BLKÖ:Schulz von Straßnitzki, Leopold Karl
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 32 (1876), ab Seite: 188. (Quelle) | |||
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sein Vater als k. k. Kreiscommissär in Galizien. Seine Mutter Karoline geb. von Hillmayr verlor er, da er noch nicht acht Jahre alt war. Früh erwachte des Knaben Lern- und Wißbegierde, und kaum hatte er das Lesen erlernt, als er auch schon eine besondere Neigung für Bücher an den Tag legte. Da er wegen seiner fortgesetzten Kränklichkeit nicht viel an den Spielen der Kinder theilnehmen konnte, so gewöhnte er sich frühzeitig daran, sich selbst zu genügen. Nach dem im Jahre 1811 erfolgten Tode seiner Mutter kam er mit seinem Bruder nach Wien in die Obhut seines väterlichen Großvaters Leopold Ludwig [s. d. S. 196], der einen ganz entschiedenen und nachhaltigen Einfluß auf seine Bildungsrichtung nahm. Der Enkel hatte sein Arbeitstischchen unmittelbar am [189] Schreibkasten des Großvaters, und wetteiferte mit ihm an ausdauerndem Fleiße. Die ehemalige Stellung des Großvaters, dem er mit ganzer Seele anhing, als Professor, dann der fast tägliche Besuch von Professoren, namentlich des damaligen Professors der Geschichte an der hiesigen Hochschule, Wikosch, der sehr liebreich mit der Jugend umging, mögen wohl die ersten Anregungen gewesen sein, welche in dem Knaben den Wunsch erweckten, den Lehrstand als seinen künftigen Beruf zu erwählen. Im Jahre 1814 starb der Großvater. Das Gymnasium beendete S. mit dem besten Erfolge. Zu seinen Hauslehrern während dieser Zeit zählten der nachmalige Professor Dr. Ignaz Graßl und Joseph Bergmann. Mit allem Eifer lag Schulz schon damals den mathematischen Studien und deren Literatur ob, und schon damals stand sein Entschluß fest, sich zum Lehramte der Mathematik zu wenden. In der philosophischen Facultät hörte er die Vorträge über Mathematik und Astronomie von den Professoren Jenko, v. Ettingshausen und J. J. v. Littrow, ferner über Philosophie unter Professor Rembold. Er besuchte während des damals dreijährigen philosophischen Cursus fast alle Vorlesungen an dieser Facultät, sowie auch jene über Vernunftrecht und Statistik an der juridischen; außerdem praktische Geometrie, Mechanik und Baukunst am polytechnischen Institute. Dr. Exner [Bd. IV, S. 115] und J. G. Seidl zählten zu seinen Collegen und Freunden an der Hochschule. Mit allem Eifer widmete er sich fortan seinen mathemalischen Studien, verwendete seine Ersparnisse zur Anschaffung von darauf einschlägigen Büchern und correpetirte mit seinen Collegen in dieser Disciplin. Professor Jenko veranstaltete am 22. Juli 1823 eine feierliche Disputation, in welcher Schulz mehrere mathematische Thesen aufstellte und sie mit Meisterschaft vertheidigte. Neben diesen Studien trieb er mit Vorliebe jenes der Philosophie und Geschichte. Im Jänner 1823 erhielt S. ein mathematisches Stipendium und bei Gelegenheit der in Erledigung gekommenen Adjunctenstelle für Mathematik und Physik an der Hochschule wurde ihm – er zählte erst 21 Jahre – dieselbe verliehen. Ferner, da seit dem Studienjahre 1823/24 die Studirenden der Philosophie wegen ihrer Ueberzahl in zwei Abtheilungen getheilt werden mußten, wurde Schulz im November 1824 gleichzeitig zum Supplenten für Mathematik und Physik in der zweiten Abtheilung ernannt. Er mußte sonach die genannten Fächer in der ihm zugewiesenen Abtheilung ganz selbstständig vortragen. Um sich die Mittel zum Ankaufe der kostspieligen, zu seinen Fachstudien erforderlichen mathematisch-physikalischen Werke zu verschaffen, ertheilte er überdieß noch Privatunterricht. Erschöpft von der Tagesarbeit kam er Abends nach Hause und