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RE:Athenai 1a

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Hauptstadt Attikas: Name, Lage, Klima, Karten und Pläne
Band S I (1903) S. 159 (EL)–219 (EL)
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S. 2021, 36 zum Art. Athenai:

1) Athen, Ἀθῆναι, die Hauptstadt Attikas. Sie wird bei Plautus sechsmal (Epid. 502; Mil. 100. 451; Pseud. 416; Rud. 741; Truc. 497) und natürlich nach diesem Vorbild bei Apuleius zweimal (Metam. I 24; Florid. 18 p. 86 Oudend.) als Athenae Atticae bezeichnet; gewiss nicht, weil es für die Römer einer Unterscheidung gegenüber den verschiedenen homonymen Städten oder auch nur gegenüber der euboeischen Stadt Ἀθῆναι Διάδες (vgl. Steph. Byz. s. Διάδες) bedurft hätte (wie richtig Leo Plautin Stud. 200, 1 hervorhebt), sondern ursprünglich wohl mit einer gewissen Feierlichkeit (so z. B. Rud. 741)‚ dann einfach aus echt römischer Freude an euphonischer Assonanz.

Name

I. Der Namen.

Ἀθῆναι steht in so innigem lautlichem Zusammenhang mit Ἀθήνη, Ἀθηναία, Ἀθηνάα, Ἀθηνᾶ, dem Namen der Hauptgottheit der Athener, dass es schwer fällt, mit Angermann (Jahrb. f. Philol. 1887, 6) zu glauben, es seien zwar aus demselben Stamme adh, aber unabhängig von einander, die beiden Namen hergeleitet. Vielmehr scheint die Annahme einer inneren Beziehung unabweisbar. Eine solche ist in doppelter Form denkbar. Einmal kann man annehmen, wie zuletzt und sehr bestimmt Ed. Meyer Gesch. d. Alt. II 115, die Göttin führe ihren Namen von ihrer Lieblingsstadt, heisse ‚die von Athen‘, wobei die adjectivische Bildung Ἀθηναία (und das zusammengezogene Ἀθηνᾶ) sich einfach erklären würde; doch entscheidet gegen die Zulässigkeit einer solchen Combination sprachlich die älteste nachweisbare Form des Namens der Göttin Ἀθήνη und sachlich die Thatsache, dass die Verehrung der Göttin zum ‚ältesten Gemeingut der griechischen Stämme‘ gehört, zu denen der lange in Abgeschlossenheit sich entwickelnde athenische Cultus keineswegs so früh gelangen konnte (s. o. Bd. II S. 1941[WS 1]). Zum andern kann aber auch Ἀθηναία nur als formale Weiterbildung von Ἀθήνη gelten und die Stadt nach der Göttin heissen; wirklich haben wiederholt griechische Orte den Namen ihres Schutzgottes in pluralischer Form angenommen (s. Usener Götternamen 232. Kretschmer Einl. i. d. Gesch. d. gr. Spr. 418ff.). Also bleibt Athen, Ἀθῆναι, ‚die Stadt der Athene‘ (Ἀθήνη), wie bereits Arrhian im Peripl. Pont. Euxin. 6 den Namen der Stadt Ἀθῆναι am Schwarzen Meer von dem dortigen Heiligtum der Athene hergeleitet hatte. Freilich entgeht uns nun die Möglichkeit, aus dem Namen selbst für die Stadtgeschichte etwas zu entnehmen, sei es, dass man (wie es früher üblich war) den Plural auf einen alten Synoikismos deutet, sei es, dass man die Bedeutung als ‚Höhenstadt‘ (Angermann in Curtius Studien IX 252ff. und Jahrb. a. a. O. 5f.) oder als ‚Blumenstadt‘ (Sengebusch im Eigenn.-Lex.), oder gar als ‚Wasserstadt‘ (Baunack Beitr. z. altgr. Onomatol. 26) etymologisch herausliest. Doch haben wir zugleich den Vorteil, die Etymologie des Namens auf die Mythologen abschieben zu können, deren Erklärungen des Namens der Göttin noch dazu an Wahrscheinlichkeit die bisher vorgebrachten des Stadtnamens wesentlich übertreffen.

Lage

[160]
II. Lage. Hügel; Flüsse und Bäche; Quellen.

1. Die Ebene, in der Athen liegt, ist die geräumigste des attischen Landes (220 □km.[WS 2]); sie breitet sich zwischen zwei von Nordwest nach Südwest ziehenden Bergen aus, dem bis zu 1027 m. ansteigenden felsigen Rücken des Hymettos (im Osten) und dem niedrigen (467 m.) Hügel des Aigaleos (im Westen), und wird im Norden durch den 1413 m. hohen Parnes, im Nordosten durch den bis zu 1108 m. steil ansteigenden Pentelikon (Brilessos) abgeschlossen. So eingerahmt, öffnet sie sich im Südwesten mit einer hafen- und buchtenreichen Küste gegen das freie Meer. Ihre eigene Gliederung erhält sie durch einen etwa in ihrer Mitte streichenden Höhenzug (jetzt Turkovuni, Türkenhügel genannt), der das breite Kephisosthal im Westen von dem schmalen Ilisosthal im Osten scheidet. Er erhebt sich im ganzen nicht über 339 m. und steigt an seinem südlichen Ende aus einem Einschnitt von ca. 130–140 m. plötzlich zu einer steilen Felskuppe (278 m.) an, die jetzt nach der Kapelle auf ihrem Gipfel Ἅγιος Γεώργιος heisst, im Altertum den Namen Λυκαβηττός trug (wie zuerst Forchhammer Zur Topogr. Athens 1833 feststellte). Die Niederung, zu der sie sich ‚in schön geschwungener Linie senkt‘, bildet den nördlichen Teil des eigentlichen Stadtterrains (in mittlerer Höhe von 70 m.), während sich im Süden eine neue Hügelreihe erhebt, die sich zwar nach Structur und geologischem Charakter (Lepsius Geologie von Attika 1893 ‚die jetzt von einander getrennten Hügel von Athen sind nur Reste einer einst weit verbreiteten Kalkdecke, die mit dem Turkovuni und dem Aigaleos in Verbindung stand‘, Bücking S.-Ber. Akad. Berlin 1884, 935ff.; dieser blaugraue Kalkstein lagert auf dem Thonschiefer von Athen) als Fortsetzung dieses Höhenzugs darstellt, aber selbst wieder in zwei Gruppen zerfällt. Die vordere schiebt zwei von Osten nach Westen streichende Höhen vor, den geräumigen Burghügel (156 m.) und westlich von ihm, durch eine Schlucht geschieden, den Felsknollen des Areopags (115 m.), vor dessen nordöstlicher Ecke unter gewaltigen Felsblöcken sich eine tiefe Felsspalte öffnet. Die hintere wird von drei zusammenhängenden Kuppen gebildet‚ die sich in der Richtung von Nordwesten nach Südosten so aneinanderreihen, dass die beiden ersten Stellen zwei ziemlich gleich hohe, westlich und südwestlich des Areopags gelegene Hügel einnehmen, der nach einer antiken Felseninschrift (CIA I 503) jetzt gewöhnlich als Nymphenhügel bezeichnete (104 m.), auf dem die heutige Sternwarte liegt und von dem eine, jetzt die Kapelle der H. Marina tragende Felszunge nach Nordosten vorspringt, und die den alten Ekklesienraum tragende Pnyx (107 m.)‚ während der höchste (147 m.), das Museion, südwestlich gegenüber dem Burghügel den Abschluss macht. Sie nehmen die südwestliche Richtung deutlich wieder auf, indem sie sich allmählich nach dem im Süden das ganze Hügelgebiet bogenförmig umspannenden Ilisosbett abdachen. Doch gehen diese beiden Gruppen in ihren nördlichen Ausläufern nach der Niederung hin in einander über, da der kleine Athanasioshügel (nach der modernen Kapelle so genannt; 63 m.) als nördlichster Vorläufer des [161] Nymphenhügels betrachtet werden kann und durch kaum merkliche Einsattelung verbunden ist mit dem Hügel, der nach dem am nördlichen Ende stehenden sog. Theseion benannt wird (68 m.). Letzterer – von den meisten Topographen jetzt als Kolonos agoraios bezeichnet – dehnt sich nordwestlich von dem Areopag in nordöstlicher Richtung in die Niederung ziemlich weit aus, weiter als man gewöhnlich annimmt (s. Athen. Mitt. XVI 252).

Das Stadtgebiet, 5 km. von der (phalerischen) Meeresküste entfernt, auf der Breite von 37° 58′ gelegen, umfasst sowohl die muldenförmige Niederung vor dem Lykabettos, als die geschilderte Hügelgegend nebst der Senkung südlich der Akropolis und erhält im Osten einen natürlichen Abschluss durch die enge Ilisosschlucht, an die die letzten Vorhügel des Hymettos, im höchsten Punkte, dem Gipfel des Ardettos, 133 m. erreichend, unmittelbar herantreten. Übrigens ist das heutige Bett des Ilisos in manchen Teilen nicht mehr dasselbe wie im Altertum; an das Olympieion muss es früher wesentlich näher herangetreten sein, also dort mehr nach Westen sich erstreckt haben (s. Skias Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1893, 126f.), und der alte Lauf mündete südwestlich der Stadt direct in den Kephisos ein (s. Milchhoefer Text z. d. Kart. v. Attika II 5).

2. Man sieht, wie der Ilisos – so Ἰλισός, nicht Ἰλισσός, ist die correcte Schreibung, vgl. jetzt Kontos Bull. hell. III 494ff. – der eigentliche Stadtfluss ist und somit als Fluss der Athena gelten kann, wie es bei einem (unbekannten) Dichter heisst: ἄνασσ’ Ἀθηνᾶ, τὠττικὸν λαχοῦσα ῥεῖθρον Ἰλισοῦ, s. Mar. Plot. Sacerdos in Keils Gramm. lat. VI 525, 18 nach der sicheren Emendation von Buecheler Rh. Mus. XXXVII 338.

Freilich war der Kephisos, der zahlreiche Bäche vom Brilessos und Parnes aufnimmt, weit bedeutender, ja der eigentliche Hauptfluss der attischen Ebene. An seinen, des ‚schönfliessenden‘, Wellen sitzt – nach den sinnigen Worten des Euripides (Medea 835f., nach der Emendation Leo’s Herm. XV 309) – Kypris und haucht würzige Lüfte über das Land; und dem wohlgepflegten Canalsystem[RE 1]‚ das seine Wassermassen auf die umliegenden Ländereien verteilte, verdankte in nächster Nachbarschaft der Stadt der Kolonos (Hippios) das üppige Gedeihen, das das bekannte Chorlied des Sophokles (Oid. Kol. 668ff., namentlich 685ff.) verherrlicht. Und dasselbe gilt auch von der Akademie, die man in weiterem Sinn noch als vorstädtisches Areal betrachten darf. Aber selbst wo er den Mauern Athens am nächsten tritt, bleibt er doch immer noch 6 Stadien von ihnen entfernt.

Hinter dem Kephisos bleibt der eigentliche [162] Stadtfluss Ilisos nicht blos gegenwärtig, sondern blieb auch im Altertum an Wassermenge weit zurück. Immerhin hatte er im Frühjahr reichliches Wasser und konnte, wie noch jetzt, nach starken Regengüssen bedrohlich anschwellen (s. Wachsmuth St. Athen I 118), so dass die Anlage eines Uferquais nötig wurde (s. ebd. 119; Lolling in Bädekers Griechenl.² 49 glaubte diesem Quai ein Stück Mauerwerk zuschreiben zu dürfen, das sich bei den Nachgrabungen von Skias als eine Vorkehrung aus hadrianischer Zeit herausstellte, die den Fluss in sein neues Bett weiter östlich von dem erweiterten Bezirk des Olympieions ableiten sollte, s. Πρακτ. a. a. O.). Sicher aber haben die verschiedenen Wasserleitungen, die im Sammelgebiet des Ilisos angelegt wurden (Athen. Mitt. II 101), schon im Altertum ihm viel Wasser abgezapft, und bereits zur Zeit Platons konnte man im Sommer sein Bett barfuss durchschreiten (Plat. Phaedr. p. 229 a). Aber auf seiner städtischen Seite breiteten sich fruchtbare Terrassen aus, die den Cult der Aphrodite ‚in den Gärten‘ und der Musen (Paus. I 19, 2. 5) hervorriefen.

3. Doch nennt neben Ilisos als speziell athenischen Fluss Pausanias (I 19, 5) noch seinen Nebenfluss, den Eridanos, und zwar an der Stelle seiner Periegese, wo er vom Lykeion (im Nordosten der Stadt) sich nach dem Ilisos zurückwendet. Welcher der in Betracht kommenden Wasserläufe wirklich gemeint sei, kann aus Pausanias selbst nicht entnommen werden, denn die gewöhnliche Voraussetzung, dass der Eridanos eben an dieser Stelle eingemündet sei, ergiebt sich aus seinem Vermerk ἐκδιδοὺς ἐς τὸν Eἰλισόν mit nichten. Die Wahl wird aber weiter eingeschränkt durch die beiden anderen den Eridanos betreffenden Angaben, die wir besitzen. Platon (Kritias 112 a) lässt die von ihm hypothetisch construierte Urburg im Norden sich bis zu Eridanos und Ilisos abdachen, während der Lykabettos dort ausserhalb derselben liegen bleibt: damit ist die gewöhnliche Deutung (Curtius, zuletzt Stadtgesch. 3. Milchhoefer Text zu d. Kart. von Attika II 18f.) auf den Bach, der in einer tief eingerissenen Schlucht von dem am Fuss des Hymettos gelegenen Kloster Kaisariani herabkommt, widerlegt; ein (von der Stadt aus betrachtet) jenseits des Ilisos fliessender Bach kann zur Grenzbestimmung nicht dienen. Die zweite Nachricht (bei Strabon IX 397) knüpft an einen Vers eines unbekannten Epikers an, der ‚die Jungfrauen der Athener das reine Nass des Eridanos schöpfen‘ liess; darüber hatte Kallimachos (in seiner Monographie über Flussnamen) gespottet, da das Wasser des Eridanos selbst vom Vieh verschmäht werde, während Apollodoros (s. Niese Rh. Mus. XXXII 275) diesen Spott tadelte, da noch jetzt Quellen reinen und trinkbaren Wassers in der Nähe des Lykeions vor dem Diocharesthor vorhanden seien; diese mussten also in den Eridanos abfliessen; und damit ist auch die Annahme Lollings (in Müllers Hdb. d. kl. A.-W. III 295, 1) ausgeschlossen, dass der vom Lykabettos kommende, an der Nordgrenze der Stadt hinziehende Bach (der in Curtius-Kaupert Atlas v. Athen Bl. II ohne Grund als Kykloboros bezeichnet ist) der Eridanos sei. Dagegen werden alle Bedingungen erfüllt (natürlich fallen damit auch meine eigenen Versuche anderer [163] Bestimmungen St. Athen I 365ff.; Rh. Mus. XL 469ff.; Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1887, 395ff. sämtlich zu Boden) durch einen Bach, der im Osten der Stadt am Fusse des Lykabettos entspringt, dann sich an der tiefsten Stelle einer Thalsenkung oder Mulde, nördlich vom Burghügel, Areopag und der Pnyxberggruppe hinzieht, und alle die vom Lykabettos in westlicher und südwestlicher Richtung und von den Pnyxhügeln herabkommenden Gewässer aufnimmt, und endlich dicht beim Dipylon die Stadt verlässt. Jetzt läuft sein Wasser im wesentlichen nur in einer Kloake und verliert sich westlich des Dipylons. Im Altertum muss er aber sehr viel bedeutender gewesen sein, das zeigen sowohl die westlich neben dem Dipylon für seinen Durchlass gebaute Thoröffnung und die eben dort angelegten (neuerdings weggebrochenen) Befestigungsanlagen, als auch sein aufgemauertes Flussbett mit der noch in einigen Steinlagern erhaltenen Brücke, die vor dem Dipylon angebracht war, endlich auch die Thatsache, dass in antiker Zeit die Kloake (Ziller Athen. Mitt. II 117f.) zumeist offen, nur an einzelnen Stellen überwölbt war; auch spricht alles dafür, dass er den am meisten nach Nordwesten gelegenen Ausläufer des Pnyxgebirges umzogen und sich in den Ilisos ergossen hat. Da er mitten durch die Stadt floss, wie sie sich schon im 5. Jhdt. v. Chr. gebildet hatte, begreift sich vollkommen, dass später sein Wasser sich nicht mehr zum Trinken eignete. Das alles hat Dörpfeld (Athen. Mitt. XIII 211. XIV 414. XV 345) überzeugend dargelegt. Vgl. seine Karte Athen. Mitt. XIII Taf. 6; gut sind die massgebenden Terrainverhältnisse angegeben auf Bl. 2 von Curtius Stadtgesch., vgl. die Erläuterung S. 321f., wo nur hinzuzufügen war, dass der ‚Wasserriss‘ Eridanos hiess.

Auch sonst sind auf dem eigentlichen Stadtboden noch einige Bäche vorhanden. Unter ihnen hebt sich ein in dem nordöstlichen Teil der Stadt fliessender hervor, dessen Bett noch Anfang des 19. Jhdts. deutlich zu erkennen war, und dessen antike Stützmauern in der Nähe des acharnischen Thores kürzlich aufgedeckt sind; sein Wasser ist wohl in die Leitung Wuros geführt (Athen. Mitt. XVII 450. XXI 464. II 126 und Taf. VII).

4. Die einzige wirkliche Quelle (πηγή) des Stadtgebiets ist nach bestimmter Versicherung des Pausanias (I 14, 1) die Kallirrhoe-Enneakrunos; über sie wird unten zu sprechen sein. Ausserdem sickern aber aus den städtischen Hügeln an der Grenzfläche zwischen der Sohle des oben aufgelagerten, für Wasser durchlässigen Kalksteins und dem darunter ruhenden ziemlich undurchlässigen Thonschiefer spärliche Gewässer heraus, die im Altertum durch Stollen in Felskammern gesammelt oder in Brunnenstuben geleitet wurden. Derartige κρῆναι giebt es mehrere; vor allem an dem Burghügel. Hier ist am nordwestlichen Abhang die berühmte Klepsydra, die immerfliessende (Ἐμπεδώ, Lobeck Rhemat. 323); auf dem Südabhang befanden sich zwei Quellen des Asklepieions, die eine quoll in einer Grotte des Burgfelsens, die zweite mehr nach Westen, gegenüber dem Grenzstein ὅρος κρήνης, aber gleichfalls am Fuss des Burgfelsens gelegene, ist in einen kunstvoll ausgemauerten Brunnenschacht gesammelt [164] (Athen. Mitt. II 183f.). Ebenso ist ausreichende Feuchtigkeit, die am Rande des Burgfelsens hervorgequollen sein muss, die Voraussetzung für die in üppigem Wuchs prangenden Gärten (στάδια χλοερά nennt sie Eurip. Ion 495) auf dem Nordabhang des Burghügels um das Aglaurion herum (s. Wachsmuth St. Athen I 301). Von den anderen Hügeln kommt namentlich der Pnyxhügel in Betracht, an dessen Ostfuss genau unterhalb des Volksversammlungsplatzes an verschiedenen Orten Wasser aus dem Felsen hervorkommt und in Felskammern und Stollen gesammelt wurde (Athen. Mitt. XVII 440f.; Berl. philol. Wochenschr. 1886, 1067. Antike Denkm. d. Inst. Bd. II Heft 4 Taf. 2), insbesondere in einem Felsbassin mit Brunnenstube (nach Dörpfelds Meinung nichts Geringeres als die ‚Kallirrhoe des Thukydides‘).

So vereint das Stadtgebiet auf kleinem Raum eine ungewöhnliche Mannigfaltigkeit reich und scharf ausgebildeter Formen und Gliederungen in sich.

