Gemein-Nachrichten - Beylagen I-IV 1788,5
I. Lebensläufe einiger heimgegangenen Geschwister: 1) der verwitweten Schwester Christiane Elisabeth Erxleben 2.) der ledigen Schwester Lucretia v. Albertini 3.) des Witwers Ludwig Dietrich Mayer, 4) der ledigen Schwester Christiane Friederike Sophie v. Schulenburg.
II. Von Grönland.
- 1.) Aus dem diario von Neu-Herrnhut vom Sept. 1786 bis Jun. 87.
- 2.) Bericht der Geschwister Möhnes von ihrem Aufenthalt unter den auswärtigen Geschwistern in u. um Kangek.
III. Von Antigoa.
- Aus dem diario von Gracehill vom Ende Jul. 1786 bis Jun. 87.
[2]
1.) Die verwitwete Schwester Christiane Elisabeth Erxleben geb. Wilhelmi (in Gnadenfrey) hat von ihrem Gang durch diese Zeit nichts schriftliches hinterlassen, u. pflegte immer zu sagen, wenn man auf ihren Lebenslauf zu reden kam: „Ich brauche keinen Lebenslauf zu schreiben; an mir u. meinem Leben ist nichts auf dieser Erd, u. es wird am Ende doch nur heissen: Da kommt ein’ arme Sünderin her, die gern fürs Lösegeld selig wär“. Es ist daher nur folgendes kürzlich anzumerken: Sie wurde d. 16 Sept. 1723 zu Barby geboren, wo ihr Vater Chr. Friedrich Wilhelmi Bürgermeister war. Von ihm u. ihrer Mutter Anna Dorothea geb. Hoyerin, die ein gottesfürchtiges Leben führten, genoß sie eine gute Erziehung, wofür sie öfters eine besondere Dankbarkeit äusserte. Anno 1742 trat sie mit ihrem seligen Mann, Gottfried Konrad Erxleben, [3] einem Kaufmann, in die Ehe, welche Gott mit 9 Kindern segnete, wovon noch 4 Söhne u. 2 Töchter am Leben sind. Als anno 1748 die ersten Brüder nach Barby kamen, hatte sie das Vergnügen, dieselben in ihrem Hause zu bewirthen; u. das war die Gelegenheit, daß sie die Brüdergemeine kennen lernte, u. sie herzlich lieb gewann. D. 13. Nov. 1752 wurde sie in die Gemeine aufgenomen, u. d. 19. April 1753 gelangte sie mit derselben zum heiligen Abendmahl. Viele Jahre lang hatten damals diejenigen, die aus der Stadt Barby entweder Mitglieder der Brüdergemeine wurden, oder sich als eine Societät an dieselbe anschlossen, viel Haß, Verachtung u. auch wol Verfolgung zu leiden, wovon unsre selige Schwester nebst ihrem Manne auch ihren Antheil erfuhr; sie liessen sich aber dadurch nicht irre machen, u. sie wurden als Kinder Gottes legitimirt. [4] D. 3 Jan. 1768 wurde sie durch den Heimgang ihres seligen Mannes in den Witwenstand versezt. Schon vorher hatte sie ihre Kinder zum theil in die Anstalten nach Herrnhut u. Hennersdorf abgegeben, u. nun zog sie auch nach Herrnhut ins Witwenhaus, wo sie nach dem Synodo 1769 (in welchem die damaligen Orts-Anstalten aufgehoben wurden) wieder ihre eigene Haushaltung anfing, u. die übrige Erziehung ihrer jüngsten Kinder besorgte. Das Gedeihen derselben lag ihr sehr am Herzen, u. der Heiland hat sie auch an ihnen viele Freude erleben lassen. Von ihrem ältesten Sohn, der Prediger zu Camby in Liefland ist, hat sie 3 Enkel erlebt. Anno 1778 wurde sie Chordienerin der Witwen in Niesky, u. im May 1779 kam sie zu eben dem Geschäfte nach Gnadenfrey. Sie ging bald mit aller möglichen Willigkeit u. großer [5] Activität in ihre Geschäfte, wozu ihr der liebe Heiland besondere Gaben geschenkt hatte. Sie war darinnen so unermüdet, daß sie öfters ihre Gesundheit darüber vernachläßigte. Der Segen Gottes war auch mit ihr; dabey aber war sie sich ihrer Versehen u. Fehler gar wohl bewußt, u. war sonderlich darüber, wenn sie zuweilen durch ihr hitziges Temperament übereilt wurde, öfters untröstlich. Sie stand in einem kindlichen Umgang mit dem Heiland, u. legte Ihm sowol ihr eigenes Anliegen, als auch sein ganzes Gnadenwerk, u. sonderlich ihr liebes Chor, täglich an Sein treues Herz. Sie nahm sich auch der Seelenpflege mit aller Treue an, u. war ihren Schwestern oft zum Trost u. Segen. Ueber die Anstellung einiger ihrer Kinder im Dienste des Heilands hatte sie eine besondere Freude. Sie genoß eine ziemlich gute Gesundheit, ausser daß sie zuweilen [6] mit krampfhaften Umständen (doch immer nur auf kurze Zeit) befallen wurde. Ihr Gemüth war meistentheils heiter, so daß sie öfters andern zur Aufmunterung diente. So war sie auch noch den Abend am 11 Febr. 87, da sie sich schon etwas unpäßlich fühlte, recht aufgeräumt, u. sagte: „ich werde euch hurtig einmal davon fliegen“ – aber weder ihr noch uns fiel es ein, daß es so geschwind geschehen würde.
D. 12ten wurde sie ernstlich krank an einem heftigen Fieber. Sie ertrug alle Schmerzen mit Geduld, war für die gute Pflege u. Wartung, die sie genoß sehr dankbar, u. sagte: „ich bin es ja nicht werth, ihr macht es gar zu schön mit mir“. Dabey dachte sie öfters an die andren Armen u. Kranken im Hause. Einmal begehrte sie ganz alleine zu seyn, ließ sich aber vorher ihr Spruchkästchen geben. Man hörte sie ganz laut u. beweglich zum Heiland [7] beten, erstlich daß Er ihr alles vergeben wolle, u. dann nannte sie Ihm noch manches ganz besonders. Hierauf sagte sie: „nun habe ich mit dem Heiland über alles ausgeredet, u. habe Ihn auch gebeten, mir es klar zu machen, ob ich bey dieser Gelegenheit zu Ihm gehen werde: Er hat es aber nicht gethan.“ Sie wurde darüber zurecht gewiesen, u. der Spruch, den sie sich gezogen: „Der in dir angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollführen bis auf den Tag Jesu Christi“ – war ihr sehr tröstlich. Ein andermal hielt sie noch eine gründliche u. sünderhafte Unterredung, ihren Herzensgang betreffend, u. sagte zulezt: Nun kan mich nichts mehr stören, ich mag nun heimgehen oder wieder gesund werden, ich bin in den Willen des lieben Heilandes ergeben.
Ueber den Besuch verschiedener Geschwister war sie sehr erfreut, u. bat öfters, [8] daß man Verse singen möchte. Sie verschied am 17tn früh in der ersten Stunde sehr sanft mit dem Segen der Gemeine u. ihres Chores, im 64tn Jahr ihres Alters.
2.) Die ledige Schwester Lucretia v. Albertini (in Neuwied) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:
- „Die Treue Jesu hört nie auf,
- davon ist auch mein Lebenslauf,
- zu Seines Namens Lob u. Preis,
- ein augenscheinlicher Beweis.
Ich bin geboren d. 26 Jun. 1762 an
der Brugg in Ober Engadin in Graubündten.
In meinem 4ten Jahre brachten
mich meine Eltern mit noch mehrere
meiner Geschwister nach Neuwied. Ich
gewohnte in der Anstalt bald ein; u.
ob ich gleich zum Leichtsinn sehr geneigt
war, so spürte ich doch von Zeit zu Zeit
kräftige Rührungen des heiligen Geistes an
meinem Herzen. Insonderheit wurde
[9] ich einmal am Gründonnerstag, bey
Gelegenheit einer kleinen Vorstellung
des Seelenleidens Jesu am Oelberg, unter
dem Gesang des Verses: Für mich
ging mein Herr in Todesnöthen p so
bewegt, daß ich mich unter vielen Thränen
Ihm für seine Seelenschmerzen u.
