muß und für unsere Kenntnis der etruskischen Mythologie und Götternamen von einziger Wichtigkeit ist, hat neuestens noch erhöhtes Interesse gewonnen durch die Auffindung ähnlicher beschriebener Lebern in Babylonien (s. Bezold bei Blecher a. a. O.), und wenn es wahr ist, daß die Leber keilschriftlich HAR heißt, so liegt es nahe genug, damit das Wort haruspex zusammenzubringen (Boissier Mém. de la soc. de lingu. XI 330. XII 35). Zeigt doch die außerordentlich schwankende Schreibung dieses Wortes in den Inschriften ([h]aruspex, [h]arispex, arrespex), daß sein erster Teil im Lateinischen nie recht heimisch geworden ist (Thulin Etrusk. Disciplin. I 55f. II 3ff., rein lateinisch ist das Kunstwort extispex (s. bes. Cic. div. I 12), und für haru- fehlt im Lateinischen jede den Lautgesetzen Genüge leistende Anknüpfung.

7) Ähnliche rituale Zwecke mag das beiderseitig beschriebene Blei von Magliano, jetzt im etruskischen Museum in Florenz (Größe 8 x 7 cm; Gestalt etwa die einer halbierten Linse), gehabt haben; wenigstens erkennt man auch hier Götternamen wie tins ,Iuppiter‘, mariś ,Mars‘ und das Wort aiseras selbst (s. o. § 6 unter αἰσοί). Beste Veröffentlichung und Abbildung: Milani Monumenti antichi II 38ff. Die Zweifel an der Echtheit, die Pauli Altit. Stu. III 105ff. geäußert hat, wird niemand teilen, der das Original gesehen hat. Die Sicherheit, mit der der Text in einer Schneckenlinie mit scharfen klaren Buchstaben eingeritzt ist, die Beschaffenheit des Metalls schließen jeden Verdacht aus. So urteilt auch Mommsen bei Milani a. a. O. Entstehungszeit nach G. Körte a. a. O. 369 das 6. Jhdt., während das Templum von Piacenza erst etwa ins 3. bis 2. Jhdt. gehört.

8) und 9). Wenn für so viele hier aufgeführte Inschriften es bei ganz vagen Vermutungen über den Inhalt sein Bewenden haben muß, so ist dagegen die Diagnose völlig sicher bei den beiden Bleitafeln von Volterra (CIE 52, jetzt im Museo [786] Guarnacci in Volterra, etwa 80 Worte) und von Campiglia Maritima aus der Nähe des alten Populonia (Not. d. scavi 1895, 334ff., jetzt im etruskischen Museum in Florenz, etwa 50 Worte). Beide sind in Gräbern gefunden, beide sind flüchtig und ungeschickt in das Blei geritzt, beide enthalten eine Menge Eigennamen. Das Täfelchen von Volterra war außerdem ,wie ein Blatt‘ gefaltet und mit einer Schnur von Blei umwunden. Es ist hiernach ganz unmöglich, diese Inschriften mit den Bleischildern von Graburnen zu vergleichen, wie Lattes Correzioni 14 tut. Vielmehr sieht jeder Epigraphiker, daß es sich, wie ich schon in den Indogerm. Forschg. V 259 Anm. aussprach, um Defixionen handeln muß. Torp hat denn auch neuerdings den Versuch gemacht, die kürzere Inschrift in meinem Sinn zu interpretieren (Die vorgriech. Inschr. v. Lemnos 62ff.). Sicherheit ist im einzelnen natürlich unmöglich zu erzielen; immerhin nehmen die Formeln auf beiden Tafeln neben den Namen so wenig Raum ein, daß wir hier einmal so glücklich sind, zwei umfänglichere etruskische Inschriften zu wesentlichen Teilen zu verstehen. Daß das neunzeilige Goldplättchen von Tarquinii Gam. 804 (Berichtigungen bei Bugge Etr. Fo. u. Stu. IV 139ff.) auch eine Devotion sein sollte, ist in Ansehung des Materials nicht gerade wahrscheinlich.

III. Die Wege der Deutung. § 13. Im allgemeinen braucht die Methode, wie sie in den älteren Arbeiten von Deecke, in allen von Pauli befolgt ist, heute keine Rechtfertigung mehr. Da jeder Vergleich des Etruskischen mit indogermanischen oder nicht-indogermanischen Sprachen äußerlich und innerlich mit vollkommenem Mißerfolg geendet hat, so ist es eine ganz selbstverständliche Folgerung, daß man sich zunächst völlig voraussetzungslos über die charakteristischen Eigentümlichkeiten der etruskischen Sprache oder wenigstens über einige davon klar werden muß. Glückt es nachher, diese Eigentümlichkeiten in irgend einer andern Sprache wiederzufinden, so wird es immer noch Zeit sein, von der ,kombinatorischen‘ zur ,etymologisierenden‘ Methode überzugehen. Die ,kombinatorische‘ findet, wie ich schon früher sagte, ihr bestes Material gerade in den weniger umfangreichen Sprachdenkmälern. Dies ist in gewissem Sinn Zufall: das Geschick hat uns von Bilinguen, an die sich die voraussetzungslose Forschung mit in erster Reihe wenden wird, nur ganz kurze Exemplare gegönnt. Dagegen, von den Bilinguen abgesehen, ist es im innern Wesen der Sache begründet, daß die kürzeren Inschriften die nutzbringenderen sind. Erstens läßt sich gerade bei diesen vielfach nicht nur der Gesamtinhalt ohne weiteres angeben, sondern es gibt, je kürzer man eine Inschrift bestimmten Inhalts (also z. B. eine Grab- oder Weihinschrift) hält, auch umso weniger Variationsmöglichkeiten für den Ausdruck. Es läßt sich hier also gewissermaßen ohne weiteres mit größerer oder geringerer Sicherheit raten, was das Wort oder die Worte der Inschrift bedeuten. Zweitens aber schließen sich, wie schon früher gesagt worden ist, gerade die kürzeren Inschriften vielfach zu Reihen zusammen, die sich gegenseitig aufhellen, wie z. B. die einzelnen Inschriften eines Familiengrabes.

[787] Ich will hier für alle drei Wege der Interpretation eine Anzahl Beispiele geben, die nicht nur die Methode klarstellen, sondern auch für Formenlehre und Lexikon genug Ertrag liefern sollen, um dem Leser ein sicheres Urteil wenigstens über die Stellung des Etruskischen zum Indogermanischen zu ermöglichen. Die Beispiele sind in allem Wesentlichen den Arbeiten von Deecke und Pauli entnommen, über die hinaus sichere Deutungen kaum noch gewonnen worden sind, ja mit unserem heutigen Material wohl gar nicht gewonnen werden können.

