RE:Leonnatos 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Leibwächter Alexanders d. Gr.
Band XII,2 (1925) S. 20352038
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Leonnatos (Λεοννάτος und Λεόννατος, vgl. Hoffmann Die Makedonen 168).

1) Der Leibwächter (σωματοφύλαξ) Alexanders d. Gr. Er war mit der Mutter Philippos’ II. verwandt, stammte also aus dem Fürstengeschlechte der Lynkesten (Suid. s. v., nach Köhler S.-Ber. Akad. Berl. 1890, 567ff. aus Arrians Diadochengeschichte stammend); darauf geht wohl auch die Nachricht bei Curtius X 7, 23: stirpe regia genitus (vgl. Droysen Gesch. d. Hellen.2 II 1, 19, 3). Nach Arrian. Ind. 18, 3 war er Bürger von Pella. Er wurde mit Alexander zusammen erzogen (συντραφείς) und gelangte dadurch und durch seine hohe Geburt früh zu Ehren. Schon in Ägypten nahm ihn der König unter die Generaladjutanten (σωματοφύλακες) auf, Arrian. anab. V 5; vgl. VI 28, 4. Wenn L. schon bei der Ermordung des Königs Philippos als einer der σωματοφύλακες bezeichnet wird (Diod. XVI 94, 4), so ist ein Mißverständnis anzunehmen. Droysen I 12 170, 1 denkt an die βασιλικοὶ παῖδες, auf die hier irrtümlich die Bezeichnung σωματοφύλακες angewandt sei; dem widerspricht jedoch die Erwähnung des Perdikkas und Attalos, die wohl damals schon zu den höchsten Würdenträgern gehört haben können. Auf dem asiatischen Feldzuge wird L. zuerst nach der Schlacht bei Issos als ἕνα τῶν ἑταίρων des Königs genannt; Alexander sandte ihn zu den gefangenen königlichen Frauen, um sie über das Schicksal des Dareios aufzuklären und ihnen königliche Behandlung zuzusichern (Arrian. anab. II 12, 5. Curtius III 12, 30. Diod. XVII 37, 3. Plut. Alex. 21). Vor Gaza hat L. nach Hegesias (frg. 3, Script. rerum Alex. M. 142 Müll.) zusammen mit Philotas den Kommandanten Bati [2036] gefangen genommen (vgl. Droysen I 12 301, 2). Erwähnt wird L. weiter bei den Verschwörungen des Philotas und Hermolaos als zur engsten Umgebung des Königs gehörig (Curtius VI 8, 31. VIII 6, 23). Bei der Katastrophe des Kleitos soll er mit Lysimachos dem Könige die Lanze entrissen haben (Curtius VIII 1, 5; vgl. hierzu Cauer Jahrb. Phil. Suppl. XX 1ff. Ed. Meyer Kl. Schr. 319ff. Kaerst Gesch. d. Hellen.2 I 531ff.). Auch L. äußerte wie die meisten makedonischen Größen seinen Unwillen über die vom Könige verlangte Proskynese; er soll deshalb in Ungnade gefallen, später aber wieder zu Gnaden aufgenommen sein (Arrian. anab. IV 12, 2). Erst auf dem indischen Feldzuge finden wir L. in selbständigen Stellungen (Arrian. anab. IV 21, 4. 24, 10. 25, 3). Bei der Eroberung der Stadt der Maller ist L., der dem von der Mauer allein in die Stadt gesprungenen Könige folgte, schwer verwundet worden (Arrian. anab. VI 9, 3. 10, 1ff. 11, 7. Bei Curtius IX 5, 21 hat sich dies statt bei den Maliern bei den Oxydrakern ereignet; vgl. dazu Arrian. anab. VI 11, 3). Übrigens hatte L. auch bei den Kämpfen am Choaspes eine Wunde empfangen (Arrian. anab. IV 23, 3). An der Indusmündung erhielt L. den Befehl über eine Heeresabteilung (Arrian. VI 18, 3. 20, 3). Vor dem Beginn des Zuges durch das öde Beludschistan wurde L. vorausgesandt, um Brunnen zu graben (Curtius IX 10, 38). Auf dem weiteren Marsche befehligte L. einen Teil des Heeres (Diod. XVII 104, 5. Curtius IX 10, 39). Im Gebiete der Oriten mit dem Satrapen Apollophanes zurückgelassen (Arrian. anab. VI 22, 3), errang er einen Sieg über dieses Volk (Arrian. Ind. 23, 5. 6. 8; anab. VII 5, 5. Diod. XVII 105, 8. Curtius IX 10, 41). Für diesen Erfolg und seine bei den Maliern bewiesene Tapferkeit wurde L. später mit einem goldenen Kranze ausgezeichnet (Arrian. anab. VII 5, 5: Ind. 23, 6. 42, 9). Er hatte zugleich den Auftrag erhalten, in dieser Gegend eine Stadt zu gründen (Arrian. anab. VI 22, 3: τὴν πόλιν ξυνοικίζειν; vgl. Curtius IX 10, 39: in hac regione urbem condidit). Von dieser Stadt berichtet auch Onesikritos (frg. 26 Müll. = Iuba frg. 39 [‌FHG III 476]: Alexandria condita a Leonnato iussu Alexandri). Vgl. zu dieser Gründung Droysen III 2, 233f. Tomaschek o. Bd. I S. 1390. Die Stadt lag jedenfalls in der Nähe von Kokala. Es ist unwahrscheinlich, daß sie mit dem von Hephaistion an Stelle des Hauptortes der Oriten, Rambakia, gegründeten Alexandreia identisch war (vgl. Arrian. anab. VI 21, 5. Diod. XVII 104, 8), wie Tomaschek annimmt. Droysen entscheidet sich für zwei Neugründungen in dieser Gegend. – Beim Tode des Königs war L. in Babylon anwesend, und zwar war er mit Perdikkas und Ptolemaios einer der Führer der Ritterschaft (Arrian. succ. Alex. 2). Im Rate der Führer wurde beschlossen, die Niederkunft der Roxane abzuwarten und als Vormünder des erwarteten Knaben Perdikkas und L. anzuerkennen (Iust. XIII 2, 14. Curtius X 7, 23). Auch in dem Kampf zwischen der Ritterschaft und der Phalanx unter Meleagros soll L. nach Curtius (X 7, 24. 