Marter bis in Tod, zum ewigen Eigenthum
hingab; und seitdem ist mir
dieser Theil der Passion immer besonders
eindrücklich geblieben. Ich hatte
auch hernach manchmal recht selige Stunden
mit dem Kinderfreund. M Zuweilen
dachte ich (aus Veranlassung, daß ich davon
reden hörte) mit Verlegenheit darüber,
daß ich wol, wenn ich älter seyn
würde, vom lieben Heiland wieder abkommen
könte; wenn ich Ihm aber diesen meinen
Kummer kindlich klagte, so bekam ich
oft die tröstliche Versicherung, daß mich
nichts aus Seiner Hand reissen solte.
Anno 1775 wurde ich unter die größern
[10] Mädchen aufgenommen; ich erneuerte
dabey meinen Bund mit dem lieben Heiland,
u. bat Ihn um ein treues u. aufrichtiges
Herz, weil ich merkte, daß es mir
sehr daran fehlte. D. 14 Jan. 1776
wurde ich in die Gemeine aufgenommen,
u. d. 12 Oct. gelangte ich zum
heiligen Abendmahl. Ich ging darauf einen kindlich
vergnügten Gang bis ins folgende
Jahr, da ich eine tiefe Feindschaft gegen
den Heiland bey mir gewahr wurde, u.
zugleich auch meinen Unglauben so
zu fühlen bekam, daß ich in große
Noth gerieth. Es währte lange, ehe ichs
wagte, so schlecht wie ich mich fühlte,
zum Heiland zu nahen; aber Er ruhete
nicht, bis Er mich wieder an sich ziehen,
mich trösten u. seiner Gnade versichern
konte. Ich wurde auch sonst
mancherley verderbte Neigungen bey
mir gewahr, die ich nie gedacht hätte
bey mir zu finden; sonderlich war
[11] mir Hochmuth u. Selbstgefälligkeit gar
sehr im Wege. Ich blieb auch bey meinem
Verderben zu lang stehen, u. betrübte
den Heiland oft durch Mißtrauen u.
Zurücktreten, da Er mir doch mit seiner
Hülfe stets entgegen eilte, wie ich oft
in meinen Mädchenjahren erfahren habe.
Anno 1781 trat ich ins Chor der ledigen Schwestern
ein, mit dem angelegentlichen
Wunsch, daß der liebe Heiland mich in demselben
aller der Segen, die Er diesem
Chor insbesondere erworben, ganz theilhaftig
machen möge. Alle meine
Stunden heilige Du dir, mach mich
deinen Wunden, Lamm! zur Ehr u. Zier
– das war mein Flehen; und ach! wie
gern hätte mein treuer Heiland dieses an
mir erfüllt. Aber ich habe gar bald wieder
den Bund gebrochen, u. bin Ihm
noch oft zur Schmach gewesen; denn
nach Verlauf eines Jahres kam ich von
der seligen Einfalt ab, u. zerstreute
[12] mein Gemüth mit allerhand unnützen
Dingen. Ich fühlte wol darüber Bestrafung
in meinem Herzen, aber ich sezte
mich darüber weg, bis ich mein tiefes
Verderben in Seele u. Hütte so nachdrücklich
zu fühlen bekam, daß ich sehen
mußte, ich sey von der Sünde bis
in den Tod verwundet, zu allem schlechten
geneigt, u. zu allem Guten erstorben.
Da ich durch langes Widersetzen mich
immer mehr vom Heiland entfernt hatte,
so konte ich nicht so gleich wieder ein
Zutrauen zu Ihm faßen, u. meine Noth
wurde immer größer. Ich wurde herzlich
zu Ihm gewiesen, erfuhr auch manche
Tröstungen, hatte aber bey allem Gefühl
meines Verderbens doch noch so viele eigene
Gerechtigkeit übrig, von der ich
ganz ausgezogen werden solte, daß ich
lange nicht ganz ins klare kam. Einmal,
da ich in dem Gesangbuch den
Vers las: „In des Lammes Blut alleine
[13] stehet die Gerechtigkeit, diese heißt der
Glaube seine: dann erfüllt uns Fried
u. Freud, u. wir haben selge Stunden;
Seele u. Leib u. Geist erfährt solchen
Trost aus Jesu Wunden, welcher unaufhörlich
währt“ – wurde mir diese Sache
so klar, daß ich einen lebendigen Blick
in die Versöhnung Jesu thun, u. mir
Seine Gerechtigkeit auf die tröstlichste
Weise zueignen konte. Es wurden mir
in der Folge noch manche Eigenheiten
u. schlechte Ecken gezeigt; wenn ich
aber meine Zuflucht zu meinem treuen
Seelenfreund nahm so erfuhr ich, daß heilen,
stillen u. trösten Seine Lust ist.
Aber doch hatte ich an der Lection:
„von purer Gnade u. Erbarmen zu
leben von einem Tage zum andern“,
noch immer zu lernen, u. daran
werde ich wol zu lernen haben bis
zum Erblaßen in Jesu Arm u. Schoos.“
So weit aus ihrer Nachricht.
[14] Zu Anfang des Jahres 1786 bekam sie ein Gallenfieber, u. blieb seitdem kränklich. In der Hofnung, daß ihr ei- ne Luftveränderung zur Erholung dienen könte, that sie eine Reise nach Herrnhut, u. kam im Herbst dem Anschein nach ziemlich munter zurück; trat auch mit neuem Muth wieder in ihre Stelle in der Mädchenstube (wo sie schon einige Jahre als Mitaufseherin gebraucht worden) ein. Bey allem guten Willen aber, denselben mit den ihr von Gott verliehenen vorzüglichen Gaben ferner zu dienen, zeigte sichs doch bald, daß ihr die Kräfte dazu fehlten. Den folgenden Winter nahm ihre Kränklichkeit zu. D. 28 Merz 87 reiste sie mit ihren Eltern nach Embs um einen dortigen Arzt zu consultiren[WS 1], kam aber d. 29ten äusserst entkräftet zurück, u. konte von da an wenig mehr ausser dem Bette seyn. In der [15] Marterwoche ließ sie sich die Leidensgeschichte Jesu vorlesen, u. mit Gesang unterhalten, zu ihrem besondern Trost u. Erquikkung. Ihre Schmerzen u. viele schlaflosen Nächte ertrug sie mit ungemeiner Geduld, u. war dabey licht u. vergnügt. Um die Mitte des Aprils gab sie zu verstehen, daß sie wol von dieser Krankheit nicht mehr genesen würde; und ihr Herz u. Sinn war nun ganz auf ihr bevorstehendes Glück gerichtet, u. sie seufzete oft zum lieben Heiland: Komm bald! Zulezt hatte sie noch viel auszustehen, besonders an ihrem Heimgangstage (d. 24 April 1787) aber mitten unter diesem Leiden fing sie einmal recht lieblich an zu singen: Nichts ist an mir, nichts als armes p Zu Mittag sagte sie noch ganz vernehmlich: Ach der gute Heiland, nur noch eine Stunde! u. sahe dabey sehr vergnügt aus. Dieser [16] so sehnlich erwünschte Augenblick trat dann auch um 1½ Uhr ein, da sie mit dem Segen ihres Chores sanft u. selig entschlief im 25tn Jahr ihres Alters.