Klima

III. Klima.

Über das gegenwärtige Klima Athens besitzen wir jetzt so eingehende und exacte Beobachtungen, wie über keinen zweiten Punkt der griechischen Welt. Nach vereinzelten Observationsreihen von Peytier, Fraas, Bouris, Papadakis aus den J. 1833–1857 liegt von 1858 bis 1893 eine continuierliche Serie von Beobachtungen vor, die den Directoren der Sternwarte Julius Schmidt und Demetrios Éginitis verdankt wird. Die Ergebnisse seiner Studien hatte Schmidt für die ersten vier Jahrgänge in den Publications de l’observatoire d’Athènes II Sér. (Beitr. z. physik. Geogr. v. Griechenl.) I 1861. II 1864. III 1, 1869 bekannt gemacht, dann für acht weitere Jahre an Matthiessen überlassen, der sie in A. Mommsens Griech. Jahreszeiten Heft 2 S. 97ff. veröffentlichte. Erst nach Schmidts Tod wurden sie vollständig (bis 1882 reichend) publiciert in dem Meisterwerke J. Schmidt Météorologie et Phénoménologie d’Attique 1884. Auf dieses erste, authentische, exacte und überaus wertvolle Material haben Neumann und Partsch Physik. Geogr. v. Griechenl. (1885) 14ff. ihre Behandlung des griechischen Klimas gestützt (vgl. auch Partsch Ztschr. d. österr. Ges. f. Meteor. XIX 481ff.). Doch sind auch diese Ergebnisse vervollständigt, erweitert und zum Teil sehr wesentlich berichtigt durch die Publication von Éginitis, die das bis 1893 reichende Material verwertet, Le climat d’Athènes 1897 (Annales de l’observat. dAthènes t. I). Die Zeugnisse der Alten, spärlich und nur ins allgemeine gehend, sind von Wachsmuth St. Athen I 100ff. gesammelt, auch von Éginitis berücksichtigt; dass sich das Klima im wesentlichen nicht geändert, kann wohl als sicher gelten, wenn auch der positive Beweis, den Éginitis 83ff. dafür erbringen will, nicht ausreicht (vgl. Nissen Ital. Landeskunde I 396ff., der aber fälschlich Columellas Angaben auf Andalusien bezieht. Wachsmuth St. Athen I 100).

1. Zuerst von der Temperatur zu sprechen, schicke ich voraus eine Tabelle, die für die einzelnen Monate in der ersten Reihe die Mitteltemperatur der Luft (mit der von J. Schmidt gelehrten Rectification, s. Éginitis 50. 61), in der zweiten die Minimaltemperatur (Éginitis 62), in der dritten ebenso die Maximaltemperatur [165] (Éginitis 66), alles nach der ganzen fast 50-jährigen Beobachtungsreihe im Durchschnitt nach Celsiusgraden berechnet auf die Höhe der Sternwarte (107 m, 07):

Mitteltemp. Minima Maxima
Januar 8°,04 –0°,25 17°,27
Februar 8°,63 0°,61 18°,61
März 11°,34 2°,08 21°‚76
April 14°,91 6°,55 25°,52
Mai 19°,87 10°,72 31°,74
Juni 24°‚26 15°,86 34°,36
Juli 26°,99 18°,89 37°,23
August 26°,63 18°,64 36°,58
September 23°,27 14°,65 33°,64
October 18°,90 10°,73 29°,17
November 13°,93 5°,27 22°,97
December 10°,03 1°,51 18°,79
Jahr 17°,28 8°,79 27°,30

Danach übertrifft die Temperatur Athens die Normaltemperatur seines Breitegrades (38°) das ganze Jahr an Wärme und zwar im kältesten Monat, Januar, um 1°,53, im heissesten, Juli, sogar um 4°,42 (Éginitis 82). Von den Monaten ist nämlich zumeist der Januar, namentlich in seiner dritten Tagdekade, der kälteste (Éginitis 51); auch der Februar ist noch ziemlich kalt, viel weniger der December; dagegen kehrt die Kälte öfters in der zweiten oder dritten Dekade des März noch einmal zurück. Der wärmste Monat ist hinwiederum der Juli, in dessen zweiter oder dritter Dekade die ärgste Hitze einzusetzen pflegt, um noch die erste Dekade des August zu herrschen (ähnlich setzt die Beobachtung des Euktemon nach Ps.-Geminus Kalender p. 212, 16 Manit. und Ptolemaeus Kal. 3 Mesori p. 269, 1 Wachsm. am 27. Juli Anfang der Gluthitze). Die Mittagshitze erreicht im Juli 31°‚70 im Mittel, im August auch noch 31°‚20. Warme Sommertage nehmen aber die ganzen vier Monate Juni bis September ein. Sehr rasch steigt die Temperatur von der dritten Dekade des April zur ersten des Mai und ebenso bedeutend fällt sie vom October zum November.

Frost trat in 11 von 38 Beobachtungsjahren gar nicht ein, in 7 je nur einen Tag, in 10 2–4 Tage, in 7 5–9, endlich in je einem 13, 18 und (1874) gar 21; also im Mittel kamen in dieser Zeit aufs Jahr 4 Tage mit Frost (Éginitis 67). Er stellte sich namentlich im Januar und Februar ein, zuweilen im December und bei dem Rückschlage im März (5 mal), nie im November. Dabei sank das Thermometer einmal bis zu –6°,1 (am 31. Januar 1858), ganz exceptionell am 15. März 1880 sogar auf –6°,9 (einen solchen Spätfrost zur Zeit der grossen Dionysien am 9. Elaphebolion 306 erwähnt auch Plutarch Demetr. 12). Und selbst im April ging vereinzelt, aber wiederholt die Temperatur wenigstens bis auf +2° oder 3° herunter.

Charakteristisch ist der verhältnismässig starke Abstand (18°,95 zwischen Juli und Januar) der Sommerhitze und der rauhen Winterwitterung, der um so empfindlicher wirkt, als sich beide nicht auf kurze Zeit beschränken. Auch die Temperaturschwankungen innerhalb der einzelnen Monate sind sehr beträchtlich (im ganzen zwischen 17° und 20°, im Durchschnitt 18°,63), [166] besonders im Frühjahr und Herbst, weit weniger im Sommer und Winter (Éginitis 69ff.). Den Einfluss dieser Temperaturumschläge auf geistige und körperliche Abhärtung fasste bereits Hippokrates de aere aquis locis c. 23 p. 67, 20 Kühlew. in die classischen Worte: ἐν τῷ μεταβαλλομένῳ (ἔνεισιν) αἱ ταλαιπωρίαι τῷ σώματι καὶ τῇ ψυχῇ[WS 3].

Die oben gegebene Tabelle, die natürlich nur die Schattentemperatur angiebt, zu ergänzen, möge noch eine kurze Zusammenstellung der mittleren Grade der Bodenwärme (B) und der Meereswasserwärme (M) bei Athen dienen, wie sie sich auf die Monate verteilen (Éginitis 214. 219):

Januar Februar März April Mai Juni Juli August Septbr. October Novbr. Decbr.
B 6°,85 7°,69 12°,06 16°,3 24°,45 33°,12 34°,02 32°,48 27°,30 22°,28 13°,02 9°,23
M 14°,7 13°,9 15°,2 17°,3 19°,8 22°,9 25°,8 26°,8 25°,6 23°,6 20°,0 17°,5

Will man aber von der Stärke des Sonnenbrandes im Juli und August an Stellen, die dessen Einwirkung ganz offen liegen, eine Vorstellung gewinnen, so sei erwähnt, dass nach Schmidts Messungen nachmittags 4½ Uhr an 9 Tagen zwischen 18. Juli und 11. August der Sand der Düne am Phaleron trotz frischer Luftbewegung sich durchschnittlich auf 52°,8 erwärmt zeigte, und vor Wind geschützt in Athen sich der Sand auf 69°, einmal sogar auf 71° erhitzte.

2. Höchst bedeutsam ist auch die geringe Menge und die ungünstige Verteilung der atmosphärischen Niederschläge. Die jährliche Regenhöhe stellte sich in den J. 1858–1893 auf 405,9 mm. Das ist ein sehr niedriger Betrag, niedriger als selbst bei dem sonnenreichen Syrakus (das 464 mm hat); vor allem jedoch entfällt ein grosser Teil auf den Winter, demnächst auf Frühjahr und Herbst, sehr wenig auf den heissen Sommer, wo das Bedürfnis am grössten ist. Ebenso verhält es sich mit den Regentagen, deren Zahl zwar 97,8 beträgt, wenn man Regen, Schnee und Hagel zusammenrechnet und selbst den Staubregen mit einschliesst, der mit dem Ombrometer überhaupt nicht messbar ist. Und beim Tau, der nach den jüngsten Beobachtungen an durchschnittlich 75,5 Tagen fällt, wiederholt sich das Verhältnis noch im gesteigerten Masse, so dass im Juli und August diese Linderung der Dürre meist gar nicht vorkommt. Das einzelne der monatlichen Verteilung zeigt die beigefügte Tabelle nach den Beobachtungen von Éginitis 153. 142. 188.

Regenhöhe Regentage Tautage
Januar 55,9 mm 12,5 6,0
Februar 37,6 mm 10,8 6,5
März 37,2 mm 10,8 10,3
April 22,3 mm 8,8 9,0
Mai 21,4 mm 6,9 6,3
Juni 11,3 mm 4,6 1,5
Juli 8,2 mm 2,9 0,8
August 10,6 mm 3,0 0,0
September 13,6 mm 4,0 3,8
October 44,8 mm 8,6 10,5
November 75,5 mm 11,6 10,5
December 63,2 mm 13,5 10,5
Jahr 405,9 mm 97,8 75,5

[167] Dazu ist noch zu bemerken, dass der Regen selten den ganzen Tag dauert; ein Anhalten über zwei Tage ist geradezu abnorm. Meist ist seine Dauer vielmehr sehr kurz und ihm folgt unmittelbar der Sonnenschein. Wohl aber gibt es öfters sehr starke Regengüsse, die stärksten im November, während am häufigsten es im December und Januar regnet, in welchen Monaten auch die Stärke der Niederschläge zuweilen noch recht bedeutend ist; ausserdem giebt es starken Regen nur noch im October (Éginitis 157). Schnee fiel in dem halben Jahrhundert der Beobachtungen nur an 5,6 Tagen im Jahresmittel, manche Jahre aber überhaupt nicht (Éginitis 175); Hagel gab es in demselben Zeitraum nur an 2,1 Tagen im Mittel, am häufigsten im November, December und März, dann im Februar und Mai (Éginitis 183). Und Reif fiel in vier Beobachtungsjahren an durchschnittlich 14,3 Tagen, die zumeist Januar und Februar, daneben auch März und December angehörten (Éginitis 189).

3. Sehr häufig sind dagegen die Morgendünste (im Mittel an 247,8 Tagen), namentlich im Frühjahr, Sommer und Herbst; sie umhüllen die Stadt beim Sonnenaufgang mit dichtem Schleier und verschwinden zuweilen erst drei bis vier Stunden später vollständig (Éginitis 191).

Sonst aber zeichnet sich der attische Himmel durch seine ungewöhnliche Klarheit und Heiterkeit aus: den λαμπρότατος αἰθήρ Athens preisen schon Euripides Med. 819ff. und Aristides Panathen. p. 161. 305 Dind. Im Durchschnitt giebt es im Jahr 110 Tage, an denen die Sonne unausgesetzt im hellsten Glanze strahlt, nur 40, an denen sie gar nicht durchbricht, zuweilen selbst zwei oder drei Tage hintereinander, aber während des ganzen Sommers pflegen solche Tage gar nicht einzutreten (Éginitis 190).

Um die vorkommende Bewölkung genauer zu messen, hat man jetzt nach Schmidts Vorgang ihrer Schätzung eine zehnteilige Scala der Himmelsarea zu Grunde gelegt und bezeichnet solche Tage als klare, an denen höchstens einer der zehn Teile wolkig ist; als wolkige solche, deren Bewölkung zwischen der ersten und neunten Stufe sich bewegt; als bedeckte solche, an denen die Bewölkung neun bis zehn Teile füllt. In der Periode 1891–1893 gab es 78,6 klare Tage, oder 103, wenn man auch die, welche nur 1,5 Grad Bedeckung hatten, hinzurechnet; 250,5 wolkige, von denen aber ca. 100 abgehen, wenn man die nur bis zum dritten Grad bewölkten abzieht; 36,5 bedeckte, die jedoch im Juni, Juli und August gar nicht vorkommen, und von denen 20 auch noch eine mittlere Bewölkung unterhalb neun Grad haben, nur 10 wirklich vollständig unwölkt sind (Éginitis 199). Dementsprechend giebt es sterndunkle Nächte im Jahre nach Schmidts dreijähriger Beobachtung nur drei bis sechs.

4. Die grosse Trockenheit der Luft zu Athen ergiebt sich auch aus dem jährlichen Durchschnitt ihrer relativen Feuchtigkeit, die überhaupt gering ist, am geringsten im Sommer, namentlich im Juli und August, nämlich (Éginitis 88):

Januar Februar März April Mai Juni Juli August Septbr. October Novbr. Decbr.
74,8 73,0 69,7 64,7 60,2 54,1 47,3 46,5 55,3 66,3 74,1 75,0

[168] Gewittertage giebt es in Athen durchschnittlich 19 im Jahre (Éginitis 202); viel häufiger, ca. 48 Tage, tritt Wetterleuchten ein (Éginitis 204). Die Zahl der Blitze ist ausserordentlich gross; so wurden in der Nacht vom 30. August 1862 im Verlauf von vier Stunden ca. 56000 Blitze gezählt.

5. Merkwürdig bewegt ist endlich die Atmosphäre das ganze Jahre hindurch. Doch sind die Anschauungen, wie sie Matthiessen, gestützt auf das Schmidtsche Material, verbreitet hat, gründlich umzugestalten; Schmidt verfügte nur über Beobachtungsreihen, die sich auf eine Tageszeit (2 Uhr nachmittags) beschränkten: während diese jetzt ausserdem auf 8 Uhr morgens und 9 Uhr abends sich erstrecken (Éginitis 114) und dadurch wesentliche Abweichungen ergeben. Dies sind die neuen Ergebnisse: nur 36,9 Tage sind windstill, besonders häufig sind der Nordostwind (92,6 Tage), der namentlich im Juli, August, September weht, und der Südwestwind (65,0 Tage), der im Mai, Juni, Juli herrscht, demnächst der reine Südwind (58,7 Tage) und der reine Nordwind (53,6). Im ganzen bläst der Wind aus Norden (Nordosten, Norden, Nordwesten) 164 Tage, aus Süden (Südosten, Süden, Südwesten) 138,6 Tage (Éginitis 115. 123). Dazu kommt, dass die Winde oft recht stark blasen, und vor allem der Nordostwind und demnächst der Südwind bis zu sturmartiger Stärke anzuschwellen pflegen. Wirkliche Orkane kommen nach dreijährigem Durchschnitt an 22,7 Tagen vor.

Diese Vereinigung von Trockenheit und Bewegtheit der Luft bringt in Verbindung mit dem Charakter des athenischen Schieferbodens den grauen Staub hervor, der sich auf alles legt, namentlich im Sommer besonders auf die Vegetation, aber auch im Winter nicht fehlt; daher der Witz eines attischen Komikers (Meineke Com. Gr. II 2 p. 1171), der unter den Vorzügen des attischen Winters auch κονιορτὸv ἐκτυφλοῦντα aufzählt.

Karten und Pläne

IV. Karten und Pläne.

Den ersten auf trigonometrischen Messungen beruhenden Plan der Stadt Athen und der Häfen gab das grosse Stuart-Revett’sche Werk Antiqu. of Ath.[WS 4] vol. III zu p. VI zwei Tafeln (in der deutsch. Übers. Lief. 28 Taf. 9. 11). Einiges besserte nach den Aufnahmen des Ingenieurkapitains Foucherot (aus dem J. 1781) Barbié du Bocage in dem Barthelemy’s berühmter Voyage du jeune Anacharsis beigegebenen Plane Athens und seiner Häfen (Atlas Taf. 10) [während der Specialplan von Athen (Taf. 14) ein Phantasma Barthelemy’s ist]. Die vollständigste Aufnahme aller damals sichtbaren Reste brachte der Plan, den der für genaue Kenntnis athenischer Altertümer unermüdlich thätige französische Consul Louis Francois Sebastian Fauvel (1753–1838; s. Leben und seine Studien schildert zum erstenmal eingehend Legrand Revue archéol. 3. Ser. Bd. XXX. XXXI) bei seinem mehrjährigen Aufenthalt entworfen hatte und Olivier im Atlas zu seiner Voyage dans l’empire Ottomane (Paris [169] 1807), Livr. 3 Pl. 49 veröffentlichte und mit gesundem Urteil als den besten seiner Skizze Walpole Mem. rel. to Europ. a. Asiat. Turkey I 480² (1818) zu Grunde legte. Nach den Plänen von Martin Leake Topogr. of Athens (¹1821[WS 5], ²1841[WS 6]; Taf. 2) und Aldenhoven (in Forchhammers Topogr. v. Ath. 1841 zu Grunde gelegt) brachte einigen Fortschritt die in 1/10000 der Wirklichkeit ausgeführte 10. Tafel der grossen französischen Generalstabskarte von Griechenland 1852 (benutzt für den Plan Athens in Bursians Geogr. v. Griech. I Taf. 5). Aber wirklich im Detail zuverlässige und zugleich kartographisch wertvolle Darstellung der Bodenverhältnisse Athens verdanken wir erst den unermüdlichen Bemühungen von Ernst Curtius, die durch das Eingreifen der Offiziere des preussischen grossen Generalstabs immer steigenden Erfolg hatten. Seine ‚Sieben Karten zur Topographie von Athen‘ (1868) waren von Major v. Strantz zum erstenmal auf Grund der detailierten Höhenbestimmungen des Directors der athenischen Sternwarte, Julius Schmidt, angelegt und erreichten durch glückliche Combination der Isohypsen- und Strichelmanier in der Zeichnung, zugleich unter Anwendung verschiedener Farbentöne eine Anschaulichkeit, wie sie für Karten der alten Welt unerhört war; auch von der südwestlichen Hügelgegend brachten sie die erste genauere Vorstellung. Dann nahm auf Curtius’ Veranlassung unser archäologisches Institut sich der Sache an, mit deren Förderung der Generalstab namentlich den Vermessungsinspector Kaupert beauftragte. Der Atlas von Athen, den Curtius und Kaupert 1878 herausgaben, bietet auf Bl. I Athen und Umgebung in 1:12500 nach den Aufnahmen von 1875 mit Nachträgen bis 1877, und Bl. II auf derselben Grundlage Altathen mit Denkmälern, Plätzen und Verkehrsstrassen nach Curtius’ Annahmen reconstruiert, während die übrigen zehn Blätter dazu dienen, von allen besonders interessanten Überresten des alten Athens genaueste Darstellungen, Situationspläne, Grundrisse, photographische Ansichten zu bringen. Die beiden ersten Karten des Werkes sind dann mit einigen Berichtigungen und Bereicherungen in der Musterpublication des archäologischen Instituts ‚Karten von Attika, herausg. v. Curtius und Kaupert‘ 1. Heft (1881) wiederholt als Bl. I und II; die erste nochmals mit Nachträgen aller neuen Funde 1892 (Kaupert Athen u. seine Umgebung); die zweite ist auch in vergrössertem Format (1:6000) als Wandkarte erschienen. Schliesslich hat Curtius seine Stadtgeschichte von Athen (1891) mit sieben kleineren, aber vorzüglichen Kartenblättern von Kaupert und 32 in den Text gedruckten Abbildungen ausgestattet.

