Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/1. Kapitel

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Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche
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Das erste Kapitel.
Alles, was ein Christ zu seiner Seligkeit wissen und glauben muß, soll einzig und allein aus der Bibel, das ist, aus den prophetischen und apostolischen Schriften gelernt werden.




 1. Es ist aus der Natur bekannt, daß über die, welche sich in ihrem Leben der Bosheit beflissen haben, ein ernstes und scharfes Gericht zur Verdammniß ergehen werde; daher auch der Heiden Gedanken einander verklagt und entschuldigt haben auf den Tag, da Gott das Verborgene der Menschen richten werde, Röm. 2, 15. 16., das ist, es hat ihnen das Gewissen gesagt: der Mensch habe vor sich Leben und Tod, Seligkeit und Verdammniß, Alles, nachdem ein Jeder den rechten Weg zur Seligkeit treffen oder desselben verfehlen werde.

 2. Nun sind davon mancherlei Meinungen und Gedanken unter den Völkern, so daß Etliche aus ihrer eignen Vernunft diesen Weg zu finden gemeint haben, wie vorzeiten die Heiden und ein Jeglicher sich etwas erdichtet hat, dadurch er sich bei Gott etwas verdienen und nach diesem Leben zu ihm kommen wollte. Aber indem sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden, und Gott hat sie dahin gegeben in verkehrtem Sinne. Röm. 1, 22. 28.

 3. Die Türken halten an ihren Mahomet, den sie als einen großen Propheten ehren, und meinen, aus seinem Coran Alles, was zur Erlangung der ewigen Seligkeit vonnöthen ist, genugsam zu erlernen.

|  4. Die Juden haben die Schriften Mosis und der Propheten, aber neben diesen die Aufsätze ihrer ältesten und vornehmsten Lehrer – Matth. 15, 2. –, aus welchen sie den Talmud geschmiedet haben, und dem sie zu ihrer Verstockung mehr nachfolgen, als Mosi und den Propheten.

 5. Wir, die wir den christlichen Namen führen, glauben und bekennen, daß die Schriften der Propheten und Apostel (die wir die Bibel zu nennen pflegen) das rechte reine Wort Gottes und das einzige Mittel seien, dadurch die Menschen von Gott gelehret werden, was sie zu ihrer Seligkeit und ewigen Wohlfahrt zu wissen nöthig haben. Und damit von diesem Puncte desto richtiger gehandelt werde, soll man auf folgende drei Fragen Acht geben: 1) Was für Bücher in dem Worte Bibel verstanden werden? 2) ob die recht-biblischen Bücher das eigentliche Wort Gottes in sich begreifen? 3) ob dieses geschriebene Wort Gottes so vollkommen sei, daß es Alles lehre, was uns zu wissen nöthig ist?

 6. Bei der ersten Frage: Was für Bücher in dem Wort Bibel verstanden werden? muß man den Unterschied festhalten, daß unter den Büchern, welche in der Bibel zu finden sind, etliche gewißlich von Propheten und Aposteln geschrieben sind, etliche aber deßwegen in Zweifel gezogen worden sind. Gewisse Bücher sind im Alten Testamente diejenigen, welche in der Sprache des jüdischen Volkes, nämlich in der hebräischen und zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft, auch in der chaldäischen geschrieben sind. Denn welche Bücher nicht in dieser Sprache geschrieben sind, die hat Gott seinem Volke nicht gegeben; was aber sein unfehlbares Wort ist,| oder was Er geredet hat, dieß hat er den Juden in einer ihnen bekannten Sprache anvertraut. Röm. 3, 2.

 7. Solche gewisse Bücher sind die 5 Bücher Mosis, das Buch Josua, der Richter, Ruth, die Bücher Samuelis, der Könige, der Chronika, das Buch Esra, Nehemia, Esther, Hiob, der Psalter, die Sprüchwörter, der Prediger und das Hohelied Salomonis, Jesaias, Jeremias (das prophetische Buch und die Klaglieder), Hesekiel, Daniel, Hoseas, Joel, Amos, Obadja, Jonas, Micha, Nahum, Habakuk, Zephania, Haggai, Zacharia, Maleachi. Die andern, als die Weisheit Salomonis, Judith, Tobias, Jesus Sirach, Baruch, die Bücher der Maccabäer, das Stück in Esther, sind, weil sie allein in griechischer Sprache geschrieben sind, den Juden nicht vertrauet worden, weßhalb sie zwar als nützliche Bücher in der Bibel stehen, dadurch man in dem Leben gebessert und unterrichtet wird; aber sie sind zu schwach, den Glauben allein auf sie zu gründen, weil nicht allerdings gewiß ist, daß sie von Propheten geschrieben worden sind.

