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Gemein-Nachrichten - Beylagen I-IV 1788,5

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Titel: Gemein-Nachrichten - Beylagen I-IV 1788,5
Untertitel: erschienen in der Reihe: Gemein-Nachrichten der Herrnhuter Brüdergemeine
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Herausgeber: Herrnhuter Brüdergemeine
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Erscheinungsdatum: 1788
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Erscheinungsort: Herrnhut
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[1]
I
Beylage zur 4ten Woche 1788.
Inhalt:

I. Lebensläufe einiger heimgegangenen Geschwister: 1) der verwitweten Schwester Christiane Elisabeth Erxleben 2.) der ledigen Schwester Lucretia v. Albertini 3.) des Witwers Ludwig Dietrich Mayer, 4) der ledigen Schwester Christiane Friedrike Sophie v. Schulenburg.

II. Von Grönland.

1.) Aus dem diario von Neu-Herrnhut vom Sept. 1786 bis Jun. 87.
2.) Bericht der Geschwister Möhnes von ihrem Aufenthalt unter den auswärtigen Geschwistern in u. um Kangek.

III. Von Antigoa.

Aus dem diario von Gracehill vom Ende Jul. 1786 bis Jun. 87.

[2]
I. Lebensläufe.

1.) Die verwitwete Schwester Christiane Elisabeth Erxleben geb. Wilhelmi (in Gnadenfrey) hat von ihrem Gang durch diese Zeit nichts schriftliches hinterlassen, u. pflegte immer zu sagen, wenn man auf ihren Lebenslauf zu reden kam: „Ich brauche keinen Lebenslauf zu schreiben; an mir u. meinem Leben ist nichts auf dieser Erd, u. es wird am Ende doch nur heissen: Da kommt ein’ arme Sünderin her, die gern fürs Lösegeld selig wär“. Es ist daher nur folgendes kürzlich anzumerken: Sie wurde d. 16 Sept. 1723 zu Barby geboren, wo ihr Vater Chr. Friedrich Wilhelmi Bürgermeister war. Von ihm u. ihrer Mutter Anna Dorothea geb. Hoyerin, die ein gottesfürchtiges Leben führten, genoß sie eine gute Erziehung, wofür sie öfters eine besondere Dankbarkeit äusserte. Anno 1742 trat sie mit ihrem seligen Mann, Gottfried Konrad Erxleben, [3] einem Kaufmann, in die Ehe, welche Gott mit 9 Kindern segnete, wovon noch 4 Söhne u. 2 Töchter am Leben sind. Als anno 1748 die ersten Brüder nach Barby kamen, hatte sie das Vergnügen, dieselben in ihrem Hause zu bewirthen; u. das war die Gelegenheit, daß sie die Brüdergemeine kennen lernte, u. sie herzlich lieb gewann. D. 13 Nov. 1752 wurde sie in die Gemeine aufgenommen, u. d. 19 April 1753 gelangte sie mit derselben zum heiligen Abendmahl. Viele Jahre lang hatten damals diejenigen, die aus der Stadt Barby entweder Mitglieder der Brüdergemeine wurden, oder sich als eine Societät an dieselbe anschlossen, viel Haß, Verachtung u. auch wol Verfolgung zu leiden, wovon unsre selige Schwester nebst ihrem Manne auch ihren Antheil erfuhr; sie liessen sich aber dadurch nicht irre machen, u. sie wurden als Kinder Gottes legitimirt. [4] D. 3 Jan. 1768 wurde sie durch den Heimgang ihres seligen Mannes in den Witwenstand versezt. Schon vorher hatte sie ihre Kinder zum theil in die Anstalten nach Herrnhut u. Hennersdorf abgegeben, u. nun zog sie auch nach Herrnhut ins Witwenhaus, wo sie nach dem Synodo 1769 (in welchem die damaligen Orts-Anstalten aufgehoben wurden) wieder ihre eigene Haushaltung anfing, u. die übrige Erziehung ihrer jüngsten Kinder besorgte. Das Gedeihen derselben lag ihr sehr am Herzen, u. der Heiland hat sie auch an ihnen viel Freude erleben lassen. Von ihrem ältesten Sohne, der Prediger zu Camby in Liefland ist, hat sie 3 Enkel erlebt. Anno 1778 wurde sie Chordienerin der Witwen in Niesky, u. im May 1779 kam sie zu eben dem Geschäfte nach Gnadenfrey. Sie ging bald mit aller möglichen Willigkeit u. großer [5] Activität in ihre Geschäfte, wozu ihr der liebe Heiland besondere Gaben geschenkt hatte. Sie war darinnen so unermüdet, daß sie öfters ihre Gesundheit darüber vernachläßigte. Der Segen Gottes war auch mit ihr; dabey aber war sie sich ihrer Versehen u. Fehler gar wohl bewußt, u. war sonderlich darüber, wenn sie zuweilen durch ihr hitziges Temperament übereilt wurde, öfters untröstlich. Sie stand in einem kindlichen Umgang mit dem Heiland, u. legte Ihm sowol ihr eigenes Anliegen, als auch sein ganzes Gnadenwerk, u. sonderlich ihr liebes Chor, täglich an Sein treues Herz. Sie nahm sich auch der Seelenpflege mit aller Treue an, u. war ihren Schwestern oft zum Trost u. Segen. Ueber die Anstellung einiger ihrer Kinder im Dienste des Heilands hatte sie eine besondre Freude. Sie genoß eine ziemlich gute Gesundheit, ausser daß sie zuweilen [6] mit krampfhaften Umständen (doch immer nur auf kurze Zeit) befallen wurde. Ihr Gemüth war meistentheils heiter, so daß sie öfters andern zur Aufmunterung diente. So war sie auch noch den Abend am 11 Febr. 87, da sie sich schon etwas unpäßlich fühlte, recht aufgeräumt, u. sagte: „ich werde euch hurtig einmal davon fliegen“ – aber weder ihr noch uns fiel es ein, daß es so geschwind geschehen würde.

D. 12ten wurde sie ernstlich krank an einem heftigen Fieber. Sie ertrug alle Schmerzen mit Geduld, war für die gute Pflege u. Wartung, die sie genoß, sehr dankbar, u. sagte: „ich bin es ja nicht werth, ihr macht es gar zu schön mit mir“. Dabey dachte sie öfters an die andern Armen u. Kranken im Hause. Einmal begehrte sie ganz alleine zu seyn, ließ sich aber vorher ihr Spruchkästchen geben. Man hörte sie ganz laut u. beweglich zum Heiland [7] beten, erstlich daß Er ihr alles vergeben wolle, u. dann nannte sie Ihm noch manches ganz besonders. Hierauf sagte sie: „nun habe ich mit dem Heiland über alles ausgeredet, u. habe Ihn auch gebeten, mir es klar zu machen, ob ich bey dieser Gelegenheit zu Ihm gehen werde: Er hat es aber nicht gethan.“ Sie wurde darüber zurecht gewiesen, u. der Spruch, den sie sich gezogen: „Der in dir angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollführen bis auf den Tag Jesu Christi“ – war ihr sehr tröstlich. Ein andermal hielt sie noch eine gründliche u. sünderhafte Unterredung, ihren Herzensgang betreffend, u. sagte zulezt: Nun kan mich nichts mehr stören, ich mag nun heimgehen oder wieder gesund werden, ich bin in den Willen des lieben Heilandes ergeben.

Ueber den Besuch verschiedener Geschwister war sie sehr erfreut, u. bat öfters, [8] daß man Verse singen möchte. Sie verschied am 17tn früh in der ersten Stunde sehr sanft mit dem Segen der Gemeine u. ihres Chores, im 64tn Jahr ihres Alters.

2.) Die ledige Schwester Lucretia v. Albertini (in Neuwied) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:

„Die Treue Jesu hört nie auf,
davon ist auch mein Lebenslauf,
zu Seines Namens Lob u. Preis,
ein augenscheinlicher Beweis.

Ich bin geboren d. 26 Jun. 1762 an der Brugg in Ober Engadin in Graubündten. In meinem 4ten Jahre brachten mich meine Eltern mit noch mehrern meiner Geschwister nach Neuwied. Ich gewohnte in der Anstalt bald ein; u. ob ich gleich zum Leichtsinn sehr geneigt war, so spürte ich doch von Zeit zu Zeit kräftige Rührungen des heiligen Geistes an meinem Herzen. Insonderheit wurde [9] ich einmal am Gründonnerstag, bey Gelegenheit einer kleinen Vorstellung des Seelenleidens Jesu am Oelberg, unter dem Gesang des Verses: Für mich ging mein Herr in Todesnöthen p. so bewegt, daß ich mich unter vielen Thränen Ihm für seine Seelenschmerzen u. Marter bis in Tod, zum ewigen Eigenthum hingab; und seitdem ist mir dieser Theil der Passion immer besonders eindrücklich geblieben. Ich hatte auch hernach manchmal recht selige Stunden mit dem Kinderfreund. M Zuweilen dachte ich (aus Veranlassung, daß ich davon reden hörte) mit Verlegenheit darüber, daß ich wol, wenn ich älter seyn würde, vom lieben Heiland wieder abkommen könte; wenn ich Ihm aber diesen meinen Kummer kindlich klagte, so bekam ich oft die tröstliche Versicherung, daß mich nichts aus Seiner Hand reissen solte. Anno 1775 wurde ich unter die größern [10] Mädchen aufgenommen; ich erneuerte dabey meinen Bund mit dem lieben Heiland, u. bat Ihn um ein treues u. aufrichtiges Herz, weil ich merkte, daß es mir sehr daran fehlte. D. 14 Jan. 1776 wurde ich in die Gemeine aufgenommen, u. d. 12 Oct. gelangte ich zum heiligen Abendmahl. Ich ging darauf einen kindlich vergnügten Gang bis ins folgende Jahr, da ich eine tiefe Feindschaft gegen den Heiland bey mir gewahr wurde, u. zugleich auch meinen Unglauben so zu fühlen bekam, daß ich in große Noth gerieth. Es währte lange, ehe ichs wagte, so schlecht wie ich mich fühlte, zum Heiland zu nahen; aber Er ruhete nicht, bis Er mich wieder an sich ziehen, mich trösten u. seiner Gnade versichern konte. Ich wurde auch sonst mancherley verderbte Neigungen bey mir gewahr, die ich nie gedacht hätte bey mir zu finden; sonderlich war [11] mir Hochmuth u. Selbstgefälligkeit gar sehr im Wege. Ich blieb auch bey meinem Verderben zu lang stehen, u. betrübte den Heiland oft durch Mißtrauen u. Zurücktreten, da Er mir doch mit seiner Hülfe stets entgegen eilte, wie ich oft in meinen Mädchenjahren erfahren habe. Anno 1781 trat ich ins Chor der ledigen Schwestern ein, mit dem angelegentlichen Wunsch, daß der liebe Heiland mich in demselben aller der Segen, die Er diesem Chor insbesondere erworben, ganz theilhaftig machen möge. Alle meine Stunden heilige Du dir, mach mich deinen Wunden, Lamm! zur Ehr u. Zier – das war mein Flehen; und ach! wie gern hätte mein treuer Heiland dieses an mir erfüllt. Aber ich habe gar bald wieder den Bund gebrochen, u. bin Ihm noch oft zur Schmach gewesen; denn nach Verlauf eines Jahres kam ich von der seligen Einfalt ab, u. zerstreute [12] mein Gemüth mit allerhand unnützen Dingen. Ich fühlte wol darüber Bestrafung in meinem Herzen, aber ich sezte mich darüber weg, bis ich mein tiefes Verderben in Seele u. Hütte so nachdrücklich zu fühlen bekam, daß ich sehen mußte, ich sey von der Sünde bis in den Tod verwundet, zu allem schlechten geneigt, u. zu allem Guten erstorben. Da ich durch langes Widersetzen mich immer mehr vom Heiland entfernt hatte, so konte ich nicht so gleich wieder ein Zutrauen zu Ihm faßen, u. meine Noth wurde immer größer. Ich wurde herzlich zu Ihm gewiesen, erfuhr auch manche Tröstungen, hatte aber bey allem Gefühl meines Verderbens doch noch so viele eigene Gerechtigkeit übrig, von der ich ganz ausgezogen werden solte, daß ich lange nicht ganz ins klare kam. Einmal, da ich in dem Gesangbuch den Vers las: „In des Lammes Blut alleine [13] stehet die Gerechtigkeit, diese heißt der Glaube seine: dann erfüllt uns Fried u. Freud, u. wir haben selge Stunden; Seele u. Leib u. Geist erfährt solchen Trost aus Jesu Wunden, welcher unaufhörlich währt“ – wurde mir diese Sache so klar, daß ich einen lebendigen Blick in die Versöhnung Jesu thun, u. mir Seine Gerechtigkeit auf die tröstlichste Weise zueignen konte. Es wurden mir in der Folge noch manche Eigenheiten u. schlechte Ecken gezeigt; wenn ich aber meine Zuflucht zu meinem treuen Seelenfreund nahm, so erfuhr ich, daß heilen, stillen u. trösten Seine Lust ist. Aber doch hatte ich an der Lection: „von purer Gnade u. Erbarmen zu leben von einem Tage zum andern“, noch immer zu lernen, u. daran werde ich wol zu lernen haben bis zum Erblaßen in Jesu Arm u. Schoos.“

So weit aus ihrer Nachricht.

[14] Zu Anfang des Jahres 1786 bekam sie ein Gallenfieber, u. blieb seitdem kränklich. In der Hofnung, daß ihr eine Luftveränderung zur Erholung dienen könte, that sie eine Reise nach Herrnhut, u. kam im Herbst dem Anschein nach ziemlich munter zurück; trat auch mit neuem Muth wieder in ihre Stelle in der Mädchenstube (wo sie schon einige Jahre als Mitaufseherin gebraucht worden) ein. Bey allem guten Willen aber, denselben mit den ihr von Gott verliehenen vorzüglichen Gaben ferner zu dienen, zeigte sichs doch bald, daß ihr die Kräfte dazu fehlten. Den folgenden Winter nahm ihre Kränklichkeit zu. D. 28 Merz 87 reiste sie mit ihren Eltern nach Embs, um einen dortigen Arzt zu consultiren[WS 1], kam aber d. 29ten äusserst entkräftet zurück, u. konte von da an wenig mehr ausser dem Bette seyn. In der [15] Marterwoche ließ sie sich die Leidensgeschichte Jesu vorlesen, u. mit Gesang unterhalten, zu ihrem besondern Trost u. Erquickung. Ihre Schmerzen u. viele schlaflosen Nächte ertrug sie mit ungemeiner Geduld, u. war dabey licht u. vergnügt. Um die Mitte des Aprils gab sie zu verstehen, daß sie wol von dieser Krankheit nicht mehr genesen würde; und ihr Herz u. Sinn war nun ganz auf ihr bevorstehendes Glück gerichtet, u. sie seufzete oft zum lieben Heiland: Komm bald! Zulezt hatte sie noch viel auszustehen, besonders an ihrem Heimgangstage (d. 24 April 1787) aber mitten unter diesem Leiden fing sie einmal recht lieblich an zu singen: Nichts ist an mir, nichts als armes p. Zu Mittag sagte sie noch ganz vernehmlich: Ach der gute Heiland, nur noch eine Stunde! u. sahe dabey sehr vergnügt aus. Dieser [16] so sehnlich erwünschte Augenblick trat dann auch um 1½ Uhr ein, da sie mit dem Segen ihres Chores sanft u. selig entschlief im 25tn Jahr ihres Alters.

3.) Der Witwer Ludwig Dietrich Mayer (in Neusalze) war geboren d. 6 Nov. 1701 in der Reichsstadt Ulm, woselbst sein Vater Kaufmann war. Anno 1732 trat er mit seiner seligen Frau Dor. Magd. Marg. Schmutz aus Nürnberg in die Ehe. Nach einiger Zeit wurde er um seine Seligkeit bekümmert, u. suchte Gemeinschaft mit erweckten Seelen. Seine Frau konte dieses nicht fassen, und war sehr verlegen; verbot auch dem Bruder Kastenhuber, der damals in Ulm war, den Zutritt in ihr Haus; und als er von dort abreiste, ging sie in die Kirche, u. legte zum Beweis ihrer Dankbarkeit 8 Groschen in den Opferstock. Unser seliger Bruder ließ [17] sich nicht hindern, mit den so genannten Herrnhutern Bekanntschaft zu machen, wodurch die Verlegenheit seiner Frau immer größer wurde; denn sie glaubte, er hätte eine andere Religion angenommen. Als nun anno 1743 die Brüder Friedrich v. Watteville u. Ludwig v. Marschall durch Ulm reisten, u. in des seligen Bruders Hause besuchten; so glaubte sie, dieselben wären gekommen, ihren Mann zu einem Proselyten zu machen, u. ihn fortzuführen, welches ihr keine geringe Angst verursachte. Als aber der Bruder v. Watteville ihr sagte, der Grund, worauf die Brüder-Gemeine stehe, sey Christus u. Sein Blut, so ging ihr ein anderes Licht auf, u. sie dachte: Auf diesen Grund must du auch stehen, wenn du selig werden willst. Von der Zeit an verwandelte sich ihre Widrigkeit in Zutrauen u. Liebe gegen die Brüder; u. als ihr [18] Mann von der Begleitung dieser Brüder nach Hause kam, bezeugte sie ihm solches, u. bat ihn mit Thränen um Vergebung, daß sie ihm in dieser Sache widerstanden hätte. Von der Zeit an wurden auf seiner Frauen Bitte die Versammlungen in seinem Hause gehalten. Sie thaten auch eine Reise nach Augsburg, um die Erweckten daselbst zu besuchen. Anno 1748 zogen sie nach Hirschberg, wo er bey dem Herrn Kaufmann Menzel als Buchhalter in Condition kam. Er pflegte sich noch in seinen lezten Jahren mit vieler Dankbarkeit an die Wohlthaten zu erinnern, die er von seinen Freunden in Hirschberg genossen, insonderheit in dem Baumertschen, Hillmerschen u. Mathesischen Hause, wo sie 13 Jahre in Liebe u. Harmonie gewohnt haben. In Hirschberg sezten sie ihre Bekanntschaft [19] mit der Brüdergemeine fort, besuchten fleißig in Gnadenberg, wurden daselbst anno 1749 in die Gemeine aufgenommen, u. gelangten auch bald zum heiligen Abendmahl. Uebrigens machten sie sich ein Vergnügen daraus, den Geschwistern, wo sie konten, zu dienen.

Im Jul. 1765 kamen sie mit der ledigen Schwester Helene Wiesnerin (welche er auch nach dem anno 1771 erfolgten Heimgang seiner lieben Frau, um der vielen an ihr bewiesenen Treue willen bey ihrem langwierigen Krankenlager, zu seiner Pflegetochter annahm) hieher nach Neusalze, woselbst er in dem sich neuerbauenden Gemeinorte die Handlung u. die damit verbundene Spedition dirigiren solte. Die Besorgung der leztern behielt er bis kurz vor seinem Ende, von ersterer aber erhielt er auf seine [20] Bitte seine dimission. Uebrigens ist mit Dankbarkeit zu erwähnen, daß er bey unserm Kirchbau der Gemeine manche reelle Dienste erwiesen hat. Er genoß eine dauerhafte Gesundheit, u. selbst in seinem hohen Alter betrieb er seine Geschäfte mit jugendlicher Munterkeit u. mit solcher pünktlicher Redlichkeit, daß er sich viele Hochachtung dadurch erwarb. Weil er aber von andern Leuten gleichfalls strenge Redlichkeit erwartete, u. wo er dieses nicht fand, sein Mißfallen darüber ohne Rücksicht äusserte, so zog er sich dadurch manche Unannehmlichkeiten zu, die er sich hätte ersparen können. Ueberhaupt war er von einer feurigen Gemüthsart, u. da viel Selbstgerechtigkeit damit verbunden war, die sich auf seinen unbescholtenen Wandel gründete, so hielt es zuweilen schwer, ihn davon zu überzeugen, daß ein Kind Gottes die Beleidigungen [21] andrer mit Geduld tragen, u. darum gern vergeben muß, weil ihm so viel vergeben ist. Vor etwa anderthalb Jahren fing er selbst an zu merken, daß seine Kräfte geschwächt waren, u. es war ihm daher lieb, daß er ganz zur Ruhe gesezt wurde. Ein ziemlich starker Schlagfluß, der ihn auf eine kurze Zeit aller Empfindung beraubte, von dem er sich aber wieder erholte, schien der Vorbote von seinem Ende zu seyn. Und so sahe er auch selbst diesen Umstand an. Er äusserte oft, daß er nun nicht mehr lange leben werde; er sey auch bereit als ein versöhnter Sünder in die Ewigkeit überzugehen, Christi Blut u. Gerechtigkeit sey der einzige Grund seines Glaubens, u. damit hoffe er allein vor Gott zu bestehen, nur dieses bitte er sich vom Heiland zur Gnade aus, daß Er ihn mit einem langwierigen Krankenlager verschonen möchte. Und dieser Wunsch [22] ist ihm aufs lieblichste gewährt worden. Er legte sich am 25 April 1787 mit dem Wunsche schlafen, daß er nach einigen schlaflosen Nächten wieder einmal eine ruhige Nacht haben möchte. Denen, die in einem Hause mit ihm wohnten, war es merkwürdig, daß er noch zu seinem lezten Abendsegen viel u. vernehmlich sang, u. mit diesem Herzensseufzer schloß: „O daß ich bis in mein Grab Jesu Leiden, wie Er sich für mich begab aller Freuden, u. ins Sterben ging, daß ich leben möchte, fruchtbarlich bedächte.“ Früh Morgens, da man nach Ihm sahe, fand man, daß seine Seele in ihre ewige Ruhe heimgeflogen war, und sein entseelter Körper hatte das Bild eines sanft u. ruhig schlafenden so naturell, daß man sich kaum überreden konte, er sey wirklich todt, bis es die überhandnehmende [23] Verwesung ausser allen Zweifel sezte. Er war im 86ten Jahr seines Alters.

4.) Die ledige Schwester Christiane Friedrike Sophie v. Schulenburg (in Herrnhut) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren d. 26 Jul. 1726 zu Assenheim, ohnweit Frankfurt am Mayn. Mein Vater war Herr Emanuel Ludwig von der Schulenburg, welcher vormals in Königlich Preußischen Kriegsdiensten gestanden, u. sich nun bey dem Gräflich Solmsschen Hofe zu Assenheim aufhielt; und meine Mutter eine geborne v. Pastonellen, welche ich aber schon in meinem 5tn Jahre verloren habe. Ich kam hierauf zu meiner Tante nach Hanau, bey der ich 6 Jahre unter strenger Erziehung verbrachte; doch dafür bin ich ihr immer sehr dankbar geblieben, daß sie mich zur Arbeit angehalten. Sie brachte mich darauf wieder zu meinem [24] Vater, allwo ich mich die meiste Zeit bey der dasigen Herrschaft aufhielt. Die Gräfin war eine gottesfürchtige Dame, u. hatte meiner seligen Mutter versprochen Mutterstelle bey mir zu vertreten. Dieses Versprechen erfüllte sie auch damit ganz, daß sie mich anno 1739 im May in Gesellschaft meines lieben seligen Vaters, u. mit seiner völligen Zufriedenheit nach Marienborn brachte, u. der seligen Gräfin v. Zinzendorf übergab. Ich kam noch denselben Abend in die Mädchen-Anstalt, u. gewohnte sogleich unter den Kindern ein. Nach einem halben Jahre hatte ich die Freude, daß meine liebe Schwester Marie Theresie (die jetzige Chor-Dienerin der ledigen Schwestern in Herrnhut) nachkam. Noch in diesem Jahre wurde ich an einem hitzigen Fieber heftig krank, so daß man mein Ende vermuthete. Ich wurde daher einsmals gefragt, [25] ob ich dann auch Vergebung meiner Sünden hätte? Ich antwortete, daß ich mir keiner Sünde bewußt wäre, u. nicht glaubte, daß der Herr Jesus um meinetwegen so jämmerlich hätte leiden müssen, ich dächte zu Seinem Tode nichts beygetragen zu haben. Diese Erklärung that ich gleichwol unter vielen Thränen, nur wußte ich nicht, warum ich weinen mußte. Ich wurde von dieser Krankheit wieder hergestellt, blieb aber noch lange schwächlich. Einmal, als unsre Arbeiterin (wie es alle Woche geschahe) eine Unterredung mit uns gehalten hatte, sagte sie zum Schluß derselben: Wer von euch Freudigkeit hat vor Gott zu treten, der komme, u. bete mit mir an; aber nicht anders als von ganzem Herzen, denn Gott ist gegenwärtig! Ich dachte in Gesellschaft auch mit zu gehen, allein sie sagte zu mir: Und du willst auch [26] mitkommen, u. glaubst doch nicht, daß der liebe Heiland für deine Sünden gestorben ist! Du gehörst hierzu noch nicht. Das fuhr mir durchs Herz, u. ich ging in einen Winkel, weinte u. bat den Heiland, Er möchte mir doch die Gnade schenken, zu glauben, daß Er auch für mich gestorben; u. hielt so 3 Tage u. Nächte mit weinen u. beten an; denn nun fühlte ich es ganz, daß ich auch eine arme Sünderin war, u. Vergebung meiner Sünden brauchte. Ich ließ auch nicht nach mit Bitten, bis ich die Versicherung u. den Trost ins Herz bekam, daß Er mir alle meine Sünden vergeben.

Anno 1741 kam ich mit der Mädchen-Anstalt nach Herrnhaag; u. gelangte am 3 Sept. dieses Jahrs zum erstmaligen Genuß des heiligen Abendmahls. Ob ich gleich dasselbe Krankheit wegen auf der Krankenstube genießen mußte, wird mir doch das, was ich dabey gefühlt, [27] so lange ich lebe, unvergeßlich bleiben; u. ich muß sagen, so oft ich dieses hohe Gut seitdem genoßen, hat sich allemal das damals gehabte selige Gefühl bey mir wieder erneuert.

Anno 1742 wurde ich zur Aufsicht bey den Kindern mit angestellt, u. verbrachte meine Zeit sehr vergnügt bey ihnen. Anno 1743 wurde ich zur Akoluthie angenommen u. als Arbeiterin der größern Mädchen angestellt. Diese Gnade beugte u. beschämte mich gar sehr, weil ich mich für viel zu unvermögend kannte, es diente mir aber auch dazu, daß ich mich selbst immer beßer kennen lernte. Anno 1745 erhielt ich einen Ruf in die Kind Mädchen-Anstalt nach Amsterdam, u. zog anno 1747 mit derselben nach Zeist. In diesem Jahre wurde ich auch ins ledige Schwesternchor aufgenommen. Weil ich immer sehr kränklich war, so wurde [28] ich anno 1749 abgelöset, u. kam auf den Herrnhaag ins Mädchenhaus, mit welcher Anstalt ich dann anno 1750 im Sept. nach Groß-Hennersdorf u. 1751 im Merz nach Herrnhut zog, u. darinn verblieb bis ins Jahr 1766. In dieser Zeit nahm mich der heilige Geist in eine gesegnete Schule, darinn ich mich viel gründlicher kennen lernte. Schon oftmals hatte ich ein großes Verlangen gehabt, auch einmal in einem Chorhause zu wohnen u. anno 1766 widerfuhr mir dieses Glück, da ich am 25 Aug. mit vielen Freuden einzog. Für die darinn in reichem Maaße genossene Gnade werde ich Zeitlebens dankbar seyn. Anno 1776 bekam ich einen Ruf nach Liefland ins Haus des Herrn Landraths v. Ungern Sternberg. Dieser Antrag fiel mir in aller Absicht überaus schwer, u. nur die Ueberzeugung von dem Willen des Heilandes konte den Entschluß [29] dazu bey mir zuwege bringen. Bey einem achttägigen Aufenthalt in Barby genoß ich viel Gutes, u. der Vers, womit die Gemeine in der lezten Singstunde mich u. meine Reisegesellschaft segnete: Geist, Seel u. Leib ist Dir geweiht p. welcher sich so ganz besonders auf mich paßte, ist mir nach der Zeit oft zum Trost u. Aufmunterung gewesen. Am 23 Aug. kam ich auf meinem Posten an, u. wurde sehr liebreich aufgenommen. Die erste Zeit hatte ich armes, an die Gemeine sehr verwöhntes Kind viele bange Stunden, u. verbrachte manche Nacht schlaflos u. unter vielen Thränen. Aber der Heiland tröstete mich mit dem Gefühl Seines Friedens, und ließ mirs auch sonst wohl gehen in dem Hause des Herrn Landraths, denn er u. seine Gemahlin waren wie Eltern gegen mich gesinnt. Anno 1779 that die Frau Landräthin mit ihren zwey jüngsten Kindern einen Besuch in Deutschland, [30] u. nahm mich mit. In Barby wurde mir die erfreuliche Nachricht gebracht, daß ich mein Plätzchen im Herrnhutischen Chorhause wieder einnehmen könte. An meinem Geburtstag d. 26tn Jul. traf ich wieder in Herrnhut ein, u. ließ den Freudenthränen ihren Lauf, daß ich mich wieder so gut aufgehoben sahe. Solt ich nun nicht frölich seyn, ich beglücktes Schäfelein; denn nach diesen schönen Tagen werd ich endlich heimgetragen in des Hirten Arm u. Schoos, Amen, ja mein Glück ist groß.“

So weit sie selbst.

Es war in dem ganzen Gang unsrer seligen Schwester unveränderlich wahrzunehmen, daß sie durch Gnade einen vesten Grund des Glaubens an die blutige Versöhnung Jesu Christi in ihrem Herzen hatte, u. einen Trost, der ihr nie entwich, auch nicht in denen Stunden, wenn sie über ihre Mängel u. Zurückbleiben oft schmerzlich [31] betrübt war. Denn sie verstand das selige Sündergeheimnis[WS 2], sich mit alle ihrem Elend zutraulich an den Heiland zu halten, u. der Umgang mit Ihm war ihr unaussprechlich wichtig u. unentbehrlich. Sie hatte einen tiefen Eindruck von dem Glück, ein Glied der Gemeine zu seyn, u. es lag ihr sehr ernstlich an, als eine Magd Jesu der Gnade würdiglich zu wandeln. Sie konte daher auch nicht wohl ertragen, wenn sie bey andern eine Gleichgültigkeit dagegen zu spüren glaubte; da sie sich dann freilich zuweilen bey dergleichen Beurtheilungen länger aufhielt, als es nöthig war, u. sich manchmal selbst die Zeit damit verdarb. Gegen alle Armen u. Elenden war sie überaus mitleidig gesinnt, absonderlich hatte sie einen gar zärtlichen Hang zu den Kindern, so daß sie, ohne sich selbst zu schonen, [32] im Dienste derselben mit unermüdeter Liebe ihre Kräfte dran gewagt hat; überhaupt besorgte sie alles, was ihr aufgetragen war, mit gröster Treue u. Pünktlichkeit. Seit ihrer Zurückkunft aus Liefland diente sie verschiedene Jahre der Gemeine als Saal- u. Fremden-Dienerin, u. ihrem Chor als Gesellschaftshalterin u. Besucherin mit wahrem Vergnügen. Schon vor etlichen Jahren behielt sie von einer Krankheit etwas auszehrendes zurück, und ihre Gedanken waren dabey bald auf eine selige Vollendung gerichtet. Da es sich aber damit in die Länge verzog, so war ihr die Wartezeit bey zunehmenden Beschwerden der Hütte, freilich eine eigne Schule; doch wußte sie sich so nahe u. gläubig an ihren Erbarmer zu halten, daß man sie meistens vergnügt u. aufgeräumten Gemüths sahe. Von ihrer sünderhaften Herzensstellung findet sich ein lieblicher Beweis in einer von ihr selbst aufgeschriebenen [33] kindlichen Unterredung mit dem Heiland, darinn es heißt:

„Mein allerliebster Heiland! ich armes beschliesse nun dieses 1786te Jahr, in welchem ich mir die süße Hofnung gemacht hatte, daß Du dein Krankes ins gesunde Reich aus Gnaden u. Barmherzigkeit aufnehmen würdest; aber nach Deinem Willen bin ich noch da. Ach mein Erbarmer! Du legest nie mehr auf, als man ertragen kan; und so muß ich Dir zum Preise nachsagen, daß Du mir in diesem Jahre gnädig durchgeholfen. O vergib, vergib mir meine Ungeduld u. meine Empfindlichkeit, die ich oft gegen meine lieben Schwestern bezeugt habe. Ach mein Herr Jesu, wenn ich Dich nicht hätte, wo solt ich Aermstes unter den Elenden mich sonst hinwenden! Hebe Deine durchgrabenen Hände über mich Armes auf, u. absolvire mich von allen Sünden, darüber ich wol schon vielmal den tröstlichen Anblick Deiner Gnade empfangen habe; [34] aber ist noch das geringste an mir, das nicht Dein eigen ist, so schwemme es weg mit Deinem Versöhnungsblute. O könte ich Dich nur noch viel zärtlicher lieben u. an Dir hangen! Ich werde als eine große Schuldnerin zu Dir kommen. Reichen Trost wirst Du mir geben, so oft ich Tröstung nöthig hab: in den lezten Augenblicken wirst Du den lezten Trost mir schicken, die lezte Thrän’ treugst Du mir ab. Und ach! dann seh ich Dich, Du Märtyrer für mich! O der Freuden! Wenn ich fortan bey Dir seyn kan, da geht der ewge Sabbath an. Schönstes Licht, das die Todesnacht durchbricht: Du sollst meinem Herzen funkeln, wenn die Sinnen hier vergehn, wenn die Augen hier verdunkeln, wird das Marterlamm dort vor mir stehn, ich werds sehn, ach wie schön!“ Am 25 Merz 1787 wurde sie so schwach, daß ihr Ende nahe zu seyn schien; sie erholte sich [35] zwar in etwas wieder, mußte aber von da an ganz in der Krankenstube bleiben. An den Abendmahlstagen der Gemeine genoß sie dieses hohe Gut nebst den übrigen Kranken allemal unter vielen Thränen, u. es war ihr immer eine neue Herzstärkung. So oft ihr eins in die ewige Heimath voranging, schickte sie Sehnsuchtsthränen nach, und ihre Seele war voll Verlangen den bald zu schauen, an welchen sie glaubte. Er machte ihr inzwischen die Schmerzen u. Beschwerden ihrer Krankheit sehr erträglich. Die lezten Tage schlummerte sie viel, war sich aber dazwischen immer ganz gegenwärtig. Am 29 May sahe man schon in aller frühe, daß ihr seliges Ende herannahe. Sie empfing bey völliger Bewußtheit den Segen der Gemeine u. ihres Chores, unter dem innigsten Gefühl des Friedens Gottes, u. zu Mittag verschied sie so sanft u. stille, daß man es kaum gewahr wurde. Ihr Alter hat sie gebracht auf 60 Jahre u. 10 Monate.

[36]
II. Von Grönland.

1.) Aus dem diario von Neu-Herrnhut vom Sept. 1786. bis Jun. 1787.

Den 1 Sept. kam Bruder Heinze von Kangek zurück, wo er Anstalten getroffen hatte zum Bau eines Häuschens für ein paar Europäische Geschwister.

D. 8tn reisten unsre lieben Geschwister Brodersens mit dem Bruder Grillich nach Lichtenfels ab. In den folgenden Tagen war Bruder Fliegel in Kangek, u. arbeitete fleißig an gedachtem Häuschen. D. 12tn verabscheidete sich Bruder Heinze mit der hiesigen Gemeine, u. d. 16tn ging er an Bord, um über Lichtenfels nach Europa zu reisen. Geschwister Meyers waren nun einige Tage ganz allein hier. Die Grönländischen Geschwister fingen nun an in ihre Winterhäuser zu ziehen. D. 29tn kam Johannes, der ehedem die Gemeine verlassen hatte, u. nach Norden gefahren [37] war, hieher, u. brachte einen eigenhändig geschriebenen Brief mit, worin er um Vergebung seiner Versündigungen u. um Wiederannahme in die Gemeine bittet. D. 6 Oct. kamen Geschwister Möhnes von Lichtenfels hier an, um ihrem Rufe zufolge künftigen Winter bey unsern auswärtigen Geschwistern zu wohnen. D. 18tn hörten wir zu unserm Schmerz, daß der ledige Bruder Augustus bey Kangek in seinem Kajak verunglückt sey. Er war ein hofnungsvoller junger Mensch, sowol in Absicht auf das äussere als das innere. D. 23tn fuhren Geschwister Möhnes mit ihren zwey Kindern auf ihren Posten ab. Zu Anfang Nov. besuchte Bruder Fliegel unsre auswärts wohnenden Geschwister in Kellingarsuk u. Karosuk. An ersterm Orte war er besonders erfreut über der Geschwister ihre Liebe zu ihm u. unter einander, wie auch über ihr ordentliches Betragen. In [38] Karosuk war ihm auch unter den Geschwistern recht wohl. An beyden Orten hielt er etliche Versammlungen, u. empfahl den Geschwistern, sich vest an den Heiland zu halten. In diesem Monate waren wenig Grönländer hier auf unserm Lande, weil sie bey dem schönen Wetter ihrer Nahrung nachgingen. D. 27tn wurde die Kinderschule wieder angefangen, u. d. 28tn wurde den Geschwistern bekannt gemacht, wie den Winter über die Gesellschaften gehalten werden sollen. Durch diese u. andre Einrichtungen zur Bedienung der Gemeine schien ein ganz neues Leben unter die Geschwister zu kommen. In der Helfer-Conferenz wurde unter andern erzehlt, daß einer von denen in Kangek stehenden Heiden nach einer Versamlung des Bruder Möhne gesagt habe, er wolle das nächste mal über ihn spotten; darauf habe ihm eine von [39] unsern Schwestern gesagt: „Wenn du das thust, so ist es eben so, als wenn du über Gott deinen Schöpfer spotten woltest, denn er redet Gottes Wort, u. ist von Ihm zu uns gesandt worden“ – durch welche Antwort der Heide ganz niedergeschlagen worden. Andre Heiden in der Gegend bezeigen Lust sich zu bekehren, u. einer hat den Helfer Benjamin gebeten, in seinem Hause eine Versamlung zu halten. Desto schmerzlicher ist es, daß die Charlotte, die schon lange in Sünden u. Schanden lebt, den Heiden abrathen soll sich zu bekehren, weil es sie wieder gereuen möchte, so wie es sie auch reue, daß sie getauft worden. Eine andre ehedem Getaufte Namens Eleonora, die unter den Heiden in Ittersak wohnt, hat, um jemanden gesund zu machen, Hexerey gebraucht, obgleich ihr selbst die Heiden gesagt hatten: [40] „Du darfst so etwas nicht thun, du bist ja getauft.“ Sie hat darauf eine Lähmung bekommen, daß sie nicht im Stande ist was zu thun, u. sehr elend aussehen soll. Auch die Heiden sehen dieses für Gottes Strafe an. Von Johannes hörten wir auch allerley schlechtes, woraus wir ersahen, daß es ihm mit seiner vorgegebenen Reue noch kein Ernst ist. Alle diese Umstände wurden den Helfern zur treuen Fürbitte empfohlen. Am Gemeintag d. 10 Dec. wurden zwey Mädchen in die Gemeine aufgenommen. Die Geschwister hörten mit Vergnügen ein diarium von Okkak verlesen. In der Beter-Versamlung am 16tn war eine besondere Bewegung wahrzunehmen, indem während dem Anbeten verschiedene Geschwister laut weinten. D. 20tn hatten die Gesellschaftshalter ihre Conferenz, u. bezeugten durchgängig, daß die Geschwister [41] vergnügt wären, u. sich sehr auf die Weihnachtstage freuten. D. 23tn kamen in ihren Kajakken 6 Brüder von Kangek, 3 von Kellingarsuk, u. 3 von Karosuk hieher. Mit Booten zu fahren war unmöglich, daher auch keine Schwestern herkommen konten, so gern sie auch wolten. Heute hatten wir das heilige Abendmahl, wozu 2 Brüder von den auswärtigen u. einer von den hiesigen readmittirt wurden. D. 24tn begingen wir die Christnacht auf die gewöhnliche Weise. Viele Grönländer von der Dänischen Mission wohnten derselben auch bey, u. waren aufmerksam u. andächtig. In unsrer Gemeine war ein besonderer Freudengeist wahrzunehmen, der uns sehr tröstlich war. D. 25tn feyerte das Ehechor sein Chorfest im Segen. D. 26tn kehrten unsre Gäste zu den ihrigen wieder zurück, froh u. dankbar für alles hier [42] genoßene Gute. D. 31tn machten wir den Beschluß des Jahres, u. besahen gemeinschaftlich, unter großer Stille u. Aufmerksamkeit der Geschwister, unsern bisherigen Gang. Obgleich unsre hiesige Grönländische Gemeine, die ehemals so stark war, nun sehr klein geworden, u. überdem ganz zerstreut wohnt, so daß sie menschlichem Ansehen nach wol niemals zu dem ehemaligen Wohlstand wieder gelangen dürfte; so wissen wir doch, daß sie des Heilandes ist, u. Er in unsrer Mitte wohnt. An betrübten Vorkommenheiten, die bey gegenwärtiger Verfaßung fast unvermeidlich sind, hat es nicht gefehlt; aber dem grösten Theil der Geschwister liegt es doch an, der empfangenen Gnade treu zu bleiben; u. viele, die in Abweichungen gerathen waren, fangen an umzukehren, u. einige von ihnen sind wieder in einem erfreulichen Gange.

[43] Es sind in diesem Jahre 10 Kinder geboren worden, zur Aufnahme in die Gemeine sind 10 – u. zum heiligen Abendmahl 7 Personen gelangt. Getraut ist worden 1 Paar. Heimgegangen sind 12 Personen u. darunter 4, die im Kajak geblieben sind. Die Gemeine besteht aus

61 Eheleuten
3 Witwern
14 ledigen Brüdern
19 Knaben
50 Knäbchen
34 Witwen
26 ledigen Schwestern
21 größern Mädchen u.
59 Mägdlein
Summa 287 Personen.

Von diesen wohnen in Pissiksarbik 19, in Kellingarsuk 26, in Karosuk 16, in Kangek 152, u. in Neu-Herrnhut nur 74.

Noch in keinem Jahre ist die Gemeine so zerstreut gewesen wie in diesem. Die in Pissiksarbik wohnen 8 Meilen [44] von hier, u. sind also den Winter über ganz von uns abgeschnitten, u. im Sommer bekommt man sie auch wenig zu sehen. Sonst ist noch anzuführen, daß gedachte 287 Seelen aus 113 Communicanten, 163 Getauften u. 11 Ungetauften bestehen.

1787.

Den 1 Jan. feyerten die ledigen Brüder ihr Chorfest. Nach allen Versamlungen gingen die Geschwister mit Musik u. Gesang im Orte herum. D. 6ten konten wir wegen des ungestümen Wetters das Heidenfest nicht feyern, holten es aber am 7ten nach. Die Geschwister hörten ein diarium von Antigoa verlesen, u. zum Schluß des Tages wurde ein lediger Mensch unter die Taufkandidaten aufgenommen. Einen ähnlichen Festtag hatten wir am 19ten, als an dem Gedenktage der Abreise der ersten Brüder von Herrnhut nach Grönland. Leztern machte uns unser lieber Herr zu einem besonders [45] begnadigten Segenstag. Sonst war die Witterung in diesem Monate unsern Grönländern zu ihrer Erwerbung nicht günstig; zum Glück waren aber die hiesigen hübsch mit Heringen versehen, u. die auswärtigen, die auch keine Seehunde bekommen konten, kamen fleißig hieher, um Heringe zu holen. D. 2 Febr. feyerten die Witwen ihr Chorfest mit den gewöhnlichen Versamlungen. Zum heutigen Geburtstag unsers lieben Bruder Meyers hatten wir ein vergnügtes Liebesmahl. Er hat nunmehr seine meiste Lebenszeit in Grönland zugebracht. D. 23ten bekamen wir nach langer Zeit wieder einmal Nachricht von unsern Geschwistern in Kellingarsuk. Von Kangek u. Karosuk haben wir die Zeit her viel Besuch gehabt. D. 4 Merz wurden 2 Personen unter die Taufkandidaten aufgenommen, u. am 11ten wurde Nongak mit Namen Joel in Jesu Tod getauft. Da eine solche Handlung seit langer Zeit nicht vorgekommen [46] war, so fand sich alles dazu ein, was nur kommen konte, u. der Heiland bekannte sich mit vieler Gnade dazu. Zwey leibliche Geschwister des Neugetauften waren sehr traurig, daß ihnen nicht auch diese Gnade widerfuhr.

Unsre Geschwister fingen um diese Zeit an Hungersnoth zu leiden, weil sie ihren Vorrath von Heringen gröstentheils andern mitgetheilt hatten; u. doch fanden sich von andern Orten immer viele ein, die hier etwas zu bekommen hofften. Unter andern war der Hexenmeister Kellipak von Kangek hier. Da ihn Bruder Meyer fragte, ob er sich nicht bekehren u. seine Gauckeleyen fahren lassen wolte, da er selber sähe, daß er nichts damit ausrichtete, denn er hätte um Seehunde gehext, u. es wären noch nie so wenige gewesen als dieses Jahr: so antwortete er: Ja die Menschen hungern sehr, u. darum kommen wir hieher, uns einmal satt zu essen. Wenn ich werde von Süden zurückkommen, [47] dann will ich mich bekehren. Vom 14tn bis zum 17tn war Bruder Fliegel zum Besuch in Karosuk, wo es ihm aber jezt nicht so gefiel wie das erstemal, weil es den dasigen Geschwistern an Liebe fehlt. Mehr Freude hatte er in Kellingarsuk, wo er in den folgenden Tagen besuchte. D. 2 April kamen Geschwister Möhnes mit ihren Kindern von ihrem auswärtigen Posten, zu unsrer herzlichen Freude, munter u. wohl bey uns an.

Zur Feyer der Charwoche u. des Osterfestes fanden sich die auswärtigen Geschwister hübsch zahlreich ein, so daß es in den hiesigen wenigen Häusern an Platz fehlte. Zwey Schwestern gelangten zum erstmaligen Genuß des heiligen Abendmahls. Am Ostermorgen wurde die Gemeine mit Trompeten, Violinen u. Gesang geweckt, worauf die gewöhnlichen Versamlungen gehalten wurden. Unter andern war eine begnadigte Taufhandlung von 3 Erwachsenen u. einem [48] Kinde. Sonst feyerten auch heute die ledigen Schwestern ihr Chorfest, u. 2 Mädchen wurden unter sie aufgenommen.

D. 14tn erfuhren wir, daß 5 Europäische Boote voll Schiffsvolk hier bey der Colonie angekommen, u. zwar von einem Englischen Wallfischfänger genannt Succeß. Dieses Schiff war d. 12 Febr. von London abgesegelt, u. war nach Disco bestimmt, gerieth aber bey einem Nebel unter hiesige Inseln, blieb vest sitzen, u. ging so dann zu Grunde. Von 31 Mann waren 12 ertrunken, die übrigen retteten sich mit ihren nothwendigsten Sachen. In der Litaney am 15tn gedachten wir bey den Worten: Die mit Schiffen auf dem Meer fahren, erfahren deine Wunder – dieser armen Leute besonders. D. 18ten u. 19ten waren der Capitain, die zwey Steuerleute u. das übrige Volk von dem verunglückten Schiff bey uns auf einen freundschaftlichen Besuch. Wir bedauerten [49] nur, daß wir nicht mit ihnen reden konten. Ein Mohr oder Neger, den sie mithatten, war unsern Grönländern besonders merkwürdig, u. es kamen einige von den auswärtigen Plätzen expreß hieher, um ihn zu sehen. D. 20tn wurden alle unsre Brüder aufgefordert, die Sachen vom gestrandeten Schiff retten zu helfen, u. es blieb keiner zu Hause. D. 24ten erfuhren wir, daß unser alter Helfer-Bruder Benjamin in Kangek sehr krank sey, u. d. 26tn brachten sie, ehe wir es vermutheten, seine Leiche mit einem Boot, in Begleitung von 6 Kajacken, hieher. Nachmittags war das Begräbnis, welches besonders zahlreich u. feyerlich war. Dieser Heimgang ging uns sehr nahe, da Brüder von seiner Art unter uns nur selten werden, u. er seiner Nation besonders treu gedient hat. Er kam als ein Knabe mit seinen Eltern hieher zur Gemeine, wurde im Febr. 1745 getauft, u. gelangte im Merz 1749 zum heiligen [50] Abendmahl. Anno 1753 trat er zum ersten- u. anno 1781 zum andern mal in die Ehe. Er hatte den Heiland zärtlich lieb, und wes sein Herz voll war, des ging auch sein Mund fleissig über. Etliche u. 20 Jahre lang war er ein treuer und activer Nationalhelfer, u. bewies sich willig u. pünktlich, so oft ihm etwas zu thun aufgetragen wurde. Seinen Landsleuten die Gnade im Blute Jesu anzupreisen war ihm eine Gnade. Bey der Uebersetzung der Harmonie der 4 Evangelisten u. des Lehrbüchleins, wie auch bey Verfertigung des neuen Gesangbuchs, hat er nützliche Dienste geleistet; denn er hatte eine besondere Gabe, wenn er eine Sache recht gefaßt hatte, auch den dazu gehörigen Ausdruck in seiner Sprache zu finden. Sein Wandel war exemplarisch, und Grönländer u. Europäer konten nicht anders als ihm mit Achtung begegnen. Ueber die Abweichungen einiger seiner Mitgeschwister war er sehr betreten, u. man mußte ihm zureden, den Muth [51] nicht sinken zu lassen. Diesen Winter wohnte er bey einigen auswärtigen Geschwistern, u. hielt unter ihnen gute Ordnung. Die Gelegenheit zu seiner Auflösung war das Seitenstechen. Sein vergnügter Heimgang wird insonderheit seinen Hausleuten in lieblichem Andenken bleiben. Sein Alter kan man ohngefehr 60 Jahre schätzen.

Im Monat May waren viele Geschwister kränklich. Einige befürchteten, daß es wieder die böse ansteckende Krankheit seyn möchte, die vor einigen Jahren hier grassirte, u. die noch in Norden herumschleichen soll. Geschwister Meyers hielten sich eine Zeitlang in Pissiksarbik auf, zum Besuch der Geschwister, die daselbst auf dem Heringsfang waren. D. 4tn lief das nach Julianenhaab bestimmte Schiff hier ein, u. wir hatten die Freude, Geschwister Sörensens zu bewillkommen. D. 6ten lief auch das hieher bestimmte Schiff ein, und d. 7ten bekamen wir unsre diesjährigen Briefe. D. 10tn kamen Geschwister Meyers [52] von Pissiksarbik zurück. Einige von unsern dortigen Geschwistern sind vor kurzem heimgegangen, von denen uns die andern manches erfreuliche erzehlten. Der Witwer Barnabas, der viele Jahre in einem seligen Gang gewesen, zulezt aber in Versündigungen gerathen war, kam auf seinem Krankenlager zum Nachdenken über sich, redete sünderhaft mit Bruder Meyer aus, u. wendete sich zum guten Hirten, der ihn nun auch wird zu Gnaden angenommen haben.

Hiemit schliessen wir unser diesjähriges diarium, u. empfehlen uns dem treuen Andenken u. Gebet unsrer lieben Geschwister.

2.) Bericht der Geschwister Möhnes von ihrem Aufenthalt unter den auswärtigen Geschwistern in u. um Kangek.

D. 23 Oct. 1786 reisten wir von Neu-Herrnhut ab, u. kamen denselben Tag [53] an unserm Orte nahe bey Kangek, den die Grönländer Kigutelik nennen, an. Unser Flehen zu unserm lieben Herrn war, daß Er mit uns seyn, u. uns den hiesigen Grönländern wolle zum Segen seyn lassen. Es war uns nicht unbekannt, daß die meisten von den hiesigen Geschwistern durch die Zerstreuung gleichgültig gegen den Heiland u. die Gemeine geworden, u. manche auch in schlechte Umstände hineingerathen waren. Wir fanden nur die Helfer-Geschwister Simons mit ihrer Familie hier, die übrigen wohnten an 5 Orten zerstreut. Ich machte es daher zu meiner Hauptsache, sie so viel als möglich zu besuchen, so wie auch die an 3 Orten wohnenden Heiden. In unserm Grönländischen Häuschen richteten wir uns so gut ein, als wir konten. D. 25tn besuchte mich ein Heide, war sehr freundschaftlich, u. hörte aufmerksam zu, da ich ihm etwas [54] vom Heiland sagte. D. 27tn kamen einige Geschwister von Sarsuvik, welches der entfernteste Platz von uns ist, u. fragten, ob nicht bald Abendmahl seyn würde. Sie wurden auf den folgenden Tag bestellt. D. 28tn fanden sich noch mehrere herbey. Wir sprachen mit ihnen einzeln, u. fanden doch mehr erfreuliches u. tröstliches, als wir uns vorgestellt hatten. Abends hatten wir, 34 an der Zahl, den seligsten Genuß des Leibes u. Blutes Jesu im heiligen Abendmahl. D. 29ten hielt ich in Simons Hause eine Versamlung für die Kinder, wozu sich einige von Kangek u. auch von Sarsuvik eingefunden hatten. Ihre Gemüther waren ziemlich zerstreut, doch sassen sie ganz stille, u. hörten aufmerksam zu. Nachher sprachen wir mit einer ausgeschlossenen ledigen Weibsperson, die sich aber noch nicht sehr reuig bezeugte.

[55] D. 1 Nov. war ich in Kangek, hielt den Geschwistern eine Versamlung, u. ermunterte sie zu einem Kindern Gottes gemäßen Wandel. Nachher besuchte ich die hier wohnenden Heiden. Der Mann des Hauses, welcher zwey Weiber hat, ist ein Hexenmeister; sie versprachen wol sich zu bekehren; indeßen haben sie immer Entschuldigungen, warum es jezt noch nicht geschehen kan. D. 5tn besuchten uns viele Geschwister, u. wir hatten zusammen eine gefühlige Versamlung. D. 7tn besuchte ich die Geschwister in Sarsuvik, u. fand sie gesund u. wohl. Es halten sich hier 3 Matrosen auf, die mit großen Netzen über 80 See-Hunde gefangen haben, u. die in unsrer Versamlung aufmerksame Zuhörer waren. D. 8tn besuchte mich ein ausgeschlossener Abendmahls-Bruder, und bezeugte Reue über seine Vergehungen.

[56] D. 11ten war ich bey denen zunächst wohnenden Heiden, u. redete mit ihnen von der Bekehrung zum Heiland. Einige waren aufmerksam, andre aber sagten, sie hätten von solchen Dingen keinen Verstand; doch baten sie alle, daß ich sie mehr besuchen möchte.

D. 12tn besuchten wir beyde in Kangek. Viele, besonders junge Leute, fangen an krank zu werden, u. es wurde fleißig Medicin bey uns geholt.

D. 14tn hatte ich mit einem ausgeschlossenen Helfer eine gründliche Unterredung, konte mich aber über seinen Herzenszustand nicht sehr freuen.

D. 19tn meldete mir der Helfer-Bruder Benjamin in Sarsuvik, daß ihm der Heiland ein Töchterlein geschenkt habe, u. bat um die Taufe desselben. Ich ging am 20ten dahin, hielt den Geschwistern eine Versamlung, u. taufte das Kind mit Namen Sabina. D. 21tn wurde den Geschwistern der Abschnitt [57] von der heiligen Taufe aus der Idea fidei fratrum vorgelesen. Es war ihnen dieses Verlesen so angenehm, daß sie die Wiederholung desselben verlangten. D. 22ten mußte mit einer ledigen Schwester wegen ihres anstößigen Wandels nachdrücklich gesprochen werden; sie versprach, Beßerung. D. 26tn waren einige Heiden in der Versammlung aufmerksame Zuhörer. Ein ausgeschloßener Abendmahls-Bruder bezeugte sehnlich seinen Wunsch, wieder readmittirt zu werden. D. 27ten wurden alle, Getaufte u. Ungetaufte, zum Sprechen bestellt, wozu sie sich in den folgenden Tagen einfanden.

D. 1 Dec. waren wir beyde in Sarsuvik, u. unterhielten uns vergnügt mit den dortigen Geschwistern. Es war ihnen zum Wunder, daß eine Europäische Schwester zu ihnen gekommen war, da der Weg über einen hohen u. steilen Berg geht, u. daneben die See ist.

D. 3tn waren wieder einige Heiden in [58] der Versamlung. D. 5ten wurde mit einer ausgeschlossenen Witwe gesprochen; sie bezeugt aber noch keine Reue über ihre Vergehungen. Mehr Freude hatten wir über eine andre ebenfalls ausgeschlossene Witwe, die über sich zum Nachdenken kommt. D. 10ten musten wir eine ledige Schwester, die sich mit heidnischen Sachen abgegeben, vom Friedenskuß ausschliessen. Einige Heiden waren heute in der Versamlung. D. 11ten besuchte ich die benachbarten Heiden, von denen mir zwey Männer nicht ungeschickt zum Himmelreich zu seyn schienen. Da ich Abends nach Hause kam, überfiel mich auf einmal eine große Schwäche in allen Gliedern, ich bekam Kopfweh, Frost u. Hitze, u. musste mich gleich einlegen. Am 9ten Tage brach sich die Krankheit, so daß ich am 20ten wieder eine Versamlung halten konte. Zu den Weihnachtsfeyertagen waren einige Brüder in Neu-Herrnhut, [59] die übrigen Geschwister fanden sich bey uns so zahlreich ein, daß wir am 24ten das Liebesmahl in zwey Abtheilungen halten musten. Der Heiland war fühlbar in unsrer Mitte, u. man sahe bey einigen milde Thränen fließen. D. 25ten kam eine Witwe, die vorigen Sommer sich hatte verleiten lassen ein heidnisches Spiel mit zu machen, u. deswegen ausgeschlossen worden, u. sagte: ich fühle mich wie ein verlornes Schaf, das in der Irre geht, u. habe den Heiland gebeten, mir alles zu vergeben u. mir wieder zu erlauben Sein Fleisch u. Blut im heiligen Abendmahl zu geniessen. Es wurde herzlich mit ihr geredet.

In diesen Tagen wurden die Communicanten gesprochen, u. d. 27ten hatten wir das heilige Abendmahl. D. 28ten wurden die Geschwister in Kangek, u. auch an den andern Orten, öffentlich vor einem gewissen Verführer gewarnt, der oft in hiesige Gegend kommt, u. schon [60] manches Unglück angerichtet hat.

D. 29ten versamleten sich diejenigen Kinder, die am 24ten nicht hatten kommen können, u. hatten eine gesegnete Nachfeyer des Weihnachtsfestes.

D. 3 Jan. 1787 taufte ich ein Töchterlein der Geschwister Antons mit Namen Persida. D. 4ten hatten wir einen heftigen Sturm, so daß unsre Schlafstellen zitterten, u. wir uns kaum erwärmen konten. Am Heidenfest d. 6ten gedachten wir besonders der in dieser Gegend wohnenden Heiden, mit dem herzlichen Wunsch, daß auch sie ein Eigenthum Jesu werden mögen. D. 11ten kam ich von einem Besuch in Sarsuvik sehr abgemattet nach Hause, denn oft muste ich bis an den halben Leib im Schnee gehen, dann wieder über Berge steigen, die von Eis so glatt waren, daß ich oft hinfiel, u. dabey im Gesicht ein heftiges Stöberwetter ausstehen. Ich dankte dem Heiland sowol für seine Durch-Hülfe, [61] als auch für sein Bekenntnis zu meinem geringen Zeugnis von Ihm.

D. 19ten wurde in Sarsuvik der Bruder Philippus beerdigt, der nach einer dreytägigen Brustkrankheit selig entschlafen war. Seine Erklärung über seine Herzensstellung war uns besonders beym lezten Sprechen erfreulich gewesen.

Heute hatte ich auch eine Unterredung mit einem Heiden, der, wie es scheint, gern vom Heiland hört. D. 27ten wurden die Geschwister angelegentlich ermahnt, sich bey allen Vorkommenheiten kindlich an den Heiland zu halten. Es werden jezt viele krank an Brustkrankheiten, u. erholen sich davon sehr langsam wieder.

D. 31ten wurde mit einer ausgeschloßenen Getauften gesprochen, u. sie versprach sich aufs neue zum Heiland zu wenden. Auch wurde in diesen Tagen mit dem in Kangek wohnenden bekannten Hexenmeister nachdrücklich gesprochen, weil er sich unterstanden hatte eine von unsern Getauften zur Sünde verführen zu [62] wollen. Er gab klein zu, versprach alles Gute, u. seitdem hat man auch von dergleichen nicht mehr gehört.

D. 1 Febr. hatten wir die Freude, daß 4 Seelen von den hiesigen Heiden nach Neu-Herrnhut zogen, in der Absicht, sich zu bekehren. D. 7ten fand ich in Sarsuvik wenige zu Hause, weil bey gegenwärtiger hungriger Zeit alles auf Erwerbung ausgeht. Sie müssen sich jezt gröstentheils mit Muscheln u. Ulken[WS 3] durchbringen. Eine Witwe erfuhr beym fischen eine besondere Bewahrung, indem das Eis unter ihren Füssen einbrach, u. sie unter dasselbe gerieth; aber durch Hülfe einer andern Schwester, die ihr eine Fischschnur zuwarf, glücklich wieder herauskam. D. 18ten nahm der Heiland das Waislein Gregorius zu sich, ein liebes Kind, welches sein anhängliches Herz an den Heiland gefühlig darzulegen pflegte. Heute hörten wir zu unserm Schmerz, daß einige Geschwister, u. darunter [63] ein paar Communicanten, in Kangek sich verleiten lassen einer heidnischen Gauckeley beyzuwohnen, um Alken (eine Art Seevögel) herbey zu hexen; ja daß der ausgeschloßene Helfer Apollo an der ganzen Sache Schuld sey. Dieses u. mehrere schmerzliche Umstände bey einzelnen Seelen machen uns oft zu unserm lieben Herrn seufzen u. schreyen: Erbarme Dich über Deine arme Grönländische Gemeine, u. laß es dem Feind nicht gelingen sie aus Deiner Hand zu reissen. D. 7 Merz besuchten mich etliche Heiden, die am weitesten von uns wohnen, u. ich hatte mit ihnen eine angenehme Unterredung. Ueberhaupt hatte ich in diesem Monate öfters Gelegenheit mit Heiden zu reden. Einmal baten sie mich, ihnen mehr zu sagen, welches ich auch gern that. Etliche sagten, sie hätten so etwas noch nie gehört. D. 20ten fuhren Geschwister Simons mit ihrer Familie nach Neu-Herrnhut, [64] u. die andern fingen auch nach u. nach an von hier aufzubrechen. Wir blieben hier bis zum 2 April, worauf wir munter u. wohl wieder in Neu-Herrnhut ankamen.

Wir empfehlen zum Schluß die armen zerstreuten Grönländischen Geschwister dem besondern Gebet u. Andenken der Geschwister.


III. Von Antigoa.

Aus dem diario von Gracehill vom Ende Jul. 1786 bis Jun. 1787.

Den 30 Jul. gegen 2 Uhr des Morgens erhob sich ein harter Sturm, der unter beständigem Donnern u. Blitzen so zunahm, daß wir einen Orkan befürchteten. Der Helfer Jonas von Buckshorn kam in aller Frühe zu sehen, wie wir uns befänden. Die heutige Losung: „Ich will diese Stadt beschützen, daß ich ihr aushelfe um meinetwillen“ – war uns besonders [65] tröstlich, u. wurde auch an uns erfüllt. Da wir in einer Helferconferenz in diesen Tagen einige Verlegenheit über unsre Neger-Brüder in English-Harbour bezeugt hatten, so nahm der Helfer Jonas die Sache zu Herzen, u. so bald er ein wenig Zeit hatte, ging er hin, um daselbst u. in der Gegend zu besuchen. Der Heiland war mit ihm, daß er mit einigen herzlichen Ermahnungen weit mehr Eingang fand, als er erwartet hatte, selbst bey solchen, die ihm pflegten aus dem Wege zu gehen. Auf Freemanns, wo Gnade u. Liebe ziemlich durchgängig zu spüren ist, fand er 2 Abendmahls-Brüder in Uneinigkeit, die er nicht bedeuten konte. Das betrübte ihn sehr, u. er sagte ihnen, daß ehe der selige Gang auf der Estate durch ein solches schlechtes Exempel gestört werden solte, so solten sie doch lieber gleich beyde mit ihm nach Gracehill gehen. Das thaten sie, u. der Heiland gab Gnade, [66] daß alles beygelegt wurde.

D. 9 Aug. ließ es sich wieder zu einem Orkan an, u. wir machten alle erforderliche Anstalten. Des Wetters ohngeachtet fanden sich diejenigen Geschwister ein, die das nächste mal zum heiligen Abendmahl gelangen solten, u. wir hatten ein gesegnetes Sprechen mit ihnen.

D. 11ten überlegten wir mit den Helfern wie das Sprechen der Witwen u. Eheleute zu ihren bevorstehenden Chorfesten, zugleich mit dem Sprechen der neuen Leute u. Taufkandidaten am besten besorgt werden könte. Wir hatten gedacht das Sprechen der leztern für das mal ausfallen zu lassen; die Helfer sagten uns aber, daß sie dadurch gar sehr würden betrübt werden: u. so beschlossen wir mit Gottes Hülfe beydes zu besorgen. Heute besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace nebst ihrer alten Stiefmutter Abigail. Sie waren beyde vergnügt, nur bedauerten [67] sie, daß sie nicht nach Gracehill zum heiligen Abendmahl kommen könten. Die alte, die fast blind ist, war so erfreut, da sie Bruder Hofmanns Stimme hörte, daß sie gleich anfing mit großer Lebhaftigkeit vom lieben Heiland zu reden, so daß ihrer Tochter dabey die Thränen in die Augen kamen. Am 13 Aug. hatten wir in Gemeinschaft mit allen unsern lieben Brüder Gemeinen das heilige Abendmahl, welches 14 Neger-Geschwister zum erstenmal genossen. Aus Veranlassung der Geschichte dieses Gedenktages war hauptsächlich die Bruderliebe, als ein Hauptcharakter einer wahren Gemeine Jesu, das Objekt unsrer Unterredungen mit den Geschwistern.

D. 14ten wurde der Helferin Grace u. ihrer Mutter Abigail, auf ihr sehnliches Verlangen, ihr Antheil am heiligen Abendmahl von Bruder Hofmann gebracht. Es geschiehet dieses nicht für gewöhnlich, weil es in den wenigsten Neger-Häusern ohne Störung geschehen könte. Der Helfer Jonas, [68] Ehemann der Grace, hatte alles im Hause reinlich u. ordentlich gemacht, und wohnte nebst seiner Schwester der Handlung bey, wobey ein solches Gefühl war, daß kein Auge trocken blieb. 13 Geschwister, die gestern nicht hatten kommen können, empfingen ihren Antheil in der Communion-Liturgie. D. 18ten war Bruder Braun zu unserm Vergnügen bey uns. Es wurde unter den Geschwistern bald bekannt, u. Abends fanden sich so viele zur Versamlung ein, daß viele draussen stehen musten. Es war heute der Gedenktag, daß vor 4 Jahren der Grundstein zur hiesigen Kirche gelegt worden, in welcher Rücksicht Bruder Braun mit Angethanheit seines Herzens der Gemeine ihre Gnadenwahl zu Gemüthe führte. Das Gebet zum Schluß war mit vielen Thränen der Geschwister begleitet. Darauf war ein Liebesmahl mit unsern Helfern u. Dienern. Bruder Braun that an sie die Frage, ob sie glaubten, daß das Volk [69] noch in dem ersten Feuer der Liebe sey? Sie bejaheten es, u. versicherten, daß die Ursach, warum die Versamlungen jezt manchmal weniger als sonst besucht würden, in der überhäuften Arbeit u. dem Benehmen der weissen Leute zu suchen sey. D. 19ten lasen wir mit einander beym Frühstück das von Bruder Joseph zum Heidenfest verfertigte Lied. Die Beschreibung in demselben von dem Werke Gottes in Antigoa afficirte uns mit Freude u. Schaam, u. erregte manche herzliche Seufzer zum Heiland, daß Er ferner mit uns seyn wolle. Bruder Braun kehrte darauf nach S. Johns zurück. Der 20te war ein sehr geschäftiger Tag theils wegen Versamlungen der Erwachsenen u. Kinder (leztere hatten ihren Bettag) theils mit Sprechen der Witwer u. Witwen, theils mit Reparaturen unsrer Wohnungen, um sie noch beßer gegen Sturmwinde zu sichern, wobey die Neger-Brüder treulich halfen.