Als Ergänzung können endlich dienen einmal für den wichtigsten Teil Athens, die Burg, der Atlas, den Michaelis erst seiner zweiten, jetzt (1901) seiner dritten Ausgabe von O. Jahns Arx Athenarum a Pausania descripta beigegeben hat, und zum andern die zwei Blätter, die Dörpfeld mit unübertrefflicher Genauigkeit in den ‚Antiken Denkmälern d. arch. Instit.‘ Bd. II Heft IV (1901) Taf. 37. 38 von der Stätte der durch ihn geleiteten Ausgrabungen des Instituts 1891–1898 am Westabhang der Burg und auf dem Boden der alten Agora gezeichnet hat; Taf. 37 giebt [170] den Stadtplan des Abschnittes von der Akropolis im Osten bis zur Pnyx im Westen, vom Museion im Süden bis zum ‚Eridanos‘ im Norden mit der Angabe der durch die Ausgrabungen entdeckten oder schon früher bekannten antiken Strassen, Gebäude und Wasserleitungen; Taf. 38 veranschaulicht in grösserem Massstabe die Resultate der Ausgrabungen zwischen Pnyx und Akropolis. Sowohl für die Burg als für die Ausgrabungen am Westabhang der Burg, ausserdem für Asklepieion und Eumenes-Stoa am Südabhange der Burg, sowie für Dionysostheater und die benachbarten Dionysostempel, auch die Pnyx, endlich für Dipylon und seine nächsten Umgebungen bringen endlich sehr nützliche Aufnahmen die Arbeiten Middletons, die von Gardner im Supplementary Paper Nr. 3 der Society for promot. of Hellen. stud. 1900 veröffentlicht sind.


WS: Im Original befindet sich die Karte als Einlage zwischen den Spalten 176 und 177.

Topographie

V. Topographie.

A. Monumentale Reste. Nächst den im wesentlichen unveränderlichen Bodenverhältnissen und Naturformen bilden die feste Grundlage jeder Topographie einer antiken Stadt die verbliebenen oder wieder blossgelegten monumentalen Überreste. Hier ist alles von höchster Bedeutung und bedarf der exactesten Aufnahme und strengsten Verwertung, von den ganz oder teilweise noch aufrecht stehenden Tempeln, Theatern, Staatsgebäuden und sonstigen baulichen Anlagen öffentlicher oder privater Bestimmung an bis herab zu den Grundmauern, ja zu den im Felsboden noch erkennbaren Bettungen und Wegspuren oder den Bearbeitungen und Glättungen der Felswände. Und gegenüber der leider noch in vielen Teilen herrschenden Unsicherheit athenischer Topographie wird es gut sein, im raschen Überblick vorzuführen, was an monumentalen Resten Athens sich bis in neuere Zeiten erhalten hatte oder im Laufe der neueren und namentlich allerneuesten Zeit durch Ausgrabungen wieder zu Tage gefördert ist.

Dabei wäre voraus darauf hinzuweisen, dass von den glücklich durch alle Zerstörung, die über die Stadt hinging, hindurch geretteten Monumenten im 17. und 18. Jhdt. noch wesentliche Teile vernichtet oder verschwunden sind. Abgesehen von der Explosion des Pulvermagazins in den Propylaeen, die 1645 (oder 1656) durch einen Blitzschlag herbeigeführt wurde (über das Jahr vgl. W. Duhn Arch. Ztg. XXXVI 57. Collignon Compt. rend. de l’acad. d. Inscr. 1897, 69. Wheeler Class. Rev. XV [1901] 430f.), knüpfen die schlimmsten dieser Katastrophen sich an kriegerische Ereignisse und Vorkehrungen. Zumal brachte das Unglücksjahr 1687 erst mit der Errichtung einer neuen Bastion vor den Propylaeen den Abbruch des Niketempels auf der Akropolis und die Vermauerung seiner Stücke, dann die Belagerung und das Bombardement der Burg, das am 26. September die furchtbare Pulverexplosion im Parthenon herbeiführte. Es folgten 1688 die Plünderungen und Entführungen antiker Monumente durch die Sieger. Und als im J. 1778 albanesische Raubzüge die schleunige Errichtung einer neuen Ringmauer um die Stadt nötig erscheinen liessen, gewann man das Baumaterial durch den Abbruch mehrerer antiker Bauten, so namentlich des in eine Kirche der Panagia στὴν πέτραν umgewandelten ionischen Tempels oberhalb der Kallirrhoe, [171] der antiken Brücke, die über den Ilisos zum Stadion führte, der Reste der Wasserleitung des Hadrian und Antoninus am Fusse des Lykabettos.

1. Indessen kann für diese noch so spät untergegangenen Monumente des Altertums als ein, wenn auch notdürftiger Ersatz dienen, was die älteren Beschreibungen, Abbildungen und Pläne lehren, die so selbst jetzt noch unentbehrlich bleiben. Ich verzeichne deshalb hier zunächst ganz kurz das Wichtigste von diesen Arbeiten aus dem 15. und 17. Jhdt.

Voraus geht das Tagebuch des Niccolò da Martoni, der im J. 1394 eine Wallfahrt nach dem heiligen Lande unternahm und zweimal Athen besuchte: publiciert von Léon le Grand Revue de l’Orient latin III 1895, 566ff., in den Athen betreffenden Partien wiederholt und mit Erläuterungen versehen von Judeich Ath. Mitt. XXII (1897) 424ff.

Im 15. Jahrhundert: 1. die Reste der Commentarii und Zeichnungen von Cyriacus Anconitanus, der Athen 1436 und 1447 besuchte, vgl. De Rossi Inscr. christ. II 356ff.; die auf Athen bezüglichen Notizen aus den Commentarii abgedruckt bei Wachsmuth Stadt Athen I 727ff.; über die Zeichnungen vgl. auch Michaelis Arch. Ztg. XL[WS 7] (1882) 367ff. und Reisch Ath. Mitt. XIV (1889[WS 8]) 217ff. Unter den Zeichnungen ist die der Westseite des Parthenon von Michaelis a. a. O. Taf. 16 und Mommsen Jahrb. d. preuss. Kunstsamml. IV 1883 (vgl. auch ebd. 73ff.) publiciert; und die Darstellung derselben Façade in dem Zeichenbuch des San-Gallo (publiciert von Laborde Athènes aux 15. 16. et 17. siècles [1854] I 33. Michaelis a. a. O. 371f.) geht auf die nämliche (indirect) zurück: beide auch bei Omont Athènes au XVII. siècl. (1898) Taf. XXIV. – 2. Die eingehende Beschreibung, die ein Grieche, der sog. ‚Wiener Anonymus‘ ca. 1458 von den antiken Resten Athens (τὰ θέατρα καὶ διδασκαλεῖα τῶν Ἀθηνῶν) gab; abgedruckt bei Wachsmuth Stadt Athen I 731ff. (vgl. 60), nach Laborde Athènes I 17ff., revidiert von Hilberg Athen. Mitt. VIII 1883, 32. – 3. Eine ähnliche, aber viel kürzere Beschreibung nach 1460 geschrieben von einem anderen Griechen, dem ‚Pariser Anonymus‘ (die Hs., cod. Paris. gr. 1631 a stammt nach Jacob erst aus dem 16. Jhdt., giebt aber nur Abschrift, nicht Original), abgedruckt bei Wachsmuth a. a. O. I 742ff. (s. 61), besser von Förster Ath. Mitt. VIII (1883) 30f. – 4. Kurzer Bericht eines unbekannten Italieners über seinen bald nach 1463 unternommenen Besuch Griechenlands und insbesondere Athens im Cod. Ambros. C 61 inf. f. 88, abgedruckt von Ziebarth Ath. Mitt. XXIV (1899) 73ff.

Im 17. Jahrhundert: 1. Um 1670 von einem Italiener entworfener Plan von der Akropolis, im Besitz des Bonner Kunstmuseums, veröffentlicht Athen. Mitt. II (1877) Taf. II und erläutert ebd. S. 38ff. von v. Duhn; in grösserem Massstab reproduciert bei Omont Taf. XXIX. – 2. Ein Plan der Akropolis, sehr ähnlich der Nr. 1 und vielleicht nur andere Copie: publiciert von Papayannakis in Gazette archéologique I pl. XXXI und bei Omont Taf. XXIX bis. – 3. Plan der Stadt, aufgenommen von den französischen Capuzinern um 1673, in drei Copien: die erste wurde [172] (mit einigen Zuthaten) von Guillet Athènes ancienne et nouvelle 1675 publiciert, von Laborde Athènes zu I 228 reduciert, vortrefflich bei Omont Taf. XL wiederholt; eine zweite ist für die französischen Ingenieure unter Gravier d’Ortières ca. 1685 gemacht und von Laborde a. a. O. I zu S. 78 und Omont Taf. XXXIX gleichfalls veröffentlicht (sie befindet sich jetzt auf der Pariser Nationalbibliothek); eine dritte, etwas zurechtgemachte gab Coronelli, s. unten Nr. 12; vgl. ausserdem Laborde Athènes I 74ff. II 60. Wachsmuth I 66ff. Dörpfeld Ath. Mitt. XXII (1897) 435ff. Wheeler Harvard studies in class. philol. XII (1901) 221ff. Omont 13ff. – 4. Zeichnungen und Beschreibungen aus dem Gefolge des französischen Gesandten Marquis Nointel, der November und December 1674 in Athen verweilte. a) Auf Veranlassung Nointels entworfene Zeichnungen (mit Rötel und Schwarzstift), die man irrtümlich dem französischen Künstler Jaques Carrey zuzuschreiben pflegt: sie rühren vielmehr von einem der holländischen Maler aus der Begleitung Nointels her und befinden sich gegenwärtig in der Pariser Nationalbibliothek (departem. des estampes). Sie sind jetzt sämtlich meisterhaft veröffentlicht von Omont a. a. O. Taf. I–XXIII. Die bekanntesten unter ihnen und schon in der freilich sehr schwer vollständig erreichbaren Publication von Laborde Parthenon 1848 Taf. 8–25 zugänglich, sind die Zeichnungen der Giebel, der Metopen und des Frieses des Parthenons (bei Omont Taf. I–XIX); daneben stehen die Taf. XX mit den Säulen der ‚Stoa des Hadrian‘ (dem damals allein sichtbaren Stücke der Westseite der sog. Hadrianstoa), Taf. XXI mit vier der Windgötter auf den Reliefs des Horologions des Andronikos, Taf. XXII mit den Resten des Olympieions und Hadriansthores, und Taf. XXIII Ansicht der Stadt von Osten her, im Vordergrund dieselben Ruinen wie Taf. XXII. – b) Gesamtansicht der Stadt vom Lykabettos aus, im Vordergrund der Gesandte mit Umgebung; gegenwärtig im Museum von Chartres, publiciert von Homolle Bull. hell. XVIII (1894) pl. I–IV und S. 509ff. erläutert; vortrefflich bei Omont Taf. XXX. – c) Zeichnung der Westseite des Parthenon, von einem der Maler Nointels, jetzt im Besitz von Clermont-Ganneau, und eine Copie davon in der Pariser Nationalbibliothek: beide facsimiliert bei Omont Taf. XXV. – d) In der nämlichen Zeit entstandene Federzeichnung der gesamten Akropolis (aufgenommen vom Süden, nahe beim Museion), aus den Papieren Fauvels, die sich in der Pariser Nationalbibliothek befinden, publiciert mit Erörterungen von Papayannakis und Fr. Lenormant Gazette archéolog. I 26ff., wiederholt bei Omont Taf. XXXI. – e) Ebenso eine ganz flüchtige Zeichnung der Burg vom Norden aus gesehen, veröffentlicht und besprochen von Collignon Compt. rend. de l’acad. d. inscr. 1897, 56ff., auch bei Omont Taf. XXXI. – f) Eine erst 1680 abgefasste Beschreibung der Denkmälerreste (der sog. Anonymus Nointelianus), die aus einer Pariser Hs. Collignon a. a. O. 60ff. publicierte; über die Zeit vgl. Wheeler Class. Rev. XV (1901) 430f. – 5. Die Beschreibung der athenischen Altertümer (examen reliquarum antiquitatum Atheniensium) von Georg Transfeldt, der als entlaufener [173] Sclave eines türkischen Kaufmanns Ende 1674 nach Athen kam und daselbst länger als ein Jahr blieb (veröffentlicht und erläutert von Michaelis Ath. Mitt. I (1876) 102ff.). – 6. Des Jesuiten Paul Babin Brief, in dem er an den Abbé Pecoil (aus dem Gefolge Nointels) auf dessen Veranlassung Bericht über die damaligen antiken Ruinen Athens erstattet: gedruckt 1674, wieder abgedruckt und erläutert bei Wachsmuth I 745ff. – 7. Die erste wissenschaftliche Behandlung der Ruinen Athens durch Spon und Wheler, die Anfang 1676 in Athen weilten, gegeben in ihren Reisewerken Voyage d’Italie et Dalmatie, de Grèce et du Levant fait ann. 1675 et 1676 Bd. II (1678) 103ff. und A journey into Greece (1682) 357ff. – 8. Die von französischen Ingenieuren unter Leitung des Marquis d’Ortières 1685 7 gemachten Aufnahmen, damals nicht veröffentlicht, von Laborde wieder in der Pariser Bibliothek aufgefunden und Athènes II 60, 2 besprochen, darunter die von Omont auf Taf. XXXI publicierte Aufnahme der Burg von Süden; und die damals gemachten Zeichnungen von Sculpturen, auch erst von Laborde (II 63f.) wieder aufgefunden, von denen die Zeichnungen der West- und Südseite des Parthenon und die seiner nördlichen und südlichen Metopen von Omont Taf. XXVI–XXVIII wiedergegeben sind. – 9. Zwei aus dem J. 1687 (venetian. Expedition) stammende Ansichten von Athen, publiciert Hellenic studies IV 36. – 10. Aufnahmen von Athen und speciell der Burg durch den Ingenieur Verneda aus dem J. 1687, z. T. in dem venetianischen Archiv noch erhalten, erst 1707 von Fanelli Athene Attica publiciert (teilweise nach dem Original bei Omont XXXIV. XXXV). – 11. Aus dem J. 1687 stammende ‚relazione d’alcune principale antichità d’Atene‘ von Rinaldo de la Rue, aus der genaue Mitteilungen v. Duhn Arch. Ztg. 1878, 55 giebt. – 12. Bald nach 1687 erschienenes Panorama der Stadt, angefertigt auf Grund des Plans der Capuziner unter Benutzung venetianischer Berichte von dem italienischen Pater Coronelli: Antica e moderna città d’Atene, dedicata dal P. Coronelli all’ … sig. Christino Martinelli, patricio Veneto, veröffentlicht in seinem Teatro della città principali dell’ Europa (Venet. 1697), wiederholt und besprochen von Wheeler Harvard studies in class. philol. VII 187ff. und von Omont Taf. XLI (s. S. 15).

Ferner ist wegen der seit der Mitte des 18. Jhdts. eingetretenen Beschädigungen und teilweise vollständiger Vernichtung athenischer Monumente ganz unentbehrlich das für Kenntnis griechischer Kunst, namentlich der Baukunst, geradezu Epoche machende grosse Kupferwerk von Stuart und Revett, die 1751–1754 alle in Athen vorhandenen Monumente massen und zeichneten: Antiquities of Athens I 1762, II 1787, III 1794, IV 1816 (deutsche Übers. von Wagner und Osann 1829–1831).[WS 4]

Am einfachsten wird es sodann sein, die jetzt vorhandenen Bauten, Anlagen und sonstigen monumentalen Reste kurz zu verzeichnen und gleich die bedeutendsten Abbildungen und Besprechungen der einzelnen hinzuzufügen, damit man in raschem Überblick alles überschaue, was wir von der alten Stadt Athen gegenwärtig noch oder wieder vor [174] Augen haben; auf die Einzelbeschreibungen einzugehen ist hier um so weniger nötig, als für diese nach der Anlage der Encyclopädie in den Einzelartikeln die passende Gelegenheit geboten ist.

2. Vorauszuschicken wäre eine allgemeine Bemerkung über die jetzt zu Gebote stehende Fülle photographischer Aufnahmen. Besondere Sammlungen gaben heraus Heinr. Beck Vues d’Athènes et de ses monumens 1864. Paul des Granges Die klass. Denkmäler u. Landschaften aus Griechenl. (seit 1868). A. v. Lorent Die Ruinen Athens 1875. Seitdem ist die Zahl der photographischen Aufnahmen unübersehbar gewachsen; eine reiche Collection bietet z. B. die Buchhandlung von Barth und Hirst in Athen; sehr gerühmt werden die von Alois Beer in Klagenfurt. Wie von anderen griechischen, so ganz besonders von athenischen Bauten, Anlagen aller Art und Bildwerken, deren Photographien im Handel nicht zu haben sind, besitzt und überlässt den Fachgenossen käuflich das deutsche archäologische Institut in Athen eine grossartige und überaus wertvolle Sammlung photographischer Aufnahmen, darunter z. B. von Mauern und Erdschichten auf der Akropolis, die bei den jüngsten Ausgrabungen eine Zeit lang zu Tage traten (seitdem wieder zugeschüttet oder zerstört sind); bereits sind zwei lange Verzeichnisse erschienen Arch. Anzeiger 1891 S. 75 Akropolis nr. 1–214, S. 78 Bauten der Unterstadt nr. 1–11; Varia S. 79ff. nr. 1–115, und ebd. 1895 S. 55ff. Akropolis nr. 49–211; S. 56ff. Unterstadt nr. 11–75; S. 58f. Varia nr. 17–157; und die Sammlung wird stetig fortgesetzt.

3. Wir beginnen den Überblick mit der Burg und ihren Abhängen: denn wie Athen Ἑλλάδος Ἑλλάς, könnte die Akropolis Ἀθηνῶν Ἀθῆναι heissen, und noch jetzt befinden sich gerade hier die bei weitem meisten der erhaltenen Monumente. Und zwar liegt hier zugleich dank der eingehenden Beschreibung des Pausanias (s. u.) und der Fülle von Inschriften, die an Ort und Stelle oder in der Nähe gefunden worden sind (s. u.), der glückliche Fall vor, dass alle oder so gut wie alle mit Sicherheit zu bestimmen sind.

a) Die Oberfläche des Burghügels (ἀκρόπολις oder πόλις).

1. Gesamtplan der Akropolis: (nach den Ausgrabungen der achtziger Jahre) von Kawerau Δελτίον ἀρχαιολογικὸν 1889 März (photogr. vom Arch. Inst. Akrop. nr. 146. Var. 60); sein grosser Plan ist leider bisher noch nicht erschienen, aber die Ergebnisse der Ausgrabungen bis 1890 sind auf Grund seines Planes im Grundriss Taf. 4 von Curtius Stadtgesch. von Kaupert aufgenommen; die bis 1900 von Gollata auf Taf. VII des Atlas von Michaelis Paus. descr. arc.³ (1901); sehr lehrreich ist auch der gleichfalls auf Kaweraus Plan beruhende, aufs dreifache vergrösserte Plan, den Middleton in Suppl. pap. 3 Taf. I gezeichnet und unter Anwendung verschiedener Farben für die verschiedenen Bauzeiten coloriert hat.

2. Aufgang zur Burg am Westabhang und Propylaeen: R. Bohn Die Propylaeen der Akrop. zu Ath. 1882. Durm Ztschr. f. bild. Kunst XIX 291. 320. Die Ergebnisse der neuesten Ausgrabungen sind eingetragen Ἐφημ. ἀρχ. 1897, πίν. 1; der beste Grundriss unter Benutzung der jüngsten Zeichnungen von Dörpfeld und Sursos [175] in Michaelis Atlas Taf. XVII nr. I; über das Beulésche Thor (1852 von Beulé aufgedeckt): Beulé L’acrop. d’Athènes 1853 I pl. 1–5. Bohn Taf. 20. Dörpfeld Athen. Mitt. X 219. XIV 65; über den marmornen Treppenaufgang: Ivanoff Ann. d. Inst. 1861, 275ff.; über die Propylaeen: Penrose Principles of Athen Archit.² (1888) 28. Dörpfeld Athen. Mitt. X 38. 131, Taf. II. III. Vgl. Wolters Bonner Studien 92ff. und Taf. VI, s. Art. Propylaeen.

3. Pyrgos mit Niketempel: Ross, Schaubert, Hansen Tempel der Nike Apteros 1839. Kekulé Die Balustrade der Ath. Nike² 1881; die unter 2 ang. Werke von Bohn und Wolters. Furtwängler S.-Ber. Akad. Münch. 1898, I 380ff. Keil Anon. Argent. 323; über das Denkmal der attischen Reiterführer und des Germanicus s. Lolling Δελτίον ἀρχ. V 179; die Skizze bei Curtius Stadtg. 259.