 8. Im Neuen Testamente sind das die rechten biblischen und Schrift-Bücher, welche die alte apostolische Kirche von den Aposteln selbst empfangen hat, daher sie allezeit als recht apostolische Bücher gebraucht, und als solche niemals in Zweifel gezogen worden sind. Diese sind: Das Evangelium Matthäi, Marci, Lucä, Johannis, die apostolische Geschichte, die Episteln St. Pauli an die Römer, Corinther (2), Galater, Epheser, Philipper, Colosser, Thessalonicher (2), an Timotheum (2), Titum, Philemon; dann die erste Epistel Petri und erste Epistel Johannis. Von den andern, als von der zweiten Epistel Petri, zweiten und dritten Epistel| Johannis, Epistel an die Hebräer, Epistel Jacobi, Judä und Offenbarung Johannis hat man zuweilen, jedoch ohne allen Grund, gezweifelt, ob sie eigentlich von Aposteln herrühren, wie wohl sie zum Theil wegen Erfüllung der darin enthaltenen Weissagungen, zum Theil, weil der h. Geist durch innerliche Kennzeichen sie, als von ihm herrührend, bezeichnet hat, für apostolisch und vom h. Geist eingegeben, zu halten sind.

 9. Die Wahrheit der andern Frage: Ob die recht biblischen Bücher gewißlich das eigentliche Wort Gottes in sich begreifen? wird daraus offenbar, a) weil außer den biblischen Büchern nichts für Gottes Wort erkannt werden kann. Nachdem Gott den Menschen also geschaffen, daß er von Natur genöthigt wird, einen Gott zu suchen, denselben zu erkennen, und ihm göttliche Ehre zu beweisen, und an allen Völkern zu sehen ist, wie keines sei, noch jemals gewesen, das nicht einen Gott haben und ehren sollte, die Geschichte aber lehrt, daß alle Völker, weil ihnen die wahre Gottes-Offenbarung gemangelt hat, lieber einem unbekannten (Ap. Geschichte 17, 23.), als keinem Gott dienen wollen; ja daß sie, um nicht ohne allen Gott zu sein, unvernünftige Thiere, Ochsen, Böcke, auch Sonne, Mond, die Sterne, das Feuer, die Kräuter und Garten-Gewächse, Holz und Steine als Götter verehrt haben: so wird ja hieraus kund, Gott habe den Menschen zu dem Ende gemacht, daß er ihn erkenne und ihm diene.

 10. Soll aber der Mensch Gott kennen und ihm dienen, so muß sich Gott selbst ihm offenbaren, zu erkennen| geben und ihn lehren, wie und womit er wolle, daß man ihm dienen solle, „denn er wohnet in einem Lichte, da Niemand zukommen kann.“ 1 Timoth. 6, 16.

 11. Wenn wir nun ansehen, in was für einem Wort Gott sich geoffenbaret haben möchte, so ist dasselbe entweder ein altes oder vor langer, und ein neues oder vor einiger Zeit erst geoffenbartes Wort.

 12. Sehen wir nach dem alten, so ist es entweder die Stimme der Orakel, die vor Zeiten den Heiden auf ihre Fragen Antwort gegeben, und die heidnischen Priester, als ob’s ihnen von den Göttern geoffenbaret worden wäre, auf die Bahn gebracht haben; oder es muß das Wort sein, welches Gott mit den ersten Vätern geredet, und sich dadurch je länger desto mehr dem israelitischen Volke, wie auch dessen Vorfahren, dem Abraham, Isaak und Jacob, geoffenbaret hat, und welches auch die Propheten verkündigt haben, und endlich durch seinen Sohn den Aposteln weiter erklärt und in gewisse Schriften gefasset und verzeichnet worden ist. Denn hier findet sich kein Drittes, das für eine göttliche Offenbarung jemals in der Welt ausgegeben worden wäre.