[70] Heute wurde der Bruder Salomon begraben. Es ist von ihm anmerklich, daß er gleich das erstemal, da er das Evangelium auf Bailyhill hörte, von demselben ergriffen wurde, u. seitdem unverrücklich am Heiland gehangen hat. Er wurde anno 1778 getauft. Er pflegte oft zu sagen: „Der Heiland ist vom Himmel gekommen, u. hat mich in der Wildnis aufgesucht. Er hat mich gefunden, nun laß ich Ihn nicht mehr gehen; ich armer Wurm habe Ihm sein Blut gekostet.“ Er war vielen Negern zum Segen, u. wurde auf seiner Estate durchgängig wie ein Vater geliebt u. geehrt. Er versäumte nicht gern eine Versammlung, ob er gleich wegen der Entfernung u. wegen seines Alters u. Schwachheit meist einen halben Tag dazu brauchte. Seit 5 Jahren war er von der Gicht so mitgenommen, daß er kaum Hand noch Fuß rühren konte; in seinem Herzen aber war er immer vergnügt. Er sagte: „Der Heiland ist mein Trost im Leben u. Sterben, ich warte auf Seinen Willen, [71] mit mir zu thun, wie es Ihm gefällt, bis Er mich zu sich nimt.“ Es war ein wahres Vergnügen ihn zu besuchen.

Ihm folgte noch heute die Schwester Rahel. Nach ihrer Erweckung u. Begnadigung (sie wurde anno 1778 getauft) ließ sie sich das Heil ihres alten, meist blinden u. erstaunlich unwissenden Mannes angelegen seyn; sie führte ihn nach Bailyhill, um das Evangelium zu hören, u. wenn die neuen Leute gesprochen wurden, brachten sie ihn auch zu uns. Er konte wenig verstehen, u. sie mußte es ihm dollmetschen. Nach u. nach wurde der arme Mann gefühlig, bekam ein Verlangen nach Gnade im Blute Jesu, wurde anno 1780 getauft, u. ging 1784 selig aus der Zeit. Seit der Zeit blieb sie eine treue u. selige Witwe. Dieses Jahr kam sie einmal zu uns, u. sagte: Ach ich bin schon so lange getauft, mein Herz ist ganz hungrig nach dem Heiland; hat Er dann nicht auch für mich [72] armen Wurm mehr Gnade! Sie sagte dieses mit Thränen; und bald darauf wurde sie Candidatin zum heiligen Abendmahl. Da sie krank wurde, sahe sie ihrem Ende mit Freuden entgegen.

D. 27tn feyerten wir das Chorfest der verwitweten Geschwister. Viele alte Mütter kamen weit aus dem Lande, um ihr Sprechen nachzuholen, welches ihnen sehr wichtig ist. Zur hiesigen Gemeine gehören 67 Witwer u. 203 Witwen; unter unsern Helfern, deren 17 sind, befinden sich ein Witwer u. 6 Witwen. Es war uns heute unter diesen mehrentheils sehr alten Vätern u. Müttern recht wohl. D. 2 Sept. verschied der Bruder William. Er war in der Englischen Kirche getauft worden. In der Folge verlor er sein Gesicht, u. das wurde die Gelegenheit, daß er den Heiland kennen lernte. Seine Frau, die nun auch zu unsrer Gemeine gehört, besuchte damals die Versamlungen des Herrn Gilbert; und da keine Mittel gegen die Blindheit [73] ihres Mannes anschlagen wolten, führten sie ihn in gedachte Versamlungen, mit vollem Glauben, daß ihm Gott helfen würde, wenn er Sein Wort hörte u. an Ihn glaubte. Herr Gilbert bestärkte sie beyde in diesem einfältigen Glauben, in sie wurden nicht beschämt, denn er bekam sein Gesicht wieder. Dieser Umstand machte einen großen Eindruck auf sein Herz, u. es lag ihm an, den Gott, der ihm so mächtig u. gnädig geholfen, näher kennen zu lernen. Er wurde mit den Neger-Geschwistern bekannt, fing an unsre Versamlungen zu besuchen, u. wurde 1783 in die Gemeine aufgenommen. Seine langwierige Krankheit war eine selige Schule für sein Herz. Kurz vor seinem Heimgang ließ er einen Helfer u. andre Brüder zu sich rufen, u. bat, daß man einige Verse aus dem Gesangbuch lesen oder singen möchte, und als ein Bruder den Vers las: Christi Blut u. [74] Gerechtigkeit p. sagte er (mit einem Gefühl, daß alle Anwesende ganz angethan waren): damit will ich vor dem Heiland bestehen als ein armer Sünder. Bald darauf verschied er. D. 3tn hatten wir unsern Bettag. 23 Personen wurden getauft, u. 3 wurden in die Gemeine aufgenommen, 29 kamen unter die Taufkandidaten. Von leztern waren nicht alle hier (wie dann überhaupt wegen des unaufhörlichen Regens mit Donner u. Blitz heute weniger Leute hier waren, als sonst an Bettagen gewöhnlich ist) aber es wurde ihnen von den andern bald bekannt gemacht. Denn diejenigen, die zusammen zu einer u. der andern Gemeingnade gelangen, sehen sich für näher verbunden an als natürliche Anverwandte. Wir mußten heute die Versammlungen etwas abkürzen, damit die Neger beyzeiten nach Hause kommen möchten. D. 5ten fingen wir an, die Eheleute paarweise [75] zu sprechen, u. waren die ganze Woche damit beschäftiget. Die Ehepaare unter den Negern wohnen oft weit auseinander, u. dienen verschiedenen Herrschaften; aber sie redetens mit einander ab, wie u. wenn sie zugleich hier seyn könten. Oft konte es nicht anders als spät in der Nacht seyn. Die Schwester Watson war in diesen Tagen sehr krank an der Ruhr, weswegen wir uns an unsern alten Freund Herrn Baily wendeten, der uns auch gute Dienste that.

D. 10ten feyerten wir das Chorfeste der Eheleute. Bis Mittag hatten wir noch volle Arbeit mit dem Sprechen. Es ist ausserordentlich, wie die Neger-Geschwister dieses Sprechen lieben, u. sie sind dabey so offenherzig, daß wenige seyn werden, die wir bey der Gelegenheit nicht gründlich kennen lernen. Freude u. Leid wechseln dabey ab, doch ist die Freude überwiegend. Wir hörten z. E. solche Aeusserungen: „Ach welche Seligkeit [76] ist es, in den Wegen Gottes zu wandeln, seitdem das Evangelium im in das Land gekommen ist, u. der Heiland uns aus der Finsternis der Sünde geführt, u. uns hat Gnade widerfahren lassen! Wir sind zu schlecht, u. der Heiland ist so gut, daß Er für uns arme Sünder gestorben ist. – Nichts soll uns von Ihm scheiden, so lang wir Othem haben, auch nicht uns von einander. Wenn mich mein Herr nicht in ein anderes Land verkauft, so will ich meine Frau, oder sie soll mich begraben. Niemand soll uns scheiden als der Heiland, wenn Er eins von uns zu sich nehmen will. Wir haben bey der Taufe dem Heiland versprochen treu zu seyn, u. haben dieses auch einander versprochen, da wir uns in der Kirche die Hand gaben, u. zu unsrer Ehe gesegnet wurden. Der Heiland ist unser Zeuge, u. wird uns auch bewahren.“ So wohl uns nun war bey diesem Sprechen, so [77] sahen wir uns doch genöthigt damit abzubrechen, um doch einige Zeit zu den Versamlungen zu gewinnen. In der ersten empfingen 30 Paare den Segen der Gemeine zu ihrer hinführo christlichen Ehe. Darauf war ein Liebesmahl (das erste von der Art hier in Gracehill) mit sämtlichen ganzen Paaren, von denen sich über 200 hier eingefunden hatten. Etwa 40 hatten nicht kommen können. So dann hatten sie eine Homilie, zu deren Schluß, da über sie gebetet wurde, viele Thränen vergossen wurden. Es war überhaupt ein wahrer Segenstag.

Die Schwester Watson war noch immer sehr krank. Herr Baily besuchte sie, bediente sie mit Arzney, u. begab sich sogleich wieder weg. Ich sehe, sagte er, daß sie heute viel zu thun haben, u. ich will auf keine Weise stören. D. 12tn wurde sie etwas beßer, aber d. 14ten bekam Bruder Watson u. auch unsre Negerin Mary einen Anfall von derselben Krankheit, [78] der sich jedoch bald wieder gab.

Am vorigen Sonntag war das Ehechorfest nur mit den ganzen Paaren gefeyert worden. Nun wurde der 17te für diejenigen zu einem Lehrtag angesezt, die noch ungetaufte Ehegatten haben, u. für die Brüder, die mehr als eine Frau haben. Das Sprechen mit leztern war wol nicht so angenehm, als mit jenen; indessen liegt es ihnen gröstentheils an, dem Heiland auch in ihrem Grade zur Freude zu werden. Viele sind verlegen, daß sie mehr als eine Frau haben, und wenn es auf sie ankäme, so würde mancher die eine entlassen; wir sagten ihnen aber, daß wir dazu keine Anweisung in Gottes Wort hätten, es stünde viel mehr ganz klar darinn, daß der Mann sich von seinem Weibe nicht scheiden solle, ausser wegen Ehebruchs. (Es ist hier die Rede von solchen Männern, die vor [79] ihrer Taufe schon zwey Weiber hatten. Wenn jemand nach seiner Taufe noch eine zweyte Frau nehmen wolte, so würde er von der Gemeine ausgeschlossen werden. Nach der Vorschrift Pauli wird kein Bruder, der zwey Weiber hat, so lange beyde am Leben sind, als Helfer oder Diener in der Gemeine angestellt). Mit diesen Geschwistern nun hielten wir am 17ten eben solche Versamlungen, wie am 10ten mit den andern Eheleuten geschehen war. Es gehören zu unsrer Gemeine 126 Brüder, die ungetaufte Weiber, u. 125 Schwestern, die ungetaufte Männer haben. Brüder mit zwey Männern Weibern sind 43, u. von diesen Weibern sind 62 getauft. D. 18ten hatten wir eine vergnügte Helferconferenz, u. freueten uns, so viele liebliche Aeusserungen von dem Segen zu hören, den die Geschwister durchgängig von den lezten Festtagen gehabt haben. D. 19ten war [80] Bruder Watson wieder sehr krank an der Ruhr, aber seine Frau war ziemlich wieder hergestellt. Herr Baily besuchte uns fleißig u. mit Nutzen, so daß sich Bruder Watson am 22ten wieder zu erholen anfing. Heute verschied die Schwester Frances. Von ihrer Taufe an (anno 1782) blieb sie der empfangenen Gnade treu, u. ihr Wachsthum in derselben u. in der Erkenntnis war sichtbar. Nach einer langwierigen Krankheit vor einiger Zeit war ihr erster Gang hieher in die Kirche. „Ach, sagte sie, ich bin nicht werth in das Haus Gottes zu treten; ich muß aber kommen, u. dem Heiland, der so große Barmherzigkeit an mir gethan, Dank bringen, u. verlange noch mehr Segen in Seinem Hause zu geniessen.“ Zu Ostern wurde sie Candidatin zum heiligen Abendmahl, zu ihrer sehr grossen Freude. Sie wurde dem Leibe nach immer schwächer, aber in ihrem Herzen immer vergnügter, u. sie [81] war ganz darauf gestellt, nun bald zum Heiland zu gehen. Ihr Mann, ein Abendmahls-Bruder, pflegte sie mit besonderer Treue. Ihr Meister wolte keine Bretter zu einem Sarge für sie hergeben, sondern sagte zu ihrem Manne, er solle ein Loch in der Erde machen u. sie so geschwind als möglich verscharren. „Nein“, sagte dieser, „so begräbt man Hunde. Wir armen Neger haben auch wie die Hunde gelebt, ehe wir etwas von Gott wußten; meine Frau ist aber als eine Christin gestorben, u. hat den Heiland lieb gehabt. Den Sarg will ich selber machen; und sobald meine getaufte Brüder u. Schwestern Zeit haben, soll sie ordentlich begraben werden.“ Bruder Hofmann hielt das Begräbnis. D. 26ten kamen sehr viele Abendmahls-Geschwister zum Sprechen, wozu ihnen der große Gerichtstag (dem viele weisse Leute beywohnen musten) sehr günstig war. D. 27ten, da wir [82] eben zu Bette gehen wolten, kam ein Ehepaar, beyde Communicanten, u. bereueten sehr, daß sie durch ihr unfriedliches Leben sich schon zweymal des heiligen Abendmahls verlustig gemacht, u. sagten, sie könten es nicht länger ausstehen, wenn sich der Heiland ihrer nicht wieder erbarmte. Wir hatten lang auf einen solchen günstigen Augenblick gewartet, ihnen zu Herzen zu reden; aber sie zum heiligen Abendmahl wieder zu nehmen, hatten wir nach gehöriger Ueberlegung noch keine Freudigkeit. Beym diesmaligen Sprechen der Communicanten fanden wir, daß die neuerlich gefeyerten Chorfeste nebst dem vorgängigen Sprechen zu denselben, viele gründliche Selbstprüfungen veranlaßt hatten, u. wir fanden die Herzen auch in Ansehung des heiligen Abendmahls vergnügter u. heiterer. Ein armer alter Mann mit grauen Haaren, der vor Schwäche zittert, u. nicht [83] mehr grade gehen kan, kam d. 30ten einen weiten Weg her, u. freute sich wie ein Kind, daß er die Gnade haben solte, zum erstenmal zum heiligen Abendmahl zu gehen. „Ach“, sagte er, „ich armer Wurm freue mich; das ist es, warum ich den Heiland gebeten habe: ich werde nicht lange mehr leben, ich eile zum Heiland, ich hatte nur noch verlangt Ihn im heiligen Abendmahl zu geniessen; nun kan Er mich zu sich rufen, wenn Er will.“

D. 1 Oct. hatten wir mit unsrer Neger-Gemeine das heilige Abendmahl. 20 Geschwister genossen es zum erstenmal, denen gröstentheils die ganze Zeit über kein Auge trocken blieb, besonders einem Treiber, welches bey dieser sonst rauhen Art von Leuten ein seltenes Exempel ist. Wegen der jezt grassirenden Krankheiten fehlten diesesmal mehrere als gewöhnlich; sie hatten sich aber der Gemeine ins Andenken empfohlen, u. wir gedachten ihrer bey dem Liebesmahl [84] gemeinschaftlich vor dem Heiland, daß Er dieser Kranken als Seiner Geliebten pflegen wolle. D. 2ten kam ein Ausgeschlossener auf zwey Krücken zu uns. Er hatte voriges Jahr das Unglück gehabt, in einen Kessel kochenden Zuckers zu fallen, u. war dadurch in die elendesten Umstände gerathen. Dieses hatte ihn auf sein Herz wieder gebracht, so daß er um Gnade u. Vergebung verlegen war, u. wir konten herzlich mit ihm reden. D. 7ten verursachte ein zweystündiger ungemein heftiger Platzregen einen sehr großen Schaden auf vielen Zuckerfeldern. Den armen Negern auf Jumbles u. Richmond wurde ihre erst kürzlich gepflanzte Provision ganz weggeschwemmt. Unsre Baumwolle-Plantage blieb vermittelst eines Abzugs unbeschädigt. Wir haben dieses Jahr mehr Baumwolle gepflanzt, als unser einziger Neger mit jäten u. s. w. zu bestreiten im [85] Stande ist; und ein paar Acker unsers Landes sind noch immer unbebaut. Bruder Hofmann besuchte auf Verlangen eine kranke Schwester auf Matthews. Sie war ihrem Heimgang nahe, u. sagte, daß sie für ihre Person fertig sey, u. sich freue zum Heiland zu gehen; daß aber ihr Pflegekind (die Sally, unsers Negers Joe Frau) ihr wie ein Stein auf dem Herzen liege, weil sie den Heiland nicht liebe (sie kommt wol zur Versamlung, ist aber noch ohne Gefühl). Bruder Hofmann wies ihr an, diese Sorge auf den Herrn zu werfen, der allein das Herz ändern könne, u. jezt nur ihre eigne Seligkeit wahrzunehmen, welches sie zu thun versprach. Eine andre kranke Schwester wurde ebenfalls besucht, u. in einer seligen Herzenssituation gefunden. Verschiedene alte u. lahme umgaben dabey den Bruder Hofmann, mit denen er sich herzlich unterredete.

D. 9ten wurde Anthony begraben. Er [86] war im Nov. 1782 getauft worden. Wegen seiner großen Unwissenheit kam man beym Sprechen mit ihm oft in Verlegenheit, ob es bey ihm nur an der Sprache, oder aber an dem wahren Leben aus Gott fehle. Da die Geschwister neulich paarweise gesprochen wurden, ließ Bruder Watson ihm jedes Wort von seiner Frau wiederholen. Die verstand er recht gut, u. sagte, seine Ohren wären zu dicke, die guten Worte zu hören; aber er dächte an nichts als an den Heiland, u. danke Ihm, daß Er ihn aus dem wilden Busch in den rechten Weg gebracht habe. Dieses war das lezte, was wir von ihm gehört haben, u. wir konten seinetwegen getröstet seyn. D. 18ten besuchte Bruder Hofmann viele Kranke. Auf einer Estate mußten die Geschwister ermahnet werden, sich der Kranken mehr als bisher anzunehmen. Auf andern Estates ist diese Sache in einem gesegneten [87] Gange. D. 22ten hatten wir eine lange u. lebhafte Helferconferenz wegen der neuen Leute u. Taufkandidaten. Es waren dieses mal nicht so viele wie sonst zum Sprechen gekommen, welches wir den vielen Krankheiten, der Hungersnoth u. der harten Arbeit zuschreiben musten. D. 23ten besuchte Bruder Hofmann einen kranken Bruder, der zwar frey aber übler dran ist als ein Sklave, denn für diese sorgen doch die Herren, daß sie Medicin bekommen. Er sagte: „ich habe keinen Doctor, u. auch kein Geld, einen zu bezahlen; der Heiland allein ist mein Doctor, auf Ihn vertraue ich allein; und gibt Er mir nur bald wieder so viel Kräfte, daß ich in die Versammlungen gehen kan, so will ich Ihm danken; denn wenn ich lange nicht in der Versammlung gewesen bin, so fehlt mir etwas.“ Bey diesem Bruder findet man gar nichts von dem hoffärtigen Wesen, das [88] den freyen Negern sonst eigen ist, sondern er hat ein sehr weiches u. gefühliges Herz. D. 25tn regnete u. stürmte es den ganzen Tag, aber dem ohngeachtet fanden sich über 30 Taufkandidaten zu ihrer Klasse ein, von denen einige sehr um die Gnade des Heilands verlegen sind, u. jezt viele Thränen vergossen. Sonst hatten wir die Zeit her bemerkt, daß die Versammlungen ins ganze weniger als sonst besucht wurden, u. waren verlegen, ob nicht ausser den bereits angeführten Verhinderungen auch Gleichgültigkeit daran Schuld seyn möchte. Davon redeten wir ausführlich in der Helferconferenz am 26ten. Sie erzehlten uns viel von den gegenwärtigen gedrückten Umständen des Volks wegen harter Arbeit, Hungersnoth u. der beständigen Gefahr, daß ihnen noch ihr weniges gestohlen wird. Ein alter Bruder sagte, daß so alt er auch sey, er noch nie eine solche harte Behandlung der Neger erlebt habe, als [89] jetzo. Wenn die armen Leute nicht Trost am Heiland hätten, so würden sie es nicht aushalten können; und dieses ist gröstentheils eine Folge von der Feindschaft der weissen Leute gegen das Evangelium. Das Mitleiden gegen unser armes Volk wurde uns heute besonders nahe gelegt, da eine liebe Helfer-Schwester eben deswegen nicht zugegen seyn konte, weil sie ganz unschuldiger weise jämmerlich zerpeitscht worden war.

D. 27tn taufte Bruder Watson auf Verlangen ein krankes Kind auf Johnsons, in Gegenwart von 20 Alten u. Lahmen, denen diese Gelegenheit, ein Wort vom Heiland zu hören, besonders wichtig war. Die hiesigen Leute leben in erstaunlicher Furcht vor ihrem harten Verwalter. D. 29tn war unser Bettag. Einer von den Täuflingen, deren heute 19 waren, war schon seit 11 Jahren Candidat dazu, hatte aber erst seit 7 Monaten wieder angefangen um seine [90] Seligkeit bekümmert zu werden. Er sagte: Nun erkenne ich meine Thorheit, und daß ich ein großer Sünder bin. Ich sehe, daß mich der Heiland nicht wegwirft, u. ich bitte Ihn von ganzem Herzen mir alle meine Sünden zu vergeben, u. mich zu Seinem Eigenthum anzunehmen. Während der Taufhandlung wurden viele Thränen vergossen. 4 Personen wurden in die Gemeine aufgenommen, u. 22 kamen unter die Taufkandidaten. Abends gegen 7 Uhr sezten wir uns zum Mittagsessen, denn den Tag über war keine Zeit dazu. D. 31ten beschlossen wir für dasmal die Orkanzeit, herzlich dankbar gegen den Heiland, daß uns über Erwarten so gnädig durchgeholfen worden. D. 1 Nov. hatten wir einen angenehmen Besuch von unsrer Schwester, der Frau Skennel, die Gracehill noch nie gesehen hatte. [91] Ihre treue Hülfe vor einigen Jahren, da wir in Bailyhill gröstentheils sehr krank darnieder lagen, wird uns unvergeßlich bleiben. Zur Klasse der Getauften am 2ten kamen die Neugetauften in ihren weissen Taufkleidern, u. waren sehr vergnügt. D. 4ten verschied die Schwester Eva. Sie war anno 1779 getauft worden, u. gelangte 1782 zum heiligen Abendmahl. Sie hatte etwas sehr lebhaftes, u. nachdem sie selbst Gnade erfahren, war sie gern beförderlich, daß auch andre derselben theilhaftig werden möchten, wozu sie bey Bedienung der Kranken gute Gelegenheit hatte. Sie gewann auch ihren Mann für den Heiland, der nun ein Abendmahls-Bruder ist. Sie war sehr beliebt, zumal auch bey den Kindern, von denen man immer ganze Haufen bey ihrem Hause sahe. Gleichwol waren wir bedenklich sie als Helferin anzustellen, so gut auch ihre Gaben dazu [92] zu seyn schienen, weil sie sich doch ein u. andermal zum Trunke hatte verleiten lassen. Es gereichte ihr dieses zur Demüthigung, u. sie wurde von Herzen darüber Sünder. Kurz vor ihrem Ende erklärte sie sich sehr gefühlig u. sünderhaft über die große Gnade des Heilands. Am Kinderbettag d. 5tn verlangten 30 Mütter von den neuen Leuten, mit ihren Säuglingen eine besondere Versamlung; womit ihnen auch gern gedient wurde. D. 7tn hatten wir eine Streitigkeit zwischen 3 Geschwistern von Rockhill abzuthun, wozu der Heiland auch Gnade gab. Eine Schwester, die auf dieser Estate so gut wie eine Helferin ist, hatte sich vergebliche Mühe darum gegeben, u. sagte nun (denn sie war mitgekommen): Der Heiland sey gelobt; ich sahe wohl, daß ich armes Ding nichts ausrichten konte, und daß des Heilands Gnade erst die Herzen weich [93] machen muß: dieser Abend reuet mich nicht; nun laßt uns in Seiner Liebe bleiben u. s. w. D. 9ten mußte sich die Schwester Hofmannin wegen eines Schadens am Knie einlegen. Ihr Mann hatte die Zeit her an Beulen viel zu leiden gehabt; u. so sind wir alle, auch unser Neger u. unsre Negerin, seit kurzem krank gewesen, u. sind es zum Theil noch. Herr Baily bedient uns dabey treulich, u. zwar unentgeldlich.

D. 13ten war ein heftiges Gewitter, welches an 3 Orten in unsrer Nachbarschaft einschlug. Viele Geschwister waren grade auf dem Weg hieher, einige kehrten ganz erschrocken zurück, andre kamen durchaus naß herauf zur Versamlung. D. 14ten ging das Sprechen der Getauften an. D. 15tn begrub Bruder Watson auf Matthews eine Getaufte Namens Frances. Sie war ein Object des grösten Mitleidens wegen einer so schlechten Krankheit, daß es fast unausstehlich war um sie zu seyn. [94] In diesem Zustand wurde sie anno 1780 von Bruder Watson in ihrem Hause getauft, weil es wegen ihres Aussatzes in der Kirche nicht wohl anging. Sie kam doch zuweilen zu uns, besonders in der Sprechzeit, u. hielt sich mit alle ihrem Elend kindlich u. gläubig an den Heiland. Diese ganze große Estate, Matthews, wird nun in den Zeitungen, im Ganzen u. in einzelnen Stücken zum Verkauf angeboten. Vor 7 Jahren würden wir uns über eine solche Offerte gar sehr gefreut haben, weil wir dorten wohlfeiler hätten bauen können, als hier; wir suchten auch damals ein Stückchen Land auf dieser Estate, aber vergeblich. Zur Anlegung eines dritten Missions-Etablissements aber ist diese Estate nicht dienlich, weil sie zu nahe an Gracehill gelegen ist.

D. 18ten hatten wir einen angenehmen Besuch von Bruder Braun zu Bruder Watsons Geburtstag, u. Abends hielt er mit den Helfern u. Dienern ein vergnügtes [95] Liebesmahl. Wir erinnerten uns, daß vor 12 Jahren Geschwister Englers nach Bailyhill gezogen, u. heute die erste Versamlung daselbst gehalten worden, bey welcher Gelegenheit wir uns umständlich von der damaligen Erweckung unterhielten. Mehrere Geschwister erklärten sich, daß sie sich jetzo beßer kennen lernen, als damals, u. daß es ihnen anliege, in der Erkenntnis Jesu zuzunehmen. Es waltete unter uns dabey ein besonders seliges Gefühl. D. 19ten verbrachte Bruder Braun den ganzen Sonntag bey uns, u. hielt alle Versamlungen, zur besondern Freude der Geschwister. Nach der Helferconferenz hatten wir weisse Geschwister noch eine besondere Conferenz, in welcher die Vermehrung unsrer Helfer u. Diener, von denen verschiedene theils alt u. schwach sind, theils durch ihren Sklavendienst zu sehr eingeschränket werden, daß sie ihr Amt nicht gehörig wahrnehmen können, in Ueberlegung [96] genommen wurde. Zu neuen Helfern wurden ein Bruder u. 3 Schwestern, u. zu neuen Dienern ein Bruder u. eine Schwester ernannt. D. 20ten kehrte Bruder Braun nach S. Johns zurück. D. 21ten hatten wir einen freundschaftlichen Besuch von zweyen Verwaltern. D. 22tn kamen viele Abendmahls-Geschwister zum Sprechen, unter andern ein Bruder, der neulich zu einem Diener ernannt worden. Da ihm dieses gesagt wurde, u. wie er dieses Amt anzusehen habe, brach er in Thränen aus. „Ach“, sagte er, „ich bin nicht werth ein Abendmahls-Bruder zu seyn, u. ich dachte, ich würde nie zu dieser großen Gnade gelangen; u. nun soll ich auch die Gnade haben, dem Heiland in seiner Gemeine zu dienen. Ich will es von ganzem Herzen thun; ich gebe mich dem Heiland ganz hin, und weiß nicht, wie ich Ihm genug danken soll für seine Liebe u. Gnade gegen mich elenden Sünder.“ Auch den 24ten [97] verbrachten wir mehrentheils mit dem Sprechen, bey welcher Gelegenheit denen, die zu Helfern u. Dienern bestimmt worden, ihr Ruf bekannt gemacht wurde. Unter diesen war auch unsre eigne Negerin Mary als eine Dienerin. Alle nahmen es mit Thränen u. tiefer Beugung an. Ein Bruder sagte: Es ist gar nichts gutes an mir; ich weiß, ich habe den Heiland gar oft betrübt, u. verdiene nicht die Gnade, die ich von Ihm empfangen, vielweniger diesen Ruf zu einem Helfer. Er gebe mir seine Gnade, daß ich Ihm nie zur Unehre werde.

D. 25tn besuchte Bruder Hofmann auf Verlangen ein fünfjähriges krankes Kind von ein paar Abendmahls-Geschwistern. Diesen Geschwistern liegt das Heil ihrer Kinder so sehr an, daß wir uns von Herzen freuen würden, wenn wir es so bey allen unsern Neger-Geschwistern sähen. Nach einer herzlichen Unterredung mit Eltern u. Kinde wurde lezteres mit Namen Rebekka [98] getauft, im Beyseyn vieler Geschwister. Den Eltern wurden während der Handlung die Augen nicht trocken. Die Helferin Nancy führte den Bruder Hofmann zu verschiedenen Kranken auf der Estate, denen er zum Trost u. Segen war. Abends gingen wir den Catalogum der in dieser Woche gesprochenen Abendmahls-Geschwister durch; unsre Herzen waren eines theils mit wahrer Freude u. Dank gegen den Heiland erfüllt über den Gnadengang der Geschwister, bey allem Druck von aussen, u. allen Gebrechen von innen; aber bey manchen nahmen wir Anstand, ob wir sie zum heiligen Abendmahl könten gehen lassen. Einige von leztern fanden sich nochmals ein, erkannten ihre Fehler, u. baten um Vergebung. Am Abendmahlstage d. 26tn hatten wir noch mit vielen zu sprechen. Ein Bruder kam zu Bruder Watson in seinen schlechten zerrissenen Arbeitskleidern, u. auf die Frage, warum er sich heute nicht rein anzöge? sagte er: „Ich muß [99] erst kommen, u. dem Heiland u. meinen Lehrern danken, ehe ich mich anziehen kan. Der Heiland ist zu gut (hier fiel er auf die Knie) gegen mich armen, elenden u. hartnäckigen Sünder; 3 Jahre konte ich nicht zum heiligen Abendmahl gehen aus eigner Schuld, u. doch wirft Er mich nicht weg, sondern will mich wieder anblicken. Was ich vor 2 Tagen gehört habe, daß mich der Heiland wieder zu seinem heiligen Tisch ruft, ist mir so zu Herzen gegangen, daß ich kaum mit jemand anders als dem lieben Heiland habe ein Wort reden können.“ Beym Liebesmahl wurde der Gemeine ein Gruß von der Unitaets Aeltesten Conferenz ausgerichtet, u. gesagt, wie sehr es diesen Brüdern anliege, daß sie in der Gnade u. Erkenntnis Jesu wachsen u. zunehmen möchten. Die Geschwister bezeugten, daß dieses auch ihr Wunsch wäre, u. baten die lieben Brüder wieder zu grüßen, u. ihnen für ihre Liebe zu danken. Dann wurden der Gemeine die 4 [100] neuen Helfer u. 2 neuen Diener bekannt gemacht, u. zu herzlicher Liebe empfohlen. Das heilige Abendmahl genossen 13 Geschwister zum erstenmal. D. 28tn besuchte Bruder Hofmann viele Kranke, die durch ihr Vertrauen u. Liebe zum Heiland ihm viele Freude machten. Nur eine Schwester äusserte sich, daß er den Heiland für sie um ein längeres Leben bitten möchte, da sie nun schon so lange krank gelegen. Er bezeugte seine Verwunderung über diesen Wunsch, u. wies ihr an, daß sie den Heiland selber um ein seliges Herz bitten, u. alles übrige Ihm überlassen solte. Unter andern besuchte er zwey Personen, die gar nicht mehr hieher kommen können, die aber in einer sehr seligen Herzenssituation sind; der einen stehen gleich die Thränen in den Augen, so bald sie etwas vom Heiland hört. Er sahe auch einen kranken Bruder, den man niemals über seine Armuth (die äusserst groß ist) klagen [101] hört; er weiß von nichts zu reden als von dem Trost, den er am Heiland genießt. D. 29ten besuchte die Schwester Watson die kranken Schwestern, unter andern die Helferin Grace, zu ihrem besondern Trost. D. 30ten wurde die Schwester Martha begraben. Sie blieb der in der heiligen Taufe (anno 1785) empfangenen Gnade treu, obgleich ihre Verwandte nicht ihres Sinnes waren. Sie hatte ein großes Verlangen nach mehrern Gemeingnaden, u. wir dachten auch an sie in der Absicht, aber der Heiland eilte mit ihrer seligen Vollendung. D. 1 Dec. kam ein Bruder, den wir wegen seiner schlechten Aufführung das vorige mal vom heiligen Abendmahl zurückgewiesen hatten, u. der damals keine Schuld bey sich finden konte. Nun hatte er alle, die er beleidigt hatte, um Vergebung gebeten, u. bat jezt, daß wir ihm auch vergeben möchten. Diese Veränderung war uns um [102] so lieber, da dieser Bruder ehemals in seinem einfältigen Gang vielen Seelen zum großen Segen gewesen. Dagegen wurden wir betrübt, daß ein paar Eheleute, die vorigen Sonntag mit beym heiligen Abendmahl gewesen, schon heute Klage gegen einander führten, u. nicht zu bedeuten waren. D. 2ten besuchte uns Herr Baily, u. freute sich, die Schwester Hofmann, in deren Schaden am Knie er zwey Incisionen hatte machen müssen, nun ausser Gefahr zu finden. Er ist während unsern zeitherigen Krankheiten, so oft er Gefahr sahe, alle Tage bey uns gewesen. Wie groß diese Wohlthat ist, kan man daraus ersehen, daß ein jeder Besuch von einem Doctor hier zu Lande 30 hiesige Schillinge (etwa 6 Reichstaler Sächßische) kostet, u. die geringste Medicin sehr hoch angesezt wird. Herr Baily schrieb uns einmal, da wir ihm Bezahlung anboten: „Ich wünschte, [103] daß ich mehr für sie thun könte; was meine Dienste betrift, so ist es mir genug, wenn Gott seinen Segen dazu gibt.“ D. 4ten wurden die neuen Helfer u. Diener in ihre Conferenz eingeführt. Es hatten sich zu unsrer Freude alle unsre Helfer- u. Diener-Geschwister bis auf zwey Kranke dazu eingefunden. Nach einer kurzen Rede des Bruder Watson davon, welche große Gnade es sey, wenn man von dem Heiland gewürdigt wird, auf irgend eine Weise in Seinem Hause zu dienen, wurden die neuen Helfer u. Diener gefragt, ob es ihr ganzer Sinn sey, mit Demuth u. Treue sich dem Dienste des Heilands unter ihrem Volke zu widmen? welches sie einstimmig bejaheten. Unter dem Gesang des Verses: Hier ist die Hand, Herr, hilfs uns thun p. gingen sie herum (die Brüder bey den Brüdern u. die Schwestern bey den Schwestern) u. gaben erst uns, u. dann den übrigen Helfern [104] u. Dienern die Hand darauf, u. wurden zugleich mit dem Friedenskuß empfangen. Darauf fielen wir auf die Knie, aber die Thränen unterbrachen die Worte, so mächtig fühlten wir das Bekenntnis des Heilands zu dieser Gesellschaft Seiner Diener aus dem Negervolk. Sodann wurde das Schreiben des Bruder Johannes an die Helfer u. Diener in Antigoa nochmals gelesen, wie auch die Antwort des Bruder Josephs auf ein Schreiben des Helfers Cornelius in St. Thomas, durch welche beyde Stücke sie die Instruction zu ihrem Amte aufs lieblichste erneuert bekamen. Wegen des neuen Zuwachses hatten wir ein neues Arrangement wegen der Besuche auf den Estates gemacht, welches nun den Geschwistern bekannt gemacht wurde. Eine Schwester fragte an, ob wir etwas dagegen hätten, wenn sie beym Besuchen gehen manchmal [105] auch eine andre Person von der Gesellschaft mit dazu nähme? Wir sagten, daß wir uns vielmehr darüber freuen würden, vorausgesezt, daß alles dabey ordentlich zuginge, u. niemand darüber seine eigentlichen Besuchsplätze versäumte. Es war überhaupt ein solches Leben unter unsern Helfern u. Dienern wahrzunehmen, daß wir uns von Herzen darüber freuen konten. D. 9ten nahm eine Schwester Namens Mariana sehr betrübt Abschied von uns, weil sie auf Ordre ihres Herrn auf die Spanische Insel Trinidad ziehen muß. Wir gaben ihr einen Taufschein mit, u. empfahlen sie der Gnade Gottes. D. 10ten fanden sich viele Kinder (ob es gleich nicht ihr Bettag war) ein, um Weihnachtsverse zu lernen. D. 11ten waren unsre Helfer wieder beysammen. Die neuangestellten hatten aus Blödigkeit ihre Besuche [106] noch nicht angefangen, u. baten, daß vorerst einige von den alten Helfern mit ihnen gehen möchten, bis sie die Leute kennen lernten. D. 12tn wurde der Bruder Richard, des Helfers Jonas leiblicher Bruder, begraben. Er war ein geschickter u. arbeitsamer Neger, u. viele Jahre ein Haupttreiber. Um doch auch ein Christ zu heissen, ließ er sich in der Englischen Kirche taufen, lebte aber nach wie vor in Sünden. Durch allerley schwere Krankheiten verlor er seine Kräfte, u. konte gar nichts mehr für seinen Meister thun. Er sahe eins nach dem andern von seiner zahlreichen Verwandtschaft zum lebendig machenden Glauben an Jesum gelangen, u. erkannte endlich aufrichtig, daß er nichts als den leeren Namen eines Christen habe. Er entdeckte uns seine Verlegenheit ums Seligwerden, u. wurde [107] d. 27 Nov. 1785 in die Gemeine aufgenommen. Das war für ihn ein großer Segenstag. Er sagte: „ich laße nun alles fahren, der Heiland hat sich über mich armen u. großen Sünder erbarmet; nun ist mein Verlangen, bey Ihm zu bleiben, u. zu Ihm selig heimzufahren.“ In seiner Krankheit nahm sich sein Bruder Jonas seiner treulich an. D. 13ten langten des Prinzen Wilhelm Heinrich Königliche Hoheit in Antigoa an, u. bey Sonnen-Untergang wurden alle Kanonen auf der Monkshill-Vestung (nicht weit von hier) gelöset, welches ein gewaltiges Donnern auf unserm Platz erregte. In den folgenden Tagen wurden die neuen Leute u. Taufkandidaten gesprochen. Auch von den armen Ausgeschlossenen kamen 5 Getaufte u. 3 Taufkandidaten, bereueten ihre Vergehungen, u. baten um Vergebung. Unter erstern [108] war zu unsrer Verwunderung einer, der zwey Jahre lang ein wüstes Sündenleben geführt hatte, u. sich manchmal ganz frech in seinem thörichten Kopf- u. Kleiderputz hier sehen ließ. Nun war er wie ein Lamm, weinte u. bat, daß wir nur mit ihm reden möchten, wiewol er es nicht werth wäre. Seine Frau ist eine Abendmahls-Schwester, die die Zeit her seinetwegen viel Noth gehabt hat. D. 17tn hatten wir eine lebhafte Helferconferenz, es fehlt ihnen noch an der Erfahrung, aber die Sache liegt ihnen doch an. D. 22tn besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace, u. las ihr etwas aus der Harmonie. Dadurch wurde ihr Verlangen, wieder einmal einer Versammlung beyzuwohnen, so groß, daß sie sich vornahm, zu Weihnachten sich einmal hertragen zu lassen. Ein ausgeschlossener Bruder kam, [109] u. bat mit Thränen auf den Knien um die Wiederannahme in die Gemeine. Es wurde uns dabey ganz weich ums Herz, u. nach gehöriger Ueberlegung wurde ihm seine Bitte gewährt.

D. 24ten waren Geschwister Watsons auf Invitation bey Herrn Baily, u. wohnten der Taufe seiner 8 Monate alten Tochter bey. Zur Feyer der Christnacht hielten wir Abends eine Versamlung, zu der sich aber wegen des unaufhörlichen Regens nicht so viele wie sonst eingefunden hatten. Doch war unter denen, die da waren, ein seliger Freudengeist wahrzunehmen; nur sind unsern Negern die Weihnachts-Melodien noch nicht ganz geläufig. Wir wünschen oft ein musikalisches Instrument zu haben, theils um dem Gesang unsrer Neger aufzuhelfen, theils zur Unterstützung des Bruder Watson, der wegen seiner schwachen Brust seine Stimme nicht sehr erheben darf.

[110] D. 25tn war das Wetter beßer, u. das Volk fand sich in erstaunlicher Menge ein. Bey Beherzigung der Festmaterie, theils mit dem ganzen Volk, theils mit den verschiedenen Abtheilungen, war eine selige Bewegung zu spüren, u. man sahe manche Thräne fliessen. Noch festlicher war uns der zweyte Feyertag, an welchem wir unsern Bettag hielten. 35 Erwachsene wurden in den Tod Jesu getauft, u. 7 wurden in die Gemeine aufgenommen. Das war die zahlreichste Taufe u. Aufnahme, die noch hier auf Gracehill gehalten worden. 32 Personen kamen unter die Tauf-Candidaten, u. 3 Ausgeschlossene wurden wieder angenommen; auch kamen 2 ausgeschlossene Getaufte wieder in ihre Klasse. Die neuen Leute füllten allein die ganze Kirche an, welches uns um so mehr freute, da sie seit einiger Zeit etwas zurück geblieben waren. Den 27ten feyerten wir mit [111] den Kindern. Mit denen, die getauft oder gesegnet sind, hielten wir ein vergnügtes Liebesmahl, wobey sie ihre die Zeit her gelernten Weihnachts-Verse recht niedlich sangen. Ueber den Inhalt derselben wurde herzlich mit ihnen geredet. D. 30ten wurde der Bruder Hiob begraben. Er war ein treuer Bruder, den man aber immer wegen seiner bedenklichen Gemüthsart zu trösten u. aufzumuntern hatte. Er u. seine Frau waren sonst ein Paar von unsern solidesten Abendmahls-Geschwistern. D. 31ten versamlete sich, des ausserordentlich schlechten Wetters ungeachtet, viel Volk hier. Viele konten nicht bleiben bis Abends zum Jahresschluß, besonders die Wächter u. Treiber an den Estaten; es kamen aber andre, u. die Kirche konte sie nicht alle fassen; und so machten wir dann mit der Negergemeine einen begnadigten Beschluß des Jahres. [112] Es ist dasselbe für die hiesige Gemeine wahrlich ein seliges Jahr gewesen, sie hat zugenommen an Anzahl u. Gnade. 180 Erwachsene u. 19 Kinder sind getauft, u. 24 Personen in die Gemeine aufgenommen worden. Unter die Taufkandidaten sind 217 gekommen. Zum heiligen Abendmahl sind 95 Geschwister gelangt, u. 134 dazu Candidaten geworden. 34 Personen sind heimgegangen. Von ausgeschlossenen Getauften sind 6 wieder zur Gemeine hinzugethan worden, aber eben so viele haben wir zu unserm Schmerz wieder ausschliessen müssen. Zu Ende des Jahrs ist die Zahl der ausgeschlossenen Getauften 38, unter denen 9 gewesene Communicanten sind. Die Negergemeine besteht dermalen aus

444 Abendmahls-Geschwistern
240 Abendmahls-Candidaten
505 getauften Erwachsenen
113 getauften Kindern
343 Taufcandidaten
79 gesegneten Kindern
Summa 1724 Seelen,

ohne die neuen Leute oder Lehrlinge.

[113]
1787

D. 2 Jan. kam ein Abendmahls-Bruder zu Bruder Watson, u. klagte ihm seine Verlegenheit. Er ist von einer ängstlichen Gemüthsart, u. es wurde ihm herzlich zugeredet. D. 3ten besuchte Bruder Hofmann einen kranken Bruder, u. fand ihn etwas ungehalten darüber, daß ihn sein Meister in seinem Elend ohne Hülfe liegen läßt. Da ihm gesagt wurde, daß er sich damit die Zeit nicht verderben, sondern sich gläubig an den Heiland halten solte; sagte er gleich: Ja, das ist das beste für mich, das will ich thun; mein Heiland ist ja doch mehr als alles, u. ich weiß nichts seligers, als zu Ihm heimzugehen. D. 4tn wurde eine kranke Schwester besucht. Sie ist frey, aber äusserst arm, indem sie von ihren weltlichen Anverwandten nicht nur verlassen, sondern noch dazu ausgeplündert worden [114] ist. Aber eine andre Schwester, die auch arm ist, hat sie zu sich genommen, u. pflegt sie wie ihr eignes Kind, u. die übrigen Getauften nehmen sich ihrer auch an. In dieser Woche sahen u. grüßten wir die Geschwister zum neuen Jahr in ihren verschiedenen Klassen, so daß alle Abend eine eigne Klasse da war, wozu sie sich zahlreich einfanden. D. 6tn besuchte Bruder Watson die Kranken auf 4 Plätzen. Bey einer Schwester, die nahe am Heimgehen ist, fand er ein Mißvergnügen gegen eine andere Schwester, und da leztere nicht bey der Hand war, trug er einer Helferin auf, die Sache beyzulegen, welches sie auch treulich ausgerichtet hat. Zu Mittag kam eine Schwester zu uns, u. erzehlte mit Thränen, daß sie nebst andern von ihrer Estate auf die Insel S. Vincent würde versezt werden. Die andern Getauften, [115] die in gleichem Falle sind, kamen in den folgenden Tagen auch zu uns. Wir trösteten sie in ihrer Verlegenheit, u. ermahnten sie beym Heiland zu bleiben, der sie auch mitten in der Welt würde zu bewahren wissen. Wir gaben einem jeden seinen Taufschein. D. 7tn feyerten wir das Heidenfest. Der Gemeine wurden unter andern verschiedene Stellen aus dem alten Testamente, welche herrliche Verheissungen von der Bekehrung der Heiden enthalten, vorgelesen, u. wir freueten uns, die Erfüllung derselben so lieblich vor Augen zu sehen. Die Getauften waren heute zahlreich hier, aber von neuen Leuten hatten sich nicht so viele eingefunden, welches uns leid that, weil wir diesen Tag ihnen gern ganz besonders widmen. Wir dachten viel an die Gemeine in S. Johns, die heute ihren Bettag hatte mit einer [116] Taufe von 74 Seelen. D. 8ten hatten wir die erste Conferenz mit unsern Helfern in diesem Jahre. Ihre Zeugniße von dem Segen der lezten Feyertage waren uns zur Freude. Von den zu Weihnachten sonst gewöhnlichen Ausschweifungen war unter unsern Geschwistern nichts vorgekommen. In allen Klassen unsers Volkes hatten wir vorige Woche ein neues Leben u. Gefühl wahrgenommen; aber gestern waren wir über die neuen Leute bedenklich geworden. Die Helfer entschuldigten sie mit ihrer großen Unwissenheit, u. versprachen aufs neue sich ihrer treulich anzunehmen. Sonst wurde auch von den 8 Getauften u. 2 Taufkandidaten, die diese Woche nach S. Vincent gehen müssen, viel gesprochen. Zwey Personen von ihnen wären nicht gezwungen gewesen mit zugehen, aber sie hatten sich nicht entschliessen können sich [117] von ihren Ehegatten u. Kindern zu trennen, ob es ihnen gleich auch sehr wehe that, die Gemeine zu verlassen. Bey Gelegenheit, daß von den Taufscheinen die Rede war, wünschten die Helfer auch ihre Tauftage zu wissen; und wir hatten viel Vergnügen mit ihnen, da wir einem jeden den seinigen im Kirchenbuch aufsuchten. Da ein Bruder gefragt wurde, ob er noch wüßte, wer ihn getauft hätte? antwortete er: „Nein, das wird das Kirchenbuch sagen; meine Augen waren die ganze Zeit so in Thränen, daß ich nicht sehen konte.“ D. 9ten kam ein Bruder von denen, die nach Vincent gehen müssen, um, weil jezt Sprechzeit ist, sein leztes Sprechen noch zu geniessen. D. 12ten wurde der Bruder Joseph begraben, welcher der erste Getaufte ist, der auf der Estate Arthur Freemann heimgegangen. Er war ein sehr einfältiger Neger. Seit seiner Taufe im Merz 1786 war ein [118] besonders vergnügtes Wesen an ihm wahrzunehmen, u. zwar so, daß jedermann Notiz davon nahm. Er kam sehr gern zum Sprechen, u. ließ sich durch kein Wetter davon abhalten; er hatte zwar wenig zu sagen, aber er freute sich wie ein Kind, wenn er etwas vom Heiland hörte. Da er krank wurde, fragte ihn ein Helfer, wie es in seinem Herzen sey? Das, sagte er, habe ich dem Heiland gegeben, ich liebe Ihn, u. will zu Ihm gehen. D. 14ten war Helferconferenz, in Rücksicht auf das nun vollendete Sprechen mit sämtlichen Getauften, die noch nicht Communicanten sind. Sie haben durchgängig ein großes Verlangen, in den Gemeingnaden weiter zu kommen. In den folgenden Tagen wurden die Communicanten gesprochen. D. 18tn wurde die Schwester Patience begraben. Sie hatte sich noch vor ihrem Ende auf einer eignen Ecke müssen kennen lernen. Ihr Mann, ein Abendmahls-Bruder, hatte ausser ihr noch eine Frau, die [119] ebenfalls eine Abendmahls-Schwester ist, u. gegen diese war sie eifersüchtig. Das ging so weit, daß sie sich zu Anfang ihrer Krankheit nicht von ihr wolte bedienen lassen, ob sie es gleich mit aller Treue zu thun suchte. Der Heiland aber segnete die Bemühungen einer Helfer-Schwester so, daß sie zur Erkenntnis kam, u. ihren Mann u. die andre Frau herzlich um Vergebung bat. Es war von da an ein Vergnügen sie zu besuchen. Nun, sagte sie, fühle ich des Heilands Frieden; ach bittet Ihn alle, daß Er mich bald zu sich nehmen wolle! D. 21ten war unser Abendmahlstag. Viele unsrer Brüder sind Zuckerköche, und an manchen Orten geht die Arbeit Tag u. Nacht fort, u. auch an Sonntagen können viele erst zu Mittag abkommen: da wir dann mit dem Sprechen überhäuft sind. Sonst hatten wir bey dem Sprechen in diesen Tagen viel Freude. Der Heiland hat sein Volk in [120] den lezten Feyertagen aufs neue gesegnet. 11 Geschwister genossen heute die heilige Communion zum erstenmal. Der Raum in unsrer Kirche fängt an zu Begehung des heiligen Abendmahls zu eng zu werden, u. wir werden bald darauf denken müssen, dasselbe, wie in S. Johns, in zwey Abtheilungen zu halten. D. 24ten reisten Geschwister Watsons zur Stadt, erquickten sich ein paar Tage mit unsern dasigen Geschwistern, u. kamen am 27ten wieder zurück.

D. 2 Febr. fingen wir wieder an, die Harmonie der 4 Evangelisten zu lesen, u. werden zweymal in der Woche damit fortfahren. D. 3ten verschied die Schwester Agnes auf Freeman, u. wurde daselbst auf einem Platz begraben, den die dasigen Geschwister zum Begräbnisplatz der Getauften ausgesucht haben. Ihr folgte am 5tn die Schwester Ruth. Sie war eine freye Person, u. lebte lange nach Weltart, ohne um ihre Seligkeit [121] bekümmert zu seyn. Endlich hörte sie das Evangelium auf Bailyhill, machte sich aber nicht gleich mit uns bekannt, bis sie es vor Unruhe ihres Herzens nicht länger schaffen konte. Wir waren bange, daß sie sich von ihren weltlichen Verwandten würde wieder hinreissen lassen; aber sie machte sich von ihnen los, u. ließ sich von ihnen verspotten. Im Jan. 1786 wurde sie in die Gemeine aufgenommen (denn sie war in der Englischen Kirche getauft worden). Sie war nun dem Leibe schwach, u. mußte noch dazu die bittersten Verfolgungen von ihren Verwandten erdulden, wodurch sie in die elendesten Umstände gerieth. Aber eine Schwester, die auch frey ist, u. die mit ihr zugleich in die Klasse der Candidaten gekommen war (welches, wie schon gemeldet worden ist, den Geschwistern ein eignes Recht an einander gibt) nahm sie in ihr Haus, u. pflegte sie aufs treulichste, [122] ob sie gleich nichts hat, als was sie mit ihrer Händearbeit verdienen kan. Sie sagte: Nun ist eine andre Zeit; hat sich der liebe Heiland über uns arme Sünder erbarmt, u. uns gleicher Gnade theilhaftig gemacht, wie könte ich dich verderben sehen, u. mich deiner nicht annehmen! Diese beyden Schwestern waren einander wechselseitig zu großem Segen, u. es war ein Vergnügen sie zu besuchen. D. 11ten war ein sehr geschäftiger Sprechtag für uns alle mit den neuen Leuten u. Tauf-Candidaten. In der Helferconferenz mußte eine Erinnerung darüber geschehen, daß gar zu viele erst zur Zeit der Versammlungen zum Sprechen kommen; mit denen, die weit entfernt wohnen, oder sonst sehr gebunden sind, müßten wir Geduld haben; aber ins Ganze könne die Sache, bey der starken Vermehrung der Gemeine, nicht mehr so gehen, weil wir nicht alles bestreiten könten. Es ist bisher [123] an Sonntagen oft so gewesen, daß ausser dem Bruder, der die Versamlungen hielt, keines von uns allen denselben beywohnen konte, u. auch die Neger nicht, die unterdessen aufs Sprechen warteten. D. 15ten war die monatliche Conferenz mit den Helfern u. Dienern. Durch eine neue Einrichtung wird nun der Dienst in der Kirche weit pünktlicher u. ordentlicher besorgt, als vorher. D. 18ten war Bettag, oder wie ihn die Neger nennen, der große Lobtag, welche Benennung auch die Empfindung ihrer Herzen an solchen Tagen ganz ausdruckt. 27 Erwachsene u. 2 Kinder wurden getauft, u. 36 Personen kamen unter die Taufkandidaten. D. 19tn meldeten uns ein paar Geschwister, daß sie auf Befehl ihres Meisters nach der Insel Grenada ziehen müsten, u. nahmen wehmüthig von uns Abschied. D. 22tn war das gewöhnliche Verlesen aus der Harmonie; nur that es uns [124] leid, daß so viele Geschwister es versäumen mußten. Sie müssen sehr hart arbeiten, und das wird ihnen von vielen weissen Leuten ausdrücklich darum aufgelegt, damit sie nicht in die Versamlungen gehen sollen. An mehrern Orten finden wir sie darüber ganz niedergeschlagen. Doch sehen wir auch viele liebliche Exempel, daß kein Druck u. kein Elend sie von der Liebe Christi scheiden kan, u. das Werk des Heilandes behält immer seinen gesegneten Fortgang. D. 26ten besuchte Bruder Hofmann einen kranken Bruder. Erst konte derselbe vor großen Schmerzen nicht ein Wort reden, so daß sich die umstehenden Getauften darüber wunderten; da er aber zu reden anfing, war es mit einem solchen Gefühl begleitet, daß alles darüber bewegt wurde. Endlich sagte er: „Daß ich zum Heiland gehe, ist meine gröste Freude, nur bin ich verlegen, ob ich würdig [125] bin, zu Ihm zu kommen.“ Das verursachte eine gesegnete Unterredung von dem, was einen armen Sünder würdig macht, vor Gott zu erscheinen; worüber sich der Kranke unbeschreiblich freute. Von da besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace. Dieselbe war vor einigen Tagen so schwach, daß sie ihr Ende vermuthete. Sie war ganz allein, u. flehete zum Heiland, daß Er ihr doch jemanden zuschicken möchte: und sogleich kam ihr Mann, der Helfer Jonas, müde u. hungrig von der Arbeit, ins Haus. Er weinte, daß er nun Abschied von ihr nehmen solte; u. sie weinte, daß sie ihm nichts vorsetzen konte, da er den ganzen Tag nichts gegessen hatte. Doch vergaß er Hunger u. alles, u. nahm sich ihrer an, daß sie sich wieder etwas erholte.

D. 8 Merz verschied der Bruder Philipp. Er wohnte auf einer Estate, wo schon viele Jahre sehr grausame u. gegen [126] das Evangelium feindselig gesinnte Verwalter sind. Er hatte deswegen auch sein Theil reichlich zu leiden, war aber geduldig, u. pflegte zu sagen: „Den Leib können sie wol tödten, aber meine Seele ist in des Heilandes Händen, den kan u. will ich nicht verlassen, so lange ein Othem in mir ist; denn Er ist für mich gestorben, u. hat mich mit seinem Blut von meinen Sünden rein gewaschen.“ Voriges Jahr, da er einmal ganz krank u. elend zum Abendmahls-Sprechen kam, geschahe es, daß es in seiner Abwesenheit aus des Verwalters Garten etwas Frucht gestohlen wurde. Er ersezte den Verlust sogleich aus seinem geringen Vermögen, u. bat den Verwalter ihn nicht zu strafen, weil er zu krank sey die Strafe auszustehen. Dieser aber achtete so wenig seine Krankheit als seine freywillige Entschädigung, ließ ihn hinlegen u. derb auspeitschen. Diese Behandlung verkürzte ihm sein [127] Leben, denn von da an konte er nicht wieder zu Kräften kommen. Gleichwol genoß er noch zweymal hier mit der Gemeine das heilige Abendmahl, u. sagte, daß er es, wo möglich, nie versäumen wolte. Die Getauften auf seiner Estate nahmen sich seiner liebreich an. Auf seine selige Vollendung freute er sich ausserordentlich, u. die Geschwister erzehlten, daß seine Leiche einen solchen vergnügten Blick gehabt, als wenn er mit jemanden freundlich redte. D. 11ten währte das Sprechen der Getauften von Morgens bis Abends. Wir hörten viel schmerzliches von dem Druck, unter welchem viele Geschwister seufzen; aber auch viel erfreuliches von dem Troste, den sie dabey am Heiland haben. Heute liessen wir 6 neue Bänke machen, um beym heiligen Abendmahl für alle Geschwister Sitze zu haben, woran es seit einiger Zeit gefehlt hatte. Um diese Zeit vollendeten [128] wir unsre Baumwollen-Erndte, u. hatten Gelegenheit den Ertrag gut zu verkaufen. Dadurch wurden wir in Stand gesezt, an unsern Gebäuden manche Verbeßerungen zu bestreiten, wofür wir unserm himmlischen Vater herzlich dankten. Wir hatten nun die Abendmahls-Geschwister zu sprechen, u. d. 16tn kamen diejenigen, die zum erstmaligen Genuß desselben gelangen solten. Verschiedene Abendmahls-Geschwister hatten für ihre Ehegatten, die noch nicht Communicanten sind, zum Heiland herzlich gebetet, daß sie auch zu dieser Gnade gelangen möchten, u. wurden erhört, so daß es viel Freude machte. Heute war auch der Gedenktag der Einweihung unsrer Kirche vor 4 Jahren, zu dessen Begehung sich Abends ein großes Volk einfand. Es sind in den 4 Jahren in hiesiger Kirche 726 Personen getauft worden, u. 301 sind zum heiligen Abendmahl gelangt. D. 17ten erfuhren wir, wie hart [129] etliche von unsern Abendmahls-Schwestern behandelt werden, weil sie sich nicht zum Dienst der Sünde hergeben wollen. Zwey sind darum jämmerlich gepeitscht worden, sind aber standhaft u. treu. D. 18ten war unser Abendmahlstag. Ein Bruder hatte durch harte Arbeit einen gefährlichen Leibesschaden bekommen, sagte aber, er könne diesen Genuß nicht versäumen, wenn er auch auf Händen u. Füßen herkriechen müßte. Er fand sich auch wirklich ein, so wie auch die kranke Helferin Grace. Die erstmaligen Mitgenoßen, deren heute 21 waren, vergossen viele Thränen, u. überhaupt war in der ganzen Gemeine eine besonders selige Bewegung wahrzunehmen. Ohngeachtet wir 6 neue Bänke hatten machen lassen, so hatten kaum alle Platz zum sitzen. D. 19ten war die Nach-Communion mit 10 Geschwistern. D. 26tn erfuhren wir abermal, daß eine Schwester Namens [130] Judith nach S. Vincent geschickt, u. dadurch sowol von der Gemeine als von ihrem Manne, der ein Bruder ist, getrennt worden. D. 27tn besuchte Bruder Hofmann einen Bruder, der viele Jahre lang ein elender Krüppel ist, u. nun in Gefahr ist, das eine Bein, wo nicht gar sein Leben zu verlieren. Die Gnade Jesu ist jezt viel kräftiger an seinem Herzen zu spüren, als wir es bey ihm in gesunden Tagen gemerkt hatten. D. 30tn beendigten wir das Lesen aus der Harmonie bis zur Passionsgeschichte, u. dankten dem Heiland für die Segen, die Er uns u. der Negergemeine dabey zu geniessen gegeben. Sonst erfuhren wir in diesen Tagen ein paar schmerzliche Geschichten von Abweichungen einzelner Seelen. Um diese Zeit wurden die neuen Leute u. Taufkandidaten gesprochen, wobey wir ihnen sonderlich die nun angehende Passionswoche zu Gemüthe führten. [131] In diese selige Woche traten wir dann am 1 April ein, mit herzlichem Flehen zum Heiland, daß Er uns den so oft darinn genoßenen Segen kräftigst erneuern wolle. Die Neger fanden sich dazu zahlreich ein. Unter andern kamen auch einige Kinder, Verse zu lernen. Diese thaten in aller Einfalt an Bruder Watson eine Frage wegen des heute (nemlich am 1 April) gewöhnlichen so genannten Aprilschickens; und wir musten uns wundern, daß diese thörichte Gewohnheit sogar den Negerkindern bekannt ist. D. 2tn, 3tn u. 4tn wurde die Passionsgeschichte jeden Abend gelesen, mit untermengtem Gesang. Jedesmal war die Kirche ganz voll. Wir wunderten uns, wie die Leute so abkommen konten, da bey dem sehr günstigen Winde alle Zuckermühlen in Arbeit waren. Bruder Hofmann besuchte einige Kranke, besonders solche, die gar nicht imstande sind hieher zu kommen, u. doch gern etwas von [132] der in diesen Tagen waltenden Gnade geniessen möchten. Der armen, seit vielen Jahren krüppelhaften Eleonora auf Patterson las er die ganze Leidensgeschichte vor, u. das war es just, wornach sie verlangt hatte; die ganze Zeit wurden ihre Augen nicht trocken. Ihre Tochter, die den Heiland noch nicht kennt, hörte zu, u. schien auch bewegt zu seyn. Da Bruder Hofmann sagte, er müsse jezt weiter gehen, um auch die Helferin Grace zu besuchen, sagte die Eleonora: „Gott segne die gute Helferin Schwester Grace! So lange sie Füße zu gehen hatte, wie viel tröstliches hat sie mir nicht vom Heiland gesagt! nun ist sie auch ein Krüppel geworden, wie ich; ach hätten wir keinen Heiland, wo solten wir Trost hernehmen! Ich werde für sie beten, u. sie muß für mich beten, daß uns der Heiland beyde in seiner Gnade erhalte.“ Die Helferin Grace muß nun wieder die Passionswoche [133] auf ihrem Krankenlager in großen Schmerzen zubringen. Bruder Hofmann las ihr auch die Leidensgeschichte bis zur Kreuzigung vor, wofür sie sehr dankbar war. Sie sagte: „ich weiß u. fühle, daß ich armer Wurm meinem gekreuzigten Heiland angehöre, der so große Barmherzigkeit an mir gethan. Ich bin in Seinen Händen, u. verlange nach nichts so sehr, als selig zu Ihm heimzufahren.“ Sie bat, daß man ihrer in der Gemeine gedenken möchte, mit der Bitte zum Heiland, daß Er sie bald zu sich nehmen wolle. Am Gründonnerstag d. 5tn sahen wir, daß weit u. breit die Zuckermühlen stark gingen, u. dachten viel an unsre Neger, daß sie würden gehindert werden zu kommen. Gleichwol kamen Abends so viele, daß nicht alle in der Kirche Platz hatten. Die Tagesgeschichte wurde in zwey Sessionen gelesen, unter [134] großer Stille u. Aufmerksamkeit der Geschwister. Bey der Stelle von dem schweren Bußkampf Jesu in Gethsemane, fielen wir auf die Knie, u. dankten Ihm mit tiefgebeugten Herzen für Seine so saure Arbeit, damit wir erlöset würden. Die Herzen waren dabey so zerschmolzen, daß durchgängig die Thränen mehr redeten als die Worte. Wir gedachten auch gemeinschaftlich der Kranken, daß ihnen der Heiland auch ihren Antheil an der unter uns so mächtig waltenden Gnade schenken wolle, als welches sich viele ausgebeten hatten. Am Charfreytag d. 6tn versammleten sich zu Mittage so viele Neger, als nur irgend von der Arbeit abkommen konten, so daß die Kirche mehr als halb voll war, u. eilten darauf (gröstentheils mit nassen Augen) so geschwind als möglich wieder an die Arbeit. Wir lasen die Passionsgeschichte bis zur Kreuzigung. [135] Nachher ging Bruder Hofmann nach Buckhorn, u. las der Helferin Grace das übrige von der Passionsgeschichte vor. Ihr Mann Jonas paßt sich seine Zeit u. Arbeit so genau ab, daß er bey solchen Gelegenheiten immer seinen Theil mit genießt. Abends versamleten sich die Geschwister in großer Anzahl zur Anhörung der Leidensgeschichte Jesu, u. begleiteten Ihn im Geiste bis zu Seiner Ruhe im Grabe. Es waltete dabey in der Gemeine ein unbeschreiblich seliges Gefühl. D. 7tn hatten wir auf den Abend alle unsre Helfer- u. Diener-Geschwister zu einem Sabbaths-Liebesmahl bestellt, mußten es aber im Hause halten, weil die Kirche mit Alten, Schwachen u. Krüppeln besezt war, die weit aus dem Lande hergekrochen waren, um morgen früh die Osterlitaney mit zu beten. Beym Liebesmahl waren wir, u. unsre Helfer [136] u. Diener sehr angethan, u. voll Lobes u. Dankes über den in diesen Tagen so reichlich genossenen Segen. Gegen Mitternacht, da der Mond aufging, machten sich die Neger überall auf, u. kamen haufenweise weit aus dem Lande von allen Orten, so daß am 8tn früh um 5 Uhr die ganze Kirche voll war, u. die übrigen den Platz vor unserm Hause u. hinter der Kirche anfüllten. Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang gingen wir in die Kirche. Bruder Watson grüßte das Volk mit den Worten: Der Herr ist auferstanden! worauf von der Gemeine u. besonders nachdrücklich von den Helfern u. Dienern erwiedert wurde: Er ist wahrhaftig auferstanden. Sodann wurde nach dem Gesang einiger Verse die Osterlitaney gebetet. Bey den Worten: „Das ist mein Herr, der mich verlornen u. verdammten Menschen erlöset [137] hat, erworben, gewonnen, von allen Sünden, vom Tode u. von der Gewalt des Teufels, nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen theuren Blute, u. mit seinem unschuldigen Leiden u. Sterben; auf daß ich Sein eigen sey, u. in Seinem Reich unter Ihm lebe u. Ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld u. Seligkeit; gleichwie Er ist auferstanden vom Tode, lebet u. regieret in Ewigkeit“ – u. der Antwort der Gemeine: „Das ist gewißlich wahr“ – durchdrang uns etwas ausserordentliches, u. man fühlte, daß dieses Bekenntnis in der Gemeine Geist u. Leben war. Den Tag über waren die gewöhnlichen Osterversamlungen, theils mit der ganzen Gemeine, theils mit den verschiedenen Abtheilungen. Und so beschlossen wir diese seligen Feyertage, die uns u. unserm Neger-Volke unvergeßlich bleiben werden. Der Heiland hat in seiner Gemeine [138] gewandelt, die Herzen gesegnet, sie seliglich geweidet u. aufs neue gestärkt mit dem Verdienst Seines Leidens u. Sterbens. Wir bemerkten viele, u. manche, von denen wir es nicht gedacht hatten, die auch nicht eine Versamlung versäumten. Unter den neuen Leuten, die vorher etwas zurückgeblieben waren, ist eine ganz neue Bewegung entstanden. Davon wurde viel in der Helferconferenz am 9ten geredet, ja die Helfer wußten nicht Ausdrücke genug zu finden, um zu sagen, wie ihnen u. den andern Geschwistern in diesen Tagen ums Herz gewesen ist.