brachte einen Theil der Nächte mit Studien zu. Die unausbleibliche Folge solcher außerordentlichen Anstrengung blieb nicht ohne Einfluß auf seinen nicht zu starken Körper. Im Jahre 1827 erledigten sich gleichzeitig die Lehrkanzeln der Mathematik an den Lyceen zu Salzburg und Laibach. Mit kais. Entschließung vom 13. Juni 1827 wurde das Lehramt der Mathematik zu Salzburg dem damaligen Assistenten am Wiener polytechnischen Institute, Adam Burg, jenes zu Laibach Leopold von Schulz verliehen. Im Jahre 1828 kam er um die Bewilligung ein, neben seinen ordentlichen Vorlesungen einen zweijährigen Lehrcurs für höhere Mathematik und [190] einen einjährigen Cursus für populäre Astronomie eröffnen zu dürfen. Darauf ward ihm die Bewilligung ertheilt, besagte Vorlesungen nach seinem Antrage unentgeltlich abzuhalten. Ueber Schulz’ nunmehriges Wirken in Laibach finden sich die beredetsten Worte in der Schilderung eines Fachmannes, des k. k. Schulrathes Dr. Franz Močnik [Bd. XVIII, S. 408]. „Bedauerlich“, schreibt er, „war der Zustand, in welchem damals das wissenschaftliche Leben an dem Laibacher Lyceum darniederlag. Die Professoren beschränkten sich, wie dieß zu jener Zeit gemeiniglich auch an anderen Lyceen der Fall war, auf das Herablesen ihrer Hefte, auf das Erklären und Abfragen der Lectionen, und wenn dessenungeachtet ausnahmsweise ein strebsames Talent sich emporarbeitete, so war dieß wahrhaft nur jener inneren Macht zuzuschreiben, mit welcher der lebenskräftige Trieb nach Wissen trotz aller Hindernisse sich durchbricht. Da kam der geistvolle Schulz nach Laibach und mit ihm ein bis dahin nicht gekanntes Regen und Streben unter die studirende Jugend. Ergreifend war der Eindruck seiner Antrittsrede, worin er das ganze Leben eines Lycealschülers und insbesondere die erhabene Wichtigkeit des wahren Studiums der mathematischen Disciplin mit erschütternder Kraftfülle und hinreißender Beredsamkeit darstellte. Von feuriger Liebe zur Wissenschaft erfüllt, verstand er es vortrefflich, die geistige Wonne des wissenschaftlichen Erstrebens auch seinen Zuhörern gefühlswarm einzuflößen. Mit Hilfe der humoristischen Methode, die er mit tiefem philosophischen Blicke anwandte, machte er diesen Gegenstand zu einer wahren Gymnastik des Geistes und die entwickelten Sätze zu einem selbsterworbenen, unverlierbaren Besitzthume seiner Schüler. Die Wahrnehmung hervorragender Fähigkeiten war ihm die erfreulichste Entdeckung, die er dazu benützte, um die vorhandenen Anlagen durch aneifernde, kraftentsprechende Fortentwickelung zu einer immer größeren Thätigkeit und Selbstständigkeit zu entfalten. Für diese Talente hielt er vorzugsweise seine Vorträge über höhere Mathematik. Schulz war ein geschworener Feind jedes todten und geisttödtenden Mechanismus; dagegen war er stets eifrig bemüht, auch die praktische Wichtigkeit der Mathematik in ihren vielseitigen Andeutungen auf das Leben und andere Wissenszweige in ihrem schönsten Lichte darzulegen. Das bewiesen die praktischen Vermessungen, die er alljährlich in den Sommermonaten mit seinen Schülern vornahm und die wahre Freudenfeste für sie waren; dieß zeigte er durch seine ebenso faßlichen als geistreichen Vorlesungen über populäre Astronomie, zu denen sich ein zahlreiches Auditorium aus allen Classen der Bevölkerung einfand. Seine allseitig ersprießliche Wirksamkeit, sein umfangreiches Wissen, sein heiterer, freundlicher und biederer Charakter gewannen ihm ebenso rasch die Liebe der studirenden Jugend, als die Achtung und das Vertrauen der ganzen Bevölkerung. Schulz war der belebende Brennpunct, um den sich alle Männer der Wissenschaft und Kunst schaarten. Alles suchte seine Freundschaft und seinen geistreich belehrenden Umgang.