1) Der Sinn der Inschrift ergibt sich aus ihr selbst. § 14. Der einfachste Fall ist der der Beischriften zu Bildern, für das Etruskische besonders wichtig durch die Unmasse der Darstellungen auf Spiegeln. Den Olymp der E. hat mit deren Hilfe schon Gerhard dargestellt (Die Gottheiten der Etrusker, Akad. Abhandlgn. I 285ff.), und die mythologischen Namen ergeben, soweit sie vom Griechisch-Lateinischen abweichen, für das Lexikon, soweit sie aus jenen Sprachen entlehnt sind, für die Lautlehre reiche Ausbeute (vgl. Deecke Etr. Lautlehre aus griech. Lehnwörtern, Bezz. Beitr. II 161ff.). Ich nenne eine Anzahl wichtiger Gottesnamen unter Verweis auf einen oder mehrere Spiegel, aus denen sich die Deutung ohne weiteres ergibt: Iuppiter tinia, tina, tinś (z. B. Sp. I 181); Venus turan (oft neben atunis Ἄδωνις I 114. 115; neben alcsentre Ἀλέξανδρος und elinai Helena, letztere am Kinn fassend, als ob sie ihr zuredete V 107, auf dem Parisurteil V 98 neben elaχsantre Ἀλέξανδρος, uni Iuno, [men]rva); fufluns Dionysos (mit semla Semele und apulu Apollo I 83, mit semla und areaϑe Ariadne IV 299): turms Mercur (I 74. 158. V 103); usil Sol (mit Bogen und Strahlenkranz z. B. I 76; vgl. Paul. F. 23 Aureliam familiam ex Sabinis oriundam a Sole dictam putant, quod ei publice a populo Romano datus sit locus, in quo sacra faceret Soli, qui ex hoc Auseli dicebantur, ut Valesii Papisii pro eo quod est Valerii Papirii); ϑesan Aurora (auf I 76 in Verbindung mit Sol. auf IV 290 mit tinϑun Tithonos und memrun Memnon verbunden). Neben diesen echt etruskischen Namen stimmen andere zu bekannten griechischen oder römischen: apulu (s. o.), menrva (z. B. I 76. V 98 s. o.), neϑuns Neptunus (mit Dreizack I 76). Aus den Heroennamen ergeben sich folgende lautliche und morphologische Eigentümlichkeiten, für die man mehr Material und genaue Angabe der Belege bei Deecke a. a. O. findet: a) Ersatz der Medien durch Tenues, entsprechend dem Fehlen der Medien im etruskischen Alphabet: atresϑe Adrastos (vgl. ß), tute Tydeus, atunis Adonis, caśntra Kassandra, pecse Pegasos, pultuke Polydeukes; ß) Neigung zur Aspiration (vgl. § 8): φulnice Polyneikes, aχmemrun Agamemnon (vgl. a), areaϑe Ariadne, atresϑe (s. a), herχle neben hercle u. a.; γ) Synkope von Binnensilben durch die Wirkung eines auf der ersten Silbe stehenden exspiratorischen Akzents: aϑrpa Atropos, atlenta Atalanta, aχle Achilles, caśntra Cassandra, clutmsta Klytaimestra, elχsntre, elsntre neben elaχsantre Alexandros, hercle Herakles neben heracle, menle Menelaos, menrva Menerva, pecse Pegasos, pultuke neben pulutuke Polydeukes usw. Die Erscheinung erinnert bis [788] ins einzelne an den gleichen Vorgang im Lateinischen (beachte namentlich die silbenbildenden r und n in aϑrpa, menrva, caśntra wie in lateinisch sacerdos für *sacrdos, *sacrodos, scabellum für *scabnlum aus *scabno-lum u. dgl.); den Gedanken eines historischen Zusammenhangs darf man heute nicht mehr glatt von der Hand weisen. In einem merkwürdigen Gegensatz zur Regel stehen Formen wie plunice (?) Polyneikes Fa. 2168 (Deecke S. 172 nr. 134), mliϑuns Μελίτων(?) Fa. 2033, mnele Menelaos Fa. III 311, tlamunus Τελαμώνιος Fa. 2162, von denen wenigstens die letzte kaum einen Zweifel zuläßt, aber in ihrer Lautform eine der griechischen entsprechende Akzentstelle vorauszusetzen scheint. δ) Ganz ähnlich wie im Lateinischen macht sich zu der unter γ geschilderten Tendenz eine gewisse gegenläufige Bewegung in Form der Anaptyxe geltend. Es entwickeln sich in den Silben, deren Vokal vom Akzente beeinträchtigt wurde, neue Vokale zum Teil ganz anderer Färbung, eine Art Schwa etruscum. Neben atrste steht atresϑe Adrastos, neben clutmsta cluϑumusϑa Klytaimestra, neben aχile, aχle Achilles aχele und aχale, vgl. z. B. noch atlenta Atalanta, parϑanapae Parthenopaios, elaχśantre neben elχsntre Alexandros. Nachdem die beiden Lauterscheinungen γ und δ einmal als etruskisch erkannt sind, ist es leicht, sie auch im übrigen Sprachmaterial massenhaft nachzuweisen; dabei ist es oft sehr schwer, ja unmöglich, zu unterscheiden, ob γ oder δ vorliegt, d. h. ob die vollere oder die kürzere Form ursprünglicher ist. Man vergleiche z. B. ϑanχvil CIE 278 ϑanχnvil 275 ϑanuχvil 400 u. ö. Tanaquil; seplnal 322 sepulnal 337; arntle arunϑle 345ff.; suϑnei 944 ~ suϑanei 943; ϑurmna 1377. 4269 ϑurmana 1378 lat. Thormena CIL XI 2025;[4] remznal 1395 remzanei 1396; punpana 1403 pumpunal 1788 pumpnasa 1404, pumpnei 1789; aulustni 1799 aulśtni 1800; eznei 2071 ezunei 2072: aprθe, aprte apurϑe, apurte 3802. 4892ff.; velχra 549 velχera 624; weiteres bei Müller-Deecke II 333ff. Schulze 106. 265. 105. ε) Wichtig ist sodann die Betrachtung der Wortenden. Die weiblichen Namen zeigen häufig die uns so indogermanisch anmutende Endung a: menrva, caśntra, clutmsta, atlenta, ja in aϑrpa = Atropos scheint sich ein besonders lebendiges Gefühl für die weibliche Natur dieses Suffixes zu äußern. Aber es finden auch fremdartigere Veränderungen statt: Helena erscheint als elinai oder elinei, Persephone als φersipnai oder φersipnei, d. h. es scheint sich -ai, -ei als etruskische Femininendung herauszustellen, was sich uns weiterhin (§ 27ff.) bestätigen wird. Bei den Maskulinen fällt die so ziemlich ausnahmslose Ersetzung von -os (auch mit vorausgehendem Vokal), -es, -eus durch bloßes -e auf, z. B. elaχśantre Alexandros, pecse Pegasos, amuce Amykos, parϑanapae Parthenopaios, menle Menelaos, amφtiare Amphiaraos: ziumiϑe Diomedes, pultuke Polydeukes, hercle Herakles; tute Tydeus, perse oder φerse Perseus, pele Peleus usw. Es darf also diese stumpfe Endung im Gegensatz zum griechisch-lateinischen Vollklang als eine spezifisch etruskische Eigentümlichkeit des Maskulinums gelten. Von vielen Konsequenzen dieser Erkenntnis will ich hier nur zwei Einzelheiten [789] anführen. Es leuchtet erstens ein, was mich berechtigte, acale der Agramer Binden mit dem durch die Glossen überlieferten Monatsnamen Aclus zu identifizieren (Rh. Mus. LVI 638f.; vgl. o. unter δ aχle, ἀχαle). Zweitens ergibt sich, daß man mit Recht die etruskischen Vornamen aule oder avle, cae (caie), cneve, cuinte, marce den lateinischen Aulus, Gaius, Gnaivos, Quintus, Marcus gleichsetzt (Deecke Etr. Fo. III 58ff.), weshalb denn auch der Gedanke sich immer wieder aufdrängt, der Satiriker von Volaterrae, der so gern Etruskisches einmengt, könnte wirklich Aule Persius geheißen haben, da die Überlieferung der ,Probus‘vita ihn Aules nennt (Jahn Persius S. IV. M. Schmidt Ind. lect. Jen. 1877/8, 6. Schulze 134, 6).

§ 15. Ich habe hier außer den Spiegeln vereinzelt schon die Wandgemälde der Gräber angezogen; diese geben aber noch manches Weitere. So die berühmten Gemälde des Françoisgrabes in Vulci, über die, seit O. Jahn (Archäol. Ztg. 1862, 307ff.) ihren Zusammenhang mit der etruskischen Mastarnalegende (Kaiser Claudius im CIL XIII 1668)[5] erkannte, viel geschrieben worden ist (s. Brunn Kl. Schr. I 170ff. G. Körte Archäol. Jahrb. XII 57ff. Münzer Rh. Mus. LIII 596ff). Ich will auf die Fragen etrusko-römischer Mythologie oder Geschichte, die sich an diese Darstellungen knüpfen, natürlich hier nicht eingehen; es genügt mir, auf einiges von dem sprachlichen Gewinne hinzuweisen, das man (trotz Münzer) als sicher ansehen darf. Macstrna (der Mastarna des Claudius, vgl. § 14 γ und δ) befreit caile vipinas (den Claudius Caelius Vivenna nennt, andere Vibenna; Schulze 101f.; § 14 α und ε), wobei überwältigt werden cneve tarχu rumaχ und noch drei andere Männer, die zu ihrem Praenomen und Gentile ebenfalls einen Namen auf -aχ tragen (z. B. velznaχ svetimaχ). Daß die Worte auf die Herkunft bezeichnen, wird sich nicht bezweifeln lassen: rumaχ ist Romanus, velxnaχ Volsiniensis (Schulze 566). Mehr gibt sprachlich die Seite des Françoisgrabes aus, die Darstellungen aus der griechischen Mythologie enthält; außer Heroennamen, die schon früher verwertet sind, erscheint truials als Beischrift bei den einzelnen Troianern, die Achilles als Totenopfer für Patroklos niederstößt, und hinϑial patrucles bei einer zuschauenden jugendlichen Gestalt, die man nur als das εἰδωλον oder die ψυχή des Patroklos (Il. XXIII 65. 174ff.) verstehen kann. Das Plus, das patrucles gegenüber dem nach § 14 zu erwartenden Nominativ patrucle aufweist, muß also wohl Genetivendung und hindial eben ψυχή oder εἰδωλον sein. Dies bestätigt ein Spiegel (II 240 = Gerhard Akad. Abhd. Taf. XXXIX 1), auf dem bei der νεκυομαντεία des Odysseus [uϑuze] das hinϑial terasiaś = ψυχὴ Θηβαίου Τειρεσίαο (Od. XI 90) erscheint (weiteres über hinϑial bei Pauli Etr. Stu. III 28ff.). Diesen Wandgemälden schließe ich beispielshalber noch die der tomba degli auguri von Corneto an, deren Darstellungen wahrscheinlich machen, daß φersu ,der Maskierte‘, ,die Maske‘ heißt, und auf diesem Wege lat. persona aufklären (s. o. S. 775).

§ 16. An die Beischriften zu Bildern schließe ich die Aufschriften auf Objekten, die ihre Aufschrift gewissermaßen selbst erklären. Die berühmten [790] zwei Würfel von Toscanella (Fa. 2552) tragen übereinstimmend auf jeder Fläche ein einsilbiges Wort. Corssen hat es fertig gebracht, in den sechs Silben eine Weihinschrift des Verfertigers der armseligen Gegenstände zu sehen; sonst hat niemand gezweifelt, daß wir hier die Zahlen von 1 bis 6 vor uns haben, was dann Deecke (Kritik) durch den Vergleich mit den Altersangaben der Grabinschriften zu absoluter Sicherheit erhob (s. u. §§ 36ff.). Nehmen wir an, daß von der Inschrift der Goldspange Fa. 806 (abgebildet auf der Tafel vor Marthas Art étrusque) mi araϑia velavesnaś zamaϑiman die ersten drei Worte gedeutet sind als besitzanzeigendes Fürwort mit folgendem Genetiv eines weiblichen Doppelnamens, so liegt es nahe, zamaϑiman etwa als fibula oder fibula aurea zu fassen, namentlich wenn man bedenkt 1) daß zam. sich nur hier findet, während andere Eigentum u. dgl. ausdrückende Worte (insbes. śuϑina) öfters auf verschiedenerlei Gegenständen vorkommen (Pauli Etr. Stu. III 37ff.), 2) daß griechische und römische Instrumentuminschriften oft genau entsprechende Form zeigen: ταταιες eμι λεqυϑος u. dgl.