8, 25) eine wichtige Rolle gespielt haben, doch weiß Diodor [2037] nichts davon zu berichten. Bei der Verteilung der Satrapien fiel dem L. Phrygien am Hellespont zu (Arrian. succ. Alex. 6. Dexippos frg. 1 [FHG III 668]. Diod. XVIII 3, 1. Iust. XIII 4, 16. Curtius X 10, 30). Diese Satrapie hatte wegen ihrer Lage an den Meerengen eine große Bedeutung; niemand konnte ohne die Einwilligung ihres Besitzers ein Heer über den Bosporos oder Hellespont führen. L. erhielt mit Antigonos den Auftrag, für Eumenes die diesem zugewiesene Satrapie Kappadokien zu erobern. Doch ehe er diesen Auftrag ausführen konnte – ob er dazu willens gewesen ist, läßt sich nicht feststellen – traf der Tyrann Hekataios von Kardia als Abgesandter des Antipatros bei ihm ein, um seine Hilfe im Lamischen Kriege zu erbitten (Diod. XVIII 12, 1 [hier steht irrtümlich πρὸς Φιλώταν statt Λεοννάτον], 14, 4. Plut. Eum. 3. Iust. XIII 5, 14). Nach dem Berichte Plutarchs a. O. soll L. um so lieber diesem Rufe Folge geleistet haben, da er hoffte, bei dieser Gelegenheit sich Makedoniens bemächtigen und nach der Königskrone greifen zu können. Er versuchte, Eumenes zum Abfall von Perdikkas zu bewegen, indem er ihm seine Pläne eröffnete und ihm Briefe der Schwester Alexanders, Kleopatra, zeigte, die ihm ihre Hand anbot. Unwahrscheinlich ist diese Erzählung nicht, da L. sich wohl schon seiner Verwandtschaft mit Philippos wegen zu höheren Dingen berufen fühlte (vgl. Suid. s. v.). Es mag ihm auch verlockend erschienen sein, den klugen Griechen auf seine Seite zu ziehen und sich seines Rates zu bedienen (vgl. Corn. Nep. Eum. 2). Doch dem Eumenes erschienen die Absichten des Makedonen so wenig Erfolg verheißend und L. selbst so wenig geeignet, ein so hohes Spiel zu wagen, daß er in der Nacht heimlich aus dem Lager des L. entwich (Plut. a. O. Corn. Nep. a. O.) und dem Perdikkas die Pläne des phrygischen Satrapen mitteilte. L. selbst, von dessen Charakter Plutarch und Arrian (bei Suidas s. v.) eine wenig schmeichelhafte Schilderung entwerfen (vgl. Köhler S.-Ber. Akad. Berl. 1890, 568), mochte nun an dem geplanten Unternehmen irre werden. Jedenfalls hat er in Makedonien keinen dahin gehenden Versuch gemacht, sondern nur alle verfügbaren Truppen an sich gezogen, um mit einem Heere von mehr als 20 000 Mann zu Fuß und 1500 Reitern nach Thessalien aufzubrechen. Vielleicht hoffte er, nach dem Siege über die Hellenen Antipatros verdrängen und die Herrschaft über Makedonien und Griechenland an sich reißen zu können (vgl. Arrian. succ. Alex. 9: ἐπιβοηθεῖν δοκῶν Ἀντιπάτρῳ). Auf die Nachricht von dem Herannahen des L. zog Antiphilos von Lamia ihm entgegen, um eine Vereinigung mit Antipatros zu verhindern. In der Schlacht entschied die thessalische Reiterei unter Menon den Sieg zu Gunsten der Hellenen; L. selbst fiel (Diod. XVIII 15, 1–3. Iust. XIII 5, 14. Plut. Phok. 25 [irrtümlich συμμίξαντος Ἀντιπάτρῳ Λεοννάτου]). Antipatros aber war trotz der Niederlage des Entsatzheeres froh, von einem gefährlichen Nebenbuhler befreit zu sein (Iust. XIII 5, 15). Vgl. noch Strab. IX 433. Paus. VII 6, 6. – Bei Plut. Eum. 3 wird L. ἔμπληκτος καὶ φορᾶς μεστὸς ἀβεβαίου καὶ ὀξείας genannt, [2038] und Arrian. (bei Suid. s. v.) weiß von übermäßigem Luxus und Nachäffung des großen Königs im äußeren Auftreten zu berichten (εἰκάζων αὑτὸν πρὸς τὰ βασιλικὰ τῷ τε ἀφέτῳ καὶ ἀνειμένῳ τῆς κόμης καὶ τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ). Auch die Notiz bei Plut. Alex. 40, daß er sich auf vielen Kamelen Sand aus Ägypten für gymnastische Übungen nachführen ließ, stimmt zu diesem Bilde. Sonst ist noch seine Vorliebe für die Jagd überliefert (Athen. XII 539 d. Aelian. var. hist. IX 3). Vgl. die Charakteristik bei Schaefer Demosth. u. s. Zeit IIΙ² 378 und die Berichtigung derselben durch Köhler a. O. 568f.

[Geyer. ]