“ In diese Zeit fällt auch Schulzen’s Bekanntschaft mit dem damals wenig gekannten Dichter Hilscher [Bd. IX, S. 29), auf den dieser Verkehr mit dem jungen geistvollen Professor nicht ohne fördernden Einfluß geblieben sein mag. Indessen war S. für sein Fach auch schriftstellerisch thätig. Es erschien sein schon in Wien [191] verfaßtes Buch: „Ueber das geradlinige Dreieck“ – die bibliographischen Titel seiner Werke folgen S. 195 – diesem folgten: „Die Elemente der reinen Mathematik“, welch letzteres Director Littrow für das beste Buch der Mathematik erklärte; und in der Zeit des Laibacher Aufenthaltes arbeitete S. auch an den „Elementen der Analysis“. Mit ah. Entschließung vom 24. Juli 1834 wurde S. zum Professor der Mathematik und praktischen Geometrie für die Universität in Lemberg ernannt. Nach einer siebenjährigen segensreichen Wirksamkeit in Laibach trat Schulz nunmehr seine lehramtliche Thätigkeit in Lemberg an. Wie vordem in Laibach, entwickelte S. in Lemberg eine verdienstvolle Thätigkeit. Gleich im Anfange seiner Wirksamkeit in Lemberg legte er das philosophische Doctorat ab und ward bereits im nächsten Jahre zum Decan der philosophischen Facultät erwählt. Mit dem Professor der Philosophie, Dr. Franz von Stroński (nachmaligen Director der Universitäts-Bibliothek in Krakau), schloß er eine dauernde und innige Freundschaft. Um diese Zeit erschienen seine „Elemente der reinen Geometrie“ als zweiter Band seiner „Elemente der Arithmetik“. Aus Gesundheitsrücksichten bewarb sich S. bereits um die im Jahre 1835 in Erledigung gekommene Lehrkanzel der höheren Mathematik an der Wiener Universität, erhielt aber nicht diese, sondern erst mit ah. Entschließung vom 3. April 1838 die Lehrkanzel der Elementar-Mathematik am Wiener Polytechnicum, während jene dem Professor Salomon verliehen wurde. Da sein jetziger Gehalt weniger betrug, wurde dieser Abgang durch eine Personalzulage gedeckt. Mit ah. Entschließung vom 29. Jänner 1843 wurde dann S. im Range und Gehalte den übrigen Professoren des Institutes gleichgestellt und ihm, wie dem Prof. Salomon gestattet, die Schüler während zwei Jahren durch die Elementar- und höhere Mathematik zu, führen. Durch Schulz’s Berufung nach Wien sollte seine bisherige Thätigkeit eine andere Richtung erhalten. Bis jetzt hatte er in Schrift und Lehre vorzugsweise für Akademien gewirkt; die Interessen des Institutes forderten eine geänderte Thätigkeit. Manche, in einem höheren Lebensalter stehend, wurden durch die leichte Zugänglichkeit und die humane Behandlungsweise an der Anstalt, welcher Prüfungszwang oder nöthigende Vorschriften über die Reihenfolge der zu besuchenden Vorlesungen fremd waren, dahin bewogen, die technischen Studien zu ergreifen und damit eine völlig neue Lebensbahn einzuschlagen. Diesen geänderten Anforderungen in der Lehrmethode wußte Schulz bald in trefflicher Weise zu genügen; es gelang ihm meisterlich, die an Fähigkeiten Schwächeren herauszufinden und sie durch fortwährende Beschäftigung geistig zu heben, ohne dadurch die Talentvolleren zu ermüden. Bei seinem so gründlichen Vortrage gelang es ihm, bereits in der Elementar-Mathematik ganze Parthien durchzunehmen, die sonst erst im Jahrgange der höheren Mathematik gelehrt wurden, und in diesem Jahrgange die dießfalls gesteckten Grenzen vielfach zu erweitern. Schulz verstand es, den Bedürfnissen der Anstalt vollkommen nachzukommen und zur Hebung und Blüthe der damals in ganz Deutschland im besten Rufe stehenden Wiener polytechnischen Schule wesentlich beizutragen. Außer den Vorträgen am Institute supplirte er auch durch einige Jahre die Mathematik an der philosophischen