2) § 17. Von den Bilinguen hofft man seit langem die Lösung des etruskischen Sprachrätsels, nicht von denen, die wir haben, sondern von denen, die wir vielleicht noch finden können. Mir scheinen gerade diejenigen, die wir haben, die Hoffnung sehr herabzudrücken. Wie schon gesagt, sind sie sämtlich ganz kurz, enthalten kaum etwas außer Namen, und ich zweifle, ob es jemals andere Bilinguen gegeben hat. Man beruft sich wohl auf die Fragmente einer Bronzetafel CIE 3230 = CIL XI 2091[6] (I 209),[7] die auf der einen Seite ein lateinisches Gesetz etwa der sullanischen Zeit, auf der andern etruskischen Text trug (heute sind auch die Fragmente verloren). Aber hier haben etruskischer und lateinischer Text wahrscheinlich so viel und so wenig miteinander zu tun gehabt, wie der oskische und der lateinische auf der Tafel von Bantia; es widerstrebt dem Wesen der an die Wand genagelten Bronzetafel, daß Vorder- und Rückseite korrespondierenden Text enthalten. Vielmehr handelt es sich in solchem Falle um abermalige Benützung einer Bronzetafel, deren Vorderseite das Interesse verloren hatte. Immerhin wird auch der Fund kurzer Bilinguen willkommen sein; denn einiges haben auch die bisher bekannten (etwa 30) schon gelehrt (Sonderausgabe von Deecke Etr. Fo. und Stu. V). § 18. Das Interessanteste ist zweifellos die Entsprechung netśvis trutnvt frontac = haruspex fulguriator auf nr. 3 Deecke = CIL XI 6363[3] mit dem auffälligen, aber gerade in der Gegend von Pesaro schon Jahrhunderte vorher einmal belegten o, vgl. o. § 8 a; nur können wir leider nicht angeben, wie sich die drei etruskischen Worte inhaltlich und formal zu den zwei lateinischen verhalten und sehen uns also im Grunde doch nicht sehr gefördert; s. den Versuch von Thulin Die etrusk. Disciplin I 55f. § 19. Dagegen verdanken wir nr. 1 D. = CIE 3763 = CIL XI 1963[8] p. volumnius a. f. violens | cafatia. natus = pup velimna au cahatial die freilich auch auf anderem Wege zu gewinnende Erkenntnis, daß -al Genetivendung ist (f: h ist eine vielfach zu belegende Alternation im Etruskischen, [791] vgl. z. B. hastntru CIE 945 fastntru 946f.; fulu hulu, lat. Hollon .. 3055ff. Müller-Deecke II 422. Schulze 161. 165. 272). Ein zweites Beispiel für diese Bedeutung des Suffixes -al gibt die Bilingue 14 D. = CIE 1671 = CIL XI 2260.[9] Zur Form vgl. z. B. CIL XI 2165[10] Vel Spedo Caesiae und zum Mutternamen überhaupt § 8. § 20. Wenn in diesen Fällen der Vater- (und Mutter-)name wie im Griechischen und Oskisch-Umbrischen einfach als Genetiv erschien, so lehrt die veränderte Ausdrucksweise von 13 D. = CIE 378 = CIL XI 1855[11] uns das etruskische Wort für ,Sohn‘ kennen. Denn es könnte vielleicht zunächst möglich scheinen, als ob in den Worten v. cazi c. clan C. Cassius C. f. Saturninus das Wort clan bloßes Cognomen sei, dem lateinischen Saturninus so ungenau entsprechend wie hier und oft (Deecke Fo. u. Stu. V 52ff.) das etruskische Praenomen dem lateinischen. Aber die sich von vornherein darbietende andere Möglichkeit, daß clan = lat. filius, bestätigt sich aufs sicherste durch einsprachige Inschriften, von denen bald die Rede sein wird. Beachte auch CIE 714f. = CIL XI 2166f.[12] (I 1359)[13] ar(nϑ) spedo thocerual clan (lat. Schrift) Vel Spedo Thoceronia natus, offenbar Inschriften von Brüdern. § 21. Endlich ergibt nr. 8 D. = CIE 3692 = CIL XI 1990[14] L. Scarpus Scarpiae l. Tucipa larnϑ scarpal lautni, daß lautni = libertus (womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß rechtliche und soziale Stellung der lautni und liberti sich genau gleich gewesen wären; vgl. Pauli Etr. Fo. II, Fo. und Stu. I). Die Bestätigung gibt 10 D. = CIE 1288 = CIL XI 2203[15] leucle φisis lavtni (u und υ wechseln im Etruskischen oft; Müller-Deecke II 384ff.) L. Phisius l. Leucle (das Cognomen ist unsicher). Da φisis wohl von lautni abhängiger Genetiv sein wird, wie in der vorigen Inschrift scarpal, so ist s entsprechend früher Gesagtem (patrucles: patrucle § 15) als Genetivsuffix abzuscheiden: der Freilasser hieß φisi.

3) Der ergiebigste Weg zum Verständnis der etruskischen Inschriften aber bleibt die Kombination, die freilich nicht gerade immer einfach ist und oft nur relative Sicherheit gewährt. Ich gebe hier, allermeist nach Deecke und Pauli, eine größere Reihe von Beispielen, von den einfachsten ausgehend, zu schwierigeren aufsteigend, so daß eins sich auf dem andern aufbaut.

§ 22. CIE 2653 (Aschenkiste von Clusium) seϑre pusca seϑreś. 3994 (Aschenkiste von Perusia) seϑre casni caial. Offenbar liegt beidemal der Name des Verstorbenen vor; seϑre erweist sich (wie es noch oft belegt ist) als Vorname sowohl dadurch, daß es in beiden Inschriften zu Beginn, als dadurch, daß es in der ersten als Vatersname erscheint. Denn daß wir hier wirklich wieder das Genetivsuffix s vor uns haben (nur landschaftlich zu ś differenziert, s. § 8), das zeigt der Parallelismus mit caial der zweiten Inschrift, das offenbar der Genetiv auf -al von dem oben § 14 a. E. besprochenen Vornamen cae caie = lat. Gaius ist; seϑre selbst zeigt wieder die charakteristische Maskulinendung e (§ 14 ε), § 23. Durch die Erkenntnis der Genetivsuffixe ermöglicht sich ohne weiteres das Verständnis einer sehr häufig auf den verschiedensten Objekten, [792] Gräbern, Aschenurnen, Spiegeln, Gefäßen u. dgl. vorkommenden Formel, in der vor deutlichen Genetiven das Wort mi erscheint (Zusammenstellung bei Pauli Etr. Fo. III 8ff.), z. B. mi fuluial Schale Fa. 354, milauχusies latinies Grab Fa. III 303, minumusieś śemuśaϑniś Urne CIE 423. mi ist offenbar besitzanzeigend; darauf folgt im ersten Fall der Genetiv des in § 19 belegten Gentilnamens (und zwar, wie sich nachher in § 27 noch herausstellen wird, seiner weiblichen Form fului), im zweiten und dritten Fall der s-Genetiv eines zweiteiligen männlichen Namens, der wieder dreimal im Nominativ die Endung e hat; numusie hat Deecke (Fo. III 268) bereits mit dem oskischen Praenomen niumsis, lat. Numerius verglichen, was durch die pränestinische Spange mit Manios med fefaked Numasioi nur bestätigt worden ist. Die genaue Bedeutung von mi anzugeben ist nicht ebenso leicht. Die Indogermanisierer haben gern an bekannte griechisch-lateinische Besitzinschriften erinnert, auf denen der Gegenstand spricht: Κρεοντίδα ἐμί, Philerotis sum, osk. herentateís som u. dgl., und das mi als εἰμί gedeutet. Ich will hier nicht auf andere etruskische Inschriften eingehen, die diese Interpretation auszuschließen scheinen, sondern nur auf das neuerdings entdeckte indogermanische Wortstellungsgesetz verweisen, das die Identifizierung unmöglich macht (Wackernagel Idg. Forsch. I 432): sum εἰμί muß die zweite Satzstelle haben, und wenn also mi wirklich die Bedeutung von εἰμί hätte, dann wäre das Etruskische nur um so gewisser unindogermanisch. mi muß etwas wie ein Demonstrativpronomen, etwa hoc, sein; wir werden es nachher auch als Akkusativ fungiren sehen, was dann gleichzeitig auch die Deutung ego ausschließt, während me wiederum zu den Inschriften wie mi fuluial nicht passen würde. § 24. Unter den weiblichen Vornamen ist der besonders häufig belegt, den wir aus der römischen Überlieferung in der Form Tanaquil (vgl. § 6 zu Anfang) kennen; Belege für seine verschiedenen Gestalten habe ich bereits in § 14 δ gegeben; für ϑαηχνίl ist nach § 14 β auch ϑancvil möglich. So steht auf einer Aschenurne von Clusium CIE 1773 ϑαηχνil arntnei, also offenbar ein weiblicher Name aus Praenomen und Gentile bestehend (andere Belege bei Deecke Fo. III 156ff.). Lesen wir nun auf dem Spiegel Gerhard I 413 die Aufschrift miϑancvilusfulnial, so haben wir wieder die Formel von § 23 vor uns ,dies (ist) der Tanaquil Fulni‘, und es ergibt sich, daß am konsonantischen Stamme statt des Genetiv-s die vollere Form -us eintritt. Vgl. Fa. I 391 cutneal ϑnχvilus mit umgekehrter Stellung von Praenomen und Gentile.

§ 25. Auf Grabschriften gehört neben Namen, Verwandtschaftsbezeichnung und Stand die Altersangabe, annorum VI oder vixit annos XX und dgl. Wenn daher auf den etruskischen Inschriften an entsprechender Stelle überaus oft avils mit folgendem Zahlzeichen erscheint (bisweilen verbunden mit lupu und ähnlichen Worten; Zusammenstellungen bei Pauli Fo. und Stu. III 92ff.), so ist die Vermutung gegeben, daß wir in avils das etruskische Wort für ,Jahr(e)‘ vor uns haben; über die Morphologie des Wortes ist damit nichts ausgesagt, so nahe es beim Vergleich [793] mit anderweitigem avil liegt, in s wieder den Genetivexponenten (avils = annorum) zu sehen. Die neben dieser Deutung zunächst noch zuzulassende Möglichkeit, daß avils = aetatis oder dgl. sei, wird ausgeschlossen durch die auch in anderer Hinsicht weiterführende Inschrift der Aschenurne Fa. 2119, wo nach dem Namen des Verstorbenen avils XX tivrs śas erscheint. śa ist als Einerzahl von den Würfeln her bekannt. Für tivrs bleiben demnach nur zwei Möglichkeiten. Entweder es ist verbindende Partikel im Sinn von ,und‘ – oder es heißt ,Monate‘, bezw. ,Tage‘. Man kann die erstere Deutung ohne weiteres bei seite schieben, denn tivrs zeigt dieselbe Endung wie avils und śas, und es ist nicht wahrscheinlich, daß die Zahlangabe bei avils aus Ziffer und Zahlwort gemischt sein sollte. Aber auch die Deutung ,Tage‘ läßt sich mit Sicherheit ausschließen, sowie man sich an die Rückseite der Bronzeleber (§ 12, 6) erinnert. Deren beide Hälften waren bezeichnet als usils ,Solis‘ und tivs, also ,Lunae‘. Dadurch ist der Sinn ,Monate‘ für tivrs sichergestellt (vgl. Deecke Fo. IV 8). Wie s Genetivsuffix, wird das vorausgehende r in tivrs Pluralsuffix = ar sein (§ 31 a). Bedenkt man weiter, daß v und u miteinander wechseln (§ 21), so erklärt sich die in den Binden öfters vorkommende Reihe tinśi, tiurim, avils wohl als Tage, Monate, Jahre; der Gott tinś, den die Spiegel als Iuppiter zu erklären veranlassen (§ 14 zu Anfang), ist Diespiter.