3.) Der Witwer Ludwig Dietrich Mayer (in Neusalze) war geboren d. 6 Nov. 1701 in der Reichsstadt Ulm, woselbst sein Vater Kaufmann war. Anno 1732 trat er mit seiner seligen Frau Dor. Magd. Marg. Schmutz aus Nürnberg in die Ehe. Nach einiger Zeit wurde er um seine Seligkeit bekümmert, u. suchte Gemeinschaft mit erweckten Seelen. Seine Frau konte dieses nicht fassen, und war sehr verlegen; verbot auch dem Bruder Kastenhuber, der damals in Ulm war, den Zutritt in ihr Haus; und als er von dort abreiste, ging sie in die Kirche, u. legte zum Beweis ihrer Dankbarkeit 8 gl. in den Opferstock. Unser seliger Bruder ließ [17] sich nicht hindern, mit den so genannten Herrnhutern Bekanntschaft zu machen, wodurch die Verlegenheit seiner Frau immer größer wurde; denn sie glaubte, er hätte eine andere Religion angenommen. Als nun anno 1743 die Brüder Friedrich v. Watteville u. Ludwig v. Marschall durch Ulm reisten, u. in des seligen Bruders Hause besuchten; so glaubte sie, dieselben wären gekommen, ihren Mann zu einem Proselyten zu machen, u. ihn fortzuführen, welches ihr keine geringe Angst verursachte. Als aber der Bruder v. Watteville ihr sagte, der Grund, worauf die Brüder-Gemeine stehe, sey Christus u. Sein Blut, so ging ihr ein anderes Licht auf, u. sie dachte: Auf diesen Grund must du auch stehen, wenn du selig werden willst. Von der Zeit an verwandelte sich ihre Widrigkeit in Zutrauen u. Liebe gegen die Brüder; u. als ihr [18] Mann von der Begleitung dieser Brüder nach Hause kam, bezeugte sie ihm solches, u. bat ihn mit Thränen um Vergebung, daß sie ihm in dieser Sache widerstanden hätte. Von der Zeit an wurden auf seiner Frauen Bitte die Versammlungen in seinem Hause gehalten. Sie thaten auch eine Reise nach Augsburg, um die Erweckten daselbst zu besuchen. Anno 1748 zogen sie nach Hirschberg, wo er bey dem Herrn Kaufmann Menzel als Buchhalter in Condition kam. Er pflegte sich noch in seinen lezten Jahren mit vieler Dankbarkeit an die Wohlthaten zu erinnern, die er von seinen Freunden in Hirschberg genossen, insonderheit in dem Baumertschen, Hillmerschen u. Mathesischen Hause, wo sie 13 Jahre in Liebe u. Harmonie gewohnt haben. In Hirschberg sezten sie ihre Bekanntschaft [19] mit der Brüdergemeine fort, besuchten fleißig in Gnadenberg, wurden daselbst anno 1749 in die Gemeine aufgenommen u. gelangten auch bald zum heiligen Abendmahl. Uebrigens machten sie sich ein Vergnügen daraus, den Geschwistern, wo sie konten, zu dienen.
Im Jul. 1765 kamen sie mit der ledigen Schwester Helene Wiesnerin (welche er auch nach dem anno 1771 erfolgten Heimgang seiner lieben Frau, um der vielen an ihr bewiesenen Treue willen bey ihrem langwierigen Krankenlager, zu seiner Pflegetochter annahm) hieher nach Neusalze, woselbst er in dem sich neuerbauenden Gemeinorte die Handlung u. die damit verbundene Spedition dirigiren solte. Die Besorgung der leztern behielt er bis kurz vor seinem Ende, von ersterer aber erhielt er auf seine [20] Bitte seine dimission. Uebrigens ist mit Dankbarkeit zu erwähnen, daß er bey unserm Kirchbau der Gemeine manche reelle Dienste erwiesen hat. Er genoß eine dauerhafte Gesundheit, u. selbst in seinem hohen Alter betrieb er seine Geschäfte mit jugendlicher Munterkeit u. mit solcher pünktlicher Redlichkeit, daß er sich viele Hochachtung dadurch erwarb. Weil er aber von andren Leuten gleichfalls strenge Redlichkeit erwartete, u. wo er dieses nicht fand, sein Mißfallen darüber ohne Rücksicht äusserte, so zog er sich dadurch manche Unannehmlichkeiten zu, die er sich hätte ersparen können. Ueberhaupt war er von einer feurigen Gemüthsart, u. da viel Selbstgerechtigkeit damit verbunden war, die sich auf seinen unbescholtenen Wandel gründete, so hielt es zuweilen schwer, ihn davon zu überzeugen, daß ein Kind Gottes die Beleidigungen [21] andrer mit Geduld tragen, u. darum gern vergeben muß, weil ihm so viel vergeben ist. Vor etwa anderthalb Jahren fing er selbst an zu merken, daß seine Kräfte geschwächt waren, u. es war ihm daher lieb, daß er ganz zur Ruhe gesezt wurde. Ein ziemlich starker Schlagfluß, der ihn auf eine kurze Zeit aller Empfindung beraubte, von dem er sich aber wieder erholte, schien der Vorbote von seinem Ende zu seyn. Und so sahe er auch selbst diesen Umstand an. Er äusserte oft, daß er nun nicht mehr lange leben werde; er sey auch bereit als ein versöhnter Sünder in die Ewigkeit überzugehen, Christi Blut u. Gerechtigkeit sey der einzige Grund seines Glaubens, u. damit hoffe er allein vor Gott zu bestehen, nur dieses bitte er sich vom Heiland zur Gnade aus, daß Er ihn mit einem langwierigen Krankenlager verschonen möchte. Und dieser Wunsch [22] ist ihm aufs lieblichste gewährt worden. Er legte sich am 25 April 1787 mit dem Wunsche schlafen, daß er nach einigen schlaflosen Nächten wieder einmal eine ruhige Nacht haben möchte. Denen, die in einem Hause mit ihm wohnten, war es merkwürdig, daß er noch zu seinem lezten Abendsegen viel u. vernehmlich sang, u. mit diesem Herzensseufzer schloß: „O daß ich bis in mein Grab Jesu Leiden, wie Er sich für mich begab aller Freuden, u. ins Sterben ging, daß ich leben möchte, fruchtbarlich bedächte.“ Früh Morgens, da man nach Ihm sahe, fand man, daß seine Seele in ihre ewige Ruhe heimgeflogen war, und sein entseelter Körper hatte das Bild eines sanft u. ruhig schlafenden so naturell, daß man sich kaum überreden konte, er sey wirklich todt, bis es die überhandnehmende [23] Verwesung ausser allen Zweifel sezte. Er war im 86ten Jahr seines Alters.
4.) Die ledige Schwester Christiane Friederike Sophie v. Schulenburg (in Herrnhut) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: Ich bin geboren d. 26 Jul. 1726 zu Assenheim, ohnweit Frankfurt am Mayn. Mein Vater war Herr Emanuel Ludwig von der Schulenburg, welcher vormals in Königlich Preußischen Kriegsdiensten gestanden, u. sich nun bey dem Gräflich Solmsschen Hofe zu Assenheim aufhielt; und meine Mutter eine geborne v. Pastonellen, welche ich aber schon in meinem 5tn Jahre verloren habe. Ich kam hierauf zu meiner Tante nach Hanau, bey der ich 6 Jahre unter strenger Erziehung verbrachte; doch dafür bin ich ihr immer sehr dankbar geblieben, daß sie mich zur Arbeit angehalten. Sie brachte mich darauf wieder zu meinem [24] Vater, allwo ich mich die meiste Zeit bey der dasigen Herrschaft aufhielt. Die Gräfin war eine gottesfürchtige Dame, u. hatte meiner seligen Mutter versprochen Mutterstelle bey mir zu vertreten. Dieses Versprechen erfüllte sie auch damit ganz, daß sie mich anno 1739 im May in Gesellschaft meines lieben seligen Vaters, u. mit seiner völligen Zufriedenheit nach Marienborn brachte, u. der seligen Gräfin v. Zinzendorf übergab. Ich kam noch denselben Abend in die Mädchen-Anstalt, u. gewohnte sogleich unter den Kindern ein. Nach einem halben Jahre hatte ich die Freude, daß meine liebe Schwester Marie Theresie (die jetzige Chor-Dienerin der ledigen Schwestern in Herrnhut) nachkam. Noch in diesem Jahre wurde ich an einem hitzigen Fieber heftig krank, so daß man mein Ende vermuthete. Ich wurde daher einsmals gefragt, [25] ob ich dann auch Vergebung meiner Sünden hätte? Ich antwortete, daß ich mir keiner Sünde bewußt wäre, u. nicht glaubte, daß der Herr Jesus um meinetwegen so jämmerlich hätte leiden müssen, ich dächte zu Seinem Tode nichts beygetragen zu haben. Diese Erklärung that ich gleichwol unter vielen Thränen, nur wußte ich nicht, warum ich weinen mußte. Ich wurde von dieser Krankheit wieder hergestellt, blieb aber noch lange schwächlich. Einmal, als unsre Arbeiterin (wie es alle Woche geschahe) eine Unterredung mit uns gehalten hatte, sagte sie zum Schluß derselben: Wer von euch Freudigkeit hat vor Gott zu treten, der komme, u. bete mit mir an; aber nicht anders als von ganzem Herzen, denn Gott ist gegenwärtig! Ich dachte in Gesellschaft auch mit zu gehen, allein sie sagte zu mir: Und du willst auch [26] mitkommen, u. glaubst doch nicht, daß der liebe Heiland für deine Sünden gestorben ist! Du gehörst hierzu noch nicht. Das fuhr mir durchs Herz, u. ich ging in einen Winkel, weinte u. bat den Heiland, Er möchte mir doch die Gnade schenken, zu glauben, daß Er auch für mich gestorben; u. hielt so 3 Tage u. Nächte mit weinen u. beten an; denn nun fühlte ich es ganz, daß ich auch eine arme Sünderin war, u. Vergebung meiner Sünden brauchte. Ich ließ auch nicht nach mit Bitten, bis ich die Versicherung u. den Trost ins Herz bekam, daß Er mir alle meine Sünden vergeben.