Facultät. Auf schriftstellerischem Wege suchte [192] er den Sinn für Mathematik zu heben und zu beleben: so z. B. machte er in seinem „Handbuch der besonderen und allgemeinen Arithmetik für Praktiker“ viele Schätze der Wissenschaft, zu denen man bisher nur mit Hilfe des Infinitesimal-Calculs gelangen konnte, einem größeren Publicum dadurch zugänglich, daß er sehr viele Beweise auf elementarem Wege führte. Eine Arbeit, die oft mit außerordentlichen Schwierigkeiten und Zeitaufwand verbunden und mit der weit weniger Ruhm einzuernten war, als mit glücklichen Resultaten specieller Untersuchungen, für die ihm aber die Männer der Praxis besonderen Dank wissen mußten. In demselben Geiste geschah es, daß Schulz sich anbot, für Künstler und Handwerker an Sonn- und Feiertagen populäre Vorlesungen über Geometrie und Arithmetik „unentgeltlich“ abhalten zu wollen, welchem Antrage von Seite der Regierung auch willfahrt wurde. Auch bei diesen Vorlesungen bewahrten sich Schulz’s große Lehrbefähigung und der praktische Tact, der ihn in seinem Berufe immer und überall auszeichnete. Neben diesen Vorträgen über Elemente der Arithmetik und Geometrie, die von dem zahlreichsten Auditorium besucht und für die gewerblichen Classen von den heilsamsten Folgen wurden, hielt er auch Vorlesungen über den Gebrauch des englischen Rechenschiebers, auf den er in Oesterreich und Deutschland zuerst aufmerksam machte und den er besonders in dem Handwerksstande einzubürgern sich bemühte. Auf seine Angaben hin wurde dieses Instrument von einem Wiener Mechaniker angefertigt, worauf dann bei Rohrmann im Jahre 1843 seine Anweisung zum Gebrauche desselben erschien. Er selbst erfand einen Rechenschieber, ein Instrument, das für jede Art von Baurechnungen sehr geeignet ist und unter dem Titel: „Professor Schulz von Straßnitzki’s Rechenschieber, herausgegeben von Anton Schefzik“ (Wien 1845, Rohrmann) im Drucke erschien. Die bereits in Laibach und Lemberg abgehaltenen Vorlesungen über populäre Astronomie nahm er im Jahre 1850 auch in Wien auf. Es strömte zu ihnen eine außerordentlich große Menschenmenge, Alt und Jung hinzu, so daß sich Schulz entschloß, da selbst ein großer Saal nicht alle Zuhörer fassen konnte, denselben Vortrag zweimal in der Woche abzuhalten. Seine aus diesem Anlasse gehaltene Antrittsrede erschien auch abgesondert im Drucke. Im März 1848 erhielt Schulz noch die Erlaubniß, unentgeltliche Vorlesungen über Universal-Geschichte am Institute abhalten zu dürfen. Aber auch weitere Forschungen und Entdeckungen in der Mathematik gingen von ihm in seiner jetzigen Wirksamkeit aus, wie Sachkundige aus seiner Arithmetik und Geometrie, die reich an ganz neuen, von ihm erfundenen Beweisen sind, wie aus seinen „Grundlehren der Analysis“ ersehen können. Neben so manch anderen muß hier besonders auf das zweite Capitel dieser letzten Schrift: „Ueber Involutionen, Evolutionen, Zerlegung in Partialbrüchen“, aufmerksam gemacht werden, das durchaus originell ist. Ihm verdankt ferner die mathematische Welt auch die einfachste Methode zur Auffindung der reellen Wurzeln höherer numerischer Gleichungen, die dann von seinem Schüler, Professor Simon Spitzer, auf die imaginären Wurzeln ausgedehnt wurde. Die wenigen Andeutungen Horner’s in einem englischen Journal lassen nur so viel entnehmen, daß dieser eine einfachere Methode geahnt habe, ohne darüber weiter zu erforschen. [193] Erst in Schulz leuchtete die Idee in Klarheit und Helle, er verarbeitete sie selbstständig und brachte sie zur Ausführung. Wie schon bei der früheren Studien-Hofcommission, so galt auch dem damals bestehenden Unterrichtsministerium sein Rath und seine Einsicht in Unterrichtsangelegenheiten