§ 26. Wir wenden uns nunmehr den zusammengehörigen Inschriften aus Familiengräbern zu. Ich stelle voran zwei von den aleϑnas-Sarkophagen (§ 11, 5 b):

a) Fa. 2057 (weitere Literatur bei Deecke Fo. und Stu. VI 14f.): av[le ale]ϑnas [a]rnϑal clan ϑanχvilusc ruvfial usw.

b) Fa. 2058 (III 332) larϑ aleϑnas arnϑal ruvfiale clan avils LX lupuce usw.

aleϑnas erweist sich als Gentilname dadurch, daß es auf allen Grabschriften männlicher Personen innerhalb dieser Gruft wiederkehrt in Verbindung mit dem Vornamen. aule oder avle ist als solcher bekannt (§ 14 a. E.; vgl. die Bilingue in § 19), aber auch larϑ findet sich sehr häufig in der Position des Praenomens und ist offenbar der in der römischen Überlieferung (z. B. bei Porsena und Tolumnius, vgl. § 6 zu Anfang) als Lars, Lartis erscheinende Name (Deecke Fo. III 187ff.). Wir erkennen weiter das Patronymicum, dargestellt durch clan ,Sohn‘ (§ 20), und den dabei stehenden Genetiv (§ 22) arnϑal. Dieser Genetiv gehört offenbar zu dem Vornamen arnϑ, der auf den etruskischen Inschriften oftmals als erster Bestandteil mehrgliedriger Namen erscheint, auch in vollerer Form mit Anaptyxe (§ 14 δ) als arunϑ (Deecke Fo. III 35ff.); es ist das aus der lateinischen Überlieferung als Arruns (z. B. Liv. I 56. II 6) bekannte Praenomen, das den Römern offenbar als ebenso typisch für den E. erscheint, wie uns etwa Iwan für den Russen (vgl. z. B. Lucan. I 584ff.). Aber nach dieser vergleichenden Analyse beider Inschriften behalten wir noch die Worte ϑanχvilusc ruvfial in der einen, ruvfialc in der andern übrig. Hier zeigt sich zunächst, daß -c ein bewegliches Affix ist; denn wie es in ruvfialc als Zusatz gegenüber [794] ruvfial erscheint, so in ϑanχvilusc gegenüber dem früher (§ 24) erklärten ϑanχvilus. Wir behalten nach Abstreichen des -c die reinen Genetivendungen -us und -al übrig, und es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Inschriften nach etruskischer Sitte (§ 8) neben dem Vaternamen den Mutternamen nennen; ϑanχvilus ist ja, wie früher (§ 24) gezeigt, Genetiv von Tanaquil. Die Mutter muß nach allem ϑanχvil ruvfi geheißen haben und -c dem Sinne nach vollkommen = lat. que gewesen sein. Diese Schlüsse finden vollste Bestätigung zunächst durch c) eine weitere Inschrift des aleϑnas-Grabes (Fa. 2069) ϑanχvil ruvfi puia arnϑal aleϑnas; es ist offenbar die Grabschrift der Mutter selbst, die wir hier haben. Dazu stimmt, daß sie in a und b als Gattin eines arnϑ aleϑnas erschien, denn es liegt auf der Hand, daß sie in c als puia eines arnϑ aleϑnas, d. h. offenbar eben als seine ,Frau‘ bezeichnet ist. Und sofort bestätigen nun zwei Deckelinschriften von Clusium und Pienza (CIE 2727 und 1121) auch die Deutung von -c als ,und‘: vel seϑre puiac und arnϑ caeś aneś ca[inal] clan puiac besagen offenbar, daß diese Urnen ,Vel Seϑre und Frau‘ und ,Arnϑ Sohn des Gaius Ane ... und Frau‘ enthalten. In den Mumienbinden ist die Partikel -c jetzt allenthalben zu greifen (z. B. in śpureśtreśc neben śpureśtreś und in śacnicśtreś cilϑś śpureśtreśc enaś; in meleri sveleric, śpureri meϑlumeric u. dgl.). § 27. Ein weiteres Verwandtschaftswort und einige weitere Flexionsformen, darunter eine der für das Etruskische bezeichnendsten, lehren sodann Fa. I 437 und 438, Sarkophaginschriften aus dem Grab der Cuclnie in Tarquinii:

a) 437 larϑi einanei śeϑres sec ramϑas ecnatial puia larϑl cuclnies velϑuruśla avils huϑs celχls ;

b) 438 lartiu (eine Art deminutivische Nebenform zu larϑ) cuclnies larϑal clan larϑialceinanal. Da die in a genannte Person als puia bezeichnet ist, so ist sie weiblich gewesen. Wir erkennen also in larϑi das dem Maskulinum larϑ entsprechende weibliche Pränomen; -i ist femininbildendes Suffix (vgl. fem. fului, mask. fulu § 23). Wir dürfen dasselbe sogleich, mit der maskulinen Endung -a oder -e zum Diphthong verschmolzen, in einanei vermuten (vgl. § 14 ε) und darin den Gentilnamen unserer larϑi sehen, was sich durch b bestätigt: hier ist von einem cuclnies die Rede, der Sohn eines Larϑ und eben jener Larϑi Einanei ist, denn offenbar ist in b hinter clan zu trennen larϑial-c einanal. Einanei ist also die Gattin eines Larϑ Cuclnie(s) gewesen, und tatsächlich lesen wir ja in a puia larϑl (= larϑal, § 14 δ) cuclnies. Die Frage ist nun, wovon die übrigen Genetive abhängen, die a zeigt, nämlich śeϑres, das vom männlichen Vornamen seϑre, und ramϑaś ecnatial, das von einem weiblichen Namen ramϑa ecnati herkommt (ramϑa häufiger weiblicher Vorname, Deecke Fo. III 290ff.; ecnati = lat. Egnatia Schulze 187f.). Die Vereinigung von männlichem und weiblichem Genetiv zeigt, daß wir es wieder mit der Vereinigung von Vater- und Mutternamen zu tun haben; die notwendige Folge ist, daß sec ,Tochter‘ heißt und jene Genetive regiert. Aber die Inschrift a enthält nun (außer der Altersangabe am Schluße) [795] noch eine Flexionsform eines Vornamens; denn offenbar geht velϑuruśla auf das oft belegte männliche Pränomen velϑur (Deecke Fo. III 122ff.) zurück, von dem wir auch den nach § 24 gebildeten Genetiv velϑurus kennen (so z. B. aus dem Grabe der Familie Vipinanas in Tuscania Fa. 2117 vipinanas velϑur velϑurus avils XV). Es bedarf nur kurzer Überlegung, um sich klar zu werden, daß velϑuruśla nur das zu larϑl cuclnies gehörige Patronymicum sein kann. Wir müssen dann den Schluß ziehen, daß, wenn ein Name wie larϑ cuclnie(s) velϑurus ,L. Cuclnie Sohn des Velϑur‘ in den Genetiv tritt, der bereits darin steckende patronymische Genetiv gewissermaßen ins Quadrat erhoben wird: velϑuruśla ist ein Genetivus genetivi. § 28. Das letzte Ergebnis, besonders wichtig zur Beurteilung der etruskischen Morphologie, findet seine Bestätigung durch eine Anzahl ähnlicher Formen. So ist deutlich die Sarkophaginschrift von Tarquinii Fa. II 107 pumpui larϑi puia larϑai clevsinas avleśla seχ sentinal danχvilus d. h. ,Larϑi Pumpui (Feminin des Gentils pumpu § § 11, 3 u. 27), Gattin des Larϑ Clevsina des Sohnes des Aulus (§§ 14 ε u. 22), Tochter (seχ = sec §§ 27 u. 14 β) der ϑanχvil Sentinei‘; der in der Inschrift desselben Grabes Fa. II 112 genannte velϑur larϑai clan pumpual clan larϑial ist offenbar ein Sohn jener Larϑi Pumpui. Vgl. ferner z. B. Fa. I 430 (Grab der Velχa, tomba degli scudi, in Tarquinii) larϑi velϑurus seχ veluśla (Genetivus Genetivi vom Pränomen vel, Genet, velus Deecke Fo. III 107). Während nun in den bisherigen Fällen sich durch Antritt von -la an den s-Genetiv ein Suffixkomplex uśla oder eśla bildet, tritt an die Genetive auf -al nicht einfaches -la, sondern iśla an, so daß die volle Endung des potenzierten Genetivs -aliśla lautet. Siehe z. B. den Sarkophag von Tarquinii Müller-Deecke II 496 trepi ϑanχvil ripenas arnϑal arnϑialiśla puia ,Tanaquil Trebia Frau des Arnϑ’ Vipena des Sohnes des Arnϑ‘, wozu nur etwa noch zu bemerken, daß auch neben dem einfachen Genetiv arnϑal als Nebenform arnϑial erscheint (Pauli Etr. Stu. II; Fo. u. Stu. I 69ff.). Die weiteren Belege des Genetivus genetivi zuletzt bei Deecke Fo. u. Stu. V 73ff.; nur in einem bisher unaufgeklärten Falle erscheint -alisla in einfach genetivischer Bedeutung (Bilingue 19 D. = CIE 890 = CIL XI 2299[16] arϑ canzna varnalisla C. Caesius C. f. Varia nat(us); vgl. auch 16 D. = CIE 1437 = CIL XI 2196).[17] § 28 A. Von dem Genetivus genetivi ist scharf zu scheiden eine äußerlich einigermaßen ähnliche Form, der nur das l vor dem schließenden -a fehlt und die, genau wie -eśla -uśla und -aliśla, einerseits mit den Genetiven auf -s andererseits mit denen auf -al korrespondiert. Ein paar einfache Beispiele aus der großen Zahl sind: a) CIE 684 aule amφare aulesa: 847 l(ar)ϑ canzna velϑurusa; 1717 aule ane velusa: 949 ϑan(a) marcnei cicusa d. i. ϑana oder ϑania (weibl. Vorname Deecke Fo. III 143ff.) aus dem Geschlecht marcna, Gattin des cicu, dessen Grabschrift wir 948 haben; 1404 ϑana vetia pumpnasa, die Gattin des punpana, dessen Grabschrift 1403 vorliegt, b) 893 vel herina larϑalisa; 2050 larϑ cupslna arnϑalisa (neben dem einfachen arnϑ cupslna arnϑal 2049, der gewiß ein Bruder von 2050 ist); 1159 ϑana arinei [796] perisalisa und 1162 ϑana arntnei perisalisa, Frauen aus den Geschlechtern *arina und *arntna, die in die Familie peris in Clusium hineingeheiratet haben und in der Gruft der peris (Dennis Cit. and Cem. II3 338) bestattet sind, vgl. 1164 ϑania seianti perisal mit der einfachen Genetivbildung. Die gegebenen Beispiele genügen, um klarzustellen, daß diese Formen funktionell auf der Stufe eines gewöhnlichen Genetivs stehen. Daher kann durch sie, ebenso wie durch die Genetive auf -s und -al, nicht minder gut der Vatersname als bei verheirateten Frauen der Mannesname ausgedrückt werden, und es war falsch, wenn K. O. Müller (Etrusker I¹ 436ff.) und andere die Endung -sa als ein spezifisches Suffix für Ehefrauennamen ansahen.