Anno 1741 kam ich mit der Mädchen-Anstalt nach Herrnhaag; u. gelangte am 3. Sept. dieses Jahres zum erstmaligen Genuß des heiligen Abendmahls. Ob ich gleich dasselbe Krankheit wegen auf der Krankenstube genießen mußte, wird mir doch das, was ich dabey gefühlt, [27] so lange ich lebe, unvergeßlich bleiben; u. ich muß sagen, so oft ich dieses hohe Gut seitdem genoßen, hat sich allemal das damals gehabte selige Gefühl bey mir wieder erneuert.
Anno 1742 wurde ich zur Aufsicht bey
den Kindern mit angestellt, u. verbrachte
meine Zeit sehr vergnügt bey
ihnen. Anno 1743 wurde ich zur Akoluthie
angenomen u. als Arbeiterin
der größeren Mädchen angestellt. Diese
Gnade beugte u. beschämte mich gar
sehr, weil ich mich für viel zu unvermögend
kannte, es diente mir aber
auch dazu, daß ich mich selbst immer
beßer kennen lernte. Anno 1745 erhielt
ich einen Ruf in die Kind Mädchen-Anstalt
nach Amsterdam, u. zog anno
1747 mit derselben nach Zeist. In
diesem Jahre wurde ich auch ins ledige
Schwesternchor aufgenomen. Weil
ich immer sehr kränklich war, so wurde
[28] ich anno 1749 abgelöset, u. kam auf
dem Herrnhaag ins Mädchenhaus,
mit welcher Anstalt ich dann anno 1750
im Sept. nach Groß-Hennersdorf u.
1751 im Merz nach Herrnhut. zog, u. darinn
verblieb bis ins Jahr 1766. In
dieser Zeit nahm mich der heilige Geist in
eine gesegnete Schule, darinn ich
mich viel gründlicher kennen lernte.
Schon oftmals hatte ich ein großes Verlangen
gehabt, auch einmal in einem
Chorhause zu wohnen u. anno 1766 widerfuhr
mir dieses Glück, da ich am
25 Aug. mit vielen Freuden einzog.
Für die darin in reichem Maaße
genossene Gnade werde ich Zeitlebens
dankbar seyn. Anno 1776 bekam ich
einen Ruf nach Liefland ins Haus
des Herrn Landraths v. Ungern Sternberg.
Dieser Antrag fiel mir in
aller Absicht überaus schwer, u. nur
die Ueberzeugung von dem Willen
des Heilandes konte den Entschluß
[29] dazu bey mir zuwege bringen. Bey
einem achttägigen Aufenthalt in Barby
genoß ich viel Gutes, u. der Vers, womit
die Gemeine in der lezten Singstunde
mich u. meine Reisegesellschaft
segnete: Geist, Seel u. Leib ist Dir geweiht
p welcher sich so ganz besonders
auf mich paßte, ist mir nach der Zeit
oft zum Trost u. Aufmunterung gewesen.
Am 23 Aug. kam ich auf meinem
Posten an, u. wurde sehr liebreich
aufgenomen. Die erste Zeit hatte ich
armes, an die Gemeine sehr verwöhntes
Kind viele bange Stunden, u. verbrachte
manche Nacht schlaflos u. unter vielen
Thränen. Aber der Heiland tröstete mich
mit dem Gefühl Seines Friedens, und
ließ mirs auch sonst wohl gehen in dem
Hause des Herrn Landraths, denn er u.
seine Gemahlin waren wie Eltern gegen
mich gesinnt. Anno 1779 that die
Frau Landräthin mit ihren zwey jüngsten
Kindern einen Besuch in Deutschland,
[30] u. nahm mich mit. In Barby
wurde mir die erfreuliche Nachricht gebracht,
daß ich mein Plätzchen im Herrnhutischen
Chorhause wieder einnehmen
könte. An meinem Geburtstag d. 26tn
Jul. traf ich wieder in Herrnhut ein, u.
ließ den Freudenthränen ihren Lauf,
daß ich mich wieder so gut aufgehoben
sahe. Solt ich nun nicht frölich seyn,
ich beglücktes Schäfelein; denn nach diesen
schönen Tagen werd ich endlich heim-
getragen in des Hirten Arm u. Schoos,
Amen, ja mein Glück ist groß.“
So weit sie selbst.
Es war in dem ganzen Gang unsrer seligen Schwester unveränderlich wahrzunehmen, daß sie durch Gnade einen vesten Grund des Glaubens an die blutige Versöhnung Jesu Christi in ihrem Herzen hatte, u. einen Trost, der ihr nie entwich, auch nicht in denen Stunden, wenn sie über ihre Mängel u. Zurückbleiben oft schmerzlich [31] betrübt war. Denn sie verstand das selige Sündergeheimnis[WS 2], sich mit alle ihrem Elend zutraulich an den Heiland zu halten, u. der Umgang mit Ihm war ihr unaussprechlich wichtig u. unentbehrlich. Sie hatte einen tiefen Eindruck von dem Glück, ein Glied der Gemeine zu seyn, u. es lag ihr sehr ernstlich an, als eine Magd Jesu der Gnade würdiglich zu wandeln. Sie konte daher auch nicht wohl ertragen, wenn sie bey andern eine Gleichgültigkeit dagegen zu spüren glaubte; da sie sich dann freilich zuweilen bey dergleichen Beurtheilungen länger aufhielt, als es nöthig war, u. sich manchmal selbst die Zeit damit verdarb. Gegen alle Armen u. Elenden war sie überaus mitleidig gesinnt, absonderlich hatte sie einen gar zärtlichen Hang zu den Kindern, so daß sie, ohne sich selbst zu schonen, [32] im Dienste derselben mit unermüdeter Liebe ihre Kräfte dran gewagt hat; überhaupt besorgte sie alles, was ihr aufgetragen war, mit gröster Treue u. Pünktlichkeit. Seit ihrer Zurückkunft aus Liefland diente sie verschiedene Jahre der Gemeine als Saal- u. Fremden-Dienerin, u. ihrem Chor als Gesellschaftshalterin u. Besucherin mit wahrem Vergnügen. Schon vor etlichen Jahren behielt sie von einer Krankheit etwas auszehrendes zurück, und ihre Gedanken waren dabey bald auf eine selige Vollendung gerichtet. Da es sich aber damit in die Länge verzog, so war ihr die Wartezeit bey zunehmenden Beschwerden der Hütte, freilich eine eigne Schule; doch wußte sie sich so nahe u. gläubig an ihren Erbarmer zu halten, daß man sie meistens vergnügt u. aufgeräumten Gemüths sahe. Von ihrer sünderhaften Herzensstellung findet sich ein lieblicher Beweis in einer von ihr selbst aufgeschriebenen [33] kindlichen Unterredung mit dem Heiland, darinn es heißt:
„Mein allerliebster Heiland! ich armes beschliesse nun dieses 1786te Jahr, in welchem ich mir die süße Hofnung gemacht hatte, daß Du dein Krankes ins gesunde Reich aus Gnaden u. Barmherzigkeit aufnehmen würdest; aber nach Deinem Willen bin ich noch da. Ach mein Erbarmer! Du legest nie mehr auf, als man ertragen kan; und so muß ich Dir zum Preise nachsagen, daß Du mir in diesem Jahre gnädig durchgeholfen. O vergib, vergib mir meine Ungeduld u. meine Empfindlichkeit, die ich oft gegen meine lieben Schwestern bezeugt habe. Ach mein Herr Jesu, wenn ich Dich nicht hätte, wo solt ich Aermstes unter den Elenden mich sonst hinwenden! Hebe Deine durchgrabenen Hände über mich Armes auf, u. absolvire mich von allen Sünden, darüber ich wol schon vielmal den tröstlichen Anblick Deiner Gnade empfangen habe; [34] aber ist noch das geringste an mir, das nicht Dein eigen ist, so schwemme es weg mit Deinem Versöhnungsblute. O könte ich Dich nur noch viel zärtlicher lieben u. an Dir hangen! Ich werde als eine große Schuldnerin zu Dir kommen. Reichen Trost wirst Du mir geben, so oft ich Tröstung nöthig hab: in den lezten Augenblicken wirst Du den lezten Trost mir schicken, die lezte Thrän’ treugst Du mir ab. Und ach! dann seh ich Dich, Du Märtyrer für mich! O der Freuden! Wenn ich fortan bey Dir seyn kan, da geht der ewge Sabbath an. Schönstes Licht, das die Todesnacht durchbricht: Du sollst meinem Herzen funkeln, wenn die Sinnen hier vergehn, wenn die Augen hier verdunkeln, wird das Marterlamm dort vor mir stehn, ich werds sehn, ach wie schön!“ Am 25 Merz 1787 wurde sie so schwach, daß ihr Ende nahe zu seyn schien; sie erholte sich [35] zwar in etwas wieder, mußte aber von da an ganz in der Krankenstube bleiben. An den Abendmahlstagen der Gemeine genoß sie dieses hohe Gut nebst den übrigen Kranken allemal unter vielen Thränen, u. es war ihr immer eine neue Herzstärkung. So oft ihr eins in die ewige Heimath voranging, schickte sie Sehnsuchtsthränen nach, und ihre Seele war voll Verlangen den bald zu schauen, an welchen sie glaubte. Er machte ihr inzwischen die Schmerzen u. Beschwerden ihrer Krankheit sehr erträglich. Die lezten Tage schlummerte sie viel, war sich aber dazwischen immer ganz gegenwärtig. Am 29 May sahe man schon in aller frühe, daß ihr seliges Ende herannahe. Sie empfing bey völliger Bewußtheit den Segen der Gemeine u. ihres Chores, unter dem innigsten Gefühl des Friedens Gottes, u. zu Mittag verschied sie so sanft u. stille, daß man es kaum gewahr wurde. Ihr Alter hat sie gebracht auf 60 Jahre u. 10 Monate.