sehr viel. Graf Thun zog ihn in technischen Fragen vielfach zu Rathe und ging ihn oftmals um Gutachten über erschienene mathematisch-physikalische Werke an. Im Jahre 1851 wurde er auf Staatskosten zur allgemeinen Industrie-Ausstellung nach London geschickt, um über die dort befindlichen mathematischen, physikalischen und astronomischen Instrumente der Regierung Bericht zu erstatten, außerdem aber auch (in Folge mündlichen Auftrages des Ministers), um das englische Schul- und Unterrichtswesen zu erforschen. Die dort bestehenden Lehranstalten für Erwachsene: „Adult schools-mechanics institutions“, in welchen Gewerbetreibende, Handelsleute, Arbeiter und Andere in abendlichen Vorlesungen aus verschiedenen Wissenschaften das nachholen, was sie in ihren praktischen Berufszweigen benöthigen, und sich noch überdieß durch Lecture, Gesang, Musik u. s. f. weiter auszubilden streben, erregten Schulz’s vorzügliches Interesse. Seine Absicht, zur Errichtung ähnlicher Anstalten, und zwar auf eigene Kosten, wie dieß in England beinahe überall der Fall ist, aufzufordern, konnte er nicht mehr verwirklichen. In demselben Jahre war er vom Unterrichtsministerium zum Mitgliede der Prüfungs-Commission für Gymnasial-Lehramtscandidaten für das Lehrfach der Mathematik ernannt worden. Im April des Jahres 1848 wurde er vom gesammten technischen Corps mit Einmüthigkeit in’s Vorparlament nach Frankfurt a. M. gewählt und er sprach dort mit Wärme seine und seiner Wähler politische Gesinnung aus. In Gesellschaft mehrerer anderer österreichischen Abgeordneten besuchte er hierauf die Universität Heidelberg, und legte den Rückweg über die Rheinprovinzen, Hannover und Berlin zurück, wo die Oesterreicher überall mit großem Jubel aufgenommen wurden. Besonders herzlich war der Empfang in Berlin; es war ein wahres Fest der Vermälung von Nord- und Süddeutschland, das an der Universität gefeiert wurde. Schulz hielt eine Anrede an die jungen Leute, deren Schluß als beredtes Zeichen seiner politischen Anschauung und einer wahren Prophetengabe hier Platz finden möge: „Wir sehen jetzt das Morgenroth der Freiheit und Größe Deutschlands; nach was wir uns in der Jugend gesehnt, was uns nur in kühnen Phantasiebildern vorgeschwebt, das naht sich jetzt der Erfüllung; es bedarf aber noch vieler Kämpfe und ausdauernder Kraft, bis der helle Tag hereinbricht; wir Aelteren erleben es nicht, wir werden nur wie Moses in’s gelobte Land sehen, ohne es zu betreten. Aber die Hoffnung, daß das biedere, intelligente, große deutsche Volk nicht mehr zerrissen, nicht mehr geknechtet, nicht mehr, selbst von den kleinsten Nachbarn verhöhnt – sondern, daß es mächtig, stark, den seiner Intelligenz würdigen Platz unter den Völkern Europa’s einnehmen werde – diese Hoffnung belebt uns, und die Hoffnung stützt sich zunächst auf unsere wackere deutsche Jugend, die so lebhaft für Freiheit und Ordnung, für Recht und Wahrheit durchglühet ist, die thatkräftig am Baue der Zukunft mitarbeitet und die das Palladium der geselligen Ordnung mit fester Hand schirmen wird. Die gegenwärtigen [194] bangen Zeiten sind nur die Geburtsschmerzen der kommenden großen Zeit, die nicht uns, sondern unsern Kindern und Enkeln erblüht.