 13. Nun ist gewißlich das rechte Wort Gottes nicht dasjenige, das die Heiden vorzeiten gehabt haben, welches erst etliche hundert und wohl gar tausend Jahre nach der Erschaffung der Welt aufgekommen ist (so daß Gott so lang von keinen Menschen erkannt und geehrt worden wäre), auch vor langer Zeit, und wohl vor 1800 Jahren gänzlich untergegangen und verschwunden ist, woraus abermals gefolgert werden müßte, Gott wäre von derselben Zeit an bis jetzt von keinem Menschen erkannt noch geehret worden.

|  14. Es bleibt demnach dabei: Das Wort Gottes, darinnen er sich vor Zeiten geoffenbaret hat, sei dasjenige, welches er zu den ersten Vätern, zu dem israelitischen Volke, zu den Propheten, durch Christum und seine Apostel geredet, sich damit geoffenbaret und es in gewisse (biblische) Bücher hat fassen und verzeichnen lassen.

 15. Sehen wir das Neue an, und was zu diesen letzten Zeiten für Gottes Wort ausgegeben worden ist, so ist dasselbe fünferlei: 1. Der jüdische Talmud 2. der türkische Koran, 3. die traditiones oder das unbeschriebene Wort, das die Papisten vergeben, sammt dem geistlichen Recht, 4. die Offenbarungen, welche heutiges Tages Etliche vorgeben, und dann 5. die prophetischen und apostolischen Schriften, welche wir die Bibel nennen.

 16. a. Der jüdische Talmud erkennet, daß die prophetischen Schriften, die wir das alte Testament heißen, das rechte und wahre Wort Gottes seien, auch begreift derselbe nichts andres in sich, als mancherlei Auslegungen der prophetischen Schriften, darneben aber allerlei Fabeln, die von alten Juden erdichtet worden sind, damit, nach der Juden eigenem Bekenntnisse, die prophetischen Schriften dem Talmud vorgehen, und dieses talmudische Werk nach denselben gerichtet und geurtheilt werden muß.

 17. b. Der Coran ist aus der h. Bibel, aus jüdischem Aberglauben und Gebräuchen, dann aus der arianischen Ketzerei zusammen geschmiedet. Er erkennet Mosis und der Propheten Schriften für Gottes Wort, hält Christum für einen großen Propheten und Gottes Sohn, und weil er mit solchem Bekenntnisse der Propheten| und Christi Worten Zeugniß gibt, und dadurch darthut, daß die Menschen durch dieselben lange vorher, ehe er aufgekommen, von Gott gelehrt worden seien, so mag ihnen der Coran keineswegs vorgezogen werden.

 18. c. Das ungeschriebene Wort oder Traditiones, das die Papisten vorgeben, halten diese selbst nur für eine Zugabe, die den biblischen Büchern müsse zugesetzt werden, wodurch sie die Bibel für Gottes Wort bekennen. Dasselbe hat keinen Grund, daraus wir gewiß sein möchten, daß es wahrhaftig von Gott herrühre, und deßwegen können wir es auch nicht dafür halten.

 19. d. Das päpstische Recht ist ein Menschenwort, lauft dem geschriebenen göttlichen Worte vielfältig zuwider und bekennet, daß die h. Schrift Gottes Wort sei. Darum ist es nicht für Gottes Wort zu achten, viel weniger der Bibel vorzuziehen.

 20. e. Was heutzutage etliche Träumer vorgeben, kann uns nicht irre machen, indem dieselbe alle gerne gestehen, die Bibel sei Gottes Wort, und daß ihre Träume nach diesem beurtheilt werden müssen, ob sie von Gott oder jemand anders herrühren.

 21. Es bleibt also ausgemacht, daß keines unter Allem, was sich für göttliche Offenbarungen je ausgegeben hat, oder noch ausgibt, für solche geachtet werden könne, ohne allein die prophetischen und apostolischen Schriften, denen auch alles andere, das nur Gottes Wort heißen will (ob es schon nicht ist), das Zeugniß gibt, daß man sie als göttliche Offenbarungen ehren und halten soll.