§ 29. Aus dem Gebiet des Nomens mögen noch zwei Dinge zugesetzt werden. Das erste: die Reihe der Verwandtschaftsnamen läßt sich über clan sec puia hinaus, allerdings nicht immer mit gleicher Sicherheit, vervollständigen. Herbig-Torp nr. 35 ist die Grabschrift einer nerinai ravnϑu (also einer Frau aus dem Geschlecht nerina), die ati (oder at) cravzaϑuras velϑurs lrϑalc (offenbar = velϑurus larϑalc), also ati von Velϑur und Larϑ Cravzaϑura genannt wird; hier drängt sich die von Herbig a. a. O. und von Torp (Etruscan Notes, Videnskabs Selskabets Skrifter II 1, Christiania 1905, 42f.) vorgeschlagene Deutung von ati ,Mutter‘ als fast unumgänglich auf. Der eigentümlich lange Gentilname der Söhne aber liefert einen neuen Anhalt für die Vermutung Schäfers (Altit. Stu. II 128ff.), daß in solchen schon früher mehrfach belegten Bildungen auf ϑura Komposita mit dem Verwandtschaftsnamen ϑura ,Bruder‘ zu erkennen seien: Velϑur und Larϑ wären dann in unserer Inschrift eigentlich als ,Brüder aus dem Geschlecht cravza‘ bezeichnet. Die Deutung von ϑura selbst aber erschließt Schäfer aus den Grabinschriften der Leinies in Volsinii (Fa. 2033 bis; berichtigt durch Deecke bei K. O. Müller II 302f. u. a.):

a) vel leinies larϑial dura arnϑialum clan velusum prumaϑś avils semφś (Einzahl über 6) lupuce.

b) vel leinies arnϑial dura larϑialiśa clan velusum neftś marnu usw. (Amtsbezeichnung, maro. vgl. § 30).

c) arnϑ leinies larϑial clan velusum neftś usw.

Wenn wir von der eigentümlichen Verlängerung der Genetive durch -um zunächst ganz absehen, so ist Arnϑ in c Sohn eines Larϑ und neftś eines Vel, der Knabe a aber Sohn eines Arnϑ und prumaϑś eines Vel. Hier liegt einmal wirklich die lateinische Analogie nicht bloß lautlich, sondern auch sachlich so nahe, daß man sie nicht übersehen darf: neftś muß = lat. nepos, nepot- sein und folglich prumaϑś jedenfalls = pronepos, pronepōt; wie die Stammtafel 1 Vel – 2 Larϑ – 3 Arnϑ – 4 Vel zeigen kann (vgl. die Reihe laris pulenas larces clan ... velϑurus neftś prumpts pules larisal Ga. 799). Die Entstehung von prumaϑś (prumts) aus pronepōt(s) macht keine Schwierigkeiten: in der nach § 14 γ synkopierten Form pron(e)p(o)ts ist Assimilation des Nasals an den Labial eingetreten (promts) und dann Anaptyxis (§ 14 δ) und Aspiration [797] (prumaϑś). Versucht man nun den Vel b, der Sohn eines Larϑ, Enkel eines Vel ist, in unsere Stammtafel einzupassen, so zeigt sich, daß er der Bruder von 3 Arnϑ sein muß, und dadurch wird Schäfers Deutung von ϑura, allerdings höchst wahrscheinlich, zumal (um von andern Vermutungen abzusehen) die Vorrechte des Erstgeborenen in Etrurien (Müller-Deecke I 377) die Nennung des Bruders unter den Verwandten an bevorzugter Stelle wohl erklären können. Larϑ, der Bruder von Vel in der Inschrift a ist uns sonst nicht bekannt. Diese Deutung des Kerns der drei Inschriften hat auch bereits über den Sinn der Anhängesilbe -um Klarheit geschaffen; sie ist nichts als eine verbindende Partikel, die den Sinn von lat. que und dem früher (§ 26) besprochenen etrusk. -c hat. Wir werden dies Anhängsel sofort auch in seiner postvokalischen Form -m kennen lernen; das u ist nur anaptyktisch (§ 14 3), und -um verhält sich zu -m etwa wie die Genetivendung -us (§ 24) zu -s. § 30. Das zweite, was wir über das Nomen noch zusetzen wollen, ist ein kurzer Hinweis auf die Beamtennamen. Nicht auf den Aschenurnen der kleinen Leute, sondern nur in den umfänglichen Inschriften vornehmer Gräber, nie hinter Frauennamen, erscheinen neben den Namen des Verstorbenen und der Angabe seines Alters wiederholt Worte und Wortgruppen, die nach Lage der Dinge nur Beamtennamen sein können (Sammlung der Inschriften von Deecke Fo. u. Stu. VII; vgl. Torp a. a. O. 20ff.). Dies wird dadurch bestätigt, daß mit diesen Namen öfters in besonderer Form die von den Würfeln her bekannten Einerzahlen verbunden sind, offenbar in multiplikativem Sinne, um anzugeben, wie oft der Verstorbene das betreffende Amt bekleidet hat (§ 36, 1). Ferner hängt maru (Nebenformen marnu, marunu, marunuχva; vgl. § 29 b) aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem umbrischen Beamtennamen maron- zusammen (Bücheler Umbr. 172). Neben maru ist am häufigsten und deutlichsten der in seinen Formen sehr variable Titel zilaϑ (zilat, zilaχ, zilχ, zilc usw.).