D. 11ten kam Bruder Braun zu uns, u. wir hatten einander genug zu erzehlen von dem gnädigen Bekenntnis des Heilands zu seinen beyden Negergemeinen in Antigoa. Wir hielten eine Conferenz zu unserm bevorstehenden Bettage. Abends hielt Bruder Braun die Versamlung, die zahlreich war, mit Leben u. Gefühl. Nachher war Conferenz [139] mit den Helfern u. Dienern, welche zu ihrer großen Freude die gewöhnlichen Aufträge bekamen, die Täuflinge auf den nächsten Bettag zu uns zu bestellen. D. 12tn reiste Bruder Braun wieder zurück. D. 13tn u. 14ten regnete es unaufhörlich, so daß alle niedrige Plätze unter Wasser stunden, u. der gröste Theil der Täuflinge verhindert wurde eher zu kommen als am 15tn, welches unser Bettag war. Vielen von ihnen gingen die Augen über, daß ihnen nun die große Gnade widerfahren solte, nach der sie so sehnlich verlangt hatten. Sowol bey den Täuflingen als bey vielen neuen Leuten u. Tauf-Candidaten fühlte man, daß sie in der lezten Charwoche einen tiefen Eindruck von der Liebe Jesu bekommen hatten. 27 Erwachsene wurden getauft, u. 3 Personen in die Gemeine aufgenommen, 36 kamen unter die Taufkandidaten. Der Taufhandlung [140] wohnten 3 Soldaten u. noch ein weisser Mann mit großem Respect bey. Ausser den Bettagsversamlungen hatten wir zum heutigen Sonntag Quasimodogeniti ein vergnügtes Liebesmahl mit allen, die seit Ostern voriges Jahr getauft u. in die Gemeine aufgenommen worden sind. Sie sassen in 7 Reihen, wie sie mit einander getauft worden, u. die heute Getaufte saßen vorne. Es waren in allen 208 Erwachsene u. 18 Kinder. Eine Schwester ist selig heimgegangen, u. 4 Personen sind nach S. Vincent versezt worden, die wir dem Gebet u. Andenken der übrigen besonders empfahlen. D. 17tn besuchte Bruder Hofmann die Kranken. Eine Schwester auf Stonehill hatte durch Ungeduld ihre Krankheit vermehrt, aber auch ihren Fehler erkannt, u. war nun in einer sehr seligen Herzenssituation. Es [141] fanden sich bald über 20 Neger zu Bruder Hofmann ein, denen er mit Vergnügen eine kleine Versamlung hielt. Es ist ein neues Leben auf dieser Estate entstanden, u. 4 von den lezten Täuflingen waren von daher. Ehemals war daselbst eine große Erweckung, zur Zeit der so genannten Tempel-Hanna (so hieß eine Schwester, die nun beym Heiland ist, u. die vielen Seelen zum großen Segen war). In der Folge verlöschte das Feuer fast ganz, indem die Neger durch die harte Behandlung eines unbarmherzigen Verwalters ganz muthlos wurden, u. es nicht wagen durften in die Versammlung zu gehen. Ein paar alte Abendmahls-Brüder, die untreu wurden, u. noch unter den Ausgeschlossenen sind, richteten auch großen Schaden an. Nun bricht der gute Same, der unter dem Schutt gelegen, wieder hervor. Ein lieber alter Helfer-Bruder Nicodemus nimmt sich ihrer [142] treulich an, u. sie lieben ihn wie einen Vater. Auch haben sie seit einigen Jahren einen andern Verwalter, der sie wol genau zur Arbeit anhält, sie aber doch verständig behandelt, u. gern in die Versammlungen gehen läßt.

Von da besuchte Bruder Hofmann auf Langford Morris die Schwester Rosine. Sie war auf dem Wege von bösen Negern überfallen u. beynahe umgebracht worden. In diesem Zustande fand sie eine andre Schwester, die mit ihr getauft worden, u. brachte sie nach Hause. Der Verwalter ließ sie ins Krankenhaus einsperren, wo sie in großem Elend sprachlos da lag. Die andern Geschwister brachten es mit vielen Bitten dahin, daß ihnen erlaubt wurde, sie aus dem Krankenhause zu sich zu nehmen, u. sie zu pflegen. Bey diesem Besuch nun redete sie zum erstenmal wieder ein paar gebrochene [143] Worte. Auf Hortons wurde die Schwester Sibylle besucht, die so darauf gestellt ist zum Heiland zu gehen, daß sie von sonst nichts wissen will. D. 18ten meldete ein gewisser Dr Mac Connell dem Bruder Watson, daß er in Zeit von 6 Wochen alle seine Neger auf eine kleine Insel bey Grenada versetzen würde; und da er wisse, daß verschiedene von ihnen zu unsrer Gemeine gehören, so wünsche er, daß der gute Unterricht, den sie genoßen, auf irgend eine Weise fortgesezt werden möchte, wir möchten daher auf eine Einrichtung in der Absicht denken, u. einem von den Getauften, den wir für den tüchtigsten hielten, den Auftrag geben, sich der übrigen anzunehmen. Er schlug uns auch einen Bruder dazu vor, der uns auch am besten dazu einleuchtete. Wir versprachen über die Sache zu denken.

[144] D. 22tn war Kinderbettag. Es wurde ihnen ein Theil der Passionsgeschichte vorgelesen, u. mit ihnen herzlich darüber geredet. Heute war der Gedenktag der seit Jahr u. Tag zum heiligen Abendmahl gelangten Geschwister, die in der Absicht ein vergnügtes Liebesmahl hatten. Ihre Zahl ist 97, aber auch von ihnen ist ein Bruder nach Grenada versezt worden. Sonst war uns über dem Anblick dieser Geschwister sehr wohl.

In den folgenden Tagen erfuhren wir aufs neue, daß wir uns über unsre Negergemeine, auch bey den gnadenreichsten Heimsuchungen derselben, nur mit Zittern freuen dürfen, indem verschiedene betrübte Umstände, einzelne Seelen betreffend, ans Licht kamen. Doch fand sich auch immer Materie zu reichem Troste.

D. 27ten B besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace, u. fand sie [145] vergnügter als sonst in ihren schmerzhaften Umständen. Er erzehlte ihr den Umstand von einem Bruder, welchen wir erst vorige Woche in den Gemeinnachrichten gelesen hatten, der, als er sehr viel an die Aerzte gewendet, u. doch keine Beßerung gefunden, bey sich selber dachte: „Bin ich nicht des Heilandes, u. in Seinen Händen! ist Er nicht der beste Arzt Leibes u. der Seele?“ – worauf er von allem abstand, sich gläubig dem Heiland überließ, u. in seinem Vertrauen nicht beschämt wurde, indem er ganz wieder hergestellt worden. Das machte auf die Kranke einen tiefen Eindruck. Sie sagte: Ach ja, der Heiland ist auch gewiß mein bester Freund in allen meinen Nöthen u. Schmerzen, u. auf Ihn setze ich mein ganzes Vertrauen.

D. 30ten war Helferconferenz, zwar [146] mit unter mit einem wehmüthigen Gefühl über einige vorgekommene Abweichungen, aber doch ins Ganze mit herzlichem Dank für die in der Gemeine waltende Gnade.

D. 2 May hatten wir einen freundschaftlichen Besuch von Herrn Baxter u. seiner Frau, die uns vor ihrer Abreise nach S. Vincent gern noch einmal sehen wolten. Er will einen Versuch machen, den dortigen Caraiben das Evangelium zu verkündigen, wozu wir ihm von Herzen Gottes Segen wünschten. D. 10ten begab sich die Schwester Watson aufs Land, theils Kranke zu besuchen, theils die Abendmahls-Schwestern, besonders solche, die gar nicht in der Woche hieher kommen können, zu sprechen. Es fanden sich so viele Schwestern zu ihr ein, daß sie nicht allen ein Genüge thun konte, u. erst Abends spät nach [147] Hause kam. D. 11ten erhielten wir zu unsrer Freude einen herzlichen Brief aus der Unitäts Ältesten Conferenz. Nach der schönen Anweisung in demselben, u. der Zustimmung unsrer eignen Herzen gaben wir uns einander Herz u. Hände mit dem Friedens-Kuß unter einigen Versen, beym Heiland u. seinen Wunden unverrückt als Sünder zu bleiben, und als Seine arme Diener u. Dienerinnen von ganzem Herzen Seine Sache zu treiben. Er wolle nur immer mit uns seyn, und uns klein u. gebeugt erhalten, daß wir gesegnete Arbeit machen, u. Ihm Früchte bringen, die da bleiben! Heute wurde der Bruder Christian begraben. Er lernte den Heiland erst in seinem hohen Alter kennen, u. zwar dadurch, daß er von einer schweren Krankheit genas. Er sagte: „Der Heiland muß sehr gnädig [148] seyn, denn ich habe zu Ihm geschrien, und Er hat mich erhört; denn gewiß, kein Mensch hätte mir helfen können.“ Er wurde im Oct. 1783 getauft, u. eben jezt war ihm zugedacht, ein Mitgenoß des heiligen Abendmahls zu werden; aber der Heiland eilte mit seiner Vollendung. D. 12ten wurde mit den Abendmahls-Geschwistern gesprochen, und mit manchen sehr gründlich u. nachdrücklich. 7 von den Geschwistern, die das vorige mal nicht zum heiligen Abendmahl admittirt wurden, waren nun gründlich auf ihr Herz gekommen, u. wir waren ihretwegen getröstet. Mit andern hingegen mußte ernstlich geredet werden. Ueberhaupt aber fanden wir tröstliche Spuren, daß die Herzen einen neuen lebendigen Eindruck von der Marter Jesu bekommen hatten. D. 13tn hatten wir das heilige Abendmahl, welches 24 Geschwister zum erstenmal genoßen. D. 14ten besuchte Bruder Hofmann [149] auf Delap einen kranken Taufkandidaten, dem am vorigen Bettag in S. Johns die heilige Taufe zugedacht worden war (er gehört zu dasiger Gemeine, war aber wegen seiner Krankheit in hiesige Gegend gebracht worden). Bruder Hofmann hatte Freudigkeit ihn zu taufen; der Kranke aber, der sich etwas beßer fühlte, wünschte diese Gnade lieber in versammleter Gemeine zu empfangen: welches ihm dann auch versprochen wurde. Von da besuchte Bruder Hofmann auf Fry einen kranken Bruder, der sehr darnach verlangt hatte. Ueber 3 Jahre lang war er ein armer Krüppel, u. wohnte so weit weg, daß wir ihn bey unsern Besuchen nicht erreichen konten. Dieses ging den Geschwistern auf Fry so zu Herzen, daß sie ihren Eigenthümer, dem dieser Bruder auch gehört, um Erlaubnis baten, ihn zu [150] sich zu nehmen, mit dem Zusatz, es solte der Estate nichts kosten, sondern sie wolten ihn allein versorgen u. pflegen. Das geschahe dann auch, u. dieser Bruder, der vorher von jedermann verlassen war, genießt nun die Liebe u. Pflege seiner getauften Brüder u. Schwestern, u. kan auch von uns besucht werden, wofür er sehr dankbar ist.

Von hier ging Bruder Hofmann nach Lyons in das Haus der Helfer-Geschwister John u. Nancy. Es versamlete sich bald eine hübsche Anzahl Neger, auch von den neuen Leuten, denen eine Versammlung gehalten wurde. Die Geschwister auf Lyons wohnen eine gute Stunde von Gracehill, u. haben uns oft gebeten, manchmal zu ihnen zu kommen, u. ihnen eine Versammlung zu halten. Es gehört aber eigentlich die Erlaubnis des Eigenthümers dazu, [151] der erst künftiges Frühjahr von England zurück erwartet wird.

D. 15tn war Bruder Watson in Jumbles, auf Verlangen des Helfer-Bruder Jeremias, um deßen alte kranke Mutter Magdalena noch einmal zu sehen, die eine liebe treue Seele ist, u. den Heiland herzlich liebt. Während dem Besuch kam ihre Tochter, eine freye Mulattin, mit einem Pferd u. Wagen, um ihre kranke Mutter zu besserer Verpflegung nach S. Johns zu bringen. In den folgenden Tagen wurden mehrere Kranke besucht, zu allerseitigem Vergnügen. D. 20ten war Kinder-Bettag. Der kleine Sohn des Herrn Baily, Isaac, der sich zuweilen bey Bruder Watson aufhält, u. von ihm informirt wird (er ist in seinem 8tn Jahre) stellte sich mit den Neger-Kindern in die Reihe, u. sagte auch seinen gelernten Vers auf. Ein eignes Vergnügen [152] haben wir mit einem getauften Neger-Mädchen, von 5 Jahren, welches im Lernen alle übrige übertrift, u. seinen Eltern, die Abendmahls-Geschwister sind, zur Erbauung ist. Sie sagt manchmal zu ihrem Vater: „Vater, habt ihr kein Wort vom Heiland mir zu sagen? ich höre gern vom Heiland.“ Dem Vater kommen oft darüber die Thränen in die Augen. „Wie oft“, sagte er, „vergessen wir alte Leute den Heiland; aber wenn ich mein Kind sehe, wie sie die Versamlungen liebt, wie sie ihre Verse liebt, u. wie sie horcht, wenn sie nur etwas vom Heiland hören kann, so muß ich glauben, daß sie an nichts anders denkt, als an den lieben Heiland. So solte es mit uns alten Leuten auch seyn, u. noch vielmehr, da wir mehr davon wissen, was der Heiland für uns gethan hat.“ D. 27tn hatten wir eine [153] gesegnete Feyer des Pfingstfestes, wozu sich die Neger so zahlreich einfanden, daß ein großer Theil draussen stehen mußte. Es waltete in allen Versammlungen ein besonders seliges Gefühl. In diesen Tagen kamen wir in eine eigne Noth, die uns eine Zeit lang sehr beunruhigte. Ein alter Neger-Bruder Namens Joseph, der wegen seiner Schwachheit schon lange von der Arbeit abgedankt, u. so gut wie frey war, pflegte sich, weil er nicht gern eine Versamlung versäumte, viel hier aufzuhalten, u. that uns dann auch aus Liebe allerley kleine Dienste. Bey einer neulichen Veränderung mit der Estate wurde das Verzeichnis der Neger durchgegangen, u. dieser alte Mann vermißt; und da dem neuen Eigenthümer gesagt wurde, er wäre bey uns in Diensten, wurde er so [154] aufgebracht, daß er drohete, uns gerichtlich zu belangen. Zum Unglück wurde der alte Joseph durch allerley Erzehlungen so irre gemacht, daß er sich einige Tage versteckte, wodurch die Beschuldigung wahrscheinlich wurde. Wir fanden ihn aber aus, brachten ihn zu seinem Herrn, und dieser, da er den wahren Verlauf der Sache erfuhr, wurde so gerührt, daß er dem Joseph seine Freyheit vollends schenkte, u. es ihm auch schriftlich zu geben versprach. Wir dankten dem Heiland herzlich für seine Durchhülfe, da ohne Zweifel die Absicht des Feindes u. seiner hiesigen vielen Werkzeuge war, eine Schmach auf die hiesige Mission zu bringen. Die Neger-Geschwister nahmen während den etlichen Tagen unsrer Noth überaus großen Antheil daran, u. beteten unaufhörlich [155] zum Heiland, daß Er uns helfen wolle. Der arme Joseph war ganz betreten darüber, daß er uns u. sich so unnöthigen Kummer gemacht hatte, u. bat uns u. die Geschwister um Vergebung. D. 2 Jun. kamen unter andern etliche Ausgeschlossene zum Sprechen. Ein gewesener Communicant sagte: Meister, du hast gesagt, ich solte nicht zu dir kommen, so lange ich noch in Sünden fortlebte, u. so lange woltest du nicht mit mir reden. Ich elender Mensch gestehe, ich konte die Sünde nicht los werden; nun aber reuet sie mich, u. ich bitte den Heiland mir zu helfen; und nun muß ich auch zu dir kommen, u. vor Gott u. Menschen meine schweren Sünden bekennen, denn ich bin wie ein todter u. verlorner Mensch.

In der Helferconferenz am 3ten waren die Ausgeschlossenen unser besonderes [156] Augenmerk, da wir deutlich sehen, daß ihnen der gute Hirte nachgehet. Seit geraumer Zeit hatten uns die Neger-Geschwister, die nach Grenada versezt werden sollen, sehr am Herzen gelegen; Bruder Watson hatte daher auf einen Sonntag die Getauften, u. auf einen andern Sonntag die Ungetauften hieher bestellt, um mit ihnen zu reden, u. nach ihren Umständen ihnen zu rathen. Ihre gröste Betrübnis war, daß sie nun ohne Lehrer u. Gottes Wort, u. von der Gemeine getrennt seyn müßten, worüber viele von ihnen weinten. Manche müssen auch ihre Ehegatten u. Kinder verlassen. Wir baten sie, sich kindlich u. gläubig an den Heiland zu halten, u. versichert zu seyn, daß Er sie nicht verlassen u. nicht versäumen würde, sie möchten auch seyn, wo sie wolten. Wir empfahlen ihnen auch, einander von [157] Herzen zu lieben, u. sich zusammen zu halten wie Kinder einer Familie. Die Getauften bekamen ihre Taufscheine. Eine Abendmahls-Candidatin unter ihnen, die wegen ihrer Untreue seit 4 Jahren aus der Gemeine ausgeschlossen worden war, hatte seit geraumer Zeit mit vielen Thränen um die Wiederannahme gebeten; und ihre Bitte wurde ihr nun gewährt. Am 4 Jun. solten diese Geschwister abreisen, weswegen am 3tn die meisten von ihnen herkamen, um Abschied von uns zu nehmen. Bruder Watson brach mit dem Sprechen der vielen neuen Leute ab, redete nochmals herzlich mit ihnen, u. betete zulezt über sie, wobey die Thränen auf allen Seiten die Worte unterbrachen. D. 4ten segelten dann 50 Neger nach Grenada ab. 21 waren schon im Februar dahin versezt worden, u. 30 sollen noch nachgeholt [158] werden. Unter denselben sind 15 Getaufte u. 8 Taufkandidaten, u. verschiedene von den neuen Leuten, die fleißig in die Versamlungen kamen. Unter den Getauften sind 3 Communicanten u. 4 Abendmahls-Candidaten. D. 10tn hatten wir unsern Bettag, unter fühlbarem Bekenntnis des Heilandes zu seiner Gemeine. 27 Erwachsene wurden in den Tod Jesu getauft, u. 2 Personen in die Gemeine aufgenommen, 33 kamen unter die Taufkandidaten. Der nach Grenada versezten Geschwister wurde in der Gemeine theilnehmend gedacht. D. 24ten empfingen 14 Ehepaare den Segen der Gemeine zu ihrer Ehe. D. 25tn hatten wir eine zahlreiche Helferconferenz, u. bekamen umständlichen Bericht von dem Gang unsrer Geschwister. Wir proponirten ihnen, ob es nicht thunlich sey, daß wir zuweilen auf der Westseite [159] der Insel, old Road genannt, eine Versamlung hielten, da viele von den dasigen Geschwistern alt u. lahm sind, u. auch die andern wegen der Entfernung nur selten herkommen können. Die Helfer gingen von ganzem Herzen in die Sache hinein, besonders diejenigen, die in der Gegend zu besuchen haben, u. schlugen uns dazu Sir William Youngs Estate vor, wo der Verwalter sowol als der Eigenthümer es gewiß gern sehen würden. (Nota: Von der freundschaftlichen Gesinnung des Ritter William Young gegen die Brüdermission ist in Bruder Montgommerys Bericht von seinem Besuch in Tabago (s. 27te Woche 1787) etwas vorgekommen). Am 27tn begaben sich Geschwister Watsons auf diese Estate, u. wurden von dem Verwalter freundschaftlich aufgenommen. [160] Der Treiber, ein Abendmahls-Bruder, hatte sein Haus aufgeräumt, damit darinn Versammlungen gehalten werden könten, u. hatte die ganze Nacht damit zugebracht. Eine von den neuen Leuten gab ihr Haus dazu her, daß die Schwester Watson die Schwestern einzeln sprechen könte. Zu Mittag gab der Verwalter den Negern zwey Stunden frey, welches sonst in der Zuckererndte nicht leicht geschiehet. Die Neger brachten frölich einige Bänke zusammen, hatten eine Versammlung und gingen dann munter u. vergnügt wieder an die Arbeit. Der Verwalter, dem Bruder Watson unsern Wunsch sagte, daß wir öfters hieher kommen möchten, war sehr vergnügt darüber, u. sagte, daß, wenn nur die Zuckererndte vorbey wäre, er uns recht gern alle Tage da sehen wolte; denn es gebe keine beßere u. treuere Neger, als [161] die dem Evangelio gehorsam würden. Abends merkte er selber an, daß der zwey Freystunden ungeachtet, heute mehr Arbeit gethan worden als sonst, und daß die Neger besonders vergnügt u. aufgelebt dabey gewesen. Seine Mutter sagte: Ach was für Sünde haben wir weisse Leute auf uns, wenn wir die armen Neger hindern das Evangelium zu hören! Abends versammleten sich wieder viele, auch von den benachbarten Estaten, u. hatten eine Versamlung, aber das Haus konte nicht den vierten Theil fassen. Doch sahen u. sprachen wir sie alle, nach ihren 5 verschiedenen Klassen. Die hiesige Helferin Louise war besonders vergnügt u. aufgelebt, u. alles war sehr dankbar für den Besuch, zumal die Alten u. Lahmen, die mit ihren Krücken gekrochen kamen. Erst zu Mitternacht konten wir uns zur Ruhe begeben. D. 28tn kamen [162] Geschwister Watsons wieder nach Hause. Da wir sonst so viele Feinde unter den weissen Leuten haben, die dem Evangelio alles ersinnliche in den Weg legen, so thut es einem besonders wohl, wenn man einmal Leute von andrer Art antrift. Der Eigenthümer einer andern Estate in dasiger Gegend soll auch gut gesinnt seyn; nur gefällt es ihm nicht, daß die Neger so weit nach Gracehill in die Kirche zu gehen haben.

Hiemit beschliessen wir unser diesmaliges diarium, mit herzlichem Dank gegen den Heiland für sein bisheriges Bekenntnis zu uns, u. in gläubigem Vertrauen, daß Er uns u. unsre Negergemeine ferner segnen werde; wozu wir uns dem treuen Gebet u. Andenken der Geschwister herzlich empfehlen.

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II.A.
Beylage zur 8ten Woche 1788.


Lebenslauf des am 14tn Febr. 1788 in Herrnhut selig entschlafenen Bruders Günther Urban Anton v. Lüdecke.

Hätte unser lieber Bruder v. Lüdecke, wie er sichs vorgenommen hatte, seine Personalia selbst zu Papier gebracht, so würden wir viel merkwürdiges darinn finden. Denn er hat in den etlich u. vierzig Jahren, die er in der Brüdergemeine zugebracht, nicht nur viel gutes für sein Herz genoßen, sondern auch im Dienste derselben, in manchen Aemtern, die ihm anvertraut worden, vieles erfahren, wofür er dem Herrn unserm Heilande herzlich zu danken pflegte. Wir wollen aber doch nicht unterlaßen, von seinem leben ein u. das andere anzumerken. Er war d. 31tn Dec. 1723 zu Sondershausen im Schwarzburgischen geboren, u. wurde als ein Kind von etwa einem viertel Jahr [166] von seinen Eltern mit nach Braunschweig gebracht. Sein Herr Vater Hans Adolph v. Lüdecke war Hof- u. Consistorial-Rath im Schwarzburgischen, u. seine Frau Mutter Sophia Eleonora eine geborne v. Rauschenblatt. Als er noch nicht 5 Jahr alt war, ging sein HErr Vater aus der Zeit, u. seine Frau Mutter, welche ein paar Jahre darauf wieder heirathete, sorgte nebst seinem Vormunde für seine Erziehung durch Privat-Informatores. Im Jahr 1741 kam er nach Halle ins Paedagogium, wurde im Jahr darauf erweckt, u. trat seine akademischen Studia an. Die Bekanntschaft mit einigen Brüdern, die damals in Halle waren, ließ ihm der Herr unser Heiland, nach seiner über ihm waltenden Gnade, zu großem Segen seyn. Unter diesen war insonderheit der selige Bruder Christian Rauch, der ihm in manchen Verlegenheiten mit Evangelischem Rath u. Zuspruch diente. Bey einem Besuch [167] zu Ebersdorf im Vogtland, welchen er im Jahr 1743 that, lernte er die dortige Gemeine kennen. Er stund damals in der ersten Liebe, u. es lag ihm von Herzen an, dem guten lieben Heilande, der ihn zu Gnaden angenommen hatte, zur Ehre u. Freude zu werden. Da kam er dann in eine sorgfältige Ueberlegung, ob er sich zu Bedienung der Geschäfte, die Ehre u. Vortheile in der Welt bringen, zubereiten lassen solte; oder ob es der Wille des Heilandes mit ihm sey, davon abzusehen, u. einen Weg zu erwehlen, der weniger Gefahr hätte, u. ihm nützlicher wäre für sein Herz. Kurz, es entstund bey ihm der Gedanke: Soll ich nicht zur Brüdergemeine gehen, u. bey ihr meine Zeit zubringen? und der Gedanke sezte sich tief bey ihm. Er unterredete sich darüber mit einem seiner liebsten Freunde; der aber wolte gar nichts davon hören, u. widerrieth es ihm aufs äusserste. Auch andre Männer, [168] vor denen er viel Achtung hatte, waren dagegen; unter diesen war auch der bekannte Pastor Allendorf in Köthen, bey dem er sich einige Wochen aufhielt, um wegen seiner geschwächten Gesundheit den Brunnen zu trinken. Sein Herz wurde aber dadurch nicht beruhigt. Da wendete er sich mit Gebet u. Flehen zu Jesu Christo, dem Freunde der armen Sünder, u. bat Ihn auf seinen Knien aufs herzlichste, daß Er ihm über dem, was er nach Seinem Sinn u. Wohlgefallen zu thun hätte, Gewißheit schenken wolte; und Er erhörte in Gnaden sein Gebet, u. machte sein Herz getrost, zur Brüdergemeine zu gehen. Damit legte er sich zur Ruhe, u. dachte bey sich: Wenn mir doch der liebe Heiland nun auch ein Zeichen Seines Willens geben wolte! Und siehe! früh um 4 Uhr kam sein Freund, der selige Bruder v. Gablenz, der bisher ihm immer, wenn davon die Rede war, ob Bruder Lüdecke zur Gemeine [169] gehen solte, heftig widerstanden hatte, vor sein Bett, u. sagte: Nun ist mirs ausgemacht, daß ich zur Brüder Gemeine gehen soll; ich werde mich aufmachen, u. mit der Post nach Marienborn abreisen. Dieses war unserm seligen Bruder was unerwartetes, er sahe es für das gewünschte Zeichen an, u. machte sich gleich mit auf zur Reise nach Marienborn. Es war am 2 Nov. 1743, als ihm der Herr die Gewißheit schenkte von seinem Gnadenberuf zur Brüdergemeine, u. am 8 Nov. kam er in Marienborn an. Die Losung an jenem Tage hieß: „Nicht fürs Volk allein (Joh. 11,23.) sondern holt durchs Lösegeld die mit Seinem Blut getauften u. bezahlten u. gekauften Erstlinge aus aller Welt.“ Und die Losung an lezterm Tage hieß: „Er hub seine Hände auf, u. segnete sie. Luc. 24,50. Deine theuren Hände segnen u. weihen aller Erden Ende, die nun Deine seyn.“

[170] Er kam also zu einer Zeit zur Gemeine da die heftigsten Streitschriften gegen die Brüder allen Menschen in den Händen waren. Daher war es kein Wunder, daß seine Verwandten u. sein Vormund durch diesen seinen Schritt, den er gethan hatte, aufs heftigste aufgebracht wurden. Der Vormund meldete es nach Wolfenbüttel an die Hochfürstliche Kanzley, u. erhielt von daher die Ordre, daß er selbst nach Marienborn reisen, u. den v. Lüdecke zurück bringen solte, u. man wolle ihm dazu offene requisitoriales mitgeben; welches auch geschahe. Der Vormund kam am 1 Jan. 1744 wirklich in Marienborn an, u. legte den dasigen Beamten zuvörderst sein Anbringen vor; worauf sich dieselben erklärten, daß wenn der Herr v. Lüdecke freywillig mit ihm reisen wolte, ihn niemand daran hindern würde; wo aber nicht, so werde ihn niemand nöthigen können, [171] wider seinen Willen die Brüder-Gemeine zu verlassen. Der Vormund machte sich daher selbst an den Herrn von Lüdecke, u. stellte ihm mit großem Ernst vor, wie er sich durch die Gemeinschaft mit den Brüdern – denen er einen schmählichen Charakter gab – um sein Glück in der Welt bringen würde, u. wie er sich würde müssen gefallen lassen, alles das Seinige darüber zu verlieren; denn wenn er bey diesen verhaßten Leuten bliebe, würde er sich den Weg zu einiger Beförderung verhauen, u. man würde ihm von dem Seinigen nichts mehr zukommen lassen. Was dieses bey unserm seligen Bruder für einen Erfolg gehabt, ist aus dem Berichte seines Herrn Vormundes an die Hochfürstliche Kanzley, davon das eigenhändige Concept ihm in die Hände gekommen, zu ersehen. Es heißt darinn: „Er (nemlich der junge Herr v. Lüdecke) welchen ich wider Vermuthen [172] von ganz munterm u. freudigen Gemüthe fand, hörte alles ihm gesagte mit großer Bescheidenheit an, und gab mir darauf diese Antwort u. Erklärung: Er sey von Kindheit an ein in allen Lüsten erzogenes Weltkind gewesen, welches bey heranwachsenden Jahren in allerhand grobe Sünden verfallen u. selber sich ergeben, ohne jemals mit Ernst an Gott zu gedenken, u. sich seine Sünden reuen zu lassen. In diesem Zustande sey er von mir nach Halle gebracht, woselbst er durch das schlechte Exempel u. die Verführung seiner Mitschüler nur noch tiefer in die Sünden gefallen, u. Gottes Worte nebst den Vermahnungen der Informatoren keinen Platz gegeben, bis er bey einer ihm von Gott zugeschickten Krankheit in sich selber gegangen, sein sündliches Leben, u. wie er dabey künftig fahren würde, in reife Erwägung gezogen, u. einen ernstlichen Vorsatz gefaßt, [173] sich zu beßern. Dabey sey er auch auf der Universität beharret, u. habe in allen durch ein strenges Leben, fleißiges Beten, Kopfhängen u. sauer sehen die Hallischen so genannten Pietisten imitirt; aber dabey eine beständige Lust zur Sünde, unruhiges Gewissen u. Betrübnis über seine begangene Sünden gefühlt, bis er Gelegenheit gehabt mit einigen so genannten Herrnhutern oder Brüdern aus ihrer Gemeine, bekannt zu werden, die ihn auf das Verdienst Jesu Christi gewiesen, u. ihn ermuntert, solches im Glauben zu ergreifen, u. nebst Vergebung seiner Sünde sich deßen Gnade auszubitten. Dieses hätte er gethan, u. sich hernach nicht enthalten können zu der Brüdergemeine zu gehen, u. mit ihr Gott zu loben. Er empfinde dabey eine solche vollkommene Ruhe der Seelen u. Freudigkeit des Gemüths, daß er solche mit allen Gütern der Welt nicht vertauschen wolte. Es komme also [174] bey ihm nicht in Consideration, ob er sein vermeintes Glück dadurch verscherzte, indem er überzeugt sey, daß sein wahres Glück allein in seiner Seelen-Ruhe u. Seligkeit bestehe; hingegen es ein Unglück für ihn sey, wenn er wieder solte in die Welt geflochten werden. Versagte ich ihm die zu seiner Unterhaltung nöthigen alimenta, so würde ihn zwar solches, wegen seiner Mitbrüder, denen er das versprochene Kostgeld schuldig wäre, sehr betrüben, aber bey weitem nicht bewegen können die Gemeine zu verlassen, sondern allein necessitiren, sich unter die armen Brüder zu begeben, welches er, da es aus Liebe zu Christo geschehe, mit Freuden thun würde. Da er also aus überzeugendem Triebe Gottes sich hieher begeben, so würde ich ihm nicht verdenken, wenn er mir darinn nicht folgte, weil man Gott mehr als den Menschen gehorchen müßte.“ Weil nun sein Vormund [175] sahe, daß er nicht zu bewegen war, mit ihm nach Braunschweig zurück zu gehen, u. die Brüdergemeine zu verlassen; so reiste derselbe, nachdem er sich drey Tage in Marienborn aufgehalten, zurück nach Braunschweig. Unser lieber Bruder v. Lüdecke aber wurde Tags darauf, nemlich am 4 Jan. 1744 in die Brüder-Gemeine aufgenommen, u. dieses war u. blieb ihm so groß u. wichtig, daß er Lebenslang diesen Tag seiner Aufnahme alljährlich mit dankbarem Herzen feyerlich beging. Er kam darauf nach Lindheim in das Seminarium, in welchem damals eine hübsche Anzahl von erweckten Studiosis u. Candidaten war, mit dem man die Absicht hatte, daß sie nicht allein in der reinen Lehre, wie sie aus der heiligen Schrift in der Augsburgischen Confession verfaßt ist, sondern auch von der besten Methode, sie ans Herz der Menschen zu bringen, gründlichen Unterricht haben möchten. Wobey [176] man auch einen jeden darauf zu führen suchte, daß wir nicht uns selber leben, sondern dem, der für uns gestorben ist. Er blieb dann bis ins Jahr 1746 in besagtem Seminario. Als in diesem Jahr der selige Ordinarius[WS 4] eine Reise nach Holland u. England that, ging Bruder v. Lüdecke auch dahin, u. war nicht nur bey den Synodo in Zeist, sondern auch bey dem, welcher in London gehalten wurde. Ehe er aber diese Reise antrat, wurde er in die Klasse der Arbeiter aufgenommen, u. that auch eine Reise nach Braunschweig, um sein Vermögen in eigene Administration zu nehmen.

Am 4 Jun. 1747 wurde er zur Akoluthie aufgenommen, u. darauf zum Vice-Pfleger oder Helfer der ledigen Brüder in Herrnhut berufen; und in dem folgenden Jahre wurde ihm eben dieses Amt in Herrnhaag anvertraut. Er hat vielmal geäussert, daß er bey Bedienung dieses Amtes sowol in Herrnhut [177] als in Herrnhaag gesegnete Zeiten gehabt habe. Nachdem er gegen das Ende des Jahres 1748 zum Diakonus der Brüder-Kirche ordinirt worden, übernahm er im Jahr darauf das Pfleger- oder Helfer-Amt bey dem ledige Brüderchor in Herrnhut. Das war aber die Zeit, in welcher die leichtsinnige Schwärmerey, welche nach u. nach bey verführerischen u. verführten Leuten in den Brüdergemeinen aufgekommen war, und worüber treue Herzen in derselben bisher schmerzlich betrübt gewesen, mit großem Ernst angeschrien wurde, u. aus unserm Mittel, als etwas für eine Gemeine des Herrn sehr schmähliges, weggeschafft werden solte. Da war auch in dem Brüder-Chor in Herrnhut vieles aufzuräumen u. auszufegen. Da machten ihm dann wol die Brüder, die ihren Leichtsinn erkannten, bereueten, beweinten, u. sich davon befreyen liessen, viel Freude; andre aber, die sich entweder selbst [178] von der Gemeine entfernten, oder von ihr entfernt werden musten, machten ihm Schmerz u. Kummer. Denn es ist allemal viel schwerer einem Uebel abzuhelfen, wenn es schon um sich gegriffen hat, als wenn man die ersten Spuren davon gleich vertilgt.

Im Jahr 1750 besuchte er abermal England, wo der Ordinarius sich damals befand, u. mit vielen Arbeiten überladen war. In dieser Zeit diente er sonderlich eine Zeitlang in der Kinderanstalt zu Smithhouse in Yorkshire. In diesem Jahre trat er auch in den Besitz des Ritterguts Trebus in der Oberlausiz, u. blieb in demselben bis in den October 1759. Er wurde dadurch die Orts-Herrschaft des Gemeinorts Niesky, welcher im Jahr 1742 zum Besten einiger Böhmen in den Sächsischen Landen, welche gern in einer Brüdergemeine wohnen wolten, angefangen worden war. Nachdem [179] sich aber diese Böhmen größentheils nach Berlin gewendet, zogen verschiedene Brüder von Herrnhaag u. andern Orten nach Niesky; und dieser Ort bekam er in der Zeit, da unser lieber Bruder v. Lüdecke Orts-Herr war, einen nicht geringen Anwachs; wie er dann auch im Jahr 1754 das Recht erhielt, einen eignen Evangelischen Prediger zu haben. Er konte sich zwar in der Zeit seines Besitzes von Trebus, um anderer Geschäfte willen, nicht immer in Niesky aufhalten; er ließ sich aber das Bestehen u. die Aufnahme dieser Gemeine immer am Herzen liegen: und daß ihm dieselbe viel, sehr viel zu danken hat, ist denjenigen wohlbekannt, die um die damaligen Umstände genau wissen. Er hat auch vom Jahr 1772 bis 75 dieser Gemeine als Gemeinhelfer mit vieler Treue gedient. Im Jahr 1753 kaufte er von der Gräfin Kosboth, ehemaliger Gräfin v. Promniz, das Gut Neu-Dietendorf [180] in dem Gothaischen. Seine Absicht dabey war, dem sich da sammlenden Gemeinlein zu dienen, u. sein Wachsthum u. Bestehen zu befördern; und der Segen der Brüder Unität begleitete u. unterstüzte ihn dazu. Er vocirte auch in diesem Jahr unsern lieben Bruder Frühauff zum Prediger, welcher auch nach gewöhnlichem Examine ordinirt u. installirt wurde. Er wurde auch Vorsteher der Gemeine in Neudietendorf, u. nahm sich nicht nur des inn- u. äusserlichen Wachsthums derselben an, sondern vertrat sie auch, wenn es nöthig war, bey dem Herzog in Gotha u. seiner Regierung. Das Herzogliche Haus u. viele Herren aus den Collegiis besuchten auch mehrmalen dieses Oertchen mit Wohlgefallen. Es erfolgte aber erst am 14 Merz 1764 die Landesfürstliche Versicherung, daß, nach vorgängiger gründlicher Untersuchung der dortigen Brüder-Verfaßung, der zur unveränderten Augsburgischen Confession sich bekennenden [181] Evangelische Brüdergemeine, u. sämtlichen Mitgliedern der Evangelischen Brüder-Unität alle u. jede den übrigen Landes-Einwohnern competirende Freyheiten u. Rechte zugestanden, u. selbige insonderheit bey dem freyen öffentlichen Religions-Exercitio u. der bey den Evangelischen Brüdergemeinen hergebrachten Disciplin u. Ordnung geschüzt werden sollen. – Nach dem Synodo der Unität im Jahr 1764 wurde er Gemeinhelfer in Neudietendorf.

Unser lieber Bruder v. Lüdecke war auch Vorsteher der Brüdergemeine in Ebersdorf, und als der Landesherr anno 1761 derselben eine Concession zur Erweiterung ihres Anbaues verliehe, wurde er Lehnträger dieses Etablissements, mithin der Mittelsmann zwischen der regierenden Landesherrschaft u. der Gemeine.

Der selige Ordinarius, der sich viel Mühe zu geben pflegte, seine Mitarbeiter gründlich kennen zu lernen, hatte unsern [182] Bruder v. Lüdecke sehr lieb. Durch seine Vermittelung war es auch geschehen, daß er anno 1751 die Schwester Justine Eleonore v. Schweiniz, welche er wie seine eigene Tochter liebte, zur Ehe bekam. Mit dieser lebte er die kurze Zeit, als er sie hatte, sehr vergnügt. Sie wurde mit Leibesfrucht gesegnet, ging aber über der Geburt derselben heim. Er verbrachte die Zeit seines Witwerstandes grösten theils in Herrnhut als Gemeinrichter u. Witwer-Chorarbeiter, u. war ein Mitglied der Aeltestenconferenz.

Als der selige Ordinarius im Jahr 1755 in Taubenheim in der Oberlausiz mit verschiedenen Brüdern über dem Bestehen der Brüder Unität u. der ihnen anvertrauten Geschäfte in Absicht auf das Aeussere eine Conferenz hielt, war unser lieber Bruder v. Lüdecke auch ein Mitglied derselben; und als hierauf ein Administrations-Collegium errichtet [183] wurde, war er auch einer der Brüder, die dazu ernannt wurden. Er war auch ein sehr theilnehmendes Herz, u. zog sich nicht zurück, wenn in Bedienung der Sache des Heilandes hier u. da ein Aufwand oder Hülfe nöthig war. Gott, der es merkt, u. nicht vergißt, wirds den lieben Seinigen noch in Gnaden gedenken, darauf können sie sich gewiß verlassen.

Im Jahr 1758 trat er in Herrnhut in seine zweyte Ehe mit der ledigen Schwester Hedwig Charlotte v. Rennenkampf. Mit dieser lebte er 13 Jahre in vergnügter u. mit 4 lieben Töchtern gesegneter Ehe, von welchen die 3 jüngsten hier noch lebenden den großen Verlust ihres zärtlich geliebten u. treuen Vaters mit uns beweinen. Sie reisten hierauf mit Geschwister Johannes u. Benigne v. Watteville nach Holland. Im Dec. dieses Jahrs begleitete er den Bruder Johannes auf seiner Visitationsreise nach Neuwied. Anno 1759 war er mit dem Jüngerhause [184] in Heerendyk, u. dazwischen auf eine kurze Zeit mit Bruder Johannes in England; worauf er, wie oben gemeldet, mehrere Jahre hindurch sich dem Dienste der Gemeinen in Ebersdorf u. Neudietendorf widmete. Nachdem am leztern Orte im Sept. 1771 seine liebe Frau vom Heiland heimberufen worden, führte ihm im Nov. 1773 die gute Hand des Herrn wieder eine Gehülfin an der nun hinterlassenen lieben Witwe Anna Christiane Helene geb. v. Seidliz zu, mit welcher er in Barby zur heiligen Ehe verbunden wurde. Sie lebten kindvergnügt miteinander, u. was wir zu singen pflegen: „Du unser Friedens-König, Du, dem wir unterthänig, bereite diese Leut uns allen zu Exempeln, dem heilgen Geist zu Tempeln, dem Vater zur Vergnüglichkeit“ – das sahe man in ihrer Ehe. Doch unserm Herrn gebührt allein die Ehr; was wären wir doch, wenn kein Jesus wär!

[185] Das übrige von seinem im Dienste des Heilandes zugebrachte Leben noch mit wenigem zu berühren, so wohnte er sowol dem Marienbornschen als dem Barbyschen Synodo der Brüder Unität bey. jenes geschahe in den Jahren 1764 u. 69. und dieses anno 1775. Im leztern bekam er den Auftrag, das Gemein-Helferamt in Herrnhut mit unserm lieben Bruder Kohler zu übernehmen. Das that er durch Gottes Gnade, u. anno 1777 bekam er das Provinzial-Helfer-Amt der Oberlausizischen Gemeinen noch dazu. Auf dem anno 1782 in Berthelsdorf gehaltenen Synodo der Unität wurde er ein Mitglied der Unitäts-Aeltestenconferenz, u. zwar im Aufseher-Departement, u. wurde auch hernach zu dem Consenioratu civili[WS 5] eingesegnet; und in diesem Beruf hat er seinen Lauf selig vollendet.

Von der über ihm waltenden Gnade hat er in seinem Leben manche sonderbare [186] Proben gehabt. Nur eins u. das andere zu erwähnen, so fiel er in seinem 6tn Jahre in eine Grube, u. würde darinn ertrunken seyn, wenn nicht die Hand des Herrn jemand vorbey gehen lassen, der ihn schreyen hörte u. errettete. Auf einer Reise von Ebersdorf nach Neu-Dietendorf ging der Weg über einen Berg, an dessen Fuß die Saale vorbey ging. Der Wagen, in dem er mit seiner Gesellschaft saß, fiel den Berg hinunter, u. überwarf sich etlichemal, daß das unterste oben, u. das oberste unten hin kam. Alles ging in einer solchen Geschwindigkeit, daß sich niemand besinnen konte. Ehe er aber zur Saale kam, blieb er an einem Strauch liegen, u. niemand hatte Schaden genommen. Von Neu Dietendorf reiste er einmal nach Erfurt, u. als er von da weiter reiste, kam er in ein so tiefes Wasser, daß er im Wagen mit dem halben Leibe im [187] Wasser saß. Eins von den 4 Pferden am Wagen stürzte, u. ersoff auf der Stelle. Da rief ihm ein Mann oben vom Berge zu, er solte aus dem Wagen herausklettern nach dem Kutschensitz zu. Das that er, u. nun griff man zu, u. rettete ihn. Dann rief der Mann dem Postillion zu: Schneid die Ziehriemen von dem ertrunkenen Pferde ab, u. dann kehre um. Das geschahe, u. er kam mit dem Wagen u. den noch übrigen drey Pferden davon.

Er hatte einige schwere Krankheiten überstanden z. E. anno 1757 die Ruhr, bey welcher Gelegenheit er seinem Heimgang nahe zu seyn schien – und anno 1768 eine heftige Gicht, an welcher er 8 Wochen lang darnieder lag. Von lezterer Krankheit bekam er seitdem dann u. wann wieder Anfälle, besonders anno 1787, da er das Töplitzer-Bad mit Nutzen dagegen brauchte.

Von seiner lezten Krankheit (es war ein heftiges Fieber, wozu sich bald eine [188] gänzliche Entkräftung gesellte) hätte er ja wol auch genesen können, wenn ihn der Herr noch länger hier hätte haben wollen; aber die Stunde hatte geschlagen, da ihn der Heiland zu sich nehmen wolte; und wenn die da ist, so kan einen niemand halten. Wir haben daher dem Heiland, als wir sahen, daß er seinem Ende nahe war, mit einander von Herzen gedankt, daß Er ihn so lange zum Dienste Seiner Gemeine unter uns hat lassen wollen, u. haben, in der vesten Zuversicht, daß er bey dem Herrn seyn werde ewiglich, ihn der guten Hand des Herrn wieder übergeben. Die mehresten von seinen lieben Collegen waren zugegen, als wir früh gegen 6 Uhr am 14 Febr. 1788 unsern Abschied mit ihm machten, u. ihn zu seinem Heimgang, welcher gegen halb 8 Uhr sehr sanft erfolgte, mit dem Segen des Herrn begleiteten. Sein Alter hat er gebracht auf 64 Jahr u. etliche Wochen.

Was sollen wir nun weiter von [189] ihm sagen? Er war ein armer, aber durch Gnade reichlich getrösteter Sünder, dem das Wort von der Versöhnung, die durch Christum geschehen ist, sein Herz genommen hatte. Die Brüdergemeine sahe er an als seine Mutter, u. blieb in unverrückter Liebe zu ihr. Was ihm in derselben anvertrauet wurde, das suchte er mit vieler Treue zu besorgen. Es war ihm eine Freude, wenn er imstande war seinem Nächsten zu dienen. Im Umgang war er angenehm, bescheiden u. verständig, es mochte seyn, daß er mit Brüdern oder mit Fremden, mit Hohen oder mit Niedern zu thun hatte. Wenn auch schwere Dinge vorkamen, so blieb er in einem Gleichgewichte, u. ließ den Muth nicht leicht sinken. Wo er in einer Gemeine die Ortsherrschaft war, da erzeigte er sich als einen liebreichen u. gütigen Herrn. Bekleidete er ein ander Amt, so blieb er dabey, als ein Diener der Gemeine, in seinen gemessenen [190] Schranken. Es lag ihm sehr an, mit jedermann, so viel auf ihn ankam, in Liebe u. Friede zu bleiben; doch konte er auch ernstlich seyn, u. den schlechten Dingen sich mit Nachdruck widersetzen. Dieses alles kam bey ihm aus Liebe zum Heiland, die bey ihm immer zum Grunde lag. Seine hinterlaßene liebe Witwe schreibt: „Sein kindliches u. zutrauliches Herz gegen seinen lieben Herrn in allen Vorfallenheiten, seine unbeschreibliche Liebe, Zärtlichkeit, Treue u. Geduld, die er gegen jedermann, u. sonderlich gegen mich u. seine Kinder, tagtäglich bewiesen, kurz, sein edles Herz u. ganzer Charakter wird mir bis an mein seliges Ende unvergeßlich seyn u. bleiben“.

In Conferenzen blieb er bey der Sache, wovon die Rede war, und was dann von ihm geschehen solte, das suchte er treulich zu thun nach der genommenen Abrede. Gott sey Dank für diesen uns so lieben Collegen! Wir bitten unsern lieben Herrn, Er woll uns hinfort mehr beschern.

[191]
II.B.
Beylage zur 8ten Woche 1788.
Inhalt:

I. Lebensläufe: 1.) der ledigen Schwester Sophie Tugendreich Kneschken – 2.) der Witwe Susanne Kolbinin – 3.) des ledigen Bruder Johannes Wagenknecht – 4.) der verheirateten Schwester Dorothea Doberin – 5.) des verheirateten Bruder Joh. Peter Hamel – 6.) der verheirateten Schwester Anna Margarethe Hegner – 7.) der ledigen Schwester Eleonore Catharina Sophie v. Gersdorf – 8.) des Knaben Johannes Hünerwadel.

II. Von unsern auswärtigen Geschwistern u. Freunden.

1.) Aus dem Bericht des Bruder Johann Heinrich Ernst von seinen Besuchen im Bergischen p. in den Jahren 1786 u. 87.
2.) Aus den Berichten des Bruder Herold von der Societät in Potsdam, vom Merz 1786 bis Dec. 1787.

[192]

3.) Aus dem Berichte der Geschwister Ebers von ihren Besuchen im Schleswig-Holsteinischen 1787.

III. Von Labrador.

Aus dem diario von Nain vom Sept. 1786 bis Aug. 1787.

I. Lebensläufe.

1.) Die ledige Schwester Sophie Tugendreich Kneschken (in Herrnhut) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:

„Ich bin geboren d. 20 Jul. 1728 in Herrnhut, wo mein Vater in Diensten bey der seligen Frau Gräfin v. Zinzendorf war. Meine Eltern liessen sichs sehr angelegen seyn, mich für den Heiland zu erziehen, u. ich wurde nach damaliger Erkenntnis sehr streng gehalten.

Anno 1734 ging mein Vater selig aus der Zeit. Zwey Tage vor seinem Ende bat er mich mit Thränen, den Heiland doch recht lieb zu haben, u. Ihm u. der Gemeine [193] ein gutes treues Kind zu seyn. Darauf muste ich ihm die Hand geben, u. das machte einen tiefen Eindruck auf mich. Ich kam nun zu den Kindern ins Waysenhaus: es war kurz vor Ostern, welches mir darum anmerklich geblieben ist, weil wir am großen Sabbath einen besondern Gnadenbesuch vom Heiland hatten. Wir wurden alle von Ihm so angefaßt, daß wir miteinander auf die Knie fielen, u. wol eine Stunde lang weinten u. beteten, u. uns verbanden, uns dem Heiland ganz aufzuopfern. Dieser Bund ist mir Zeitlebens eindrücklich geblieben, u. der heilige Geist hat mich in der Folge oft daran erinnert. In meinem 13tn Jahre hörte ich den seligen Bruder Martin Dober über die Worte reden: „So ihr nicht essen werdet das Fleisch des Menschensohnes, u. trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.“ Das drang mir tief ins Herz, u. es war mir, als ob jemand zu mir sagte: Du bist noch todt, u. must ganz anders werden – welches [194] mir manche verlegene Stunden machte. Bald darauf war die F erste Feyer des 13 Nov. (anno 1741) welche mir besonders anmerklich geblieben ist.

Meine Eltern (meine Mutter hatte nemlich wieder geheirathet) waren in der Versamlung, u. ich blieb allein zu Hause. Da widerfuhr mir etwas besonders, ich fiel auf mein Angesicht, weinte u. betete zum Heiland, u. fühlte Seine Nähe unaussprechlich. Meine Eltern fragten mich, als sie nach Hause kamen, warum ich so geweint hätte; ich erzehlte ihnen, wie mir zu Muthe gewesen, u. sie sagten mir, was heute für ein Segenstag in der Gemeine sey.

Bey Gelegenheit, daß Bruder Johannes um diese Zeit sehr lebhaft u. durchdringend die Marter Jesu predigte, wurde ich voll Verlangen, die Kraft des Blutes Jesu auch an meinem Herzen zu erfahren; und Er gewährte mir auch meine Bitte, so daß ich davon ganz hingenommen wurde. Anno 1742 wurde ich in die [195] Gemeine aufgenommen, u. gelangte zum heiligen Abendmahl. In demselben Jahre zog ich ins Chor-Haus der ledigen Schwestern, u. hatte eine selige Zeit, konte auch über alles, was bey mir vorkam, mit meinen Arbeiterinnen offenherzig ausreden. Anno 1745 ging meine Mutter selig heim, welches mir unter andern dazu diente, daß ich auch im äussern nur zum Heiland meine Zuflucht nehmen lernte. Die selige Gräfin v. Zinzendorf bewies sich von der Zeit an bis an ihr Ende wie eine zärtliche Mutter gegen mich. Ich kam darauf nach Marienborn u. Herrnhaag, u. wurde anno 1747 in das ledige Schwestern-Chor aufgenommen. Die so genannte Sichtungszeit war mir eben nicht zum Schaden, denn ich genoß auf eine kindliche Weise u. ohne viel Bedenken, was andern damals lieb u. wichtig war, in Einfalt mit. Und da der Heiland seine Gemeine zu Seinem Kreuze zurückführte, konte ich von Herzen mit Sünder werden, [196] u. einen neuen recht lebhaften Blick auf Seine Martergestalt thun. In meinem 23ten Jahre wurde mir mein Sünden-Elend besonders aufgedeckt, u. es währte eine Weile bis ich mich drein finden konte. In der Zeit war mir das heilige Abendmahl zu ganz ausnehmenden Trost, denn nun lernte ich erst die Seligkeit einer armen Sünderin, die sich u. den unaussprechlich treuen Freund der Sünder kennt, schätzen u. geniessen; ja es ging ein neues Leben bey mir an, weil mir der ununterbrochene Umgang mit dem Schmerzensmann die Hauptsache wurde. Anno 1750 kam ich wieder nach Herrnhut, wo ich verschiedene Jahre die Comtesse Elisabeth v. Zinzendorf zu bedienen hatte. Anno 1760 kam ich zum Dienst der Kinder in die Anstalt, welches mir eine große Gnade war, u. im folgenden Jahre wurde ich zur Akoluthie angenommen. Nach einem drittehalbjährigen Dienst in der Anstalt kam ich ins Chorhaus zu den größern Mädchen. Meinem Herzen [197] nach blieb ich in einer seligen Schule des heiligen Geistes, u. es wurde mir klar gemacht, worinn ich meinem Gnadengange hinderlich war, sonderlich durch die eigene Gerechtigkeit u. die scharfe Beurtheilung andrer. Je mehr ich Ihm aber dieses alles hingab, je mehr kleidete Er mich in Seine Gerechtigkeit ein.“ So weit ihre Nachricht.

Die selige Schwester wurde in verschiedenen äussern Geschäften bey ihrem Chore gebraucht. Sie war in allen Sachen, die ihr anvertraut wurden, ausnehmend treu u. pünktlich, konte keine Unordnungen vertragen, u. ging sehr strenge dagegen an, wo sie etwas dergeichen gewahr wurde. Daß sie darinn zu weit gehen konte, hat sie selbst oben berührt, u. die öfters vorkommenden Spuren der eignen Gerechtigkeit machten ihr noch manche trübe Stunden. Aber ihr treues, dem Heiland u. seiner Sache so ganz ohne Ausnahme ergebenes Herz, u. ihre kindliche Anhänglichkeit an Ihm, blieb doch immer ihr vorzüglicher Charakter, u. erwarb [198] ihr die Liebe u. das Vertrauen ihrer Schwestern immer mehr. Seit geraumer Zeit ließ sichs bey ihr zu einer Auszehrung an, u. im May 1786 muste sie die Krankenstube beziehen. Sie bezeugte oft, daß ihr der Heiland in dieser ihrer Ruhezeit durch seine Nähe gar viel zu gute thue, aber auch noch manche selige Schule mit ihr halte, um sie von den lezten Ueberbleibseln des eignen Guten noch ganz auszuziehen. Zu Anfang des Jahres 1787 bekam sie neue Zufälle ihrer Krankheit, war aber dabey heiter u. dem Heiland kindlich überlassen, wie Er es mit ihr machen wolle. D. 18 Jan. beschäftigte sie sich viel mit dem Vers: Mein Erlöser kennet mich, weiß um meine Freud u. Leiden p. u. sagte, daß sie denselben immer im Gemüth habe. Niemand dachte, daß ihr Ende so nahe sey; aber am 19tn früh gegen 3 Uhr bekam sie einen Schlagfluß, u. war in wenig Minuten hinüber ins gesunde Reich versezt. Sie war im 59tn Jahr ihres Alters.

[199] 2.) Die Witwe Susanne Kolbinin (in Gnadenfrey) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin anno 1710 den 9 Febr. zu Augsburg geboren, wo mein Vater, Joh. Heidel, Bürger u. Kürschner war. Meine Eltern hielten mich zum Guten an; wenn ich aber zu andern Kindern kommen konte, so war ich eins der leichtsinnigsten. Bey meinem ersten Abendmahl hatte ich ein Gefühl, das mir unvergeßlich geblieben ist. Nun, dachte ich aber auch, ist der gute Christ fertig; wenn ich alle Vierteljahre zum Abendmahl gehe, u. nichts Böses thue, so bin ich gewiß ein rechter Christ.

Bald nachher kam ich zu fremden Leuten Leuten, um etwas zu lernen. Sie führten ein frommes Leben; aber es waren andre Leute im Hause, die leichtsinnig waren, u. zu denen hielt ich mich. Wenn ich darüber von meiner Frau, sonderlich des Sonntags, erinnert wurde, mit dem Beyfügen, daß ich lieber in der Bibel lesen solte; so war [200] meine Antwort: Was verstehe ich von der Bibel! Einmal besuchte ich die Predigt des Pfarrer Urlspergers. Er redete über die Worte: „Es sey dann, daß jemand von neuem geboren werde, kan er das Reich Gottes nicht sehen.“ Da dachte ich wie Nikodemus: Wie kan das zugehen?

Ich besuchte diese Predigten mehrmalen. Einmal, da über das Lied geredet wurde: Du sagst, ich bin ein Christ p. wurde mir sonderlich bey den Worten: „Thust du nicht auch also (nemlich wie du liesest) ist, was du sagst, ein Spott“ – angst u. bange. Ich nahm nun meinen Katechismus, u. ging ihn durch, und da ich zu der Frage kam: Wes Glaubens bist Du? fühlte ich, daß ich die Antwort nicht mit Wahrheit sagen konte. Nun trieb mich die Noth zu Jesu Füssen, ich weinte u. bat um Gnade, u. Er ließ mich nicht ungetröstet, denn es hieß in meinem Herzen: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöset, Du bist mein; ich tilge deine Uebertretung [201] um meinetwillen, u. gedenke deiner Sünden nicht.“ Dieser Trost ist mir hernach bey allen Bedenklichkeiten geblieben; denn ich bekam nachher mein Elend u. Sündigkeit recht zu fühlen, u. rief oft mit Paulus aus: Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?

Um diese Zeit erkundigte ich mich immer nach Leuten, die den Heiland lieb hätten; und bald darauf kam der Bruder Georg Schmidt nach Augsburg, u. erzehlte mir von Herrnhut. Mir wurde so: wenn ich bey den Leuten wohnen könte, so würde mir wohl seyn. Ich schrieb darum an die Gemeine, u. unterhielt sodann einen angenehmen Briefwechsel mit der Schwester Grünbeckin, der mir viel für mein Herz austrug. Es war mir ganz ausgemacht, daß ich zur Brüdergemeine gehörte; wie ich aber dazu kommen könte, war mir nicht klar. Der liebe Heiland aber wußte Mittel u. Wege, indem Er mir meinen seligen Mann zuführte. Ehe wir getraut wurden, [202] besuchte ich anno 1739 in Marienborn. Ich war 14 Tage daselbst, u. durfte allen Versamlungen beywohnen. Ich war mit den Gedanken hingegangen, bey der Gemeine besser zu werden, krigte mich aber nur noch schlechter zu fühlen, worüber ich viele Thränen vergoß.

D. 2 Jan. 1740 wurde ich mit meinem seligen Mann getraut. Wir fingen unsern Ehestand mit Gebet u. Flehen zum Heiland an, u. Er hat sich in Gnaden zu uns bekannt. Wir bekamen den Auftrag, uns der Erweckten in u. um Augsburg anzunehmen; u. wir thaten es so gut wir konten. Unser beyder Verlangen, in die Brüdergemeine zu kommen, wurde immer größer; unsre erste Bitte wurde uns jedoch noch nicht gewährt, endlich aber erhielten wir anno 1744 Erlaubnis nach Herrnhaag zu kommen, u. wurden bald der Gemein Gnaden theilhaftig. Was ich sowol überhaupt allhier, als auch insonderheit, durch die Reden des seligen Ordinarii für [203] mein Herz genossen habe, wird mir eindrücklich bleiben. Anno 1748 kamen wir nach Neusalze, wo wir bis zu der bekannten Einäscherung dieses Ortes im Jahr 1759, blieben. Nach einem kurzen Aufenthalt zu Gnadenberg, bekamen wir unser Plätzchen hier in Gnadenfrey angewiesen, wo mir der liebe Heiland die Gnade geschenkt hat, daß ich meinen Gang vergnügt u. selig gehen kan. Ich habe auch zu meiner Beschämung die Liebe der Geschwister gefühlt u. genossen, sonderlich bey meinen betrübten Umständen, da ich 1776 auf beyden Augen ganz erblindete. Im May 1779 ging mein lieber Mann selig zum Heiland. Von unsern 4 Kindern leben zwey Söhne u. eine Tochter, leztere im hiesigen Chor-Hause. Ich zog nun ins Chorhaus der Witwen, u. wurde mit mütterlicher Liebe aufgenommen. Ich habe eine treue Pflege auf der Krankenstube genoßen, u. kan wol sagen, daß ich lauter Sabbathstage [204] gehabt, wofür ich dem Heiland u. meinen lieben Geschwistern nicht genug danken kan. Bey allen Umständen in meinem Lebenslauf hat es immer so in meinem Herzen geheissen: „Dennoch bleibe ich stets an Dir, denn Du hältst mich bey meiner rechten Hand.“ So weit sie selbst.

Unsre selige Schwester verbrachte ihre Sabbathszeit im Umgang mit dem Heiland, war eine treue Beterin auch für die Diener der Gemeine, u. gedachte sonderlich der reisenden Geschwister zu Land u. See. Ihre liebste Beschäftigung war, das Leiden u. Sterben des Heilands zu betrachten, worüber sie sich öfters so zu äussern pflegte: „Einmal bin ich mit dem lieben Heilande am Oelberge, dann gehe ich nach Golgatha, dann sehe ich Ihn als Leiche im Grabe; und Sein Auferstehungstag ist mir darum besonders wichtig, weil Er sich bald nach den armen Sündern umgesehen hat.“

[205] Ueber ihre Blindheit beklagte sie sich niemals; wenn man sie deswegen bedauerte, antwortete sie zuweilen: „ich sage zum lieben Heiland: Willst Du die Augen binden, mein Herz kan Dich schon finden.“ Die Munterkeit u. Zufriedenheit ihres Gemüths u. ihr in Jesu Liebe brennendes Herz war uns allen u. besonders den Kranken (denn sie war immer eine Einwohnerin der Krankenstube gewesen) zu besonderm Vergnügen u. Erbauung. Bey ihrer zunehmenden Alterschwäche war sie dem lieben Heiland dafür sehr dankbar, daß sie keine Schmerzen auszustehen hatte, und so war es auch in ihrer lezten Krankheit, die 5 Wochen währte. Die meiste Zeit lag sie im Schlummer, u. erwartete in der Stille ihr leztes Stündlein. Den Tag vor ihrem Heimgang stimmte sie noch im Morgensegen der Kranken ganz laut in den Vers ein: Bey Dir, Jesu, will ich bleiben p.

Einige Stunden vor ihrem Heimgange wurde mit ihr von der Freude, die [206] ihr bevorstünde, den Heiland zu sehen, geredet, wobey sie sehr vergnügt war. D. 24 Febr. 1787 entschlief sie sanft u. selig unter dem Gesang des Verses: Sein Seufzen u. sein Stöhnen p. im 78ten Jahr ihres Alters.