[36]
1.) Aus dem diario von Neu-Herrnhut vom Sept. 1786. bis Jun. 1787.
Den 1 Sept. kam Bruder Heinze von Kangek zurück, wo er Anstalten getroffen hatte zum Bau eines Häuschens für ein paar Europäische Geschwister.
D. 8tn reisten unsre lieben Geschwister Brodersens mit dem Bruder Grillich nach Lichtenfels ab. In den folgenden Tagen war Bruder Fliegel in Kangek, u. arbeitete fleißig an gedachtem Häuschen. D. 12tn verabschiedete[WS 3] sich Bruder Heinze mit der hiesigen Gemeine, u. d. 16tn ging er an Bord, um über Lichtenfels nach Europa zu reisen. Geschwister Meyers waren nun einige Tage ganz allein hier. Die Grönländischen Geschwister fingen nun an in ihre Winterhäuser zu ziehen. D. 29tn kam Johannes, der ehedem die Gemeine verlassen hatte, u. nach Norden gefahren [37] war, hieher, u. brachte einen eigenhändig geschriebenen Brief mit, worin er um Vergebung seiner Versündigungen u. um Wiederannahme in die Gemeine bittet. D. 6 Oct. kamen Geschwister Möhnes von Lichtenfels hier an, um ihrem Rufe zufolge künftigen Winter bey unsern auswärtigen Geschwistern zu wohnen. D. 18tn hörten wir zu unserm Schmerz, daß der ledige Bruder Augustus bey Kangek in seinem Kajak verunglückt sey. Er war ein hofnungsvoller junger Mensch, sowol in Absicht auf das äussere als das innere. D. 23tn fuhren Geschwister Möhnes mit ihren zwey Kindern auf ihren Posten ab. Zu Anfang Nov. besuchte Bruder Fliegel unsre auswärts wohnenden Geschwister in Kellingarsuk u. Karosuk. An ersterm Orte war er besonders erfreut über der Geschwister ihre Liebe zu ihm u. unter einander, wie auch über ihr ordentliches Betragen. In [38] Karosuk war ihm auch unter den Geschwistern recht wohl. An beyden Orten hielt er etliche Versammlungen, u. empfahl den Geschwistern, sich vest an den Heiland zu halten. In diesem Monate waren wenig Grönländer hier auf unserm Lande, weil sie bey dem schönen Wetter ihrer Nahrung nachgingen. D. 27tn wurde die Kinderschule wieder angefangen, u. d. 28tn. wurde den Geschwistern bekannt gemacht, wie den Winter über die Gesellschaften gehalten werden sollen. Durch diese u. andre Einrichtungen zur Bedienung der Gemeine schien ein ganz neues Leben unter die Geschwister zu kommen. In der Helfer-Conferenz wurde unter andern erzehlt, daß einer von denen in Kangek stehenden Heiden nach einer Versamlung des Bruder Möhne gesagt habe, er wolle das nächste mal über ihn spotten; darauf habe ihm eine von [39] unsern Schwestern gesagt: „Wenn du das thust, so ist es eben so, als wenn du über Gott deinen Schöpfer spotten woltest, denn er redet Gottes Wort, u. ist von Ihm zu uns gesandt worden“ – durch welche Antwort der Heide ganz niedergeschlagen worden. Andre Heiden in der Gegend bezeigen Lust sich zu bekehren, u. einer hat den Helfer Benjamin gebeten, in seinem Hause eine Versamlung zu halten. Desto schmerzlicher ist es, daß die Charlotte, die schon lange in Sünden u. Schanden lebt, den Heiden abrathen soll sich zu bekehren, weil es sie wieder gereuen möchte, so wie es sie auch reue, daß sie getauft worden. Eine andre ehedem Getaufte Namens Eleonora, die unter den Heiden in Ittersak wohnt, hat, um jemanden gesund zu machen, Hexerey gebraucht, obgleich ihr selbst die Heiden gesagt hatten: [40] „Du darfst so etwas nicht thun, du bist ja getauft.“ Sie hat darauf eine Lähmung bekommen, daß sie nicht im Stande ist was zu thun, u. sehr elend aussehen soll. Auch die Heiden sehen dieses für Gottes Strafe an. Von Johannes hörten wir auch allerley schlechtes, woraus wir ersahen, daß es ihm mit seiner vorgegebenen Reue noch kein Ernst ist. Alle diese Umstände wurden den Helfern zur treuen Fürbitte empfohlen. Am Gemeintag d. 10. Dec. wurden zwey Mädchen in die Gemeine aufgenommen. Die Geschwister hörten mit Vergnügen ein diarium von Okkak verlesen. In der Beter-Versamlung am 16tn war eine besondere Bewegung wahrzunehmen, indem während dem Anbeten verschiedene Geschwister laut weinten. D. 20tn hatten die Gesellschaftshalter ihre Conferenz, u. bezeugten durchgängig, daß die Geschwister [41] vergnügt wären, u. sich sehr auf die Weihnachtstage freuten. D. 23tn kamen in ihren Kajakken 6 Brüder von Kangek, 3 von Kellingarsuk, u. 3 von Karosuk hieher. Mit Booten zu fahren war unmöglich, daher auch keine Schwestern herkommen konten, so gern sie auch wolten. Heute hatten wir das heilige Abendmahl, wozu 2 Brüder von den auswärtigen u. einer von den hiesigen readmittirt wurden. D. 24tn begingen wir die Christnacht auf die gewöhnliche Weise. Viele Grönländer von der Dänischen Mission wohnten derselben auch bey, u. waren aufmerksam u. andächtig. In unsrer Gemeine war ein besonderer Freudengeist wahrzunehmen, der uns sehr tröstlich war. D. 25tn feyerte das Ehechor sein Chorfest im Segen. D. 26tn kehrten unsre Gäste zu den ihrigen wieder zurück, froh u. dankbar für alles hier [42] genoßene Gute. D. 31tn machten wir den Beschluß des Jahres, u. besahen gemeinschaftlich, unter großer Stille u. Aufmerksamkeit der Geschwister, unsern bisherigen Gang. Obgleich unsre hiesige Grönländische Gemeine, die ehemals so stark war, nun sehr klein geworden, u. überdem ganz zerstreut wohnt, so daß sie menschlichem Ansehen nach wol niemals zu dem ehemaligen Wohlstand wieder gelangen dürfte; so wissen wir doch, daß sie des Heilandes ist, u. Er in unsrer Mitte wohnt. An betrübten Vorkommenheiten, die bey gegenwärtiger Verfaßung fast unvermeidlich sind, hat es nicht gefehlt; aber dem grösten Theil der Geschwister liegt es doch an, der empfangenen Gnade treu zu bleiben; u. viele, die in Abweichungen gerathen waren, fangen an umzukehren, u. einige von ihnen sind wieder in einem erfreulichen Gange.