“ Im Monate Mai desselben Jahres wurde er von der Vorstadt Wieden in den Gemeindeausschuß gewählt. Als Secretär desselben wußte er durch seine Beredsamkeit und seine unermüdliche Thätigkeit so manche, für die Commune heilsame und zweckmäßige Anträge und Vorschläge durchzusetzen. Vor Allem betrachtete er es aber als seine nächste Aufgabe, sich des damals so sehr vernachlässigten und herabgekommenen Volksschulwesens anzunehmen und die Hebung desselben mit rastlosem Eifer zu betreiben. Als Präsident des pädagogischen Vereins, den er zu diesem Zwecke in’s Leben rief, und der bald einige hundert Mitglieder unter den Lehrern und Männern der Wissenschaft zählte, hatte er Gelegenheit, die Volksschullehrer auf das aufmerksam zu machen, was ihnen noth that, und sie in die Kenntniß der neueren pädagogischen Literatur und der Fortschritte, welche die Erziehungswissenschaft bis dahin gemacht hatte, einzuführen. Um aber die traurige Lage, in welcher zu dieser Zeit die Unterlehrer in Wien schmachteten, zu verbessern und dadurch auch tüchtigere und fähigere Leute für dieses hochwichtige Amt zu gewinnen, trug er als Gemeindeausschuß darauf an, die von den Oberlehrern gänzlich abhängigen Unterlehrer in den Schutz der Gemeinde zu nehmen und ihnen fixe Besoldungen zuzuweisen. Nur ihm allein und seiner glühenden, aus dem innersten Herzensgrunde hervorquellenden Rede, wie das Schulwesen in das Wohl und Wehe der ganzen Bevölkerung eingreife und die künftige Generation von der guten oder schlechten Bestellung desselben abhänge, ist es zuzuschreiben, daß der Gemeinderath eine Summe von jährlichen 80.000 fl. C. M. für den gedachten Zweck zugestand. Ueber seine Wirksamkeit liegt uns ein von Engelbert Keßler verfaßtes, nur lithographirt erschienenes „Nachwort zum XIX. allgemeinen deutschen Lehrertage“ (8 Seiten in kl. Fol.) vor, worauf hier nur hingewiesen werden kann. Doch diesem so vielseitig trefflichen und edlen Wirken sollte nur allzufrüh ein Ziel gesetzt werden. Seit dem Jahre 1849 fühlte sich Schulz in Folge übergroßer geistiger Anstrengung von einer steten Schwäche und Mattigkeit behaftet. Eine immer zunehmende Kränklichkeit zwang ihn, manchen der von ihm beabsichtigten Pläne aufzugeben. Das Wildbad Gastein, das er auf den Rath der Aerzte 1850 gebrauchte, stärkte ihn nur auf kurze Zeit, bald stellte sich seine frühere Schwäche wieder ein, deren ungeachtet er seinen Beruf mit gleichem Eifer erfüllte. Im Sommer 1851 fühlte er sich jedoch wieder insoweit gekräftigt, daß er die Sendung nach London ohne Gefahr anzunehmen glaubte. Die Beschwerlichkeiten dieser Reise, das ungewohnte Klima und, wie sich später zeigte, die für ihn höchst nachtheilige Kost wirkten aber auf seinen Gesundheitszustand verschlimmernd ein. Erst zu Anfang Mai 1851 wurde sein Uebel von Professor Oppolzer als eine chronische Nierenkrankheit (morbus Brighti) erkannt. Dieser gebot sogleich die Enthaltung von jeder ferneren Anstrengung und Thätigkeit, daher auch die Sistirung aller Vorlesungen, widrigenfalls an eine Herstellung nicht zu denken wäre. Diese fand nicht Statt. Ein Lungenschlag machte seinem Leben im 49. Lebensjahre ein Ende. Zu dem Leichenbegängnisse, zu dem ein Separattrain von Wien nach Vöslau abfuhr, erschienen [195] der ganze Lehrkörper des polytechnischen Instituts mit dem Director, Freunde und Bekannte, Gelehrte und Künstler, und Studirende in zahlloser Menge. Schulz’s einzeln erschienene Werke in chronologischer Ordnung sind: „Ueber das geradlinige Dreieck und die dreiseitige Pyramide“ (Wien 1827, Heubner); – „Elemente der reinen Arithmetik“ (ebd. 1831, Heubner); – „Elemente der reinen Geometrie“ (ebd. 1835, Heubner), dieses und das vorige Lehrbuch stehen bei Antiquaren im höheren Preis als der Ladenpreis ist und wurden mehrere Jahre in den preußischen Marineschulen als Lehrbücher benützt; sie sollen in nächster Zeit von Professor Frischauf in Gratz neu herausgegeben werden; – „Neue Methode zur Auffindung der reellen Wurzeln höherer numerischer Gleichungen“ (Wien 1842, Heubner); – „Anleitung zum Gebrauche des englischen Rechenschiebers“ (ebd. 1843, Rohrmann); – „Handbuch der besonderen und allgemeinen