3.) Der ledige Bruder Johannes Wagenknecht in Zeist hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren d. 7 Oct. 1743 zu Essenheim in der Pfalz u. in der reformirten Religion erzogen. In meinen Kinderjahren fehlte mirs nicht an Gelegenheit zu Ausschweiffungen; jedoch erinnere ich mich, daß ich zuweilen ums Seligwerden bekümmert war. Besonders machte das Lesen eines Lebenslaufes eines in Herrnhaag heimgegangenen Kindes, den mir mein Großvater in die Hände gab, einen tiefen Eindruck auf mein Herz, u. ich wünschte meiner Seligkeit auch so gewiß zu werden. Dergleichen Rührungen hatte ich mehrere, sonderlich in [207] der Zeit, da ich in den Unterricht zum heiligen Abendmahl beym Pfarrer Velde ging, dem das Heil der Kinder sehr anlag; ich fühlte ein inniges Wohlseyn bey den Unterredungen mit diesem Manne. Da ich aber das erstemal zum heiligen Abendmahl ging, meinte ich nicht das erfahren zu haben, was ich dabey erwartet hatte. Darüber wurde ich Anfangs stutzig, nach u. nach aber so gleichgültig, daß ich mich über alle Gnadenzüge des heiligen Geistes an meinem Herzen wegsezte, wodurch ich alles gute, was ich noch gehabt, gänzlich verlor. Weil ich aber doch unruhig war, u. viel von der Brüdergemeine gehört hatte, so bat ich meinen Vater, mich zu einem Schuhmacher in die Lehre zu geben; wobey ich den Vorsatz hatte, sobald ich würde ausgelernt haben, zur Gemeine zu gehen. Doch als meine Lehrjahre aus waren, hatte sich dieser Vorsatz geändert, u. ich stand eben im Begriff auf die Wanderschaft zu gehen, als ich einen Schaden am Bein bekam, der mich nöthigte [208] zu Hause zu bleiben. Da sagte mein Vater, der nun auch mit den Brüdern bekannt worden war, zu mir: Du hast immer davon geredet, du woltest zur Gemeine gehen, wenn du ein Handwerk gelernt hättest, wenn wird das geschehen? Das brachte mich zum Nachdenken, u. ich faßte den Entschluß, sobald ich würde gesund seyn, nach Neuwied zu gehen, u. da um Erlaubnis zur Gemeine anzuhalten. Dieses geschahe, u. ich kam den 30 Dec. 1764 daselbst an, u. erhielt die gebetene Erlaubnis. Ich hatte aber noch nicht den rechten Begriff von einer Gemeine Jesu, mir selbst fehlte es am armen Sündergefühl, ich hielt mich bey Nebensachen auf, sahe mehr auf andre als auf mich selbst, u. stand dadurch dem Heilande im Wege, mir das zu geniessen zu geben, was ich in der Gemeine hätte geniessen können. Daher ging es auch gleich von meiner Ankunft in Neuwied an mit mir durch viele Abwechselungen. Wenn ich auch gleich manchmal [209] einen Gnadenblick vom Heiland bekam, so ließ ich denselben nie recht im Herzen zu Grunde sinken, sondern mein natürlicher Hang zum Großwerden, u. andre neben mir zu verachten, brachten mich bald wieder um den genoßenen Segen. Des lieben Bruder Rislers Vorträge drangen mir oft zu Herzen, u. machten mir, wenn ich verzagen wolte, Muth zum Heiland, der auch so gnädig war, mich, wenn ich als ein armer Sünder zu Ihm kam, freundlich anzublicken, u. mir Seinen Frieden ins Herz zu geben. In einem solchen Zustand befand sich mein Herz, als ich d. 26 Oct. 1766 die Gnade hatte, in die Gemeine aufgenommen zu werden. Ich verlangte nun zwar auch nach dem heiligen Abendmahl; es gefiel aber dem Heiland, mir mein Verderben noch mehr aufzudecken, u. mich noch mehr zu einem armen Sünder zu machen. Und darein konte ich mich nicht finden. Ich versuchte aus eigener Kraft gegen das Verderben zu kämpfen, u. [210] kam darüber in eine solche Verwirrung, daß ich gern die Gemeine verlassen hätte. Dieses war mit mein Vorsatz, als ich mich im Jahr 1772 auf eine Reise nach Hause begab, um mich von meiner Herrschaft los zu machen. Als ich aus Neuwied heraus war, betete ich zum Heiland: Ach laß mich das als ein Zeichen deiner Gnade über mir u. meines Berufs zur Gemeine erkennen, wenn ich in meinem Gesuch bey meiner Herrschaft glücklich bin. Und wirklich hat der Heiland alles zu meiner Beschämung so gefügt, wie ich Ihn gebeten hatte. Ich kehrte wieder nach Neuwied zurück, u. bekam bald darauf, auf meine Bitte, eine Versetzung nach Zeist, wo ich den 28 Jul. 1772 ankam, u. d. 23 Jan. 73. mit der Gemeine zum heiligen Abendmahl gelangte. Hier habe ich mich durch die Gnade Jesu noch gründlicher kennen gelernt; nur bereue ich, daß ich der Stimme Seines guten Geistes nicht folgsamer [211] gewesen bin. Der Heiland hat es immer gut mit mir gemacht.“

So weit seine Nachricht.

Der selige Bruder war ein ganz besonderes Exempel, mit wie viel Treue u. Geduld der Heiland einem armen Sünder nachgeht, den Er einmal aus Gnaden zu sich gezogen hat. Er erkannte u. bekannte in seiner Krankheit mit Wehmuth, daß er durch sein unsünderhaftes, von sich selbst eingebildetes Betragen sich seinen Gang selbst erschweret, u. auch andern anstößig geworden sey, mit dem Zusatz, daß doch auch andere sich ein Exempel an ihm nehmen möchten, um sich vor einem trägen Gang in der Gemeine u. vor einem von sich selbst eingenommenen Herzen vom Heiland bewahren zu lassen. Mit viel Thränen beweinte er die verlorne Zeit, u. erkannte sich als einen Sünder, der aller Gnade unwerth sey. Er fand aber reichen Trost im blutigen [212] Verdienste Jesu, so daß es ein Vergnügen war ihn zu besuchen u. zu hören, was der Herr an seiner Seele gethan. Im Jan. 1787 bezog er die Krankenstube, u. im April zeigten sich bey ihm Spuren einer geschwinden Auszehrung. Auf Befragen, ob er ganz in den Willen des Heilandes ergeben sey, antwortete er: Wenn es dem Heiland gefällt mich zu sich zu nehmen, so findet Er einen armen Sünder, der kein größer Glück weiß, als aus Gnaden bey Ihm zu seyn. Oft hörte man ihn laut zum Heiland beten, u. noch eine Stunde vor seinem Verscheiden rief er: Ach erbarme dich über mich, hilf mir meine Schmerzen ertragen; ich habs wol nicht verdient, aber Du hast ja meine Rechnung mit deinem Blute durchstrichen: ach komm, u. nimm mich zu Dir!

Diese Bitte erhörte dann der Heiland, da Er ihn unvermuthet d. 8 May Abends zu sich nahm, mit dem Segen seines [213] Chores u. unter dem Gesang einiger Verse, im 44ten Jahre seines Alters.

4.) Die verheiratete Schwester Dorothea Doberin geb. Basse (in Niesky) war geboren d. 28 Jan. 1745 zu Sönderby auf der Insel Fühnen, wo ihr Vater Niels Basse Prediger war. Ihre Eltern liebten den Heiland u. die Brüder Gemeine, u. erzogen ihre Kinder mit vieler Sorgfalt. Sie hatten deren 12, von welchen 7 in zarter Jugend starben, 5 Töchter aber heranwuchsen, u. theils in der Gemeine theils in innigster Verbindung mit derselben, von ihrem Heilande viel Gutes genossen, wovon nun noch die Schwestern Möller u. Kölle in u. bey Kopenhagen, u. die Schwester Voullaire in Montmirail am Leben sind.

„In meiner Kindheit (berichtet die selige Schwester von sich selbst) machte mir hauptsächlich das Gebet meiner Eltern für mich zum lieben Heilande einen so tiefen Eindruck, daß ich mich oft von meinen Geschwistern entfernte, u. Ihn ganz im

[NN] Verborgenen mit vielen Thränen bat, mir entweder die Versicherungung zu geben, daß Er mich, wenn ich groß würde, bey sich erhalten, oder mich balde, so schlecht ich wäre, zu sich nehmen, u. aus Gnaden selig machen wolle. Den Heiland u. meine Eltern zu betrüben war mir immer die gröste Sünde, welches mich oft äusserst verlegen machte; doch getraute ich mich nicht, meine Noth darüber jemand anders als dem Heiland zu klagen. Mit zunehmenden Jahren wurde ich von Eigenliebe u. Hochmuth sehr gequält, u. bekam Lust zur Welt, aber zugleich große Herzensangst darüber, weil mein treuer Heiland mich immer darauf führte, was ich als Kind so oft mit Ihm ausgemacht hatte. Er bewahrte mich hierdurch, bey mancher Versuchung, vor allen Ausschweifungen. Meine Eltern erlaubten mir hierauf in meinem 20ten Jahre nach Kopenhagen zu ziehen, wo ich ein Jahr bey Geschwister Cröger u. ein Jahr bey Geschwister Schytts wohnte. Ich [NN] lernte hier meine Verdorbenheit noch mehr kennen, genoß aber zugleich vielen Segen für mein Herz. Die Krankheit meines Vaters machte mirs zur unumgänglichen Pflicht, im Oct. 1766 zu ihm zurückzukehren, u. bey der Schwächlichkeit meiner Mutter mich seiner, so wie auch der weitläuftigen Wirthschaft, nach allem Vermögen anzunehmen. Er verschied nach 5 Monaten sehr selig in meinen Armen, u. wurde von der ganzen Kirchfahrt als ein treuer Vater u. Lehrer beweint. Meine Mutter wolte nun als Witwe das so genannte Gnadenjahr auf dem Pfarrhofe noch aushalten; allein derselbe brannte nach 3 Monaten mit allen Gebäuden ab. Da ich alles in vollen Flammen, u. den Verlust des grösten Theils unsers mäßigen Vermögens sahe, u. zum Heiland seufzete, gab Er mir auf die Stelle die tröstliche Versicherung ins Herz, daß Er sich unser in allen Dingen annehmen werde; und diesen Trost hat Er mir seitdem immerfort erhalten.

[214] Meine Verwandten trachteten nun auf alle Weise, u. durch vortheilhafte Versprechungen, mich von dem Vorhaben abwendig zu machen, mit meiner schwachen Mutter in die Nähe von Kopenhagen zu meiner ältesten Schwester zu ziehen, welche mit dem Bruder Möller, Prediger in Blauströd, verheirathet war. Der treue Heiland ließ es uns aber gelingen, daß wir nach zwey Monaten hinkamen. Mein Verlangen u. Wunsch war nun darauf gerichtet, in eine Brüdergemeine zu kommen, deßen ich auch im folgenden Jahre 1768 gewährt wurde, da ich nebst meiner jüngsten Schwester nach Zeist in Holland kam. Auf der Seereise dahin geriethen wir durch einen heftigen Sturm, welcher uns an die Schwedische Küste verschlug, in die gröste Lebensgefahr, wobey mich aber der Heiland mächtig tröstete. In Zeist verbrachte ich einige Zeit in äußerster Verlegenheit über mich selbst, u. [215] war mit mir selber so unzufrieden, daß ich oft wünschte, lieber ein Wurm zu seyn, den man zertritt, weil ich mich nicht werth achtete Gottes Erdboden als Mensch zu betreten. Es war mir noch verborgen, daß ich, so schlecht ich mich fühlte, dem Heiland doch nicht zu schlecht sey, u. daß Er so gern mich selig haben wolte. Dies Geheimnis wurde mir in einer Rede des seligen Bruder Bruiningks aufgeschlossen; und nun konte ich mich meines Glückes, dem Heiland anzugehören, u. in der Stille mit Ihm umzugehen, freuen. Ich fühlte Seine Liebe u. Treue gegen mich auf eine besondre Weise, u. schämte mich sehr, daß ich so lange auf mein Schlechtseyn gesehen, u. vergessen hatte, was Er um meinetwillen gethan hat.“ So weit sie selbst.

Sie wurde anno 1768 in die Gemeine aufgenommen, u. 1769 mit derselben des heiligen Abendmahls theilhaftig. Es wurden ihr hierauf die Orts-Mägdlein zur Aufsicht [216] u. Erziehung übergeben, welches Geschäfte sie mit vieler Treue besorgte. Ihr Gnadenloos, als ledige Schwester ihre Tage im Umgang mit Jesu verbringen zu können, schäzte sie ungemein; es kostete sie daher viel, als ihr anno 1775 die Heirath mit mir (schreibt ihr Mann) angetragen wurde, sich dazu zu entschliessen; allein die Ueberzeugung, daß es der Wille Gottes sey, siegte. Unsre Herzen wurden gleich in wahrer Liebe mit einander verbunden, die unsre 12-jährige Ehe, bey Freud u. Leid, zu einer ihr u. mir ewig unvergeßlichen Segenszeit machte. Weil sie gering von sich dachte, hielt sie sich unwerth u. ungeschickt, im Dienste Jesu gebraucht zu werden; nahm aber der ihr aufgetragenen Geschäfte mit großer Treue wahr, u. hatte das Glück, durch ihr liebhabendes, aufrichtiges, sanftes Wesen durchgängig Achtung u. Liebe zu gewinnen. So diente sie mit mir noch [217] 1½ Jahr der Gemeine in Amsterdam, u. insonderheit den verwitweten verheirateten u. ledigen Schwestern daselbst, hierauf der Gemeine in Zeist 3 Jahre, u. 5 Jahre der Gemeine in Christiansfeld, nach deren Verlauf wir anno 1785 hieher nach Niesky berufen wurden. Sie hatte in Amsterdam einen Sohn, u. in Zeist eine Tochter geboren, die aber beyde vorher schon verschieden waren. Nun hinterläßt sie 2 kleine Töchter, davon die eine in Christiansfeld im Jun. 1782, die andre hier in Niesky im Oct. 1786 geboren worden. In ihrer lezten Schwangerschaft hatte sie große Beschwerden von gichtischen u. krampfhaften Zufällen auszustehen. Seit ihrer über alles Erwarten leichten Niederkunft verfiel sie in eine völlige Auszehrung, ertrug aber alles Ungemach mit besonderer Geduld, Freundlichkeit u. kindlicher Ergebenheit. Sehr beschämend u. erquickend war ihr die Liebe der Geschwister, denen sie herzlichst dafür zu [218] danken bat. Mich suchte diese edle Seele, bey meiner vor ihr nicht immer zu verbergenden Wehmuth, auf alle Weise zu trösten u. zu erfreuen. Seine selige Friedsgedanken (sagte sie) bleiben doch, bis wir Ihn sehn, u. auf ewig ohne Wanken, allemal die köstfrlichsten. Am 23 May 1787 war sie das leztemal auf dem Saal bey einem Chor-Abendmahl, welches ihr überaus gesegnet war. Auf ihre herannahende Vollendung freute sie sich sehr, u. bat den Heiland nur immer um Geduld, Seine Stunde abzuwarten. Etwa 8 Tage vor ihrem Ende bezeugte sie mir, sie sey einige Tage sehr bekümmert gewesen, ob der Heiland auch völlig mit ihr zufrieden sey, u. ihr alles vergeben habe. Er habe ihr aber jezt die Versicherung davon, u. zugleich den Trost ins Herz gegeben: „Siehe, in die Hände hab ich dich gezeichnet, du bist mein“. Nun sey sie sehr vergnügt, u. völlig mit Ihm einverstanden. Von [219] ihrem kindlichen u. herzvertraulichen Umgang mit Jesu Christo pflegte sie nie viel zu sagen, desto deutlicher war aber derselbe aus ihrem ganzen Betragen wahrzunehmen. Alles auch das geringste Gute nahm sie als unverdiente Gnade mit herzlicher Dankbarkeit aus Gottes Hand, und wenn die Selbstgefälligkeit einmal in ihr sich regte, so gereichte ihr dieses gar bald zu desto tieferer Demüthigung vor dem Heilande. Wenn man einige Verwunderung darüber bezeigte, daß sie mit solcher heitern u. ruhigen Gelassenheit von ihrem Mann u. Kindern scheiden könne, antwortete sie: Das kan ich freilich nicht von mir selbst, der Heiland allein hat mirs gegeben; ich liebe meinen Mann u. meine Kinder gewiß sehr zärtlich, aber ich bin versichert, daß des Heilandes Liebe zu ihnen noch weit größer ist: und warum solte ich derselben durch meine Sorge in den Weg treten? Auch sehe [220] ich, daß sie hier recht gut besorgt sind, wofür ich Ihm nicht genug danken kan. Ueberhaupt, sagte sie, hat der Heiland von jeher alles so gut mit mir gemacht, daß die Dankschuld unter allen meinen vielen Schulden die gröste ist. Der Vers war mir daher immer so wichtig: „Hab Dank, o Jesu! habe Dank für deine Lieb u. Treu: hilf, daß ich Dir mein Lebenlang von Herzen dankbar sey.“ Am 4 Jul. Nachmittag merkte sie mit inniger Freude, daß der so sehnlich gewünschte Augenblick ihrer Auflösung herannahe. Um 6 Uhr Abends war derselbe da, ihre Seele verließ den sehr ermüdeten u. abgezehrten Leib, u. eilte, unter Begleitung des herzlichsten Segens, zu dem, den sie so innig liebte. Ihr Leben hienieden hat gewährt 42 Jahre, 4 Monate u. etliche Tage.

5.) Der verheiratete Bruder Johann Peter Hamel (in Gnadau) war d. 2 Aug. 1719 zu [221] Wörmliz bey Möckern geboren, woselbst sein Vater Pachtmüller war; derselbe zog aber anno 1721 nach Wespen bey Barby, u. bauete die Windmühle daselbst. Der selige Bruder wurde von seinen Eltern sorgfältig u. christlich erzogen. Er verspürte auch schon in seinen jungen Jahren die Arbeit des heiligen Geistes an seinem Herzen; besonders ist ihm die Confirmation zum heiligen Abendmahl, u. dessen erstmaliger Genuß unvergeßlich geblieben. Er erlernte bey seinem Vater das Mühlenhandwerk, u. weil er grosses Belieben an der Musik hatte, suchte er sich auch in derselben zu üben, welches aber in der Folge eine Gelegenheit wurde, daß er fleißig zu weltlichen Ergötzungen kam, die er auch gern aufsuchte. Doch blieb er dabey immer unruhig in seinem Herzen, u. er war überzeugt, daß er bey einem solchen Leben nicht selig sterben könne. Bey der Erinnerung an diese Zeit [222] konte er die große Langmuth u. Geduld Gottes nicht dankbar genug preisen u. rühmen; „denn“, sagte er, „hätte mich Seine Hand nicht gehalten, so hätte ich mich ganz von Ihm verloren, u. wäre ins Sündigen hineingerennt, wozu ich Lust u. Gelegenheit genug hatte; aber Ihm sey tausendmal Dank gesagt, daß Er sich meiner Seele so treulich angenommen, daß sie nicht verdürbe!“

Anno 1739 heirathete er die nunmehrige Witwe Dorothea Margarethe geb. Lauerbach in Salze. Sie faßten bey dieser Verbindung den vesten Vorsatz, ein gottseliges Leben zu führen, u. Gott angenehm zu werden. Von ihren 11 Kindern sind noch 4 Söhne u. 4 Töchter am Leben, von denen er 12 Enkelkinder erlebt hat.

Nachdem er die Mühle in Wespen von seinem Vater übernommen hatte, bekam er auch nach dem Ableben seiner Schwiegermutter die Windmühle in Salze, u. hatte eine ziemlich weitläuftige [223] Wirthschaft. Gott schenkte ihm aber Kräfte u. Verstand, daß er alles mit gutem Erfolg besorgen konte, u. erwarb sich den Ruhm eines fleißigen u. ehrlichen Mannes. Aber bey allem äussern Glück verfolgte ihn die Unruhe seines Herzens, besonders wenn er ans Sterben dachte. Er suchte daher fromme Leute auf, ging fleißig in die Kirche, u. las viel in geistlichen Büchern; es kam aber zu keiner wahren Herzensruhe, u. er fiel immer wieder in das alte Verderben. In dieser Zeit besuchte er auch die Predigten u. Erbauungsstunden des seligen Abt Steinmetz in Magdeburg, zum Segen für sein Herz. Als anno 1750 die Brüder nach Barby kamen, ging er auch bald dahin in ihre Predigten, anfangs zwar mehr aus Neugierde, um zu sehen u. zu hören, ob die schlechten Dinge wahr wären, deren man die Brüder beschuldigte; allein er wurde bald eines beßern überzeugt, und das [224] Evangelische Zeugnis von der Versöhnung im Blute Jesu, und daß ein armer Sünder allein dadurch gerecht u. selig werden könne, drang gleich so tief in sein bekümmertes Herz, daß er von da an nicht mehr von ihnen bleiben konte, u. nähere Bekanntschaft mit ihnen suchte. Er zog sich zwar dadurch viele Schmach u. Verfolgung zu, allein durch Gottes Gnade achtete er solche nicht, u. konte von seinen bisherigen Gesellschaften, die ihm nur Unruhe zugezogen, getrost absehen. Er erklärte sich über diese Gnadenzeit mehrmalen so: „Ich wurde durch den seligen Bruder Clemens in seinen Predigten u. Privatunterredungen als ein armer u. verlorner Sünder zum lieben Heiland als meinem Versöhner grade hingewiesen, wo ich allein Gnade u. Friede für meine Seele finden würde. Ob ich nun gleich von dieser Gottes-Wahrheit, und daß es der rechte Weg zum Seligwerden sey, überzeugt war, [225] so konte ich mich dennoch nicht gleich dreinfinden, u. von meinem Thun u. Wirken ablassen, sondern wolte noch immer selbst etwas zu meiner Seligkeit beytragen; ich konte mich eben dem lieben Heilande nicht ganz überlassen, u. seine Gnade umsonst annehmen. In diesem Zustande mühete u. plagte ich mich viel, bis ich mir endlich keinen Rath mehr wußte, und als ein verlorner u. verdammter Sünder zu Jesu Füssen hinfiel, u. Ihn um Gnade u. Erbarmen anrief. Er erbarmte sich meiner in dieser Noth, vergab mir alle meine Sünden, u. ließ mich Trost, Leben u. Seligkeit geniessen. Von da an hat Er mich als einen armen aber begnadigten Sünder bey sich u. seinen Wunden erhalten, u. ich traue es Ihm zu, daß Er mich bey sich erhalten werde, bis an mein seliges Ende.“ Anno 1756 wurde er nebst seiner Frau in Barby in die Societät aufgenommen. Er machte sich die Gemeinversamlungen, ohngeachtet [226] der weiten Entfernung von Wespen, zum Segen für sein Herz fleißig zu Nutze. Das Heil seiner Kinder lag ihm sehr nahe am Herzen, u. er hatte die Freude, daß 6 Töchter u. ein Sohn nach u. nach Erlaubnis zur Gemeine nach Ebersdorf erhielten. Anno 1767 erhielt er beym Anfang des hiesigen Gemeinortes Gnadau, Erlaubnis sich ein Haus u. Windmühle allhier zu bauen, u. wurde demnach einer der ersten hiesigen Einwohner. Ohngeachtet er hier wenig Nahrung vor sich sahe, u. darum etwas kleingläubig wurde, so schenkte ihm doch der Heiland Muth u. Freudigkeit es im Glauben auf Ihn zu wagen, und Er hat auch hierinn sein Gebet erhöret, u. ihn gesegnet. Anno 1768 konte er hier sein Haus beziehen, u. den Anfang mit mahlen machen. Er wurde in demselben Jahr in die Gemeine aufgenommen, u. gelangte 1769 zum Genuß des heiligen Abendmahls mit derselben. Anno 1777 that er einen gefährlichen Fall von der Mühle, so daß [227] er für todt in sein Haus getragen wurde. Er erholte sich zwar wieder, aber seine Leibes- u. Gemüths-Kräfte nahmen von der Zeit an merklich ab; doch besorgte er nothdürftig seine Geschäfte, bis er im Jahr 1786 seinem Sohne Gottfried die Mühle ganz überließ, u. sich zur Ruhe begab.

Wir können ihm das Zeugnis geben, daß er in einem kindlichen Umgang mit dem Heiland stand, und ein fleißiger Beter für sich u. seine Kinder, u. für die Gemeine war, und nicht selten fand man ihn auf den Knien betend. Er dachte klein u. niedrig von sich, u. hielt alles, was sein Herz am Heiland u. in der Gemeine genoß, für unverdiente Gnade. Davon finden sich in seinen Anmerkungen, die er seit der Bekanntschaft mit den Brüdern gemacht, liebliche Beweise, da er verschiedene Herzensgespräche mit dem Heiland, u. viele Verse aus Liedern, die ihm besonders gesegnet waren, von Zeit zu Zeit aufgeschrieben hat.

[228] Seine lezte Krankheit währte 7 Wochen. Er glaubte u. wünschte, daß dieselbe die Gelegenheit zu seiner Auflösung seyn möchte, u. man hatte oft an ihm zu trösten, wenn es sich damit zu verziehen schien. Es wurde ihm in dieser Wartezeit noch manches klar, das dem Heiland an ihm im Wege stehen könte; darüber Er ihn aber sehr liebreich zufrieden sprach. Am 7 Jul. 1787 genoß er das lezte mal hienieden das heilige Abendmahl mit wahrer Sehnsucht seines Herzens unter einem unbeschreiblich seligen Gefühl der Nähe Jesu. Da er am 8ten zu seiner Heimfahrt eingesegnet wurde, war er sich ganz gegenwärtig, u. es war erbaulich ihn anzusehen. Seine lezte Worte waren: Mein Jesu! mein Jesu! worauf er sanft u. selig entschlief in einem Alter von beynahe 68 Jahren.

6.) Die verheiratete Schwester Anna Margarethe Hegner, geb. Wiedler (in Neuwied) hat folgende Nachricht von sich hinterlaßen: [229] „Ich bin geboren d. 3 Jun. 1726 zu Arau in der Schweiz. In meiner Jugend war ich ein lustiges, munteres Kind, und hatte die Welt lieb; meine Mutter aber hatte ein genaues Auge auf uns, u. hütete uns, so viel ihr möglich war, vor böser Gesellschaft. Diese ihre Sorgfalt u. viele herzliche Erinnerungen kamen mir in der Folge sehr zustatten; denn als ich anno 1739 nach Bern in Pension kam, hatte ich viel Gelegenheit Böses zu sehen u. zu hören, mußte auch meinen Hang zur Welt gründlich fühlen. Mein treuer Heiland aber, der schon damals an meinem Herzen arbeitete, bewahrte mich vor allem Schaden, u. erweckte einen solchen Eckel bey mir, länger in diesem Hause zu bleiben, daß ich nicht ruhete, bis meine Eltern mich wieder nach Hause nahmen. Am 1 Jan. 1740 wurde ich kräftig erweckt. Ich ging nach Gewohnheit meinem Oncle Zacharias Wiedler zum neuen Jahr gratuliren. Er sagte [230] zu mir: Willst du dann auch den lieben Heiland lieb haben, u. Ihn kennen lernen? Das drang mir durchs Herz, ich antwortete mit einem kleinlauten Ja! ging darauf nach Hause, warf mich nieder, u. betete: „Ach lieber Heiland, erbarme Dich doch über mich, Du weißst, daß ich ein so wildes Kind bin, u. die Welt viel lieber habe als Dich; wenn Du mir nicht ein ander Herz gibst, so werde ich das alles wieder vergessen.“ Diesen Tag ging ich nicht mehr aus dem Hause, aus Furcht mich wieder zu zerstreuen. Es war grade um die Zeit, daß ich in die Unterweisung zum heiligen Abendmahl gehen solte, u. zwar zu dem seligen Pfarrer Ernst. Er redete sehr herzlich mit uns vom lieben Heiland, und alles, was er mit uns redete, drang mehr auf Herzerfahrung als Kopfwissenschaft. D. 8 Jan. Abends kam der Oncle Zacharias mit seiner Frau u. ein paar andern Freunden zu uns. [231] Sie fingen an liebliche Lieder zu singen, und dieses war der Moment, wo unser ganzes Haus, Vater, Mutter, mein Bruder u. meine Schwestern, so wie ich, von der Gnade ergriffen wurden. Der liebe Heiland hat auch seinen Segen dazu gegeben, daß alle an Ihm beklieben sind. Ich machte darauf mit meiner seligen Base Esther Wiedler einen Bund, daß wir ganz allein für den Heiland leben, Ihn kennen lernen, u. Seinen Lehren folgen wolten, warfen uns vor Ihm aufs Angesicht, u. baten Ihn um Seinen Segen dazu. Wir zwey kamen darauf wöchentlich zweymal zusammen, u. beteten, oder unterredeten uns mit einander vom lieben Heilande. Dieses erfuhr der Pfarrer Ernst, u. schickte seine 2 Töchter zu uns (die eine war die noch lebende Schwester Stephani in Arau, u. die andre die selige Schwester Duvernoy in Montbeillard) und wir zusammen pflegten ihn wöchentlich zu besuchen, zum großen [232] Segen für unsre Herzen. Unsre Anzahl vermehrte sich bald bis auf 12. Es währte aber nicht lange, so wurden wir überall verschmähet u. verspottet; besonders hatten wir von dem feindseligen Collegen des Pfarrer Ernst manches schwere zu ertragen; der Heiland gab uns aber Gnade, ihm immer so zu antworten, daß er sich endlich schämte, u. uns mit Frieden ließ. Anno 1743 bekam ich die ersten Geschwister aus der Brüder Gemeine zu sehen, u. sie waren mir zum Segen. Indessen mußte ich mein tiefes Verderben recht fühlen; ich nahm meine Zuflucht zum Heiland, u. flehete Ihn um Hülfe u. Beystand an. Es ging aber damals in Arau noch etwas gesetzlich zu, u. es wurde mir sehr schwer gemacht, und darüber gerieth ich in Trockenheit u. Gleichgültigkeit. Als ich in diesen Umständen einmal zu meiner Mutter kam, war eben ein Bruder von Herrnhaag da. Ich erschrack, u. dachte: [233] der wird dirs gleich ansehen, wie es mit dir geht; sezte mich aber doch hin, um zu hören, was er mit meinen Eltern reden würde. Er redete von der großen Liebe des Heilandes zu armen Sündern, u. daß man es nicht beym gut werden wollen anfangen müsse u. s. w. Mein Herz wurde darüber so weich, daß ich in meine Kammer ging, mich dem Heiland zu den Füssen hinwarf, Ihn um Erbarmung anrief, u. nicht eher wieder aufstand, bis ich der Erhörung meines Gebets versichert war. Von da an konte ich kindlicher u. zutraulicher gegen den Heiland seyn; mein ganzes Sehnen ging dahin, so gestaltet zu werden, wie Er mich gern hätte. Es kam aber manche Hinderung drein, und weil mich die Welt überhaupt, u. meine Anverwandten insbesondere lieb hatten, so war ich immer bange, von der rechten Spur wieder abgeleitet zu werden. Daher mein Wunsch war, doch in eine Brüder-Gemeine zu kommen, wo ich mehr in Sicherheit [234] wäre; durfte es aber noch niemanden sagen, als dem Heiland in sein treues Ohr; ich bat Ihn zugleich, daß Er, der mein Unvermögen beßer als ich kenne, sich doch meiner annehmen wolle. Anno 1744 kam ich zu den zwey Kindern eines Herrn Denlers in Langenthal. Im äussern hätte ich es nicht beßer wünschen können; ich erfuhr aber erst recht, in welche Noth ich gerathen könte, denn ich hatte in diesem Hause rechte Versuchungsstunden; daher ich mich auch alle Morgen der treuen Aufsicht des Heilandes empfahl, u. Ihm alle Abende mit Thränen für Seine Bewahrung dankte, auch manche halbe Nacht mit Beten u. Weinen um Seinen fernern Beystand verbrachte. Im Merz 1745 kamen die Geschwister Peistels nach Arau, welcher Besuch mir zum Segen war. Bald kamen noch mehrere Geschwister, u. ich machte mir diese Besuche recht zu Nutze; nahm auch Gelegenheit meinem Vater zu erkennen [235] zu geben, daß ich zur Brüder-Gemeine zu gehen wünschte. Er genehmigte es nicht nur, sondern schrieb auch ohne mein Vorwissen an die Gemeine, u. bat um Erlaubnis für mich. Ich erhielt dieselbe nach Herrnhaag, u. reiste d. 25 Merz 1747 mit meiner ältesten Schwester dahin ab. Mein Vater nebst andern Geschwistern begleitete uns bis Basel. Als wir in den Busch kamen, schlossen wir einen Kreis, u. hielten zusammen eine liebliche Abschieds-Singstunde. D. 1 April langten wir glücklich in Herrnhaag an, mit der Losung: „Er ging hinein, u. schloß die Thür zu.“ Meine ersten Gedanken waren: Lieber Heiland, nun hast Du mich glücklich zur Gemeine gebracht, laß mich jezt auch ganz gedeihen, daß ich recht selig u. vergnügt, und Dir u. der Gemeine zur Freude werde! Ueberall wurden wir in Liebe bewillkommt, u. ich weinte diesen Tag viele Freudenthränen. D. 30 Jul. [236] wurde ich in die Gemeine aufgenommen. D. 19 April 1748 reiste ich mit 3 andern Schwestern, von denen zwey Grönländerinnen waren, nach Herrnhut ab, wo wir am 3 May ankamen. Den folgenden Tag kamen wir nach Hennersdorf. D. 12 Jul. gelangte ich zum Genuß des heiligen Abendmahls mit der Gemeine; was ich dabey genossen habe, bleibt unbeschrieben. (Hierbey verdienet folgender Umstand, den die selige Schwester oft mündlich zu erzehlen pflegte, noch angemerkt zu werden: Die von Herrnhaag nach Hennersdorf gekommenen ledigen Schwestern wohnten alle auf einer Stube, schliefen auf dem Stroh, u. hatten ihre Kleiderbündel neben sich liegen. Eines Tages besuchte sie der selige Ordinarius, u. fand ihrer ein paar über ihrem Bündel. Habt ihr dann keinen Schrank, fragte er. Antwort Nein! Sogleich ging er hin, räumte einen seiner eignen Schränke aus, u. sandte [237] ihnen denselben, mit dem Bedeuten, daß sie die Fächer unter sich theilen möchten. Folgenden Tages besuchte er sie abermal, u. sahe sich ihre Einrichtung im Schrank an. Dasjenige Fach, welches unsre selige Schwester bekommen, hatte folgende Worte angeklebt: „Leide dich geduldig, liebe Seele, u. sey stille.“ Wem gehört dieses Fach? Antwort: der Anna Wiedlerin. „Gut, mein Kind, sprach er zu ihr, merke dir dieses Sprüchelchen, so wird es dir gut gehen.“ Diese Worte schrieben sich tief in ihr Herz, u. sie erinnerte sich derselben nachher, so oft schwere Umstände vorkamen, zu ihrer Aufmunterung zum stillen Aushalten. Nun schreibt sie weiter:) Im August reisete ich mit mehrern Schwestern wieder nach Herrnhaag zurück. Im Oct. wurde ich bey Kindern angestellt. So viele Thränen es mich kostete mein liebes Chorhaus zu verlassen, so willig war ich doch, bey Kindern zu dienen, denn ich liebte sie [238] sehr. Im Jahr 1749 hatte ich eine eigene Zeit, es kam manches vor, was ich nicht verstand; aber ich bat den Heiland sich meiner anzunehmen, u. mich sowol vor allem Leichtsinn, als auch vor allem raisonniren zu bewahren.“

So weit aus ihrer eignen Nachricht, die überhaupt nur bis ins Jahr 1750 geht.

Sie zog mit den Kindern von der Wetterau nach Herrnhut, u. blieb bey ihnen bis ins Jahr 1760. In demselben Jahr kam sie hieher nach Neuwied, u. wurde am 8 Sept. mit dem nunmehrigen Witwer zur heiligen Ehe verbunden. Sie war eine solide u. in der ganzen Gemeine legitimirte Schwester. Mit dem lieben Heiland stand sie in einem genauen u. herzvertraulichen Umgang, u. es war ihr Gnade, Seinem Hause zu dienen. Sie war viele Jahre eine treue Krankenpflegerin u. Besucherin im Ehechor, u. besonders [239] diente sie bey Wöchnerinnen mit vieler Angelegenheit u. Sorgfalt; auch die lezte Zeit, da ihre Kräfte schon sehr abnahmen, ließ sie sich nicht abhalten, in diesem ihrem Dienste unverdroßen fortzufahren. Sie war viele Jahre schwächlich, ihre lezte Krankheit aber war kurz, u. sie war sich in derselben wenig gegenwärtig; sonst aber war sie niedlich u. liebhabend, u. es waltete bey ihrem Krankenbette ein seliges Gefühl.

Sie entschlief sanft u. selig am 16 Jul. 1787 in einem Alter von 61 Jahren u. 6 Wochen.

7.) Die ledige Schwester Eleonore Catharine Sophie v. Gersdorf (in Herrnhut) war die älteste Tochter unsers seligen Bruders Abraham v. Gersdorf. Sie hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren d. 24 Febr. 1732 in Siegersdorf. Von meinen zarten Kinderjahren an hatte ich eine Nervenschwäche, u. lernte auch erst im 7tn Jahre reden. Anno 1740 brachten [240] mich meine seligen Eltern mit zur Gemeine nach Herrnhaag. Ich kam in die Mädchenanstalt, wo ich Anfangs recht vergnügt war; ich merkte aber bald, daß mir das Leben im Herzen fehlte, u. ich bat den Heiland angelegentlich, mir doch auch die Gnade zu schenken, die ich an so manchen andern Kindern bemerkte. Er erhörte mein Gebet, es wurde mir leicht u. wohl ums Herz, u. ich kam in einen vertraulichen Umgang mit Ihm. Und da ich in meinem 12ten Jahre anfing in schlechte Dinge hinein zu gerathen, wurde ich gleich in meinem Herzen darüber bestraft, u. ruhete nicht eher, bis ich die Vergebung des Heilandes darüber fühlte. Ich wurde den Kindern als Aeltestin vorgestellt, welches mir sehr wichtig u. eine Gelegenheit war, daß ich viel betete u. weinte. Anno 1745 kam ich unter die größern Mädchen, u. hatte von da an wieder eine besondere Gnadenzeit. Mein [241] Grundverderben wurde mir immer mehr aufgedeckt, welches mir eine Veranlaßung war, daß ich mich desto mehr nach dem Genuß des heiligen Abendmahls sehnte. Diese Gnade widerfuhr mir im April 1747. Im Jun. desselben Jahres wurde ich zur Akoluthie angenommen. Ich war sehr beschämt über alle Gnade, die mir der Heiland widerfahren ließ, u. gab Ihm Herz u. Hände zum Treuseyn bis ans Ende. Mit zunehmenden Jahren verlor sich aber das kindliche u. gerade Wesen, ich gerieth in Einbildung von mir selbst, wurde unzutraulich, u. ging meinen Gang für mich allein so hin. In diesem Zustande reiste ich mit der Mädchenanstalt im Sept. 1750 von Herrnhaag nach der Oberlausiz, u. Anno 1751 im Merz zogen wir hier in Herrnhut ein. Da es sich nun ganz mit mir geändert hatte, u. ich zu nichts mehr gebraucht wurde, regte sich Verdruß u. Eigenliebe gar stark bey mir, u. ich [242] kam darüber in ein recht bedenkliches u. melancholisches Wesen. Der Heiland schenkte mir zwar manchen Gnadenblick, da ich aber meine schlechten Ecken doch noch nicht gründlich erkannte, ging es sehr abwechselnd mit mir. Im Jun. desselben Jahres wurde ich ins ledige Schwesternchor aufgenommen, u. einige Zeit darauf in einer Mädchenstube als Gehülfin angestellt. Anno 1755 gereichte mir eine gründliche Unterredung mit der seligen Anna zum großen Segen. Der Heiland schenkte mir Gnade, mich selbst im rechten Licht zu erkennen, u. da sahe ich, daß der Hochmuth bey mir viel tiefer saß, als ichs je geglaubt hatte. Ich schämte mich darüber vor dem Heiland, u. erhielt einen kräftigen Trost Seiner Vergebung. In diesem Jahre zog ich auch ins Chorhaus ein, da mir der grade u. aufrichtige Umgang meiner Chorgespielen zu vielem [243] Segen u. Ermunterung war. Der Einzug in unser neues Chorhaus war eine besondere Gnadenzeit für mein Herz. Wenn ich zurückdenke, daß ich mir so manche Stunden selbst verdorben habe, und der Heiland mich doch so unbeschreibliche Barmherzigkeit hat geniessen lassen, so fließen meine Sünderthränen in reichem Maaß u. s. w.“ So weit schrieb die selige Schwester im Jahr 1760.

In der Folge wurde ihr Gnadengang noch manchmal durch neben einkommende Natur-Fehler u. Eigenheiten gestört; aber bey allen Schwachheiten u. Gebrechen ihres Herzens u. Gemüths war u. blieb sie doch ein besonderes Objekt der Gnade u. Liebe ihres Erbarmers, u. Er wußte sie immer wieder zurückzuführen auf den ersten Grund, den sie in Seinem Blut u. Wunden gefunden hatte. Sie kannte u. liebte Ihn als den Versöhner ihrer Sünden, u. hatte einen kindlich vertraulichen Umgang mit Ihm. Anno 1774 bekam sie epileptische Zufälle, die aller [244] angewandten Mittel ohngeachtet in der Folge mehrmalen vorkamen. Diese Krankheit gab ihr Gelegenheit zu manchen trüben Kummerstunden, diente ihr aber auch dazu, daß sie desto mehr ihre Zuflucht zum Heiland nahm. Ueber ihre damalige Herzensstellung äusserte sie sich in einem Briefe unter andern so: „Wenn ich zurückdenke, was für Barmherzigkeit der Heiland an meiner Seele gethan hat, so beugt es mich in Staub vor Ihm. Komme ich aber auf die verlorne Zeit zurück, u. wie ich mir so manchen Gnadenbesuch verscherzt habe, so bin ich sehr betrübt. Ach wie oft habe ich die Stimme des heiligen Geistes überhört, u. habe mich von meinem eignen Geiste regieren lassen, war eingebildet von mir selbst, u. wolte immer gern etwas seyn. Das waren beständig meine Gedanken; aber des Heilandes Gedanken waren ganz anders über mich; Er hat michs fühlen lassen, daß Er mit meinem Gang nicht zufrieden seyn konte, u. [245] hat aus Treue solche schwere Zufälle über mich kommen lassen; ich habe es aber nicht gleich einsehen wollen, daß es mir an einem Sünderherzen fehlt, sondern ich war unwillig u. ungeduldig; endlich kam ich in eine ernstliche Unruhe über mich, u. weinte Tag u. Nacht, bis die erwünschte Stunde kam, da Er sich meiner wieder erbarmen konte. Nun ist mein beständiges Bitten zu Ihm, daß Er mich in der Gnade erhalten, u. mich immer kleiner u. sünderhafter machen wolle; ich fühle wol, daß noch gar vieles an mir abzuschmelzen ist, und dazu hat Er mich in Seine Cur genommen: ach möchte es Ihm nur ganz mit mir gelingen!“ Seit dem Anfang des Jahrs 1787 hatte sie nichts von den Anfällen ihrer Krankheit gehabt, klagte aber öfters über Kopfschmerzen u. Nervenschwäche. Uebrigens war sie seit einiger Zeit ungewöhnlich heiter u. vergnügt, erzehlte auch vor kurzem [246] einer Schwester, was sie oft in der Stille für selige Stunden habe, wenn sie so allein für sich singe oder bete. Ueberhaupt erklärte sie sich ausnehmend dankbar über alles. Am 16 Aug. war sie Vormittags noch ganz wohl, Nachmittags aber glaubte sie die Annäherung ihrer Krankheit zu bemerken. Den folgenden Morgen um 4 Uhr fand sich der Paroxysmus ein, u. zugleich ein Steck- u. Schlagfluß, der sie in wenig Minuten ins gesunde Reich versezte. Wir segneten (schreiben die Schwestern) ihre Ruhe unter dem Gesang: Schlaf, liebes Kind, mit der Gemeine Jesu Frieden p. Sie war im 56ten Jahre ihres Alters.

8.) Der Knabe Johannes Hünerwadel (in Norden) war daselbst geboren den 25 Merz 1771. „Er war uns“ (schreiben die Eltern) „als ein Kind durch sein an den Heiland anhängliches, munteres, liebhabendes u. folgsames Wesen zu [247] vieler Freude; in den folgenden Jahren aber, da sich das sündliche Verderben in ihm hervorthat, waren wir seinetwegen oft in Kummer u. Sorgen, ob er auch gedeihen werde. Dann u. wann that sich eine Hofnung hervor, daß sich die Gnade Gottes seines Herzens bemächtigen u. es zu einer gründlichen Veränderung bringen würde; allein seine flüchtige u. ausschweifende Art ließ es nicht dazu kommen. Er nahm die Bestrafungen darüber kindlich an, u. oft unter Vergießung häuffiger Thränen u. wiederholten Versprechungen, sich dem Heiland hinzugeben. Er erlernte bey uns das Gerberhandwerk, u. war in seinem Beruf treu u. fleißig, übte sich auch in seinen Freystunden in der Musik, um einmal der Gemeine als Organist dienen zu können; wovon er auch schon einige Proben gemacht. Nur blieb uns der Wunsch übrig, daß es doch mit seinem Herzen beßer gehen, u. er, [248] da er doch sonst von keiner versteckten Art war, auch einmal vor dem Heiland mit allen seinen Sünden grade herausgehen, u. Gnade in Seinem Blute suchen möchte.“ „In dieses aufrichtige Zeugnis seiner Eltern von ihm, stimme ich“ (schreibt Bruder Stegmann) „vollkommen mit ein. Ich habe ihn als einen offenherzigen u. aufrichtigen Knaben kennen gelernt, wenn ich mich mit ihm über seinen Seelenzustand u. Wandel besprochen; und man wünschte ihm dabey nur, daß es ihm ein Ernst werden möchte, sich mit seinen Sünden zum Heiland zu wenden, wozu man ihn zu ermuntern suchte. Es schien auch, als wenn er aus seinem Schlaf u. Traum aufwachte, u. es ihm anläge, des Heilandes froh zu werden. Er bat dann um die Aufnahme in die Gemeine, welche Bitte ihm am 12ten Febr. 1786 gewährt wurde. Die Freude, die man damals über ihn hatte, währte nicht lange, denn er kam, leider! bald wieder in sein voriges gleichgültiges [249] Fach hinein. Er klagte sich oft selbst darüber an; wie er solches auch in der leztern Gesellschaft, die mit den Knaben gehalten ward, that, da er bezeugte, daß ihm der Heiland oft an sein Herz komme mit seiner Gnade, daß er aber nicht treu mit derselben umgehe; sondern durch unnöthige Zerstreuung immer wieder von derselben abkomme.

Kurz vor seiner Krankheit führte ich ihm angelegentlich zu Gemüthe, daß er nicht wisse, wie bald ihn der Heiland abfordern könne; u. bat ihn, daß er demselben sein Herz geben möchte. Er weinte dabey, u. versprach solches zu thun. D. 7 Aug. 1787 bekam er die Blattern, u. man mußte bald an seiner Genesung zweifeln. Er war Anfangs niedergeschlagen, u. wünschte sehr wieder gesund zu werden, u. ersuchte deswegen alle, die zu ihm kamen, den Heiland zu bitten, daß Er ihm diesmal wieder aufhelfen möchte; u. sagte dabey, es sey [250] nun sein ernstlicher Sinn, Ihm sein ganzes Herz zu geben, u. hinfort in der Welt nur für Ihn zu leben. Auf die Frage, was er dazu dächte, wenn ihn der Heiland denn doch bey dieser Gelegenheit zu sich nehmen wolte? sagte er mit Wehmuth: ach, daran kan ich nicht ohne Angst u. Furcht denken, denn ich bin noch nicht bereit zu Ihm zu gehen. Es wurde ihm darauf gesagt, der Heiland wolle ihn fertig machen, wenn er nur sein ganzes Herz jezt Ihm hingeben wolle; wenn er das thun würde, so würde er sein leztes Stündlein mit Freuden erwarten können. Er begab sich darauf in die Stille, u. man hörte ihn viel seufzen u. beten, unter andern: „Ach mein lieber Herr Jesu, mein treuer Heiland, erbarme dich meiner armen Seele!“ Der Heiland sahe sein Seufzen gnädig an, u. man merkte, daß der heilige Geist kräftig an seinem Herzen arbeitete, u. ihn fertig machte. Sein Blick [251] zeugte davon, als welcher immer heiterer zu werden anfing, so daß man ihn mit Vergnügen ansahe, u. es einem recht wohl bey seinem Krankenbette war, da bey demselben das Herz zum Lobe der großen Hirtentreue Jesu, die sich an diesem Kranken veroffenbarte, hingenommen wurde. Insonderheit war seine ausnehmende Geduld auch erbaulich. Er hatte es sehr gern, u. bat öfters darum, daß man Verse singen möchte; und als unter andern der gesungen wurde: Christi Blut u. Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck u. Ehrenkleid p. betete er denselben recht gefühlig mit. Da er in der Phantasie davon redete, daß er nach Hause wolle; u. er gefragt wurde, ob ihn nach der Behausung der ewigen Freuden verlange? antwortete er: Ja, dahin will ich. Er wurde weiter gefragt, ob er dann nun als ein armer Sünder mit Freuden zum Heiland, im Vertrauen auf Sein blutiges Opfer [252] u. Verdienst gehen könne? worauf er ein freudiges Ja zur Antwort gab; und ob er nichts mehr auf seinem Herzen habe, was ihn bekümmere? Er antwortete: Nein, gar nichts mehr, der Heiland ist mir gnädig u. freundlich.“ Da an seinem Heimgangstage d. 18 Aug. unter andern der Vers gesungen wurde: Mein Freund ist mein, u. ich bin Sein p. nickte er etlichemal dazu mit dem Kopf, mit einem sehr freundlichen Blick; und da es an die Worte kam: „O wie werd ich Ihn droben für sein Leiden, Blut u. Tod ohne Ende loben“ – so hob er seine zitternde Hände in die Höhe, welches allen Anwesenden so rührend war, daß sie sich der Thränen nicht enthalten konten. Bald darauf entschlief er sanft u. selig, in einem Alter von 16 Jahren u. 5 Monaten.

[253]
II. Von unsern auswärtigen Geschwistern u. Freunden.




1.) Aus dem Bericht des Bruders Johann Heinrich Ernst von seinen Besuchen im Bergischen, Clevischen u. Märkischen in den Jahren 1786 u. 1787.




Nachdem ich diesesmal eine ziemlich lange Ruhezeit zum Segen für mein Herz in der Gemeine zu Neuwied genossen hatte, reiste ich am 18 April 1786 mit einer großen Gesellschaft, die zu den Feyertagen in Neuwied besucht hatte, von da ab. Alle meine Reisegefährten bezeugten, daß ihnen der Besuch zum Segen gewesen sey. In Cölln verabscheidete ich mich mit ihnen, u. blieb einen Tag bey unserm Freund Hardt, mit dem ich recht angenehme Herzensunterredungen hatte. Von hier aus besuchte ich weiter, unter andern den Herrn Pastor Burgmann in Mühlheim.

[254] D. 23tn kam ich nach Remscheid zu unsern lieben Altenpohls u. Aschenbergs, wo ich für gewöhnlich meinen Aufenthalt im Bergischen habe. Kaum hatte ich aber mich ein wenig eingerichtet, als ich Nachricht von Wesel erhielt, daß die Hofräthin Daems in Röpling krank geworden, u. sehr nach einem Besuch verlange. Diese 76jährige Dame ist seit vielen Jahren mit uns bekannt, u. hat den Heiland herzlich lieb, ist aber sonst von einer ängstlichen Gemüthsart, u. hat Aufmunterung nöthig. Die Familie nahm mich sehr freundschaftlich auf, u. ich mußte einige Wochen da bleiben. In der Zeit besuchte ich fleißig die etlich 20 Seelen hier herum, die mit uns bekannt sind. Es hat bisher unter ihnen noch zu keiner rechten Herzensgemeinschaft kommen wollen; jezt ist doch einige Hofnung dazu. Mit 7 Predigern bin ich in einer freundschaftlichen Connexion, die an dem Fortgang unsrer Heidenmissionen [255] viel Antheil nehmen. Einigen werden die Predigerconferenzen communicirt. Die neue Lehre ist bis in hiesige Lande noch nicht sehr gedrungen.

D. 18 Jun. kam ich wieder nach Remscheid, wo ich unter andern viele Briefe zu beantworten fand. Ein paar verirrte Schafe waren die ersten, an die ich schrieb. In den folgenden Wochen that ich die gewöhnlichen Besuche im Lande herum. Es gingen um diese Zeit etliche Seelen recht selig u. vergnügt heim. Eine Frau Namens Spickerin im Littringhausischen bezeugte vor ihrem Ende, daß sie es dem lieben Heiland sehr schwer gemacht habe, ihr Herz zu gewinnen, nun sehe sie aber ihrem lezten Stündlein mit Freuden entgegen. Ein Schulmeister Helderhof in Remscheid, der ehemals erweckt gewesen, aber ganz wieder eingeschlafen war, ließ vor seinem Ende einen Bruder zu sich kommen, u. bekannte, daß er seine Zeit bisher verträumt hätte, daß ihm aber vom Heiland, [256] zu dem er sich als ein Sünder gewendet, alle seine Sünden vergeben worden. Als der Prediger ihn fragte, worüber er in der Leichenpredigt reden solte, antwortete er: Wollen sie was sagen, so wäre es das: „Das ist ein theures werthes Wort, daß Jesus Christus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen“ – welche Worte der Prediger auch zu seinem Texte nahm. Eine junge Frau Namens Hohersbergin ging ebenfalls nach einer Krankheit von 5 Tagen selig aus der Zeit. Sie bezeugte auf eine angenehme Weise das Wohlseyn ihres Herzens, mit der Bitte, es solle sie niemand aufhalten, denn sie begehre nicht wieder gesund zu werden. – Ich besuchte unter andern in Solingen, wo ehemals durch den seligen Pastor Forstmann eine große Erweckung entstanden ist. Es sind noch immer einige, die man mit Vergnügen besuchen kan, wiewol einem wehmüthig ums Herz wird, wenn man an die ehemaligen [257] Zeiten zurückdenkt. D. 21 Aug. trat ich ins Märkische Land ein. In Brekerfeld kamen 20 Seelen zusammen, u. es war mir unter ihnen wohl. In Westhofen hielt ich mich einige Tage auf. Die in dieser Gegend mit uns bekannten Leute wohnen sehr zerstreuet, u. können nur des Sonntags zusammenkommen. Es sind ihrer etwa 20. In Asseln kamen über 50 Personen zusammen, die sehr begierig waren, ein Wörtchen vom lieben Heiland zu hören. Ich hatte besonders mein Vergnügen mit den Kindern, die recht aufmerksam auf das waren, was ihnen gesagt wurde.

Den Monat Oct. verbrachte ich in Hemmerde, wo ich mit dem verbundenen Häuflein zur Beichte u. zum heiligen Abendmahl ging. Von da besuchte ich in der Gegend weiter herum. Wo ich des Sonntags war, war immer eine zahlreiche Versamlung, u. noch nie hatte sich das Verlangen der Seelen nach Gemeinschaft so zu Tage gelegt, [258] als diesesmal. Es finden sich auch neue Leute herbey, von denen einige auf eine besondere Weise vom Heiland ergriffen worden sind. Einmal hatte ich 14 von unsern Gehülfen beysammen, da wir dann über alles gründlich ausredeten. In dieser Zeit gingen einige Seelen selig heim. Den einen Namens Kayser, in Lennep, besuchte ich kurz vor seinem Ende, u. er bezeugte mit Thränen in den Augen, wie sehr er verlange zum Heiland zu gehen. Ein andrer Namens Schliper erzehlte dem Prediger von seiner Erweckung zu den Zeiten des seligen Angelkorts; und dieser nahm Gelegenheit davon in der Leichenpredigt zu reden. Ein Mädchen von 9 Jahren ging sehr niedlich u. vergnügt heim, just da ich im Hause der Eltern besuchte. Es waltete dabey ein solches Gefühl der Nähe des Heilandes, daß die Eltern bey allem Schmerz über ihren Verlust recht freudig u. getrost waren. Vor dem Begräbnis hatte [259] ich Gelegenheit einer großen Schaar Kinder ein Wort vom Heiland zu sagen.

Die Weihnachtsfeyertage beging ich gemeinschaftlich mit 67 Seelen, u. der Heiland war in unsrer Mitte. Einmal hielt ich eine Gesellschaft mit 10 ledigen Mannsleuten. In einer Gegend sind die Gesellschaften in einem seligen Gang, in andern aber hält es damit schwerer.

Zum Jahresschluß war ich wieder in Hemmerde, u. blieb den ganzen Jan. 1787 daselbst. Ich erhielt von allen Orten erfreuliche Briefe von dem Gange der verbundenen Häuflein, u. nahm mir Zeit, überall hin, wo es nöthig war, zu antworten. Im Febr. wurde ich abermal ersucht, die kranke Frau Hofräthin Daems in Röpling zu besuchen. Sie war schmerzlich krank, u. dabey sehr verlegen um die Gewißheit ihrer Seligkeit. Ich wies sie einfältig zu dem vollgültigen Opfer Jesu, sie solle doch glauben, daß Er ihr wohl wolle, und [260] sich nicht länger mit der praedestination aufhalten. Ich muste etliche Wochen da bleiben, u. ihr alle Tage etwas vorlesen. Die Prediger, die sie zu besuchen pflegten, waren gegen mich sehr freundschaftlich, u. ersuchten mich mehrmalen, bey der Kranken bis an ihr Ende auszuhalten; da aber die Krankheit langwierig zu werden schien, und ich zu Ostern gern in der Mark seyn wolte (wie es die dasigen Geschwister mit mir verabredet hatten) so nahm ich am 28 Merz Abschied, wobey die Kranke u. ihre Familie sehr angethan war.

In der Marterwoche u. am Osterfest war ich an 4 Orten bey den verbundenen Häuflein, zulezt in Hemmerde, wo 30 Geschwister gemeinschaftlich zum heiligen Abendmahl gingen. Wir erinnerten uns an 22 Seelen, die seit Ostern 1786 selig zum Heiland gegangen, u. darunter waren 8 Kinder, bey Gelegenheit der Blattern.

[261] D. 16 Apr. erhielt ich Nachricht von dem seligen Verscheiden der Frau Hofräthin Daems. In Hemmerde ging im May ein Bruder Namens Schulz selig heim. Das lezte, was man von ihm hörte, waren die Worte: O wie sehr lieblich sind all Deine Wohnungen p. u.: Christi Blut u. Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck p. Eben daselbst ging unsrer Geschwister Sybrechts Tochter, ein Kind von 10 Jahren, das den Heiland zärtlich lieb hatte, selig heim. Die Kinder unsrer hiesigen Geschwister, 19 an der Zahl, haben ihre besondere Versammlungen, u. sind in einem Hofnungsvollen Gange. Im Jun. hielt ich mich in der Iserlöhnischen u. Sauerländischen Gegend auf. An einem Orte waren über 60 Personen beysammen, die nachher auch Gesellschaften hatten: ich hielt dieselbe mit 9 ledigen Mannsleuten, von denen einer nachher sagte, daß er etwas dabey erfahren habe, das er nie wieder vergessen werde. Mit den Gehülfen [262] hatte ich eine aparte Unterredung. In dieser Zeit erhielt ich Nachricht von dem seligen Heimgang von 4 Seelen; unter diesen war auch die Frau unsers lieben Bruder Altenpohls in Remscheid. An diesen Ort kam ich am 14 Jul. wieder zurück. D. 17tn hatte ich einen besondern Gedenktag, da es just 25 Jahre war, seitdem ich in dieses Land getreten bin. Ich redete darüber mit dem Heiland aus, u. fand viele Materien zu meiner tiefen Beschämung, aber auch zum Lob u. Dank gegen Ihn. Nachdem ich von hieraus an verschiedenen Orten besucht hatte, trat ich am 20 Aug. meine Rückreise nach Neuwied an, wo ich am 23tn ankam, herzlich dankbar gegen den Heiland, daß Er sich zu meinem geringen Dienste überall in Gnaden bekannt hatte.

[263] 2.) Aus den Berichten des Bruder Herolds von der Societät in Potsdam vom Monat Merz 1786 bis Dec. 1787.

D. 28 Merz 1786 langten wir, nach einer wegen des großen Wassers sehr beschwerlichen u. gefährlichen Reise, in Potsdam an. Viele Brüder waren uns entgegen gekommen, u. man konte gut merken, daß es den Geschwistern lieb war, daß nun ein paar Geschwister aus der Brüdergemeine bey ihnen wohnen solten. Wir wurden in den folgenden Tagen fleißig besucht, u. sehr liebreich bewillkommt. D. 31tn unterredeten wir uns mit den drey hiesigen Gehülfen über den Gang der Societät. Abends war die erste Versamlung, zu welcher dieses mal alle kamen. Bruder Holberg bewillkommte uns erst mit einigen Segensversen, u. las darauf ein herzliches Schreiben des Bruders Dombrowsky an hiesige Geschwister, unsern Beruf [264] betreffend, worauf ich Gelegenheit nahm, mich umständlich gegen die Geschwister zu erklären, u. uns ihrer Liebe u. ihrem Gebet zu empfehlen. In den folgenden Tagen besuchten wir die Geschwister fleißig in den Häusern. D. 7 Apr. war Conferenz mit den Gehülfen, welche überhaupt für gewöhnlich alle 14 Tage gehalten wird. D. 8tn bat eine ausgeschlossene Schwester unter vielen Thränen um die Wiederannahme. D. 9tn machten wir unter einem seligen Gefühl den Anfang die Passionsgeschichte mit einander zu lesen. Vom 10tn bis 13tn wurden die Geschwister einzeln gesprochen. Es war durchgängig ein Verlangen wahrzunehmen, dem Heiland zur Ehre u. Freude zu werden, u. die hin u. wieder vorgekommenen Anstösse aus dem Wege zu räumen. Am Charfreytag gingen die Geschwister in ihren Kirchen zum heiligen Abendmahl. Am Ostermorgen früh [265] um 6 Uhr beteten wir auf unserm Sälchen die Osterlitaney, u. nachher gingen einige Brüder mit uns auf den Kirchhof, die Gräber unsrer entschlafenen Geschwister zu besuchen. Besonders eindrücklich war es uns, da wir auf dem Leichenstein des seligen Bruders Hollfeld den Vers erblickten: Der Grund, wo ich mich gründe, ist Christus u. sein Blut p. Unter den heutigen Versamlungen war auch eine mit den Kindern, die sehr weich u. angethan waren. Wir hatten in diesen Tagen Besuch von einigen Personen vom Lande, die um ihre Seligkeit bekümmert sind. D. 21tn wurde ein Abbittebrief von einer ausgeschlossenen Schwester gelesen, u. dieselbe herzlich wieder angefaßt. D. 4 May schlossen sich unsre 4 ledigen Schwestern im Geiste an ihre Chor-Verwandte in der Gemeine an, u. hatten ein paar Festversamlungen, in welchen sie sehr angethan u. weich waren. [266] Am zweyten Pfingstfeyertage brachte ein Bruder seine Frau zu uns, die immer sehr bedenklich gewesen, in unsre Versamlungen zu gehen, nun aber durch seine Erzählungen von dem darinn genossenen Segen so angefaßt war, daß sie sich auch Erlaubnis dazu ausbat.

Im Monat Jun. kam der Kauf eines Hauses zum Gebrauch der Societät, mit Genehmigung der Stadt-Obrigkeit, zustande, wofür die Geschwister dem Heiland sehr dankbar waren. D. 20 Jul. reiseten wir nach Cremmen. Dasige Geschwister wurden einzeln gesprochen, u. mit den Gehülfen unterhielten wir uns etliche mal über die Umstände des Häufleins, bey welchem der Feind mit unter grossen Schaden angerichtet hatte. In den Versamlungen war eine selige Bewegung wahrzunehmen. D. 24ten kamen wir wieder nach Potsdam zurück. D. 25tn war die lezte Versamlung in Geschwister Ackermanns Hause, mit herzlichem Dank gegen den Heiland für alle die seit [267] 24 Jahren in demselben genossenen Segen; und am 30 Jul. wurde unser neuer Versamlungssaal in dem vor kurzem gekauften Societätshause eingeweihet, wozu unser lieber Bruder Lauterbach nebst seiner Frau von Berlin hieher gekommen war. Es war nach dem Zeugnis aller Geschwister ein wahrer Segens- u. Gnadentag.

D. 4 Aug. zogen wir in das neue Haus ein; ausser uns wohnen noch ein Paar Geschwister darinnen. D. 22tn reisten wir zum Besuch nach Brandenburg. Die dasigen Gehülfen wurden unter andern gebeten, mehr auf den Dörfern zu besuchen, wo es viele heilsbegierige Seelen gibt. D. 29ten kamen wir wieder nach Potsdam zurück. D. 13 Sept. besuchten uns zwey erweckte Kolonisten von Hertefeld, 4 Meilen von hier. D. 16 Oct. geschahe eine nachdrückliche Erinnerung wegen der Kindererziehung, welche nachher viele sünderhafte Aeusserungen verursachte. D. 26tn hielt uns Bruder Baumeister von Barby, der unsre Geschwister Graf Einsiedels [268] auf einer Reise hieher begleitet hatte, eine gesegnete Versamlung.

D. 1tn u. 2 Nov. wurden die Geschwister einzeln gesprochen; es gab viele Materien zur Freude, aber auch zum Leidetragen. Ein Bruder mußte ausgeschlossen werden. D. 3tn besuchte uns ein erweckter Schiffer aus Brandenburg, mit dem ich eine gefühlige Unterredung hatte.

In diesem Monate besuchten wir wieder in Cremmen, wo auf Verlangen der Geschwister wieder Gesellschaften eingerichtet wurden. Auch waren wir in Hertefeld, wo noch nie Geschwister besucht hatten. Es fanden sich 18 Personen zu einer Versammlung ein, die sehr angethan waren, u. um öftern Besuch baten. D. 22tn kamen wir wieder nach Potsdam. D. 27tn wurden auf Verlangen vieler Geschwister die Gesellschaften wieder angefangen, wovon wir einen erneuerten Segen hoffen. D. 10 Dec. früh hörten wir, daß der Bruder Timler von der Garde [269] du Corps in der vorigen Nacht plötzlich aus der Zeit gegangen.

Zum Schluß des Jahres 1786 bestand die Societät in Potsdam aus 185, in Brandenburg aus 145, u. in Cremmen aus 72 Seelen, die Kinder der Geschwister mitgerechnet.

D. 21 Jan. 1787 war die Gesellschaft der ledigen Brüder besonders lebhaft u. gesegnet. D. 29tn besuchte uns eine Witwe von Bornstedt, die um ihre Seligkeit bekümmert ist. D. 7 Febr. brachte uns eine Frau mit Freudenthränen die Nachricht, daß ihr Mann ihr nun völlige Freyheit gegeben in unsre Versamlungen zu gehen. Sie hatte bisher manches deswegen auszustehen gehabt. D. 25tn erfuhren wir, daß die Witwe Fischerin im Armen-Lazareth, die öfters unsre Versamlungen besuchte, im Vertrauen auf den Heiland selig aus der Zeit gegangen. D. 8 Merz kam ein Bauer von Hertefeld zu uns, u. schüttete unter vielen Thränen sein ganzes Herz aus. Er wurde mit aller [270] seiner Sündennoth liebreich zum Heiland gewiesen, u. ging getröstet wieder zurück.

D. 19tn kam eine Frau, die schon einige Zeit in die Sonntagsversammlungen geht, u. klagte, daß sie ihre Armuth u. sündliches Verderben überall so sehr fühlen müsse, welches doch sonst nicht so bey ihr gewesen; sie hätte sich manchmal gewundert, daß man bey uns so viel vom menschlichen Elend und Verderben hörte, von dem einzig u. allein der Heiland befreyen könne; nun sey ihr darüber ganz anders zu Muthe u. s. w.