|  22. Daß die recht biblischen Bücher gewißlich das eigentliche Wort Gottes in sich begreifen, ist b) auch daraus offenbar: weil durch’s Alte Testament das Neue, und durch’s Neue das Alte als Gottes Wort bewiesen wird. Die h. Schrift ist in zwei Stücke getheilt, nämlich in Altes und Neues Testament, welche also zusammen stehen, daß je eines das andere gewaltig erweiset und befestiget. Denn in dem Alten haben die Propheten von dem Herrn Messias verkündiget, daß er aus dem Geschlechte Abrahams, Juda und David herkommen, von einer Jungfrau, zu Bethlehem geboren werden solle, daß er zu der Zeit, wenn das Regiment von Juda hinweggenommen würde, die 69 Jahrwochen (davon Daniel Cap. 9, 24. 25. verkündiget) verflossen seyn werden, gewaltig lehren, viel Zeichen und Wunder thun, deswegen von den Seinen verachtet, um Geld verkaufet, schmählich verspottet, geschlagen und endlich ganz getödtet werden, aber vom Tode wieder auferstehen, gen Himmel fahren, zur rechten Hand Gottes sitzen, allmächtig regieren und dermaleins das allgemeine Gericht halten, indessen aber in aller Welt vom Frieden predigen lasse, viele Menschen zu sich sammeln, sein Volk aber, das ihn verstoßen, wiederum verwerfen, und die Heiden zu seinem Erbe sammeln würde.
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 23. Nun ist bekannt, daß dergleichen Dinge so gewiß, ausführlich und umständlich viele hundert Jahre zuvor zu verkündigen, dem allein zusteht, welchem Alles, auch der Menschen Gedanken und Werke, alsdann bekannt sind, wenn dieselben erst über viel hundert oder tausend Jahre geboren werden sollen, welches denn allein der einige, wahre, lebendige Gott ist. Zwar können wohl Menschen etwas Zukünftiges vorhersagen| (wie auch der Teufel etwa dergleichen verkündiget), aber zweifelhaftig und allein aus Vermuthungen, die leicht fehlen können; darum solche Weissagungen, welche die Oracula vorgaben, auf zweifelhafte Reden gestellt worden sind und nur die Leute betrogen haben, auch das, was heutzutage der Eine oder Andere verkündiget, mehr fehlet, als zutrifft.

 24. Es bleibet also ausgemacht, daß das Wort oder die Schrift, welches das, was zu jener Zeit im Allergeringsten nicht hat vermuthet werden können, ohne einigen Zweifel geweissagt hat und das alles hernach so erfüllet worden ist, daß nicht das Geringste daran fehlet, gewiß von dem allwissenden lebendigen Gott geredet worden sein muß, und demnach als Sein Wort zu ehren sei.

 25. Es ist aber Alles dasjenige, was von dem Weltheilande in Mose und den Propheten zu der Zeit gemeldet worden ist, als man nichts davon hat vermuthen können, unfehlbar und also geweissaget, auch an dem Herrn Jesu von Nazareth dermassen erfüllet worden, daß das Wenigste, welches fehlen sollte, nicht vorgewiesen werden kann, wie die apostolischen Schriften bezeugen. Darum sind die Schriften der Propheten ohne allen Zweifel von dem allwissenden lebendigen Gott geredet worden, und demnach als Sein Wort zu ehren.

 26. Ferner, da der Jesus von Nazareth uns von Gott als ein Prophet, dem er eine gelehrte Zunge gegeben (Jesaias 50, 4.) und den er zu predigen gesandt habe (Jes. 61, 1.), mit dem Befehle vorgestellt worden ist, daß wir ihn hören sollen (5 Mos. 18, 15. 19.) und mit allen Zeichen, die er durch die Propheten gegeben,| bezeuget hat, daß er derselbige verheißene Lehrer sei, so folgt unwidersprechlich, daß dieses himmlischen, göttlichen und großen Propheten Wort für Gottes Wort zu achten, und ferner, daß die Schriften der Apostel gewißlich Gottes Wort seien, da er von seinen Jüngern gesprochen hat: „Wer euch höret, der höret mich.“ Luc. 10, 16.

 27. Vorzüglich ist auch zu merken, daß solches Zeugniß von den heftigsten Feinden der Christenheit vorgezeiget wird. Die Juden haben die prophetischen Schriften; weil sie nun den Christen heftig feind sind, so wird damit gewiß, daß in denselben nicht den Christen zu gefallen geschrieben, noch geredet worden sei. Doch fordern die Christen das Wort, welches ihre abgesagten Feinde, die Juden, vorbringen, zu einem Richter wider sie auf, dadurch zu beweisen, daß der Jesus von Nazareth der große Lehrer sei, den Gott gesandt, sein Wort den Menschen ferner zu offenbaren, zu erklären, folglich, daß dasjenige, was er uns durch seine Jünger hat aufschreiben lassen, das unfehlbare Wort Gottes sei.