Arithmetik“ (ebd. 1844; 2. Aufl. 1848, Gerold); – „Anleitung zur Rechnung mit Decimalbrüchen“ (ebd. 1844, Gerold); – „Logarithmen und andere nützliche Tafeln“ (ebd. 1844, Gerold); – „Die Erde und ihre Bewohner“ (Pesth 1847, Hartleben); zuvor in der X. Auflage von Galetti’s „Erdkunde“; – „Reise zum Volkstage nach Frankfurt am Main“ (Wien 1848, Gerold); – „Handbuch der Geometrie für Praktiker“ (ebd. 1850, Gerold); – „Stellung der Astronomie im Reiche der Menschheit“ (Brünn 1850, Winiker); – „Grundlehren der Analysis“ (Wien 1851, Gerold); – „Anschauungsgeometrie“. I. Heft (ebd. 1851, Gerold). Kleinere wissenschaftliche Arbeiten sind erschienen in Grunert’s „Archiv für Mathematik und Physik“, Crelle’s „Mathem. Journal“, in von Ettingshausen und Baumgartner’s „Zeitschrift für Physik und Mathematik“, in Haidinger’s „Berichte der Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften“, in den Heidelberger „Jahrbüchern der Literatur“, in der „Wiener Zeitung“, in der „Mnemosyne“, in den „Illyrischen Blättern“, in der „Steiermärkischen Zeitschrift“ und anderen Blättern; davon sind besonders anzuführen: in Crelle’s „Journal“: „Beiträge zur Discussion des Euler’schen Lehrsatzes von Polyëdern u. s. w.“ (Bd. XV, 1835); – „Bemerkungen zu den Dase’schen Berechnungen des Kreisumfangs“ (Bd. XXVII, 1844); – in Grunert’s „Archiv“: „Ueber die praktische Verzeichnung von Ellipsen“, XI, 1845); – „Elementare Darstellung der wichtigsten Eigenschaften der gemeinen Cycloyde“ (Bd. XIII, 1849); – „Kennzeichen der Convergenz unendlicher Reihen“ (1828); – „Ueber binomische Reihen und Lambertische Formeln“ (1829) u. s. w. S. war Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften und gewerblichen Vereine. Seine Tante Aloisia Freiin Odelga, die an ihm in seiner Jugend wahrhaft Mutterstelle vertreten hatte, ließ ihm auf dem Vöslauer Ortsfriedhofe ein schönes Grabdenkmal aus Granit setzen. Aus seiner Ehe sind drei Söhne[WS 1] vorhanden, über welche die Stammtafel und die Quellen S. 200 Näheres mittheilen. Von seinen zahlreichen Schülern – auch Schreiber dieses zählte zu diesen – sind besonders zwei namhaft zu machen: der berühmte Rechenkünstler Zacharias Dase und der Mathematiker Simon Spitzer.
Schulz von Straßnitzki, Leopold Karl (Mathematiker, geb. zu Krakau 31. März 1803, gest. im Bade Vöslau nächst Wien 9. Juni 1852). Als Leopold geboren ward, diente- Professor Schulz von Straßnitzki als Gelehrter und Mensch. Eine Erinnerung an dessen zehnten Sterbetag (9. Juni 1862, 8°.). – Steger (Fr. Dr.), Ergänzungsblätter zu allen Conversations-Lexiken (Leipzig und Meißen 1850 u. f., gr. 8°.) Bd. IX, S. 245. – Jetztzeit. Herausg. von Dr. H. Meynert [196] (Wien, gr. 8°.) 1855, Nr. 20. – Oesterreichischer Lloyd (Wien, Fol.) 23. Juni 1852 [wörtlich nachgedruckt in der Prager Zeitung 1852, 25. Juni]. – Oesterreichischer Schulbote (Wien, 4°.) 1852, Nr. 28. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 15. Juni 1852. – Oesterreichischer Zuschauer. Herausg von Ebersberg, 16. Juni 1852. – Grunert, Archiv für Mathematik und Physik, XIX. Bd. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 862. – Porträte. 1) Facsimile des Namenszuges: Dr. L. Schulz von Straßnitzki. Darunter: Aus inniger Verehrung und Hochachtung gewidmet von seinen dankbaren Schülern im Studienjahre 1845/46. Prinzhofer 1846 (lith.). Gedruckt bei J. Rauh (kl. Fol.); – 2) Lithographie von Kriehuber. – Büste. Hanns Gasser modellirte über Auftrag seiner Schüler eine Büste nach seiner Totenmaske und ein Exemplar derselben ist im Consistorialsaale der Lemberger Hochschule aufgestellt.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Johann, Leopold Franz und Friedrich.