Gegen Ende des Monates besuchten wir in Cremmen u. Hertefeld. An lezterm Orte ist eine besonders selige Bewegung wahrzunehmen. Die Leute waren so begierig etwas vom Heiland zu hören, daß wenn wir aus einem Hause ins andre gingen, uns alles nachfolgte, um nichts zu versäumen. Den Weibsleuten war die herzliche Anfaßung von Seiten einer Schwester ganz was [271] neues, u. sehr wichtig. Der neuerweckte Bauer, dessen oben erwähnt worden, ist seinem ganzen Hause zum Segen; u. überhaupt ist die Erweckung an diesem Orte im Zunehmen. Im April waren uns die Marterwoche u. Ostertage wahre Tage des Heils. Vom 18tn bis 24tn waren wir in Brandenburg, u. am 29tn waren 4 Brüder von daher bey uns zum Besuch. Im May wurden 3 Personen, die wegen Vergehungen ausgeschlossen gewesen, nachdem sie dieselben mit vielen Thränen bereuet hatten, herzlich wieder angefaßt. Bey einem Besuch in Nova Weß gab der Heiland Gnade, daß einige Mißverständnisse gehoben wurden. Im Junius waren wir zum Besuch in Herrnhut, u. am 14 Jul. kamen wir wieder zurück. D. 5 Sept. wurden zwey Schwestern zur Societät hinzugethan. D. 27tn ging der Knabe Carl Thomas Philip Möliz vergnügt u. selig heim, in seinem 15tn Jahr. Er hatte den Heiland zärtlich lieb, u. die [272] Passionslieder waren seine liebste Weide. Seine ausserordentliche Geduld bey seiner sehr schmerzhaften Krankheit war sehr erbaulich u. beschämend. Bey jedem Besuch gab er sein zärtliches u. verlangendes Herz gegen den Heiland mit Gefühl zu erkennen, u. konte von der Liebe Jesu, u. von der Seligkeit, die man in Seiner Gemeinschaft genießt, nicht genug hören. Wir hätten ihn gern länger behalten, aber der Heiland eilte mit ihm aus dieser verführerischen Welt heraus. – D. 5 Oct. kamen zwey Bauern von Hertefeld hieher, u. waren in der Versamlung sehr angefaßt. D. 7tn besuchten uns 3 Erweckte von Kemniz. D. 9tn besuchten wir die Geschwister in Nova Weß. Dieses neu angelegte weitläuftige Dorf ist wie ein Sandmeer, darinn man versinken möchte. Die Einwohner sind Colonisten aus allerley zum Theil recht schlechten Volke. In diesem Monate wurde mit den Eheleuten [273] eine besondere Chorversamlung angefangen, so wie auch im Nov. eine wöchentliche Kinderstunde Mitwochs-Nachmittag, da keine Schulen sind. Eltern u. Kinder waren darüber sehr vergnügt; wie dann überhaupt durch Gottes Gnade in der Kindererziehung mehr Ernst als sonst bey den Geschwistern wahrgenommen wird. D. 7 Dec. ging unsre Schwester Eleonore Sophie Löhrin selig u. vergnügt heim. Sie war anno 1740 hier in Potsdam geboren. Von Jugend auf fühlte sie, daß ihr etwas fehle, u. sie so, wie sie sey, nicht könne selig werden. Sie wurde darüber oft sehr unruhig, wußte aber nicht, wie sie es anfangen solte, und so wurde ihre Noth immer größer. Einmal, da sie zum heiligen Abendmahl gehen wolte, u. vorher vom Prediger im Beichtstuhl unter andern hörte, ein jedes solte sich prüfen, ob es im wahren Glauben an den HErrn Jesum stünde – [274] war ihr dieses wie ein Schlag ans Herz, u. es fiel ihr auf der Stelle ein: Das fehlt dir. Da ging ihre Noth erst recht an, u. sie hatte Tag u. Nacht keine Ruhe. Endlich fragte sie eine von unsern Schwestern um Rath, u. diese brachte sie zu uns. Sie sahe einer recht abgeängsteten Seele ähnlich, die das innigste Mitleiden gleich erregte. Sie wurde mit aller ihrer Noth zum großen Sünderfreund gewiesen, u. dieser Zuspruch wurde ihrem Herzen so gesegnet, daß sie vergnügt u. heiter wurde, u. auch einen ganz veränderten Blick bekam. „Ach, sagte sie, das ist ein Balsam des Lebens auf mein verwundetes, todtkrankes Herz!“ Sie kam bald wieder, u. bat sehr dringend um Erlaubnis zu unsern Versamlungen. Wir hatten einiges Bedenken, weil ihr Mann dagegen war. Als sie zum Schluß des 1786ten Jahres, ohne unser Wissen, zum erstenmal mit in der Versamlung war, [275] wurde sie so übernommen, daß sie unaufhörlich weinen muste. Ihr Mann merkte diese selige Veränderung bey ihr, u. war ihr nicht nur nicht mehr hinderlich an der Gemeinschaft mit uns, sondern vielmehr förderlich, welches ihr zum Erstaunen war, u. sie wußte nicht, wie sie dem lieben Heiland genug dafür danken solte. Der heilige Geist nahm sie immer mehr in seine selige Schule, zog sie immermehr von ihrer vermeinten Frömmigkeit u. eignen Heiligkeit aus, u. machte sie zu einer recht armen, nach Jesu Blute weinenden Sünderin. Je mehr sie nun ihre Armuth zu fühlen bekam, je mehr Verlangen äusserte sie, alles in unsrer Gemeinschaft mit zu geniessen. Sie bekam auch Erlaubnis zur Mitwochsversamlung. Nicht lange darauf wurde sie bedenklich krank. Als wir sie besuchten, sagte sie: „sie habe mit dem lieben Heiland über ihren ganzen Gang ausgeredet, sie wäre über [276] Seine unbeschreibliche Barmherzigkeit u. Treue ganz erstaunt; sie habe Ihn aber kindlich gebeten, Er möchte sie doch noch einmal wieder gesund machen, daß sie noch völlig in die Societät aufgenommen werden möchte, nach welcher Gnade sie ein großes Verlangen habe.“ Es beßerte sich auch wirklich von Tag zu Tage, u. sie wurde zu unsrer Verwunderung so weit hergestellt, daß sie am 5 Sept. mit noch einer Schwester in die Societät aufgenommen wurde. „Ach, sagte sie oft, ich kan mirs nicht vergeben, daß ich so spät zu den Geschwistern gekommen bin: ach was habe ich versäumt!“ D. 16 Sept. wolte sie gern in die Versamlung gehen, hatte sich auch schon dazu angezogen; es überfiel sie aber ein starkes Fieber, so daß sie sich gleich einlegen mußte. Einmal sagte sie bey einem Besuch: „Ich habe jezt in meiner Einsamkeit eine gar selige Weide an den schönen Liedern [277] im Brüder-Gesangbuch, u. das schöne Lied: Ich habe nun den Grund gefunden p. druckt mein ganzes Herz aus; nur kan ichs nicht genug bedauren, daß ich mir selbst so lange im Wege gestanden, mich bey andern Dingen aufgehalten, u. so spät zu der Gnade in Jesu Blut u. Wunden gekommen bin.“ Auf die Frage: ob sie bereit sey, mit Freudigkeit vor dem Angesicht Jesu zu erscheinen? sagte sie: „Der liebe Heiland hat mir alle meine Sünden vergeben, u. mich Seiner Gnade versichert; Er ist mein, u. ich bin Sein: Christi Blut u. Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck u. Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn.“ Da kurz vor ihrem Ende noch einige Verse gesungen wurden, sagte sie: Ach das war schön! das erquickt recht, ach wie wohl ist mir, welche Freude steht mir bevor! Nun verlangt mich recht sehnlich bald bey Jesu meinem Heiland zu seyn. In dieser Herzensstellung [278] verschied sie sanft u. selig. Wir müssen von ihr sagen, daß ihr Gang in der kurzen Zeit, da sie unter uns war, so beschaffen war, daß uns oft die Worte einfielen: Die Lezten werden die Ersten seyn. Wir dachten, eine brauchbare Gehülfin an ihr zu bekommen, aber der Heiland eilte mit ihrer Vollendung. –

In diesem Monate besuchten wir noch in Cremmen u. Hertefeld; an lezterm Orte geht die Erweckung im Segen fort. Einige von dasigen Leuten hatten in Cremmen Gemeinnachrichten verlesen hören, u. baten nun beweglich um die Communication derselben; wozu ihnen Hofnung gemacht wurde.

Gegen Ende des Jahres wurde die Societät in Potsdam mit 3 Personen vermehrt. Es besteht dieselbe gegenwärtig aus 181 Seelen, die sich mit uns dem Gebet u. Andenken der Gemeine empfehlen.

[279] 3.) Aus dem Bericht der Geschwister Ebers von ihren Besuchen im Schleswig-Holsteinischen im Jahr 1787.

Zu Anfang des Jahres empfingen wir erfreuliche Briefe aus verschiedenen Gegenden von dem Gnadengange der Geschwister. Unter andern meldete uns unser alter Freund Rohlf von Husum, daß seine Frau zu Ende des vorigen Jahres schleunig u. selig aus der Zeit gegangen wäre. Sie war eine Schwester des Pastor Bendix, der vor einigen Jahren in Barby besuchte, u. auf seiner Rückreise in Hannover schnell aus der Zeit ging. Dieser Vorgang u. die nicht lange darauf erfolgte selige Vollendung ihres ältesten Sohnes machten einen großen Eindruck auf ihr Herz. Schon einige Wochen vor ihrem Ende hat man bemerkt, daß sie oft allein gegangen, u. manche Stunden in der Stille im Umgang mit dem Heiland verbracht; auch hat sie oft [280] mit ihrem Manne vom Heimgehen geredet, ob sie gleich keine Krankheit hatte, die dieses so bald vermuthen liesse. Den lezten Tag war sie besonders viel allein, u. man hörte sie in einem entlegenen Zimmer mit dem Heiland reden. Sie hatte die Gewohnheit, alle Abende mit ihren Kindern etwas erbauliches zu lesen u. zu singen. An diesem Abende traf sichs, daß eine Betrachtung von der seligen Ewigkeit gelesen, u. der Vers gesungen wurde: Ich eile meiner Heimfahrt zu p. Darauf ging sie mit den Ihrigen zu Bette; nach einer Viertelstunde aber rief sie ihren Mann u. ihre älteste Tochter zu sich; sie standen auf, u. fanden sie im Verscheiden. Noch hörte man von ihr die Worte: Herr Jesu, Dir leb ich – Dein bin ich todt u. lebendig! und damit entschlief sie.

Hier in Flensburg hatten wir im Januar eine betrübte Veranlaßung, [281] den Geschwistern ihre Pflicht bey der Kinderzucht nachdrücklich ans Herz zu legen. Im Febr. thaten wir eine Besuchreise. In Egensund suchten wir die dortige kleine Hausfamilie, u. die wenigen Seelen, die sich zu derselben halten, zu ermuntern, die Liebe zum Evangelium zu einer seligen Erfahrung, Genuß u. Trost des Herzens kommen zu lassen.

In Sonderburg fanden wir bey unsrer Ankunft etwas trockenes; der Heiland gab aber bey den einzelnen u. allgemeinen Unterredungen Gnade zu neuer Anfaßung der Geschwister. Die selige Herzenssituation des kranken Bruder Heiders, der seit ein paar Jahren bey der bittersten Armuth auch ein wahrer Lazarus ist, war uns besonders erfreulich. Er ist einige Wochen darauf selig vollendet worden. In Ecken auf der Insel Alsen konten wir uns über den Gang der Geschwister von Herzen freuen. [282] Unter den 4 Gehülfen waltet Liebe u. Eintracht, u. sie nehmen sich der Seelen treulich an. Das hiesige Häuflein ist ansehnlich, u. es finden sich immer von Zeit zu Zeit neue Leute herbey. D. 15tn Merz kamen wir wieder nach Flensburg. Nach einem für unsre Herzen gesegneten Besuch in Christiansfeld im April traten wir im May von Flensburg aus eine Besuchreise im Lande an. In Bredsted fanden wir manche Veranlaßung, zu mehrerer Liebe unter einander zu ermahnen. Zweyen Weibsleuten, die nicht längst zu der Gemeinschaft hiesiger Geschwister gekommen, u. über ihren Seelen-Zustand sehr verlegen waren, suchten wir Muth zu machen, sich mit ihrer Noth zuversichtlich zum Heiland zu wenden. Die Pfingstfeyertage begingen wir mit den Geschwistern in Husum. Bey ihrem unbescholtenen Wandel bleibt noch immer der Wunsch, daß sich mehr Leben im Herzen bey ihnen zeigen möchte. In der hiesigen Kirche hörten wir ein paar [283] reale u. recht erbauliche Predigten. In Schwabstedt unterredete ich mich mit Pastor Hennigsen, u. lernte einen Mann kennen, der gründlich um seine Seligkeit bekümmert ist. Von hier aus besuchten wir viele einzelne Seelen, die sehr zerstreut wohnen, u. selten zusammen kommen können. Eine Witwe, die seit Jahr u. Tag zu Bette liegen muß, u. die durch Mordbrennerey einen großen Bauerhof eingebüßt hat, war uns durch ihre selige Herzensstellung, da sie alle dieses Leiden kindlich aus der Hand des Heilandes annimmt, mit der Zuversicht, daß es zu ihrem Besten dienen müsse, zu besonderer Freude. In Schleswig sprach ich unter andern mit einigen Soldaten, die an ihren Orten zu den Brüdern gehören, u. nun wegen des bevorstehenden Campements zum Exerciren hier waren.

In Rendsburg verstatteten die Unruhen des Ortes zum Empfang des Kronprinzen, die starke Einquartirung u. die Situation des Hauses, wo die Geschwister [284] zusammen kommen, uns keinen langen Aufenthalt, doch benutzten wir ein paar Tage zu gesegneten speciellen Unterredungen mit den Geschwistern, u. lernten auch die lieben Geschwister Major Barths, die von Kopenhagen hieher gezogen sind, kennen. Von hier gingen wir weiter nach Kiel, Echernförde, Kappel u. andern Orten, wo wir theils wenige theils mehrere Bekannte haben. Wir suchten sie überall zu mehrerer Gemeinschaft aufzumuntern, womit es an manchen Orten noch nicht recht gehen will. Sonst fanden wir durchgängig, daß die Geschwister für die neue Einrichtung mit den Gemeinnachrichten (da ihnen nemlich mehr als sonst communicirt wird) sehr dankbar sind. D. 27 Jul. kamen wir wieder nach Flensburg. Unterdessen war der Bruder Hans Lassen, einer der hiesigen Gehülfen, selig heimgegangen. Unterm 17 Jun. hatte er noch folgendes an mich geschrieben: „Ich fühle mich oft so elend, arm u. mangelhaft, daß [285] ich mir gar nicht zu helfen weiß, u. es bleibt mir nichts übrig, als daß ich mich dem treuen Heiland so überlasse u. hingebe, wie ich bin. Er läßt mich dann nie ungetröstet; und so hat Er sich auch in unsern Versamlungen zu mir u. meinen Geschwistern gnädig bekannt; und wenn ich mich am ärmsten u. elendesten fühle, wie ichs dann auch wirklich bin, u. mich im Vertrauen auf Ihn hinsetze, u. meinen Geschwistern etwas vorlese oder singe, so hat Er uns seine liebe Nähe fühlen lassen, daß ich Ihm oft mit beschämten Herzen habe danken können.“ Er wurde am 24 Jun. von dem grassirenden Faulfieber überfallen. Er war wenig bey sich, aber einmal, auf die Frage, was er mache? antwortete er: ich liege hier als ein armer Sünder vor meinem Heilande. Er verschied am 3 Jul.

Im Sept. thaten wir abermals eine Besuchreise. Von dem kleinen Häuflein in Egensund sind viele nach u. nach selig vollendet worden; um so mehr freuete [286] es uns, 3 neue Leute kennen zu lernen, die um ihre Seligkeit bekümmert sind. In Satrup fanden wir 30 Seelen beysammen, die zwar von verschiedener Art sind, aber doch alle gern selig seyn möchten. Es hat bisher jemand gefehlt, der ihr Führer seyn, u. den Zusammenhalt schicklich besorgen könte. Desto erfreulicher ist es, daß gegen Ende des Jahres der junge Prediger Windekilde das hiesige vacante Diakonat erhalten hat. Er hat beym Antritt seines Amtes ein schönes Zeugnis vom Heiland abgelegt.

In Ecken kamen über 50 Personen zusammen, die Geschwister sind hier in einem seligen Gange; nur ist man bey Bedienung derselben etwas eingeschränkt.

D. 17 Dec. ging hier in Flensburg der Probst Schmidt unvermuthet aus der Zeit. Er hatte die Geschwister lieb, und der Heiland u. Seine Versöhnung war in allen seinen Vorträgen die Hauptmaterie; wovon man auch manchen Segen verspürt hat.

[287] Die Anzahl der Geschwister u. Freunde im Schleswig-Holsteinischen u. der Insel Als, die theils aus verbundenen Häuflein bestehen, die die Gemeinnachrichten bekommen, theils sonst mit uns bekannt sind, u. von uns besucht werden, beläuft sich beym Schluß des Jahres 1787 auf 270 Erwachsene, welche wir dem Andenken u. Gebet der lieben Gemeine empfehlen.

III. Von Labrador.
Aus dem Diario von Nain vom Sept. 1786 bis Aug. 1787.

D. 23 Sept. hatten wir ein Abschieds-Liebesmahl mit unsern lieben Geschwistern Frechs, Burkhardts u. Krügelsteins. Erstere zwey Paare segelten am 24tn mit der Amity nach Okkak, u. Geschwister Krügelsteins am 29tn mit der Schaluppe des Tuglauvina nach Hoffenthal.

D. 3 Oct. fingen wir an ein neues [288] Eskimo-Winterhaus zu bauen. Die 3 Familien, die darinn wohnen werden, deren Häupter Taufkandidaten sind, halfen dabey treulich, freuten sich über das schöne Haus, u. riefen oft aus: das ist dankenswerth! Wir wurden am 5tn damit fertig. D. 6tn kam Tuglauvina, u. brachte einen Brief von Bruder Krügelstein, geschrieben auf der Insel Ukkasik, aus welchem zu ersehen war, daß die Schaluppe ans Ufer getrieben worden, u. zwey Löcher bekommen hätte, weswegen sie ohne Hülfe u. Reparatur ihres Fahrzeuges nicht weiter reisen könten. Die Brüder Lister u. Stephan Jensen machten sich sogleich mit Nathanael u. seiner Familie dahin auf. D. 10tn u. die folgenden Tage nahmen wir unsre Gartengewächse ein, die zwar dieses Jahr nicht so reichlich ausgefallen sind wie sonst; die aber doch immer eine große Wohlthat sind, für die wir unserm lieben Vater im Himmel herzlich danken. D. 13tn gingen [289] wir in den Busch, um zu sehen, wo wir dieses Jahr unser Brennholz hernehmen werden. D. 17tn hatten wir die Freude, unsre lieben Geschwister Becks mit ihrem kleinen Benjamin in einem Boote von Okkak bey uns ankommen zu sehen. Sie hatten wegen des vielen Nebel- u. Regenwetters 13 Tage auf ihrer Reise zugebracht. D. 23tn kamen unsre lieben Brüder Lister u. Stephan Jensen glücklich wieder nach Hause. Sie hatten auf der Reise zur Schaluppe hin, die etwa 10 Deutsche Meilen von uns lag, wegen des Wetters 5 Tage zugebracht. Bey Untersuchung des Fahrzeugs fanden sie, daß nicht nur zwey Löcher drinnen waren, sondern auch, daß alle Nägel losgegangen waren. Das machte viel Arbeit, sie wurden aber am 16tn damit fertig, u. Geschwister Krügelsteins sezten am 20tn ihre Reise nach Hoffenthal fort. D. 25tn kamen 3 Boote von der Rennthierjagd hier an; es waren einige Familien von unsern Getauften dabey. Nun [290] wurde es auf unserm Lande lebhaft, u. die Versamlungen wurden lebhaft besucht. Wir hörten aber bald die betrübte Nachricht, daß des Marcus zweyjähriger Sohn Isaac auf der Reise ertrunken sey. D. 27tn wurde mit unsern Eskimoischen Abendmahls-Geschwistern, 6 an der Zahl, einzeln gesprochen. Man konte sich über ihre Aeusserungen u. ihr Verlangen nach dem Genuß des heiligen Abendmahls freuen. D. 28tn besuchte Petrus in unserm Hause; wir nahmen Gelegenheit ihm unser Mitleiden über seinen Zustand zu bezeugen; und er gestand, daß er ehemals viel vergnügter gewesen, da er den Heiland lieb gehabt, als jetzo, da er in Sünden lebe, u. den Gewohnheiten der Menschen folge. Auch sagte er: „wenn ich daran denke, daß ich der erste bin, der hier getauft worden, und daß die, welche nach mir getauft sind, viel beßer sind als ich, so muß ich mich recht schämen.“ Abends hatten wir das heilige Abendmahl. D. 29tn wurde mit den [291] hiesigen Männern eine Unterredung gehalten von dem, was wir von ihrem Verhalten den Winter über erwarten. Sie waren recht vergnügt, versprachen auch alles gute. In diesen Tagen zogen dann die hiesigen Einwohner, 54 Personen groß u. klein, in ihre 4 Winterhäuser ein. D. 4 Nov. erfuhr unser Bruder Parchwiz eine besondere Bewahrung des Heilands, da bey der Arbeit im Busch ein Eskimo neben ihm, ohne Anzeige zu thun, einen großen Baum fällte, der ihn mit dem Gipfel grade auf den Kopf traf. Er hätte leicht sein Leben dabey einbüssen können, so aber kam er mit einer ziemlich starken Verwundung davon. D. 17tn endigten wir unsre diesjährige Busch-Arbeit. D. 20ten u. 21tn wurden die Getauften u. Taufkandidaten einzeln gesprochen. Ihre Erklärungen waren uns meistens erfreulich. Sie sind sowol auf der Rennthierjagd, als auch überhaupt in der Zeit ihrer Abwesenheit von uns, vor Abweichungen bewahrt geblieben, und [292] man merkt deutlich, daß sie etwas solider werden, u. auf die Arbeit des heiligen Geistes in ihren Herzen aufmerksam sind. D. 25tn hatten wir das heilige Abendmahl, wobey die Elisabeth, Daniels Frau, als Candidatin zusahe. Sie erklärte sich nachher recht herzgefühlig darüber. D. 27tn war eine besondere Versammlung für die Getauften u. Taufkandidaten, in welcher zwey Weiber unter leztere aufgenommen wurden. Es wurde ihnen auch bekannt gemacht, daß von nun an, die im Winter gewöhnlichen besondern Versamlungen für sie angehen würden. D. 29tn wurde die Schule mit den Kindern wieder angefangen, worüber sie sich sehr freueten. Sie sind in 2 Klassen getheilt: die 9 kleinere hat Bruder Lister, u. die 8 größere Bruder Beck. Man muß sich wundern, daß die Kinder den Sommer über so wenig von dem vergessen, was sie gelernt haben; man darf die Sachen nur einige mal mit ihnen wiederholen, so sind sie ihnen wieder geläuffig.

[293] Sonst ist von dem Monat Nov. anzuführen, daß die Witterung unsern Eskimos zur Erwerbung nicht günstig war, daher einige schon anfingen über Hunger zu klagen. Etwas beßer ging es zu Anfang Dec., da alle Tage auf dem dünnen Eise einige Seehunde gefangen wurden. D. 20ten hatten die Männer zum erstenmal ihre Gesellschaft, u. waren recht vergnügt. Ein gleiches geschahe am 21tn mit den Weibern. Heute wurden unsre 6 Communicanten gesprochen, u. wir konten uns über sie freuen. Das heilige Abendmahl hatten wir am 23tn. Zur Christnacht am 24ten hatten erst die Schulkinder ihre Versammlung, u. sungen ihre Weihnachtsverse recht munter u. gefühlig. Zum Schluß wurde jedem ein Schiffszwieback gereicht, worauf sie recht vergnügt nach Hause gingen. Bald nachher hatten die Getauften u. Candidaten, nemlich 21 erwachsene Personen u. 4 getaufte Kinder ein fröliches Liebesmahl, wozu die Brüder [294] Rose u. Beck mit Violinen spielten, welches den Eskimos allemal eine besondere Freude ist. Zu allen unsern Versamlungen in diesen Festtagen bekannte sich der liebe Heiland mit vieler Gnade. D. 29tn kam die Catharina, die voriges Frühjahr von einem Eskimo unversehens durchs Bein geschossen worden, mit einem todten Töchterlein nieder. Diese Person ist ein besonderes Object unsers Mitleidens; seit dem Frühjahr hat sie auf einer Stelle liegen, u. viel ausstehen müssen. Sie wird täglich von Bruder Lister verbunden, u. von den zerschmetterten Knochen wird noch immer ein Stück nach dem andern herausgenommen.

Zum Schluß des Jahres lasen wir uns unter andern die Memorabilien der Unitaets Aeltesten Conferenz vom Jahr 1785, u. freuten uns über das Wohlergehen der Gemeine, zu der wir auch aus Gnaden gehören. Unser Eskimoisches Gemeinlein besteht zum Schluß des Jahres aus 6 Communicanten, 5 Abendmahls-Candidaten, [295] 2 Getauften, 11 Taufkandidaten u. 4 getauften Kindern, Summa 28 Seelen.

Ins ganze wohnen dermalen 54 Eskimos auf unserm Lande.

D. 6 Jan. 1787 hatten wir eine begnadigte Feyer des Heidenfestes. Früh um 9 Uhr war eine Festversamlung für alle hier wohnende Eskimos, in welcher sie zum Genuß der ihnen durch Jesum erworbenen Seligkeit herzlich eingeladen wurden. Der Schluß wurde mit einem Gebet gemacht. Nachher hatten wir in unsrer Hausgemeine zwey Lectionen Heidennachrichten. Nachmittags gegen 2 Uhr war eine begnadigte Taufhandlung, da 3 Erwachsene mit Namen Abel, Tobias u. Susanna zu dieser Gnade gelangten. Nachher hatten die Getauften u. Candidaten ein Liebesmahl, u. bald darauf eine Nachrichten-Lection, da ihnen einige Briefe u. Reden der Grönländischen Helfer übersezt vorgelesen wurden, worüber sie ihr Vergnügen bezeugten. Um 7 Uhr lasen wir [296] für uns das Lied, welches Bruder Joseph voriges Jahr zum Heidenfest gemacht hat, u. zum Schluß des Tages verbanden wir uns in einer besondern Versammlung zu neuer Treue im Dienste unsers lieben Herrn auf dem uns angewiesenen Posten. D. 7tn erzählte uns der eben getaufte Abel, daß er die vergangene Nacht wenig geschlafen habe vor Vergnügen, sein Inwendiges wäre warm gewesen, u. hätte sich wie bewegt vor Vergnügen um Jesu willen. Seine Frau Catharina freuet sich sehr, daß er getauft worden, u. sagte, sie könne sich nun mehr als zuvor auf das heilige Abendmahl freuen. Tobias u. Susanna, so wie auch mehrere Geschwister, bezeugten ebenfalls ihr Wohlseyn über den gestrigen Tag. D. 12tn ließ sich ein Wolf in einem Busche hinter unserm Gottesacker sehen, u. wurde den folgenden Tag in einem Fuchsfalle gefangen. Heute bekamen unsre Eskimos 21 See-Hunde, wodurch der Hungersnoth auf [297] einige Zeit abgeholfen wurde. D. 20ten hatten wir das heilige Abendmahl, wobey Daniel u. Maria zum erstenmal, u. Beata zum leztenmal zusahen. Sie erklärten sich nachher recht gefühlig darüber.

D. 24tn kam unser lieber Bruder Branagin von Hoffenthal hier an. Er hatte unterwegens ein ausserordentliches Stöberwetter ausstehen müssen, dergleichen ihm auf allen seinen Reisen in Labrador noch nicht vorgekommen war. D. 27tn hatten wir durch ein paar Eskimos einen großen Schrecken in unserm Hause. Sie nahmen unsre Flinten herunter, um sie zu betrachten, u. unter diesen war eine mit einer Kugel geladen, die man vergessen hatte wieder herauszunehmen. Diese Flinte ging nun unter den Händen der Eskimos unversehens los, u. die Kugel fuhr durch die Thür ins Vorhaus, wobey es ein Glück war, daß grade niemand da aus- u. einging. Es ist zwar oft den Eskimos ernstlich untersagt worden, unsre Flinten [298] anzurühren; aber sie sind wie die Kinder, die alles, was glänzt, in die Hand nehmen müssen. D. 29ten schenkte der Heiland unsern Geschwistern Rose ein gesundes Söhnlein, welches in der heiligen Taufe den Namen Christian Ludwig bekam. D. 30tn reiste Bruder Branagin nach Hoffenthal wieder zurück.

D. 2 Febr. wurde die Nokosak, Daniels Tochter, unter die Taufkandidaten aufgenommen. Sie bezeugte, daß sie jetzo in Wahrheit Gedanken habe, sich zu Jesu zu wenden, sie sey wol schlecht, glaube aber, der Heiland werde sich über sie erbarmen. Ihre Eltern freueten sich sehr darüber. D. 16tn wurden unsre Communicanten gesprochen. Wir werden gewahr, daß seit der lezten Taufhandlung unter unsern Eskimos eine recht selige Bewegung entstanden ist. Einige von denen, die noch nicht getauft sind, bitten sehr um diese Gnade. Das heilige Abendmahl am 17ten genoß die Beata zum erstenmal mit uns. Sie [299] bezeugte ihre Dankbarkeit mehr mit Thränen als mit Worten, welches bey den Eskimos etwas rares ist. D. 18ten kamen ein paar Familien wieder hieher, die ins Land gereiset waren, um ihr vergrabenes Rennthierfleisch zu holen; aber die Wölfe, Füchse u. Dachse, wovon erstere oft Heerdenweise sich einfanden, hatten nicht nur das meiste verzehrt, sondern sezten auch das Leben der Menschen in Gefahr. Einen Knaben von 8 Jahren hatte ein Wolf schon an den Füssen gepackt, er wurde aber noch glücklich gerettet. D. 19ten hatten wir einen besondern Festtag, da wir uns erinnerten, daß heute vor 11 Jahren unsre Eskimokirche eingeweiht, u. darinn die erste Taufe gehalten worden. Um 10 Uhr war eine Versammlung für die Getauften u. Candidaten, um 4 Uhr hatten die Getauften ein Liebesmahl, u. um 7 Uhr wurde ihnen unter andern ein Brief von Bruder Jens Haven gelesen, worüber sie ihr Vergnügen bezeigten. D. 23tn [300] kam Petrus mit einer Gesellschaft aus dem Lande zurück. Sie hatten viel Hunger u. Kälte ausgestanden. Einmal wurden sie mit ihren Hunden so zugeschneyt, daß sie einander nur an der Stimme erkennen konten. Wegen Mangels an anderm Werkzeug arbeiteten sie sich mit dem Kochkessel durch den Schnee.

D. 27tn erhielten wir nach langer Zeit Nachricht von dem Wohlbefinden unsrer Geschwister in Okkak, daß aber unter den dasigen Eskimos große Hungersnoth sey, weil nur ein Wallfisch in Norden gefangen worden. Die hiesigen hingegen haben doch seit einiger Zeit ihren nothdürftigen Unterhalt gefunden. Vom 12ten bis 15 Merz war Bruder Towl von Okkak hier zum Besuch. D. 17ten hatten wir das heilige Abendmahl. Von unsern Eskimoischen Communicanten fehlte dabey Marcus, der auf Erwerbung verreiset war. Er kam am 18tn hieher, in der Meinung, zum Abendmahl noch zurecht zu kommen, u. war sehr betrübt, daß er sich [301] verrechnet hatte. In den folgenden Tagen hatten wir ein so ausserordentliches Schnee- u. Stöberwetter, daß wir vor unsern Fenstern fleißig schauffeln musten, um nur das nöthige Tageslicht zu erhalten.

In der Marterwoche zu Anfang des April lasen wir die Passionsgeschichte Deutsch u. Eskimoisch. Unter unsern Eskimos waltete in diesen Tagen ein recht seliges Gefühl. Das heilige Abendmahl am Gründonnerstag genoß die Justina zum erstenmal. D. 13ten reiste unser Bruder Hasting zum Besuch nach Hoffenthal. D. 19tn u. 20tn war das Stöberwetter so heftig, daß wir von den Eskimos keinen Besuch in unserm Hause hatten, der sonst nie einen einzigen Tag unterblieben war. D. 22tn hatten unsre Communicanten eine solenne Versamlung, in welcher besonders die zwey Schwestern Beata u. Justina, die seit einem Jahr zum heiligen Abendmahl gelangt sind, an die ihnen widerfahrne Gnade erinnert wurden. D. 25tn kam Bruder Krügelstein von Hoffenthal, u. d. 27tn Bruder Frech [302] von Okkak hier an, um einer ausführlichen Conferenz beyzuwohnen, die hier in Nain über das ganze Missionswerk in Labrador gehalten werden solte. D. 29tn wurde unter einem seligen Gefühl der Nähe Jesu diese Conferenz angefangen. Sie bestand aus den Brüdern Rose, Lister, Beck, Frech u. Krügelstein. D. 2 May fuhren 3 Brüder nebst 4 Eskimos nach Tunulersoak, um Holz zu Brettern zu fällen; und da wir nun von allen 3 Missionsplätzen gegen 40 Hunde beysammen hatten, so konten wir das gefällte Holz bequem nach Hause bringen. D. 7ten zogen die Eskimos aus ihren Winterhäusern heraus. D. 11tn machten wir einen gesegneten Beschluß unsrer zeitherigen Conferenzen. Wir hatten uns in denselben unterredet von der öffentlichen Verkündigung des Evangelii, als dem Hauptzweck unsers Berufs, von der dabey nöthigen Vorsicht in Absicht auf den Gebrauch der noch sehr unvollkommenen [303] Eskimosprache – von den allgemeinen u. besondern Versamlungen – von dem Unterricht der Taufkandidaten, Getauften u. Communicanten – von den Gesellschaften – von den Kinderschulen – von der Zuziehung künftiger Gehülfen aus der Nation – von der Gemeinzucht u. der Behandlung der Ausgeschlossenen – von den Ehen der Eskimos – vom einzelnen Sprechen – von den Missions- u. Haus-Conferenzen – von Eskimoischen Uebersetzungen, u. der Nothwendigkeit verschiedene Stücke aufs neue zu revidiren u. s. w. Auch erzehlten wir einander, wie dermalen der Gang unter unsern Eskimos an jedem Orte beschaffen sey, u. theilten Freude u. Leid mit einander. Zum Schluß genossen wir mit den hiesigen Eskimo-Communicanten das heilige Abendmahl. Leztere hatten sich sehr verlangend darnach erklärt, u. sahen auch recht vergnügt aus. In der folgenden Nacht reiste Bruder Krügelstein nach [304] Hoffenthal ab, u. mit ihm Bruder Lister auf einen Besuch daselbst, u. Geschwister Becks, um ihrer bereits voriges Jahr erhaltenen Bestimmung gemäß dorten zu bleiben. Morgens darauf reiste auch Bruder Frech wieder nach Okkak ab. In dieser Woche waren wir beschäftigt unsre Sägemühle in Gang zu bringen, u. den Teichdamm zu repariren.

D. 15tn u. 16tn lasen wir Berichte von Antigoa, u. wünschten sehnlich, eine solche Gnadenzeit unter hiesiger Nation zu sehen. D. 19ten zogen die lezten Eskimos von hier weg, so daß wir ganz allein waren. Unser sehnlicher Wunsch war, daß sie alle der empfangenen Gnade treu bleiben möchten. Sie sind zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben, u. zuweilen unter Wilden, da es dann nicht an Gelegenheit fehlt auf Abwege zu gerathen. Heute kam unser lieber Bruder Lister glücklich u. wohlbehalten von Hoffenthal wieder zurück. Im Jun. [305] waren die Eskimos nur selten ab u. zu hier. D. 6tn Abends sahen wir von unserm Hause mit Verwunderung zu, wie ein Eskimo mit vieler Geduld u. Gelassenheit anderthalb Stunden lang auf dem Eise, wo schon viel Wasser stand, auf der Seite liegend, hinter einem Seehund kroch, u. alle Bewegungen eines Seehundes nachahmte, womit er ihm dann endlich so nahe kam, daß er ihn mit einem Stich erlegen konte. In Zeit von einer halben Stunde war der Seehund zerlegt, u. die Presente ausgetheilt. Zum heiligen Abendmahl am 9ten fanden sich 5 Eskimo-Geschwister ein. Die Maria sahe dabey als Confirmandin zu. D. 14tn besuchte uns ein Heide Namens Savarok. Da ein Bruder zu ihm sagte: Du hast doch nun schon viel von Jesu gehört, willst du dich dann nicht auch bekehren? antwortete er: Ja, ich habe viel gehört, u. es ist sehr schlecht, daß ich mich noch nicht bekehre; ich habe wol beynahe Gedanken dazu, es ist aber sehr [306] wunderbar, daß ich so anhänglich bin an meine Mitmenschen, welche ungläubig sind. Er versprach dann doch weiter darüber nachzudenken. D. 20ten wurde der Beschluß mit der Arbeit in der Sägemühle gemacht. Es sind doch 200 Stück Bretter geschnitten worden, wozu zur genauen Noth das Wasser hinreichte, weil vorigen Winter wenig Schnee auf den Bergen geblieben war. D. 6 Jul. kam unser Nathanael von seinem Erwerbungsplatz hieher. Er war sehr froh, daß er zum heiligen Abendmahl zurechte kam, welches wir am 7tn genossen, u. mit uns die Maria zum ersten mal. D. 12tn kam eine Gesellschaft Eskimos hier an, unter andern unser armer Erstling Petrus, der durch ein Unglück mit seiner Flinte ein Glied an einem seiner Finger verloren hatte. Er wolte nemlich nach einem Seehund schiessen, u. hatte den Hahn aufgezogen, wurde aber gewahr, daß die Oeffnung im Rohr noch zugestopft war, u. indem er diesem Umstand abhelfen wolte, ging [307] die Flinte los. Er blieb hier in der Cur, war dabey ziemlich zahm, u. ging fleißig in die Versammlungen, konte sich aber gleichwol nicht recht raffen. D. 14tn waren mehrere Geschwister nebst andern Eskimos hier, u. Abends hielten wir mit ihnen eine Singstunde, wobey sich besonders die Kinder mit ihrem lebhaften Gesang auszeichneten. D. 22tn waren 42 Eskimos in der Versammlung. Gegen Ende des Monates standen 13 Zelte auf unserm Lande, u. es war sehr lebhaft bey uns. Unsre Geschwister hielten sich zusammen, u. die Heiden standen in einiger Entfernung von ihnen. Die Versammlungen wurden fleißig, auch von leztern, besucht, so daß die Kirche oft ganz voll war. In der Erwerbung waren die Eskimos glücklich, u. einige haben einen hübschen Vorrath auf den Winter gesammlet. D. 5 Aug. fuhr Petrus, nachdem er von seinem Schaden geheilt worden, wieder von uns ab. D. 7tn war der bekannte Tuglauvina mit seinem großen zweymastigen Boote hier, u. brachte uns Briefe von unsern Geschwistern in Hoffenthal. D. 11tn standen [308] wieder 14 Zelte bey uns, u. die Versammlungen wurden fleißig besucht. D. 12tn nahm Tuglauvina alle Männer zusammen, um sein großes Boot ans Land ziehen zu helfen, welches künftiges Frühjahr reparirt werden soll. D. 13tn reiste dieser Mann weiter. Er hat gegen einige Brüder geäussert, seine Gedanken zur Bekehrung wären sonst nur klein gewesen, jezt aber hätte er große Gedanken; er wolle doch gern seine arme Seele retten lassen, denn er habe viel schlechtes gethan. Es ist deutlich zu merken, daß ihn seine viele Blutschulden u. andre Greuel zuweilen sehr unruhig machen. D. 24tn war Nathanael hier von seinem Erwerbungsplatz, u. erzehlte uns, daß Kagviluk mit seiner Frau bey ihm stünde, um, wie die Eskimos sich ausdrucken, die Gebräuche der Gläubigen zu lernen. An diesem Mann hat Nathanael schon lang gearbeitet, u. wie es scheint, nicht ohne Segen. D. 24 Sept. erhielten wir nach vielem Kummer über das lange Ausbleiben des Schiffes die fröliche Nachricht von der Annäherung desselben, u. am 28tn hatten wir die Freude, unsern lieben Bruder Fraser bey einem Liebesmahl zu bewillkommen. Hiemit empfehlen wir uns dem fernern Andenken u. Gebet der Gemeine.

[309]
III.
Beylage zur 12ten Woche 1788.
Inhalt:

I. Lebensläufe: 1) der Witwe Anna Catharina Hayn – 2) des ledigen Bruder Gottfried Reinhold 3) der ledigen Schwester Catharine Krüger 4.) des ledigen Bruder Justus Christoph Garren 5) des Witwer Alexander Magnus 6) der ledigen Schwester Sophie Rosine Bräutigam 7.) des verheirateten Bruder Daniel Mülow 8.) der ledigen Schwester Anna Cheneviere.

II. Von Süd-Amerika.

1.) Aus dem diario der Neger-Gemeine in Paramaribo – 1787.
2.) – von Sommelsdyk – 1787.
3.) Aus dem diario der Brüder im Freyneger-Lande bey Bambay – 87.
4.) Aus dem diario des Indianergemeinleins zu Hoop an der Corentyn, vom Jan. bis Jul. 1787.

[310]

I. Lebensläufe.

1.) Die Witwe Anna Catharina Hayn (in Gnadenfrey) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren Anno 1717 d. 29 Aug. zu Hirschgrund im Oesterreichischen Schlesien. Anno 1730 entstand eine große Erweckung in Ober-Schlesien, u. ich wurde auch um meine Seligkeit bekümmert. Ich mühete mich viel u. mancherley; es war mir aber nicht klar, daß ich als eine arme Sünderin zum Heiland kommen dürfte; daher ich dann meine Zeit in grosser Unruhe meines Herzens verbrachte. Im Febr. 1737 trat ich in die Ehe mit meinem seligen Mann Johann Christoph Hayn, einem Bleicher in Hillersdorf, welcher auch erweckt war. Wir haben 5 Kinder mit einander gehabt, welche alle auf dem hiesigen Gottesacker ruhen. Anno 1740 kam Bruder Stör nach Ober-Schlesien, der auch uns öfters besuchte. Er erzehlte uns viel von der Brüdergemeine, wobey uns sehr wohl war, u. unser Sehnen [311] ging nun auch dahin, bey einem solchen Volk zu wohnen. Wir entdeckten diesen unsern Sinn noch zweyen von unsern Vertrauten, welche Eines Sinnes mit uns waren, noch dasselbe Jahr nach Herrnhut zu gehen. Allein da mein Mann bey der Herrschaft um unsre Loslassung ansuchte, wurde er in Arrest genommen, u. kam nur auf Bürgschaft los. Wie mir dabey zu Muthe war, daß ich nun in Hillersdorf bleiben solte, kan ich nicht beschreiben. Anno 1743 ging ich das erstemal nach Gnadenfrey zum Besuch, wo mir alles groß u. wichtig war, u. ich mir wünschte, da bleiben zu dürfen. Anno 1746 kam Bruder Lieberkühn nach Rösniz, wohin ich zum Besuch ging. Diesen Besuch wiederholte ich das nächste Jahr, jedoch mit vieler Angst u. Bangigkeit, indem unsre Umstände immer härter wurden; wir musten noch zwey Bürgen stellen, u. mein Mann kam wieder in Arrest. Ich klagte meine Noth dem [312] Bruder Lieberkühn, u. er tröstete mich mit den Worten, daß ich mich nur zufrieden geben solle, der liebe Heiland würde mir schon helfen, daß ich mich noch würde freuen können. Den andern Tag ließ er mich rufen, u. sagte mir, daß ich mit den Geschwistern zum heiligen Abendmahl gehen könte; über welche Gnade ich mich mit tiefer Beugung freuete; ich fühlte dabey einen kräftigen Trost vom lieben Heiland in meinem Herzen. Mein Anliegen war nun, ganz Seine zu seyn; nur hieß es immer in meinem Herzen: Wenn du nicht zur Gemeine kommst, so wird nichts ganzes aus dir. Als die Geschwister von Rösniz wieder wegkamen, besuchte ich in Gnadenfrey, wo ich zu meiner Freude wieder die Gnade hatte, mit der Gemeine zum heiligen Abendmahl zu gehen. Da ich nach Hause kam, bat ich den lieben Heiland ohne Aufhören, Weg u. Bahn zu machen, daß wir zur Brüdergemeine kämen. Er erbarmte sich unser, u. [313] half uns durch alles schwere durch, so daß wir im Sept. 1755 nach Gnadenfrey kamen. O wie froh u. dankbar war ich für mein Plätzchen! Ich wurde bald der Gemein-Gnaden theilhaftig. Nun aber nahm mich der liebe Heiland in eine eigene Schule: ich fühlte, daß mir noch was fehlte; da ich aber sehr fromm, u. in keine grobe Sünden gerathen war, so konte ich das Sünderseyn nicht recht verstehen. Einmal wurde mir das Exempel vom Pharisäer u. Zöllner in meinem Herzen so recht lebendig vorgestellt, ich lernte mein Pharisäisches Herz kennen; dazu kam auch noch der Unglaube, u. sonst noch allerley Spuren von meinem Grundverderben, bis ich endlich in einer besondern Gnadenstunde den Heiland als meinen Versöhner kennen lernte, von welcher Zeit an ich meinen seligen Lebensgang eigentlich rechnen kan.

Anno 1768 wurde uns angetragen, nach Dirsdorf zu ziehen, um eine Bleiche [314] anzufangen, u. zugleich wurde uns aufgetragen, uns der erweckten Seelen mit anzunehmen. Ich fühlte mich sehr arm, konte aber gehorsam seyn, u. dem lieben Heiland zutrauen, daß Er mir schenken werde, was ich brauchte. D. 15 Merz 69 wurden wir zur Akoluthie angenommen; es war mir so, dem lieben Heiland Leib u. Leben hinzugeben, wenn Er mich zu etwas brauchen könte. In Dirsdorf habe ich viel Liebe genossen, sowol von der Herrschaft als auch von dem Pastor Struenser u. den dortigen Erweckten, sie haben uns lieb gehabt, u. wir sie. Weil es aber unser beyder kränkliche Umstände nicht länger zuliessen da zu bleiben, so zogen wir d. 28 Nov. 1781, dankbar u. froh über alles genossene Gute, wieder nach Gnadenfrey. (Es ist hierbey mit Dank gegen den lieben Heiland zu bemerken, daß Er ihren beyderseitigen Dienst an manchen Seelen in Dirsdorf hat gesegnet seyn [315] lassen). D. 26 Aug. 1783 ging mein lieber Mann selig in seine ewige Ruhe ein. Ich übergab mich bey dieser Gelegenheit aufs neue mit Leib u. Seele meinem lieben Heiland, der mich auch über diesen Verlust getröstet hat. Am 14 Sept. zog ich in mein liebes Chorhaus ein. Nun muß ich bekennen, daß ich mich immer ärmer u. elender fühle; ich schätze aber die Gnade groß, daß ich, eben so wie ich bin, zu meinem lieben Heiland kommen, u. mir Sein Blut u. Gerechtigkeit zueignen darf. Und so erwarte ich mit Verlangen die frohe Stunde, da Er mich zu sich rufen wird.“ So weit sie selbst. Ihre lezte Krankheit war eine schmerzhafte Wassersucht. Einmal sagte sie: Ach wie bin ich doch so glücklich, daß ich weiß, wie ich mit dem Heiland stehe! Was gäbe ich jezt an bey meinen vielen Schmerzen u. großen Beängstigungen, wenn ich Ihn nicht hätte! [316] Als sie einmal zu einer schweren Stunde gefragt wurde, ob sie mit jemanden tauschen möchte? antwortete sie: „O nein! ich nähme nicht die ganze Welt für diese frohe Hofnung, bald zu meinem lieben Heiland zu kommen.“

D. 23 April 1787 hörte man sie einige Augenblicke vor ihrem Verscheiden sagen: „Nun wirds alle; ich fühle, daß der liebe Heiland kommt“ – und damit entschlief sie ganz sanft, im 70tn Jahr ihres Alters.

2.) Der ledige Bruder Gottfried Reinhold (ebenfalls in Gnadenfrey) hat folgende kurze Nachricht von sich hinterlassen:

„Ich bin d. 30 April 1714 zu Giersdorf im Frankensteinischen Kreise geboren, wo mein Vater ein Bauer war. Meine Eltern sparten keinen Fleiß, ihre Kinder zu allem Guten zu erziehen. Die ersten Züge des lieben Heilands, da Er an mein Herz gekommen ist, kan ich von meinem 10tn Jahre an [317] rechnen. In meinem 17tn Jahr ging ich das erstemal zum heiligen Abendmahl. Weil meine Eltern mir gesagt hatten, ich solte mirs wohl überlegen, was ich thäte; so war ich etwas zitterhaft, es war mir aber doch wohl dabey zu Muthe, u. mein Herz war weich. In meinem 20ten Jahr kam ich nach Töpliwoda, wo ich mit dem seligen Pastor Heller bekannt wurde. Da ich ihm meinen Zustand erzehlte, gab er mir den Rath, ich solte dem Heiland meine Noth klagen, u. Ihm mein Herz ausschütten, gerade so, wie ich es bey ihm gethan hätte. Das that ich, ging in einen Stall, warf mich auf die Knie, u. schüttete mein Herz, so gut ich konte, vor dem Heiland aus, u. mir wurde darauf sehr wohl. Zu der Zeit reiste mein leiblicher Bruder zum Besuch nach Herrnhut, u. erzehlte mir nachher von der großen Sünderliebe des Heilands zu uns armen elenden Menschen. Er fragte mich, ob ich [318] ein wahrer armer Sünder wäre? Ob ich nun gleich in meinem Herzen unruhig war, so verstund ich das doch nicht. Er sagte mir dabey, daß in Peile eben solche Brüder als in Herrnhut wären, die auch Versamlungen hielten; ich solte doch kommen, u. sie mit besuchen, da würde ich es beßer hören, als er mirs sagen könte. Das that ich; und da ich zum erstenmal hieher kam, begegnete mir der selige Bruder v. Seidliz, nahe bey Gnadenfrey, u. da er hörte, daß ich gern in die Versamlungen gehen möchte, erlaubte ers nicht nur, sondern küßte mich auch, u. sagte, daß ich hieher gehörte. In der ersten Versamlung hörte ich das verdienstliche Leiden des Heilands so anpreisen, daß es mir durchs Herz ging. Ich nahm mir vor, hier öfters zu besuchen, u. mich mit den Brüdern bekannt zu machen. Anno 1741 wurde ich mit Gewalt zum Soldaten genommen, u. kam als Grenadier [319] in Jauer zu stehen. Das währte 2 Jahre lang. Ich bat mir öfters Urlaub aus, u. ging hieher in die Versamlungen, zum Segen für mein Herz. Anno 1744 marschirte ich mit nach Böhmen, u. kam mit beym Magazin zu Pardubiz zu stehen, Bey einem feindlichen Ueberfall, als ich eben auf der Wache stand, kam ich in große Angst um mein Leben; denn ich war gleichwol meiner Seligkeit noch nicht recht gewiß. Daher wandte ich mich mit Thränen zum Heiland, Er solte mir doch diesmal glücklich durchhelfen, u. mich wieder zu meinen Brüdern bringen, die mir überall einfielen. Es wurde mir auch so ausgemacht in meinem Herzen, daß es geschehen würde, daß ich mich nachher nicht mehr so fürchtete. Im Dec. desselben Jahres kam ich nach Schlesien zurück, u. in Strigau zu stehen. Ich sagte es meinem Capitain frey heraus, daß ich gern zuweilen meine Brüder in Gnadenfrey besuchen [320] möchte; u. der Heiland neigte sein Herz, daß ers nicht nur gern zuließ, sondern auch dabey allezeit sehr freundlich gegen mich war. Im May 1746 wurde ich in die Gemeine aufgenommen, welcher Tag mir unvergeßlich bleibt. Ich kam von da an in genauere Verbindung mit dem Heilande, besonders auch, da ich im May 1747 mit zum heiligen Abendmahl gelangte. Anno 1756 bekam ich meinen Abschied, u. kam darauf nach Gnadenfrey zum wohnen. Hier wurde mir mein tiefes Grundverderben immer mehr aufgedeckt, ich hielt mich aber mit meiner Noth kindlich zum Heiland, u. wurde von Ihm immer reichlich getröstet.“ So weit sein Aufsatz.

Der selige Bruder war ein begnadigter armer Sünder, der in einem genauen Umgang mit dem Heiland stand. Es war ein wahres Vergnügen, sich mit ihm von dem zu unterhalten, was der Herr an seiner Seele gethan hatte. Er konte nie davon reden, ohne daß ihm die Augen [321] übergingen. Seine selige Herzensstellung äusserte sich besonders lieblich in seiner lezten schmerzhaften Krankheit, welche in einer Wassersucht bestand. Er sagte mehrmalen: Solt ich nun nicht frölich seyn, ich beglücktes Schäfelein, denn nach diesen schönen Tagen werd ich endlich heimgetragen in des Hirten Arm u. Schoos? Amen, ja mein Glück ist groß.

Er entschlief am 2 May 1787 in einem Alter von 73 Jahren.

3.) Die ledige Schwester Catharine Krügerin (in Herrnhut) war von Lettischer Nation, u. ward geboren auf Neuhof in Liefland d. 29 April 1727. Als sie 12 Jahre alt war, kam sie zu der Fräulein Lucia v. Gavel in Dienst, u. hatte da manche Gelegenheit vom Heiland u. seiner Sünderliebe zu hören, wurde auch mit Geschwistern aus der Brüdergemeine bekannt, u. von ihnen als ein Kind der Gnadenwahl ins Auge gefaßt. Ohngefehr in ihrem [322] 18 Jahre wurde sie gründlich erweckt, u. man konte sich über ihren erbaulichen Wandel unter den Schwestern in Liefland herzlich freuen. Von ihren 2 leiblichen Schwestern, die sehr begnadigte Arbeiterinnen unter der Lettischen Nation waren (von denen die bekannte Baba noch am Leben ist) genoß sie auch manchen Segen für ihr Herz. Ihr Verlangen ging nun zur Gemeine; sie kam auch von ihrem Sklavenstande los, u. reiste anno 1744 mit einer großen Gesellschaft nach Herrnhaag. Die selige Gräfin v. Zinzendorf nahm sie in ihre Dienste, u. sorgte für sie wie eine treue Mutter; u. sie wurde wegen ihrer Treue u. Pünktlichkeit in der Arbeit, und weil sie alles mit Munterkeit u. Vergnügen that, von jedermann geliebt. Anno 1745 wurde sie in die Gemeine aufgenomen, u. gelangte 1746 zum heiligen Abendmahl. 1750 reiste sie mit ihrer Herrschaft nach Barby, u. von da hieher nach Herrnhut, [323] wo sie der seligen Frau Gräfin bis zu ihrem Heimgang anno 1756 mit einer recht kindlichen Liebe u. Anhänglichkeit diente. Nach der Zeit gedachte der selige Ordinarius sie im Dienste des Heilandes unter ihrer Nation in Liefland zu brauchen; sie hatte aber keine Freudigkeit, u. hielt sich selbst nicht tüchtig genug dazu, blieb also im Dienst der ihr so werth geschäzten Familie bis anno 1773, da sie in ihr Chorhaus einzog, u. 1775 die Aufsicht bey der Wäscherey übernahm, welches Amt sie über 12 Jahre mit einer Angelegenheit u. Sorgfalt bedient hat, die wenig ihres gleichen haben wird. Sie sahe ihr Geschäfte an als ein Werk, das sie für ihren lieben Herrn that, u. es lag ihr alles daran, Seines Wohlgefallens u. der Zufriedenheit ihrer Schwestern dabey versichert zu seyn. Da sie in ihrer Arbeit überaus geschickt u. verständig war, so nahm sie auch ihren untergebenen Schwestern alles recht genau, belehrte sie [324] aber mit desto unermüdeterm Fleiß u. Treue, u. hatte ein mütterlich gesinntes Herz gegen sie, welches machte, daß sie sich ihre zuweilen etwas verdrießliche Art u. die vielen Erinnerungen doch gern gefallen liessen; um so mehr, da sie zu andrer Zeit wieder sehr liebreich u. aufgeräumt mit ihnen war, u. sie ihr ganzes Herz fühlen ließ. Ueberhaupt war sie unter ihrem Chore als eine liebe u. treue Magd Jesu, die das Siegel Seiner Gnade an ihrer Stirne trug, geliebt u. legitimirt. Sie war von Herzen klein u. arm in sich selbst, u. fand ihre gröste Seligkeit darinn, nur allein von der Gnade ihres lieben Heilandes zu leben. Schon seit verschiedenen Jahren war sie öfters kränklich, u. dachte manchmal darauf, noch hienieden eine kleine Ruhe u. Sabbathszeit zu haben; allein ihre treue, dienstwillige Seele verschob es immer noch, diesem Gedanken [325] ernstlich Platz zu lassen, u. so besorgte sie ihre Geschäfte in Schwachheit von einer Zeit zur andern fort. Dabey äusserte sie oft den Wunsch, einmal geschwind zu ihrem lieben Herrn heimzufliegen. Am 28 April 1787 beym Beschluß einer sehr arbeitsamen Woche wurde sie mit starkem Frost u. Seitenstechen befallen, u. d. 29tn als an ihrem Geburtstage bezog sie die Krankenstube. Die Krankheit stieg von Tag zu Tage, doch dachte noch niemand, u. sie selbst auch nicht, an ihr so nahes Ende. Aber am 4 May früh fand sich ein Steckfluß ein, u. bald nach dem Festmorgensegen ihres Chores hatte sie das Glück, zu ihrem lieben Herrn heimberufen zu werden, u. in das ewige Freudenfest Seiner Versöhnung, als eine in Jesu Blut rein gewaschene jungfräuliche Seele, einzugehen. Es waltete bey diesem Heimgange ein hinnehmendes [326] u. Herzzerschmelzendes Gefühl der nahen Gegenwart unsers lieben Herrn, welches einen lieblichen Einfluß auf unsre diesmalige Festfeyer hatte. Die selige Schwester war 60 Jahr alt.

4.) Der ledige Bruder Justus Christoph Garven (in Niesky) war der älteste Sohn in einer ziemlich zahlreichen Familie, u. wurde d. 23 Oct. 1759 zu Jeinsen, nicht weit von Hannover, geboren, wo sein Vater noch in einer Königlich Churfürstlichen Bedienung steht. Seine Eltern, die seit vielen Jahren mit der Brüdergemeine in Bekanntschaft gekommen waren, wünschten nichts so sehr, als alle ihre Kinder für den lieben Heiland zu erziehen. In dieser Absicht luden sie im Jahr 1766 den Bruder Daniel Köhler (welcher gegenwärtig im Dienste des Herrn in der Wachau steht) zu sich ein, um sich des Unterrichts u. der Erziehung ihrer Söhne besonders anzunehmen. [327] Dieser hatte zu diesem Geschäfte ein vorzügliches Talent, wovon er an dem Seligen, welcher viele Fähigkeit u. Fleiß zum lernen besaß, frühe Früchte zu sehen die Freude hatte. Mit demselben schickten seine Eltern ihn im 9ten Jahre seines Alters nebst ihren 3 andern Söhnen zur Gemeine nach Zeist in die damals dort befindliche Knäbchen-Anstalt, in welcher er von 1768 bis 1773 blieb. Er erlernte darauf die Goldschmidtsprofession, ebenfalls in Zeist. Seinem Herzensgange nach war er, nach dem Zeugnis seines damaligen Chorhelfers, in einem erfreulichen Gange. Sein tiefes Grundverderben lernte er zwar schmerzlich kennen, er war aber damit offenherzig, u. ließ sich zum Seelenarzt hinweisen, der sich auch seiner Seele herzlich annahm. Er gelangte in seinen Knabenjahren zu den Gemein-Gnaden, u. wurde bald, nachdem er ins Brüderchor aufgenommen worden [328] war, in seiner Profession als Meister angestellt. Dieses Geschäfte hat er, aller für ihn damit verbundenen Schwierigkeiten ungeachtet, mit großer Treue u. Angelegenheit bis in den Merz 17787 bedient. Obgleich seine natürliche Blödigkeit verursachte, daß er sich am liebsten ganz eingezogen hielt, so genoß er doch dabey die Achtung u. Liebe seiner Brüder auf eine ausgezeichnete Weise, u. war denen, die mit ihm in nähere Bekanntschaft kamen, durch sein liebreiches u. offenes Wesen jederzeit zum wahren Segen. Denn seine Worte u. Handlungen zeugten von der wahren u. innigen Verbindung, in welcher er schon seit seinen frühern Jahren mit seinem lieben Heiland stand. Nichts war ihm – wie er sich oft selbst äusserte – schmerzlicher, als wenn er fand, daß er seinem Herrn u. Heiland noch mehr hätte zur Ehre leben, u. bey der Unterstüzung u. Gnade, die er täglich von Ihm genösse, [329] auch in vorkommenden Schwierigkeiten, die sein nachdenkliches Gemüth bisweilen zu sehr bekümmerten, sich dankbarer u. kindlicher an Ihn halten, u. auf Ihn verlassen können. Bey diesem Gefühl seiner Armuth aber hatte er den vesten Sinn, seinem Herrn u. Heiland, dem er sich mit Leib u. Seele ergeben, u. dessen Liebe er schon auf so vielfältige Weise erfahren hatte, nach allem Vermögen zu dienen. Er nahm daher den Ruf, welchen er zu Ende Merz 1787 erhielt, das Mithelferamt bey den ledigen Brüdern, Knaben u. Kindern in Niesky zu besorgen, u. leztern auch mit Information zu dienen, aus der Hand des Herrn mit demüthiger Ergebenheit u. kindlichem Vertrauen auf Seinen Beystand an; u. wir hatten am 8 Jun. die Freude, ihn in unsrer Mitte zu sehen, u. in herzlicher Liebe zu bewillkommen. Er besorgte hier seine [330] Geschäfte mit treuester Angelegenheit, u. ließ sich angelegen seyn, in dem, was zur Ehre des Herrn gereichte, nichts zu verabsäumen. Sein liebreiches, sanftes, theilnehmendes Wesen erwarb ihm gar bald das Zutrauen u. die Liebe seiner Pflegebefohlnen, wofür er seine Dankbarkeit gegen den Heiland oft bezeugte. Weil er ein im Blute Jesu versöhntes u. von Seiner Liebe durchdrungenes Herz hatte, so hatte er auch die Gnade, in wahrer Herzens-Demuth u. Niedrigkeit einherzugehen. Ueber sein Amt erklärte er sich mehrmalen dahin, daß er viel Unvermögen bey sich finde, und daß allein die Huld des Heilands ihm Trost u. Freudigkeit dazu verleihe. Am 15 Sept. sahe er sich genöthigt, nachdem er schon ein paar Tage zuvor sehr über Schwäche geklagt hatte, die Krankenstube im Paedagogio, wo er seine Wohnung hatte, zu beziehen, u. es zeigte sich bald, daß er mit der [331] rothen Ruhr behaftet war, zu welcher sich noch ein faules Fieber einfand. Er dachte vom Anfang dieser Krankheit, daß sie wol eine Gelegenheit zu seinem Heimgang werden könte. Dabey äusserte er sich so: Bisher sey bey aller seiner Willigkeit wenig durch ihn geschehen, u. vielleicht nehme ihn der Heiland unter andern Seiner Absichten auch darum von hier weg, weil durch ihn nicht viel für das Werk des Herrn ausgerichtet werden würde. Seine Krankheit wurde, aller dagegen angewandten Mittel ungeachtet, von Tag zu Tage bedenklicher. Die Leibesschmerzen, welche immer mehr zunahmen, ertrug er mit großer Geduld, u. tröstete sich mit den Schmerzen, die der Heiland, um ihn zu erlösen, ausgestanden habe. Wenn zuweilen einige Hofnung zum Wiederaufkommen geschöpft werden konte, schien sein Verlangen immer [332] mehr dahin zu gehen, bald bey Jesu Christo seinem Herrn zu seyn; doch war er Seinem Willen gänzlich überlassen. Die Freudigkeit, mit welcher er erwartete, was sein Herr über ihn beschlossen habe, war denen, die um ihn waren, zur Erbauung. Je geringer die Hofnung zur Genesung war, desto mehr freute er sich auf den Tag seiner Auflösung, u. flehete öfters zum lieben Heiland, daß Er doch bald kommen, u. ihn zu sich nehmen möchte, er sey ja dazu fertig u. bereit. D. 24 Sept. als den lezten Tag seines sterblichen Lebens, verabscheidete er sich mit seinen anwesenden Verwandten, von denen er geliebt u. geehrt wurde, u. andern Freunden auf eine herzrührende Weise, u. bezeugte mit vieler Gegenwart des Geistes, die ihn bis zum lezten Augenblick nicht verließ, allen Anwesenden seine Dankbarkeit für die Liebe, die sie ihm bewiesen. In die Verse, die bey seinem Bette gesungen [333] wurden, stimmte er immer mit ein. Nachmittag bald nach 4 Uhr, da man sein herannahendes Ende bemerkte, wurde diesem Diener Jesu zu seiner Heimfahrt, unter vielen Thränen aller Anwesenden, u. bey einem ausnehmend seligen Gefühl des Friedens Gottes, der Segen der Gemeine u. seines Chores ertheilt, u. bald darauf entschlief er unter dem Gesang einiger Verse sanft u. selig.

Seine Wallfahrt hienieden hat gewährt 27 Jahre u. 11 Monate.