§ 31. Auf dem Gebiet des Verbums ist die sicherste und wichtigste Erkenntnis, daß es eine auf -ce schließende dritte Person Sing. Praeteriti gab. Diese Erkenntnis ist zwar zuerst auf indogermanisierendem Wege gefunden worden (vgl. § 1 über Lanzi), in Erinnerung an griechische Perfekte und Aoriste auf -κε; nichtsdestoweniger wird sie niemand bezweifeln, der etwa bei Pauli (Etr. Stu. III 66ff.) die Weiheformeln überblickt, in denen mit einem das Objekt bezeichnenden Pronomen (namentlich mi, § 23) oder Substantiv (auf Statuen und Statuetten häufig flereś, das daher wohl eben statua bedeutet) der Eigenname des Dedikanten und etwa noch ein Kasus eines Gottesnamens verbunden ist. In ganz ähnlichen Formeln findet sich tece, das demnach ebenfalls etwa statuit heißen muß (Pauli 72ff.). Um wenigstens ein Beispiel zu geben, führe ich die Inschrift der berühmten Statue des Arringatore im Florentiner etruskischen Museum an (CIE 4196): auleśi meleliś ve(lus) vesial clenśi cen flereś tece, worauf die uns unklare Angabe des Dedikanten (die Gemeindeversammlung??) folgt, cen ist wohl demonstrativ wie mi und der Sinn demnach: ,diese [798] Statue hat dem Aule Meteli, dem Sohn des Vel (und) der Vesia gesetzt ...‘ Wir lernen also hier zugleich eine Dativbildung kennen, die dadurch besonders merkwürdig ist, daß dabei im Stamm von clan ,Sohn‘ eine Art Umlaut eintritt, den wir übrigens ganz ähnlich auch im Genetiv finden (CIE 4050 fasti cvinti saleś clenś puia ,Fastia Quintia die Gattin des Sohnes Sale‘ ist die Frau von 4049 ar(nϑ) sale clan). § 31 A. Diesem Zusammenhang gliedern sich bequem drei in der Mitte längerer Grabschriften erscheinende Formeln ein: Fa. 2056 (Mann) clenar zal arce acnanasa, 2055 (Mann) clenar ci acnanasa, 2340 (Frau) ci clenar ... avence. Bei den Männern steht die Formel vor der Amtsbezeichnung (marunuχva, zilaχnu §§ 30, 33 a. E.), bei der Frau zwischen der sehr ausführlichen Angabe, wessen Tochter und Gattin sie war (vgl. § 32), und der Altersangabe. zal und ci kennen wir als Zahlen und zwar, wie sich mit Wahrscheinlichkeit ergeben wird, als Zahlen über 1 (§ 38 a); clen- haben wir eben (§ 31) als Flexionsumlaut von clan erwiesen; arce und avence sind deutlich charakterisierte 3. Pers. Sing. Praeteriti. Hiernach drängt sich die Deutung filios x habuit (genuit oder dgl.) für jene Formeln auf, auch für die, in der das ce-Präteritum fehlt und das im ersten Fall mit dem Präteritum verbundene acnanasa allein erscheint. Vgl. CIL I 1007[18] gnatos duos creavit, V 5337 duos nutricavi. Das so gewonnene Pluralsuffix -ar scheint Bestätigung durch die in § 6 unter αἰσοί angeführte Anekdote zu finden: vom Worte CAISAR wird das C abgeschlagen, daraus schließt man, nach hundert Tagen futurum ut Caesar inter deos referretur; im folgenden referiert Sueton ungenau. Vgl. auch tivrs ,der Monate‘ gegenüber tivs ,des Mondes‘ § 25. § 32. Von weiteren Präterita auf -ce, die man z. B. bei Torp (Etr. Beitr. I 7f.) überblicken kann, ist besonders merkwürdig amce. Dies findet sich in der Inschrift Fa. 2340 von der Wand einer Grabkammer in Tarquinii ramϑa matulnei seχ marces matulnal puiam amce śeϑres ceisinies usw., sowie in einer Reihe von Fällen mit den Beamtennamen auf Grabinschriften verbunden (z. B. Fa. I 399 zilaϑ amce). Der Sinn muß hiernach fuit sein (vgl. noch Fa. 2104 avils śas amce uples ,war x Jahre ... ‘). In der Grabschrift der Ramϑa Matulnei zerlegt sich puiam in das uns bekannte puia und Affix -m; es ist die bereits oben (§ 29) uns in ihrer postkonsonantischen Form bekannt gewordene Partikel, die ,und‘ bedeutet, und das Ganze läßt sich übersetzen: ,Ramϑa Matulnei ist die Tochter des Marce Matulna und die Gattin des śeϑre Ceisinie gewesen‘. § 33. Findet sich die Altersangabe ,avils so und so viel‘ häufig mit den Formen svalce oder lupuce verbunden (avils LX lupuce Fa. III 332, svalce avil LXVI Fa. II 117 und viel dgl. bei Pauli Fo. u. Stu. III 92ff.), so wird jetzt keinem Zweifel mehr unterliegen, daß diese Formen ziemlich genau dem lateinischen ,vixit (annos so und so viel)‘ entsprechen müssen. Und wenn statt der einfachen Amtsangabe zilaϑ oder der volleren zilaϑ amce ,er war zilad‘ öfters auch zilaχce oder zil(a)χn(u)ce eintritt (Belege Torp Etruscan Notes 20ff.), so wird man auch hier nicht zögern, die dritte Singularis Präteriti sozusagen eines Denominativums von zilaϑ oder [799] zilaχ anzuerkennen. Von hier aus aber ergibt sich eine merkwürdige Folgerung: es kann in den letztgenannten Formen das -ce auch fehlen, ohne daß eine Bedeutungsänderung einträte. So gut wie avils x lupuce oder lupuce avils x schrieb man auch avils XXXVI lupu- (Fa. 2100) oder lupu avils XVII (z. B. Fa. 2136); so gut wie zilaχnuce sagt man auch zilaχnu (Fa. III 327). Und wenn in der Grabschrift der Ramϑa Matulnei nach den in § 32 zitierten Worten (puiam amce śeϑres ceisinies ,und war die Gattin des seϑre Ceisinie‘) fortgefahren wird: ... ,lupum avils so und so viel‘, so haben wir offenbar auch hier die kürzere Präteritalform lupu, der sich wie vorher dem Worte puia die Partikel -m (§ 32) angehängt hat; der Sinn ist: ,und hat gelebt so und so viel Jahre‘. § 34. Von hier aus hat Pauli a. a. O. sehr scharfsinnig weitere Perspektiven für die Morphologie des etruskischen Verbums eröffnet, die mir auch nach dem Widerlegungsversuch durch Torp (Beitr. I) sehr beachtenswert scheinen (vgl. Herbig Berl. phil. Woch. 1903, 147f., der sich in ähnlichem Sinne wie ich ausspricht). Aber um mich nicht in das Gebiet von Hypothesen zu verlieren, die im besten Fall nur eben als wahrscheinlich gelten können, hebe ich nur noch eins heraus, was mir sicher scheint, die Existenz von weiteren Formen der 3. Sing. Präteriti, deren gemeinsamer Ausgang -ne ist. Statt avils x lupuce findet sich auch ril x leine (Belege Pauli Fo. u. Stu. III 99) und entsprechend dem avils x ohne lupuce auch ril x ohne leine. Auch leine scheint also die Bedeutung etwa von vixit zu haben. Dem leine gesellt sich line aus den drei Inschriften von Aschenkisten CIE 181 larϑ vete arnϑalisa ϑui larϑ vete line, 191 vel vete larisalisa larϑ vete line, 198 larϑia śrutznei natisal puia ϑaura clan line. Die meisten Bestandteile dieser Inschriften sind schon besprochen; ϑui der ersten, das sich häufig neben dem Namen auf Ossuarien und Sarkophagen findet, bedeutet etwa hic (cubat) (vgl. Pauli Etr. Stu. III 117ff.). In allen drei Fällen ist offenbar zunächst der Verstorbene mit Vaters- bzw. Gattennamen (natisal puia ,Gattin des natis‘) genannt. Was soll dahinter die Nennung einer andern Person und zwar in der dritten Inschrift des Sohnes, in der ersten und zweiten jedenfalls die eines Blutsverwandten? Auch hier zwingt sich, denke ich, die Lösung auf; es ist der genannt, der die Aschenurne ,gestiftet‘ hat, und diesen Sinn etwa muß line haben, ähnlich dem fecit Procula uxor bei Dessau Inscr. 7906. Mart. IX 15. Ganz entsprechend wird man CIE 195 auffassen dürfen (Ossuarium desselben Grabes wie 181 und 191) mi murs arnϑal veteś nufreś laris vete mulune laϑia petruni mulune ,dieses Ossuarium des Arnϑ Vete Nufre stiftete Laris Vete, stiftete Larϑia Petruni‘ d. h. Vater und Mutter (oder Sohn und Gattin). Auch die Endung -ne scheint nur fakultativ angetreten zu sein, denn neben mulune findet sich auch bloßes mulu, das in seiner Gestalt lebhaft an lupu erinnert (Torp Beitr. Zweite Reihe I, Videnskabs-Selskabets Skrifter II. Hist.-Fil. Kl., Christiania 1906 nr. 3, 19).

§ 35. Ich komme endlich zu den Zahlwörtern, um deren Deutung man sich besonders heiß bemüht hat, weil damit über das Verwandtschaftsverhältnis [800] des Etruskischen wenigstens im negativen Sinne am leichtesten entschieden werden könnte. Von ernsthaft zu nehmender neuerer Literatur über diesen Teil der etruskischen Sprachfrage nenne ich Deecke Bezz. Beitr. I 257ff. (dazu in krassestem Gegensatz die Absurditäten im Vorwort zu Fo. u. Stu. VI). Pauli Fo. u. Stu. III. Skutsch Indog. Forsch. V 256ff. (vgl. die Auseinandersetzung mit Lattes Indog. Anzeiger V 285ff.); Rh. Mus. LVI 638ff. (dazu Lattes ebd. LVII 318ff.). Thomsen Remarques etc. (s. o. § 4). Torp Beitr. I 64ff.; Etrusk. Monatsdaten (o. § 7). Cortsen Nordisk Tidskrift f. Filol. 1904, 63f. Nichts liegt mir ferner als hier eine Epikrise sämtlicher Hypothesen zu geben; es ist mir im wesentlichen nur darum zu tun, den Tatbestand darzulegen.

§ 36. Die Formen. Ausgangspunkt sind die zwei Würfel (§ 16), die die Zahlwörter von 1 bis 6 liefern, natürlich ohne daß deren Abfolge klar wäre. Es stehen einander auf den Würfelflächen gegenüber maχ zal, ϑu huϑ, ci śa. Der Zahlcharakter dieser einsilbigen Worte wird dadurch bestätigt, daß sich 1) ein Teil von ihnen mit der Endung -z oder -zi und einigen lautlichen Variationen bei Beamtennamen findet, offenbar um auszudrücken, wie oft der Verstorbene das betreffende Amt bekleidet hat, 2) daß sich bei den Altersangaben der Grabschriften neben den von den Würfeln bekannten Formen dieselben Worte um eine Anhängesilbe verlängert finden, deren charakteristischer Bestandteil –alχ ist; dies sind offenbar die Zehnerzahlen. Von den Formen der ersten Reihe ist belegt cizi Fa. 2339, ϑunz Fa. I 387, eslz Fa. 2335 a und III 329, das letzte zu zal gehörig, von dem sich auch eine die gleiche lautliche Erscheinung zeigende Nebenform eslem auf den Agramer Binden und bei Ga. 658 findet. Von Formen der zweiten Reihe kennen wir das offenbar von dem Einer ci abgeleitete cealχ- oder celχ- (cealχls Fa. 2108. II 112; celχls I 437; celc Herbig-Torp nr. 56 S. 515: cialχuś cealχuz u. a. die Mumienbinden) und dürfen sialχv(e)iz der lemnischen Inschrift (§ 10) vielleicht zu śa stellen, was mir besser scheint als Identifizierung mit cealχuz. zal sondert sich auch hier von den übrigen, indem es seinen Zehner nicht mit -alχ; sondern in eigentümlicher Weise als zaϑrum bildet (öfters auf Inschriften Pauli Fo. und Stu. III 9 und auf den Binden). Wie die Zahlen von 1–6 lassen sich auch die von 7–9 zunächst nur ohne Rücksicht auf ihre Reihenfolge bestimmen. Die Zehner semφalχls Fa. 2070, cezpalχals Fa. I 387 (u. ö., Pauli 8), muvalls Fa. 2335 (zweimal) lehren drei Einerzahlen kennen, die nicht auf den Würfeln stehen. Eine von diesen ist Fa. 2033 in der Wendung avils semφś lupuce belegt, eine zweite als Multiplikativum in der Amtsbezeichnung zilχnu cezpz' Fa. I 387. Für muvalχl (Nebenform mealχl? Fa. 2340) läßt sich zwar der Einer bisher nicht belegen, doch wird mir dadurch die Annahme nicht glaublicher, daß es als Zehner zu maχ gehöre. Mancherlei Nebenformen der hier aufgeführten Zahlen haben jetzt die Herbig-Torpschen Inschriften geliefert, ohne daß man zu sicherem Verständnis ihrer Bildung käme oder auch nur in der Bestimmung der Zahlenwerte durch sie gefördert würde.