 28. Daß die recht biblischen Bücher gewißlich das eigentliche Wort Gottes in sich begreifen, wird endlich c) auch daraus offenbar: weil Gott die biblischen Schriften mit Wunderzeichen bekräftiget hat. Wenn Gott sein Wort geredet, hat er Wunder dazu gethan. Dieß geschah, als er dem Abraham über den Lauf der Natur einen Sohn gab, und einen Bund mit ihm aufrichtete (1 Mos. 17, 7. 18, 10.); als er den Kindern Israel das Gesetz geben und sein Wort zu ihnen reden wollte, ließ er viele Zeichen vorher gehen, dadurch er sie aus Aegypten erlösete (2 Mos. 7, 11. ff.); er speisete sie mit Brod und Fleisch vom| Himmel herab (2 Mos. 16, 13. 14. 15.). Dergleichen Wunderwerke werden in der Historia des Elias (1 Könige 17, 6. 10, 22) und andern Propheten mehr gelesen, Alles zu dem Ende, daß Gott sein Wort nicht ohne gewissen Beweis lassen, sondern mit göttlichen Werken hat bekräftigen wollen, damit Jedermann im Werke spüren sollte, daß solches Wort gewiß Gottes Wort wäre.

 29. Und damit kein Zweifel bei Jemanden entstehen möchte, als wären die Wunderwerke von Mose und andern Propheten erdichtet, so ist durch göttliche Providenz und Vorsorge geschehen, daß die ärgsten Feinde der Juden aus der Heidenschaft davon zeugen müssen, sie seien wahrhaftig also geschehen.

 30. Dergleichen, daß durch den Herrn Jesum und seine Apostel solche Zeichen und Wunder, wie aufgezeichnet worden, geschehen sind, hat zu der Zeit nicht geläugnet werden mögen. Der jüdische Historienschreiber Josephus hat davon sattsam gezeugt, und die Juden bekennen das (nebst andern Historien) selbst in ihrem Talmud. (Bei P. Galatino de Arcanis catholicae veritatis lib. 8, cap. 5.)

 31. Daraus kann also geschlossen werden: Welches Wort durch recht-göttliche Wunderwerke bekräftiget worden ist, dasselbe ist Gottes Wort; dasjenige, welches in den prophetischen und apostolischen Worten enthalten ist, ist mit recht-göttlichen Wunderwerken bekräftiget worden, darum ist dasselbe Gottes Wort.

 32. Damit aber nicht Jemand einwende, diese Wunder seien allein geschehen, dasjenige zu bekräftigen, dessen in der Bibel Meldung gethan wird, nicht aber die h. Schrift selbst als Gottes Wort zu beweisen; so sind| zum Ueberfluß auch die Wunder nicht zu vergessen, welche eigentlich zu dem Ende geschehen sind, damit kund würde, daß die h. Schrift ein göttliches Wort sey; als

 33. a. Daß sie eine einfältige und vor der Welt verachtete Art zu reden gebraucht, da sie solche Dinge lehrt, die aller Vernunft eine Feindschaft und Thorheit sind, gleichwohl in aller Welt und von so unzählig vielen Völkern angenommen und vertheidigt worden sind, daß dieselben den allerschmählichsten Tod gern und willig darüber gelitten haben, als daß sie sich von solchem Wort abbringen lassen wollten, was nicht einer Creatur, sondern allein Gottes Werk ist.

 34. b. Daß dieß Wort unter so vielfältigen Verfolgungen derer, bei welchen es gewesen, erhalten worden ist, als bei den Israeliten, als sie unter den Philistern, Moabitern und andern Völkern dienstbar gewesen (B. der Richter 2, 14. 3, 8. 11.); vornämlich, als Israel nach Assyrien, und Juda nach Babylon geführt worden, als nachmals der Juden Regiment zu der Maccabäer Zeit und unter den Römern zerrüttet, sie verjagt und auf’s Aeußerste verfolgt wurden, daß ihnen all’ ihre Habe und Gut genommen und sie unter andere Völker als Knechte verkauft worden sind; ferner als die Christen unter den römischen Kaisern in zehen Generalverfolgungen heftig gedrückt und sehr gedämpft worden sind, und keinem Dinge heftiger nachgestellt worden ist, als allein der h. Schrift, die Gott gleichwohl wider alle menschliche Gewalt erhalten hat, – dieß Alles ist ein augenscheinliches Wunderwerk der göttlichen Fürsorge.

|  35. c. Daß die h. Bibel die Seele allein aufrichtet und erquickt. Denn wenn schon alle heidnischen oder aller Weltweisen Schriften durchgelesen werden, so können doch alle zusammen einem betrübten, angefochtenen Gewissen keinen beständigen Trost geben, während die eine heilige Schrift so voll Trostes ist, daß Niemanden etwas betrüben kann, wogegen ihm nicht aus h. Schrift kräftiger und herzlicher Trost gezeigt werden möchte; weswegen denn dieses Wort von dem herrühret, welcher alles Anliegen und jegliche Noth der Menschen verstehet, auch wohl weiß, womit ihnen geholfen werden könne, was abermals weder Menschen noch Engeln, sondern allein Gotte zustehet.