5.) Der Witwer Alexander Jacob Magnus (in Herrnhut) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: Ich bin 1711 d. 28 Jul. in Pencum, einem Städtchen ohnweit Stettin, geboren, alwo mein Vater ein Becker war. Ich war noch nicht 3 Wochen alt, als meine Mutter vor den Russen, welche damals ins Land kamen, mit mir nach Stettin flüchtete. Weil sie aber den Ort vorerst [334] schonten, u. sich da vestsezten, bin ich über 2 Jahre unter ihnen gewesen, u. wurde von den Kosacken gewartet. Nachher aber wurde die ganze Gegend verheert, u. das Städtchen in Brand gesteckt. Meine Eltern flüchteten mit mir nach Schwed im Brandenburgischen, bis der König von Preußen Pommern in Besitz bekam, da sie dann wieder dahin zogen. Bald darauf starb mein Vater, meine Mutter heirathete nach einiger Zeit wieder, u. wir zogen nach Stettin, wo ich die Schneiderprofession erlernte. Von meiner Kindheit an habe ich die Gnadenarbeit des heiligen Geistes an meinem Herzen verspürt, u. bey meinem ersten Abendmahl hat sich der Heiland besonders meinem Herzen offenbaret. In dieser seligen Herzensstellung ging ich eine lange Zeit fort; als ich aber anno 1728 auf die Wanderschaft ging, gerieth ich ganz in die Welt hinein; [335] doch aber blieb mir die Ueberzeugung im Herzen übrig, daß ich mich bekehren müßte, wenn ich wolte selig werden, welches ich aber von Zeit zu Zeit aufschob. Anno 1734 kam ich von der Wanderschaft zurück, ging nach Wolgast in Schwedisch-Pommern, wurde daselbst Bürger u. Meister, u. heirathete anno 1735 meine selige Frau. 1738 wurde ich aufs neue erweckt, da ich aus Neugier in eines Predigers Erbauungsstunde ging: ich wurde ernstlich um meine Seligkeit u. um den Heiland bekümmert. 1739 in der Marterwoche offenbarte sich der Heiland meinem Herzen auf eine besondere Weise als mein Erlöser u. Versöhner, u. es war mir, als sagte Er mir mit lauter Stimme ins Herz: „Dir sind deine Sünden vergeben, du sollst ein Befreyter des Herrn seyn.“ Verschiedene Prediger dortiger Gegend, u. sonderlich der jezt in Rothenburg stehende Pastor Heilersieg, veranlaßten [336] mich einen Schuldienst anzunehmen. Ich kam daher anno 1740 auf die Stolzenburgische Glashütte als Schulhalter, u. nach 1½ Jahren ließ mich der Heiland sehen, daß Er mein Daseyn gesegnet mit einer großen Erweckung in dasiger Gegend. Ich nahm mich der erweckten Seelen an, u. in unsern Zusammenkünften war ein kräftiges Gnadengefühl zu spüren. Von da kam ich anno 1743 nach Sieden-Brunzo bey Demmin, ebenfalls als Schulhalter, wo ich auch den Nachmittags-Gottesdienst u. das Kinderexamen zu halten hatte, welchem leztern alle ledige Leute beyderley Geschlechts beywohnen musten. Anno 1744 reiste ich mit meiner Frau nach Stettin, um meine alte Mutter daselbst noch einmal zu sehen. Hier wurden wir mit den dasigen Geschwistern bekannt, u. bekamen Erlaubnis in ihre Versamlungen zu gehen. Das Wort von Jesu Leiden, das ich darinn hörte, ging [337] mir durchs Herz, u. es wurde mir klar, daß ich von der ersten Liebe u. Gnade abgekommen war. Dieses veranlaßte mich, nähere Herzensbekanntschaft u. Verbindung mit den Geschwistern in Stettin zu suchen; meine Frau war mit mir Eines Sinnes. Mir war es, als wäre ein schwerer Stein von meinem Herzen gefallen. Allein die andern Erweckten, die mich kannten, erschracken sehr über meine neue Bekanntschaft mit den Brüdern; u. ich hörte, daß sie ein dreystündiges Gebet auf den Knien gehalten, daß Gott sowol mich erleuchten, als auch den Schaden verhüten möchte, den ich nunmehr in der ganzen Gegend anrichten würde. Die Brüdersache wurde nemlich damals für die allergefährlichste Sache in der Evangelischen Kirche angesehen; und es wurde daher nicht nur an meinem Ort, sondern auch aller Orten, wo ich durchreisen solte, berichtet, [338] daß ich zu den Herrnhutern übergegangen wäre, weswegen sie sich vor mir solten gewarnt seyn lassen. Dieses veranlaßte aber vielmehr das Gegentheil von dem, wozu es gemeint war. Denn wo ich hinkam auf der Rückreise, waren die Leute desto begieriger zu hören, was denn die Herrnhutische Lehre wäre; und da ich mit ihnen von des Heilandes Verdienst u. Tod redete, so fand es vielmehr ihren Beyfall als Widerspruch. Als ich nach Hause kam, war schon ein Befehl da, daß ich gleich nach Demmin kommen solte, vor dasiger Obrigkeit zu erscheinen. Da ich den folgenden Tag dahin kam, fand ich die Stube, wo ich einkehrte, voll erweckter Leute vom Lande umher (denn es war grade Jahrmarkt); Die fielen auf mich zu, u. fragten, was mich bewogen hätte zu den Herrnhutern überzugehen? Ich erzehlte mit wenig Worten: die Lehre vom vollgültigen Verdienst Jesu, [339] die meinem Herzen zusagte, u. durch die mein Herz Ruhe u. Friede gefunden, sey die eigentliche Lehre der Herrnhuter, u. die habe mich mit ihnen verbunden. Sie wurden hierauf stille; einer aber, der in Herrnhut gewesen, nahm mich beyseite, u. sagte, er wüßte wol, daß ich Recht hätte, aber ich würde damit nicht durchkommen; wenn ich nicht von den Brüdern abliesse, so würde ich ohnfehlbar meinen Schuldienst verlieren. Ich antwortete, daß ich unmöglich heucheln könte; u. so trat ich zur bestimmten Zeit vor die Obrigkeit, wo ein Landrath, ein Bürgermeister u. 3 Prediger versamlet waren. Man behandelte mich sehr gütig; ich erzehlte ihnen die einfältige Wahrheit, u. sie sagten mir nach einer kurzen Berathschlagung: sie hätten an meiner Antwort nichts auszusetzen, sie kennten aber die Herrnhuter beßer als ich. Hätte ich durch sie einen Segen für mein Herz [340] genossen, so solte ich ihn in der Stille für mich behalten, u. niemanden etwas davon sagen – und so wurde ich freundlich entlassen. Gleichwol wurde ich bald darauf von meinem Schuldienste entlassen, wobey man mir dennoch das beste Attestat ertheilte, so daß, wer es las, nicht glauben konte, daß es möglich sey, mit einem solchen Zeugnis jemanden abzusetzen. Hierauf bekam ich sogleich viel Besuch sowol aus der Stadt als vom Lande; wir fingen auch eine Versamlung in der Stadt an, die großen Zulauf hatte, u. in welcher auch einmal unser lieber Bruder Müller (der jezt in Sarepta ist) ein Zeugnis vom Heiland abgelegt hat. Wir wurden aber bald genöthiget, Unordnungen wegen, die Versamlungen in der Stadt einzustellen. Auf dem Lande hingegen ging es desto beßer, so daß man an 300 Seelen rechnen konte, die sich zusammen hielten; [341] u. darunter waren auch zwey Prediger, von denen der eine, Pastor Stock zu Neu-Brandenburg, noch am Leben ist. Anno 1745 zogen wir wieder nach Stettin, wo ich die Pflege der Brüder genoß, u. der liebe Heiland führte mich gründlich auf mein Herz, so daß ich mein inneres Verderben mehr als je zu fühlen bekam. Ich sehnte mich, ganz bey einer Brüder-Gemeine zu seyn; es wolte sich aber nicht machen bis anno 1749, da wir mit unsern 2 Kindern nach Neusalze zogen. 1750 gelangte ich zu den Gemein-Gnaden. Bey dem bekannten Ausgang aus Neusalze bewahrte mich der Heiland vor Leibesschaden, ob mir gleich meine Kleider ausgezogen wurden. Wir kamen mit den übrigen Geschwistern nach Gnadenberg u. darauf nach Herrnhut, und ich bin bis diese Stunde beschämt über die Liebe, mit welcher uns die Geschwister hier aufgenommen haben.

[342] Von 1761 bis 1765 dienten wir bey dem Paedagogio in Hennersdorf.

1766 kamen wir nach Herrnhut zu den lieben Geschwistern v. Gersdorf in Diensten, wo wir nichts als Gnade u. Liebe genossen haben. 1771 gefiel es dem lieben Heiland, meine Frau zu sich heimzurufen. Was ich dadurch bey meinen schwächlichen Umständen an Hülfe im Aeussern verloren, das hat mir der liebe Heiland dadurch reichlich ersezt, daß Er mich einen recht lichten Blick in seine ewige Versöhnung hat thun lassen; und wenn ich darauf komme, so wünsche ich mir immer: Ach wär ein jeder Puls ein Dank, u. jeder Othem ein Gesang; ach schlüg ein jeder Puls Sein Sterben, säng jeder Othem Sein Erwerben! Unsre Ehe ist mit 9 Kindern gesegnet gworden, von denen aber nur ein Sohn, jetzo in Neusalze, am Leben ist.“ So weit seine Nachricht.

Der selige Bruder war mit seinem demüthigen u. stillen Wesen, aus welchem [343] ein begnadigtes Kind Gottes deutlich hervorleuchtete, eine wahre Zierde der Gemeine u. seines Chores. Seiner Herrschaft, unsern Geschwistern Ernst v. Gersdorf, war er theuer u. werth, weil (so wenig er auch in seinen alten Tagen mehr verrichten konte) sie sich drauf verlassen konten, daß er alles, was ihm unter die Hände kam, nicht nur mit besondrer Treue, sondern auch unter vielem Gebet um den Segen Gottes, zu besorgen pflegte. Er hingegen war für die treue Pflege, die er in seinem Alter in ihrem Hause genoß, besonders dankbar, u. nahm es als unverdiente Gnade an. Der Trieb, andern zum Segen zu seyn, der ihn ehemals so stark belebt hatte, verließ ihn auch in seiner Eingezogenheit nicht, wovon zuweilen unvermuthet Spuren zum Vorschein kamen. So schrieben vor einigen Jahren unsre Brüder in Paramaribo einmal in ihrem diario, sie hätten zu ihrer Freude Briefe aus Europa bekommen, [344] u. hätten sich sehr daran erquickt, besonders wäre ihnen ein Brief von Bruder Magnus in Herrnhut zum Segen gewesen. Seine lezte Krankheit währte 14 Tage. Einmal sagte er, es sey ihm wol eingefallen den Heiland zu bitten ihn mit einem langen Krankenlager zu verschonen, u. ihn bald zu sich heimzunehmen; aber darauf sey er in seinem Herzen erinnert worden, daß das ein thörichter Gedanke sey, indem ja der Heiland am besten wisse, was für ihn gut sey: und so wolle er es Ihm ganz überlassen. Der Heiland sahe aber seine Sehnsucht, bald bey Ihm daheime zu seyn, in Gnaden an; man hörte ihn noch ganz vernehmlich sagen: „Lieber Heiland, komm doch balde“ – u. den Augenblick verschied er. Das geschahe d. 20tn Oct. 1787. Er war im 77tn Jahr seines Alters.

[345] 6.) Die ledige Schwester Sophie Rosine Bräutigam (in Ebersdorf) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:

„Ich bin geboren d. 20 April 1729 zu Schmelle im Altenburgischen. In meinen Schuljahren wurde ich gar oft von meiner Entfremdung gegen Gott überzeugt, u. wünschte zwar anders zu seyn, um nicht einmal verloren zu gehen; aber die Liebe zur Welt behielt doch die Oberhand bey mir.

In meinem 15tn Jahr kam ich zu Geschwister Gehras nach Gera in Dienste. Ich ging in die Versamlungen der Geschwister, aber mehr aus Gehorsam als aus Neigung; und ob ich gleich durch das, was ich hörte, unruhig wurde, so war doch der Hang zur Welt bey mir so groß, daß ich oft wünschte, nie zu den Leuten gekommen zu seyn. Das ging so weit, daß ich endlich eine wahre Feindschaft gegen den Heiland u. seine Kinder bey mir fühlte; darüber aber erschrack ich, [346] und das war die Gelegenheit, daß ich zum Besinnen kam. Ich bat den Heiland mit vielen Thränen, sich meiner zu erbarmen, u. mir meine Sünden zu vergeben. Das that Er auf eine besonders eindrückliche Weise, so daß mir die Stelle, wo ich diese selige Erfahrung machte, in unvergeßlichem Andenken geblieben ist. Da ich nun bey dem vielen Aus- u. Eingang der Geschwister bey uns, viel gutes von der Brüdergemeine sahe u. hörte, so entstund dadurch ein großes Verlangen bey mir, auch ein Glied derselben zu werden. Ich besuchte hier in Ebersdorf, u. es traf sich, daß ich grade zur lezten Singstunde, welche im hiesigen Schlosse gehalten wurde, zurecht kam, u. derselben beywohnte. Tags darauf war ich in der ersten Versamlung zur Einweihung des hiesigen Gemeinsaals. Wie mir bey [347] dem Gesang der Geschwister zu Muthe war, kan ich nicht beschreiben. Es wurde mir gleich ausgemacht, daß ich zu diesem Volke gehörte, u. endlich im May 1757 erhielt ich Erlaubnis zur hiesigen Gemeine. Ich mußte lange auf die Gemeingnaden warten, welches mir aber zu einer seligen Schule diente. Erst wurde ich einige Jahre in der Küche, u. dann zu andern Geschäften im Hause gebraucht, u. endlich wurde mir 1766 das Krankenwärteramt aufgetragen. Ich fand dazu bey mir weder Neigung noch Gabe, bat aber den Heiland darum, u. so hat Er mir von Zeit zu Zeit durchgeholfen, u. wird es ferner thun.“

So weit aus ihrem Aufsatz.

Sie stand als eine begnadigte Sünderin in einem vertraulichen Umgang mit dem Heiland. In den ihr anvertrauten Geschäften war sie treu, zuweilen wol auch in Kleinigkeiten zu pünktlich, so daß sie ihren Schwestern manchmal [348] beschwerlich fallen konte, welches sie jedoch als einen Fehler erkannte. Sonst bekannte sich der Heiland recht gnädig zu ihrem Dienste, den sie 21 Jahre besorgt, u. in denselben 76 Schwestern aus ihrer Pflege ins gesunde Reich übergehen gesehen hat. Sonst wurde sie auch in ihrem Chor als Gesellschaftshalterin gebraucht. Nach einer schweren Krankheit anno 1783 behielt sie eine große Schwäche u. Engbrüstigkeit zurück, welches sie glauben machte, daß sie einmal schnell heimgehen könte, als mit welchem Gedanken sie schon seit geraumer Zeit immer beschäftigt war, u. sich auch öfters mit ihren Schwestern von dieser Materie unterhielt. Eine besondere Freude bezeugte sie auch über die schöne Verbeßerung unsers Gottesackers; denn am 8 Nov. 1787, da sie auf demselben spatzieren ging, sagte sie zu einigen Schwestern: Nun auf [349] diesem Plätzchen will ich mir recht viel zu gute thun, entweder daß ich alles wachsen u. grünen sehe, oder bald da ausruhen darf. D. 10tn klagte sie über Schwäche, war aber doch ganz munter, u. unterhielt sich den Vormittag recht angenehm mit jedermann, so in die Krankenstube kam, sonderlich vom Heimgehen. Als eine Schwester sagte, es wäre doch sehr schön, wenn man kein langes Krankenlager hätte, erwiederte sie mit Nachdruck: Dieses habe ich dem Heiland ganz überlassen; mir ists recht, wie Ers mit mir macht. Zu Mittag speisete sie wie gewöhnlich, u. machte sich zurecht, bey der schönen Witterung auf den Gottesacker zu gehen. Bald darauf sagte sie: „jezt könte ich auch sagen (so wie sie es einmal von einer ihrer Kranken gehört hatte) es geht etwas ungewöhnliches in mir vor“ – u. zugleich zeigte sich bey ihr mehr eine [350] Art des Verscheidens als einer Ohnmacht. Und so war es auch – denn in weniger als 3 Minuten war sie verschieden. Es waltete bey diesem sonst sehr afficirenden Umstand ein gar seliges Friedensgefühl, so daß ein angenehmes Andenken davon zurück bleibt.

Sie war im 59tn Jahr ihres Alters.

7.) Der verheiratete Bruder Daniel Mülow (in Gnadenberg) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:

„Ich bin d. 16 Jul. 1713 zu Stettin geboren. Als ich kaum 4 Wochen alt war, mußte meine Mutter wegen der damaligen Russischen Belagerung mit mir u. noch zwey Zwillingskindern von 3 Jahren sehr kümmerlich nach Hinter-Pommern flüchten. Sie bekam dabey vor Schrecken ein Fieber, welches 4 Jahre dauerte, u. zur Folge hatte, daß meine Behandlung u. Pflege sehr schlecht wurde. Sie wünschte mir oft vor Ungeduld [351] den Tod, u. sezte mich zu Winterszeit mehrmalen hinaus ins kalte Wasser, aus welchem mein Vater, wie er mir gesagt, mich oft halb todt herausgezogen hat. Meinen Eltern war es in der Folge, wenn sie an diese Zeit zurückdachten, ein Wunder, daß ich noch am Leben war.

Bis in mein 13tes Jahr war ich ein sehr wilder u. ausgelassener Knabe, so daß ich aus dieser Ursach das Unglück hatte, beyde Beine u. einen Arm zu brechen. Weil mein Vater ein Schiffer war, so gab mir solches Gelegenheit, öfters aufs Wasser zu kommen, woraus ich mehr als 10 mal mit genauer Noth gerettet worden bin. Um mich in genauerer Aufsicht zu haben, nahm mich mein Vater zu sich aufs Schiff, u. behandelte mich ziemlich scharf bis in mein 15 Jahr, da mein jüngerer Bruder vor seinen Augen im Wasser ertrank, welches Unglück vor 8 Jahren auch meiner Schwester begegnet war. Von da an wurde ich [352] gelinder gehalten. Anno 1730 wurde ich zum heiligen Abendmahl praeparirt. Nachdem der Prediger mich 6 Wochen lang unterrichtet hatte, u. nun mit mir fertig zu seyn glaubte, so fragte er mich einmal, ob ich gegen die zehn Gebote Gottes gesündigt hätte? Ich antwortete: Nein! Da muste der Unterricht wieder von vorne angefangen werden, bis er mirs deutlich machen konte, u. dann ließ er mich zum Abendmahl gehen. Was mich bey diesem Genuß für eine mächtige Gnade durchging, läßt sich nicht beschreiben; ich war fast ausser mir, u. konte mich 8 Tage lang des Weinens nicht enthalten. Man fragte mich, was mir fehle? O, antwortete ich, ich habe Jesu Fleisch gegessen, Sein Blut hab ich getrunken, drum kan Er meiner nicht vergessen! Als ich aber darauf zu Schiffe ging, kam ich, leider! wieder in meine vorige Umstände, u. verlor alles aus meinem Herzen. Ich ging zwar alle halbe Jahre, nach meiner [353] Eltern Gewohnheit, immer wieder zum heiligen Abendmahl, u. es ging auch niemals ohne Thränen ab, besonders wenn mein Beichtvater mir Passionsverse z. E. O Jesu Christ, erhöre mich p. O hilf Christe Gottes Sohn p. Wenn meine Sünden mich kränken p. vorbetete; aber dabey bliebs auch. In den folgenden Jahren erfuhr ich gar manche augenscheinliche Bewahrungen Gottes in Lebensgefahr. Z. E. anno 1733 bey dem Springen einer abgefeuerten Kanone auf dem Schiff, wodurch zwey neben mir stehende Matrosen tödtlich verwundet, u. ich auch etwas beschädigt wurde; desgleichen auch beym Stranden des Schiffes um Mitternacht, ohnweit Calais an der Französischen Küste anno 1735 im Januar, zu welcher Zeit auch 7 andere Schiffe scheiterten, u. nur 2 Menschen von allen gerettet wurden. Im Jan. 1740 trat ich mit meiner ersten Frau in die Ehe. Sie war erweckt, u. ging niemals zu Bette, ohne vorher auf den Knien oder dem Angesichte [354] sich u. mich, u. was ihr sonst anlag dem lieben Gott u. dem Herrn Jesu herzlich empfohlen zu haben; ja sie bat Ihn oft flehentlich, daß Er mich mit seinem heiligen Geiste regieren u. führen wolle.

Im Sept. 1740 kam der Schiffer Johann Brahts auf der Rhede vor Pillau bey mir an Bord. Er nahm die Bibel, u. las mir aus einer der Episteln Pauli etwas vor. Ich sagte, dergleichen Leute, wie damaliger Zeit, wären gegenwärtig nicht mehr in der Welt. Er aber behauptete, ja, es müßten ihrer gewiß noch da seyn. Ich antwortete: Nun, wenn das wahr ist, so gehe ich gewiß verloren. Ich wurde zur Stunde unruhig u. verlegen um meine Seligkeit, u. konte die ganze Nacht nicht schlafen. Hierauf ging ich wieder in See mit der Resolution, dem Herrn Jesu mein Herz hinzugeben. Als ich d. 5 Oct. nach Hause kam, brachte man mir beym Eintritt die unerwartete Nachricht entgegen, [355] daß meine liebe Frau – mit welcher ich nur 10 Monate in der Ehe gelebt – diese Nacht gestorben sey. Der Anblick ihrer Leiche bewegte mich so, daß ich fast in Ohnmacht sank; denn wir hatten uns sehr lieb, u. eine friedliche Ehe mit einander geführt. Bey dieser Gelegenheit faßte ich den vesten Entschluß, mich dem lieben Gott ganz zu ergeben, fing auch an, solche Leute zu suchen, die eben diesen Sinn hatten, fand aber keine, bey denen ich das angetroffen hätte, was mich beruhigen konte. Man sagte mir viel vom Ringen, Beten u. Kämpfen vor, weil ich aber dazu keine Lust hatte, u. zu träge war, mich sehr zu mühen, so ward ich der Sache bald müde; und als sie mich zum Beten aufforderten, u. ich nicht konte, so blieb ich gar von ihnen weg. So ging mirs auch Anno 1741 in Reval u. an mehreren Orten; ich kam überall in unrechte Hände, u. fand nicht was ich suchte, bis ich [356] im Herbst 1741 in Königsberg zum erstenmal von den Brüdern hörte, u. mit ihnen bekannt wurde.“

So weit nur geht des seligen Bruders Nachricht von sich selbst.

Die Gnade Gottes arbeitete weiter kräftig an seinem Herzen, so daß er im vollgültigen Opfer Jesu Ruhe fand. Er pflegte zu erzehlen, daß ihm zu damaliger Zeit der liebe Heiland besonders einmal auf eine ihm unvergeßliche Weise nahe vors Herz getreten sey, u. ihn so reichlich getröstet u. begnadigt habe, daß er vor Beschämung u. Freude immer habe weinen müssen. Auch jedesmal, wenn er auf diese Materie kam, standen ihm wieder die Thränen in der den Augen. „Ach“, sagte er oft, „ich erkenne u. fühle mich der geringsten Gnade unwerth, die mir von Ihm widerfährt. Wenn ich zu Ihm komme, werde ich nichts anders sagen können als: Herr Jesu, Du bist mir zu stark geworden, Du hast mich überredet; ich [357] wäre Dich nimmermehr suchen gegangen, aber Herr Jesu, Du hast mich gesucht, u. bis diese Stunde in Gnaden bey Dir erhalten: ach meine Gnadenwahl ist mir wichtig u. groß, u. geht mir über alles.“

Im Jan. 1743 trat er abermal in die Ehe mit der nunmehrigen Witwe Beata Christina geb. Kargertin. Dieselbe ist mit 4 Kindern gesegnet worden, von denen nur eine Tochter am Leben ist, u. sich hier in der Gemeine befindet.

Als anno 1744 mit den Brüdern in Stettin eine Einrichtung gemacht wurde, erhielt er bald Erlaubnis in ihre Versammlungen zu gehen. Da aber bald darauf dieses Häuflein mancherley Druck, Schmach u. Lästerungen der Welt erfahren muste, blieb er eine Zeitlang zurück. Indessen wurde er doch von seinen bekannten Geschwistern besucht; bey welcher Gelegenheit auch seine Frau einen Trieb bekam in die Versamlungen zu gehen. Er widerrieth es ihr zwar, u. glaubte, es wäre noch [358] nicht Zeit; weil es aber ihr ganzer Ernst war, so suchte sie in der Stille eine Person auf, die sich zum Häuflein hielt, u. bat, sie mit in die Versammlung zu nehmen. Das geschah auch, u. da traf sichs, daß eben an demselben Tage unser seliger Bruder auch wieder in die Versamlung kam, ohne zu wissen, daß seine Frau auch da sey. Das gab ihm, als sie nach Hause kamen, einen tiefen Eindruck, u. weil sie sehr angefaßt war, so wurde er auch von neuem angeregt, die Versamlungen fleißig zu besuchen; und alle Bedenklichkeiten wegen der daraus folgenden Schmach fielen ganz weg, so daß es ihnen vielmehr eine Gnade war, Theil daran nehmen zu dürfen. Es wurde damals auf eine Brüdergemeine in Stettin angetragen (auf den Fuß nemlich, wie gegenwärtig in Amsterdam, London u. Philadelphia p. Stadtgemeinen sind); und bey der ersten Aufnahme wurden der selige Bruder u. seine Frau Mitglieder derselben, gelangten [359] auch bald zum Genuß des heiligen Abendmahls.

Bald darauf bekamen sie beyde ein großes Verlangen, Einwohner einer Ortsgemeine zu seyn; womit sie aber damals nicht laut seyn durften, weil ihre beyderseitige Eltern nicht ihrer Gesinnung waren, u. sie viel darüber würden zu leiden bekommen haben. Ihr Verlangen darnach währte indessen beständig fort; und als sie anno 1774 ihre Tochter nach Gnadenberg brachten, resolvirten sie, auch für sich um ein Wohnplätzchen in einer Schlesischen Gemeine anzuhalten. Zu ihrer großen Freude erhielten sie am 12 Nov. 1775 die Erlaubnis hieher nach Gnadenberg zu ziehen; aber sich derselben wirklich zu bedienen, erlaubten ihre äussere Umstände nicht eher als anno 1779, da sie am 3 Nov. vergnügt u. dankbar hier ankamen, u. bald eingewohnten. Bey dem nächsten Abendmahl wurden sie zu ihrer Freude desselben aufs neue mit der Gemeine [360] theilhaftig. Der selige Bruder war ein würdiges Mitglied der Gemeine, u. man konte nicht anders als ihn lieben u. hoch schätzen. Auch suchte er der Gemeine zu dienen, wo er konte; so wie ers ehedem in Stettin auch gethan hatte. Uebrigens war seine Erziehung u. vieljährige Lebensart als Seemann an ihm nicht zu verkennen; er hatte eine etwas rauhe Naturart, die manchen, der ihn nicht recht kannte, befremden ja wol auch beleidigen konte; aber er hatte doch ein treues Herz, u. unterließ nicht solche, gegen welche er sich etwa hart u. auffallend ausgedruckt hatte, nachher wieder seine Liebe fühlen zu lassen.

Daß er seine lezten Lebensjahre, nach so vielen ausgestandenen Mühseligkeiten, in einer Brüdergemeine verbringen durfte, war ihm eine sehr große Gnade, worüber er sich oft sehr dankbar erklärte. Bey der lezten Unterredung mit einem Bruder vor dem heiligen Abendmahl [361] (am 24 Nov. 1787) äusserte er sich so: „Ich bin durchaus getröstet u. selig, u. habe alles, was mir bisher schwer u. drückend gewesen, meinem lieben Herrn empfohlen u. an Sein treues Herz gelegt, in der gläubigen u. zuversichtlichen Hofnung, Er werde alles wohl machen.“ Er genoß dann das heilige Abendmahl mit der Gemeine auf dem Saal, u. das war sein lezter Ausgang. Seit mehrern Jahren hatte er Beschwerden von Husten u. Engbrüstigkeit, welche ihm an diesem Tage besonders zusezten, und so war es auch am 25tn. Gegen einige besuchende Geschwister war er, wie gewöhnlich, herzlich u. gesprächig, u. man dachte nicht, daß sein leztes Stündlein so nahe sey. Er selbst mochte andrer Gedanken seyn, denn er bestellte sich auf die Nacht einen Wächter; denn, sagte er, ich bin sehr krank. Aber noch ehe es Nacht wurde, fand sich ein Steck- u. Schlagfluß ein, und in wenig Minuten ging er sanft u. selig zu seines Herrn Freude [362] ein. Er war im 75 Jahr seines Alters.

8.) Die ledige Schwester Anna Cheneviere (in Neuwied) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin d. 28 April 1724 in Genf geboren. Nachdem ich meine Eltern durch den Tod verloren, da ich erst 5 Jahre alt war, so nahm mich mein Oncle nebst meinen zwey jüngern Schwestern zu sich, verwaltete unser zeitliches Vermögen treulich, u. mühete sich auch samt unsrer Tante mit unsrer Erziehung, die jedoch nach Weltart war. Vor meinem ersten Abendmahl, da ich 16 Jahr alt war, muste ich in öffentlicher Kirche versprechen, Gott treu zu seyn, u. alle seine Gebote zu halten. Ach, dachte ich, das kan ich von mir selbst nicht; aber ich will mich schon einmal bekehren; jezt, da ich jung bin, will ich die Welt geniessen. Ich hatte eine Versicherung in meiner Seele, daß ich nicht würde verloren gehen, sondern einmal in den Himmel kommen; und diese Versicherung verließ mich unter allen Zerstreuungen nicht.

[363] Als ich mich in meinem 20 Jahre an einem Communion-Tage auf einem Spatziergang befand mitten unter vielen Menschen, so wandelte mich plötzlich ein tiefes Gefühl meines Elendes an, u. eine große Unruhe über meine Liebe zur Welt u. ihren Eitelkeiten. Ich sagte zu meiner Gefährtin: ich fühle mich so eben unbeschreiblich schlecht, u. sehe meine Neigung zur Eitelkeit, Verläumdung u. vielen andern schlechten Dingen. Das ist wahr, antwortete sie, und du hast auch mir oft Anlaß gegeben, mich über andre aufzuhalten. Ich will mich bekehren, erwiederte ich; und ich trug es auch wirklich seitdem ernstlich darauf an. Da ich aber sahe, daß ich durch alle meine Bemühungen nichts ausrichtete, so fiel mir ein, daß das beste für mich seyn würde, wenn ich mich an die Brüder wendete, die mir schon den Weg zur Bekehrung zeigen würden. Ich bat eine Schwester, die ehedem meine Vertraute gewesen, sich aber seit einiger Zeit an die Brüder Societät [364] angeschlossen hatte, mich mit derselben bekannt zu machen. Sie that es, u. die Schwestern empfingen mich sehr liebreich, u. fragten mich um mein Anliegen; welche Frage ich, da ich selbst nicht recht wußte, was mir fehlte, mehr mit Thränen als mit Worten beantwortete. Eine Schwester sagte zu mir, ich sey noch sehr jung, ob ich nicht noch die Welt geniessen wolte? Nein, antwortete ich; ich will sie verlassen, u. mein Herz dem Heiland geben: denn ob ich Ihn gleich nicht kenne, so weiß ich doch, daß Er für mich gestorben ist, u. daß Er mich selig machen kan. Sie machten mir hierauf Muth zum Heiland, mich so, wie ich sey, in Seine Arme zu werfen; Er nehme mit Freuden die schlechtesten Sünder an. Ich befolgte ihren Rath, u. empfand eine so grosse Freudigkeit in meinem Herzen, daß ich gleich meine zwey Schwestern bekehren wolte. Und wirklich erzeigte uns der liebe Heiland die Gnade, daß wir alle 3 binnen 4 Wochen zur Societät [365] hinzugethan wurden. Mein Oncle u. übrige Verwandte u. Freunde bemerkten die bey uns vorgegangene Veränderung, u. äusserten ihr Misvergnügen darüber, sonderlich gegen mich, suchten uns auch auf andere Gedanken zu bringen; ich sagte ihnen aber rund heraus, mein vester Entschluß sey genommen, daß ich nur für den leben wolle, der für mich gestorben sey. Mein Herz war so selig u. so mit Liebe gegen den Heiland erfüllt, daß ich mein Leben für Ihn hätte lassen mögen. Einige Zeit hernach kam die Schwester Catharina Hugo nach Genf, um sich der Schwestern anzunehmen, u. der Heiland bediente sich ihres Zuspruchs, um mir mein großes Elend u. Verderben aufzudecken. O wie viel Mühe habe ich nicht meinem lieben Heiland gemacht, ehe Er mich auf die wahre arme Sünderspur hat bringen können! Denn da ich in der Welt immer für gut angesehen worden, so ging es meiner Eigenliebe überaus schwer ein, mich [366] so elend zu sehen. Auch war mirs eine Zeit lang verborgen, daß je elender man in sich selbst sey, je näher sey einem die Gnade Jesu, u. je fühlbarer Seine Liebe. Da ich viel von der Brüdergemeine gehört hatte, so wünschte ich bey derselben zu wohnen, um von der Welt ganz abgesondert zu leben, zu welcher ich doch noch dann u. wann Neigung fühlte. Ich erhielt Erlaubnis nach Herrnhut, kam d. 8 Jul. 1752 daselbst an, u. konte dem Heiland für meine Gnadenwahl nicht genug danken. Anno 1753 wurde ich in die Gemeine aufgenommen, u. gelangte mit derselben zum Genuß des heiligen Abendmahls. Was ich dabey erfahren, vergesse ich nie. Von da an nahm mich der heilige Geist in seinen nähern Unterricht, u. deckte mir mein Grundverderben recht auf; ich hätte nie geglaubt, ein nach Seel u. Leib so grundverdorbenes Wesen zu seyn, als ich es nun gewahr wurde; aber ich erfuhr auch reichen Trost von meinem lieben Heiland, [367] u. ich konte mir als eine Seiner Elendesten Sein theures Verdienst zueignen. Als im Jahr 1755 der selige Ordinarius von seinem Besuch in Neuwied nach Herrnhut kam, erzehlte er mir von der kleinen Französischen Gemeine daselbst, und daß ich dorten mein Plätzchen haben würde. Ich reiste also nebst noch zweyen Schwestern in Bruder Molthers Gesellschaft im Oct. 1755 von Herrnhut ab, u. kam d. 28tn in Neuwied an.“ So weit ihre eigene Nachricht. Unsre selige Schwester hatte hier, so wie alle Erstlinge hiesiger Gemeine, mancherley zu lernen. Denn nicht nur war die Wohnung der Schwestern in einem Familienhause sehr enge u. unbequem, sondern auch grosse Armuth auf allen Seiten, u. es gehörte ein an den lieben Heiland ganz ergebenes Herz dazu, um sich in diese Situation zu schicken, u. dabey vergnügt zu seyn. Dieses hatte sie auch aus Gnaden geschenkt bekommen, so daß, ob es ihr gleich oft bange that nach ihrem lieben [368] Chorhause in Herrnhut, sie doch durch die Hofnung, daß der liebe Heiland sich auch hier noch eine schöne Gemeine sammlen werde, vergnügt u. getrost war, u. sich noch immer gern von der damaligen Einfalt, u. was ihr Herz dabey genossen, unterhielt. Anno 1758 hatte sie die Freude bey der Einweihung des ersten Gemein-Saals zu seyn, u. anno 1759 das neuerbaute ledige Schwesternhaus mit Lob u. Dank zu beziehen. Sie ist von der Zeit an eine treue Stuben-Aufseherin gewesen, u. auch bis an ihr Ende geblieben. Von allen Schwestern, die unter ihrer Aufsicht gestanden, hat sie das Zeugnis, daß sie sich ihrer mütterlich angenommen, u. gern jeder nach Vermögen gedient. Sonderlich lag ihr immer an, alles aus dem Wege zu räumen, wodurch die Liebe unter ihren Schwestern gestört werden könte. Anno 1768 wurde ihr ein Theil des Hausdiener-Amtes aufgetragen, welches sie mit vieler Treue u. Pünktlichkeit, so viel es ihre Kräfte [369] zuliessen, besorgte; da sie aber nach manchen überstandenen Krankheiten eine schwache Hütte behielt, so war es ihr lieb, daß ihr dasselbe anno 1783 abgenommen wurde. Ob sie gleich von Natur ein sehr empfindsames Gemüth hatte, u. nicht gut andre konte leiden sehen, so achtete sie doch ihre eigene Schwäche wenig, u. man muste sie öfters nöthigen, sich inne zu halten. Seit Jahr u. Tag konte sie nur selten den Gemeinversamlungen, die ihr eine schmackhafte Weide für ihr Herz waren, beywohnen; indeß genoß ihre Seele im stillen Umgang mit dem lieben Heiland den Trost, den sie als eine begnadigte Sünderin in Seinem Verdienst u. Leiden gefunden, u. dieses half ihr auch alle Beschwerden der Hütte mit Geduld ertragen, so daß man sie nicht leicht klagen hörte. D. 30tn Nov. 1787 bekam sie eine starke Engbrüstigkeit mit Fieber begleitet; u. da die Krankheit täglich zunahm, so schöpfte sie bald Hofnung, daß sie der liebe Heiland bey dieser [370] Gelegenheit zu sich nehmen würde. Dieses bezeugte sie mit ausnehmender Freude, u. überhaupt war sie die ganze Zeit so heiter, daß es ein wahres Vergnügen war, um sie zu seyn. D. 5 Dec. Abends, da es ihr ganz gewiß war, daß es nicht mehr lange währen würde, verlangte sie einen Segen zu ihrer Heimfahrt, welcher ihr auch mit dem Gesang einiger Verse unter einem seligen Gottesfrieden ertheilt wurde. Sie dankte darauf noch den Umstehenden mit vieler Zärtlichkeit, u. d. 6tn früh in der 5tn Stunde ging diese liebe Magd Jesu den schauen, an den sie hier geglaubt. Sie war im 64tn Jahr ihres Alters.

[371]
II. Von Süd-Amerika.

1.) Aus dem Diario der Neger-Gemeine in Paramaribo vom 1tn Jan. bis Anfang Septembers 1787.

Eine eigene Materie zum Dank war es uns beym Eintritt in das neue Jahr daß wir alle gesund waren; u. ein gleiches hörten wir auch durch Briefe von unsern Geschwistern auf den andern Posten hier im Lande. D. 14 Jan. wurden 3 Erwachsene in Jesu Tod getauft, u. 4 kamen unter die Taufkandidaten. Das heilige Abendmahl am 20ten genoß eine Schwester zum erstenmal, u. ein Bruder wurde dazu readmittirt.

D. 1 Febr. erhielten wir zu unsrer Freude die Losungen für dieses Jahr nebst Briefen aus der Unitaets Aeltesten Conferenz. Wir bekamen auch gleich Gelegenheit, Losungen u. Provision nach Bambey u. Sommelsdyk zu schicken. In diesen Tagen hatten wir einige freundschaftliche Besuche von verschiedenen [372] Plantage-Directeurs aus der Nachbarschaft von Sommelsdyk, die alle bezeugten, daß es ihr ganzer Wunsch sey, daß auch ihre Neger ein Verlangen bekommen möchten, in unsre Kirche nach Sommelsdyk zu gehen; denn sie wären von dem Nutzen überzeugt, den das ganze Land davon haben würde, wenn sich die Neger wahrhaftig zu Gott bekehrten. Sie bedauerten dabey den Verlust unsrer seligen Brüder Heydt u. Clausen, die, wie sie sagten, unvergleichlich zu diesem Posten gepaßt hätten. Vom 13tn zum 16tn war das Sprechen unsrer Neger-Geschwister zum heiligen Abendmahl durch Geschwister Wagners u. die Schwester Randtin. Einem Bruder mußte gerathen werden, diesesmal wegzubleiben. Zwey Schwestern genoßen es am 17tn mit uns zum erstenmal; ein Bruder, dem dieselbe Gnade widerfahren solte, konte diesesmal nicht kommen. Zum Eintritt in die Passions-Zeit am 18tn wurden die Geschwister u. unsre übrige Zuhörer herzlich erinnert, besonders [373] in dieser Zeit dem heiligen Geiste ihre Herzen aufzuthun, u. aufmerksam zu seyn, was ihnen derselbe von Jesu Leiden u. Tod für sie, auch diesesmal noch näher verklären würde. Heute erfuhren wir durch Briefe von Hoop das Wohlbefinden unsrer Brüder Vögtle u. Lösche, u. hatten Gelegenheit ihnen Losungen u. Gemeinnachrichten zu schicken. D. 2 Merz wurden die Taufkandidaten u. neuen Leute von Bruder Wagner gesprochen. D. 4tn wurden 2 Erwachsene in den Tod Jesu getauft. Abends reiste Bruder Wagner nach Sommelsdyk, besuchte in der Gegend auf verschiedenen Plantagen, u. kam am 10tn Abends wieder zurück. In diesen Tagen besuchte uns Johannes Arabini mit noch zwey Brüdern aus dem Freynegerlande. Er war diesesmal besonders aufgelebt, u. dankbar gegen den lieben Heiland über manche Erfahrungen, die er seit einigen Jahren gehabt, wobey er nun augenscheinlich sieht, daß der liebe Heiland allein geholfen [374] hat, welches sein Zutrauen u. Liebe zu Ihm gar sehr vermehrt hat. In diesen Tagen beßerte es sich wieder mit unserm Bruder Jorde, der seit einigen Tagen an einer harten Krankheit darnieder gelegen hatte. Am 30tn wurde der Anfang mit Lesen der Passionsgeschichte gemacht. Der reformirte u. der katholische Domine wohnten dieser Versamlung, so wie auch einer vorhergehenden, mit Achtung bey. Sie können sich über den schönen Gesang der Neger nicht genug verwundern.

D. 1 April u. die folgenden Tage wurden die Geschwister zum bevorstehenden Abendmahl am Gründonnerstag gesprochen. Sie konten sich nicht genug ausdrucken über das selige Gefühl, welches sie beym Lesen der Passionsgeschichte hätten. Es kamen auch alle unsre Neger-Geschwister, denen es nur möglich war, u. unsre Kirche war immer voll. Das heilige Abendmahl am 5tn genoß ein Bruder zum erstenmal. Am Ostermorgen den 8tn versamlete sich unsre Negergemeine bey Tagesanbruch, u. wir beteten mit [375] derselben die Osterlitaney auf unserm kleinen Gottesacker bey der Kirche, u. gedachten gehörigen Orts unsrer 3 selig entschlafenen Brüder Burchart, Heydt u. Clausen. Die übrigen Versamlungen in den Osterfeyertagen waren in gewöhnlicher Ordnung u. im Segen. Es meldeten sich auch nachher einige neue Leute, die in diesen Tagen angefaßt worden, u. baten ihre Namen aufzuschreiben. D. 15tn hatten wir mit 21 seit einem Jahre getauften, u. mit 25 seit einem Jahre zum heiligen Abendmahl gelangten Geschwistern ein vergnügtes Liebesmahl; unter leztern waren 8 von den ersteren. Auch wurden heute 2 Brüder u. 4 Schwestern zu neuen Saaldienern u. Besuchern ernannt, u. der Gemeine empfohlen. Sie wurden mit Vergnügen von den andern Dienern in ihre Mitte aufgenommen, u. sogleich in ihre Geschäfte vertheilt u. eingeleitet. D. 22tn wurden nach der Predigt 4 Erwachsene getauft, u. 5 kamen unter [376] die Taufkandidaten. D. 12 May hatten wir das heilige Abendmahl. Wegen der jezigen fast allgemeinen Kränklichkeit durch Verkältungen konten dieses mal viele nicht kommen. Ein Bruder, der seit Jahr u. Tag zum Abendmahls-Candidat ausgemacht worden war, aber noch nie hatte herkomen können (weil er als Maurer auf den Plantagen hatte arbeiten müssen) sahe heute zum erstenmal zu. Nach der Predigt am zweyten Pfingstfeyertag wurde eine erwachsene Negerin u. 2 Mädchen, eins von 7 u. das andere von 5 Jahren, in Jesu Tod getauft. Diese 2 Kinder sind seit der Taufe ihrer Mutter (die jezt eine Abendmahls-Schwester ist) unermüdet in die Kirche, u. besonders in die Kinderstunden gekommen. Sie hörten dabey zu, als wenn sie alle Worte aufessen wolten, u. man sahe oft Thränen von ihren Wangen rollen. Wenn sie wieder nach Hause kamen, fielen sie manchmal auf ihre Knie, u. baten den Heiland, Er [377] wolle doch auch ihre Herzen zu Seinem Eigenthum hinnehmen. Sie wurden dabey so lichte u. zutraulich gegen uns, daß wir viel Vergnügen mit ihnen hatten. Etwa vor 8 Tagen träumte der jüngsten, daß sie den lieben Heiland gesehen, der sey sehr freundlich gegen sie gewesen, u. habe befohlen, daß man sie weiß ankleiden solle, u. da habe Er sie selbst rein gewaschen. Ohngeachtet es nun nicht gewöhnlich ist, Kinder von diesem Alter zu taufen, so machten doch die besondern Umstände dieser zwey Mädchen, daß wir in der Missions-Conferenz ihrentwegen eine Ueberlegung vor unserm lieben Herrn anstellten; da dann ihre Taufe ausgemacht wurde. Da es ihnen gesagt wurde, war ihr Benehmen dabey so, daß wir uns der Thränen selbst nicht enthalten konten. Während der Taufhandlung ließ sich der liebe Heiland so kräftig fühlen, daß es die ganze Gemeine durchging, worüber wir hernach viele liebliche Aeusserungen von unsern [378] Geschwistern hörten. Den zwey Kindern selbst sahe mans gleich sehr merklich an, was für eine große Gnade ihnen widerfahren war, u. es machte einen tiefen Eindruck auf unsre Geschwister. Abends, ehe sie schlafen gingen, dankten sie aus freyem Trieb dem lieben Heiland nochmals auf ihren Knien für die ihnen widerfahrne Gnade. Im Monate Jun. kam ausser unserm gewöhnlichen Gange nichts besonderes vor. Das heilige Abendmahl, welches wir am 9tn hatten, genossen 5 Geschwister zum erstenmal. D. 1 Jul. erhielten wir Briefe von unsern Brüdern in Hoop. Sie verlangen gar sehr nach einem ordinirten Bruder, indem der alte Bruder Vögtle von Tag zu Tage schwächer wird. Ein gleiches Verlangen haben auch unsre Brüder in Bambey, die nun schon lange nebst ihren Neger-Geschwistern das heilige Abendmahl nicht gehabt haben. Nicht weniger sehnen sich Geschwister Wiezens auf Sommelsdyk nach Hülfe, um den so nöthigen Besuch [379] auf den Plantagen bestreiten zu können. Wir mußten uns aber alle in die Geduld begeben, u. warten. Unsre Schwester Heydt, die vorm Jahr nach dem Heimgang ihres seligen Mannes bey der Unitaets Aeltesten Conferenz um Erlaubnis gebeten, mit ihren Kindern nach Europa zurückzukehren, entschloß sich in diesen Tagen ihre Reise anzutreten, weil sie sonst damit bis auf künftiges Jahr hätte warten müssen. Wir suchten daher einen bekannten braven Capitain auf, der willig war sie u. ihre Kinder mitzunehmen, u. sie mit Gottes Hülfe an Ort und Stelle zu bringen; u. am 6tn reiste sie, mit unserm Segen u. Gebet begleitet, ab. D. 13tn ging Bruder Wagner zu einem Besuch nach Sommelsdyk u. den benachbarten Plantagen, u. kam am 18tn wieder zurück. D. 22tn nach der Predigt wurden zwey Neger u. eine alte Negerin in Jesu Tod getauft. Diese Negerin, die von ihrer Jugend auf eine besonders schlechte [380] Person gewesen, ist seit einiger Zeit in unsre Predigten gekommen, u. von dem Evangelio so kräftig angefaßt worden, daß sie Tag u. Nacht mit Weinen u. Flehen zum Heiland um die Vergebung ihrer Sünden verbracht hat. So oft sie zu uns kam, konte sie nicht genug bezeugen, wie gottlos u. schlecht sie gelebt habe, u. wie groß u. wichtig ihr nun das sey, daß ein Helfer oder Heiland auch für sie sey, von dem sie glaube u. fühle, daß Er auch sie von ihren Sünden erlöset habe. Sie wurde nach ihrer Taufe so lichte u. so froh, daß sie jedermann zum Wunder war. Sie sagte nachher: Nun habe ich nichts mehr zu sagen, mein Herz ist nun still, u. so kalt wie reines kaltes Wasser. (Wenn die Neger zufrieden, getröstet u. vergnügt sind, so sprechen sie: mein Herz ist kalt. In den heissen Ländern ist nemlich Kühlung u. Erquickung einerley). D. 24tn wurde uns [381] in der Nacht gemeldet, daß ein Holländisches Schiff auf der Rhede sey, welches 3 von unsern Brüdern als Passagiers am Bord habe. Wir waren daher d. 25tn früh geschäftig ein Fahrzeug zu miethen, um sie abzuholen; da wir aber eben gehen wolten, traten sie alle drey unvermuthet in unser Haus, zu unser aller herzlichen Freude u. Dank gegen unsern lieben Heiland, der sie so glücklich zu uns gebracht hatte. Es waren die Brüder Felix Gutherz, Matthäus Richter u. Christoph Richter. Wir waren für sie um so dankbarer, da eben unsre Brüder von allen Posten so dringend um Unterstützung gebeten hatten, u. wir nicht wissen konten, ob wir heuer jemanden aus Europa zu erwarten hätten, oder nicht. D. 26tn wurden sie der Neger-Gemeine vorgestellt, u. zugleich wurden herzliche Grüsse von der Unitaets Aeltesten Conferenz an die Geschwister ausgerichtet, wofür sie laut dankten. In unsrer Hausversamlung empfingen die Brüder Randt u. Arnold die ihnen zugeschickte [382] schriftliche Ordination zu Diaconis der Brüder Kirche, unter unsern herzlichen Segenswünschen. D. 27tn bekamen Geschwister Randts in der Missionsconferenz den Ruf, auf den Freyneger-Posten bey Bambey zu ziehen. An des Bruder Randts Stelle werden die Brüder Arnold u. Matthäus Richter die hiesige Schneiderey als Meister bedienen. Der Bruder Felix Gutherz, der einen Ruf zur Bedienung der Indianer-Gemeine in Hoop erhalten hatte, wurde am 30tn mit der verwitweten Schwester Magd. Burchart zur heiligen Ehe verlobt. D. 5 Aug. kam der Bruder Wiez von Sommelsdyk hieher, um den Bruder Christoph Richter, der einen Ruf dahin erhalten hatte, von hier abzuholen. Sie reisten am 6ten, mit unserm Segen begleitet, dahin ab. D. 11tn früh ging eine von unsern Abendmahls-Schwestern, Amalia, eine Mulattin, selig zum Heiland, u. Abends war das Begräbnis, unter einem ungewöhnlich großen Gefolge. Alle unsre Geschwister, die [383] nur kommen konten, gingen paarweise, alle weiß gekleidet, hinter der Leiche, u. machten eine lange Reihe aus; und als wir auf den Gottesacker kamen, hatte sich noch eine größere Anzahl von Blanken u. Negern versamlet; u. eins bezeugte dem andern seine Verwunderung über die schöne Ordnung u. große Stille. Die selige Schwester wurde bey Gelegenheit, daß ihr Mann, der getauft worden war, vor einiger Zeit hatte ausgeschlossen werden müssen, erweckt. Sie hatte sich über seine Bekehrung gefreut, u. geglaubt, daß sie nun erst ein recht vergnügtes Leben mit ihm haben würde; da er aber wieder in schlechte Dinge hinein gerieth, so kam sie nicht nur über ihn, sondern auch über sich selbst zu einem gründlichen Nachdenken. Sie meldete sich bey uns, u. wurde herzlich angefaßt. Im Jul. 1786 kam sie unter die Taufcandidaten, u. wurde im Sept. getauft. Diese Gnade wirkte so sichtbar auf sie, daß [384] sie einen ganz andern Blick bekam. Bald nachher merkte sie, daß sie der liebe Heiland bald zu sich nehmen wolle, u. freute sich darauf. Im Anfang dieses Jahres gelangte sie zum heiligen Abendmahl, konte es aber nur einmal geniessen, indem sie vor Schwachheit nachher nicht mehr ausgehen konte. Sie wurde indessen oft von uns besucht, u. man fand sie allemal vergnügt u. ergeben in den Willen des Heilands. Ihr Meister, ein Jude, u. auch ihr Mann liessen sie liegen, u. sie hätte verschmachten müssen, wenn wir uns ihrer nicht angenommen hätten. Einige Stunden vor ihrem Heimgang bat sie einige Negerinnen in ihrem Hause, es uns gleich zu melden, wenn sie würde heimgegangen seyn, u. ihre Leiche durch Schwestern von der Gemeine bedienen zu lassen; welches auch so geschehen ist.

In diesen Tagen waren Freyneger hier, welche sich sehr freuten, daß Geschwister Randts bey ihnen wohnen würden. Sie [385] erboten sich, dieselben mitzunehmen, u. so reisten dann gedachte Geschwister, mit unserm Segen begleitet, am 15tn auf ihren neuen Posten ab. D. 19ten wurde eine blinde Negerin in Jesu Tod getauft. Heute geschahe die Trauung des Bruder Gutherz mit der Schwester Burchart auf dem Rathhause, worauf sie in der Versamlung den Segen der Gemeine zu ihrer Ehe empfingen. D. 21tn kam Bruder Lösche mit einigen Indianern von Hoop hieher, um Provision abzuholen. D. 27tn ging er mit Geschwister Gutherzens zum Besuch nach Sommelsdyk. D. 29ten kam Bruder Büchner von Bambey hier an, u. brachte uns die Nachricht, daß Geschwister Randts nach einer glücklichen Reise gesund u. wohl am 22tn daselbst angekommen wären. Heute besuchte uns einer von den zweyen voriges Jahr ins Land gekommenen katholischen Domines, nahm sehr freundlich Abschied, u. empfahl sich zu seiner Abreise in unser Gebet. Er ist ein guter gottesfürchtiger Mann, der die Brüder wol nicht kennt, [386] aber durch das, was er von uns gehört, einen guten Eindruck bekommen hat. Die hiesige Christenwelt ist ihm allzu gottlos vorgekommen; er war auch beständig kränklich, u. deswegen entschloß er sich wieder zurück zu reisen. D. 29tn Abends wurde Bruder Wagner zu einer kranken Abendmahls-Schwester Namens Martha gerufen. Er fand sie sehr schwach, aber voll Verlangen zum Heiland zu gehen; er segnete sie daher in Gegenwart einiger Neger-Schwestern, unter einem seligen Gefühl, zu ihrer Heimfahrt ein. Den andern Tag entschlief sie sanft u. selig, u. d. 31tn war das Begräbnis, abermal mit einem großen Gefolge. Unsre Neger-Geschwister haben allemal eine rechte Festfreude, wenn sie einen Bruder oder eine Schwester aus ihrer Mitte zur Ruhe begleiten können. Die selige Schwester war anno 1781 getauft worden, u. gelangte 82 zum heiligen Abendmahl. Anno 1785 wurde auch ihr Sohn getauft, worüber sie sich ausnehmend [387] freute. Seitdem bewies sie an ihm viel Treue, u. weil er ein junger Mensch ist, behielt sie ihn beständig unter Augen, damit er nicht verführt werden möchte. Sie selbst ging bis an ihr Ende einen seligen Gang. D. 1 Sept. genossen 4 Geschwister mit uns das heilige Abendmahl zum ersten mal. D. 3tn reisten Geschwister Gutherzens u. der kleine Friedrich Burchart mit Bruder Lösche auf ihren Posten nach Hoop ab.

2.) Aus dem diario von Sommelsdyk vom Jan. bis Ende Jun. 1787.

D. 1 Jan. fand sich niemand zur Kirche ein, weil die Neger auf den Plantagen ihre Neujahrsgratulationen bey ihren Herren abzustatten hatten. D. 7tn kam ein Theil der Fairfielder-Neger u. etliche von Klein-Hoop, welche an das gestrige Heidenfest erinnert wurden. In dieser Woche wurde ich (Bruder Wiez) mit einer Verkältung befallen, die mich sehr angriff. D. 14tn schickten die Neger von Fairfield [388] einen Boten hieher, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Sie hatten von ihren Herren gehört, daß ich krank sey, u. waren deswegen nicht gekommen, weil sie glaubten, es würde keine Versamlung seyn. Von Klein-Hoop waren 3 Neger hier, mit denen wir uns angenehm unterhielten. D. 20tn hatten wir mit unsern 2 Abendmahls-Schwestern ein seliges Abendmahl. D. 21tn kamen die Neger von Fairfield u. Klein-Hoop zur Kirche. Ein Bruder, der der erste Treiber auf der Plantage ist, klagte, daß die Schwestern bey ihrer Arbeit auf dem Felde öfters Händel mit einander bekämen, u. dadurch den Ungetauften ein schlechtes Exempel gäben. Wir nahmen dann dieselben zusammen, u. stellten ihnen vor, daß sich so etwas für Getaufte gar nicht schicke. Sie redeten darauf in unsrer Gegenwart mit einander aus, fielen einander um den Hals, u. vergaben [389] sich von Herzen. D. 27tn ging ich nach Berserak zum Besuch. Wir müssen viel an die dortigen Neger denken, weil sie sonst fleißig in die Kirche gekommen sind, u. zum Theil angefaßt zu seyn schienen, nun aber seit langer Zeit sich nicht haben sehen lassen. Da ich beym Directeur deswegen anfragte, sagte er, er könne seinen Negern keine Erlaubnis dazu geben; entweder müßten sie alle gehen, oder gar keine, denn er wolle nicht zweyerley Neger auf der Plantage haben; wenn aber dann gleichwol einige Neger, ohne zu fragen, hingingen, so werde er es weiter nicht untersuchen. Lezteres aber getrauen sich die Neger nicht zu thun, aus Furcht vor der Strafe, denn er ist ein harter Mann. D. 28tn kamen die Neger von Fairfield u. etliche von Preukelward hieher. Leztern war es eine Zeitlang verboten gewesen, ihr Directeur hatte es ihnen aber wieder [390] erlaubt, wofür besonders unsre dortigen 4 getauften Schwestern sehr dankbar waren. D. 31tn ging ich mit meiner Frau zum Besuch nach Fairfield, u. hielt Abends eine Versammlung, die zahlreich war.

D. 1 Febr. sprach ich mit meiner Frau einige Schwestern. Den Alten, Schwachen u. Lahmen ist so ein Zuspruch allemal sehr angenehm, weil sie nicht mehr im Stande sind nach Sommelsdyk zu kommen. Unter andern sprachen wir mit einer jungen Negerin, die schon 4 Jahre im Krankenhause liegt, u. so abgezehrt u. voller Wunden ist, daß es ein Jammer ist sie anzusehen. Sie hatte schon etliche mal mit vielen Thränen um die heilige Taufe gebeten, u. nun wurde ihr die fröliche Botschaft gebracht, daß sie heute Abend dieser Gnade theilhaftig werden solte. Ich wolte sie im Krankenhause taufen, die Geschwister baten aber, daß ichs in der Kirche thun möchte, [391] weil alles gern dieser Handlung beywohnen wolte. Die Schwestern trugen sie also in die Kirche, machten ihr ein Lager zurechte, u. zogen sie weiß an. Um 8 Uhr Abends versamleten sich fast alle Neger von der Plantage. Ich redete zuerst über die Worte: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig u. beladen seyn, Ich will euch erquicken.“ Nachdem darauf die Frage an die Täufling geschehen: Glaubst du, daß Jesus Christus auch dein Herr ist, der dich verlornen Menschen erlöset hat am Kreuz mit Seinem bittern Leiden u. Sterben? legte dieselbe ein solches gefühliges Bekenntnis ab von ihrem Glauben an Jesum, von ihrer Sündigkeit u. Verdorbenheit, u. von der gewissen Versicherung u. Hofnung ihrer Seligkeit, daß es ein lautes Weinen unter den Anwesenden verursachte. Sodann geschahe die Taufhandlung, wobey sie den Namen Susanna bekam. Nachher sprach [392] ich noch mit den 4 Candidaten, die wir auf nächsten Sonntag zu taufen hatten. Sie waren sehr beschämt darüber, u. versicherten, daß es ihr ganzer Sinn sey, ein Eigenthum Jesu zu seyn u. zu bleiben. Noch mehrere meldeten sich theils zur heiligen Taufe, theils zum heiligen Abendmahl. D. 2tn begleitete uns Herr Bockland selber mit seinem Fahrzeug wieder nach Sommelsdyk. D. 4tn kamen die Neger von Fairfield u. etliche von Klein-Hoop zur Kirche. Nach der Predigt wurden 2 Neger u. 2 Negerinnen des Bades der heiligen Taufe theilhaftig. D. 15tn besuchte ich den Herrn Directeur auf Breukelward, u. meldete ihm, daß wir nächstens wieder 5 von seinen Negern zu taufen gedächten. Er war sehr freundschaftlich, u. wünschte, daß sie alle getauft u. brave Christen würden. Zweyen von den Täuflingen gab er ein besonders gutes Zeugnis.

D. 18tn geschahe die Taufhandlung an 4 [393] derselben, der 5te hatte nicht kommen können, weil er mit seinem Herrn hatte nach Paramaribo reisen müssen. Es waren grade zwey Holländische Steuerleute mit einem Matrosen hier, welche sich ausbaten, unserm Gottesdienst mit beyzuwohnen. Sie sagten nachher: die Neger sind glücklicher als die Blanken, denn diese werden durch ihr schlechtes Leben hier im Lande zu Heiden; die Heiden aber, die so viel Abgötterey getrieben, fangen nun an den wahren Gott kennen zu lernen, u. lassen sich auf Christum taufen. Man kan, sagten sie weiter, es den Negern an den Augen ansehen, daß sie Christen werden. D. 21ten u. 22tn war ich zum Besuch in Fairfield, aber die dortigen Neger waren am Zuckermahlen, u. es konte keine Versamlung gehalten werden. D. 25tn kamen die Neger von Breukelward hieher, einige zu Wasser, u. einige zu Land durch den Busch. Derjenige Neger, der vorigen Sonntag nicht hatte kommen können, empfing heute [394] die heilige Taufe. 4 neue Leute baten, ihre Namen aufzuschreiben. Da eine von diesen gefragt wurde, ob sie verstanden hätte, was in der Kirche vorgekommen wäre? sagte sie: ich habe noch nicht alles verstehen können, was ich aber verstanden habe, hat meinem Herzen sehr süß geschmeckt, u. ich möchte gern noch recht viel hören. D. 5 Merz kam Bruder Wagner zu unsrer Freude hieher zum Besuch; in den folgenden Tagen besuchte er auf verschiedenen Plantagen, nahm mit uns über mancherley, die Bedienung des hiesigen Plans betreffend, die nöthige Abrede, u. reiste am 10tn wieder nach Paramaribo. D. 11tn konten nur die Neger von Breukelward hieher zur Kirche kommen. Sie waren beym Sprechen sehr angethan, u. dem Heiland herzlich dankbar für sein süsses Evangelium[WS 6]. Die dortigen Getauften kommen oft, u. haben noch allerley Bekenntnisse von ihren ehemaligen Sünden u. Greueln zu [395] thun, u. um vielerley um Rath zu fragen. Dabey fliessen oft häufige Thränen. D. 17tn hatten wir das heilige Abendmahl, welches zwey Brüder (beyde Treiber auf Fairfield) u. eine Schwester zum erstenmal genoßen. Wir haben also nunmehr 5 Communicanten. D. 20tn besuchte ich auf Fairfield, u. sprach mit den meisten von unsern Kirchleuten[WS 7] einzeln. Einige Schwestern hatten sich verleiten lassen, an einer Lustbarkeit Theil zu nehmen, weswegen eine ernstliche Ermahnung an sie geschahe, u. sie versprachen, künftig nicht mehr so etwas zu thun. D. 25tn waren nur die Fairfielder hier, die von andern Plantagen musten Zucker mahlen. Zwey Brüder u. 2 Schwestern wurden als Diener angestellt, um in den Versamlungen gute Ordnung zu erhalten. Wir sprachen heute mit verschiedenen neuen Leuten. D. 1 April konten nur die Preukelwarder [396] kommen. Es wurde mit ihnen aus der Passionsgeschichte gelesen u. geredet. Einige sagten nachher mit aufgehobenen Händen: Ach was fühlen jezt unsre arme Herzen, da wir vor ein paar Jahren noch nichts wußten!

Gegen Abend ging ich nach Fairfield, u. hielt mich meist die ganze Marterwoche daselbst auf. Alle Abende wurde aus der Passionsgeschichte gelesen, wozu sich der Heiland sehr gnädig bekannte. Noch nie hatten die Neger diese Geschichte so im Zusammenhang gehört, u. sie äusserten ihre Dankbarkeit auf eine gefühlige Weise. Nachdem ich die Abendmahls-Geschwister gesprochen, ging ich Freytags Abends nach Sommelsdyk zurück. Am großen Sabbath kamen unsre Communicanten hieher, u. wir hatten ein seliges Abendmahl. Zu Ostern waren alle unsre Kirchleute hier, u. hörten Vormittags die Predigt, u. Abends die Geschichte von der Auferstehung Jesu, worauf [397] sie vergnügt nach Hause gingen. D. 15tn waren viele Neger hier. Zwischen den Versamlungen sprach ich die Taufkandidaten von Breukelward, u. konte mich über die Gnadenarbeit des heiligen Geistes an ihren Seelen von Herzen freuen. Da eine alte Negerin gefragt wurde, ob sie von Herzen glauben könne, daß Jesus Christus auch um ihrentwillen sein Blut vergossen habe? sagte sie: So gewiß ich glaube, daß ich schwarz bin, weil ichs sehe; so gewiß glaube ich auch, daß Jesus Christus mein einiger Herr ist, der so viel für mich ausgestanden hat; mein Mund kan es mir nicht aussprechen, was mein Herz denkt. D. 22tn hatten wir keine Kirchleute hier, weil alles zu arbeiten hatte; desto mehrere aber kamen am 29ten. Wir hatten gedacht, mit denen, die seit einem Jahr getauft u. zum heiligen Abendmahl gelangt sind, ein kleines Liebesmahl zu halten; weil aber diejenigen, [398] die ehedem in Paramaribo getauft worden, noch nie ein solches Liebesmahl gehabt hatten, u. sehr darum baten, so wurde es diesesmal mit sämtlichen Getauften gehalten. Es waltete dabey ein liebliches Gefühl. Es sind seit vorigen Ostern 26 Personen hier in Sommelsdyk getauft worden, u. 4 zum heiligen Abendmahl gelangt. Unter den Getauften waren 9 von Breukelward, welche aber nicht da waren, weil dortige Neger wegen der Arbeit diesesmal keine Erlaubnis bekamen hieher zu kommen. Nach dem Liebesmahl sprachen wir noch mit 6 Candidaten, die künftigen Sonntag zur heiligen Taufe gelangen solten. Eine alte Negerin wurde über dieser Botschaft so angethan, daß sie gleich auf die Knie fiel u. sagte: Ach Du guter lieber Heiland, was höre ich! ich soll mit Deinem Blute abgewaschen werden von meinen Sünden, ich altes böses sündiges Thier; ich [399] habe alles Böse gethan, u. Du hast mich doch so lieb u. s. w. Nachher nahmen wir noch die 9 Candidaten zusammen, welche beym nächsten Abendmahl zusehen werden; es verursachte ebenfalls viel Freude, u. einige weinten laut.

D. 6 May war es wieder recht lebhaft auf unserm Platz. Obgedachte 6 Candidaten von Fairfield wurden in den Tod Jesu getauft. D. 12tn hatten wir das heilige Abendmahl, welches ein Bruder zum erstenmal genoß. Die 9 neuen Candidaten waren dabey sehr weich u. gefühlig. Zwey Schwestern musten noch in der Nacht nach Hause gehen; da aber die andern morgen einen freyen Sonntag vor sich hatten, so blieben sie die Nacht über in der Kirche, u. wohnten nebst mehrern, die dazu kamen, am 13tn den Versamlungen bey. D. 16tn besuchte ich auf einigen Plantagen an der Comewyne, u. hatte mit einigen Directeurs verschiedene Unterredungen [400] wegen der Mission. Alle diejenigen, die Fairfield ehedem gekannt haben, u. jezt sehen, erkennen, daß eine merkliche Veränderung auf der Plantage vorgegangen, u. viele Directeurs wünschen, daß es auf ihren Plantagen auch so seyn möge. D. 27tn war eine hübsche Anzahl Neger hier zur Feyer des Pfingstfestes. Wir können mit Wahrheit sagen, daß der heilige Geist auch hier durch das Evangelium[WS 8] ein Kirchlein berufen, u. mit seinen Gaben erleuchtet hat, u. trauen Ihm zu, Er werde es immer mehr sammlen, u. bey Jesu Christo erhalten im rechten einigen Glauben. Von großen Festtagen weiß man hier auf den Plantagen nichts. Ostern u. Pfingsten sind nur ordinäre Sonntage.

Zu Ende des May war ich ein paar Tage zum Besuch in Paramaribo.