4. Pelasgische Mauern, Fortificationen, Königspalast, Privatwohnungen; die vorhandenen, meist erst bei der gänzlichen Aufräumung der Burg aufgedeckten Reste sind am anschaulichsten bei Middleton pl. I (rot coloriert), am vollständigsten in Michaelis Atlas Taf. III. XXXII. XXXIII und in Paus. arc.³ praef. VII (Reste des Königspalastes unter dem Hekatompedos, die genauer in der Dörpfeldschen Zeichnung des ganzen Grundrisses Athen. Mitt. XI zu S. 337 und Arch. Jahrb. XVII 2) angegeben; ein Stück abgebildet bei Curtius Stadtg. 46 Fig. 10, ein anderes bei Middleton pl. 7 nr. 10. Über Pelasgikon vgl. Dörpfeld Athen. Mitt. XIV 67 und bei Miss Harrison Mythol. and mon. of anc. Ath. 535f. Noack Athen. Mitt. XIX 418, 2. J. W. White Ἐφημ. ἀρχ. 1894, 25ff. Keil Anon. Argent. 107, 2; s. Art. Pelasgikon. Über den Königspalast mit dem Nebeneingang auf Felstreppen s. Dörpfeld Athen. Mitt. XII 263f.; über die Reste des Megaron unter dem Hekatompedos s. Dörpfeld o. Bd. II S. 1952. Michaelis Arch. Jahrb. XVII 3; über Hausmauern Athen. Mitt. XI 168. XIII 106.

5. Burgmauern nach den Perserkriegen: verschiedene Stücke abgebildet bei Middleton pl. 4 n. 4. 5; pl. 5 n. 6. 7; pl. 6 n. 8. 9. Curtius Stadtg. 125 Fig. 19. 20. 126 Fig. 21. 143 Fig. 24.

6. Heiligtum der Artemis Brauronia und Chalkothek: Dörpfeld Arch. Mitt. XIV 307. Middleton pl. 7 n. 11; s. Art. Artemis Bd. II S. 1382 und Chalkothek Bd. III S. 2097.

7. Parthenon: a) Angefangener älterer Bau: Dörpfeld Athen. Mitt. XVII 158ff. (mit Taf. VIII. IX). Keil Anon. Argent. 82ff. b) Perikleischer Bau: Michaelis Parthenon 1871. Penrose Principles of Athen. Archit.² 1888 Taf. III. IV. Dörpfeld Athen. Mitt. VI 283ff. mit Taf. XII. Seine Fundamente: Schaubert bei Ross Arch. Unts. I Taf. 5. Ziller Ztschr. f. Bauw. 1865 Taf. A und B. Sein Stereobat: Curtius Stadtg. 48 Fig. 11. 128 Fig. 22. Athen. Mitt. XVII Tal. IX. Middleton pl. 8 n. 13; s. Art. Athena Bd. II S. 1954. Art. Parthenon.

8. Tempel der Roma und des Augustus (gesichert durch die Weihinschrift des Architravs CIA III 63): Dörpfeld Antike Denkmäler d. Inst. I Taf. 25. 26.

9. Das zweiteilige rechteckige Gebäude [176] in der Südostecke der Burg: Michaelis Atlas Taf. XXXIII (nach Kaweraus uned. Plan).

10. Grosser Altar auf der höchsten Stelle der Burg (kenntlich durch die Felsbearbeitung): Michaelis Atlas Taf. VII n. 36. Middleton pl. I n. 89. 90.

11. Erechtheion: Stuart-Revett Altert. Lief. 6 Taf. 4–Lief. 7 Taf. 10. Dalton Engravings of antiqu. etc. in Sicily, Greece etc. 1751/2 Taf. XI. XIII. Πρακτ. τῆς ἐπὶ τοῦ Ἐρεχθείου ἐπιτροπῆς 1853. Tetaz Rev. arch. 1851 VIII 1 T. 158. Fergusson Transact. of inst. of brit. archit. 1875/6. Journ. Hell. Stud. II 83. Bornemann Athen. Mitt. VI 372 (mit Taf. XVI). Michaelis Atlas Taf. XX–XXIX. Middleton pl. 9–17; s. Art. Athena Bd. II S. 1951. 1954 und Erechtheion.

12. Der sog. Pisistratische Tempel, 1886 blossgelegt; der vorpersische Hekatompedos, nicht der ἀρχαῖος vεώς (s. Keil Anon. Argent. 91, 1. Michaelis Arch. Jahrb. XVII 1ff.): Dörpfeld Athen. Mitt. XI 337ff. (mit Taf.). XII 25ff. XXII 159ff.; Ant. Denkm. d. Inst. I 1. 50. 38. Middleton pl. 8 nr. 2; Giebelgruppen: Michaelis Atlas I. IV; ältere: Brückner Athen. Mitt. XV 125; spätere: Studniczka ebd. XI 187. Schrader ebd. XXII Taf. 3–5; s. Art. Athena Bd. II S. 1951ff.

13. Spuren von Basen auf dem Felsboden: Michaelis Atlas Taf. XXXVIII.

b) Abhänge der Burg (ὑπὸ τὴν ἀκρόπολιν oder πόλιν).

1. Nordabhang: α) Westhälfte (die Felspartie der Makrai [Mακραί], ferner die Klepsydra, Doppelgrotte des Apollon ὑπακραῖος, Paneion und Nachbarschaft): Kabbadias Ἐφημ. ἀρχ. 1897, 1–32. 87–92; πίν. I–IV. Bull. hell. XX 382ff. Michaelis Atlas XVII n. I. XVI n. I a (nach Aufnahmen von Dörpfeld und Sursos); die Abbildung der ‚Pan und Apollongrotte‘ in Curtius und Kaupert Atlas v. Athen Bl. IX n. 4 genügt nicht mehr. S. Art. Aglauros Bd. I S. 829 und Paneion. β) Osthälfte (43 Vertiefungen für Anathemata, Grotten, Umgang mit der Inschr. CIA II 1077): Atlas v. Athen 21.

2. Westabhang (Brunnenanlage = sog. Enneakrunos, Heiligtümer des Asklepios und Amynos, sog. Lenaion, Strassenzüge, namentlich die grosse Fahrstrasse um die Westecke des Areopags in grossem Bogen zum Burgeingang, eine Lesche, griechische und römische Wohnhäuser): Dörpfeld Antike Denkm. II Taf. 37. 38. Vorläufiger Bericht in Athen. Mitt. XVI 443. XVII 90. 281. 439. XIX 443. Ausführliche Berichte: Athen. Mitt. XIX 496ff. (Taf. XIX). XX 161ff. (Taf. IV). Schrader Athen. Mitt. XXI 265ff. (Taf. VIII–X). Koerte ebd. XVIII 231. XXI 287 (Taf. XI). [Watzinger ebd. XXVI 305.] Middleton pl. 20 nr. 26. 27. S. Art. Enneakrunos.

3. Südabhang: Odeion des Herodes: Schillbach Üb. d. Od. d. Herod. 1858. Ivanoff Ann. d. Inst. XXX (1858) 217f.; Mon. d. Inst. VI T. 16. 17. Tuckermann D. Od. d. Herod. zu Athen, 1868, s. Art. Odeion. Choregisches Denkmal des Nikias vom J. 219 v. Chr.: Dörpfeld Athen. Mitt. X 219 mit Taf. VII. Eumenesstoa: Köhler Athen. Mitt. III 147ff. (mit Taf. VII von Ziller). Dörrs Grundriss in Michaelis Atlas T. XXXII. [177] XXXIII. Middleton pl. 18. 19 nr. 24. Dörpfeld Athen. Mitt. XIII 100. XVII 450. – Asklepieion Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1876. 1877 (je mit Plan). Köhler Athen. Mitt. II 171ff. 229ff. mit Taf. XIII; Atlas von Athen Taf. XI. Michaelis Atlas Taf. XXXIII. Middleton pl. 18. 19 nr. 24 (unten) und 25. Girard L’Asclépieion d’Ath. 1881. Caton Temples a. ritual of Askl. at Epid. and Ath.² 1900. S. Art. Asklepieion Bd. II S. 1664[WS 9]. – Theater und die Tempel des Dionysos: Zillers Plan Ἐφημ. ἀρχ. 1862. Dörpfeld-Reisch Das griech. Theater Taf. 1 nr. 2. Middleton pl. 21 nr. 29. pl. 22. 23 nr. 31. 32. S. Art. Theater. – Choregisches Denkmal des Thrasyllos oberhalb der Theaters von 319 u. 270: Stuart Ant. of Athens II c. 4. Reisch Ath. Mitt. XIII 383ff. (der auch die Geschichte seiner Zerstörung mitteilt) mit Taf. VIII.

4. Nächst dem Berghügel und seinen Abhängen nimmt ein hervorragendes Interesse durch seine monumentalen Reste die südwestliche Hügelgegend in Anspruch; freilich sind hier grössere Ruinen fast gar nicht erhalten.

a) Das einzige Denkmal, von dem noch ein grösseres Stück aufrecht steht, ist das mächtige, weithin sichtbare, in seiner Bestimmung durch die Aufschriften CIL III 552. CIA III 557 gesicherte Grabdenkmal des Philopappos auf dem Museion (erwähnt von Paus. I 25, 8 μνῆμα αὐτόθι ἀνδρὶ ᾠκοδομήθη Σύρῳ). Fast vollständig sah dies nur noch Cyriacus, dessen Zeichnung im Cod. Barberinus des Guiliano di San Gallo genau Marini Atti de’ fratelli Arvali 74 bespricht und Reisch Athen. Mitt. XIV 222f. würdigt; schon Stuart und Revett, die es III Kap. 5 Taf. 1–11 ausführlich behandeln und reichlich abbilden (D. Ausg. Lief. XI Taf. 11–12. Lief. XII Taf. 1–9), sahen es versehrt. Es wurde zwischen 114 und 116 dem Enkel des letzten Königs Antiochos von Kommagene (Mommsen Athen. Mitt. I 36f.), der das römische Consulat erlangt hatte, gesetzt. Vgl. noch Köhler Athen. Mitt. I 126. Eine richtige Vorstellung von der Gesamtanlage brachten erst die Ausgrabungen beim Philopappeion im J. 1898 s. Πρακτ. τῆς ἀρχ. ἑταιρ. 1898 p. 68f. mit πίν. 1.

b) Dagegen sind eine Fülle interessanter Felsarbeiten in dieser Gegend erhalten. Unter ihnen nimmt den ersten Platz die mächtige Anlage des Volksversammlungsplatzes auf dem Pnyxhügel ein. Die Doppelterrasse, in ihren oberen Partien, ganz aus dem Felsen herausgeschnitten, ist in ihrer unteren Construction erst durch die Aufräumung von Curtius 1862 genauer bekannt geworden, jedoch nicht richtig gedeutet. Er glaubte nämlich nach Vorgang von Welcker (Abh. Akad. Berl. 1852; Rh. Mus. 1854) hier Altarterrasse und gottesdienstlichen Festraum zu Ehren des bildlos verehrten Himmelgottes Zeus erkennen zu können (Att. Stud. I 21ff.; Stadtgesch. 29ff.). Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass hier wirklich der Raum für die Ekklesien, die Πνύξ zu erkennen ist; das Bema auf dem untern Steinwürfel mit Spuren des Gitterverschlusses (s. Lolling in Müllers Abh. d. A. W. III 332), der durch zwei mächtige Blöcke eingeengte, d. h. zur Controlle der Eintretenden hergerichtete Zugang auf der oberen Terrasse, der aufgeschüttete und durch eine polygonale Mauer getragene Versammlungsraum, [178] der für die üblichen Opfer nötige Raum mit Altar (auf der obern Terrasse), alles stimmt; s. d. Art. Pnyx. Beschreibung und Aufnahme der Anlagen Curtius Att. Stud. a. a. O. mit Taf. 1 (Grundriss), Erl. Text zu den sieben Karten z. Top. v. Ath. 16ff. mit Textbeil. 2 (Grundriss); Bl. 5 nr. 1 (Ansicht); Stadtgesch. 29ff. mit landschaftlicher Skizze (29), Grundriss (31), Ansicht des Felsstufenbaus (32), Atlas von Ath. Bl. V (photograph. Aufn.: 1 obere Ansicht, 2 untere); Middleton pl. 21 nr. 28 (Stützmauer).

c) Nun ist aber die ganze felsige Hügelgegend vom Ostabhang des Museions bis zu dem Nymphenhügel, seinem Vorsprung, der jetzt die H. Marina trägt, und dem Areopag, übersät mit in den Felsboden unvertilgbar eingeschnittenen Spuren antiker Ansiedelungen, als da sind über und nebeneinander hergerichtete Hausstätten, vielfach augenscheinlich als zusammenhängende Complexe angeordnet, auch mit Rampen oder mit Treppenzugängen versehen, Strassen mit eingeschnittenen Geleisen und Rillen, Vorratsräume, Wasserrinnen und bauchige Cisternen, gross und klein; daneben auch Votivnischen, Altarplätze und Versammlungsplätze, und endlich in grosser Zahl viereckige Felsgräber, vertical in den Boden eingesenkt, und sehr eigenartige an den Rändern des Plateaus in den Felsen eingetriebene Grabkammern. Und hievon ist ausführlich zu sprechen, da über diese Dinge in einem Sonderartikel nicht gehandelt werden wird.

Von all diesen Felsbearbeitungen, Glättungen, Bettungen ist Curtius eifrigst bemüht gewesen, eingehende Schilderungen und ausreichende Aufnahmen und Abbildungen zu geben, da bis dahin nur Burnouf in den Archives des missions scientifiques et litteraires Bd. V eine nicht genügende Karte mit Erläuterungen vorgelegt hatte. Schon von den ‚Sieben Karten zur Topographie von Athen‘ waren Bl. 4 und 5, dann im ‚Atlas von Athen‘ Bl. III. VI und VII dieser Gegend gewidmet; Bl. 4 und III (sehr viel genauer) bieten die Gesamtpläne, Bl. 5 (noch unvollkommene) Abbildungen einiger hervorragender Felsmonumente des Gebiets und Bl. 5. 6 Grundrisse des sog. Gefängnisses des Sokrates am Museion, Bl. VI photographische Aufnahmen von vier interessanten Partien, den Hausplätzen am Nymphenhügel, einem Hausplatz mit Treppe am Museion, einer kleineren Altarterrasse am Nymphenhügel und dem ‚Siebensesselplatz‘ am Museion. Auch der Text des Atlas bringt S. 18. 19. 20 noch einige lehrreiche Grundrisse (die auf S. 18 und 19 wiederholt in der Stadtg. Taf. III unten). Endlich sind drei der bedeutendsten Felsgrabkammern, darunter das sog. Kimonische Grab und das sog. Gefängnis des Sokrates im Atlas Bl. VII abgebildet und ebd. Text S. 28. 29 ihre Grundrisse gegeben. Ausführliche Schilderung und historische Würdigung gab Curtius schon Erl. Text zu den sieben Karten Athens 14ff., dann in dem Text zum Atlas 17ff. 28f. und zuletzt Stadtg. 25ff.[RE 2]

Das hervorragende Interesse, das Curtius an dieser Gegend nahm, rührt in erster Linie daher, [179] dass er hier die ältesten Ansiedelungen Athens vor sich zu haben glaubte (so auch noch Busolt Gr. Gesch. II² 87), wie er meinte, das älteste Athen Kranaa. In der Erinnerung der Athener ist indessen kein Raum für ein Urathen im Westen, und es fehlt ganz an einem bestimmten Anzeichen für höchstes Alter dieser Arbeiten, ganz abgesehen davon, dass die ganze vermeintliche Kραναά als Namen Urathens lediglich auf einem Missverständnis von Aristoph. Lysistr. 480 beruht (s. White Ἐφημ. ἀρχ. 1894, 42ff.). Man wird vor allen Dingen sich davor hüten müssen, die jetzt räumlich zusammenliegenden Anlagen sämtlich einer und derselben Periode zuzuschreiben. Zunächst müssen die Gräber ganz ausgeschieden werden, und die Annahme, dass die Gräber von den Hausbesitzern gleich bei ihren Wohnungen angelegt seien (was auf ganz frühe Zeit weisen sollte), ist an sich unhaltbar (s. Milchhoefer I 153); auch würde diese Sitte, von Generationen fortgesetzt, durch viel zahlreichere Beispiele bestätigt werden müssen. Sodann sind auch die grösseren heiligen oder öffentlichen Anlagen für sich zu stellen. Wie der gewaltige Ekklesienraum erst in die Zeit der entwickelten Demokratie gehört, so können andererseits gewisse Altaranlagen schon früh entstanden sein und der merkwürdige Siebensesselplatz am Museion, der wohl auch durch religiöse Gebräuche bedingt ist, desgleichen. Aber ein anderer als der örtliche Zusammenhang mit den Felswohnungen besteht nicht.

Aber auch die eigentümlichen Felswohnungen für sich genommen, dürfen doch nicht ohne weiteres als einheitliche Masse behandelt werden. Vielmehr ist einleuchtend, dass zu sehr verschiedenen Zeiten teils die Felsflächen für Wohnstätten bearbeitet, teils vorhandene Felsbearbeitungen wiederum benutzt sein können. Man mag also aus der Hauptmasse alle die Häuser ausscheiden, deren späterer Ursprung direct beweisbar ist; so insbesondere die Wohnungen, in denen die vertical geglätteten Abhänge des Felsbodens als Häuserwände benutzt sind; sie sind mit Balkenwerk gebaut, wie die zahlreichen in die Felsflächen eingehauenen viereckigen Löcher, die zum Halt dienten, zeigen, und haben gelegentlich alte Grabkammern auch für Wohnzwecke umgestaltet (sog. Gefängnis des Sokrates), und bei ihrer Anlage wurde am Südrande des H. Marina-Plateaus der oben an der Kante entlang laufende ältere Weg zerstört (Milchhoefer 153). Etwas Ähnliches könnte man für die öfters vorkommenden Häuser mit verputzten Wänden aus Bruchsteinen und mit Fussböden aus Meerkieseln annehmen, obwohl diese mitten unter den andern liegen. Wo sind aber die Kriterien, denen vertrauend wir für die Hauptmasse die ursprüngliche Anlage in früheste Zeiten zu setzen berechtigt sind? In den ‚pelasgischen‘ Häusern der Akropolis haben wir ja jetzt die erreichbar älteste Bauweise auch der Athener kennen gelernt; zeigt die in der Felsbearbeitung dieses Westbezirkes geübte Technik sich als ‚altertümlicher‘? Nicht den Charakter hohen Alters tragen diese Wohnungen in ihrer Gedrängtheit und Armseligkeit, sondern den der Dürftigkeit, mag diese nun bedingt sein durch die ökonomischen Zustände der kleinen Leute überhaupt oder vorübergehend durch einen ausserordentlichen [180] Notstand, wie den peloponnesischen Krieg, herbeigeführt sein. Wenn man beherzigt, dass diese Wohnungen sich so gut wie ausschliesslich innerhalb der alten Stadt- und Schenkelmauern befinden, wird man sehr geneigt, Engelmann (Berl. Ztschr. f. Gymn.-Wes. XXXIII 514f.) in der Annahme zuzustimmen, dass wirklich die Hauptansiedelung in der Zeit des fürchterlichen Krieges erfolgte, in dessen Anfang die Leute auf dem Land ihre Häuser abbrachen und deren Holzwerk (ξύλωσιν Thuc. II 14, 1 = ὀροφαὶ καὶ θυρώματα Thuc. III 68, 3) mit in die Stadt brachten, um sich dort dauernd einzurichten.

Was endlich die Gräber betrifft, so ist zunächst an das bekannte, noch zur Zeit Ciceros (ad fam. IV 12, 3) streng festgehaltene athenische Gesetz zu erinnern, dass innerhalb der Stadt Beisetzung unzulässig sei; das Gesetz war durch religiöse Anschauungen bedingt, also uralt. Mithin müssen die Felskammern, von denen mehrere, darunter die ansehnlichste, das sog. Gefängnis des Sokrates, innerhalb der themistokleischen Mauer liegen, der Periode der Stadtgeschichte angehören, wo es ausser der Burg keine ummauerte Stadt gab, die Burg eben ἡ πόλις war. Wenigstens ist es wahrscheinlich, dass dieselbe Zeit, die für die Kammern innerhalb der Mauern erweisbar ist, auch für die ausserhalb derselben angesetzt werden darf; natürlich mit der Beschränkung, dass diese auch später wieder zu Begräbniszwecken benutzt werden konnten, wie das für das sog. kimonische Grab sogar direct bezeugt ist durch die Inschrift CIA III 1432.