 36. d. Daß Diejenigen, welche sich diesem Worte widersetzet und es gelästert haben, mit augenscheinlicher Strafe von Gott belegt worden sind, wie zu sehen an Antiochus (2 Macc. 9, 5.), Herodes (Apost. Gesch. 12, 23.), den römischen Kaisern Nero, Maxentius, Diocletianus, Julianus und andern, mit denen Gott, der allein die Menschen stürzen kann, erwiesen hat, daß er die h. Schrift, als sein Wort, wider aller Menschen Vornehmen, gewaltiglich schützen will.

 37. e. So ist auch ein solches Wort den Menschen vonnöthen, daraus sie alles das schöpfen können, was ihnen zu ihrer ewigen Seligkeit, zu Widerlegung aller Ketzerei, welche auch entstehen mag, zu einem ehrbaren und gottseligen Leben, zu dem rechten Gottesdienst, zu allem Trost in Krankheit, Verfolgung, Absterben der Ihrigen, in| ihrem eigenen Tod etc. nothwendig ist. Ein solches Wort nun zu stellen, ist aller Menschen Weisheit unmöglich, und nur allein dem möglich, welcher weiß, wie die Menschen zu ihrer Seelen ewigen Wohlfahrt gelangen, – der alle Ketzerei zuvorsieht, die Herzen prüft, weiß, was für ein Dienst Gott wohlgefalle, Mittel in allen Anliegen, auch im Tode, hat, die betrübten Herzen zu trösten, und Mittel zu zeigen, dadurch ihnen aus aller Noth geholfen werden möge, welches Alles einzig und allein bei dem wahren, lebendigen Gott stehet.

 38. Die h. Schrift oder Bibel ist ein solches Buch, daraus Alles, was zur Seligkeit, zur Widerlegung aller Ketzerei, zum Gottesdienst, zum gottseligen Leben und zu allerlei Trost nothwendig ist, überflüssig genommen werden mag. Denn an allen diesen Stücken ist nicht das Wenigste zu zeigen, was in der h. Schrift mangeln sollte, vielmehr ist sie zu solchem Allen von unzähligen frommen Christen zu voller Genüge gebraucht worden, und wird dazu noch gebraucht. Darum kommt sie von dem her, der weiß, wie die Menschen zu ihrer Seligkeit kommen, der alle Ketzerei zuvor siehet, nämlich von dem lebendigen Gott, dessen eigenes Wort sie gewißlich sein muß.

 39. Zu der dritten Frage: Ob die Schrift also vollkommen sei, daß sie Alles lehre, was uns zu wissen nothwendig ist? sagen wir Ja! Denn es wird sich hernach finden, daß Alles, was wir zu unserm Glauben wissen sollen und müssen, aus der h. Schrift bewährt werden möge.

 40. Zudem ist uns die h. Schrift dazu gegeben, daß wir unsern Glauben und Gottseligkeit daraus lernen sollen; denn also spricht der Herr Christus Joh. 5, 39.: „Forschet in der Schrift, denn sie| zeuget von mir,“ und Abraham zu dem reichen Mann, als er ihm ein Mittel gezeigt, dadurch seine Brüder sich vor der höllischen Verdammniß verwahren könnten, „sie haben Mosen und die Propheten, laß sie dieselben hören.“ Luc. 16, 29. Joh. 20, 31. beschließt St. Johannes sein Evangelium mit diesen Worten: „Diese (Wunder) sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei der Christ, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen.“ 2 Tim. 3, 16.: „Alle Schrift von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allen guten Werken geschickt;“ und Vers 15.: „Du weißest von Kind auf die heil. Schrift, dieselbe kann dich unterweisen zur Seligkeit.“ Wohlan, so bleiben wir am sichersten bei dieser Richtschnur unsers Glaubens, und sehen uns nicht darnach um, was Papst, oder die Versammlung der Kirchenlehrer u. s. w. beschließet, weil diese ja alle solche Menschen sind, deren Lehre und Gedanken nach der h. Schrift gerichtet werden müssen, wie uns befohlen ist und wir gewarnet werden 1 Joh. 4, 1.: „Glaubet nicht einem jeglichen Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind, denn es sind viel falscher Propheten ausgegangen in die Welt.“





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