D. 1 Jun. war ich in Breukelward, und meldete dem Directeur, daß wir nächstens [401] wieder 7 von seinen Negern taufen würden. Er gab ihnen allen ein gutes Zeugnis, sagte aber, daß er sie erst Sonntag über 8 Tage von der Arbeit entlassen könte. D. 3tn waren die Fairfielder hier. Unter andern war das Sprechen der Abendmahls-Geschwister zu unsrer herzlichen Freude. Sie sind sehr einfältig, sagen alle ihre Gedanken grade heraus, u. fragen kindlich um Rath. Das können wir überhaupt von den meisten unsrer Getauften sagen. D. 9ten erwarteten wir unsre Communicanten, sie kamen aber erst zu Mitternacht hier an, worauf wir am 10tn früh in unsrer Wohnung ein seliges Abendmahl hatten. Weil unsre Interims-Kirche so frey u. durchsichtig ist, so halten wir das heilige Abendmahl, so lange unser so wenige sind, in unsrer Wohnung. Da sich aber unser Gemeinlein vermehrt, so wünschten wir wohl, bald eine ordentliche Kirche zu bekommen. Von oberwähnten 7 Täuflingen von Preukelward konten [402] heute nur 5 kommen. Sie wurden noch einzeln gesprochen, u. wir konten uns über ihre sünderhafte u. aufrichtige Erklärung freuen. 5 von den Herren Directeurs waren heute hier, um einmal einer Taufhandlung beyzuwohnen. Sie baten sich aus, bey uns zu Mittag zu essen; wir wurden verlegen, weil wir nicht viel im Hause hatten; aber das wußten sie, u. hatten Speisen mitgebracht. Nach der Taufhandlung kamen die Neugetauften zu uns in unsre Stube, u. dankten recht gefühlig für die ihnen widerfahrne Gnade. D. 12tn wurde ich zum Besuch auf einer Plantage eingeladen. Solche Gelegenheiten nehme ich wahr, um zu sehen, ob nicht auf mehrern Plantagen mit dem Evangelio anzukommen ist. Ich sahe hier verschiedene Neger in Ketten, zwey u. zwey zusammengeschlossen, bey der Arbeit. Der Directeur sagte mir, das sey darum, weil sie nicht arbeiten, sondern immer weglaufen wolten; er [403] wünschte daher, daß sie Gottes Wort hören, u. sich bekehren möchten; dann würde er keine solche Noth mehr mit ihnen haben. D. 24tn war die Kirche voll begieriger Zuhörer. Da läßt sichs gut ein Zeugnis von der Liebe Jesu ablegen, u. ein solches Zeugnis dringt zusehends in die Herzen ein. Mit verschiedenen neuen Leuten u. Taufkandidaten wurde einzeln gesprochen. Die Getauften von Preukelward hatten eine besondere Versammlung, darinn ihnen ein Unterricht vom heiligen Abendmahl gegeben wurde. Die zwey Neger, die vorigen Sonntag nicht hatten kommen können, wurden heute getauft. Gegen Abend ging ich mit meiner Frau nach Fairfield, weil Herr Bockland uns hatte wissen lassen, daß, da seine Neger kürzlich an einem Sonntage hätten arbeiten müssen, er ihnen nun einen freyen Tag in der Woche geben wolle. D. 25tn früh hielt ich daselbst eine Versamlung. Darauf sprachen wir [404] viele Getaufte, Candidaten u. neue Leute einzeln. Von leztern brachten sich mehrere wegen der Taufe ins Andenken. Ein Candidat, der seit etlichen Jahren in Gleichgültigkeit u. auch in Sünden hinein gerathen war, meldete sich aufs neue. Eine Getaufte bekannte von freyen Stücken eine Vergehung unter vielen Thränen. Sie sagte, sie hätte es gern verschweigen wollen, hätte aber Tag u. Nacht keine Ruhe gehabt. Sie wurde zum barmherzigen Heiland hingewiesen. Abends hielt ich wieder eine Versamlung, wobey fast alle Neger von der Plantage zugegen waren. Nachher bedankten sie sich sehr herzlich für den Besuch, u. wir begaben uns wieder nach Hause. D. 29tn ging ich zum Besuch nach Tossenburg. Dasiger Directeur hat oft den Wunsch geäussert, daß wir uns auch seiner Neger annehmen möchten; denn sie plagten ihn auf alle Weise, u. er könne [405] sie auch nicht mit Strafen bändigen: er glaube, sie würden andre Menschen werden, wenn sie Lust bekämen in die Kirche zu gehen; denn er sehe das Exempel von Fairfield. Ich sprach mit verschiedenen Negern bey ihrer Arbeit, u. lud sie im Namen Jesu ein, daß sie doch auch ihr Seelenheil bedenken möchten; jezt werde ihnen die Gnade Gottes angeboten p. Sie waren aufmerksam, u. sagten, sie möchten von der Sache wol noch mehr hören. Ich versprach ihnen wieder zu kommen, etwa an einem Sonntage, da solten sie alle zusammen kommen, u. ich würde ihnen noch mehr sagen; welches ihnen lieb war. Darauf ging ich wieder nach Hause. Solche Besuche auf den Plantagen sind höchst nöthig, u. gleichsam das wesentlichste bey Bedienung des hiesigen Plans; wir sind aber dermalen noch allein hier, u. können darinn nicht so viel thun, als wir gern wolten.

[406] So weit dieses diarium. In der Folge haben sie an Bruder Christoph Richter eine Verstärkung bekommen.

3.) Aus dem Diario der Brüder im Freyneger-Lande bey Bambey vom Jan. bis Sept. 1787.

D. 1 Jan. kamen unsre Getauften, um uns zum neuen Jahr zu gratuliren. Nachher frühstückten sie mit uns (nemlich den Brüdern Büchner u. Wiesner). Es kam auch ein Neger zu uns, welcher vor vielen Jahren sich hatte bekehren wollen, aber wieder tief ins Heidenthum hineingerathen war. Er ist nun elend u. krank, u. wir redeten ihm um so ernstlicher zu, daß er doch seiner Seelen Heil bedenken möchte. Nach der Predigt hatten wir ein Liebesmahl mit unsern Kirchleuten; es waren ihrer 30 an der Zahl, die Kinder mitgerechnet. D. 2tn fingen wir mit den Kindern, die getauft sind, wieder die tägliche [407] Versamlung an. In den folgenden Tagen wurde mit verschiedenen einzeln gesprochen. D. 7tn wurde an das Heidenfest erinnert, mit dem Wunsch, daß sich doch mehrere Neger in hiesiger Gegend zum Heiland bekehren möchten.

D. 14tn da wir eben zur Kirche lauten wolten, kamen Neger von einem andern Dorfe hieher, um mit den hiesigen Rath zu halten; u. wir konten erst Abends eine Versamlung halten.

D. 28tn war ein Neger von einem andern Dorfe in der Predigt. Auf die Frage: ob er die Geschichte von Gott noch nie gehört hätte? sagte er, er hätte sie schon von Meister Kersten gehört, er höre sie auch gern, aber für jezt habe er doch keine Lust sich zu bekehren. D. 4 Febr. besuchte Bruder Büchner auf Verlangen den kranken Posthalter in Awara. D. 16tn bekamen wir zu unsrer Freude die Losungen für dieses Jahr. Da wir um diese Zeit oft allein [408] waren, so lasen wir uns fleißig etwas aus der Idea fidei fratrum vor.

D. 26tn gingen viele von unsern Kirchleuten nach Paramaribo. Mit den wenigen, die hier blieben, wurden die Versamlungen fortgehalten. D. 18 Merz kamen einige von Paramaribo zurück, u. brachten uns Briefe u. Gemeinnachrichten mit. D. 19tn waren verschiedene fremde Neger hier, u. wir nahmen Gelegenheit, ihnen ein Wort vom Heiland zu sagen. D. 20tn machten wir den Anfang, von unserm Hause bis zum Wasser eine Allée von Kaffee-Bäumen zu setzen. D. 25tn ging Bruder Büchner mit einem von unsern Getauften zum Besuch auf einige Neger-Dörfer, um zu sehen, ob nicht einige etwas vom Heiland hören möchten. D. 3 April kamen Neger von Paramaribo hieher. Bruder Wagner hatte ihnen etwas für uns mitgegeben, aber beym Wasserfall hatten sie sowol ihre als unsre Sachen verloren. D. 4tn kam Bruder Büchner von seinem Besuch zurück.

[409] Er hat, so viel er konte, den Leuten das Evangelium zu verkündigen gesucht. In einem Dorfe fand er einige, die etwas hören wolten; den meisten aber ist es nicht darum zu thun, u. sie lachen nur darüber. In einem andern Dorfe wolte der Capitain nicht erlauben, daß seinen Leuten was gesagt würde; doch wurde hin u. wieder etwas angebracht, mit dem herzlichen Seufzer zum Heiland, daß Er es doch wenigstens an einer Seele möchte gesegnet seyn lassen. In diesen Tagen feyerten wir die Marterwoche u. das Osterfest. Unser Johannes kam nachher zu uns, u. sagte, daß er sich besonders am Gründonnerstag nach dem heiligen Abendmahl gesehnt habe, u. am Ostermorgen, da er an des Heilands Auferstehung gedacht habe, sey ihm der Heiland nahe geworden, u. es wäre ihm zugleich so gewesen, als wenn ihm der Heiland das heilige Abendmahl gäbe. D. 24tn wurde die Kinderstunde für die Zeit zum lezten [410] mal gehalten, u. sie wurden gebeten, in der Zeit, da sie bey ihren Eltern in ihren Kostgründen seyn, u. keine Versamlungen haben würden, doch immer an das zu denken, was der Heiland für sie gethan habe. In den folgenden Tagen zogen alle unsre Getaufte von hier weg, u. wir blieben allein.

D. 4 May wurde die Suriname ausserordentlich groß, u. sezte unsre Felder ganz unter Wasser. D. 8ten fiel das Wasser wieder. Am Reiß hatte es keinen Schaden gethan, wol aber am Cassabi. Zu den Pfingstfeyertagen waren unsre meisten Getauften hier. D. 31tn konten wir die tägliche Versamlung mit den Kindern wieder anfangen. D. 14tn Jun. hatten wir nach der Abendversammlung eine angenehme Unterredung mit einigen Getauften von dem Unterschied zwischen einem Herzen, welches an den Heiland gläubig worden ist, u. einem Herzen, das Ihn noch nicht kennt; und [411] daß es einem Kinde Gottes nicht angenehm seyn könne, sich mit weltlichen Gesellschaften einzulassen. Mehrere sagten, daß es ihnen oft schwer sey, wenn sie einige Tage unter den Heiden zubringen müßten. D. 20tn u. 21tn wurden die Getauften gesprochen. Sie erklärten sich recht gefühlig, u. einige äusserten auch ihr Verlangen, wieder einmal das heilige Abendmahl zu geniessen. Einer von denen, die seit geraumer Zeit in die Kirche gekommen, u. von dem wir einige Hofnung gehabt hatten, daß er sich bekehren würde, machte heute wieder ein heidnisches Gaukelwerk, welches für uns sehr schmerzlich anzuhören war. D. 25tn waren einige Heiden hier, bey denen wir ein Wort vom Heiland anzubringen suchten. Einer sagte, daß er es gern höre, u. glaube, daß es Wahrheit sey. Eine solche Gelegenheit machte sich auch am 9 Jul., aber die Leute hatten keine Ohren zu hören.

[412] D. 19tn ging Bruder Büchner mit Johannes nach Awara, wo lezterer einer Rathsversamlung als Capitain beyzuwohnen hatte. Bruder Büchner wurde mit einigen Capitains bekannt, die ihn um die Ursache fragten, warum er im Lande wäre. Sie schienen nicht ungeneigt zu seyn das Wort Gottes zu hören; nur hatten sie diesesmal vor vielen Geschäften keine Zeit dazu. Einige baten ihn, wieder zu kommen. Er lernte hier auch einen Neger kennen, der beym seligen Bruder Rudolph Stoll in die Schule gegangen war. Nachdem wir die Zeit her eine hinlängliche Anzahl Bretter zurechte gemacht hatten, so wurde in diesen Tagen unser Haus inwendig vollends ausgebauet. Wir haben nun ein ganz hübsches Haus nach hiesiger Art, beßer als das vorige in Alt-Bambey. D. 22tn kamen unsre lieben Geschwister Randts von Paramaribo hier an. Sie schreiben von [413] ihrer Reise: D. 15 Aug. früh reisten wir von Paramaribo ab. D. 16tn waren wir zu Mittag auf einer Plantage, wo uns der Directeur sehr freundschaftlich aufnahm. D. 17tn wurden wir Nachmittags vom Regen durch u. durch naß, erreichten aber Abends eine Plantage, wo uns der Directeur ein Stübchen anwies. D. 18tn zu Mittag waren wir bey der lezten Schanze, genannt Victoria. Der Officier, der ein Franzose u. ganz neu war, ließ mich zu sich rufen. Er kannte mich gleich von Paramaribo her, sagte aber, daß er ganz verlegen wäre, denn seine Ordre lautete dahin, keinen Blanken, u. wenn es auch der gröste Rathsherr wäre, ohne Paß weiter reisen zu lassen. Ich erwiederte, daß wir mit Vorwissen der Regierung ein Etablissement unter den Freynegern hätten, u. immer ab- u. zu reisten, ohne einen Paß nöthig zu haben; worauf er uns dann eine glückliche [414] Reise wünschte. Wir reisen weiter, u. hatten darauf unser erstes Nachtlager im Busch. D. 19tn u. 20tn hatten wir die grösten Dämme oder Reihen von Klippen zu passiren. Oft warfen sich die Neger ins Wasser, u. zogen uns über die Steine weg; wo die Felsen über dem Wasser hervorragten, stiegen wir aus, u. es mußte alles aus dem Boote ausgeladen werden. Wer diesen Weg zum erstenmal macht, kan darüber furchtsam werden, so wie es auch meiner Frau ging; nach u. nach aber wird man es gewohnt. Unsre Neger wurden hungrig, erblickten aber einige Bovise, liefen in den Busch, u. schossen ihrer 3. Das sind Vögel, ohngefehr so groß wie eine Gans, sind schwarz, u. haben eine schöne Krone u. gelben Schnabel. Sie werden oft zahm gemacht, u. von den großen Herren zum Staat gehalten. D. 21tn bekamen sie auch ein großes Wasser-Schwein, [415] welches wol 120 ℔ schwer seyn mochte; u. nun hatten sie so viel zu essen, daß sie auch etwas nach Hause mitbringen konten. D. 22tn, da wir nahe bey Bambey waren, wurden die Gewehre abgefeuert, u. von Bambey aus wurde zur Antwort wieder geschossen; je näher wir kamen, desto ärger wurde das Schiessen u. das Geschrey der Weiber, so daß uns die Ohren wehe thaten. Alles dieses bedeutet Freude u. herzliche Bewillkommung. Unsre lieben Brüder Büchner u. Wiesner kamen uns entgegen, führten uns in ihr Haus, welches nach Buschart recht hübsch gebaut ist, u. wir freueten uns miteinander. D. 23tn fanden wir eine Gelegenheit nach Paramaribo für unsern lieben Bruder Büchner, u. d. 24tn trat er, dem Heiland empfohlen, seine Reise dahin an. D. 30tn wurden die Geschwister zum heiligen Abendmahl gesprochen. Ueber einige konte man sich von Herzen freuen, [416] aber bey andern war wenig Leben aus Gott mehr zu merken, welches uns zum Heiland seufzen machte. D. 31tn hatten wir erst ein Liebesmahl u. dann das heilige Abendmahl. Im September wurden wir alle krank. Bruder Wiesner bekam das Fieber, u. auch seinen alten Schaden am Bein. Bruder Randt bekam ebenfalls das Fieber, u. zwar so, daß seine Frau seinen Heimgang vermuthete; aber dieses Glück war ihr selbst zugedacht. Sie bekam am 9tn ein hitziges Fieber, welches am 16tn so zunahm, daß sie sich vor Beängstigung nicht zu lassen wußte. Da man ihr sagte, daß sie sich zum lieben Heiland wenden möchte, der sey der beste ja der einzige Helfer in der Noth; antwortete sie: Ach ich kan gar nicht! Aber gleich darauf fing sie an zu beten: Ach liebster Herr Jesu, allerliebster Heiland, ist dann gar keine Hülfe für mich da? erbarme Dich über mich! Gleich war der Heiland mit seiner Hülfe da; ihre Augen u. Lippen veränderten [417] sich, ihre Hände wurden kalt, u. während daß man ihr Umschläge appliciren wolte, gab sie den Geist auf, zum großen Schmerz ihres Mannes, der ihr unter vielen Thränen den Segen zu ihrer Heimfahrt ertheilte. D. 17tn war das Begräbnis. Sie ruhet nun in Friede mit samt ihrer Leibesfrucht. D. 22tn fanden wir Gelegenheit diesen Vorgang nach Paramaribo zu melden, u. zugleich dieses diarium abzuschicken.

Wir empfehlen uns dem treuen Andenken u. Gebet der Geschwister.

4.) Aus dem diario des Indianer-Gemeinleins zu Hoop an der Corentyn vom Jan. bis Jul. 1787.

Am 1 Jan. waren unsre Indianer-Geschwister bey uns, u. da sie nicht bis zum 6tn hier bleiben konten, so wurde am Neujahrstag zugleich auch das Heidenfest gefeyert. Es waren über 90 Personen zugegen, groß u. klein. D. 12tn ging Bruder [418] Lösche die Corentyn hinauf, um Cassabi-Brod zu suchen, weil wir Arbeitsleute hatten, aber kein Brod für sie. Er bekam auch etwas. D. 21tn hatten wir mit 15 Indianer Geschwistern das heilige Abendmahl. Verschiedene hatten wegen Krankheiten nicht kommen können. Im Februar meldeten sich 4 Personen mit dem Wunsche, doch auch bald des heiligen Abendmahls theilhaftig zu werden. Es wurde herzlich mit ihnen von der Sache geredet, u. ihnen versprochen, an sie zu denken.

Sonst geht es hier sehr einsam zu, u. es vergehen ganze Wochen, ehe jemand zu uns kommt. Auch Sonntags sind manchmal nur wenige Geschwister hier. Eine Ursach davon ist, weil sie jezt kein Brod haben, u. viele nach Berbice, Demerary, Essequebo u. noch weiter gereiset sind, um ihre Nahrung zu suchen. Auch sind einige an der Mepenna krank, u. andre müssen da bleiben, [419] um die Kranken zu pflegen. Aus diesen Ursachen wurde die Marterwoche u. das Osterfest im April nicht so zahlreich begangen wie sonst; doch kamen einige, die wir in langer Zeit nicht gesehen hatten. D. 19 May hörten wir, daß der Bruder Johann Gottfried aus der Zeit gegangen. Er ist anno 1753 in Pilgerhut vom seligen Bruder Schumann getauft worden, Nachher kam er nach Saron, ging aber nach der bekannten Zerstreuung der dasigen Gemeine einige Jahre seine eigene Wege. Endlich fand er sich wieder zu den Brüdern in Hoop ein, u. wurde auch zum heiligen Abendmahl readmittirt. Es ging etwas schwer mit ihm, u. man merkte zuweilen, daß er seinen alten heidnischen Aberglauben noch nicht ganz abgelegt hatte. Doch war er liebhabend u. zutraulich gegen uns. Betrübt war es für uns, daß nach seinem Heimgang seine ganze [420] zahlreiche Familie, die aus lauter Getauften besteht, ohne uns etwas zu sagen, ganz aus hiesiger Gegend gezogen ist.

D. 7 Jun. besuchte uns ein Bruder Namens Herrman. Er hatte 4 Monate in einer entlegenen Gegend zugebracht, u. erzehlte, daß er sich hätte verleiten lassen, einem Caraiben-Tanz beyzuwohnen, weswegen er diesesmal nicht zum heiligen Abendmahl gehen wolle. Andre erklärten sich verlangend darnach, u. sagten, daß sie den Heiland um neue Gnade gebeten hätten. 16 Indianer-Geschwister genossen mit uns das heilige Abendmahl am 9tn. Im Jul. bekam Bruder Vögtle einen Anfall von der Ruhr, der ihn ziemlich angriff; doch gab es sich damit wieder.

Bruder Lösche machte um diese Zeit den Anfang Versamlungen in Arawackischer Sprache zu halten.

[421]
IV
Beylage zur 16ten Woche 1788
Predigerconferenz
gehalten in Herrnhut d. 16 April 1788.
(Es wohnten diesesmal der Conferenz 22 Prediger u. 5 Candidaten bey.)
Erste Session Vormittags von 8 bis 10 Uhr.

Zum Eingang sang Bruder Joseph:

Heiliger Herre Gott – segne Deine Diener p. So gehn wir mit Dir, Herr Christ, Fried u. Freud entgegen p. Es segne uns Gott unser Gott p.

Hierauf sagte er über die Losung:

Herr, Deine Augen sehen nach dem Glauben. Jer. 5,3.

Herzenskündiger, Dein Auge siehet unsre Kirchenzeit, daß darinn nichts gelt noch tauge als die Blutgerechtigkeit.

In den Worten: Deine Augen sehen nach dem Glauben – wird wol das gemeint, daß wir Gott u. seinem Worte trauen. [422] Wo das nicht geschiehet, kommt lauter Unglück. Der Fall kam daher, daß die ersten Menschen anfingen an dem Worte Gottes zu zweifeln; der Unglaube war es. Das Volk Gottes solte ins gelobte Land gehen; es glaubte aber Gott u. Seinem Worte nicht, u. um des Unglaubens willen kamen 600000 Mann in der Wüsten um. Was Gott nachher unter dem Volke Israel für Einrichtungen machte, die gingen alle darauf, sie solten Ihm u. seinem Worte trauen. Z. E.: im siebenten Jahre solten sie das Land nicht säen. Da mußte also ihr Glaube darauf gerichtet seyn: Gott wird uns im 7tn Jahre so viel schenken, daß wir das 8te u. 9te Jahr genug haben. So verbot Er ihnen Hülfe zu suchen bey Menschen. Und wenn sie Ihm vertraueten, so ging es allemal in Segen.

Im Neuen Bunde hat Er es eben auch auf den Glauben angetragen. Als der liebe Heiland gegenwärtig war, und sie [423] ihren Gott u. Schöpfer vor Augen hatten, ja so war Er in einer solchen armen Gestalt, daß nichts als der Glaube durchhelfen konte. Nachdem Er erhöhet ist, u. sizt nun in seiner Herrlichkeit, da sehen wir Ihn nicht mehr; da hat der liebe Heiland eine neue Oekonomie angefangen: Selig sind, die nicht sehen, u. doch glauben. In den 40 Tagen nach Seiner Auferstehung hat Er sich seinen Jüngern gezeigt, u. ihnen seine Hände u. Füsse u. seine Seite gewiesen; aber allemal es darauf angetragen, es kommt die Glaubens-Zeit. Jezt beruhet unsre Seligkeit darauf, daß wir dem Evangelio Gottes von seinem Sohne Jesu Christo, welches Er uns hat offenbaren lassen, glauben u. darinn unsre Seligkeit suchen. Was ist dann in unsern Tagen das Unglück, das so viele Zerrüttungen macht?

Weil man dem Evangelio Gottes von seinem Sohne Jesu Christo nicht glauben will, sondern man sucht sich einen andern Weg, wie man möchte seine Seligkeit [424] schaffen. Ach Gott Lob u. Dank, daß noch viel tausend Seelen sind, die in unsern Tagen leben, die vest halten an dem Evangelio, welches uns der Herr gegeben hat, u. die nichts als die Blutgerechtigkeit zum Grunde legen der Hofnung ihres Lebens u. ihrer Seligkeit! Daß uns der Heiland zum Anfang unsrer Predigerconferenz diese Worte gegeben, hat mich erfreuet. Er will uns mit wenig Worten darauf deuten, worüber wir halten sollen bey dem Dienste in Seiner Kirche.

Wir wollen aber mit einander zuvörderst den lieben Heiland um Seinen Segen bitten zu unserm Zusammenkommen.

Die Versamlung stand auf, u. Bruder Joseph betete: Du unser lieber Herr u. Heiland! Du bist der Schöpfer aller Kreatur, u. hast Dich in unser armes Fleisch u. Blut eingekleidet, damit Du für uns sterben, u. uns eine Versöhnung schaffen möchtest. Und nun lässest Du uns dieses Evangelium wissen, u. versiegelst [425] es in unsern Herzen durch den heiligen Geist. In Deinem Namen sind wir hier beysammen. Laß uns Deine Gnadengegenwart fühlen, daß Kraft ausgehet von Dir, u. unsre Herzen durchdringet. Laß Deinen heiligen Geist geschäftig seyn in unsern Herzen, leite uns durch Ihn in alle Wahrheit, u. führe uns sonderlich darauf, was uns an diesem Tage sonderlich nöthig ist mit einander zu verhandeln. Fülle unsre Herzen mit Deiner Liebe, u. mit herzlicher Liebe unter einander, u. lege Deinen Segen auf diese unsre jezige Zusammenkunft, wie Du es so oft gethan hast. Amen.

Hierauf wurde zuvörderst die Anmerkung gemacht, daß es heute grade jährig sey, daß der selige Ordinarius Fratrum zum leztenmal dieser Predigerconferenz beygewohnt habe. Davon heißt es in seiner Lebensbeschreibung pag. 2219:

„Er besuchte auch in diesem Jahre (1760) abermals die Ober-Lausizische Prediger-Conferenz zu ihrem u. seinem Vergnügen. [426] Man gedachte an die Prediger der Evangelischen Kirche, welche den Brüdern als gesegnete Zeugen unsrer Versöhnung durch das Blut Jesu Christi, bisher bekannt worden. Man fand, daß derselben eine nicht geringe Anzahl sey, dankte ihrentwegen dem Heiland, u. empfahl sie Seiner Gnade. Der Graf bezeugte übrigens den versammleten Predigern unter andern: „Ein Grundpunct für einen Evangelischen Lehrer sey, der Heiland müsse alle Ehre von der Menschen Seligkeit allein haben, u. nicht der Mensch; und bey den Lehrern müsse ein brennendes Sehnen seyn, daß Jesu Marter u. Verdienst an den Seelen nicht verloren sey, u. Ihm sein Schmerzenslohn eingesamlet werden möge. Wird Jesus, fuhr er fort, in dem Bilde, wie Er für unsre Noth am Kreuze sich so milde geblutet hat zu Tod, den Menschen vorgemahlt; so macht das einen nicht von Ihm wegfliehen, [427] (wie es Adam that) sondern immer auf Ihn zulaufen; woraus endlich die selige Hülfe u. nachmalige Vertraulichkeit mit Ihm wird. Die Freundschaft u. Bekanntschaft mit Seiner Person, u. die Verliebtheit in Ihn kan alles effectuiren; sie hilft vom sündigen, u. ist das beste, ja das einige Mittel zur Seligkeit u. Heiligkeit. Augustinus hat das schön ausgeführt in seinen Meditationen, woraus das Lied entstanden: Jesu, Deine tiefe Wunden p.“ Bey Gelegenheit, daß ein gewisser Prediger auf der Kanzel gesagt, er wolle seinen Zuhörern nicht den todten sondern den lebendigen Heiland predigen, – erklärte sich der Graf in folgenden Worten: „Ich verstehe nicht, was die Opposition des lebendigen u. des todten Heilandes bedeuten soll. Wir glauben Sein Leben, seine Majestät, Größe, Gottesglorie u. s. w. Aber Sein Menschwerden, sein Blut, mit dem wir noch immer besprengt werden, Sein Tod, in den [428] wir durch die Taufe noch immer begraben werden, die sind unsre Sache, die wir verkündigen, bis daß Er kommt. Er ist noch nicht wieder da, u. wir sollen Seinen Tod verkündigen, bis daß Er kommt. Ich habe mir vest vorgenommen, sagt Paulus, nichts zu wissen, als Jesum u. zwar am Kreuz. Nichts mehr als: lieber Herre mein, Dein Tod soll mir das Leben seyn – singt die Lutherische Kirche.“

Hiezu nahm man dasjenige, was von einer ähnlichen Conferenz im Jahr 1755 pag. 2007 gemeldet wird: „Mit einigen Evangelischen Predigern in der Oberlausiz, heißt es, die jährlich ein- oder mehrmal zusammen kamen, um sich über ihre Amtsführung mit einander zu unterreden, ließ sich der Graf in vieler Liebe ein. Es wurde unter andern geredet von der Kraft des Wortes von der Versöhnung durch Jesum Christum, auf die Herzen der härtesten u. wildesten Menschen; von dem Unterschiede der gesetzlichen u. Evangelischen Erweckung u. deren [429] Folgen; von dem treuen Sinn eines Predigers für seine Religion, welcher er von Herzen zugethan ist, u. in derselben gern bleibt u. arbeitet; von dem Samlen der erweckten Seelen, welches nichts anders ist, als daß man die Gemeinschaft der Gläubigen auf Jesu Blut u. Tod, u. die Einigkeit im Geiste, welche dem Heiland so sehr angelegen (Joh. 17.) durch Gottes Gnade zustande zu bringen sucht. Der Graf erinnerte hierbey, daß ein Evangelischer Prediger, dem das Heil seiner Zuhörer am Herzen liege, auf dieses Sammlen Bedacht nehmen müsse, wenn er eine bleibende Frucht schaffen wolle. Denn wenn diejenigen, die durch das Evangelium gläubig u. zu Jesu Christo gebracht worden, Ein Herz u. Eine Seele würden, u. in den Gang kämen, sich unter einander wahrzunehmen, mit reitzen zur Treue gegen den Heiland, u. zur Liebe gegen jedermann: so könte das bey ihnen angefangene gute Werk Gottes viele Jahre im Segen fortgeführt werden. [430] Wenn sie aber dazu nicht gelangten, so könten sie alle zerstreut werden, u. nach u. nach erkalten, sobald ein andrer Prediger aufkäme, der nicht in eben dem treuen Sinn u. mit eben dem Eifer sein Amt bediente, wie sein Vorfahre.“

Die hier enthaltenen Aeusserungen über die rechte Amtsführung eines Evangelischen Lehrers veranlaßten einen der anwesenden Prediger sich an die Unterredung des Heilandes mit Seinen u. des Johannes Jüngern – die man die erste Predigerconferenz nennen könte – zu erinnern, da nemlich leztere von Johannes an Ihn gesandt worden, um Ihn zu fragen: Bist Du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten? Da heisse es zulezt in der Rede Jesu: Ich preise Dich, Vater u. Herr Himmels u. der Erden, daß Du solches den Weisen u. Klugen verborgen hast, u. hast es den Unmündigen offenbaret – Kommt her zu mir alle u. s. w. Diese Rede Jesu sey ein [431] Collegium pastorale practicum durch alle Zeiten durch. Wir würden darinn insonderheit angewiesen, über die Zeichen der jetzigen Zeit uns nicht zu sehr zu bekümmern, wenn die Weisen u. Klugen anfingen stutzig zu werden, u. nicht wüßten, was sie antworten solten auf die Frage: Bist Du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten? Das Wort vom Kreuz war von jeher denen eine Thorheit, die verloren werden; denen aber, die da selig werden, ist es eine Gottes-Kraft. Es wird aber nur den Unmündigen offenbaret; das müssen wir uns alle, wenn wir auch noch so hochgelehrt sind, gefallen lassen: wir müssen umkehren, u. werden wie die Kinder. Alsdann ist einem die Einladung Jesu so recht zusagend: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig u. beladen seyd, ich will euch erquicken – In diesen u. den folgenden Worten ist der ganze Inhalt des Evangelii kurz beysammen.

[432] Hierauf wurde 1.) folgender Aufsatz des Pastor Reichels in Neukirch gelesen:

„Der Apostel Petrus spricht: Lieben Brüder, weil uns durch die Erkenntnis Jesu Christi die theuren u. allergrösten Verheissungen geschenkt sind: so thut desto mehr Fleiß, euren Beruf u. Erwählung vest zu machen. Denn wo ihr solches thut, werdet ihr nicht straucheln, u. also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers Herrn u. Heilands Jesu Christi. Darum will ich nicht ablassen euch allezeit solches zu ermahnen, ob ihr es gleich schon wißt, u. gestärkt seyd in der gegenwärtigen Wahrheit. Denn ich halte es für billig, so lange ich in dieser Hütte bin, euch zu erwecken u. zu erinnern, weil ich weiß, daß ich meine Hütte bald ablegen muß. 2 Pet. 1.

Diese Worte Petri sind mir in Hinsicht auf die Predigerconferenz, welche ich durch Gottes Gnade jezt abermal [433] mit geniessen soll, recht nachdrücklich ins Herz gekommen. Ich beschließe in diesem Monate mein 70 Jahr, u. das erinnert mich nothwendig an die baldige Ablegung meiner Leibeshütte, und daß ich, so bald es Gott gefällt, die Gnade haben werde, vom Glauben zum Schauen zu kommen. Da nun unter den unzähligen Barmherzigkeiten u. Wohlthaten, wofür ich meinem Gott täglich danke, eine der lieblichsten ist, daß Er mir unter den Predigern der Evangelischen Kirche eine große Anzahl liebenswürdiger Brüder geschenkt hat, die mit mir gleiches Sinnes sind, die kostbare Lehre von dem in Fleisch geoffenbarten Gott zu predigen, bey Seinem seligmachenden Erlösungstode zu bleiben, u. das Wort von der Versöhnung, welches Er unter uns aufgerichtet hat, ihre Hauptsache seyn zu lassen: so weiß ich nichts besseres zu thun, so lange ich noch in dieser Hütte bin, als meine lieben Brüder [434] herzlich u. treulich zu ermahnen, daß sie ihren Beruf u. Erwählung zu diesem hochheiligen Amte immer vester zu machen suchen.

Der Beruf zu dem Evangelischen Lehramt ist von der höchsten Wichtigkeit. Wir dürfen nur an die Worte Christi denken: „Gleichwie mich mein Vater gesendet hat, also sende ich euch.“ Nun wissen wir, daß der himmlische Vater seinen Sohn in keiner andern Absicht in die Welt gesendet hat, als daß die Welt durch Ihn selig werden soll. Joh. 3,17. Er hat Ihm darum Macht gegeben über alles Fleisch, daß Er das ewige Leben geben soll allen, die Ihm der Vater gegeben hat. Joh. 17,2. Wo kann also ein höherer Beruf auf Erden gefunden werden, als dieser, da man in das göttliche Amt gestellt ist, durch welches die mit Jesu Blut erkauften Seelen seliggemacht u. ins ewige Leben gebracht werden sollen?

Jesus in seiner allertiefsten Erniedrigung, [435] in welcher Er für uns in Noth u. Tod hineinging, ist dabey unser einiges Vorbild, welches wir nie aus den Augen lassen müssen. Seine Worte: Gleichwie Du mich gesendet hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt – müssen uns alle Tage neu seyn; sie müssen gleichsam das Sonnenlicht seyn, welches uns beständig ins Herz leuchtet, u. uns den Weg weiset, den wir wandeln sollen. Wir wissen, in was für einer unverrückten Gemeinschaft u. täglichen Umgang mit seinem Vater, Jesus sein göttlich Lehramt geführet hat. Darum ist es auch bey unsrer Amtsführung das allernothwendigste, daß wir mit unserm HErrn Jesu, der uns gesendet hat, in der genauesten Connexion stehen, u. uns eben so zu Ihm halten, wie Er sich zu Seinem Vater hielt. Alle Morgen weckte Ihn sein Vater, öffnete Ihm das Ohr, u. sagte Ihm, was Er thun solte; und Er hörte Ihm zu wie ein Schüler, war niemals ungehorsam, [436] u. ging nie zurück, auch selbst nicht in dem grösten Leiden, welches Er zu unsrer Erlösung auszustehen hatte. Jes. 50,4.5.6. Da bleiben wir nun zwar sehr zurück, u. haben Ihn viel tausendmal zu bitten, daß Er uns unsre Schulden, unsre Fehler u. Versündigungen vergebe; aber wir müssen dennoch nie ablassen, den Fußstapfen Jesu nachzufolgen, u. nie auf einem andern Wege, als wo Er voran ging, erfunden werden.

Eine unaussprechliche Gnade ist es für uns, daß selbst der himmlische Vater uns lieb hat, weil wir den Heiland herzlich lieb haben, u. glauben, daß Er von Gott ausgegangen, u. zu unsrer Erlösung vom Himmel herabgekommen ist. Joh. 16,27. Ein überschwänglicher Trost ist es für uns, daß uns der liebe Heiland von dem knechtischen Geiste, da man sich vor Gott fürchtet, befreyet, u. uns einen kindlichen Geist gegeben hat, daß wir sagen können: Abba, [437] lieber Vater! Röm. 8,15. Du hast uns Deinen eingebornen Sohn geschenkt, wie soltest Du uns mit Ihm nicht alles schenken? Röm. 8,32. Und o wie köstlich ist es, daß wir es aus dem Munde Jesu wissen, daß uns der himmlische Vater alles gibt, was wir uns in dem Namen Seines lieben Sohnes bey Ihm ausbitten! Wenn wir nur kindlich u. getrost bitten, so bekommen wirs, u. werden mit tausend Freuden inne, daß Er unsre Bitte erhöret. Joh. 16,23.24. Aber bey diesem kindlichen Hingang zum himmlischen Vater muß allemal der Glaube an Jesum, die Anhänglichkeit an Ihm, u. der tägliche Umgang mit Ihm, zum Grunde liegen. Denn niemand kommt zum Vater, als durch Ihn. Joh. 14,6. Wenn wir also die Gnade haben, unsern Erlöser u. Seligmacher zu kennen, an Ihm zu hangen, u. mit Ihm eben so herzlich umzugehen, wie Er täglich mit seinem Vater im Umgang stand; so werden wir niemals etwas anders predigen, als Ihn, u. Sein heiliges Leiden u. Sterben, [438] wir werden vest halten über dem Wort vom Kreuz, oder über der Lehre von Seinem Versöhnungstode. Und da wir mit gröster Betrübnis sehen, daß diese selig machende Trostlehre jezt mehr als jemals bestritten, u. von den Weisen dieser Welt auf das schnödeste verachtet wird; so soll uns das desto mehr anfeuern u. entzünden, auf das Heil unsrer Zuhörer bedacht zu seyn, u. ihnen den Tod des Herrn unabläßig zu verkündigen. So oft wir mit Seinem Leibe gespeiset, u. mit Seinem Blute getränket werden, und so oft wir die uns anbefohlnen Seelen mit dem Sakrament Seines Leibes u. Blutes bedienen, wollen wir uns ein von Seinem Blute warmes, u. von Seinem Todesschmerze gänzlich hingenommenes Herz ausbitten. Hierbey liegt mir noch eine Sache im Gemüthe, welche ich meinen lieben Brüdern gern so mittheilen möchte, wie mirs der heilige Geist zu meinem Trost u. zu [439] meiner Beruhigung mitgetheilt hat.

Wir werden überall gewahr, daß ein großer Theil unsrer Kirchkinder, die wir mit Gottes Wort u. Sakrament bedienen, von dem Leben, das aus Gott ist, entfremdet ist, und sich blos mit dem Munde zu Christo nahet, u. Ihn blos mit den Lippen verehret. Da müssen wir uns die Gnade schenken lassen, daß wir ja nicht müde werden, ihnen das Leiden u. Sterben Jesu vorzupredigen; wir müssen eifrig fortfahren, der armen, sündigen Welt zuzurufen: O Welt! sieh hier dein Leben am Stamm des Kreuzes schweben, dein Heil sinkt in den Tod! – Und dabey müssen wir mit Geduld die Stunde erwarten, da der heilige Geist ihnen das Herz aufthun, u. den seligmachenden Glauben, den Er ihnen durch unsre Predigt vorhält, in ihren Herzen anzünden kan. Ob wir gleich mit Betrübniß sehen, daß der Gottesdienst solcher armen Menschen, die noch nichts lebendiges im Herzen haben, nicht so beschaffen [440] ist, wie wir es wünschen; so müssen wir uns dennoch sehr in Acht nehmen, daß wir den durch Gottes Weisheit u. Liebe eingeführten öffentlichen Gottesdienst nicht geringschätzig ansehen oder gar verächtlich machen; denn es liegt darinn eine unergründliche Tiefe der göttlichen Barmherzigkeit. Gott unser Heiland will, daß allen Menschen geholfen werde, und darum hat Er es so geordnet, daß alle Kinder auf Seinen Erlösungstod getauft, u. alle Erwachsene zu Seinem Gottestisch angewiesen, u. dabey erhalten werden sollen. Denn Er hat die gnadenreiche Absicht, daß Er sie alle zu sich ziehen u. zu der Gnade in Seinem Blute bringen will; und eben die Beybehaltung des christlichen Gottesdienstes ist das gesegnete Mittel, wodurch diese göttliche Liebesabsicht erreicht wird. Joh. 12,32. Solange das Herz unsrer Kirchkinder noch fern von Jesu ist, so gewinnen wir nicht das geringste, wenn wir uns gleich noch so viele Mühe geben, ihre Begriffe [441] aufzuklären. Sie kommen in ein aufblähendes Wissen, u. werden hoffärtig in ihres Herzens Sinn; und sind hernach von dem Wege des Lebens noch viel weiter entfernt, als zuvor, da sie ihren Gottesdienst in Einfalt u. Unwissenheit thaten, so gut sie es verstunden. Darum glaube ich, daß es das beste u. heilsamste ist, nur immer auf ihr Herz zu arbeiten, u. die Katechismuswahrheiten, welche sie gelernt haben, u. die Lieder, welche sie singen, ihnen mit Kraft u. Nachdruck zu Gemüthe zu führen, u. ihnen die gottesdienstlichen Handlungen, welche sie thun, sonderlich wenn sie sich vor dem Altare des Leibes u. Blutes Jesu versammlen, durch die Predigt des Evangelii recht groß u. wichtig zu machen. So bald ihr Herz für Jesum gewonnen ist, so bald die Lehre von Jesu Leiden u. Sterben eine Anfassung an ihre Seele bekömmt, daß sie den darinnen liegenden Trost zu schmecken bekommen; so wird sich auch ihr Verstand zurechte finden, u. sie werden [442] immer hellere Augen in alle göttliche Wahrheiten erlangen. Und dann sind sie den listigen Anläufen des Satans, u. den Verführungen der heutigen Irrlehrer u. Widerchristen nicht mehr so blos gestellt; das Blendwerk ihrer vorgegebenen Aufklärung findet nicht mehr so viel Eingang bey ihnen, weil sich ihr Herz bey der Gnade im Blute Jesu zu bleiben erklärt, u. weil sie inne werden, daß Christum liebhaben viel besser ist als alles Wissen.

So habe ichs durch Gottes Gnade gemacht, u. so mache ichs noch immer. Und dabey finde ich täglich Ursach Gott für den Segen seines herrlichen Evangelii zu danken, durch welches eine Seele nach der andern gerettet, u. für Christus gewonnen wird. Meine lieben Brüder wissen, was für überschwängliche Barmherzigkeit der liebe Heiland an mir in meinem Amte gethan hat: u. ich muß bekennen, daß Er sich noch immer recht gnädig zu meinem Herzen u. zu meinem Amte bekennet. [443] Zu der für Ihn gesammleten, u. auf Sein Blut u. Tod verbundenen kleinen Heerde kommen immer mehr hinzu, u. es erstreckt sich davon ein sichtbarer Segen auf die übrigen. Und so erfahre ich täglich, daß Seine Kraft in den Schwachen mächtig ist.“

So weit dieser Aufsatz.

Bruder Joseph erinnerte, daß ihm bey dessen Inhalt insonderheit aufgefallen sey, ob es auch recht erkannt werde, was für eine große Sache es sey, daß Gott die Religionen erhalten hat, in welchen die Leute darüber einverstanden sind, auf eine gewisse vorgeschriebene Weise den Heiland zu ehren, u. in gewissen principiis einherzugehen, da sie zum heiligen Abendmahl kommen, u. da man ihnen Gottes Wort verkündigen kan.

Bruder Reichel von Neukirch erzehlte darauf, wie Gott ihn in dieser Sache zurecht gebracht habe. Dr Heinrich Müller, ein erwecklicher Mann, hat einmal das principium[WS 9] geäussert, es wären 4 stumme Götzen, [444] an welche sich die Menschen hingen, und worauf sie ein falsches Vertrauen sezten, nemlich der Predigtstuhl, der Beichtstuhl, der Taufstein u. der Altar. Seine Meinung sey wol nur gewesen, gegen das opus operatum zu eifern; es sey aber daraus das entstanden, daß bey den Erweckungen die Religionen in einen verächtlichen Conspect gesezt worden. Er (Bruder Reichel) sey daher auch anfangs ganz irre daran geworden, habe sich um deswillen ganz ungeschickt gefunden, ein Amt in der Religion zu führen, u. es habe ihm wehe gethan, daß die Brüder ihn darauf wiesen, es sey sein Beruf, in der Religion zu dienen. Dabey fand er keine Beruhigung in irgend etwas, u. die Verwaltung seines Amtes wurde ihm in allen Theilen schwer. Er sey dann oft auf sein Angesicht gefallen, u. habe den Heiland gebeten, wenn er ein Prediger in der Religion seyn solte, ihm ein Licht zu geben, wie er seine Amtsverrichtungen mit einem [445] ruhigen Herzen thun könne; u. endlich, nach manchem Bitten u. Flehen, habe er einen Blick bekommen, daß die Religion eine große Gottessache sey. Dazu sey ihm sein Amt in Hermsdorf gesegnet gewesen; es sey ihm dann von den Augen wie Schuppen gefallen, u. er habe hernach viele Dankthränen darüber geweint. Von der Zeit an habe er die Einsicht bekommen, daß die Religionen eine eigne Erfindung der göttlichen Barmherzigkeit sind, wodurch der Heiland dem menschlichen Geschlechte beykommen will, und worinnen zu tausenden u. Millionen nach der göttlichen Langmuth u. Weisheit für den Heiland gewonnen werden, denen sonst nicht beyzukommen gewesen wäre. Von der Stunde an sey ihm durch Gottes Gnade sein Amt nicht mehr unwichtig gewesen, oder auch nur so, daß er zur Noth sich darinn beruhigen können, sondern es sey ihm ein göttliches Kleinod, daß er denke: wie kommst du armer Mensch dazu, daß Gott dich dazu braucht? [446] Das nehme auch alles schwere weg, was man sonst in der Religion finde. Wenn man sehe, die Leute sind todt gegen Jesum, ob sie gleich dabey für ihre Religion eifrig sind; so könne man das mit der Langmuth, die Gott schenkt, tragen, u. sie dann doch immer bey den Grundlehren der Religion, darüber sie so eifrig halten, anfassen: da sie dann endlich sehen, sie haben das nicht, was in der Religion liegt, dazu sie sich bekennen, u. daher ein Verlangen bekommen zum Genuß der Heilsgüter zu gelangen. So mache die Religion die Leute zu gnadenhungrigen Seelen, die es sonst nicht wären.

Hiebey wurde die Frage aufgeworfen, ob die Worte Pauli 1 Cor. 11,29 – „Welcher unwürdig isset u. trinket, der isset u. trinket ihm selber das Gericht“ – auf alle Communicanten zu deuten seyn, oder nur die aufgeweckten Seelen angehe, die in ihren Herzen eine lebendige Empfindung haben [447] können von der Gemeinschaft des Leibes u. Blutes Christi?

Ein Prediger erwiederte, er habe diese Sache oft durchgedacht, mit Gebet zum Heiland, daß Er ihn selbst zurechtweisen möge. Er habe dann die Erklärung dieses Ausspruchs Pauli in den gleich darauf folgenden Worten gefunden, da es nemlich heisse: Welcher unwürdig ißet u. trinket, der isset u. trinket ihm selber das Gericht, damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herrn. Darinn liege das Gericht Gottes, wenn einer den Leib u. das Blut des Herrn nicht unterscheide, dieses Sakrament nicht mit gebührender Hochachtung behandle, sondern es als eine Sache von geringer Wichtigkeit ansehe. Luther sage im Katechismus vom heiligen Abendmahl: Wer aber nicht glaubet, sondern zweifelt, der ist ungeschickt dazu. Wenn einer nicht recht unterrichtet sey, u. daher aus Unwissenheit in der Sache sich vergehe, das werde von [448] Gott übersehen. Sonst aber glaube er, ein Prediger könne verhüten, daß der gröste Theil seiner Kirchkinder, auch wenn sie noch mit Geduld getragen werden müssen, das in den Worten Pauli angedeutete Gericht Gottes auf sich laden.

Es sey wohl zu merken, daß es nicht heisse ἀνάξιος (anáxios) – wer als ein unwürdiger isset – sondern ἀναξίως (anaxiióos) auf eine unanständige Weise – und also nicht von der Würdigkeit des Communicanten, sondern von dem Respect die Rede sey, womit er das Sakrament begehen soll. Er habe aus der Erfahrung gesehen, daß wenn einer darinn leichtsinnig handle, ein Gericht Gottes ihn verfolge. Der Prediger müsse daher einen jeden dahin anweisen, daß er mit Respect zum heiligen Abendmahl gehe, oder, wenn er Zweifel darüber habe, solche zuvörderst offenbare, um bedeutet zu werden. Das müsse, seiner Meinung nach, ein Prediger verhüten, daß sich niemand an diesem Sakrament vergreife; [449] denn an Jesu Leib u. Blute sich zu vergreifen, sey eine große Sünde, davor er seine Zuhörer warne. Es wurde noch bemerkt, daß der Zusammenhang der Worte Pauli diese Erklärung völlig bestätige. Paulus klage nemlich über die Unordnungen, die in Korinth bey der Begehung des heiligen Abendmahls vorgefallen, u. weise sie an, wenn sie Mahlzeiten halten wolten, solches zu Hause zu thun. 1 Cor. 11,22. Er rede also offenbar davon, daß die Sache nicht mit der gehörigen Achtung von ihnen behandelt worden. Uebrigens wären die Korinther, an welche Paulus dieses schreibt, allerdings Leute gewesen, die Jesum wahrhaftig angenommen hätten. Das Gericht, welches auf die unwürdige Behandlung des Sakraments folge, werde unstreitig nach dem Maaße der Erkenntnis der Communicanten abgemessen. Nur zu wahren Christen könne man mit Paulus (v. 28) sagen: [450] Der Mensch prüfe sich selbst! Zu unbekehrten könne man das nicht sagen. Aber zu allen könne man sagen, daß sie mit dem gehörigen Respect hinzunahen sollen. Man könne also behaupten, der angeführte Spruch gehe zunächst auf die wahren Gläubigen, sodann aber finde er auch seine Anwendung auf die unbekehrten Leute, die in den Religionen zur Communion gehen. Ferner wurde erinnert, daß von manchen die Worte Pauli ganz unstatthafter Weise so erklärt würden, als hieße es: Wer unwürdig zum heiligen Abendmahl gehe, der genöße es sich zur Verdammnis; da doch Paulus selbst, da er des bey den Korinthern erfolgten göttlichen Gerichts erwähnet, ausdrücklich hinzusezt (v. 32): Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtiget, auf daß wir nicht samt der Welt verdammt werden.

Man erwähnte hiebey des theologischen Canonis, daß das heilige Abendmahl ein Sacramentum confirmationis, nicht initiationis, so wie hingegen die heilige Taufe ein sacramentum [451] initiationis u. nicht confirmationis sey; u. bemerkte, daß es sich damit in der That oft anders verhalte. Ueberhaupt sey etwas ungeschicktes darinn, wenn man eine Heilsordnung vestsetzen wolle, wie Gott seine Gnade an einem Menschen nach einander offenbaren wolle; wovon das Beyspiel eines Predigers angeführt wurde, der in der Leichenpredigt auf einen gewesenen großen Atheisten, der sich auf dem Todbette bekehrt, u. ohne vorhergehende auffallende Zeichen einer tiefen Reue sogleich mit der Liebe Jesu u. freudiger Hofnung der ewigen Seligkeit erfüllt worden, sich des Ausdrucks bediente: „Es gefiel Gott, von der gewöhnlichen Ordnung abzugehen.“ Grade als wenn man Gott eine Ordnung vorschreiben könne. So sey es gewiß, daß bey vielen tausend Leuten, wenn sie in den Religionen zum Abendmahl gehen, Gott vor ihres Herzens Thüre stehe u. anklopfe; und die vielfältigen Beyspiele [452] von Mitgliedern der Brüdergemeine, die in ihren Lebensläufen bekennen, daß sie bey ihrem ersten Abendmahl sehr gerührt gewesen, u. bey den folgenden Abendmahlen viele Liebeszüge von Jesu empfunden haben, bis sie sich Ihm endlich ganz ergeben, zeigen deutlich, daß das heilige Abendmahl gar vielfältig auch als ein sacramentum initiationis anzusehen sey. Eben so könne im Gegentheil die Taufe mit Recht ein sacramentum confirmationis genannt werden, wenn sie – wie davon auch in der Brüdergemeine Beyspiele genug vorgekommen sind – solchen Erwachsenen angedient wird, die Gnade u. Vergebung der Sünden in Jesu Blut gesucht u. gefunden haben, u. nun dieses Sakrament als ein Siegel der von Jesu ihnen ertheilten Absolution zu erlangen wünschen. Eben dieses sey der Fall in Cornelii Hause gewesen, da Petrus sagte: Mag auch jemand das Wasser wehren, daß diese nicht getauft [453] werden, die den heiligen Geist empfangen haben, gleichwie auch wir? Apg. 10,47.

Daß der Prediger, so wie bey dem Vortrage der Evangelischen Wahrheit, also auch insonderheit bey Austheilung der Sakramente, sich vom Heiland ein warmes Herz ausbitte, hat auch auf die Kirchkinder einen guten Einfluß, welche, da sie sehen, mit welchem Respect ihr Prediger die Sache behandelt, sich nicht so darüber wegsetzen können. Ohnstreitig sind die Lehrer selbst oft Schuld an dem Mangel des Respects, den die Kirchkinder bey den heiligen Sakramenten verspüren lassen. Es hat aber gewiß derjenige, der das heilige Abendmahl ἀναξίως austheilt, noch ein grösseres Gericht Gottes zu erwarten.

Da in des Pastor Reichels vorhin gelesenen Aufsatz von der Wichtigkeit des Berufs zu dem Evangelischen Lehramte Erwähnung geschehen, so wurde nun

2.) aus einem Aufsatz des Pastors H. zu R., der bey der Conferenz gegenwartig war, folgendes gelesen:

[454] „Welches ist dann eigentlich unser Beruf? Wir sollen, ein jeder in seinem Zirkel, nach der uns von Gott geschenkten Gabe u. Gnade, die der Welt verliehene Gotteswahrheit aufrecht erhalten, die allergrößeste Gottesthat, den Versöhnungs-Tod Jesu, auf die Nachwelt fortpflanzen, u. unter den gegenwärtigen Menschen des Heilands Schmerzenslohn einsamlen helfen: oder, wie Paulus sagt, uns selbst selig machen, u. die uns hören: „wo du solches thust, sagt er, wirst du dich selbst selig machen u. die dich hören“. Worte, über die ich mich nicht genug wundern konte, u. die mir bald Schaam bald Freude ablockten, tiefe Schaam, wenn ich bedachte, was für eine Macht der Heiland seinen so schwachen u. dürftigen Werkzeugen anvertrauet, wie Er ihre eigne u. die Seligkeit andrer gleichsam in ihre Hand gestellet hat, und wie Er das den Werkzeugen – gewiß zu ihrer Ermunterung – zuschreibet, was Er doch eigentlich selbst thut. Sich [455] selbst u. andre selig machen können – selig machen dürfen – wer ist doch dessen würdig, u. wer dazu tüchtig? Innige Freude fühlte ich, wenn ich bedachte, daß mein Beruf sich eigentlich darinn concentrirt: ich soll selig machen; und daß, so gewiß es ist, daß es des Heilandes Sache allein ist, selig zu machen alle, die durch Ihn zu Gott kommen, Er mich doch mit in dieses Geschäfte hineingezogen hat. Worinn nun aber eigentlich das Geschäfte eines Mannes, der sich u. andre selig machen will, bestehe, u. wie darinn nicht nur der Lehrer, sondern auch ein jeder andrer Christ (auch der Professionist, der Tagarbeiter bis auf den Nachtwächter, dessen nächtlicher Gesang oft mehr NachEindruck auf ein wachendes Ohr u. Herz machen kan, als eine lange Predigt) alle gute Treue zu beweisen habe, davon wünschte ich die versammleten Brüder sich unterreden zu hören.“

[456] Man äusserte darüber folgendes:

Die beste Anweisung liegt in den Worten Pauli: Hab Acht auf dich selbst u. auf die Lehre: beharre in diesen Stücken. Denn wo du solches thust, so wirst du dich selbst selig machen, u. die dich hören. (1 Tim. 4,16.) Die zwey Stücke gehören dazu: erstlich daß man seine eigene Seligkeit zu erhalten suche, mit aller Achtsamkeit, wie es einmal heißt: Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht u. Zittern. (Phil. 2,12.) Die Selbstprüfung liegt immer dabey zum Grunde. Und das andre ist: in der Lehre, wie sie selbst unserm Herzen das große Heil zugewendet hat, zu beharren; nichts anders den Leuten vorzupredigen als den Tod des Herrn: darinn habe ich meine Seligkeit gefunden; ach, wie ist mir doch so wohl, wenn ich kni'n u. liegen soll an dem Kreuze, da Du stirbest; ich befinde mich innig wohl, wenn ich am Kreuze [457] des Heilands liege; und weil ich mich da so wohl befinde, u. ihr alle zu derselben Gnade berufen seyd, so kommt mit mir unter Jesu Kreuz. Es heißt: von Seinem hohen Thron siehet Er auf die Menschenkinder; Er sieht auf euch alle, Er will euch erquicken, Er bietet euch seinen Leib dar, der für euch dahingegeben, u. Sein Blut, das für euch vergossen ist. – Davon kan man einen Segen hoffen bey allen, wenn sie nur nicht muthwillig widerstreben. Und das geschiehet in der Religion nicht leicht, sondern insgemein wohnen sie dem Gottesdienst mit Respect bey. Dann muß man eben erwarten, was der Herr thut, wie Er sie behandelt, bis sie Ihm endlich in seine Gnadenhand kommen. Denn wenn Seelen nicht vom heiligen Geiste, sondern nur von uns durch unser Eifern erweckt werden, so kommt etwas falsches heraus, u. sie gerathen in Hochmuth. Behandelt sie aber Jesus selbst, so kommen sie zu rechter Zeit, wenn sie es anzunehmen fähig sind, [458] in die Sache hinein. Daß der Heiland uns das zuerst will geniessen lassen, was wir andern vortragen, ist ein großer Segen. Es solte einer billig erschrecken, der an Christus statt hervortritt, u. seinen Kirchkindern die Seligkeit predigt, wenn er solche nicht selbst geniesset. Was ist das für eine große Sache, den Auftrag zu haben, selig zu machen? Jeremias war ein Diener des Herrn, u. hatte den Befehl, dem Volke Israel Tag vor Tag zu predigen: Ihr werdet alle umgebracht werden, ihr werdet an der Pest umkommen, ihr werdet Hungers sterben, ihr werdet in die Gefangenschaft gerathen, eure Stadt wird verwüstet, der Tempel zerstört werden. – Damit muste er vom Anfang seines Predigtamtes an bis zu Ende fortfahren. Das war eine schwere Commission. Wie viel erfreulicher ist der Auftrag eines Evangelischen Predigers: Kommt alle zum Heiland, es ist Gnade u. Friede für euch; kommt zur Hochzeit – Hochzeitbitter [459] sind wir.

Bey der Frage: Wie führet ein Prediger des Evangelii seinen wichtigen Auftrag aus? ist auch das zu merken: Ein jeder muß, sowol im Privatumgang als in öffentlichen Vorträgen, immer den Heiland anflehen, daß Er ihm das gebe, was gerade zu jeder Zeit nöthig ist. Es ist unmöglich zu sagen, wie ein Prediger in jedem Falle zu verfahren habe, als daß er überhaupt in der Schule des heiligen Geistes lerne, u. sich von Ihm das Ohr öffnen lasse. Uebrigens wird es ins Ganze am besten gehen, wenn das Herz von Jesu Liebe durchdrungen ist, u. Seinen Gesinnungen immer ähnlicher wird. Er sagt: Ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern sie selig zu machen. Er sendet uns auch nicht, Seine Gerichte den Seelen vorzuhalten, sondern sie selig zu machen. Wenn ein Bruder alles schwere aus seinem Gemüth entfernt, u. so auf die Kanzel tritt mit einer Liebe [460] zu den Seelen, wie die Liebe Jesu zu ihnen ist: da geht der Mund über, weß das Herz voll ist; da fühlen es auch die Zuhörer, da erreicht man den Zweck. Aber sobald ein innerlicher Verdruß, eine gewisse Abneigung über das schlechte, das sich in der Gemeine äussert, die Oberhand bekommt, so kan es nicht den Effect haben. Wer in Verlegenheit darüber ist, wie er sich u. andre selig machen soll, u. weiß sich nicht zu helfen, der befolge den Rath, den der Heiland gegeben hat: Ich rathe dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest; u. weisse Kleider, daß du dich anthust (Offenb. 3,18.) Und Er verkauft sehr wohlfeil.

Nach einer kleinen Pause kam man zusammen zur

Zweyten Session.

In vorerwähntem Aufsatz des Pastors H. zu R. heißt es weiter:

[461] „Aber wie? könte man bey dem Bewußtseyn eines so köstlichen Berufs, u. auf ein so wichtiges Geschäft nicht stolz werden? Bin ich sicher, daß mich der Gedanke: du kanst dich u. andre selig machen; nicht aufblähe? Nein! sicher bin ich nicht; aber, Gott Lob! es ist für genugsame Demüthigung gesorgt. Je mehr Gnade u. Gabe, je mehr innerer Hang zu Erhebungen, desto mehr Demüthigungen werden erfolgen. Wer weiß nicht, was die Einbildung auf den geistlichen Stand u. dessen Beschäftigung in jenen Jahrhunderten für Verderben in die Christenheit eingeführt hat, u. wie sehr diese Einbildung das Reich Jesu bis auf diese Stunde verunstaltet! Selbst in unsrer gebesserten Religions-Verfassung – wie viele zum Seligmachen angestellte Männer sind im Reiche Jesu das, was sie hätten seyn können, darum nicht geworden, weil sie ihr Vertrauen auf sich selbst u. ihre Geschicklichkeit sezten, und [462] nur Ruhm u. Ansehen bey Menschen suchten! Wer aber im Reiche Jesu Figur macht, ist für Seine Sache halb verdorben. Wie oft u. wie lange liegt nicht selbst der rechtschaffene Mann an Einbildungen u. Selbstgefälligkeit krank, u. mit seiner Activität im Streite! Ich wußte z. E. daß ich, der ich pflanze u. begieße, nichts bin; sondern Gott, der das Gedeihen gibt: u. dennoch konte sich mein Herz der eignen Arbeit freuen, konte, wenn eine Frucht sichtbar ward, auf sich rechnen, wenigstens auf sich mit rechnen; und es fehlte nicht viel – dank sey es den darzwischen getretenen Demüthigungen – so hätte ich alle durch meinen Dienst, (doch das war noch nicht einmal entschieden) alle unter meiner Amtsführung Erweckte als mein Eigenthum angesehen, u. mich in Seelenführungen hineingewagt, die für mich sehr gefährlich hätten werden können u. s. w.

Aus diesem allen entstand die Frage: Wie macht es ein treuer Diener [463] des Evangelii, daß er bey seinem wichtigen Auftrag sich nicht selbst erhebt? wie bewahrt er sich vor der Selbstgefälligkeit? und wie verhält er sich, daß er in wahrer Herzenseinfalt u. Demuth bleibt?

Einer der Anwesenden erklärte sich so, daß nach seiner Erfahrung bey der dem menschlichen Herzen so sehr anklebenden Eigenliebe das sicherste Verwahrungs-Mittel dieses sey, das Glaubensauge auf die Marter u. den Tod des Heilands zu richten, u. fleißig zu bedenken, daß, was Er ausgestanden, das hat verdienet meine Seel.“ Man stimmte ihm darinn bey, daß in der Beherzigung: Ich, ich u. meine Sünden – die haben Dir erreget das Elend, das Dich schläget, der Hauptgrund unsrer Demüthigung zu finden sey. Demnächst aber wurde über die Materie, wovon die Frage ist, u. über die mannichfaltigen Gelegenheiten, die in dem Amtsgang eines Predigers insonderheit vorkommen, noch [464] verschiedenes gesprochen.

Die Anleitung des Apostels Petrus: „Weidet die Heerde Christi, – nicht als die über das Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Heerde“; enthält eine Vorschrift, die uns erinnert uns fleißig zu prüfen: Bin ich auch ein Vorbild der Heerde? u. dabey bleibt gewiß nicht aus, daß man immer gewahr wird, wie weit man darinn noch zurück ist. Wolten wir uns selbst überheben, so finden wir zu heilsamer Demüthigung Ursach genug wenn wir inne werden wie groß unsre Unähnlichkeit mit Ihm ist, der uns zum Vorbild gegeben worden; und wenn wir auch weiter keine Sünde fühlten als nur die Selbstgefälligkeit, so müssen wir uns doch von Herzen schämen; denn unser lieber Heiland, ob Er gleich wußte, daß Ihm alle Macht gegeben war im Himmel u. auf Erden, hatte doch keinen Gefallen an sich selber. Ein Bruder äusserte sich über die davon gemachte Erfahrung also: [465] Beym Segen meines Amtes dachte ich immer: ach Herr Jesu, in welcher Gefahr bin ich! laß mich von Dir lernen, Du warest von Herzen demüthig, ob Du gleich wußtest, daß Dir alle Macht übergeben war! Wenn ein treuer Diener am Evangelio etwas von Eigenliebe u. Selbstgefälligkeit bey sich gewahr wird, sonderlich wenn er Segen von seinem Amte siehet: so muß er billig davor erschrecken, u. allerdings bedenken, in welcher Gefahr er sich befinde. Thut man dieses nur mit wahrer Herzensangelegenheit, so ist der Heiland alsdann so treu, u. hilft, wenn uns menschliche Schwachheit anwandelt. Widerfährt jemanden so etwas, wie Paulus schreibt: „ihr nahmet mich auf als einen Engel Gottes“, so ist das an sich auch keine Sache zur Selbsterhebung, sondern es ist Gnade, wobey der Prediger am allermeisten gewinnt, weil er sich selbst gar nichts davon zurechnen kan. Einen Lehrer [466] an Christus Statt mit Liebe aufzunehmen, ist Sein Gebot; und wenn es durch Seine Gnade befolgt wird, so hat mans mit Dank anzunehmen. Wir unsrer seits wissen dabey doch immer, wer wir sind, und daß niemand etwas aufzubringen hat, warum ihn Jesus lieben müßte.

Die Selbsterkenntnis ist eine große u. wichtige Sache. Wenn ein Prediger, der durch die Erleuchtung des heiligen Geistes dazu gelangt ist, die großen Obliegenheiten seines Amtes bedenkt, so wird er finden, daß er sie nie alle erfüllt. Nun sagt aber unser Herr: „Wenn ihr alles gethan habt – so sprecht: wir sind unnütze Knechte“ – und wir, wenn wir eingestehen müssen, daß wir noch lange nicht alles thun, was wir zu thun schuldig sind – was sind wir? Da bleibt gewiß nichts zur Selbsterhebung übrig. Jener Vers druckt die Sache schön aus: „Und würde ja eins [467] irgendwo der eignen Gnadenarbeit froh, so kommt die heilge Schaam herbey, u. zeiget uns so mancherley, daß man Gott dankt, wenn man sich selbst vergißt, u. denkt an nichts, als daß ein Heiland ist.“ Da ist als dann das Gebet eines Dieners Gottes von Herzen: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre! Ein Bruder merkte zum Schluß der Unterredung über diese Materie noch an, daß selbst im Gebet des Herrn, u. sonderlich in der ersten Bitte: „Geheiliget werde Dein Name“, recht viel enthalten sey, was das Herz mürbe u. demüthig machen kan. Und beyläuffig wurde noch erinnert, daß dieses schöne Gebet, welches unser Herr seine Jünger selbst gelehret hat, doch ja von jedem treuen Lehrer recht mit wahrer Herzensangelegenheit tractirt werden möchte; so wie es im Gegentheil leider! nur gar zu oft als ein bloßes opus operatum geschiehet.