Sodann ist es nötig hervorzuheben, dass bei den Ausgrabungen Dörpfelds, sowohl beim Brunnenplatz, am Westfuss des Burghügels (Athen. Mitt. XVII 445), als an der alten Fahrstrasse nach der Burg (ebd. XXI 107) und endlich sogar nördlich von dem Areopag (ebd. XXII 478), Fels- und sonstige Gräber gefunden sind (die Plätze genau angegeben Ant. Denkm. II T. 37), die nicht blos ‚mykenische‘ Vasen, sondern auch Thongefässe des Dipylonstiles enthielten. Auch sie gehören also der bezeichneten ältesten Periode an. Es würde mithin sehr wohl möglich sein, dass auch in den jetzt besprochenen südwestlichen Felspartien Athens derartige ältere Gräber sich fänden, ja die Vermutung älteren Ursprungs würde für solche des bezeichneten Gebietes, die innerhalb der Stadtmauern liegen, geboten sein (und nur bei ganz untrüglichen Indicien des 5. Jhdts. müsste man sich helfen mit Ausnahmezuständen, wie sie die Pest auch in der Art der Bestattung nach Thuc. II 52, 4 herbeiführte). Um so mehr muss betont werden, dass sich die bisher bekannten und überaus zahlreichen vertical eingesenkten Gräber dieser Gegend zwar innerhalb der Schenkelmauern aber nur ausserhalb der Stadtmauer finden, die über Höhe des Museions, Pnyx- und Nymphenhügels ging, d. h. sie sind erst nach der themistokleischen Zeit entstanden. Nach den gelegentlichen Funden und den systematischen Ausgrabungen Pervanoglus (Bull. d. Inst. 1862, 145; Ἐφημ. ἀρχ. 1862, 84) führen bestimmte Anhaltspunkte meist in die römische Zeit, doch kommen gelegentlich auch Thonwaren des 4. Jhdts. vor, so dass von dieser Zeit ab die Anlage dieser Gräber gesichert ist. Man wird aber nicht irren, wenn [181] man ihre überwiegende Masse erst der Periode nach der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr., d. h. nach der zweiten Zerstörung der langen Mauern zuschreibt.

d) Nach zweierlei mag über diese Hügelgegend erwähnt werden. Erstens ist von der Festung, die Demetrios auf dem Museion errichtete (Wachsmuth St. Athen I 617), kürzlich der Rest eines Turmes blossgelegt worden (s. Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1898, 68 u. πίν. 1). Und zum andern ist das Barathron am Nymphenhügel, in das die Verbrecher gestürzt wurden, s. Art. Barathron Bd. II S. 2853, nicht eine natürliche Felsschlucht, wofür man sie früher hielt, sondern – wie Lepsius erkannte – ursprünglich durch einen Steinbruch entstanden.

5. Schliesslich steht auf dem nach ihm benannten Hügel der besterhaltene Tempel Athens, das sog. Theseion, d. h. der dorische Hexastylos aus der perikleischen Periode, der in christlicher Zeit zu einer Kirche des H. Georgios verwandelt war und bereits im 15. Jhdt. (Anon. Paris. 743 W.), nicht aus Tradition, sondern durch Combination eines Halbwissers für das Theseion ausgegeben wurde.

Beschreibung und Aufnahme des monumentalen Bestandes: Stuart-Revett Altert. II 324ff., Lief. IX Taf. 7–X Taf. 6. XXV Taf. 10–XXVI T. 1. Bötticher Ber. üb. Unters. auf Akrop. 181; Philol. Suppl. III 383. Ziller Ztschr. f. bild. Kunst VIII 90 (mit Plan u. Durchschnitten). [Jetzt Reinhardt Gesetzmäss. d. gr. Baukunst I 1903.] Julius Mon. d. Inst. X 43. 44 (Metopen). Sauer Das sog. Theseion u. s. plast. Schmuck 1899 (mit Reconstruction der verschwundenen Giebelgruppen aus den Standspuren). Durm Ztschr. f. Bauw. XXI. Greef in Baumeisters Denkm. s. Theseion. Deutung der Bildwerke: Julius Ann. d. Inst. 1874, 203. 1877, 90. 1878, 189. Brunn S.-Ber. Akad. Münch. 1879, II 4. Robert Der müde Silen 1899 (über dem Ostfries). Walther Müller Die Theseusmetopen vom Theseion 1888. Robert Marathonschlacht in der Poikile 88 (über die Wandgemälde). Gurlitt Alter d. Bildw. u. Bauzeit des Theseion 1875 u. a. m. Vgl. Artikel Theseion.

Alle bisherigen Versuche, den Tempel einem bestimmten Gott oder Heros zuzuweisen haben zu keinem sichern Ergebniss geführt; gegen fast alle lassen sich gewichtige Einwendungen erheben. Vorgeschlagen sind ausser Theseus, der nur noch vereinzelt festgehalten wird, Ares (Ross Τὸ Θησεῖον καὶ ὁ ναὸς τοῦ Ἄρεως 1838; deutsch 1852), Herakles in Melite (Wachsmuth St. Ath. I 364); Hephaistos (Pervanoglu Philol. XXVII 660. Lolling Gött. gel. Nachr. 1874, 17. Dörpfeld bei Miss Harrison Myth. and Mon. of anc. Ath. 113 und zuletzt Ant. Denkm. II H. 4 S. 1. Sauer a. a. O.); Apollon Patroos (Löschcke Dorpater Progr. 1883, 21. Milchhoefer Berl. philol. Wochenschr. 1891, 753f.; ebd. 1900, 286. 1901, 402. Furtwängler S.-Ber. Akad. Münch. 1899 II 293. Robert a. a. O. 33). Eine bestimmte Entscheidung ist überhaupt erst möglich, wenn die Markttopographie einigermassen gesichert ist.

6. Gehen wir zu dem Markt, der Agora des Kerameikos, und seiner näheren Umgebung über, so ist bisher leider nur ein einziges bestimmbares [182] Gebäude blossgelegt, das an der Agora lag, das ist die Attalos-Stoa an ihrem Ostrand. Diese von König Attalos II. Philadelphos (150–138) für den Warenhandel errichtete Markthalle, in einigen Teilen immer zu Tage liegend, ist durch wiederholte Ausgrabungen der archäologischen Gesellschaft jetzt völlig blossgelegt und recht genau auch im Detail der Einrichtung bekannt. Glücklicherweise ist sie auch durch die Inschrift CIA II 1170 als die einmal (von Poseidonios bei Athen. V 212 F) erwähnte Ἀττάλου στοά gesichert, die auf dem Kerameikos (d. h. der Agora, s. u.) lag, wennschon sie hier nur wegen des vor ihr für die römischen Praetoren errichteten Tribunals angeführt wird. Hauptpublication: Adler Die Stoa des K. Attalos mit 7 Tafeln und 3 Holzschnitten 1875; dazu Bohn Die Stoa des K. Att. 1882 mit 2 Tafeln; völliger Abschluss erst durch die Ausgrabung 1898/1900, s. Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑταιρ. 1898, 11. 66ff. 1899, 70ff. mit Taf. 1. 2. 1900, 31ff. Vgl. Wachsmuth St. Ath. II 522. Dass übrigens die Attalosstoa nicht an der alten Agora, sondern erst an einer späteren (hellenistischen) Erweiterung des Marktes nach Norden gelegen habe, wie dies erst Curtius Att. Stud. II 32, jetzt Dörpfeld Athen. Mitt. XII 345. XIX 497; Ant. Denkm. II 4 S. 1 annahm, ist eine unbeweisbare Vermutung.

Zugleich hat sich bei diesen Ausgrabungen herausgestellt, dass vor der Anlage der Stoa die Terrainhöhe an ihrem Nordende mindestens um 6 m. tiefer lag, als der Stylobat der Halle, so dass ihre Nordmauer als stets sichtbare hohe Futtermauer construiert wurde (Athen. Mitt. XVI 252), während das Südende ca. 4 m. tief in das ansteigende Terrain eingeschnitten werden musste (vgl. Adler Stoa des K. Attalos 11). Da nun auch aus litterarischen Zeugnissen (s. u. bei Paus.) hervorgeht, dass das Südende der Agora stärker anstieg, wird man für das gesamte Areal des Marktes keineswegs ein gleichmässiges Planum annehmen dürfen; vielmehr werden die verschiedenen Anlagen vielfach in verschiedenem Niveau gestanden haben.

Grosse Hoffnung hatte man auf die von Dörpfeld geleitete Ausgrabung eines altgriechischen Baus am Ostabhang des Theseionhügels, gerade östlich unterhalb des sog. Theseions gesetzt. Wirklich kam ein etwa aus dem 5. Jhdt. stammender fast quadratischer Saal von 9 m. im Geviert mit Vorhalle von 6 Säulen und Hauptthür in der Ostfront, Nebenthür in nördlicher Seitenwand zu Tage, s. Athen. Mitt. XXI 108. 458. XXII 225. Sauer Theseion 259 mit Plan. Ant. Denkm. II Taf. 37. Quadrat C. D 9. Allein die erwartete Stoa Basileios, das erste Gebäude, das Pausanias auf seiner Periegese des Marktes beschreibt, wird in diesem Gebäude, das niemand als eine ‚Halle‘ bezeichnen kann, auch seiner Dimensionen wegen ausser Dörpfeld selbst (Athen. Mitt. XXII 225; Ant. Denkm. II H. 4 S. 1) nicht leicht jemand erkennen wollen (s. Milchhoefer Berl. philol. Wochenschr. 1900 nr. 11, S. 15 des Sep.-Abz.). Gleich südlich dieses Baues ist ein Weg aufgedeckt, der direct nach dem sog. Theseion heraufführt. Völlig unbestimmbar bleibt ferner zunächst das etwas weiter südlich, aber in derselben Fluchtlinie mit der sog. Stoa Basileios gelegene Gebäude [183] jüngeren Ursprungs, das an Stelle eines älteren getreten (Athen. Mitt. XXI 188; Ant. Denkm. a. a. O.), das Dörpfeld auf dem Plan a. a. O. und Athen. Mitt. a. a. O. auch als Stoa anspricht (den Beweis werden wir abwarten müssen). Immerhin dürften wir hier am Westrand der Agora gelegene Gebäude endlich glücklich gefunden haben.

Zwischen den beiden ‚Stoen‘ im Westen und der Attalos-Stoa im Osten befindet sich etwa in der Mitte die sog. Gigantenhalle, ein von Ost nach West ziehender, nach Norden gewandter Längsraum, in dessen Mitte vier Postamente mit colossalen Pfeilerfiguren ein Obergeschoss trugen, so dass zwischen ihnen drei breite Eingänge blieben, während auf beiden Seiten Brunnen angebracht waren. Über den monumentalen Bestand vgl. Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1859, 14. 1870/71, 12. 33 (mit Grundriss). Ant. Denkm. II T. 37 Quadrat. D. E 3 (vgl. Wachsmuth St. Athen I 526f.). Ob diese Anlage spätrömischer Zeit (die Pfeilerfiguren stammen aus einem Bau hadrianischer Zeit und sind hier wieder verwendet) auf offenem Marktraum stand oder wo sonst, bleibt ebenso wie seine Bestimmung unklar.

Jedenfalls ist gegenwärtig unmöglich zu sagen, wie weit die Agora in älterer Zeit sich nach Norden ausgedehnt hat. Zwar glaubt Milchhoefer neuerdings (Berl. philol. Wochenschr. 1900 nr. 12, S. 24 d. Sep.-Abz.) für Bestimmung der Nordgrenze benutzen zu können die in der That erheblichen Reste eines alten Säulenbaus, die zuerst Ross (Erinner. und Mitteil. aus Griechenl. 163; Arch. Aufs. I 154) in der Nähe des H. Philippos in der Nordwand der ‚Wasserleitung der H. Triada‘ (Ziller Athen. Mitt. II 116) vermauert sah, dann Milchhoefer wieder untersuchte und beschrieb. Allein mehr, als dass hier das Material eines in der Nähe und zwar nördlich gelegenen Baues bei einer späteren Restauration des Canals verwandt ist, lässt sich dem Thatbestand leider nicht entnehmen; am wenigsten, dass die 30 Säulentrommeln der Stoa Basileios angehörten und so deren Lage ungefähr nördlich von H. Philippos (das wäre Ant. Denkm. II Taf. 37 in der unteren linken Ecke des Quadrats E 2) fixiert sei; schon zur Fluchtlinie des ‚Dromos‘ würde die Lage nicht passen. Eher wird man annehmen dürfen, dass die bei der Verlängerung der Piraeuseisenbahn aufgedeckten antiken Mauern (s. Athen. Mitt. XVI 252; der von Kawerau im Auftrag der General-Ephorie aufgenommene Plan liegt noch nicht vor; verzeichnet sind die Reste Dörpfelds Karte in Ant. Denkm. II Taf. 37 in den Quadraten C 2, D 2, D 3) noch auf der Agora standen.

Die Versuche, über das Südende der Agora Aufklärung zu gewinnen, sind noch zu keinem Ergebnis gelangt. Zwar ist südlich von den beiden oben genannten Stoen, aber ein Stück weiter östlich von ihrer verlängerten Fluchtlinie (auf dem Platz neben der Capelle des Propheten Elias in der Eponymenstrasse; Ant. Denkm. II Taf. 37 Quadrat D 4) die Ecke eines altgriechischen Gebäudes aus Poros blossgelegt (Athen. Mitt. XXII 478); und hier befinden wir uns wohl noch auf der Agora. Weiter südlich stiess man auf römischen Privatbau (Athen. Mitt. a. a. O.), ebenso wie die Tastungen vor der nordwestlichen Ecke [184] des Areopags – bis wohin Dörpfeld die Agora erstrecken möchte – nur private Ansiedelungen, keine öffentlichen Gebäude zeigten (Athen. Mitt. XI 453f.).

Dagegen ist im Nordwesten der Zugang zum Markt auf der von dem Hauptthor, dem ausgegrabenen Dipylon (s. u.) ausgehenden geradlinigen breiten Strasse (Dromos?) wenigstens in seiner Richtung jetzt gesichert durch eine kleine Ausgrabung Dörpfelds, deren Ergebnis Ant. Denkm. II Taf. 37 Quadrat C 2 (oben) eingetragen ist. Ein Stück südlich dieser Strassenflucht, also jedenfalls nicht am ‚Dromos‘ gelegen, ist der bei den Ausgrabungen 1891 in situ aufgedeckte Altar, welcher der Ἀφροδίτῃ Ἡγεμόνῃ τοῦ Δήμου καὶ Xάρισιν (CIA IV 2 p. 248 nr. 1161 b) Ende des 3. Jhdts. v. Chr. (s. Kirchner Gött. gel. Anz. 1900, 455) errichtet wurde (s. Berichte im Δελτ. ἀρχ. 1891 p. 126f.; Ἀθηνᾶ III 1891 p. 593). Doch ist die Identification dieser Göttin mit der Aphrodite Pandemos, wie sie Lolling Ἀθηνᾶ a. a. O. 602 mit weiteren Combinationen vorschlug, ganz unbegründet. Wohl aber kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ihr Altar in dem τέμενος τοῦ Δήμου καὶ τῶν Xαρίτων stand, der seit dem Ende des 3. Jhdts. v. Chr. zur Aufstellung bronzener Ehrenstatuen diente; noch dazu sind mehrere Inschriften, in denen diese Auszeichnung beschlossen wurde (CIA IV 2 p. 92 nr. 385 c; p. 113–115 nr. 432 c. d. e), hier in der Nähe bei denselben Ausgrabungen gefunden; vgl. Δελτίον ἀρχ. 1891 p. 26. 40. Bull. hell. XV (1891) 346. 368. (Dass sich die Agora bis hieher erstreckt habe, woran man gelegentlich gedacht hat, ist sehr unwahrscheinlich).

Dagegen ist jetzt ganz hinfällig eine Annahme, die früher in der athenischen Topographie eine gewisse Rolle gespielt hat. Bei dem Bau des Treiberschen Hauses in der Nähe der Kirche H. Asomatos (jetzt nördlich des Piraeusbahnhofes) wurden Reste eines grösseren Denkmals gefunden, Postament aus Porosstein, Statuenreste, eine zugehörige Platte mit der Aufschrift Eὐβουλίδης Eὔ]χειρος Kρωπίδης ἐποίησεν (Bericht bei Ross Arch. Aufs. I 145; bespr. von Julius Athen. Mitt. XII 365. Lage gut bei Curtius Stadtg. Taf. 6 angegeben); dies ‚Monument des Eubulides‘ erklärte man für das figurenreiche Weihgeschenk des Künstlers Eubulides, das Pausanias I 2, 5 auf dem Wege vom Eingangsthor zum Markt erwähnt; so schien Eingangsthor (= Dipylon) und Zug der Eingangsstrasse (= Dromos) bestimmt. Jetzt steht fest, dass das Denkmal mit jener Stiftung des Eubulides nichts zu thun hat (Lolling Athen. Mitt. XII 81) und dass es ein ganzes Stück nördlich des ‚Dromos‘ lag.

Auch der Zug der Strasse, die vom piraeischen Thor her auf die Agora führte, ist durch Dörpfelds Ausgrabung festgelegt, s. Ant. Denkm. II Taf. 37 Quadrat B 4. B 5.

7. Verlassen wir gleich südlich der Attalosstoa die Agora des Kerameikos, den Marktplatz der hellenischen Zeit, einer direct nach Osten ziehenden Strasse folgend, die in römischer Zeit mit Säulenhallen besetzt war – die auf der Südseite gefundenen Reste beschreiben die Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑταιρ. 1879/80, 16 und erl. Text zu Karten von Attika I 9 n. 5 (Lage auf der Karte bezeichnet) –, [185] so stossen wir alsbald auf einen Complex von (zu einem guten Teil erst neuerdings aufgedeckten) Anlagen, die alle zu dem Kaufmarkt der römischen Zeit gehören.

Die erste dieser Anlagen (die Lage am schärfsten angegeben auf Ant. Denkm. II Taf. 37 Quadrat F 4) ist die zu allen Zeiten aufrecht gebliebene, mit ihrer Front nach Westen gerichtete, von vier dorischen Säulen getragene sog. ‚Pyle der neuen Agora‘ mit drei Zugängen, und auf der Spitze des Giebels dereinst – wie die Aufschrift auf einer Plinthe (CIA III 445) lehrt – die Statue des jungen Lucius Caesar tragend (abgeb. zuerst bei Stuart Bd. I K. 1 pl. 1–3; technisch untersucht von Bötticher Ber. üb. Unters. auf Akr. in Ath. 223). Diese zwischen 12 und 1 v. Chr. laut der Aufschrift auf dem Architrav (CIA III 65) aus Geldspenden des Iulius Caesar und Augustus zu Ehren der Athena Archegetis errichtete Thorhalle bildete den Westeingang zu einem viereckigen geräumigen, mit Marmorplatten gepflasterten Hof, der auf allen vier Seiten mit Säulenhallen und sich anschliessenden Gemächern (Läden und Magazinen) umgeben war. Das auf der Rückwand des einen Seitenpfostens der ‚Pyle‘ eingetragene Decret des Kaisers Hadrian über Ölverkauf (CIA III 38), die Tafeln mit Normalmassen, Aichanlagen, Angaben der Normallänge der Elle (durch Striche an den Säulen), die inschriftliche Bezeichnung der Standplätze einzelner Höker bestätigen die Bestimmung der ganzen Anlage zu Kaufzwecken. Diese Baulichkeiten sind erst sehr allmählich bekannt geworden und wieder aufgedeckt, vgl. die Berichte bei Ross Arch. Aufs. I 2. 103. Bötticher a. a. O. 223. Bernh. Schmidt Rh. Mus. XX 161 (mit Plan). Dörpfeld Athen. Mitt. XV 343. 444; Δέλτ. ἀρχ. 1888, 188. 1891, 16; Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 110; Berl. philol. Wochenschr. 1891, 509. Curtius Stadtg. 256 (mit Grundriss). Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1890, 11 (mit Plan). 1891, 7. Ein dem Westportal ganz analog gebildetes Ostportal dieses Marktsaals zeigt durch seine Lage (nicht genau in der Mitte, sondern etwas weiter nach Süden gerückt), dass auf den Strassenzug Rücksicht genommen wurde. Mit dem gleich östlich, aber auf einer höheren Terrasse gelegenen Platz, der sich südlich an den ‚Turm der Winde‘ anschliesst, wurde erst später ein unmittelbarer Zusammenhang hergestellt.