[801]

§ 37. Voraussetzungen der Deutung. Wenn ich die ersten sechs Zahlen oben in der Reihenfolge gab, wie sie sich auf den Würfeln gegenüberstehen, so geschah es, weil diese Anordnung der Interpretation Schranken setzt und Richtung gibt. Es darf nämlich bei etruskischen Würfeln überhaupt nur mit zwei Zahlenstellungen gerechnet werden: entweder die Gegenseiten ergänzen sich wie auf unseren Würfeln zu 7 (ἐξ ἐν, πέντε δύο, τρία, τέσσαρα κῦβος ἐλαύνει Anth. Pal. XIV 8) oder die Zahlen stehen einander in ihrer natürlichen Reihenfolge gegenüber (1:2, 3:4, 5:6). Ich kenne die etruskischen Würfel einer ganzen Anzahl von Museen, in Italien und anderwärts (Indog. Forsch. V 266), und habe nur einen einzigen gefunden, der von der gegebenen Regel abweicht: die mir von Milani zugänglich gemachten Akten des Etruskischen Museums in Florenz verzeichnen unter 12 etruskischen Würfeln einen mit abnormer Anordnung 1:6, 2:4, 5:3 (die drei ist abgerieben). Die Annahme, unsere zwei Würfel mit Zahlworten könnten eine andere als die zwei üblichen Stellungen zeigen, ist also um so sicherer zurückzuweisen, als sie das nahezu Unerhörte gleich für zwei Exemplare vorauszusetzen nötigen würde. Schon dies Ergebnis genügt, um die Zahlwörter als nicht indogermanisch zu erweisen. Denn da die Indogermanisierer ϑu mit duo vereinigen müssen, so könnte huϑ nur 1 oder 5 sein. Aber weder mit der indogermanischen Eins noch mit der indogermanischen Fünf läßt sich huϑ irgendwie verbinden. § 38. Die weiteren Ordnungsversuche haben bisher noch nicht zu einem sicheren Ergebnis geführt. Mir will noch immer der verhältnismäßig einfachste und sicherste, freilich auch nicht bis zum Ziele reichende Weg der scheinen, den ich in den beiden in § 35 zitierten Arbeiten angegeben habe. a) Wie oft jemand ein Amt bekleidet hat, wird man, namentlich in rühmenden Grabschriften, nur dann angeben, wenn es mehrmals geschehen ist; semel consol, semel censor, semel aidilis wird niemand in ein Elogium setzen. Torp, der früher widersprach, scheint jetzt auch meiner Meinung zu sein (Etruscan Notes 2). Hiernach kann weder ci noch ϑu noch zal 1 sein (§ 36). Dazu stimmt vortrefflich, daß wir ci und zal mit dem Plural clenar verbunden fanden (§ 31 A). Mit dem Plural aber verbindet sich, wie wir gesehen haben, auch śa (tivrs śas (§§ 25, 31 A), und es bleiben sonach für die Eins nur noch maχ und huϑ übrig. b) Wenn ich (nach teilweisem Vorgange Kralls) in celi und acale der Mumienbinden mit Recht die durch die Glossen (§ 6) überlieferten Monatsnamen Celius und Aclus erkannt habe, so werden die dabei stehenden Zahlen eslem zaϑrumiś, huϑis zadrumiś wohl den Monatstag bezeichnen. Denn wenn auch in griechisch-lateinischen Urkunden diese modern anmutende Datierung erst sehr spät begegnet (Mommsen Gesamm. Schr. II 440f.; vgl. CIL XI 316),[19] so gehört sie doch wohl in der βροντοσκοπία des Nigidius, der Ephemeris des Claudius Tuscus (Lyd. ost. 62ff. 117ff. W.) u. dgl. zur alten Form. Nun enthält eslem zaϑrumis den Zehner und den Einer von zal. Sind also die bisherigen Voraussetzungen richtig, so kann zal nur 1 oder 2 sein (33 ist kein Monatstag mehr). Der Wert 1 ist für zal durch seine Verbindung [802] mit dem Plural clenar ausgeschlossen (s. a); ebenso ist der Wert 10 für zaϑrum unmöglich, weil Fa. I 388 maχ zaϑrum als Alter eines Beamtetgewesenen gibt. Demnach müßte zal 2, eslem zaϑrumiś 22 sein, und maχ, das auf der Gegenseite des Würfels steht, würde 1 oder 5 bedeuten, c) Für maχ = 1 hat man längst eine äußere Beobachtung geltend gemacht. Die Zahlworte sind auf die Würfelflächen in der Diagonale eingeschrieben. Aber nur wenn beide Würfel so gelegt werden, daß sie auf den obern Flächen maχ in gleicher Schriftrichtung zeigen, weisen die homologen Flächen gleiche Zahlen auf; legt man irgend eine andere Zahl nach oben, so differieren die homologen Flächen. Also hat der Verfertiger der Würfel vermutlich maχ' zuerst eingetragen; es ist aber wohl selbstverständlich, daß er mit der 1 begonnen hat. Dies Ergebnis stimmt mit a und b gut zusammen. Weitere Folgerungen, freilich noch hypothetischerer Natur, kann man bei Torp (Beitr. I 64ff. und Etrusk. Monatsdaten) lesen, der wenigstens in der Deutung von zal ganz mit mir zusammengeht.

IV. Rückblick und allgemeine Folgerungen. Die voraufgehenden Zusammenstellungen dürften im wesentlichen die sicheren Ergebnisse der etruskischen Sprachforschung (neben manchem Zweifelhafteren) enthalten. Nur auf die Wortbildung habe ich im ganzen einzugehen vermieden, so viel sicheren Gewinn auch gerade hier Schulzes Forschungen abgeworfen haben. Aber für den letzten Zweck unserer Darstellung, den Zweck, wenigstens eine negative Antwort auf die Frage nach der Verwandtschaft des Etruskischen zu liefern, gibt die Bildung der Namen aus nachher noch zu erörternden Gründen verhältnismäßig weit weniger aus als Wortschatz und Flexionslehre.

Man kann unmöglich erwarten, daß ich hier irgendwelche Vergleichungen zwischen dem Etruskischen und den nichtindogermanischen Sprachen prüfe. Anklang hat keine gefunden und keine zum Verständnis der etruskischen Sprachdenkmäler verholfen. Ich darf auch das Spezielle noch mit voller Sicherheit hinzufügen, daß in den bisher verglichenen Sprachen vielleicht einmal ein Anklang an zwei oder drei Zahlwörter, kaum einmal an einen der Verwandtschaftsnamen, nie etwa eine Entsprechung für die ganze Reihe der Würfelzahlwörter (wie man sie auch ordne) oder für den so charakteristischen Genetivus genetivi auf -al-iśla und -uśla- u. dgl. vorkommt. Dies gilt für sämtliche bisher angestellten Vergleichungen des Etruskischen bis herunter zu Thomsens Remarques sur la parenté (§ 4). Nicht besser steht es um den Versuch außeritalische indogermanische Sprachen heranzuziehen. Auch hier kann eine Einzelkritik umsomehr unterbleiben, als sie in die Kritik der ,Italianissimi‘, die ich zum Beschluß hier etwas ausführlicher geben will, im wesentlichen einbegriffen ist.

Um die Annahme, daß das Etruskische nicht bloß eine indogermanische, sondern speziell eine italische Sprache sei, steht es immerhin etwas anders als um die übrigen Hypothesen. Nicht nur daß auf diesen Ansatz Gelehrte verschiedenster Richtung und verschiedenster Zeiten verfallen sind, einige schlagende Ähnlichkeiten drängen sich hier auf, ganz im Gegensatz zu den übrigen Vergleichen. [803] Man wird nur eben von vornherein erwägen müssen, daß bei dem Ineinandergreifen des etruskischen und römischen Volkes sich Ähnlichkeiten in der Sprache auch dann ergeben mußten, wenn keinerlei Urverwandtschaft vorhanden war. Bücheler schrieb schon im Rh. Mus. XXXIX 409: ,daß zwei mächtige Sprachstämme wie der etruskische und der lateinische, auch wenn sie innere Gemeinschaft nicht gehabt haben, durch Jahrhunderte nebeneinander gelebt hätten, ohne beträchtliche Einwirkung auf einander, müßte an sich wohl für eine wenig glaubhafte Voraussetzung gelten‘. Hier heißt es nur noch, sich darüber klar werden, wie weit sprachliche Entlehnung bei so intensiver Rassenberührung wie zwischen den Römern und Etruskern gehen kann. Ich verweise zur allgemeinen Orientierung hierüber auf den höchst lehrreichen Aufsatz von Wackernagel Sprachtausch und Sprachmischung (Nachr. Gesellsch. Wiss. Gött. 1904, 90ff.), der für das folgende weit mehr Analogien an die Hand gibt, als ich hier zitieren darf.