[43] Es sind in diesem Jahre 10 Kinder geboren worden, zur Aufnahme in die Gemeine sind 10 – u. zum heiligen Abendmahl 7 Personen gelangt. Getraut ist worden 1 Paar. Heimgegangen sind 12 Pers. u. darunter 4, die im Kajak geblieben sind. Die Gemeine besteht aus
61 Eheleuten 3 Witwern 14 ledigen Brüdern 19 Knaben 50 Knäbchen 34 Witwen 26 ledigen Schwestern 21 größern Mädchen u. 59 Mägdlein Summa 287 Personen.
Von diesen wohnen in Pissiksarbik 19, in Kellingarsuk 26, in Karosuk 16, in Kangek 152, u. in Neu-Herrnhut nur 74.
Noch in keinem Jahre ist die Gemeine so zerstreut gewesen wie in diesem. Die Pissiksarbik wohnen 8 Meilen [44] von hier, u. sind also den Winter über ganz von uns abgeschnitten, u. im Sommer bekommt man sie auch wenig zu sehen. Sonst ist noch anzuführen, daß gedachte 287 Seelen aus 113 Communicanten, 163 Getauften u. 11 Ungetauften bestehen.
Den 1 Jan. feyerten die ledigen Brüder ihr Chorfest. Nach allen Versamlungen gingen die Geschwister mit Musik u. Gesang im Orte herum. D. 6ten konten wir wegen des ungestümen Wetters das Heidenfest nicht feyern, holten es aber am 7ten nach. Die Geschwister hörten ein diarium von Antigoa verlesen, u. zum Schluß des Tages wurde ein lediger Mensch unter die Taufkandidaten aufgenommen. Einen ähnlichen Festtag hatten wir am 19ten, als an dem Gedenktage der Abreise der ersten Brüder von Herrnhut nach Grönland. Leztern machte uns unser lieber Herr zu einem besonders [45] begnadigten Segenstag. Sonst war die Witterung in diesem Monate unsern Grönländern zu ihrer Erwerbung nicht günstig; zum Glück waren aber die hiesigen hübsch mit Heringen versehen, u. die auswärtigen, die auch keine Seehunde bekommen konten, kamen fleißig hieher, um Heringe zu holen. D. 2 Febr. feyerten die Witwen ihr Chorfest mit den gewöhnlichen Versamlungen. Zum heutigen Geburtstag unsers lieben Bruder Meyers hatten wir ein vergnügtes Liebesmahl. Er hat nunmehr seine meiste Lebenszeit in Grönland zugebracht. D. 23ten bekamen wir nach langer Zeit wieder einmal Nachricht von unsern Geschwistern in Kellingarsuk. Von Kangek u. Karosuk haben wir die Zeit her viel Besuch gehabt. D. 4 Merz wurden 2 Personen unter die Taufkandidaten aufgenommen, u. am 11ten wurde Nongak mit Namen Joel in Jesu Tod getauft. Da eine solche Handlung seit langer Zeit nicht vorgekommen [46] war, so fand sich alles dazu ein, was nur kommen konte, u. der Heiland bekannte sich mit vieler Gnade dazu. Zwey leibliche Geschwister des Neugetauften waren sehr traurig, daß ihnen nicht auch diese Gnade widerfuhr.
Unsre Geschwister fingen um diese Zeit an Hungersnoth zu leiden, weil sie ihren Vorrath von Heringen gröstentheils andern mitgetheilt hatten; u. doch fanden sich von andern Orten immer viele ein, die hier etwas zu bekommen hofften. Unter andern war der Hexenmeister Kellipak von Kangek hier. Da ihn Bruder Meyer fragte, ob er sich nicht bekehren u. seine Gauckeleyen fahren lassen wolte, da er selber sähe, daß er nichts damit ausrichtete, denn er hätte um Seehunde gehext, u. es wären noch nie so wenige gewesen als dieses Jahr: so antwortete er: Ja die Menschen hungern sehr, u. darum kommen wir hieher, uns einmal satt zu essen. Wenn ich werde von Süden zurückkommen, [47] dann will ich mich bekehren. Vom 14tn bis zum 17tn war Bruder Fliegel zum Besuch in Karosuk, wo es ihm aber jezt nicht so gefiel wie das erstemal, weil es den dasigen Geschwistern an Liebe fehlt. Mehr Freude hatte er in Kellingarsuk, wo er in den folgenden Tagen besuchte. D. 2 April kamen Geschwister Möhnes mit ihren Kindern von ihrem auswärtigen Posten, zu unsrer herzlichen Freude, munter u. wohl bey uns an.
Zur Feyer der Charwoche u. des Osterfestes fanden sich die auswärtigen Geschwister hübsch zahlreich ein, so daß es in den hiesigen wenigen Häusern an Platz fehlte. Zwey Schwestern gelangten zum erstmaligen Genuß des heiligen Abendmahls. Am Ostermorgen wurde die Gemeine mit Trompeten, Violinen u. Gesang geweckt, worauf die gewöhnlichen Versamlungen gehalten wurden. Unter andern war eine begnadigte Taufhandlung von 3 Erwachsenen u. einem [48] Kinde. Sonst feyerten auch heute die ledigen Schwestern ihr Chorfest, u. 2 Mädchen wurden unter sie aufgenomen.
D. 14tn erfuhren wir, daß 5 Europäische Boote voll Schiffsvolk hier bey der Colonie angekommen, u. zwar von einem Englischen Wallfischfänger genannt Success. Dieses Schiff war d. 12 Febr. von London abgesegelt u. war nach Disco bestimmt, gerieth aber bey einem Nebel unter hiesige Inseln, blieb vest sitzen, u. ging so dann zu Grunde. Von 31 Mann waren 12 ertrunken, die übrigen retteten sich mit ihren nothwendigsten Sachen. In der Litaney am 15tn gedachten wir bey den Worten: Die mit Schiffen auf dem Meer fahren, erfahren deine Wunder – dieser armen Leute besonders. D. 18ten u. 19ten waren der Capitain, die zwey Steuerleute u. das übrige Volk von dem verunglückten Schiff bey uns auf einen freundschaftlichen Besuch. Wir bedauerten [49] nur, daß wir nicht mit ihnen reden konten. Ein Mohr oder Neger, den sie mithatten, war unsern Grönländern besonders merkwürdig, u. es kamen einige von den auswärtigen Plätzen express hieher, um ihn zu sehen. D. 20tn wurden alle unsre Brüder aufgefordert, die Sachen vom gestrandeten Schiff retten zu helfen, u. es blieb keiner zu Hause. D. 24ten erfuhren wir, daß unser alter Helfer-Bruder Benjamin in Kangek sehr krank sey, u. d. 26tn brachten sie, ehe wir es vermutheten, seine Leiche mit einem Boot, in Begleitung von 6 Kajacken, hieher. Nachmittags war das Begräbnis, welches besonders zahlreich u. feyerlich war. Dieser Heimgang ging uns sehr nahe, da Brüder von seiner Art unter uns nur selten werden, u. er seiner Nation besonders treu gedient hat. Er kam als ein Knabe mit seinen Eltern hieher zur Gemeine, wurde im Febr. 1745 getauft, u. gelangte im Merz 1749 zum heiligen [50] Abendmahl. Anno 1753 trat er zum ersten- u. anno 1781 zum andern mal in die Ehe. Er hatte den Heiland zärtlich lieb, und wes sein Herz voll war, des ging auch sein Mund fleissig über. Etliche u. 20 Jahre lang war er ein treuer und activer Nationalhelfer, u. bewies sich willig u. pünktlich, so oft ihm etwas zu thun aufgetragen wurde. Seinen Landsleuten die Gnade im Blute Jesu anzupreisen war ihm eine Gnade. Bey der Uebersetzung der Harmonie der 4 Evangelisten u. des Lehrbüchleins, wie auch bey Verfertigung des neuen Gesangbuchs, hat er nützliche Dienste geleistet; denn er hatte eine besondere Gabe, wenn er eine Sache recht gefaßt hatte, auch den dazu gehörigen Ausdruck in seiner Sprache zu finden. Sein Wandel war exemplarisch, und Grönländer u. Europäer konten nicht anders als ihm mit Achtung begegnen. Ueber die Abweichungen einiger seiner Mitgeschwister war er sehr betreten, u. man mußte ihm zureden, den Muth [51] nicht sinken zu lassen. Diesen Winter wohnte er bey einigen auswärtigen Geschwistern, u. hielt unter ihnen gute Ordnung. Die Gelegenheit zu seiner Auflösung war das Seitenstechen. Sein vergnügter Heimgang wird insonderheit seinen Hausleuten in lieblichem Andenken bleiben. Sein Alter kan man ohngefehr 60 Jahre schätzen.