Auf diesem Platz wurde nämlich in der Kaiserzeit, wohl erst im 2. Jhdt. ein nach dem Marktsaal orientierter Arkadenbau zu Ehren der Athena Archegetis und der Σεβαστοί (CIA III 66. Athen. Mitt. VII 399) von zwei Gargettiern errichtet. Auf fünf Stufen stieg man zu dem Bau empor, von dessen Eingangshalle zwei und ein halber Bogen – die lange fälschlich für Reste der Wasserleitung nach dem ‚Windeturm‘ gehaltenen – (abgeb. z. B. bei Stuart Ant. III² c. 4 pl. 41) noch aufrecht stehen. Eine genauere Skizze des ganzen Baus gab erst Dörpfeld Baumeisters Denkm. 2114 Fig. 2365, noch vollständiger ist der Grundriss in den Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1890 (vgl. auch Πρακτ. 1891 πίν. 8). Dieser Arkadenbau war mit seiner Nordseite so unmittelbar an den Turm der Winde herangerückt, dass er zwei seiner südlichen Sonnenuhren verdeckte, schob aber auch einen längs der Ostseite dieses Andronikosbaus [186] in einiger Distanz hinziehenden Flügel nach Norden vor.

Der Bau des Andronikos Kyrrhestes endlich – zuerst von Poseidonios (s. Kaibel Herm. XX 614) bei Vitruv. I 6, 4, dann bei Varro de r. r. III 5. 17 (31 v. Chr.) erwähnt, also noch vor der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. errichtet, von den Athenern später ‚Haus des Kyrrhestes‘ (οἰκίαν τὴν λεγομένην Kυρρήστου, s. Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 169. 170 Z. 54) genannt – wurde, in den wesentlichen Stücken wohl erhalten und nur teilweise verschüttet, schon von Cyriacus (Athen. Mitt. XIV 222) gezeichnet und schon von Transfeldt (Athen. Mitt. I 119) richtig erkannt; von Stuart teilweise ausgegraben und vorzüglich abgebildet (Ant. of Ath. Bd. I c. 3 pl. 1–19); mit unter den ersten Denkmälern von der archäologischen Gesellschaft ganz blossgelegt (Σύνοψις τ. πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1846, 17. 57. 87. 121. 197 mit Taf. I), zuletzt noch 1891 mit der untersten Stufe (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1891, 8). Neuere Aufnahmen findet man in Baumeisters Denkm. fig. 2366/68 (Aufriss, Durchschnitt, Grundriss). 2365 (Lageplan von Dörpfeld). 2369 (Skizze des Anbaus von Graef). Besprechung von Matz ebd. 2112ff.; technische Erläuterung bei Durm Baukunst d. Gr. I² 297, vgl. Art. Andronikos Nr. 28, o. Bd. I S. 2167. Das ziemlich scharf nach den Richtungen der achtteiligen Windrose orientierte achteckige turmartige Gebäude aus pentelischem Marmor ist mit einem Aussenfries umzogen, der in ziemlich plumpem Relief die daemonischen Gestalten der acht Hauptwinde (am besten abgeb. bei Brunn-Bruckmann Denkm. 30) zeigt, und trug dereinst auf dem Schlussstein des flachen Daches einen Triton als Wetterfahne. Zugleich aber diente es als ‚Horologium‘ und zwar in doppelter Hinsicht, indem sowohl auf den acht Seiten des Turmes unterhalb des Frieses Sonnenuhren angebracht sind, als auch im Innern eine, jetzt verschwundene, Wasseruhr thätig war, für die das Wasser aus einem südlichen halbkreisförmigen Anbau eingeführt wurde.

Natürlich stand dieser Winde- und Uhrturm von Anfang an auf einem freien Platz und, wie wir noch wohl erkennen, auf einem Platz mit sehr frequentem Verkehr, in der Mitte der Stadt gelegen und zugleich ein Kreuzpunkt ersten Ranges, auf dem sich vier Hauptstrassen (nach Westen zum Altmarkt, nach Norden zum nördlichen Hauptthor, dem archarnischen, nach Süden zum Prytaneion und Burgumgang, endlich nach Osten weiter in die Stadt hinein) schnitten; und nordwestlich des Turmes finden sich noch jetzt die Reste einer fast quadratischen mit Marmorplatten belegten Anlage, die zum Verkauf von Lebensmitteln gedient haben mag (Grundriss in Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1890 Taf. 1; vgl. Lolling in Hdb. d. A.-W. III 321, 2).

8. Nördlich des ‚Kaufsaals‘ aber liegen noch ausgedehnte Reste eines genau wie er orientierten Colossalbaus, der jedenfalls auf Kaiser Hadrian zurückgeführt werden muss, des sog. τετράγωνον Ἀδριανοῦ oder der ‚Hadrianstoa‘; die Lage veranschaulicht gut die Übersichtskarte bei Curtius Stadtgesch. Bl. VI. Teile des rechtwinkligen, einen Flächenraum von 122 m. Länge und 82 m. Breite umschliessenden Baus blieben immer aufrecht und [187] die Reste waren zum Teil sogar früher noch vollständiger erhalten, so dass Stuart, der die erste vollständige Aufnahme gab (Antiqu. of Ath. I c. 5 Taf. 1ff. = Altert. v. Ath. I 173; Lief. IV Taf. 7. V Taf. 6), den vollständigen Grundriss richtig entwerfen konnte (die älteste Zeichnung von der Westseite bei Omont Ath. au XVI siècle T. XX von einem Zeichner Nointels). Die Ausgrabungen der archäologischen Gesellschaft 1885, bei denen auch die im Innern gelegene, verfallene Kirche der Παναγία μεγάλη abgebrochen wurde, haben einzelnes hinzugefügt, s. die Berichte in Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1885, 13ff. mit dem schönen Plan von Dörpfeld auf Taf. 1. Nikolaides Ἐφημ. ἀρχ. 1885, 27 (die genauste Beschreibung). Dawes Athenaeum 1886 N. 3056 p. 686. Von der gewaltigen Porosmauer, die das Ganze umschloss, steht noch fast die ganze Ostseite (an der jetzigen Aiolosstrasse), das anstossende Stück der Nordseite, und von der Westseite die Nordhälfte mit sieben korinthischen Säulen und ein anschliessendes Stück von dem in der Mitte der Seite vorspringenden Tetrakionion. Im Innern ist ein rings umlaufender Säulenhof zu erkennen, in dem ein Marmorgebäude sich erhob; vor diesem Säulenhof nach Osten hin sind mehrere Gemächer zu erkennen, die zum Teil deutliche Spuren einer Herrichtung ähnlich wie in der Bibliothek von Pergamon zeigten (Conze Berl. philol. Wochenschr. 1885, 331. Dziatzko Beitr. z. Kenntnis des Schrift-, Buch- u. Biblioth.-Wesen III 1896, 38). Das Ganze scheint also ein prachtvolles Bibliotheksgebäude mit Vorlesungsräumen gewesen zu sein und stimmt gut mit der Beschreibung der (auch bei Hieronym. II 167 Schön. erwähnten) prachtvollen Bibliothek Hadrians, die Paus. I 18, 9 τὰ δὲ ἐπιφανέστατα <τάδε (füge ich hinzu)> ἑκατὸν εἴκοσι κίονες Φρυγίου λίθου πεποίηνται καὶ ταῖς στοαῖς κατὰ τὰ αὐτὰ οἱ τοῖχοι bis zu κατάκειται δὲ ἐς αὐτὸ βιβλία giebt (s. Wachsmuth St. Ath. I 692, 1), während er das Gymnasium, an das man auch gedacht hat, deutlich im folgenden als ein besonderes Gebäude aufführt.

9. Einige interessante Überreste befinden sich auch in der Niederung östlich der Akropolis. Sie gehören zumeist der Gattung der choregischen Denkmäler an, die hier in dichter Reihe eine förmliche Strasse bildeten, nach der die ganze Gegend Tρίποδες genannt wurde (Paus. I 20, 1). Das berühmteste von ihnen ist der noch jetzt aufrecht stehende und in leidlichem Zustand erhaltene Rundbau (ναός), den laut der Inschrift auf dem Epistyl (CIA II 1242) im J. 335/34 v. Chr. Lysikrates als siegreicher Chorege weihte (das sog. Φανάρι τοῦ Δμηοσθένη), ein Musterstück dieser Gattung, das bereits Stuart aufnahm und ausführlich beschrieb (Ant. I c. 4 pl. 3. 4. IV pl. 10–26 = Alt. I 139ff. II 28ff. 35ff. d. A.). Neuerdings ist es oft behandelt und reconstruiert worden: Pappadopulos Π. τοῦ Λυσικρατείου μνημείου 1852 mit 3 Taf. Aurès Sur le monum. de Lysicrate 1866 (vgl. Rev. arch. 1866 Mars). v. Lützow Choreg. Denkm. des Lysikr. nach Th. Hansens Restaurationsentwurf 1868 (Sep.-Abz. aus Lützows Ztschr. f. bild. Kunst III 233. 264 mit 2 Stahlstichen); wiederhergestellt von dem Franzosen Loviot, bei dessen Ausgrabungen an dieser Stelle noch einige Architravstücke sich fanden [188] (s. Pottier Bull. hell. II 1872, 412). Vgl. auch die Arbeit von De Cou über den Fries Americ. journ. of archaeol. VIII 42ff. und Reisch Gr. Weihgesch. (= Abh. d. Wiener epigr. arch. Semin. VIII) 189. Die auf der Südseite angebrachte Inschrift zeigt, dass hier die Strasse ging, deren weiteren Verlauf nach dem Dionysostheater hin Loviot (a. a. O.) feststellte. An dieser Strecke wurde u. a. eine grosse marmorne Dreifussbasis mit Dionysos und zwei Niken in Relief gefunden (Arch. Anzeiger XII 437. Mon. d. Inst. XXXII 112. Sybel Katal. d. Sculpt. zu Athen nr. 305). Ebenso lässt sich weiter nach Norden ihr Lauf ungefähr vermuten; denn gleich nördlich (‚im Keller des Hauses an der Nordwestecke des Kreuzungspunktes der Thespis- und Tripodenstrasse‘ Lolling) wurde der Unterbau eines ähnlichen Monuments gefunden (Arch. Zeit. XXXII 162 n. 5). In der Nähe stand im 17. Jhdt. noch ein anderes ähnliches Denkmal, τὸ φανάρι τοῦ Διογένη benannt (vgl. Ross Arch. Aufs. I 264, 51. II 260; wohl mit Unrecht ist seine Existenz bezweifelt von Lolling). Ausserdem hat Stuart (Altert. II 477, Lief. XV Taf. 1. 2 d. A.) ein Stück weiter nach Osten bei der Kirche H. Aikaterine (Mommsen Ath. Christ. 65 n. 65) noch Reste einer ionischen Säulenhalle aufgenommen, von denen jetzt nur noch weniges erhalten (vgl. Dodwell Klass. und topogr. Reise nach Griechenl. II 208 d. Ü. Milchhoefer 189).

10. Wiederum hat sich im äussersten Osten der Stadt, d. h. in dem ursprünglich ausserhalb der Mauern gelegenen Teile, in dem unter Hadrian sich ein Neu-Athen (novae Athenae genannt in der Aufschrift auf dem Aquaeduct CIL III 549, νέαι Ἀθῆναι Ἁδριαναί bei Steph. Byz. s. Ὀλυμπιεῖον, Hadrianopolis Hist. Aug. Hadr. 20) ansiedelte, und in der Vorstadt auf der andern Seite des Ilisos noch eine grössere Zahl von Anlagen erhalten.

Zunächst bezeichnet die Grenze zwischen Alt- und Neu-Athen das sog. ‚Thor des Hadrian‘, ein Prachtthor, dessen Architrav auf der Westseite den iambischen Trimeter trägt: αἵδ’ εἴσ’ Ἀθῆναι, Θησέως ἡ πρὶν πόλις und auf der Ostseite den andern: Αἵδ’ εἴσ’ Ἁδριανοῦ καὶ οὐχὶ Θησέως πόλις (CIA III 401. 402); abgebildet ist es zuerst gut bei Stuart III c. 3 pl. 1 u. 4; seine Lage zum Olympieion angegeben im Ἀρχ. ἐφημ. 1862 Taf. 10).

Durchschreitet man das Hadriansthor, so stösst man auf den Peribolos des Olympieions, d. h. die grossartige 206,5 m. lange und 130 m. breite Tempelterrasse, die erst Hadrian anlegen liess. Teile dieses Peribolos waren immer sichtbar und von dem hadrianischen Tempel sah Cyriacus (epigr. Illyr. XI 81; vgl. Athen. Mitt. XIV 221) noch 21 Säulen aufrecht; 1760 wurde die westlichste, die 17., zu Kalk gebrannt, jetzt stehen noch 15 aufrecht, die 16. liegt seit 1852 am Boden. Über den älteren Bestand gewährt vollen Aufschluss Stuart Ant. III c. 2 pl. 1. 2 = Altert. II 363, Lief. VI Taf. 3. XXVIII Taf. 4; doch haben erst die wiederholten Ausgrabungen von Penrose und der archäologischen Gesellschaft über viele wichtige Punkte Aufklärung geschafft, die Fundamente des pisistratischen Tempels blossgelegt, Stücke seines Baus aus Kalkstein (namentlich Säulentrommeln) aufgefunden, ferner constatiert, [189] dass der Bau des Antiochos ein Oktastylos war (vgl. Vitruv. III 2, 8), dass von ihm die jetzigen Säulen stammen, dass der Tempelbezirk erst von Hadrian so ausgedehnt wurde u. s. w. Vgl. Rhusopulos in Ἀρχ. ἐφημ. 1862, 30ff. mit Taf. 10 (über das sog. Propylon). Krüger Arch. Anz. 1862, 295. Bevier Papers of the American school of Athens I (1885) 183. Penrose Journ. Hell. Stud. VIII 272. Berliner philol. Wochenschr. 1887, 2359. Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1886, 14. 1888 Taf. 1. 1897, 14. 1898, 62. Classic. Rev. 1898, 472; Grundriss bei Penrose Principles of Athen. archit.² (1888) Taf. 40; eine Skizze, die die Ergebnisse der Ausgrabungen bis 1890 zeichnet, von Dörpfeld bei Curtius Stadtg. 268. Eine genaue Publication aller neuen und neuesten Funde bleibt zu wünschen. Wir sehen jetzt u. a. auch, dass der Zugang zum Peribolos auf der Nordseite durch zwei viersäulige Prostyla erfolgte, von denen das östliche genau in der Verlängerungslinie der Ostfront des Tempels liegend aufgedeckt ist, während auf das zweite, das entsprechend in der Verlängerungslinie der Westfront gelegen haben muss, das eben erwähnte ‚Thor des Hadrian‘ gewendet ist, dass dagegen das weiter westlich liegende sog. Propylon gar kein Thorgebäude, wie man glaubte, sondern eine Exedra ist (Dörpfeld Athen. Mitt. XI 331).

Südlich des Tempelbezirks, dicht bei dessen Südostecke haben noch oberhalb der Kallirrhoe Ausgrabungen der archäologische Gesellschaft die Grundmauern eines Tempels aus römischer Zeit, der dann in eine christliche Kirche verwandelt war, blossgelegt, s. Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1893, 130 und Taf. 1. Einer bestimmten Gottheit lässt er sich leider nicht zuweisen; ob er im Zusammenhang mit der Anlage des grossen Peribolos des Olympieions entstand? Südwestlich des Olympieions, aber ein Stück weiter ab, schon ausserhalb der Stadtmauer und unterhalb der Kallirrhoe (200 Schritte westlich der modernen Ilisosbrücke, die nach dem griech. Friedhof hinüberführt) ist die Kranzplatte des Altars gefunden, den Hippias Sohn, Peisistratos, nach Thuc. V 54 im Pythion geweiht hatte, mit derselben Inschrift, die Thukydides anführt = CIA IV 1 p. 41 nr. 373e. Dies mit andern hier in der Nähe gefundenen Weihinschriften an Apollon (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1873, 25) sichern die Lage des Pythions in dieser Gegend (s. Curtius Herm. XII 492 mit Karte = Ges. Abh. I 451).

In dem ganzen Gebiet, das sich nördlich des Olympieions bis zum Ilisos erstreckt, sind zu verschiedenen Zeiten immer wieder ausgedehnte Palast-, Villen- und Thermenanlagen, insbesondere Mosaikfussböden und Hypokausten, aufgedeckt worden, die alle der ‚Hadriansstadt‘ angehörten. Nördlich und nordwestlich der Nordwestecke des Olympieions zeigten sich bei den Ausgrabungen des J. 1888 Reste einer ausgedehnten Badeanlage (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1888, 15 mit Plan) und noch grössere Thermen 1872 nordöstlich beim neuen Ausstellungsgebäude (Arch. Anz. 1873, 114. Rev. arch. XXVI 1873, 2. Sem., S. 50 mit Plan); in der Nähe an der neuangelegten λεωφόρος Ὄλγας die eines Palastes 1889 (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1889, 9 [mit einem Plan Kaweraus]). Schon früher sind mannigfaltige Reste bei der Anlage des königlichen [190] Schlossgartens oder in seiner Nähe zu Tage getreten, von denen man manche fälschlicherweise der Stadtmauer zuschrieb (s. Milchhoefer in Baumeister Denkm. I 178f.); vgl. Göttling Ges. Ath. II 171; besonders bedeutend sind die namentlich im Norden und im Südosten des Gartens gefundenen Mosaikfussböden einer Villa und die Reste einer Halle in der Mitte seiner südlichen Hälfte; vgl. z. B. Michaelis Arch. Anz. 1861, 179; Bull. d. Inst. 1846, 178. Bötticher Unters. auf d. Akrop. 4. Über Bäder in seiner Nähe Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1873/4, 33. 37. Sehr ausgedehnt sind auch die Reste unterhalb des Gartens der russischen Kirche, bei den Ausgrabungen des Archimandriten 1852/6 aufgedeckt (s. Ἐφημ. ἀρχ. 1449f. mit Plan). Auch in der Gegend jenseits des Ilisos finden sich Reste römischer Villen und Thermen; sowohl nördlich des Stadions z. B. beim Hagios Petros Stauromenos (vgl. Stuart Altert. I 80 d. Ausg.), als dicht nördlich bei der Kallirrhoe auf der jetzt gebildeten Insel, als auch südlich der Kallirrhoe z. B. beim H. Panteleimon (Reste römischer Wohnhäuser sind auch sonst gelegentlich aufgedeckt, ausser an dem Westabhang der Burg und des Areopags z. B. 1835 beim Bau des Militärhospitals, s. Ross Arch. Aufs. I 103).

11. Flussbett und Lauf des Ilisos selbst ist gleichfalls infolge der Anlage des hadrianischen Tempelbezirkes verändert worden; bis dahin ging er weiter nach Westen, indem er durch die südöstliche Ecke des späteren τέμενος floss; das haben die Ausgrabungen von Skias in dieser Gegend gelehrt (s. Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1893, 111ff. mit Plan); durch eine besondere Anlage (Φ auf dem Plane) wurde damals das Wasser in das rechte jetzige Bett geleitet (das linke ist überhaupt vollständig neu und damit die ganze Ilisosinsel). Bei der Felsbarre, die sich hier (gegenwärtig im Flussbett) findet, lag die Quelle Kallirrhoe; hier war durch das ganze Mittelalter hindurch bis in neuere Zeiten eine ungewöhnliche Wassermenge vorhanden, das vor und aus dem Felsen (durch Stollen) hervorquoll; zwei künstliche Bassins fassten es zusammen, und durch zweckmässige Vorkehrungen war dafür gesorgt, dass der Ilisos die Quelle nicht überflutete, s. Ber. der sächs. Ges. d. W. 1887, 393f. Aufnahme der Kallirrhoe mit Umgebung im Atlas v. Ath. Bl. 10, Terrainskizze des Architekten Herzog (1890) Curtius Stadtg. 87. Von dem Bau des Peisistratos, der nach der Überlieferung (s. u.) die Quelle in einen neunröhrigen Brunnen verwandelte, ist bei den Ausgrabungen nichts mehr zum Vorschein gekommen; vielleicht war er bei der Errichtung des Pavillons für die fränkischen Herzöge an dieser Stelle abgebrochen worden.