Hiernach stelle ich zusammen, was im Etruskischen am auffälligsten an Italisches oder doch an Indogermanisches erinnert, und führe dabei den Nachweis, daß es sich entweder um trügerischen Schein oder um Entlehnungen handelt; einzelnes, was vorläufig weder der einen noch der anderen Kategorie sich zurechnen läßt, läßt sich erst später beurteilen. Wiederum vermeide ich ein näheres Eingehen auf die etruskische Nominal; insbesondere die Namenbildung. Denn soviel Berührungen diese auch in Stämmen und Suffixen mit der italischen aufweist, niemand kann sich mehr der Tatsache verschließen, daß Etruskisch und Lateinisch gerade hierin alle beide bald gegeben bald genommen haben, seit W. Schulze nachgewiesen hat, daß z. B. die E. ,mit einer großen Anzahl fertiger Gentilnamen von ihren Nachbarn oder Vorgängern im Besitze des Landes auch das allen indogermanischen Sprachen geläufige -io-Suffix übernommen haben, das seine Zeugungskraft durch die Verpflanzung auf fremden Boden nicht verloren hat‘ (262f.), während umgekehrt das Lateinische nicht nur die charakteristisch etruskischen Gentilnamen auf -na -enna (wie Porsena) mannigfach weiterbildet, sondern auch Namen auf -tius (Tarquitius Lartius), -trius und -torius (Mestrius Sertorius u. dgl.) u. a. den E. dankt. Ähnliches gilt von vielen Cognomina auf -o und -a. Auch die Gemeinsamkeit vieler Vornamen (vgl. einiges in § 14 a. E.) ist natürlich nur die Folge von Entlehnungen, und wenn für die meisten (z. B. marce = Marcus aus Mart-icus) indogermanisch-italischer Ursprung sich beweisen läßt oder wahrscheinlich ist; so begreifen andere sich leichter als original-etruskisch, z. B. spurie (vgl. Schulze 262 mit Anm. 5 und Pauli Etr. Stu. III 65).

Hiervon abgesehen macht folgendes indogermanischen Eindruck: 1. Der Nominativ Singularis zeigt im Feminin vielfach die Endung -a, -ia, -i; Beispiele sind im Verlauf dieser Darstellung nicht wenige gegeben. Die ersten beiden Endungen sind auch indogermanisch-italisch; die dritte ist indogermanisch gewesen (im Lateinischen Reste in reg-ī-na gall-ī-na u. dgl.), aber wo hätte sie sich wie in marcnei gegenüber dem [804] maskul. marcna § 28 A u. dgl. mit dem Endvokal des Maskulinums verschmolzen statt sich an seine Stelle zu setzen? Das Maskulin zeigt häufig die Endung -e; dies müßte, wie die Gleichungen marce = Marcus usw. (§ 14 ε) klar stellen, der etruskische Fortsetzer von idg. -os, lat. -us sein; -s als Nominativendung findet sich nur in Gentilnamen (s. z. B. leinies § 29; vgl. Schäfer Altit. Stu. II 1ff.), und zwar hier, wie leinies zeigen kann, auf das -e gepfropft, das nach eben Gesagtem der Fortsetzer von idg. -os sein müßte. Denn ganz undenkbar ist, daß etwa Formen wie leinies gegenüber denen mit bloßem -e eine ältere Phase mit noch erhaltenem altererbtem -s darstellen könnten; dies ist einfach dadurch ausgeschlossen, daß solches -s sich eben auf die Gentilnamen einschränkt, dagegen z. B. selbst den Praenomina vollkommen fremd ist. 2. Der Genetiv macht, soweit es sich um die -s-Formationen handelt ramϑas, velus usw.) einen durchaus indogermanischen Eindruck (lat. familias, Castorus). Allein daß das nur trügerischer Schein ist, geht aus den Erscheinungen beim Nominativ klar hervor; -us wäre im Genetiv = idg. -os. Aber wir haben eben an marce u. dgl. gesehen, daß idg. -os im Etruskischen zu -e geworden ist. Hiernach gewinnt die öfters ausgesprochene Vermutung einen gewissen Halt, daß -us, -as, -es überhaupt nicht der ursprüngliche Auslaut des etruskischen Genetivs gewesen ist, sondern daß diese Endungen erst aus den in § 28 A behandelten -usa, asa, -esa durch Abfall des -a entstanden sind. Damit hört dann die Vergleichbarkeit des indogermanischen und des etruskischen -s-Genetivs ohne weiteres auf. Sicher ist nun die Entstehung der kürzeren Form aus der längeren freilich nicht zu nennen, da die Inschriften für diese Chronologie keinen festen Anhalt geben und da dort, wo man das vollere Genetivsuffix -sa schreibt, das kürzere gerade aus dem anderen s-Laut (ś) zu bestehen pflegt (vgl. z. B. CIE 684 aus Clusium aule amφare aulesa mit 686 aus demselben Grabe vipia aχinana anφareś). Aber in jedem Falle ist die vollere Form schon an sich wieder ein Grund gegen den Versuch, die etruskische Genetivbildung mit der indogermanischen zu vergleichen, da die Endung -sa auf indogermanischem Gebiete keine Analoga hat. Dagegen hat man sich wiederholt bemüht, die dritte Genetivendung -al zu der lateinischen Adjektivendung -alis in Beziehung zu setzen. Das lateinische Sprachgefühl widerstreitet entschieden. Plautus hat wohl erilis filius gesagt, aber ein Marcalis filius als Entsprechung des arnϑal clan wäre wohl nicht gut möglich, und jedenfalls hat keine andere italische Sprache etwas von ähnlichem Genetiversatz aufzuweisen; auch bleibt völlig unklar, warum -al, wenn mit lat. -alis identisch, bei einzelnen Worten den Genetiv ständig ersetzt (z. B. arnϑal larϑal), bei andern nie (z. B. ramϑas seϑres). 3. Die Verbalformen auf -ce haben sich den Vergleich mit den griechischen auf κε vielfach gefallen lassen müssen. Hielte er Stich, so würde sich gerade hierdurch das Etruskische energisch vom Italischen sondern. Aber bei der Unklarheit des jedenfalls relativ jungen griechischen -κ-Perfektums vergleicht man hier bestenfalls ein x mit einem y; vor allem aber haben wir ja in § 33 gesehen, [805] daß -ce gar kein fester Exponent des Präteritums ist, sondern bald antreten, bald fehlen kann. 4. Im Lexikon ist die Ähnlichkeit zwischen dem Affix -c und dem lat. que, zwischen neftś prumpts und nepot- nepos, pronepot- pronepos unleugbar schlagend. Aber daß die Bezeichnungen für Verwandtschaftsgrade (und nicht bloß entferntere) entlehnt werden, ist aus zahlreichen Sprachen bekannt (Wackernagel 99f.), und selbst für die Entlehnung der Partikel ,und‘ gibt es Analogien im Albanesischen und sonst (Pauli Fo. und Stu. III 2. Wackernagel 107). Ich gestehe übrigens, daß mir bei -c auch zufällige Ähnlichkeit mit lat. que nicht ausgeschlossen scheint; der unbestreitbar eigene Ausdruck des Etruskischen für ,und‘, -m, teilt ja mit -c die merkwürdige Eigenschaft affixal zu sein.

Es braucht aber eigentlich gar nicht des Einzelnachweises, daß die Beweisstücke für indogermanische oder auch italische Natur des Etruskischen sämtlich trügerisch sind. Denn wenn wirklich das Etruskische in den eben aufgezählten Dingen seiner indogermanischen Natur so treu geblieben wäre, den indogermanischen Lautstand, die indogermanischen Flexionsformen und Worte so treu bewahrt hätte, so könnten diese unmöglich in solchem Grade als rari nantes in gurgite vasto erscheinen; bekannt wie jene Züge müßten uns dann hundert andere grüßen. Aber es empfiehlt sich nun doch, nicht bloß bei dieser allgemeinen Anschauung von der Fremdartigkeit des Etruskischen stehen zu bleiben, sondern auch, was uns im einzelnen hier bekannt geworden ist, reden zu lassen. 1) In der Nominalflexion ist völlig unindogermanisch außer jenen Dingen, die wir vorhin unter 1 und 2 ihres trügerischen Scheins entkleidet haben, vor allem der Genetivus genetivi, der einen der wichtigsten Prüfsteine bildet. Ist clenśi richtig als der Dativ von clan erklärt (§ 31), so muß auch die Dativbildung als unverträglich mit dem Indogermanischen bezeichnet werden. Ein Pluralsuffix -or ist dem Indogermanischen völlig fremd. 2) Wie immer man die Zahlwörter ordne, maχ huϑ zal cezp lassen sich in keiner Weise mit indogermanischen Numeralien vereinigen. Das gleiche läßt sich für ϑu sagen, wenn, wie wir oben darzulegen versuchten (§ 38), lat. duo im Etruskischen zal heißt. Ganz unindogermanisch ist es auch, daß eine der Einerzahlen über 4 flektibel ist: von semφ (das die Indogermanisierer natürlich = septem setzen) begegnet die Kasusform semφś (avils semφś lupuce Fa. 2033). Und wo soll ein so durchaus gemeinindogermanisches und charakteristisch geformtes Zahlwort wie tri- hingeschwunden sein? Auch das Lexikon redet eine einfach deutliche Sprache. Um abzusehen von Dingen wie avil tiv hinϑial zilaχ lupu(ce), den Götternamen wie turms, turan usw. usw., sei nur die Reihe der Verwandtschaftswörter nochmals vor Augen geführt: clan ,Sohn‘, sec ,Tochter‘, puia ,Gattin‘ ϑura ,Bruder‘?, ati ,Mutter‘?). Diese mit indogermanischen Bezeichnungen absolut unvereinbaren Worte muß man an neftś ,Enkel‘, prumts ,Urenkel‘ messen, um sich ohne weiteres darüber klar zu werden: wären letztere beiden aus der indogermanischen Ursprache ererbt, nicht aus dem Italischen entlehnt, so könnten unmöglich clan, sec, puia ein so vollkommen fremdes Gesicht zeigen.

[806] Den einfachen klaren Abforderungen, wie sie sich aus dem Letztgesagten ergeben, hat noch kein Versuch komparativer Erfassung des Etruskischen genügt. Dabei sind die bezeichneten Eigentümlichkeiten doch so markant, daß sich verwandte Sprachen, wenn es überhaupt welche gäbe, leicht genug finden lassen müßten. Οὐδενὶ ἄλλῳ εθνεὶ ὁμόγλωσσον – diese Weisheit des Dionys von Halikarnass bleibt auch die unsere. Möchten denn wenigstens reiche weitere Funde die schwere Aufgabe erleichtern, das Etruskische aus sich heraus zu erklären.

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 1979.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2267.
  3. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 6363.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2025.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 1668.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2091.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 209.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 1963.
  9. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2260.
  10. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2165.
  11. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 1855.
  12. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2166.
  13. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 1359.
  14. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 1990.
  15. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2203.
  16. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2299.
  17. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2196.
  18. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 1007.
  19. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 316.