Im Monat May waren viele Geschwister kränklich. Einige befürchteten, daß es wieder die böse ansteckende Krankheit seyn möchte, die vor einigen Jahren hier grassirte, u. die noch in Norden herumschleichen soll. Geschwister Meyers hielten sich eine Zeitlang in Pissiksarbik auf, zum Besuch der Geschwister, die daselbst auf dem Heringsfang waren. D. 4tn lief das nach Julianenhaab bestimmte Schiff hier ein, u. wir hatten die Freude, Geschwister Sörensens zu bewillkommen. D. 6tn lief auch das hieher bestimmte Schiff ein, und d. 7ten bekamen wir unsre diesjährigen Briefe. D. 10tn kamen Geschwister Meyers [52] von Pissiksarbik zurück. Einige von unsern dortigen Geschwistern sind vor kurzem heimgegangen, von denen uns die andern manches erfreuliche erzehl- ten. Der Witwer Barnabas, der viele Jahre in einem seligen Gang gewesen, zulezt aber in Versündigungen gerathen war, kam auf seinem Krankenlager zum Nachdenken über sich, redete sünderhaft mit Bruder Meyer aus, u. wendete sich zum guten Hirten, der ihn nun auch wird zu Gnaden angenommen haben.
Hiemit schliessen wir unser diesjähriges diarium, u. empfehlen uns dem treuen Andenken u. Gebet unsrer lieben Geschwister.
2.) Bericht der Geschwister Möhnes von ihrem Aufenthalt unter den auswärtigen Geschwistern in u. um Kangek.
D. 23 Oct. 1786 reisten wir von Neu-Herrnhut ab, u. kamen denselben Tag [53] an unserm Orte nahe bey Kangek, den die Grönländer Kigutelik nennen, an. Unser Flehen zu unserm lieben Herrn war, daß Er mit uns seyn, u. uns den hiesigen Grönländern wolle zum Segen seyn lassen. Es war uns nicht unbekannt, daß die meisten von den hiesigen Geschwistern durch die Zerstreuung gleichgültig gegen den Heiland u. die Gemeine geworden, u. manche auch in schlechte Umstände hineingerathen waren. Wir fanden nur die Helfer-Geschwister Simons mit ihrer Familie hier, die übrigen wohnten an 5 Orten zerstreut. Ich machte es daher zu meiner Hauptsache, sie so viel als möglich zu besuchen, so wie auch die an 3 Orten wohnenden Heiden. In unserm Grönländischen Häuschen richteten wir uns so gut ein, als wir konten. D. 25tn besuchte mich ein Heide, war sehr freundschaftlich, u. hörte aufmerksam zu, da ich ihm etwas [54] vom Heiland sagte. D. 27tn kamen einige Geschwister von Sarsuvik, welches der entfernteste Platz von uns ist, u. fragten, ob nicht bald Abendmahl seyn würde. Sie wurden auf den folgenden Tag bestellt: d. 28tn fanden sich noch mehrere herbey. Wir sprachen mit ihnen einzeln, u. fanden doch mehr erfreuliches u. tröstliches, als wir uns vorgestellt hatten. Abends hatten wir, 34 an der Zahl, den seligsten Genuß des Leibes u. Blutes Jesu im heiligen Abendmahl. D. 29ten hielt ich in Simons Hause eine Versamlung für die Kinder, wozu sich einige von Kangek u. auch von Sarsuvik eingefunden hatten. Ihre Gemüther waren ziemlich zerstreut, doch sassen sie ganz stille, u. hörten aufmerksam zu. Nachher sprachen wir mit einer ausgeschlossenen ledigen Weibsperson, die sich aber noch nicht sehr reuig bezeugte.
[55] D. 1 Nov. war ich in Kangek, hielt den Geschwistern eine Versamlung, u. ermunterte sie zu einem Kindern Gottes gemäßen Wandel. Nachher besuchte ich die hier wohnenden Heiden. Der Mann des Hauses, welcher zwey Weiber hat, ist ein Hexenmeister; sie versprachen wol sich zu bekehren; indeßen haben sie immer Entschuldigungen, warum es jezt noch nicht geschehen kan. D. 5tn besuchten uns viele Geschwister, u. wir hatten zusammen eine gefühlige Versamlung. D. 7tn besuchte ich die Geschwister in Sarsuvik, u. fand sie gesund u. wohl. Es halten sich hier 3 Matrosen auf, die mit großen Netzen über 80 See-Hunde gefangen haben, u. die in unsrer Versamlung aufmerksame Zuhörer waren. D. 8tn besuchte mich ein ausgeschlossener Abendmahls-Bruder, und bezeugte Reue über seine Vergehungen.
[56] D. 11tn war ich bey denen zunächst wohnenden Heiden, u. redete mit ihnen von der Bekehrung zum Heiland. Einige waren aufmerksam, andre aber sagten, sie hätten von solchen Dingen keinen Verstand; doch baten sie alle daß ich sie mehr besuchen möchte.
D. 12tn besuchten wir beyde in Kangek. Viele, besonders junge Leute, fangen an krank zu werden, u. es wurde fleißig Medicin bey uns geholt.
D. 14tn hatte ich mit einem ausgeschlossenen Helfer eine gründliche Unterredung, konte mich aber über seinen Herzenszustand nicht sehr freuen.
D. 19tn meldete mir der Helfer-Bruder Benjamin in Sarsuvik, daß ihm der Heiland ein Töchterlein geschenkt habe, u. bat um die Taufe desselben. Ich ging am 20ten dahin, hielt den Geschwistern eine Versamlung, u. taufte das Kind mit Namen Sabina. D. 21tn wurde den Geschwistern der Abschnitt [57] von der heiligen Taufe aus der Idea fidei fratrum vorgelesen. Es war ihnen dieses Verlesen so angenehm, daß sie die Wiederholung desselben verlangten. D. 22ten mußte mit einer ledigen Schwester wegen ihres anstößigen Wandels nachdrücklich gesprochen werden; sie versprach, Beßerung. D. 26tn waren einige Heiden in der Versammlung aufmerksame Zuhörer. Ein ausgeschloßener Abendmahls-Bruder bezeugte sehnlich seinen Wunsch, wieder readmittirt zu werden. D. 27ten wurden alle, Getaufte u. Ungetaufte, zum Sprechen bestellt, wozu sie sich in den folgenden Tagen einfanden.
D. 1 Dec. waren wir beyde in Sarsuvik, u. unterhielten uns vergnügt mit den dortigen Geschwistern. Es war ihnen zum Wunder, daß eine Europäische Schwester zu ihnen gekommen war, da der Weg über einen hohen u. steilen Berg geht, u. daneben die See ist.