12. Auf der andern Seite des Ilisos 100 Schritte oberhalb der Kallirrhoe, da wo auf der Kaupertschen Karte Felsstufen unter Nr. 8 vermerkt sind, konnten Stuart und Revett (Altert. I K. II mit Tafeln; Lief. I 7f. d. A.) noch einen kleinen ionischen Tempel (Amphiprostylos von 4 Säulen) aufnehmen und abbilden, der in eine christliche Kirche der Panagia ᾿στὴν πέτραν verwandelt war und 1780 ganz abgebrochen wurde. Jetzt hat Skias (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1897, 73ff., mit Plan) die Fundamente wieder aufgedeckt, nach denen der allgemeine Grundriss wieder hergestellt werden [191] kann. Dörpfeld Athen. Mitt. XXII 228 hält ihn für den Tempel der Artemis Agrotera; da die kleinen Mysterien in Agrai, d. h. eben in dieser Gegend gefeiert wurden, ist es mindestens ebenso gut möglich (wenn man auch auf Pausanias Beschreibung gar keine Rücksicht nimmt), hier die μυστικαὶ ὄχθαι des Ilisos zu sehen, von denen Himerios ecl. X 16 spricht, und in dem Tempel den der Demeter und Persephone zu erkennen (mit Lolling Hdb. d. A.-W. III 326, 1 und Svoronos Ἐφημ. τ. νομισμ. ἀρχαιολ. IV 243ff., freilich ohne des letzteren Begründungen und Folgerungen zu billigen). Auf dem nördlichen und westlichen Abhang dieses ‚Windmühlenhügels‘ finden sich zahlreiche Votivnischen in den Felsen eingearbeitet, meist paarweise, was auch auf die eleusinischen Göttinnen weist (s. Milchhoefer 188).

Geht man auf dem andern Ufer des Ilisos stromaufwärts, so trifft man auf eine Hügelgruppe, in deren Mitte eine über 200 m. lange, nach dem Ilisos sich öffnende Thalmulde einschneidet. Diese Mulde liess Lykurgos ebnen und am oberen Ende abmauern, die umgebenden Böschungen zur Herrichtung des Zuschauerraums bald aufschütten, bald abtragen, und so das panathenaeische Stadion herstellen, das dann Herodes Attikos mit Marmorsitzen und sonst prachtvoll ausstattete. Den früheren halbverschütteten Zustand der Anlage zeigt Stuart Ant. III c. 6 mit 2 Tafeln, Lief. XIII Taf. 2. 3 d. A.; erst 1869 wurde der Platz auf Kosten des griechischen Königs von Ziller ausgegraben, der über die Ergebnisse in Ztschr. f. Bauwesen XX 488ff. (mit 4 Taf.) Bericht erstattete (Sep.-Abdr. Ziller Ausgr. im Panath. Stad. 1870), vgl. auch Arch. Anz. 1869 XXVII 117. 131 und Lampros Tὸ Παναθηναικὸν στάδιον 1870; der Zillersche Grundriss ist auch in dem Atlas von Athen S. 13 wiederholt. Als man 1896 den Platz für die internationalen Ὀλυμπιακοὶ ἀγῶνες herrichtete und nach Schluss der Spiele die Aufräumungen noch fortsetzte, fand man in der Höhe der 26. Stufe noch ein Teil des διάζωμα wohl erhalten und machte auch sonst noch für die Einrichtung des Stadions wie des Zuschauerraums wichtige Entdeckungen, vgl. Politis Tὸ Παναθηναικὸν στάδιον 1897 (Sep.-Abz. aus den Ὀλυμπιακοὶ ἀγῶνες Teil II gr. u. franz.; auch in deutscher Übers. von Deffner erschienen); auch Athen. Mitt. XX 374. XXI 109.

Auf dem links gelegenen Stadionhügel sieht man eine künstlich geebnete Terrasse mit Resten einer grösseren Anlage, wohl des von Herodes gegründeten Tempels der Tyche (und zwar der Τύχη τῆς πόλεως, Athen. Mitt. IX 95); auf dem rechten liegen gleichfalls künstlich geebnete Terrassen und aus gleicher Zeit stammende, aber unbestimmbare Baureste, die seit 1862 fast vollständig verschwunden sind. Eine unmittelbar zu dem Stadion über den Ilisos hinüberführende Brücke liess gleichfalls Herodes anlegen; von ihr standen bis 1778 noch drei Bögen, die Stuart Alt. II 457; Lief. XIII Taf. 2. 3 aufnahm; auch in neuerer Zeit waren noch Reste der Grundbauten vorhanden, jetzt sind sie unter dem Neubau der Brücke ganz verschwunden.

13. Das sind die grösseren Monumente, von denen noch bedeutende Überreste und in einigem [192] Zusammenhang unter einander erhalten sind. Von dem, was sonst noch auf uns gekommen oder bisher aufgefunden ist, greife ich nur einiges wenige noch heraus, das aus dem einen oder dem andern Grunde Interesse erregt hat. So steht in dem nördlichsten Teile der Stadt, in der Nähe einer Öffnung der nördlichen Stadtmauer (von Curtius-Kaupert Atlas Bl. II als ‚Stadtpforte‘ bezeichnet) eine römische glatte Säule aus Cipollino mit korinthischem Capitäl vermauert in die Capelle des H. Ioannis Kolonas (Mommsen Athen. Christ. 144 nr. 173), jetzt als wunderthätig betrachtet (Stuart Alt. II 484 d. A.); sie trug ursprünglich wohl eine Bildsäule; die vermeintliche Überlieferung (Ἐφημ. ἀρχ. nr. 34 p. 945 Anm.), einst hätten neben ihr noch mehrere andere Säulen gestanden, ist teils Confusion mit dem Ioannis σταὶς κολόναις im Olympieion (Mommsen 54), teils Schwindel. Ebenso steht auch jetzt noch eine einzelne Säule im äussersten Süden der Stadt, die bereits Stuart und Revett (II 455 d. Üb.) in ihren Plan aufnahmen (auch in den verschiedenen Plänen von Curtius-Kaupert angegeben); ihre ursprüngliche Verwendung ist aber auch durch zweimalige kleine Ausgrabungen nicht sichergestellt. Nach der ersten von Consul Fauvel (s. Hawkins Topogr. of Ath. in Walpole Mem. rel. to Turkey I 477) steht sie in gleicher Linie mit ein paar andern Säulen, und so sind auf Fauvels Plan bei Olivier Voyage d. l’empire Ottoman, livr. 3, pl. 49 (danach Walpole 480) ‚restes d’un portique‘ angegeben. Nach Stracks Aufräumungen, über die Rhusopulos Ἐφημ. ἀρχ. 1862, 149 berichtet, scheint es zweifelhaft, ob das Ganze nicht erst in fränkischer Zeit aus griechischen und römischen Werkstätten hergestellt ist.

Leider fehlen noch die in Aussicht gestellten (Ann. of Brit. school III 90. 233) Berichte von Cecil Smith (mit Plänen Clarks) über die Ausgrabungen der englischen Schule, die 1895/7 in der bisher noch ganz vernachlässigten südlichen Vorstadt und zwar südlich des Ilisos, genauer östlich der Kirche H. Panteleimon (auf den deutschen Karten fälschlich als H. Marina bezeichnet) stattfanden. Dörpfeld (Athen. Mitt. XXI 464) ist geneigt, hier auf der Ostseite des antiken nach Sunion führenden Weges gefundene Reste eines grossen römischen Gebäudes für das Gymnasium des Hadrian zu halten (an sich sehr wohl möglich, da von dessen Lage sonst gar nichts bekannt ist) und in den Resten eines griechischen Gebäudes, über die später römische Thermen errichtet sind, das Gymnasion des Kynosarges (s. Athen. Mitt. XX 507) zu vermuten (worüber ein Urteil zur Zeit unmöglich; die Engländer Journ. Hell. Stud. XVII 175; Ann. Brit. school III 89 sind überzeugt).

14. Noch bemerke ich, dass über die Wasserleitungen Athens Ziller eine instructive Untersuchung veröffentlicht hat (Athen. Mitt. II 107 mit Taf. 6–9). Von ihnen hat sich die S. 113ff. besprochene, vom Dionysostheater her kommende ‚Wasserleitung am Fusse der Pnyx‘ durch die Ausgrabungen Dörpfelds am Westabhang des Burghügels als eine gewaltige unterirdische Felsleitung aus peisistratischer Zeit herausgestellt; der Lauf ist Antike Denkm. II Taf. 38 dargestellt [193] und ebd. Heft 4 S. 2 sind die Hauptergebnisse ihrer Untersuchung kurz beschrieben; vgl. ausserdem noch Athen. Mitt. XVII 441. XIX 505. XXII 476. Hervorzuheben wäre, dass neben derselben eine noch ältere Leitung (auf der Karte farblos angegeben) herging. Genauere Beschreibung der interessanten Details hat Dörpfeld versprochen.

Für die Zeit der Nachblüte Athens und insbesondere für die Hadrianstadt ist der von Hadrian begonnene, von Antonin vollendete, nach römischer Weise auf hohen Bögen geführte Aquaeduct von grösster Bedeutung geworden. Von ihm hat Cyriacus Anconitanus (s. Zeichenbuch des Giuliano di San Gallo Bl. 28 Rückseite [vgl. Athen. Mitt. XIV 220] und die Copie bei Laborde Athènes I 32) noch das Mittelportal und die Epistylia des Durchgangs rechts (mit der Inschr. CIL III 549) am Südwestfuss des Lykabettos gesehen und gezeichnet. Schon Stuart und Revett (Ant. III c. 4 pl. 2ff.; Alt. II 425 und Lief. XI Taf. 7–10) fanden diesen Rest in zerstörtem Zustand, und 1778 wurde er ganz bis auf ein Stück des Architravs (über das vgl. Arch. Anz. 1861, 179) abgebrochen. Dieser Bau stand bei dem noch jetzt erhaltenen Reservoir, in das die in den Fels gehauene, an den Luftschachten kenntliche Leitung mündete. Von dem Reservoir lief der Aquaeduct in die Hadrianstadt direct auf das Olympieion zu; auch diese Reste verschwanden 1778, aber sie sind noch an drei verschiedenen Stellen in Stücken von 5, 2½ und 3 Bögen auf dem Plan der Kapuziner (Taf. XXXIX bei Omont) verzeichnet. Über andere Wasserleitungen am Lykabettos vgl. noch Karten von Attika II 19. 35.

15. Zum Schluss stelle ich noch fest, was von den Stadtmauern und Stadtthoren sich erhalten hat, und füge dem gleich ein paar Worte über die Gräber hinzu, die ja nach athenischer Sitte (s. o.) immer vor den Thoren und dort besonders gern an den Hauptstrassen angelegt wurden.

Die Reste der Stadtmauern wurden (nach den ortskundigen Bemerkungen von Ross Theseion IXff.) zum erstenmale gründlich von Major v. Strantz aufgenommen, danach von Curtius Att. Stud. I 61ff. beschrieben und in den ‚Sieben Karten z. Top. von Ath.‘ Bl. III genau verzeichnet. Wesentliche Rectificationen und Erweiterung brachte nach neuen Aufnahmen die Karte von Kaupert Atlas von Athen (1878) Bl. I. Doch ist auch seitdem manches wichtige Stück hinzugekommen.

Nach allen Seiten aufklärend haben gewirkt die ergebnisreichen Ausgrabungen der archäologischen Gesellschaft an der tiefsten Stelle des Stadtterrains bei der Capelle der H. Triada, an die sich allmählich ein ganzer Complex von Ausgrabungen angeknüpft hat. Nachdem man zuerst 1861 bei der Anlage der neuen Piraeusstrasse südlich vom Hügel der H. Triada auf Spuren einer unterirdischen Nekropole gestossen war, dann 1863 beim Sandgraben weitere Reste gefunden (Salinas Monum. sepulcr. in Athene 1863), wurden 1870 die systematischen Ausgrabungen begonnen, die einen ganzen, in der Zeit nach den Perserkriegen entstandenen Friedhof (s. Köhler Herm. XXIII 474) blosslegten (bester Bericht von Rhusopulos Ἐφημ. τῶν Φιλομαθῶν 1870, [194] N. 736ff.). Von diesem Friedhof westlich des Dipylons gab zusammenhängende Beschreibung Carl Curtius Archäol. Ztg. XXIX 18ff. mit Taf. 42 (Plan). 43. 44; ein Panorama Atlas von Athen Bl. IV. Vgl. auch Delbrück Athen. Mitt. XXV 292ff.

Dann setzte eine neue Periode mit der Aufdeckung des antiken Doppelthores selbst und seiner Umgebung ein. Diese geht von 1872–1875 (genauer März 1876); Berichte in Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1872/3, 9ff. (mit Grundriss). 1873/4, 9f. (mit Situationsplan von Papadakis). 1874/5, 13ff. (mit Grundriss, namentlich der gefundenen Wohnhäuser). Dann wurde wieder 1879 bis Juni 1880 gegraben: Bericht Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1879, 7ff. (mit Plan von Mitsakis, der alle Ausgrabungsresultate bis 17. April 1880 verzeichnet); ebd. 1880, 7ff., und endlich 1889 der Platz aufgeräumt, namentlich der Erdwall mit dem Hauptgasrohr entfernt (Athen. Mitt. XIV 414). Über die Festungsbauten handelt eingehend v. Alten Athen. Mitt. III 28ff. mit Taf. III. IV; vgl. auch Adler Arch. Ztg. XXXII 157f. (mit Grundriss) und Wachsmuth St. Ath. II 200ff. 209ff.; über die dicht bei den Mauern innerhalb der Stadt und unmittelbar vor derselben gefundenen privaten Wohnhäuser vgl. Arch. Ztg. XXXIII 55. v. Alten a. a. O. 46. 48. Πρακτ. 1874/5, 18f. 1879, 11f. Abbildg. des Dipylons bei Middleton pl. 24, des Canals pl. 25 n. 34; der Stadtmauer ebd. n. 35.

Auch Gräber wurden nordöstlich des Dipylons und zwar bis ganz dicht an die Stadtmauer gefunden (Πρακτ. 1873/4, 17. 18. 1874/5, 17. Ἀθήν. I 395), namentlich sehr alte mit Gefässen des ‚geometrischen‘ Stils, so dass es nun üblich wurde von ‚Dipylonvasen‘ und ‚Dipylonstil‘ zu sprechen (vgl. Paläologos bei Rayet Ceramique Gr. 23. Ann. d. Inst. 1872, 131ff. Mon. d. Inst. XXXIX. XL).

Eine neue Ausgrabung wurde 1890 namentlich zwischen Dipylon und H. Triada und westlich derselben in einem zu der Nekropole gehörgen Terrain ausgeführt und legte Terrassen bloss mit armen und späten Gräbern (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1890, 19ff. mit Plan von Kawerau u. Gen. für das Gesamtgebiet der bisherigen Ausgrabungen am Dipylon. Athen. Mitt. XV 345). 1891 wurde nordöstlich des Dipylons, zwischen ὁδὸς Ψαρομηλίγγου, ὁδὸς βασιλέως Ἡρακλείου und Piraeusstrasse eine grosse Gräberstätte aufgedeckt. Sie gehörte, wie die zuerst nordöstlich des Dipylons gefundenen ‚Dipylongräber‘, zu dem ausgedehnten Totenfeld (Athen. Mitt. XVIII 75ff.), das lange vor den Perserkriegen bestand, aber auch noch bis in das 4. Jhdt. v. Chr. benutzt wurde; ausführlicher, verarbeitender Bericht von Brückner und Pernice Athen. Mitt. XVIII 73–191 mit Taf. VI–IX (auf Taf. VI. VII Pläne u. Grundriss). Sodann wurde 1896 – abgesehen von den Grabungen nach der Strasse zur Akademie (Πρακτ. 1896, 20. 1897, 14. Athen. Mitt. XXI 463) – wieder in der westlichen Nekropole gegraben (Πρακτ. 1896, 22ff.), wobei man Gräber aus dem Anfang des 5. Jhdts. fand, und ebenda von Dümmler ein Tumulus aus dem 4. Jhdt. geöffnet (Athen. Mitt. XXV 311). Endlich entdeckte man 1900 zufällig bei dem nordöstlichen Friedhof interessante Gräber aus dem 5. und 4. Jhdt. (Athen. Mitt. XXV 308).

[195] Was speciell die Stadtmauern anlangt, so sind beim Dipylon grosse und zum Teil in bedeutender Höhe erhaltene Stücke blossgelegt (Wachsmuth St. Athen II 190ff.); dazu trat später noch ein Stück unmittelbar nordöstlich des Dipylons (Athen. Mitt. XVIII Taf. 6, 1. XIX 529); daneben verdient noch hervorgehoben zu werden die Partie beim Südthor (s. Athen. Mitt. XVII 275 und 450) und vor allem das aus grossen Brecciaquadern (im 4. Jhdt.?) in der Stärke von etwas über 5 m. gebaute Stück der von Nordwesten nach Südosten ziehenden Strecke östlich des acharnischen Thores (Athen. Mitt. XVII 450).

Wichtiger ist es hervorzuheben, dass die Reconstruction des Mauerrings bei Curtius-Kaupert, abgesehen von kleinen Rectificationen, auf der Ostseite einer durchgreifenden Änderung bedarf. Für die Frage nach dem Zug der Stadtmauer in den nicht wenigen Teilen, die nur auf hypothetischer Reconstruction beruhen, ist entscheidend das Vorkommen von Gräbern aus der Zeit nach Themistokles, dessen Mauerring bis in die hadrianische Zeit unverändert beibehalten wurde, wenn auch im einzelnen vielfach restauriert und verstärkt. Wo sich solche Gräber finden, müssen sie also ausserhalb der alten Linie liegen. So haben neuere Funde von Gräbern zwar auch Bestätigung der Curtius-Kaupertschen Ansetzung gebracht z. B. im Norden (s. Athen. Mitt. XVI 140); namentlich aber hat sich auf der Ostseite herausgestellt, dass es für die vorhadrianische Zeit unmöglich ist, die von Curtius auf Grund einiger zum Teil zweifelhafter Trümmer gezogene Linie anzunehmen. Denn es haben sich früher (auch aus guter Zeit) nicht blos vor dem Schloss und an der Stelle des Hotel de Grande Bretagne (Wachsmuth St. Ath. I 338. Milchhoefer Text zu den Karten von Attika II 21), sondern auch in der Musenstrasse (Athen. Mitt. XIII 207. 232), der Stadionstrasse (ebd. XIV 326. XV 347), der Universitätsstrasse (ebd. XV 347), beim Syntagmaplatz (ebd. XXIII 495) und neben dem Hotel des Etrangers (ebd. XXI 246) gefunden, und dadurch ist eine Linie westlich von ihnen allen geboten, wie sie Athen. Mitt. XIII 232 und noch genauer von Heermance Americ. journ. of archeol. 1895, 473 angegeben ist (vgl. namentlich Heermance a. a. O. 468ff.). Dieser Zug der Ostmauer bleibt also in seiner jetzt so ziemlich gesicherten nördlichen Hälfte noch immer ein Stück westlich der hypothetischen Linie, die Curtius im Atlas v. Athen Bl. 2, auf den Karten von Attika I 2 und Stadtgesch. Taf. III als vorthemistokleische angenommen hat, wird sich aber in seinem südlichen Teil mit dieser hypothetischen Linie ziemlich gedeckt haben. Die Stadtmauer, die in der hadrianischen Zeit für diese Ostseite, gemäss der hier erfolgten Stadterweiterung, neuangelegt sein muss, wird dagegen – so viel in den meisten Partien auch noch zweifelhaft bleibt – im wesentlichen die gewesen sein, die sich bei Curtius angegeben findet; und wirklich traten bei den Ausgrabungen von Skias südlich des Olympieions und zwar unmittelbar südlich des neuaufgedeckten Tempels ein Stück der Stadtmauer mit Turm römischer Construction zu Tage (Πρακτ. τ. ἀρχ. ἑτ. 1893, 133f.; abgebildet Taf. 1).