[468] Es wurde hierauf der Conferenz vorgetragen, daß verschiedene Briefe an dieselbe eingelaufen, welche alle in extenso zu lesen die Zeit zu kurz sey; und da manche Materien in allen vorkommen, als: die Bezeugung des gehabten Segens von der Communication der Predigerconferenz, die Danksagung für die in deren Namen erhaltene Antwort-Schreiben, Empfehlung in ferneres Andenken u. s. w. so wurde solches nur generaliter angeführt, u. hierauf der Anfang gemacht, die Briefe einzeln durchzugehen, u. diejenigen Stellen zu lesen, die eine Frage oder sonst einen Umstand, der zu erörtern wäre, in sich halten. Es folgte demnach

3.) ein Schreiben des Pastors O. in D. dessen Inhalt die Unterredung auf den Dienst lenkte, den die erweckten Seelen durch den Besuch aus der Brüdergemeine geniessen. Es ist diese Materie schon oft in den Prediger Conferenzen vorgekommen, [469] wird aber durch die Briefe unsrer Predigerbrüder immer wieder aufs neue in Erinnerung gebracht. So schreibt z. E. Pastor O. unter andern: „Wenn wir nur auch die Gnade u. das Glück haben könten, von Brüdern besucht zu werden! Das wäre für mich u. die armen Seelen recht sehr gut, ja recht sehr nöthig. Ich lege es den lieben Brüdern als eine Gewissenssache ans Herz; es betrift nichts geringeres, als Seelen zu bedienen, die der liebe Heiland mit seinem Gottesblut so theuer erkauft hat. Ich werde nicht ablassen, diese Bitte auf das dringendste zu wiederholen; denn mir ist es ausgemacht, daß die Connexion mit der Brüdergemeine, u. die Besuche der Brüder von gesegneten Folgen sind. Da hingegen, wenn das nicht geschehen, entweder die ganze Sache auf die lezt gar eingegangen, oder allerhand Unordnung, u. wol gar Irrthum, Schwärmerey p. entstanden ist.“

[470] Bey der Unterredung über diese Materie unterredete erinnerte man sich der vornehmsten Grundsätze, worauf es hiebey ankommt, insonderheit, daß nie die Absicht dabey gewesen, Proselyten für die Brüdergemeine zu machen, sondern im Gegentheil, die guten Seelen an ihren Orten u. in ihrer Religion zu erhalten. Und es ist gewiß, daß ausserdem u. wenn es mit der Arbeit der Brüder nicht in den Gang gekommen wäre, eine ungleich größere Anzahl erweckter Leute sich in die Brüdergemeine hereingedrängt haben würde; welches für die Religionen unstreitig großer Verlust gewesen wäre. Man ist also völlig darüber einverstanden, u. auf Seiten der Brüder auch bereit u. willig, dieses Berufs auch fernerhin nach Möglichkeit treulich wahrzunehmen. Indeßen bleibt doch gewiß allemal die Absicht des Heilandes, daß an recht vielen Orten, u. auch da, wo die Brüder nicht hinkommen können, die erweckten Seelen zusammenfliessen u. unter einander [471] verbunden werden sollen, als Ecclesiolae in Ecclesia, nach des seligen D. Speners Idee. Uebrigens wurden verschiedene Exempel von dem Nutzen der Arbeit der Brüder angeführt: Wenn ein Prediger, der im Segen gestanden, aus der Zeit geht, oder sonst von seinem Orte wegkommt, u. seine Stelle wird nicht wieder durch jemand besezt, der auf gleichen Grund fortarbeitet: so sind alsdann die Erweckten sich allein überlassen, u. nach u. nach schläft die Sache leicht wieder ein. Kan es aber geschehen, daß sie an die Pflege der Brüder angeschlossen werden, so ist der Zusammenhalt derselben mehr gesichert; u. der Prediger, wenn er an die Zukunft oder an seinen dereinstigen Heimruf denkt, darf nicht so in Sorgen stehen.

Einige der Anwesenden versicherten, daß ihnen in Hinsicht ihrer Orte dieser Umstand zu großer Beruhigung u. Trost gereiche; so wie auch unter den Gehülfen selbst der Muth dadurch sehr [472] erhalten wird, daß sie in ihrem Theil desto getroster fortarbeiten, wenn sie wissen, daß auch nach dem Ableben oder Wegkommen des Predigers für ihre Anfaßung zur Geistesgemeinschaft gesorgt ist. Unter andern wurde bey dieser Gelegenheit des Nutzens gedacht, den Weibsleute haben, wenn sie von Personen ihres Geschlechts, die Gnade u. Gabe dazu haben, angefaßt werden können, nach der Weise, die in der Brüdergemeine üblich ist.

Einer der anwesenden Prediger hatte vor kurzem ein merkwürdiges Exempel davon gesehen. Eine Delinquentin war an seinem Orte zum Tode verurtheilt worden. Man nahm sich ihrer auf alle Weise an, u. es war auch eine erfreuliche Gnadenarbeit des heiligen Geistes an ihrem Herzen wahrzunehmen. Wenn der Prediger mit ihr redte, so fanden seine Worte Eingang; aber ganz anders zutraulich u. offenherzig war sie gegen eine Schwester, die sich daselbst [473] bey ihrer Familie aufhält, u. sich ein besonderes Geschäfte daraus machte, sich dieser armen Person anzunehmen.

Nun wurde

4.) ein Schreiben eines anwesenden Predigers, S. in H. durchgegangen u. beherzigt.

Der erste Punct desselben betrift den Wunsch eines treuen Lehrers, nützlich zu seyn, u. den Kummer, den er übers Gegentheil empfindet. Es wurde dabey erinnert, daß der Heiland manchmal aus weisen Ursachen einem Prediger den Segen seines Amtes nicht sichtbar werden läßt, u. ihn so in der Demuth erhält, daß er denkt, er arbeitet vergeblich; indessen zeigt sich hintennach oft, daß der Segen weit größer war, als man gedacht hatte. Im Propheten Jes. heißt es: „Ich dachte, ich arbeitete vergeblich, u. brächte meine Kraft umsonst u. unnützlich zu, wiewol meine Sache des Herrn, u. mein Amt meines Gottes ist.“ hat der Heiland selbst durch den Propheten so geredet, [474] wie vielmehr sollen wir uns ganz aufopfern, wenn wir auch keinen Segen unsrer Arbeit vor uns sehen. Manchmal sieht man unvermuthet dann doch etwas, das reellere Freude macht als manches, wovon man sich vorher in seiner Vorstellung vergnügt hatte.

Gedachtes Schreiben berührt ferner den Umstand, daß Leute, mit denen der Prediger über diese u. jene specielle Angelegenheit privatim zu reden Anlaß gehabt, u. auch Eingang gefunden hat, alsdann stutzig darüber werden, wenn bey den öffentlichen Vorträgen, nach Maasgabe der Materie, so etwas mit vorkommt, das sie in Bezug auf die gehabte Unterredung auf sich deuten, sich getroffen finden, u. den Argwohn bekommen, der Prediger habe damit öffentlich auf sie gedeutet, worüber sie hernach verdrießlich werden.

Dieser Umstand kan oft vorkommen; im allgemeinen muß man nicht ängstlich darüber seyn. Man legt den [475] Leuten privatim Wahrheiten ans Herz, wenn man Gelegenheit dazu hat; und thut es auch öffentlich, wenn es die Materien mit sich bringen. Es kommen aber doch besondere Fälle vor, wo dem Prediger irgend ein specieller Umstand auf vorhin bemerkte Weise bekannt wird, u. worinn er dem, den es betrift, privatim nach bester Einsicht u. mit aller Treue zu rathen hat; wo er aber besser thut, daß er auf der Kanzel diesmal lieber diese Materie gar nicht berührt, wenn ihn gleich sonst sein Text darauf geführt haben würde. Und diese Vorsicht läßt sich um so füglicher beobachten, da eben diese Materie leicht ein andermal wieder vorkommt.

Ins Ganze genommen wird jedoch wol nie zu vermeiden seyn, daß es nicht zuweilen zutreffen solte, daß einer oder der andere unter den Zuhörern einer öffentlichen Predigt diese oder jene Materie besonders auf sich deuten, u. bey [476] sich denken solte: hier bin ich getroffen. Ja dieses kan selbst nicht anders seyn, weil doch das Evangelium allemal auf die Herzen der Menschen applicable seyn muß. Mancher erzehlt in seinem Lebenslauf, daß ihm gerade ein solcher Umstand zur Erweckung u. Bekehrung gedient hat. Das ist also unter jener Vorsicht nicht gemeint; sondern nur: daß sich der Prediger in Acht nehme, daß er nicht wirklich in seinem Vortrag jemand besonders bezielet. Vor allen Dingen aber muß er sich bewahren lassen, daß sich nicht Natur-Eifer mit hineinmengt.

Nun folgte in gedachtem Schreiben eine Erklärung über die Gehülfenschaft aus der Brüdergemeine, die mit dem übereinstimmte, was so eben über diese Materie verhandelt worden. Nur war hier noch besonders die Frage: Wie bey dieser Einrichtung dem Partheygeiste vorzubeugen sey?

[477] Man sezt dabey billig das gehörige Einverständnis zwischen dem Prediger u. so einem Bruder allemal voraus, u. dieses bezieht sich mit auf die besondere Situation jeden Orts. Demnächst muß der Prediger allerdings immer ein allgemeiner Mann bleiben, u. sich des einen seiner Kirchkinder wie des andern, so wie sie seine nähere Zurechtweisung verlangen, u. sich solche zu nutz machen wollen, unpartheyisch annehmen. Die Leute auf die eine oder andre Art zur Brüdergemeine zu weisen, dazu haben wir keinen Beruf, sondern wir haben sie zum Heiland zu weisen. Vorwürfe der Partheylichkeit auf Seiten der Kirchkinder können dem allem ungeachtet vorkommen; nur muß der Prediger mit der That beweisen, daß er nicht partheyisch ist: u. als dann hören solche Vorwürfe von selbst auf.

Hierauf folgte noch eine wichtige Frage, [478] nemlich: welches ist die Methode, die ein treuer Evangelist in Rücksicht auf den jezt allgemein einreissenden Unglauben befolgen soll? Soll er dem Unglauben mit Widerspruch begegnen? oder ist es schon hinlänglich, die Wahrheit frey heraus zu sagen?

Man war mit dem Verfasser dieser Frage ganz eins, daß bey öffentlichem Widerspruch allerdings zu befürchten stehe, daß dadurch, u. weil man in solchem Fall die Unwahrheit mit Namen nennen muß, viele Gemüther erst aus der Einfalt herausgebracht werden möchten; indem unter gemeinen Leuten auf den Dörfern die gegenwärtig in der Welt herrschenden Neuerungen u. Thorheiten noch zur Zeit gröstentheils unbekannt sind, u. manche Gemeine wol vielleicht gar nichts davon weiß. In so fern ist allerdings ein Unterschied zu machen. Ueberhaupt aber dürften öffentliche [479] förmliche Widerlegungen wol nie anzurathen seyn; lieber privatim, wenn jemand auf so etwas kommt.

Das ist aber nothwendig, sich zum Bekenntnis der Wahrheit vest an einander anzuschliessen, u. dieses getrost zu treiben. Denn das Bekenntnis der Wahrheit ist ja an sich schon eine Widerlegung der Unwahrheit, und man treibt dieses Bekenntnis auf der Kanzel grade nicht darum allein, weil heut zu Tage öffentlich in der christlichen Kirche dagegen angegangen wird, sondern weil der Same des Unglaubens u. des Irrthums von Natur in aller Menschen Herzen steckt. Und in so fern kan Widerspruch mit Benennung der Unwahrheit gar wohl Statt finden, ja so gar nöthig seyn. Ein Bruder drückte dieses so aus: Wenn wir unsern Zuhörern sagen: Das ist eine gottlose Lehre, wenn vorgegeben wird, der Mensch könne aus eigner Vernunft [480] u. Kraft selig werden: so thun wir es nicht darum, weil diese Lehre in der allgemeinen Deutschen Bibliothek getrieben wird, sondern darum, weil sie von Natur in eines jeden Menschen Herzen steckt.

Ungläubige hat es wol zu jeder Zeit in der christlichen Kirche gegeben; der Unterschied, wodurch sich die jetzigen Zeiten auszeichnen, ist nur der, daß man jezt keine Scheu mehr trägt, sich zum Unglauben öffentlich zu bekennen, u. andere auf alle ersinnliche Weise dazu zu verführen, sonderlich die Jugend; zu welchem Ende auch viele solcher verführerischen Schriften im so genannten Volkston abgefaßt werden, damit sie desto allgemeinern Eingang finden mögen. Wo nun so etwas in eine Gemeine einschleicht, u. unter die Leute kommt, da hat ein Prediger allerdings mit göttlichem Eifer dagegen anzugehen; so wie es Paulus machte, wenn Irrthümer aufkamen, da z. E. [481] zu seiner Zeit Leute auftraten, welche behaupteten, die Auferstehung der Todten sey schon geschehen; und wieder andere, man müsse sich beschneiden lassen, wenn man selig werden wolle u. s. w.

Es folgte nun

5.) ein Schreiben von Pastor K. in P. im Voigtländischen, darinn er unter andern meldet: „Der liebe Heiland hat sich auch in diesem Jahre zur Verkündigung seines Evangelii überaus gnädig bekannt, und besonders an den Katechumenen dieses Jahres u. an einigen Sterbenden sich nicht unbezeugt gelassen. Erstere liessen häuffige Thränen fliessen, da mit ihnen von der Liebe des gekreuzigten Jesu geredet wurde. Aber freilich sind die guten Kinder nun vielen Verführungen ausgesezt; doch lasse ich es an Ermahnungen nicht fehlen, u. der Beichtstuhl ist mir noch immer eine erwünschte Gelegenheit den Seelen, an denen ich die Arbeit des heiligen Geistes bemerkt zu haben glaube, wieder nahe zu kommen, [482] u. sie an die vorige Gnade zu erinnern. Was aber die wenigen anbetrift, denen ich wöchentlich eine Versamlung in meinem Hause halte, so sind unsrer nicht mehr als 8. Die erfreuenden Nachrichten aus allen Theilen der Welt, wo der Herr sein Feuer angezündet hat, die gesalbten Reden, u. die so lehrreichen als tröstlichen Lebensläufe sind eine wahre Weide für unsre Herzen. – In der Nähe habe ich jetzo keinen Prediger, mit dem ich brüderlich umgehen könte, als den Pastor H in C., welcher 3½ Stunde von mir im Amte steht. Er besuchte mich vor Ostern, u. ich gab ihm des lieben Pastor Reichels Antwort-Schreiben an mich zu lesen; er erquickte sich an diesem Briefe, wie ein Durstiger an einer frischen Quelle u. s. w.“

Man nahm herzlichen Antheil an der Arbeit dieses lieben Bruders. Er wird zuweilen auch von Erweckten aus andern Kirchspielen besucht. In dasiger Gegend ist der bekannte alte Pastor [483] Wagner voriges Jahr selig zum Heiland gegangen.

Es wurde hierauf die Conferenz

6.) mit einem neuen Prediger bekannt, Pastor L. in S., der folgendes an dieselbe schreibt: „Sie erhalten gegenwärtiges Schreiben von einem Ihnen Unbekannten, der so gern an ihrer beliebten Predigerconferenz einigen Antheil zu nehmen wünscht, u. sich hierdurch dazu Erlaubnis erbittet. Es hat bisher der heilige Geist eine Gnadenarbeit an meiner Seele vorgenommen, u. mich in die Erkenntnis u. in das Gefühl meines großen Verderbens u. tiefen Sünden-Elendes eingeleitet, und in des Heilandes Blut, Wunden, Kreuz u. Tod alleinige Rettung von meinen Sündenübeln zu suchen mich angetrieben, welches dann auch Segen u. trostvolle Wirkung bey mir gehabt hat. Ich kan hiebey nicht bergen, daß die Idea fidei frr., welches Buch ich vor einigen Jahren unter den Büchern des selig heimgegangenen Pastors [484] H. in S. fand, als ich dorten Vicarius war, u. auf dessen Durchlesung fast eine ganze Nacht verwendete, großen Eindruck auf mein durchaus verdorbenes Herz gehabt; und von dieser Zeit an habe ich immer gewünscht, einen lieben Amtsbruder zu finden, der mit der Brüdergemeine in Verbindung stünde; welcher Wunsch dann auch mir von dem lieben Heiland gewährt worden, indem Er an dem Bruder Pastor O. in D. mir einen wahren Freund geschenkt, dessen bisheriger Umgang mir allezeit zu tröstlicher Erweckung gereichet. Hierauf ist mir auch die Communication der Brüder Gemeinnachrichten ausgewirkt worden, von denen ich zuerst die Predigerconferenz vom Jahr 1787 erhielt, u. darinn herrliche geistliche Erfahrungen fand, die ich vorzüglich für Prediger in ihrer Amtsführung als höchst nützlich erkannte. Besonders machten auf mein Herz wahren Eindruck die kraftvollen Reden des würdigen Bruder Josephs, u. des Herrn Pastor Reichels in Neukirch [485] Aufsatz, der sich ganz durch den Auszug aus den Liedern unsrer Lutherischen Gesangbücher von dem Blut u. Wunden des Heilands, in meine davon gehabten Gedanken versezt hatte; indem ich oft diese Gedanken solchen Widersprechern vorher wörtlich entgegen gesezt hatte, die die Blut- u. Wunden-Theologie in der Brüder Gemeine für übertrieben gehalten u. s. w.“

Man freute sich über den Inhalt seiner Aeusserungen, u. wünschte ihm auch zu seinem Amtsgang recht viel Gnadenbeystand vom lieben Heiland. Und da er in Ungewißheit ist, wie ers machen soll, daß viele Erweckung entstehe u. erhalten werde: so äusserte man, daß dieses wol allemal der Wirkung des Evangelii überlassen werden müsse. Finden sich einige wenige, bey denen es Eingang findet, so freuet man sich, u. überläßt es dem heiligen Geiste, die Anzahl solcher Seelen zu vermehren; so wie ja auch der Heiland selbst nur erst mit einigen wenigen den Anfang machte.

[486] Endlich wurde noch

7.) nebst einem Gruß von Bruder Clemens in Niesky der Auszug eines an ihn ergangenen Schreibens von Pastor F. in S. in Schlesien vorgelesen. Es heißt darinn: „Gott wolle den Satan unter unsre Füsse treten, der jezt alles Gute hindern u. redlichen Lehrern ihr Amt schwer machen will! Wie viel Vortheile hat die Brüdergemeine darinn, daß Kirchen-Zucht u. Gehorsam der Glieder gegen die Gemeine bey ihnen Statt findet, u. so schöne Gelegenheit zur Pflege der Seelen da ist! Wie erquickt michs doch, wenn ich sehe, wie nach u. nach die Gläubigen in der Kirche, u. die in den Brüdergemeinen sich einander immer lieber gewinnen u. mit einander anfassen, in einen Liebesgrund zu sinken, aus einer Felsenkluft zu trinken, zu gehn auf einer Gnadenbahn! Jezt ist es Zeit, daß Alle, deren Herzen der treue Heiland gefaßt, u. in denen Sein Blut das Uebergewicht [487] erhalten, sich an einander vest anschließen, u. da es nach allen Zeichen der Zeit bereits Abend geworden, dem zur Mitternacht kommenden Bräutigam entgegen gehen. Jezt müssen Gläubige einander ermuntern, erinnern, stärken; jezt müssen wir für Oel in unsre Lampen sorgen, und das wird aus dem Evangelio von Christo u. aus Seinen blutigen Wunden gepreßt. Was die Krämer, die neumodischen Theologen unsrer äusserlichen Kirche, verkaufen, das taugt nicht zum brennen, sondern zum Auslöschen, u. schon der Geruch dieses Marktschreyersöls benimmt den Othem des Lebens.“

Diese kraftvollen u. muthigen Aeußerungen waren der Conferenz um so erfreulicher, da sie aus einer Gegend herkommen, wo man sonst dergleichen nicht viel wahrnimmt. Man beherzigte, wie der Heiland doch noch hie u. da Zeugen der Wahrheit hat, die es treu meinen. [488] Im Verfolg dieser Materie unterhielt Bruder Johann Friedrich Reichel die Versammlung mit Erzehlung lieblicher Exempel, die er davon auf seiner lezten Reise nach Ostindien, in Tranquebar, auf der Cap u. besonders in Kopenhagen wahrgenommen, wo noch verschiedene treue Zeugen der Wahrheit, die von Herzen die lautere Lehre predigen, zu finden sind; und es ist mit Vergnügen wahrzunehmen, daß just die Predigten dieser Männer am stärksten besucht werden.

Mit Beherzigung der tröstlichen Worte unsers Herrn: „Himmel u. Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht“ – u. der Verheißung, die gewiß in die Erfüllung gehen wird: „Große Mengen wird Er zur Beute krigen“ p. wurde diese Session beschlossen.

Die dritte Session

Nachmittags um 2 Uhr wurde mit einem Liebesmahl angefangen, welches Bruder Johannes hielt. Es wurde gesungen: [489] Du segnest ja so gern p. Komm blutiger Immanuel p. Wir wolln uns kindlich freuen p. Der Priester mit dem Oele p.

Chor: Siehe, wie lieblich sind auf den Bergen die Füsse der Boten, die da Friede verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!

Versamlung: Geht Zeugen Jesum mahlen – tragt, o ihr Kreuzesbeuten, durch aller Erden Breiten das Wort von Jesu Todesgang. Wir mit der sämtlichen Blutgemein wolln unaufhörlich des Zeugen seyn, daß im Opfer Jesu allein zu finden Gnade p.

Chor: Darum, daß Seine Seele gearbeitet hat, soll Er seine Lust sehen, u. die Fülle haben p.

Versamlung: Wenn doch der ganze Menschenstand sich Jesu möcht ergeben p. Inzwischen fallen vor Ihm hin, die Er mit Schweiß u. Schmerzen erkauft zu Seinem Kreuzgewinn p.

[490] Bruder Johannes bezeugte darauf den versamleten Predigern seine herzliche Freude, nach seiner Zurückkunft aus Amerika wiederum eine so liebliche Anzahl mit der Brüdergemeine in herzlicher Verbindung stehender Zeugen des Todes Jesu in der Religion beysammen zu sehen. Er habe sich heute recht lebhaft an die erste Predigerconferenz hier in Herrnhut vor 34 Jahren erinnert, u. dem Heiland herzlich gedankt für den Segen, den Er seit der Zeit jedesmal auf diese Zusammenkunft u. die dadurch erneuerte Verbindung, Seinen Tod zu verkündigen, u. Sein Werk mit Treue zu treiben, gelegt habe. So wolten wir uns auch heute aufs neue mit einander verbinden, über der Lehre von der Versöhnung treulich zu halten, u. dem Heiland seinen Schmerzenslohn einzusammlen.

Man unterhielt sich nächstdem von dem ersten Anfang der Prediger-Conferenz in Herrnhut im Jahr 1754, welche mit 6 Predigern gemacht wurde, [491] von denen noch 3 am Leben sind. Zwey davon, nemlich die Brüder Karl Rudolph Reichel in Neukirch, u. Johann Friedrich Reichel, damaliger Prediger in Taubenheim, befanden sich gegenwärtig, der dritte, Pastor Benade in Klix, welcher der Conferenz seitdem gewöhnlich beygewohnt hat, war dieses mal verhindert worden zu kommen, hatte sich aber dem Andenken derselben mit einem herzlichen Gruß bestens empfehlen lassen. Viele Prediger, die sich seit dem ersten Anfang zu derselben eingefunden haben, sind schon in ihres Herrn Freude eingegangen.

Dieses mal waren, wie bereits gemeldet worden, 22 Prediger u. 5 Candidaten zugegen. Mehrere Prediger, die dieser Conferenz sonst beygewohnt haben, waren diesesmal theils durch Krankheit theils durch Amtsverrichtungen daran verhindert worden. Dieses war besonders bey den Predigern von der Schlesischen Grenze der Fall, weil in dasigem Lande heute grade Bußtag war. [492] Man erinnerte sich der Abwesenden in herzlicher Liebe, u. wünschte, daß der Heiland den Segen, welchen Er auf der heutigen Predigerconferenz ruhen lassen, auch ihnen mittheilen wolle.

So gedachte man auch mit brüderlichen Theilnehmen der verschiedenen in andern Ländern mit der Brüdergemeine in Verbindung stehenden Prediger, welche an ihren Orten den Tod des Herrn getrost u. mit Segen verkündigen, z. E. in den Dänischen Landen, wo sonderlich in der Gegend von Christiansfeld eine hübsche Anzahl ist, welche mit der Brüdergemeine auf Einem Grunde der Lehre stehen; u. in Kopenhagen, wo in den Versamlungen unsrer Geschwister zuweilen mehrere zugegen sind; in Schweden, in der Mark Brandenburg, im Elsaß, in den vereinigten Niederlanden, in der Schweiz u. andern Orten. Es wurde dabey die Bemerkung wiederholt, daß [493] fast durchgängig diejenigen Prediger, welche die Lehre von der Versöhnung lauter verkündigen, einen großen Zulauf haben; da hingegen diejenigen, welche eine blos philosophische Moral predigen, oft wenig Zuhörer bekommen.

Bruder Johannes bezeugte ferner, daß er dem Heiland herzlich gedankt habe, bey seinem lezten Besuch in Amerika zu finden, daß Er verschiedene Männer in der Lutherischen u. Reformirten Kirche in dasigem Lande aufgestellt habe, welche den Sinn haben, über der Lehre von der Gottheit Jesu Christi u. seiner Versöhnung zu halten; u. erzehlte, aus dem Munde einiger Prediger die Aeusserungen gehört zu haben: „Jezt müssen Lutheraner u. Reformirte ihre Differenzen vergessen, u. sich mit der Brüdergemeine vereinigen, über der heiligen Schrift, über der Lehre von der Gottheit Christi u. Seiner Versöhnung zu halten; sonst geht die christliche Religion [494] in diesem Lande zu Grunde.“

Als etwas besonders erfreuliches wurde auch angeführt, daß, da zu Lancaster in Nord-Amerika eine neue Akademie errichtet, u. die verschiedenen Stücke des Gottesdienstes zur feyerlichen Inauguration derselben in Deutscher u. Englischer Sprache unter mehrere Prediger vertheilt worden, die Curatoren der Akademie unsern Bruder Herbst ersucht haben, das Gebet in Englischer Sprache vor dem Altar zu verrichten, u. darinn besonders ein öffentliches Zeugnis von der Gottheit Jesu abzulegen.

Bey dieser Gelegenheit wurde von einem Bruder die Anmerkung gemacht, daß in dem Verse: „Es hat sich selbst der wahre Gott für uns verlorne Menschen gegeben in den Tod“ – die drey Hauptwahrheiten des Evangelii: von der Gottheit Jesu Christi, von dem tiefen Verderben des Menschen, u. von unsrer Versöhnung durch den Tod Jesu enthalten wären.

[495] Ein Prediger warf die in den vorigen Conferenzen schon mehrmals vorgekommene Frage auf: Woher es komme, daß bey der allgemeinen Bereitwilligkeit Gottes, alle Menschen in Christo zu Seinen Kindern anzunehmen, u. da das Heil dem einen so wie dem andern erworben sey, dennoch einige selig würden, u. andre verloren gingen?

Man beantwortete diese Frage folgendergestalt: daß die Schuld eben in dem Willen des Menschen zu suchen sey, nach dem Ausspruch des Heilandes: Jerusalem, Jerusalem – wie oft habe ich deine Kinder versamlen wollen, wie eine Henne versamlet ihre Küchlein unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt. Wolte man weiter gehen, u. z. E. fragen: aber warum will dieser, jener aber nicht? so würde man in einen Labyrinth gerathen, aus dem unser Verstand niemals den Ausweg finden könte. Der selige Bischof Amos Comenius hat in einer [496] besondern paraenesi an die alten Brüder, – die in den Schriften des Lasitius zu finden ist – dieselben gebeten, sich niemals mit den Streitigkeiten, welche über dieser Materie unter den Lutheranern u. Reformirten, zum grösten Schaden der Kirche Gottes, entstanden, einzulassen; sondern blos bey den Worten der heiligen Schrift zu bleiben.

Es wurde hierauf

8.) aus einem Schreiben des Pastors B. in C. in der Altmark einiges communicirt. Sein Zeugnis von der Versöhnung Jesu ist nicht ohne Segen, u. er hat eine Anzahl Erweckte, denen er besondre Versamlungen in seinem Hause hält. Er bittet dringend um mehrern Besuch aus der Brüdergemeine, indem er von den bisherigen Besuchen großen Segen verspürt hat.

9.) Pastor W. in S. erinnert sich mit Dank an den Segen, den er voriges Jahr genossen, da er der Predigerconferenz zum erstenmal persönlich beygewohnt [497] hatte. Nach einer sünderhaften Darlegung seines Herzenszustandes schreibt er unter andern: „So wie mein innerer Herzensgang unter der Zucht u. Gnade des heiligen Geistes steht; so kan ichs auch zum Preise Jesu, der da was schafft, wo nichts ist, demüthig u. gebeugt bekennen, daß es auch so mit der Führung meines Amtes ist. Unaufhörlich erinnert mich der heilige Geist daran, daß alles Predigen, Abendmahl halten, Taufen, Krankebesuchen, Kinder informiren müsse mit Jesu Blut besprengt werden. Besonders fallen mir auch oft die Worte Lutheri aufs Herz, wenn ich eine Amtsverrichtung habe: „als handelte unser lieber Herr Christus mit uns selber.“ Oft möchte ich vor Schaam u. Beugung niedersinken, wenn ich gewahr werde, daß Er sich auch in diesem wichtigen Theil mit mir abgibt, u. mich darinn mehr u. mehr durch die Pflege des heiligen Geistes nach Seinem Sinn gestalten will. O wenn doch Ihm zu Ehren all [498] meine Blutstropfen geheiliget wärn pp.“

10.) Pastor D. in M. in Schlesien schreibt unter andern folgendes von sich:

„Soll ich euch meinen Herzens Zustand mit kurzen Worten schildern, so druckt ihn der Vers aus: „Freilich, wenn ich auf Ihn seh’ in der Gottesgröße, u. auf meine menschliche Sündigkeit u. Blöße, fühlt mein Herz Weh u. Schmerz; aber Sein Verscheiden machts voll Trost u. Freuden.“ Meine Amtsführung betreffend, so habe ich unter meinen Zuhörern durch Jesu Gnade zwar jezt Ruhe von aussen, auch Liebe u. Zutrauen, das Evangelium wird mit Ehrerbietung angehört, u. beweiset seine Gotteskraft dann u. wann bey u. an Sterbenden; aber sonst ist seit zwey Jahren keine eigentliche Erweckung zu spüren, worüber ich wol verlegen bin, aber doch nicht so, als ichs – wie ich denke – seyn solte, und wovon ich die Schuld wol in mir zu suchen habe. Die erweckten [499] Seelen, die in Gemeinschaft verbunden sind, u. von den lieben Brüdern in Gnadenberg besucht werden, gehen einen stillen u. mehrentheils erfreulichen Gang. Ich hoffe, mein lieber Heiland wird mich aufs neue anfassen, u. sein Werk in mir u. unter meiner armen Heerde zu Seinem Preise fortführen, u. endlich vollenden.“

Darauf bittet er, ihm folgende Frage zu beantworten: „Wie hat ein erweckter Prediger, der mit lauter widrigen Amtsbrüdern umgeben ist, mit denen er auch dann u. wann zusammenkommt, sich gegen selbige zu verhalten? Ist es gut gethan, wenn er ihnen seinen Sinn darlegt, oder soll er ihren Umgang so viel als möglich vermeiden? Soll er sich gegen sie über seine Verbindung mit den Brüdern, wenn sie darauf anspielen, erklären? mit einem Worte: wie wandelt er recht vorsichtiglich unter ihnen?“

Ein Prediger erklärte sich darüber folgender maßen: Wenn man mit [500] seinem Herzen wahrhaftig am Heilande hange, u. sich an Sein Gnadenreich auf Erden anschliesse, so werde man von vielen dafür angesehen, daß man sich zu den Brüdern halte. Da habe er drey Fälle bemerkt: Viele vermeiden es, sich mit einem solchen Manne bekannt zu machen; 2.) andre suchten sich nachbarlich u. freundschaftlich zu betragen, ohne sich daran zu stossen, mit einem solchen Prediger zu thun zu haben; 3.) Einige wünschten eine nähere Auskunft zu haben, um einen Nutzen für ihr Herz daraus zu ziehen. Was die erste Klasse betreffe, so danke man Gott, daß man von ihnen nicht beunruhigt werde; die zweyte Klasse behandle man freundschaftlich, u. da es ihnen bekannt sey, daß man mit der Brüdergemeine in Verbindung stehe, so suche man nur alle Streitigkeiten darüber mit ihnen zu vermeiden. Bey der dritten Klasse lasse man sichs billig angelegen seyn, ihnen [501] zum Segen zu seyn.

Es wurde in Bezug auf obige Anfrage noch hinzugethan, daß, wenn ein Prediger in den Fall kommt, daß ihn seine Amtsbrüder oder andre, wegen seiner Verbindung mit der Brüdergemeine auf eine feine oder wol gar beleidigende Art mitnehmen, er sich billig zu hüten habe, daß er nicht bey ihnen den Verdacht veranlasse, als ob er sich dieser Verbindung schäme, sondern sich vielmehr getrost dazu bekennen müsse. Denn ein Kind Gottes habe doch gewiß eben so viel Recht sich zu Jesu u. Seiner Sache zu bekennen, als diejenigen, die dem Evangelium nicht gehorsam werden, haben, ihre principia u. Gesinnungen öffentlich an den Tag zu legen. Ausserdem lehre die Erfahrung, daß wenn jemand nur das erstemal frey heraus erklärt habe, er stehe in Verbindung mit der Brüdergemeine, so werde er gemeiniglich darüber nicht weiter angeredet; [502] solte es aber auch in der Folge noch mehrmalen geschehen, so sey es alsdann nicht unrecht, dazu stille zu schweigen. Es erzehlte ein anwesender Prediger bey dieser Gelegenheit, wie er blos deswegen, weil er sich nicht gegen die Brüdergemeine habe erklären wollen, seines Amtes entsezt worden sey; ob er aber gleich gesehen habe, daß seine Weigerung diese Folge haben würde, so habe er dennoch nicht anders gekonnt, weil ein anderes Verfahren wider sein Gewissen gewesen seyn würde.

Nun kam

11.) ein Schreiben des Pastors H. in R. vor.

Dieser Bruder ist seit mehr als 20 Jahren ein beständiges u. sehr actives Mitglied der Predigerconferenz gewesen, war aber dieses mal durch Alter u. Schwachheit verhindert worden zu kommen. In seiner Amtsführung hat er manches zu leiden gehabt, ist aber dabey getrost. Zu seiner sehr weitläuftigen [503] Kirchfahrt gehören auch mehrere Herrschaften, u. es ist daselbst die Gewohnheit eingeführt, daß die Kinder dieser Herrschaften nicht in der Kirche sondern zu Hause getauft werden. Vor geraumer Zeit wurde ihm zugemuthet, daß er in der bey solchen Gelegenheiten zu haltenden Rede, des Todes Jesu nicht gedenken möchte. Nun fiel zu Anfang dieses Jahres eine solche Taufe vor. Er schreibt davon: Es waren verschiedene zugegen, die auf mich hielten, ob sie mich in der Rede fingen. Es kam also abermals auf ein Bekenntnis an; ich zeigte demnach in der Rede, daß Petrus im Hause Cornelii vor der Taufe den Tod Jesu verkündigt hätte. Zu dieser Predigt hätte sich der heilige Geist bekannt, alle Zuhörer an Jesum gläubig gemacht, u. sie mit ausserordentlichen Gaben ausgerüstet; u. darauf hätte Petrus seinen 6 Brüdern befohlen, an ihnen die heilige Taufe zu [504] verrichten. Diesem Beyspiel wolte ich folgen u. s. w.

Er gedenkt ferner in seinem Schreiben eines schönen Zeugnisses von der Brüder Gemeine in einem Werke des D. Leß (Primarii der Theologie in Göttingen) „Ueber die Religion, ihre Geschichte, Wahl u. Bestätigung.“

Da bey dieser Gelegenheit der Grönländischen u. Westindischen Missionsgeschichte Erwähnung geschahe: so äusserte man die freudige Hofnung, daß die gegenwärtig unter der Presse befindliche Geschichte der Brüdermission unter den Indianern in Nord-Amerika, an vielen Herzen gesegnet seyn werde. Keine andre Heiden-Gemeine habe so viele Leiden ausgestanden, u. so viele Bewahrungen Gottes erfahren. Was D. Luther einmal sage: „Satan blase immer die Backen auf, um das Licht des Evangelii auszublasen“ – das habe diese Gemeine von Anfang an empfunden.

[505] 12.) Aus einem Schreiben des Pastors G. in V. in der Niederlausiz, welcher sich dem Andenken der Prediger Conferenz (der er zweymal persönlich beygewohnt hat) herzlich empfiehlt, wurde der Schluß gelesen: „Lieben Brüder es ist doch etwas ganz besonders, daß der Heiland uns, grade uns wenige, aus den Evangelischen Religionen genommen, u. mit Seiner Brüdergemeine, die gewiß zum Segen auf Erden gesezt ist, in Connexion u. Verbindung gebracht hat. Wir wollen das doch auch recht erkennen, u. darauf denken, u. es uns von Ihm selbst ausbitten, daß wir Ihm recht dankbar dafür seyn mögen; aber wir wollen auch in Verbindung mit der lieben Brüdergemeine treu dienen. Hier habt ihr meine Hand, ich will; wolt ihr auch? Wir wolln beym Kreuze bleiben p.“

Diese lebhafte Aufforderung machte eine durchgängige Bewegung unter den anwesenden Predigern, welche die [506] an sie gethane Frage: wollt ihr auch? mit einem freudigen Ja beantworteten.

13.) Von dem Candidaten K. in L., der daselbst im Waysenhause Lehrer ist, war ein ausführliches Schreiben an die Prediger Conferenz eingelaufen. Er besucht fleißig in Neu-Dietendorf, u. wurde dem Gebet u. Andenken sämtlicher Prediger herzlich empfohlen.

Man beschloß diese Session mit dem Verse: Du wollst uns geben, daß Dir Geist, Seele u. Leib u. Leben zum Preise sey.

Vierte Session.

Ges: Mit deiner lieben Nähe segne uns, lieber Herre Gott!

Auf die von Bruder Joseph vorgelegte Frage: – Ob diese Predigerconferenz, als eine geschlossene Gesellschaft mit einander verstandener Brüder, gewisse Schranken habe, so daß nicht ein jeder andrer nach Gefallen derselben beywohnen dürfe, z. E. solche Leute, von denen Paulus redet: [507] als die sich einschleichen, unsre Freyheit zu erkundigen? – äusserte man sich dahin: Es sey freilich am besten, wenn alle, die sich in der Conferenz zugegen befinden, von Herzen miteinander einverstanden wären; indessen könne nicht nur der Fall vorkommen, sondern habe sich auch schon ereignet, daß etwa ein Prediger der Conferenz einmal aus Curiosität beywohnte, hernach aber einen solchen Segen davon trug, daß er in der Folge ein beständiges mit den übrigen Brüdern innigst verbundenes Mitglied derselben wurde. Man wolle also niemanden den Zutritt versagen, nur erwarte man, daß er sich vorher entweder selbst oder durch eins der gewöhnlichen Mitglieder gehörigen Orts dazu anmelde.

Hierauf wurde

14.) aus einem gemeinschaftlichen Schreiben der Prediger T. in G., V. in S. u. H. in S., sämtlich in Graubündten, folgende Frage des erstern vorgelegt:

Wenn einer auf dem Todtenbette [508] sagt: ich habe Vergebung meiner Sünden erlangt – soll man es glauben, wenn er dabey finster, kalt u. zum Lobe Gottes wie ein Stummer aussieht? oder ist es nöthig, mit aller Vorsicht ihm die Unmöglichkeit zu zeigen, daß ein begnadigter Sünder ohne Freude, ohne Beschämung u. ohne Dankbarkeit, ja ganz gefühllos der Ewigkeit entgegen gehen könne? – u. dabey angemerkt:

Es sey wirklich zuweilen schwer, klar darüber zu werden, ob man einer solchen Versicherung glauben solle oder nicht. Denn einerseits könne manchmal die Krankheit mit daran Schuld seyn, daß der Kranke nicht so heiter aussieht, als es die Gewißheit der Vergebung der Sünden sonst mit sich zu bringen pflegt; andrerseits glaube vielleicht mancher an derselben nicht zweifeln zu dürfen, weil sie ihm, der gottesdienstlichen Einrichtung nach, z. E. bey der Beichte öfters ertheilt worden ist. Ja es wurden wirklich Fälle angeführt, da der Prediger [509] der Versicherung des Kranken nicht hat glauben wollen, u. der lezte gleichwol auf diese seine Ueberzeugung selig aus der Zeit gegangen ist. In andern Fällen, wovon Pastor Reichel aus Neukirch einen ihm erst ganz kürzlich vorgekommenen erzehlte, findet man wiederum, daß die Gnade Gottes einen unbußfertigen Menschen, der vor der Menschen Augen unbescholten gelebt hat, u. deswegen mit Freudigkeit zu sterben zu können glaubt (wenn er gleich zugibt, daß er wol einmal aus Schwachheit gefehlt haben könte) am Ende doch noch zu einem wirklich bußfertigen Sünder macht. Viel mit dem Kranken zu expostuliren, wird hier überhaupt nicht helfen, sondern der Prediger nutzt von dem ihm etwa bekannten Lebenswandel desselben, so viel sich nach den Umständen thun läßt, merkt dabey auf die Leitung des heiligen Geistes, u. überläßt das übrige der Gnade Gottes.

Einer von bemeldeten Predigern schreibt:

[510] „Als ich die Erweckten (meines Kirchspiels) in ihren Versamlungen besuchen wolte, so bedeuteten sie mich, es unterwegens zu lassen, indem mein Besuch eine Veranlassung seyn würde, daß die Gemeine sich darüber empörte, u. mich wegschicken möchte: denn den Versamlungen war sie je u. je gram. Den Gutgesinnten wäre es aber leid, wenn sie ihren Evangelischen Prediger missen müßten. Sie seyen zufrieden, wenn sie nur meinen Predigten u. Kinderlehren beywohnen könten, denn darinn sey Anweisung genug zur ewigen Glückseligkeit. Das waren ihre oft wiederholte Aeusserungen gegen mich, wenn ich meinen Wunsch, ihren Versamlungen beyzuwohnen, bezeugte. Ja sie versicherten mich, es würde ihnen nicht wohl dabey seyn, wenn ich nur einmal sie besuchte. Nun weiß ich nicht, was ich hierin weiter vornehmen soll: ob es rathsam wäre, mich ihnen wider Willen aufzudringen?“

[511] Hierauf antwortete man kurz:

Unter solchen Umständen (zumal, wie man zur Erläuterung anführte, dortige Gemeinen einen Prediger, gegen den sie etwas zu erinnern haben, per plurima absetzen, oder nach dem dort üblichen Ausdruck, abmehren können) ist es beßer, daß der Prediger den Besuch der Versamlungen unterläßt.

In den Schluß des besagten gemeinschaftlichen Schreibens: „Von uns drey Brüdern ist es vor dem Angesichte des Herrn ausgemacht, daß uns Gott bewahre vor einer andern Lehre, als der von Jesu Kreuze, u. solten wir alles darüber verlieren“ – stimmte die ganze Conferenz von Herzen ein, mit den Worten des seligen Lutheri: Nehmen sie uns den Leib, Gut, Ehr, Kind u. Weib, laß fahren dahin, sie habens kein’n Gewinn; das Reich Gotts muß uns bleiben.

Es folgte nun

15.) ein gemeinschaftliches Schreiben von 4 Predigern u. 4 Candidaten im [512] Canton Basel. Sie schreiben unter andern: „Sobald es hier bekannt wurde, daß in diesem Jahre die Prediger Conferenz in Herrnhut einige Wochen früher als gewöhnlich gehalten werden solte; so entstund bey uns der sehnliche Wunsch, daß wir uns auch um etwas früher beysammen sehen könten, um die Gelegenheit nicht zu versäumen, auch diesesmal schriftlich u. gemeinschaftlich vor euch zu erscheinen, damit doch die wichtige Verbindung, in die uns der liebe Heiland mit euch, Seinen Arbeitern in seinem Weinberge, gebracht hat, nicht Abbruch leiden möchte. Der liebe Heiland ließ es uns auch gelingen, und keiner von uns wurde verhindert, sich bey der Zusammenkunft, die wir auf die Woche Reminiscere verabredet hatten, einzufinden. Zu unserm Vergnügen wohnte derselben auch unser lieber Bruder Johann Christian Grasmann bey, welches dann besonders denen von uns, die von der Stadt ziemlich entfernt wohnen, ein [513] angenehmer Anlaß wurde, mit diesem lieben Bruder in nähere Bekanntschaft zu kommen. Mit innigem Dank gegen den lieben Heiland u. tiefer Beschämung müssen wir bekennen, daß sich die schöne Losung am Tage, da wir beysammen waren: „Von diesem Tage an will ich Segen geben“ – reichlich unter uns erfüllt hat. Nachdem wir uns brüderlich u. offenherzig über unsern Amtsgang u. über unsern Beruf, dem Heiland am Evangelio zu dienen, u. Seine Kinder u. das Werk Seiner Hände zu Ihm zu weisen, unterredet, fanden wir Anlaß Ihm für gar manches, das Er auch in diesem Jahre an uns gethan hat, von Herzen zu danken. Er hat uns durch seine mächtige Gnade bey der gesunden Lehre des Evangelii erhalten, u. uns durch Seinen heiligen Geist, u. durch die uns so schätzbare u. gesegnete Verbindung mit dem lieben Brüdervolke, von den unseligen Abwegen der Vernunft u. der Weltweisheit bewahret. [514] Er hat uns nicht nur für unsre arme Herzen, sondern auch in unserm Zeugnis, bey dem einigen Heilsgrund in Seinem blutigen Versühnopfer erhalten, u. uns dabey reichlich gesegnet. Die uns allen große Gnade, Sein theures Evangelium öffentlich u. privatim an unsern Orten zu verkündigen, hat Er uns ohne die geringste Hindernis, ja mit getrostem Herzen u. freudigem Muthe gewähret; und das Zeugnis von dem Heil in Christo für alle arme Sünder war bey den meisten unter uns mit sichtbarem Segen begleitet. Die Liebe der uns anvertrauten Seelen hat Er uns geschenkt, u. den Frieden mit jedermann erhalten.

Daß uns der liebe Heiland mit der Brüdergemeine nicht nur in Verbindung gebracht, sondern auch in derselben aus Gnaden erhalten, u. uns auch in diesem Jahre durch die Mittheilung der Gemeinnachrichten an der Gnade, die [515] Er ihr täglich u. reichlich zu Theil werden läßt, unsern Antheil gegeben; daß Er den Bund des Friedens, u. der herzlichen Liebe u. Einigkeit unter uns noch mehr bevestigt hat; daß Er denjenigen Brüdern unter uns, denen Er eine speciellere Seelenpflege durch Bedienung der an ihren Orten entstandenen verbundenen Häuflein aufgetragen, oft über Erwarten gnädiglich durchgeholfen, wenn sich bey manchen zu machenden Einrichtungen Schwierigkeiten zeigten – Das sind lauter Materien zum loben u. danken gegen den lieben Heiland. Da auch die meisten von uns Gelegenheit gehabt haben, während dem Aufenthalt des lieben Bruder Risler san senior im Oct. des verwichenen Jahres in Basel, mit ihm über ihren Amts- u. Herzens-Gang ausführlich zu sprechen; so sind wir auch für den Segen, der uns durch diese Unterredungen zugefloßen, recht dankbar.

Bey der vorjährigen Zusammenkunft [516] hatten einige von uns den Wunsch geäussert, daß man mehr Gelegenheit suchen möchte, sich auf dem Lande der Jugend mehr anzunehmen, welches aber an einigen Orten, weil die Dörfer zuweilen ziemlich weit auseinander liegen, mit Schwierigkeiten verknüpft war.

Desto erfreulicher war es diesesmal von allen Brüdern zu vernehmen, daß der liebe Heiland im verwichenen Sommer an den meisten Orten gleichsam selbst Bahn dazu gemacht hatte, indem die Kinder selbst nach mehrerem Unterricht begierig wurden. Der Heiland hat diesen geringen Anfang mit Segen begleitet, u. Hofnung zu mehrerem Gedeihen geschenkt.

Wie wir auf unsern eignen Herzens-Gang zu reden kamen, so gab uns der Heiland Gnade, uns vor Ihn so hinzustellen, wie wir uns eben fanden, als arme Sünder, die gebeugt über ihr vielfältiges Zurückbleiben keinen andern Rath wissen, als sich Ihm mit allem [517] Elend u. Sündigkeit ganz aufs neue zu ergeben, mit uns zu machen, was Ihm beliebet, u. von uns zu nehmen, was Ihn betrübet. Wir müssen es Ihm zum Preise bekennen, daß Er uns Sein gnädiges Bekenntnis zu uns Seinen armen Dienern, Sein Wandeln in unsrer Mitte, u. Sein Vielvergeben hat inne werden lassen. Auch gegen einander fühlten wir eine neue theilnehmende Liebe, u. zärtliche Verbindung der Herzen.“

In diesem Schreiben meldet ferner jeder Bruder etwas von seinem eignen Gange.

Bruder A. B. bezeugt, daß er durch die Hausbesuche, die er diesen Winter hindurch fleißiger machen konte als andre Jahre, viele liebliche Beweise der Gnadenarbeit des heiligen Geistes an den Seelen wahrgenommen habe. Da in voriger Zeit die Bewohner seiner beyden Dörfer für recht ausgelassene Leute passirten, so sieht Er es als eine liebliche Wirkung des Evangelii, welches er bey allen Anlässen [518] öffentlich u. privatim verkündigt, an, daß der ungezogenen u. schlechten Leute immer weniger werden, als welches selbst von der Obrigkeit bemerkt worden. Auch bey natürlich gesinnten Leuten zeigt sich mehr Hochachtung gegen die heiligen Sakramente u. das Wort Gottes. Wenn gleich die dasigen verbundenen Häuflein an der Zahl nicht merklich zugenommen, so merkt man doch, daß sie in der Erkenntnis des Heilandes u. ihrer selbst wachsen. Die bey der vorjährigen Confirmation angefaßten Kinder bleiben in einem guten Gang, u. besuchen ihn von Zeit zu Zeit.

Bruder S. E. findet den Gang seiner Gemeine ziemlich dem vorjährigen ähnlich, ausser daß sich 3 erwachsene Personen zur Societät hinzugefunden. Bey den Hausbesuchen zeigt sich ebenfalls, daß der Same des Evangelii nicht aller Orten auf steinigtes Erdreich fällt. Verschiedene Krankenbesuche sind sichtbar gesegnet worden, u. es läßt sich [519] hoffen, daß hie u. da eine Beute für den Heiland gewonnen worden. In seinem Orte hat der Herr zum Unterricht der Kinder selbst Bahn gemacht: er widmet ihnen wöchentlich einen Nachmittag, u. die 40 bis 50 Kinder, die ihn mit großer Freude besuchen, geben ihm gegründete Hofnung eines künftigen Segens.

Bruder N. J. bemerkt in seiner Kirchfahrt ins Ganze keine Veränderungen, ausser daß die Predigten an Sonntagen fleißiger u. mit mehrerer Aufmerksamkeit besucht werden. Bey einem Besuch der Geschwister Grasmanns in R. hat die Einrichtung getroffen werden können, daß beynahe mit der ganzen Zahl, die ehemals die allgemeine Versamlung ausmachten, von der Zeit an, auf ihr inständiges Bitten, die Gemeinnachrichten gelesen werden. Im vorigen Sommer wurde auch ein Religions-Unterricht der Kinder angefangen, wobey auserlesene biblische Geschichten zum Grunde gelegt werden, und es besuchen [520] diese neue Anstalt 30 bis 35 Kinder. Diese Arbeit wird ihm zu einer recht angenehmen Beschäftigung.

Bruder A. P. erkennet mit Verwunderung u. Dankerfülltem Herzen, wie vieles der Herr seit einem Jahr an ihm u. der ihm anvertrauten zahlreichen Gemeine gethan hat. Seine Predigten, auch an den Wochentagen, werden zahlreich u. aufmerksam besucht. Bey Besuchen in den Häusern wird er den Segen des Evangelii mehr als noch je gewahr; und es ist eine neue Gnadenregung unter den Kindern u. jungen Leuten entstanden, so daß sich in einem seiner Dörfer 20, u. in einem andern eine noch größere Anzahl, meistens Mädchen, zur allgemeinen Versamlung eingefunden, die er einer soliden erwachsenen Person ihres Geschlechtes zur nähern Pflege anbefohlen. Es regt sich eine herzliche Liebe u. Vertrauen unter ihnen, u. sie äussern sich oft recht artig [521] gegen einander. Auch 10 bis 12 Jünglinge sind von der Gnade aufs neue kräftig ergriffen worden. In einem abgelegenen Orte, da die Leute wenig zur Kirche kommen, u. wo noch große Unwissenheit herrscht, hat er eine Unterrichtsstunde für Kinder errichtet, bey welcher auch den Erwachsenen der Zutritt gestattet ist, u. nicht nur in kurzer Zeit einen Wachsthum in der buchstäblichen Erkenntnis, sondern zu seiner großen Freude Spuren der Gnade wahrgenommen. Dieser gesegnete Anfang macht ihm Muth, in einem andern ebenfalls entlegenen Orte unter des Heilands Leitung eine ähnliche Einrichtung zu treffen. Von den vorjährigen Confirmanden halten sich einige zu den Versamlungen, andre gehen sonst einen stillen Gang. Da von den 36 jungen Leuten, die zum heiligen Abendmahl unterrichtet werden, schon 6 als gründlich erweckt angesehen werden können, so arbeitet er auch da mit Hofnung.

[522] Der Candidat Bruder G., dem von dem Pfarrer, bey dem er sich noch immer als Informator aufhält, der öffentliche Kinder-Unterricht u. manche andre functionen übertragen sind, erfährt, daß sich der Heiland zu dem bekennt, was er in Seinem Namen thut. Einige Seelen sind erweckt worden, u. haben sich an eine Brüder-Societät in der Nähe angeschlossen.

Bruder P. L. ist gegenwärtig Hauslehrer bey Geschwistern, u. hat ausser dem Hause Kinder zu unterrichten, u. hin u. wieder zu predigen.

Bruder E. R. ist seit kurzem Vicarius an einer Kirche in der Stadt geworden, und hat oft Gelegenheit zahlreichen Versamlungen das Evangelium zu verkündigen.

Der Bruder J. S. widmet sich noch den Studiis auf der Universität Basel.

Dieses Schreiben enthielt hiernächst folgende Fragen:

a.) Wie ist sich gegen Leute zu verhalten, die man als gründlich erweckte u. von der Gnade angefaßte Seelen ansehen [523] kan, u. darum sehr wünschte, daß sie zur Bevestigung ihres Sinnes in Gemeinschaft mit andern Erweckten kommen möchten? Das kommt einem zuweilen schwer vor, daß solche Leute die Nothwendigkeit der Gemeinschaft nicht einsehen; und doch läßt es sich nicht thun, sie zum Anschluß an das verbundene Häuflein aufzufordern?

Antwort: Man hat sich hierüber schon in vorigen Prediger Conferenzen mit mehrerm erklärt, u. sezt nur noch hinzu: Das Samlen ist eigentlich nicht unsre, sondern des heiligen Geistes Sache; noch weniger können wir jemanden zur Gemeinschaft nöthigen: sondern alles, was wir dabey thun können, ist, daß wir die schon Verbundenen ermahnen, so zu wandeln, daß andre gereizt werden, an dem Vergnügen u. Segen, welche ihnen ihre Verbindung gewährt, auch Theil zu nehmen; und daß wir alles dasjenige, was dem Zweck zuwider unter der verbundenen Gesellschaft aufkommen will, u. andre abschrecken oder ihnen zum Anstoß seyn kan, so [524] viel an uns ist, aus dem Wege zu räumen suchen. Wenn dann auf die Art das Licht auf den Leuchter gesezt ist, so wird schon alles, was Licht sucht, von selbst kommen.

b.) Wie ist sich an denen Orten, wo keine allgemeine Versamlungen existiren, gegen solche Seelen zu verhalten, die dringend u. wiederholt um die Aufnahme in die Versamlungen anhalten, denen man zwar nichts unrichtiges vorzuhalten weiß, auf der andern Seite aber keine wahre Verlegenheit ums Seligwerden spürt?

Man erinnerte hiebey: Wenns möglich wäre, so solte an allen Orten, wo sich eine verbundene Gesellschaft befindet, die ihre besondere Versamlungen hat, ausser denselben noch eine vestgesezte allgemeine Versammlung seyn, zu welcher niemanden, der sich gehörig meldet, u. wenn er das erstemal auch nur aus Neugier käme, der Zutritt versagt würde. Dabey lernt man die Leute erst beßer kennen, u. geht dann, wenn [525] sie um noch nähere Gemeinschaft bitten, desto sicherer; ob es gleich nicht anders seyn kan, als daß man auch dabey öfters etwas wird wagen müssen.

c.) Wie ist sich bey Leichenreden solcher Personen zu verhalten, die nach einem bis zum Sterbebette geführten offenbar schlechten Wandel noch da von der mächtigen Gnade Gottes ergriffen, nach allen deutlichen Zeichen selig aus der Zeit gehen, u. gleichsam als aus dem Feuer gerettete Brände anzusehen sind? ob man solche Fälle auf der Kanzel den Zuhörern vortragen solle, wiewol mit Vorsicht, oder ob es besser sey, davon öffentlich gar zu schweigen, damit nicht rohe u. freche Sünder dadurch sicher gemacht werden?

Hiebey, antwortete man, kommt viel darauf an, daß – da der Zweck der Leichenreden, wenn man es recht bedenkt, überhaupt nie seyn kan, die Verstorbenen zu rühmen, sondern den Lebenden ein Wort zum Herzen zu reden – man die [526] Leichenreden nur diesem Zweck gemäß einrichte, u. also bey Personen erwähnter Art wegen ihrer Bekehrung nicht sie selbst preise, oder, wie der selige Ordinarius frr. sich einmal in einer PredigerConferenz ausdruckte, in so fern die große Glocke laute; sondern vielmehr nicht unerinnert lasse, wie sehr sich der Verstorbene durch sein vorheriges ganzes Leben selbst geschadet habe, u. vornehmlich Gott die Ehre gebe, u. deßen Gnade u. Langmuth rühme, der dem ohnerachtet sich über ihn erbarmet u. ihn – wie den Schächer am Kreuz, dessen Beyspiel uns doch in der heiligen Schrift ausdrücklich aufbehalten worden ist – selig gemacht habe. Ist es doch auch die Gnade Gottes allein, durch welche auch diejenigen, die ihrem Zuge früher folgten, selig wurden; so daß man in Leichenreden überhaupt nicht sowol den Lebenswandel der Verstorbenen, als die ihnen widerfahrne Barmherzigkeit im Auge haben solte. (Matth. 20,5-16.) Uebrigens wird ein Prediger immer am [527] sichersten gehen, wenn er in jedem besondern Falle auf die Leitung des heiligen Geistes Acht hat, u. sich vom Herrn die nöthige Weisheit erbittet.

Sodann wurde

16.) das anmerklichste aus einem Schreiben des Pastors B. in L. gelesen, welcher unter andern berichtet, daß Pastor S. in B. sich seiner schwächlichen Gesundheit halber seit einiger Zeit ein derselben angemeßeneres u. stilleres Plätzchen gewünscht habe, da er sich nemlich nicht im Stande findet seinem bisherigen sehr mühsamen Posten in allen Theilen so, wie er gern wolte, vorzustehen; und daß ihm der Heiland dieses nun in L. anweisen zu wollen scheine, nachdem zuerst er (Pastor B.) selbst sich willig gefunden, den Posten des Bruders S. mit dem seinigen zu vertauschen, u. dann auch beyderseitige Obern die Hände dazu geboten haben. Uebrigens haben diese beyden Brüder schon mehrmalen an die Prediger Conferenz geschrieben, u. es liegt ihnen an, [528] den ihnen anvertrauten Seelen zum Segen zu seyn.

Endlich wurde noch aus einem andern Schreiben die Frage vorgelegt: Was ein Prediger zu thun habe, wenn eine oder andre üble Nachrede von ihm in seiner Gemeine herumgeht?

Hierinnen ist nicht immer so leicht zu rathen, zumal wenn etwa der Prediger durch Unvorsichtigkeit selbst zu dem bösen Gerüchte Anlaß gegeben hätte, welches zuweilen wol geschiehet. Ein wahrer Diener Jesu aber sieht in dem Falle am besten auf seinen lieben Herrn, u. läßt sich von Ihm leiten; predigt indessen, weil er ein gut Gewissen hat, getrost fort, u. kan zuversichtlich hoffen, daß der Heiland den Ungrund der üblen Nachrede schon werde offenbar zu machen wissen.

Nach den Umständen kan sich der Prediger allenfalls gegen diejenigen in seiner Gemeine, die ihm davon sagen, darüber erklären; u. zuweilen wird auch von Herrschafts wegen nöthig gefunden, eine Untersuchung zu veranlassen.

[529] Zum Schluß der diesmaligen Conferenz vereinigte man sich, den Tod des Herrn ferner mit Freuden zu verkündigen, sich den Trost aus demselben fürs eigne Herz alle Tage erneuern zu lassen, u. in diesen mißlichen Zeiten sich so vest an den Heiland zu halten, u. Ihn sich so zu nutze zu machen, daß man Ihn zwar keinem leugne, sich Ihn aber vor allen andern eigne; daß man seiner Sache gewiß sey, wenn auch niemand mehr in der Welt wäre, der an Ihn glaubte; nicht in dem Geiste, mit welchem Petrus sagte: Und wenn sich alle an Dir ärgerten, so will doch ich dich nicht verleugnen; sondern in dem Sinne der Worte Pauli: Nicht, daß ichs schon ergriffen habe; ich jage ihm aber nach, ob ichs ergreiffen möchte, – das ist, in Demuth u. Niedrigkeit des Herzens. Dieser Glaube an Ihn, bey welchem man, aller Mängel u. Gebrechen ja aller Sündigkeit ohnerachtet, auf die grösten Verheißungen rechnen kan (Off. 3,14-21.) – diese herzliche Liebe eines jeden zu Ihm, erkannte man auch für das vesteste [530] Band der Bruderliebe, in welcher der Glaube sich als dann auch thätig beweiset.

Bruder Joseph faßte dieses folgendermassen zusammen: Was Paulus sagt: ich glaube alle dem, was geschrieben ist in den Propheten – dazu können wir setzen: und alle dem, was im Neuen Testamente von unserm Herrn u. Heiland durch seine Apostel geschrieben ist. Dabey müssen wir in unsern Tagen vestiglich bleiben, u. uns dazu fürs erste auf Leben u. Tod verbinden: so wie ehedem gar manche Zeugen der Wahrheit dieses ihr Glaubensbekenntnis mit dem Tode besiegelt haben.

Das andre ist dann dieses, den Heiland zu unserm einigen Augenmerk zu machen, uns Ihm so zu geben, daß alle unsere Kräfte, alle unsre Blutstropfen, unser ganzer Leib Ihm geweihet sey, und um Seinetwillen alles unser Thun, unser Reden, unser Ruhen u. Arbeiten, unser Essen u. Trinken u. was wir vornehmen, alles um Jesu willen geschehe. Da wird dann auch das erfolgen, daß [531] wir einander werden recht herzlich lieb haben, u. auch in der Abwesenheit in der Liebe bleiben.

Ges: Gib uns allen, die so herzlich gern möchten wallen nach dem Sinn des Hern – gib uns diesen hellen Morgenstern. Uns’r Geist sey Dir heut aufs neue geweiht p.

Gebet: O Du unser so hoch verdienter Herr u. Heiland: So nimm dann unsern herzlichen Dank an für Dein gnädiges Walten unter uns, und daß Du uns durch Deinen heiligen Geist an so manche schöne Gotteswahrheit erinnert hast. Du wollest nun Gnade geben, daß wir alle, ein jegliches unter uns, aufs neue mit Dir zusammenfließen, daß Du durch dein Wort u. durch deinen Geist in uns mächtig regierest. Gib uns allen, u. einem jeden insonderheit, ein einfältiges Herz u. Auge, nichts zu suchen u. nichts zu lieben als Dich allein, u. alles um Deinetwillen. Lehr uns wandeln, wie Du wandeltest, lehr uns handeln, wie Du handeltest, alles [532] unser Thun u. Wort sey zu jeder Zeit u. Ort, Lamm! in Deiner Aehnlichkeit gethan. O Herr Jesu Christe, schenke uns auch die Gnade, treue Zeugen Deiner Gottes-Wahrheit zu seyn; und wenn wir auf Dich, auf dein Leiden, auf deine Versöhnung weisen, so bekenne dich zu unserm Zeugnis in den Herzen durch den heiligen Geist. Laß dir dein ganzes Werk auf dem Erdboden empfohlen seyn, alle Schäflein deiner Heerde wollest Du aufs neue auf dein Herz nehmen, u. wollest Dich eines jeden annehmen nach seiner Nothdurft. Wollest Dich auch der armen Welt erbarmen, für die Du auch dein Blut vergossen, u. dein Leben gelassen hast; denn Du bist ja der Heiland aller Menschen, u. sonderlich deiner Gläubigen.

Herr Jesu, habe auch Dank für die Ruhe u. den Frieden, den wir mit einander genossen haben, auch von aussen. Segne unsre liebe Obrigkeit, daß wir unter Ihr ein geruhiges u. stilles [533] Leben führen in aller Gottseligkeit u. Ehrbarkeit. Wende ab von unsrer lieben Obrigkeit alles, was schädlich ist, und gib Ihnen Gedanken des Friedens u. des Heils für das ganze Land. Lieber Heiland! verherrliche dich immer mehr in unsern Herzen, u. laß uns wachsen u. zunehmen in deiner Gnade u. in deiner Erkenntnis. Breite aus dein Evangelium, u. laß es deinem Worte gelingen gegen alle diejenigen, die demselben widerstehen. Denn es ist ein zweyschneidiges Schwerdt, das aus deinem Munde gehet, das durchdringt, bis daß es scheide Seel u. Geist, auch Mark u. Bein. Herr, laß es deinem Worte allenthalben gelingen, Amen.

Ges: Wir sagen Amen, u. das bleibt ewig wahr, daß wir dem Namen geweiht sind ganz u. gar, der uns mit Liebe überwunden, und dazu haben wir uns verbunden.

Unter diesen lezten Worten ertheilte man sich den Friedenskuß, worauf zum [534] Schluß gesungen wurde:

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, u. die Gemeinschaft des heil’gen Geistes sey mit uns allen. Amen.

P. S. Da die Predigerconferenz diesesmal früher als sonst gehalten worden, so sind etliche Briefe an dieselbe zu spät eingelaufen; sie werden aber bis zur nächsten Predigerconferenz aufbehalten u. sodann zum Vortrage gebracht werden.

Anmerkungen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: consuliren
  2. Vorlage: Sündergehimnis
  3. Fisch (lat. Scorpius marinus)
  4. erster Theologe innerhalb der Brüdergemeine, hier Zinzendorf (seit 1744)
  5. Amt für die Betreuung der äußerlichen Angelegenheiten der Gemeine (Wirtschaft, Beziehungen zur Obrigkeit und Ordnung in den Gemeinen); Mitglieder waren Gehilfen der Bischöfe
  6. Vorlage: Evangeliun
  7. Vorlage: Kirchleuleuten
  8. Vorlage: Evangeliun
  9. Vorlage: principinm