D. 3tn waren wieder einige Heiden in [58] der Versamlung. D. 5ten wurde mit einer ausgeschlossenen Witwe gesprochen; sie bezeugt aber noch keine Reue über ihre Vergehungen. Mehr Freude hatten wir über eine andre ebenfalls ausgeschlossene Witwe, die über sich zum Nachdenken kommt. D. 10ten musten wir eine ledige Schwester, die sich mit heidnischen Sachen abgegeben, vom Friedenskuß ausschliessen. Einige Heiden waren heute in der Versamlung. D. 11ten besuchte ich die benachbarten Heiden, von denen mir zwey Männer nicht ungeschickt zum Himmelreich zu seyn schienen. Da ich Abends nach Hause kam, überfiel mich auf einmal eine große Schwäche in allen Gliedern, ich bekam Kopfweh, Frost u. Hitze, u. musste mich gleich einlegen. Am 9ten Tage brach sich die Krankheit, so daß ich am 20ten wieder eine Versamlung halten konte. Zu den Weihnachtsfeyertagen waren einige Brüder in Neu-Herrnhut, [59] die übrigen Geschwister fanden sich bey uns so zahlreich ein, daß wir am 24ten das Liebesmahl in zwey Abtheilungen halten musten. Der Heiland war fühlbar in unsrer Mitte, u. man sahe bey einigen milde Thränen fließen. D. 25ten kam eine Witwe, die vorigen Sommer sich hatte verleiten lassen ein heidnisches Spiel mit zu machen, u. deswegen ausgeschlossen worden, u. sagte: ich fühle mich wie ein verlornes Schaf, das in der Irre geht, u. habe den Heiland gebeten, mir alles zu vergeben u. mir wieder zu erlauben Sein Fleisch u. Blut im heiligen Abendmahl zu geniessen. Es wurde herzlich mit ihr geredet.
In diesen Tagen wurden die Communicanten gesprochen, u. d. 27ten hatten wir das heilige Abendmahl. D. 28ten wurden die Geschwister in Kangek, u. auch an den andern Orten, öffentlich vor einem gewissen Verführer gewarnt, der oft in hiesige Gegend kommt, u. schon [60] manches Unglück angerichtet hat.
D. 29ten versamleten sich diejenigen Kinder, die am 24ten nicht hatten kommen können, u. hatten eine gesegnete Nachfeyer des Weihnachtsfestes.
D. 3 Jan. 1787 taufte ich ein Töchterlein der Geschwister Antons mit Namen Persida. D. 4ten hatten wir einen heftigen Sturm, so daß unsre Schlafstellen zitterten, u. wir uns kaum erwärmen konten. Am Heidenfest d. 6ten gedachten wir besonders der in dieser Gegend wohnenden Heiden, mit dem herzlichen Wunsch, daß auch sie ein Eigenthum Jesu werden mögen. D. 11ten kam ich von einem Besuch in Sarsuvik sehr abgemattet nach Hause, denn oft muste ich bis an den halben Leib im Schnee gehen, dann wieder über Berge steigen, die von Eis so glatt waren, daß ich oft hinfiel, u. dabey im Gesicht ein heftiges Stöberwetter ausstehen. Ich dankte dem Heiland sowol für seine Durch-Hülfe, [61] als auch für sein Bekenntnis zu meinem geringen Zeugnis von Ihm.
D. 19ten wurde in Sarsuvik der Bruder Philippus beerdigt, der nach einer dreytägigen Brustkrankheit selig entschlafen war. Seine Erklärung über seine Herzensstellung war uns besonders beym lezten Sprechen erfreulich gewesen.
Heute hatte ich auch eine Unterredung mit einem Heiden, der, wie es scheint, gern vom Heiland hört. D. 27ten wurden die Geschwister angelegentlich ermahnt, sich bey allen Vorkommenheiten kindlich an den Heiland zu halten. Es werden jezt viele krank an Brustkrankheiten, u. erholen sich davon sehr langsam wieder.
D. 31ten wurde mit einer ausgeschloßenen Getauften gesprochen, u. sie versprach sich aufs neue zum Heiland zu wenden. Auch wurde in diesen Tagen mit dem in Kangek wohnenden bekannten Hexenmeister nachdrücklich gesprochen, weil er sich unterstanden hatte eine von unsern Getauften zur Sünde verführen zu [62] wollen. Er gab klein zu, versprach alles Gute, u. seitdem hat man auch von dergleichen nicht mehr gehört.
D. 1 Febr. hatten wir die Freude, daß 4 Seelen von den hiesigen Heiden nach Neu-Herrnhut zogen, in der Absicht, sich zu bekehren. D. 7ten fand ich in Sarsuvik wenige zu Hause, weil bey gegenwärtiger hungriger Zeit alles auf Erwerbung ausgeht. Sie müssen sich jezt gröstentheils mit Muscheln u. Alken durch bringen. Eine Witwe erfuhr beym fischen eine besondere Bewahrung, indem das Eis unter ihren Füssen einbrach, u. sie unter dasselbe gerieth; aber durch Hülfe einer andern Schwester, die ihr eine Fischschnur zuwarf, glücklich wieder herauskam. D. 18ten nahm der Heiland das Waiblein Gregorius zu sich, ein liebes Kind, welches sein anhängliches Herz an den Heiland gefühlig darzulegen pflegte. Heute hörten wir zu unserm Schmerz, daß einige Geschwister, u. darunter [63] ein paar Communicanten, in Kangek sich verleiten lassen einer heidnischen Gauckeley beyzuwohnen, um Alken (eine Art Seevögel) herbey zu hexen; ja daß der ausgeschloßene Helfer Apollo an der ganzen Sache Schuld sey. Dieses u. mehrere schmerzliche Umstände bey einzelnen Seelen machen uns oft zu unserm lieben Herrn seufzen u. schreyen: Erbarme Dich über Deine arme Grönländische Gemeine, u. laß es dem Feind nicht gelingen sie aus Deiner Hand zu reissen. D. 7 Merz besuchten mich etliche Heiden, die am weitesten von uns wohnen, u. ich hatte mit ihnen eine angenehme Unterredung. Ueberhaupt hatte ich in diesem Monate öfters Gelegenheit mit Heiden zu reden. Einmal baten sie mich, ihnen mehr zu sagen, welches ich auch gern that. Etliche sagten, sie hätten so etwas noch nie gehört. D. 20ten fuhren Geschwister Simons mit ihrer Familie nach Neu-Herrnhut, [64] u. die andern fingen auch nach u. nach an von hier aufzubrechen. Wir blieben hier bis zum 2 April, worauf wir munter u. wohl wieder in Neu-Herrnhut ankamen.
Wir empfehlen zum Schluß die armen zerstreuten Grönländischen Geschwister dem besondern Gebet u. Andenken der Geschwister.
Aus dem diario von Gracehill vom Ende Jul. 1786 bis Jun. 1787.
Den 30 Jul. gegen 2 Uhr des Morgens erhob sich ein harter Sturm, der unter beständigem Donnern u. Blitzen so zunahm, daß wir einen Orkan befürchteten. Der Helfer Jonas von Buckshorn kam in aller Frühe zu sehen, wie wir uns befänden. Die heutige Losung: „Ich will diese Stadt beschützen, daß ich ihr aushelfe um meinetwillen“ – war uns besonders [65] tröstlich, u. wurde auch an uns erfüllt. Da wir in einer Helferconferenz in diesen Tagen einige Verlegenheit über unsre Neger-Brüder in English-Harbour bezeugt hatten, so nahm der Helfer Jonas die Sache zu Herzen, u. so bald er ein wenig Zeit hatte, ging er hin, um daselbst u. in der Gegend zu besuchen. Der Heiland war mit ihm, daß er mit einigen herzlichen Ermahnungen weit mehr Eingang fand, als er erwartet hatte, selbst bey solchen, die ihm pflegten aus dem Wege zu gehen. Auf Freemanns, wo Gnade u. Liebe ziemlich durchgängig zu spüren ist, fand er 2 Abendmahls-Brüder in Uneinigkeit, die er nicht bedeuten konte. Das betrübte ihn sehr, u. er sagte ihnen, daß ehe der selige Gang auf der Estate durch ein solches schlechtes Exempel gestört werden solte, so solten sie doch lieber gleich beyde mit ihm nach Gracehill gehen. Das thaten sie, u. der Heiland gab Gnade, [66] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/70 [67] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/71 [68] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/72 [69] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/73 [70] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/74 [71] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/75 [72] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/76 [73] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/77 [74] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/78 [75] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/79 [76] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/80 [77] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/81 [78] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/82 [79] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/83 [80] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/84 [81] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/85 [82] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/86 [83] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/87 [84] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/88 [85] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/89 [86] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/90 [87] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/91 [88] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/92 [89] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/93 [90] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/94 [91] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/95 [92] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/96 [93] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/97 [94] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/98 [95] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/99 [96] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/100 [97] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/101 [98] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/102 [99] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/103 [100] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/104 [101] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/105 [102] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/106 [103] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/107 [104] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/108 [105] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/109 [106] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/110 [107] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/111 [108] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/112 [109] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/113 [110] Seite:GN.A.250 Gemein-Nachrichten 1788,5.pdf/114
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