Die Thore sind in der westlichen Hügelgegend [196] durch die Wege, die nur in den natürlichen Einsenkungen gehen konnten und zum Teil in den Hohlwegen mit ihren Felsbahnen noch sichtbar sind, zwar von selbst gegeben; doch sind wirkliche Reste eines Thores mit Türmen nur in der Niederung südlich des Athanasioshügels vorhanden (Curtius Att. Stud. I 66, sieben Kart. Bl. III) und traten bei den dortigen Weganlagen zur Zeit, als v. Velsen in Athen weilte, nach dessen ausdrücklichem Zeugnis ganz deutlich zu Tage (es war wohl sicher das piräische Thor).

Das Dipylon im Nordwesten, das Hauptthor Athens, ist in seiner ganzen Anlage durch die oben erwähnten Ausgrabungen mit allen seinen Einrichtungen genauer bekannt geworden (Wachsmuth St. Ath. II 212ff. Judeich Jahrb. f. Philologie 1890, 735f., s. Art. Dipylon). Die zweite Öffnung gleich südwestlich desselben ist überhaupt kein Thor, sondern nur der Durchlass für den Eridanos (s. o. S. 163).

Auch für die übrigen Thore giebt die Richtung der Hauptwege, wie sie durch die natürlichen Verhältnissen zu allen Zeiten gegeben war, einen allgemeinen Anhalt. Doch sind oder waren deutliche Reste nur von den beiden bedeutendsten Thoren im Norden und im Süden vorhanden. Der Hauptweg nach Norden führte (ungefähr in der Richtung der heutigen Aiolosstrasse) in einer beckenförmigen Niederung zu einer ‚Fläche, die nach innen und aussen einen Rand bildet‘; hier fand Stuart noch nach beiden Seiten vorspringende Mauern, die ein Stadtthor einfassten (s. Grundriss v. Athen, Antiqu. III pl. 1 = Lief. 28 T. 9); auch Fauvel giebt hier ein Thor auf seinem Plan (bei Olivieri) an, und gleich ausserhalb stiess man bei Neubauten auf zahlreiche Gräber; damit ist dies Thor gesichert, das man unbedenklich als die Ἀχαρνικὴ πύλη ansehen kann. Auf die Stelle eines Thores in der Südmauer haben zuerst 1865 einige Funde geführt (Kumanudis Παλιγγενεσία 16. Jan. 1865. CIA II 982. Pervanoglu Philol. XXV 237; Revue archéol. XXII 359); nämlich da wo der etwas weiter nördlich ziehende Teil der Mauer abgelöst wird von einem etwas weiter südlich ziehenden, die Mauer also einen Knick macht (am besten angegeben ‚Sieben Karten‘ Bl. III); diese Stelle ist zugleich besonders stark bewehrt; namentlich stehen – wie erst 1892 bei Neubauten an der hier neu angelegten ὁδὸς Bείκου sich zeigte (Pernice Athen. Mitt. XVII 275) – an dem Anfangsstück der südlichen Mauer unmittelbar neben einander zwei Türme. Es darf also mit grosser Wahrscheinlichkeit gerade an die Stelle, wo die Mauer den Knick macht, das Thor gelegt werden, nicht aber in das Anfangsstück der südlichen Mauer, wie es bei Curtius Kart. v. Ath. I T. II und Stadtgesch. T. IV, noch gar ein ganzes Stück weiter östlich, wie es im ‚Atlas von Athen‘ Bl. II geschehen ist. Ob dies Südthor freilich – wie man jetzt gewöhnlich annimmt – als das ‚itonische‘ bezeichnet werden darf, bleibt höchst zweifelhaft.

Die Gräber endlich waren wohl rings im Umkreis der Stadt ausserhalb der Mauern, insbesondere an den Strassen und mit Vorliebe an den Hauptstrassen und vor den Hauptthoren angelegt. Eine umfassende und eingehende Behandlung ‚des ebenso anziehenden wie vielversprechenden Gegenstandes‘ [197] (Herm. XXIII 476) fehlt noch immer. Hier muss ich mich begnügen, die wichtigsten Hauptpunkte zu notieren.

Die Gräber im Südwesten und beim Dipylon sind oben (S. 180. 194) schon erwähnt. Eine grosse Grabstätte fand sich dann vor dem Hauptthor im Norden, dem acharnischen, wie schon Ross (Arch. Aufs. I 13) bemerkte; denn sein ‚melitisches‘ Thor ist das ‚acharnische‘ (s. Ross Theseion 47.) Ebenso erkennen wir unmittelbar vor dem Thor im Nordosten der Stadt eine Grabstätte (hieher gehören die Gräber in der Stadionstrasse; s. Δελτ. ἀρχ. 1889, 125 mit Skizze, und beim heutigen Armenhaus; s. Πρακτ. 1873, 25. Ἐφημ. ἀρχ. II 485). Im Osten lagen an der direct östlich nach dem Hymettos (beim gegenwärtigen Schützenhaus vorbei) führenden Strasse auf beiden Seiten Gräber (Milchhoefer Kart. v. Ath. II 23). Dasselbe gilt von der an der Kallirrhoe vorbei südöstlich nach Sunion führenden Strasse, an der schon immer zahlreiche Gräber zum Vorschein kamen (Ross Reisen im Pelop. XVI und Arch. Aufs. I 16) und auch 1896 wiederum bei den dortigen Ausgrabungen der Engländer (Athen. Mitt. XXI 461), darunter auch solche mit Vasen des Dipylonstiles (an ihrem weiteren Verlauf auf den Φελλεῖς ist sogar eine der vornehmsten Nekropolen der Hauptstadt zu erkennen; s. Ross a. a. O. Conze Ann. d. Inst. 1861, 184). Und schliesslich wurde 1897 ein ganzer grosser Friedhof südwestlich von Athen aufgedeckt, der aus dem Ende des 5. und Anfang des 4. Jhdts. stammt; er liegt am Ilisos an der Stelle‚ wo die mittlere lange Mauer den Fluss kreuzte, westlich von dem Ausläufer des Museions, an dessen Südabhang ein grosses Felsgrab eingeschnitten ist; s. Athen. Mitt. XXV 453. Wochenschr. f. kl. Phil. 1900, 1413. Deutsche Litt.-Zeit. 1900, 3331.

16. Ich schliesse den Überblick über die Monumente Athens mit einer allgemeinen methodologischen Betrachtung, die, so selbstverständlich sie ist, sich im Bewusstein immer wieder verflüchtigt. Gewiss lehren die Denkmäler deutlich selber aus sich und durch sich, scharf analysiert und ausgelegt – vorausgesetzt, dass sie in einigermassen ausreichendem Grade und Umfang erhalten sind –‚ welcher Bestimmung sie dienten und vermögen so auch völlig isoliert neue Thatsachen in unser topographisches Wissen einzuführen. Gewiss ist es auch möglich, aus gewissen Eigentümlichkeiten der Anlage und namentlich aus den Bildwerken eines Heiligtums einen wahrscheinlichen‚ sogar sicheren Schluss auf den Gott oder Heros zu ziehen‚ dem es gehörte. Oft genug aber werden die in den Bauwerken selbst gegebenen Anhaltspunkte allein zu einem solchen Schluss nicht ausreichen und eine Verstärkung aus der schriftlichen Überlieferung – Inschriften oder litterarischen Angaben – bedürfen, sonst haben wir nur zwar unzweifelhaft ‚monumentale Thatsachen‘, aber keine topographisch verwertbaren. Z. B. ist die Existenz des dorischen Hexastylos am westlichen Eingang der Stadt eine monumentale Thatsache; da aber die Sprache seiner nur teilweise und schlecht erhaltenen Bildwerke bisher recht zweideutig redet, kann – wenn überhaupt – allein aus der topographischen Überlieferung erschlossen werden, dass [198] der hier erhaltene Tempel das Theseion oder Hephaisteion oder welches Gottes immer für Athen in dieser Gegend bezeugtes Heiligtum sei. Immer aber beruht der Schluss, dass eine erhaltene Anlage oder Gründung gerade eine bestimmte durch die sonstige Überlieferung bekannte und so deren örtliche Fixierung gewonnen sei (und darauf kommt es bei der Arbeit der eigentlichen Topographie in erster Linie doch an), auf einer Combination und diese Combination muss dasselbe leisten, was wir sonst von wissenschaftlicher Verknüpfung von Einzelheiten verlangen‚ nämlich dass sie diese überzeugend und ohne Vergewaltigung verbinde, wobei natürlich der Grad der Zuverlässigkeit der einzelnen Zeugen sorgfältig abgewogen werden muss.

Z. B. Dörpfelds Ausgrabungen am Westabhang der Burg haben unzweifelhaft einen antiken Brunnenplatz blossgelegt; das ist eine monumentale Thatsache; dass aber dieser Brunnenplatz die Kallirrhoe-Enneakrunos des Peisistratos sei, kann – da kein inschriftliches oder bildliches Denkmal gefunden ist, das auf die Kallirhoe hinwiese, geschweige denn sie bezeugte – nur durch eine Combination erschlossen werden, die eben mit den glaubwürdigen Zeugnissen der Überlieferung übereinkommen muss. Also selbst wo Monumente da sind, können die Topographen der schriftlichen Zeugnisse zumeist nicht entbehren.

B. Wert der Inschriften für die Topographie. Unter den schriftlichen Zeugen nehmen die erste Stelle die Inschriften ein. Unmittelbar und bedingungslos massgebend sind sie, wenn sie sich an der Anlage selbst, namentlich auf dem Architrav des Gebäudes oder an der Kranzplatte des Altars u. s. w. als Dedicationsinschrift befinden, mag es nun sein, dass sie an einem sonst gar nicht erwähnten Gebäude stehen, wie CIA III 63 an dem Tempel der Roma und des Augustus auf der Burg, oder CIL III 549 an der Wasserleitung des Hadrian und Antonin, oder CIA IV 2 p. 348 nr. 1161 b an dem Altar der Aphrodite, oder CIA III 575 auf der grossen Basis des Agrippa vor den Propylaeen; oder sei es, dass sie wie CIA II 1107 an der Attalosstoa, oder CIA IV 1 p. 46 nr. 373 e an dem Altar des Pythions, oder CIA I 335 auf der Basis der Athena Hygieia an einem auch litterarisch erwähnten Denkmal angebracht sind. Dasselbe gilt von allen Inschriften auf Grabmonumenten, die noch an Ort und Stelle stehen, z. B. an dem mächtigen Philopappeion (CIL III 552. CIA III 557). Aus dem nämlichen Grunde sind überaus wertvoll alle Felsinschriften, mögen sie sich auf Heiligtümer oder heilige Stiftungen beziehen wie CIA I 503 auf das Nymphenheiligtum (am Nymphenhügel) und CIA III 166 auf der Agalma der Ge Karpophoros auf der Burg (Herm. IV 381), oder sonstige Angaben enthalten, wie CIA II 1077 über die Länge des περίπατος, der auf halber Höhe um die Burg lief. In ähnlichem Sinne beanspruchen besondere Beachtung alle Grenzsteine, die sich noch in situ befinden; z. B. verdanken wir den zwei Grenzsteinen mit der Aufschrift ὅρος λέσχης (CIA IV 2 p. 244 nr. 1074 c), dass wir in dem bei ihnen blossgelegten Gebäude aus dem 4. Jhdt. eine Lesche erkennen können (Athen. Mitt. XVII 91); nach anderer Seite ist hochwichtig die Inschrift [199] ὅρος Kεραμεικοῦ beim Dipylon (CIA II 1101) und die ὅρος τῆς ὁδοῦ τῆς Ἐλευσινάδε (CIA I 505 a) u. s. w.

Auch die Inschriften, auf denen bestimmte Anlagen oder Plätze als Ort ihrer Aufstellung ausdrücklich angegeben werden oder mit Bestimmtheit zu erschliessen sind, würden höchste Bedeutung beanspruchen, wenn feststünde, dass sie sich wirklich noch an Ort und Stelle befinden. Bei einem Ort wie Athen, der im Laufe der Jahrhunderte so mannigfache Zerstörung und Umwandlung durchgemacht und in dem bei den verschiedenen Neubauten die zahlreichen Inschriftsteine immer das bequemste Baumaterial boten, kann das leider nur in verhältnismässig seltenen Fällen nachgewiesen werden. Zumeist ist vielmehr mit der durch zahllose Beispiele bestätigten Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass sie verschleppt sind und eine einzelne Inschrift der Art lässt eine topographische Folgerung überhaupt nicht zu. Dagegen hat die Fundstatistik, die Milchhoefer in Wochenschr. f. kl. Philol. 1890, 221 zusammenstellte – und sie kann jetzt bereits durch weitere Belege bestätigt werden, z. B. die Chariten- und Demosinschriften (s. Δελτ. ἀρχ. 1891, 26) – ergeben, dass gleichmässige Verschleppung einer grösseren Zahl von Steinen nach einem und demselben weit entfernten Orte kaum vorkommt. Wenn also Steine, die nach den in ihnen erhaltenen Angaben sämmtlich auf eine bestimmte Anlage als Ort der Aufstellung weisen, in einer bestimmten, eng umschriebenen Gegend gefunden wurden, kann man mit ziemlicher Zuversicht glauben, dass die betreffende antike Gründung nicht allzu fern von dem Fundort gelegen hat. So mag man die ungefähre Lage des Diogeneion-Gymnasions aus der Fülle von Ephebeninschriften, die zum Bau der fränkischen (sog. valerianischen) Mauer in der Nähe von H. Dimitrios Katiphoris verbaut waren, nicht ohne Wahrscheinlichkeit in jener Gegend vermuten (Milchhoefer 174); oder darin, dass mehrere Inschriften mit Weihungen an Aphrodite Pandemos (Bull. hell. XIII 159. Δελτ. ἀρχ. 1889, p. 122 = CIA IV 1 p. 185 n) in eine Mauer südlich des Beuléschen Thores vermauert gefunden wurden, eine Bestätigung der Lage ihres Heiligtums an dem Südwestabhang der Burg (Paus. I 22, 3) erblicken. Doch bedarf es bei solchen Annahmen stets der äussersten Vorsicht.

C. Wegführung durch die antike periegetische Litteratur. Es hat im Altertum an gelehrten Arbeiten nicht gefehlt, die sich ungefähr dasselbe Ziel setzten wie die moderne Topographie Athens, d. h. die Stadt mit allen ihren Sehenswürdigkeiten zu beschreiben. Die Blüte der antiquarischen Periegese in dem 2. Jhdt. v. Chr., vor allem repräsentiert durch Polemon aus Ilion und Heliodoros von Athen, hat gerade in der Beschreibung Athens das Höchste geleistet. Von Polemon, der seine umfassende Gelehrsamkeit der Periegese fast der ganzen hellenischen Welt zuwandte, ist freilich direct bezeugt nur eine vier Bücher starke Monographie über die athenische Burg und eine Specialarbeit über die heilige Strasse von Athen nach Eleusis; aber eine vollständige Stadtbeschreibung (und zwar in topographischer Reihenfolge, s. Bencker Anteil der Periegese an der Kunstschriftstellerei 1890, 12; [200] Jahrb. f. Philol. 1890, 371) wird auch er kaum unterlassen haben. Doch ist von seinen athenischen Angaben sehr wenig erhalten und deren Benutzung durch Pausanias – die einst als Dogma proclamiert wurde – gänzlich unbeweisbar (s. Gurlitt Pausanias 270ff.). Dagegen erscheint auch uns noch nach den glücklich von Keil (Herm. XXX 199ff.) aufgespürten Beweisen umfassender Benutzung bei den Späteren (in den Rednerviten durch Caecilius und in Plinius Naturgeschichte) Heliodoros aus Athen, der nach Polemon lebte, als der eigentliche Classiker der athenischen Topographie; er hatte ein allgemeines Werk über Athen in 15 Büchern geschrieben, in dem er zwar nicht nach örtlicher Reihenfolge, stets aber mit genauer Angabe des Standorts alle Denkmäler (mit Einschluss der bereits zerstörten und unter Angabe ihres gegenwärtigen Zustandes und ihrer Schicksale) ausführlich beschrieb und zu ihrer Erläuterung eine Fülle von Erudition, namentlich sehr viel urkundliches Material beibrachte. Die Reste seiner Schriftstellerei gehören zu dem Wertvollsten, was wir für athenische Topographie besitzen; nur sind sie im ganzen doch immer noch recht spärlich. Noch weniger lohnt es, auf die andern Periegeten Athens einzugehen, deren Namen aus der Litteratur bekannt. Der einzige, der uns die ganze Reihe ersetzen und vertreten muss, ist Pausanias.

1. Das erste Buch seiner Περιήγησις Ἑλλάδος[WS 10], vor 165 n. Chr. geschrieben (vgl. Heberdey Arch.-epigr. Mitt. XIII), behandelt gleich als erste die schwerste Aufgabe, die Beschreibung der Stadt Athen (2, 1–29, 1) und ist so am wenigsten gelungen; das Ungeschick zeigt sich namentlich in dem Einfügen der Episoden und Excurse; auch werden Nachträge gelegentlich in den übrigen Büchern angebracht. Das ganze sollte eine ἐξήγησις, ein Reisehandbuch sein für Gebildete, die für die griechische Cultur sich interessierten, und ist daher einerseits mit historisch-geographischen, kunstgeschichtlichen, mythologischen, religionsgeschichtlichen Erläuterungen ausgestattet, wahrt aber andererseits die topographische Anordnung durchaus. Die eigentliche Beschreibung der Sehenswürdigkeiten (θεωρήματα) der Stadt ist – wie auch in den übrigen Büchern – zwar gestützt auf Autopsie, aber durchsetzt mit Entlehnungen aus der älteren periegetischen Litteratur (wenn auch bestimmte Autoren nicht mehr mit Sicherheit zu erkennen sind, oder doch nur für Einzelheiten), wobei eine gewissenhafte Unterscheidung zwischen dem Selbstgesehenen und dem anderswoher Übernommenen unterlassen wurde. So wird nach der früheren extremen Ansicht, die ausschliesslich Darstellung des an Ort und Stelle Selbstgeschauten und Selbstgehörten (von den Fremdenführern) annahm und nach der entgegengesetzten, in dem Buch von Kalkmann (Paus. der Perieget 1886) gipfelnden Übertreibung, die das ganze Reisecostum für sophistischen Schwindel erklärte und nur Wiedergabe einer oder mehrerer litterarischen Vorlagen sehen wollte, jetzt wohl in Übereinstimmung mit Gurlitt (Über Pausanias 1890) der Sachverhalt allgemein anerkannt. Die Controlle, die die Ausgrabungen für die Agora in Megalopolis (Gardner, Loring etc. Excavat. at Megalopolis 1892 = Suppl. papers of the soc. [201] f. Hell. stud. I) und für Delphi gewähren, haben diese Anschauung neu bekräftigt. Namentlich unterliegt es keinem Zweifel, dass die Periegese von Delphi in ihren Grundzügen an Ort und Stelle angesichts der Denkmäler entstanden ist (Pomtow Wochenschr. f. kl. Philol. 1895, 40ff.).

2. Von der topographischen Anordnung sind nur auszunehmen die Excurse. Ich rede hier nicht von den vielen und zum Teil sehr grossen historischen Episoden, wie 2, 3. 3, 3 (von κεχώρηκε bis Schl.). 3, 4 (von συνέγραψαν – ἐλθοῦσαν). 4, 1–6. 5, 1 (von ὅστις an) –8, 1. 9, 1–10, 5. 11, 1 (von οὗτος ὁ Πύρρος an) –13, 9. 16, 1 (von Σελεύκῳ an) –3. 17, 3 (von Mίνως an) –6. 20, 4 (von αἰτία δὲ an) –7. 21, 1 (von λέγεται an). 23, 10 (von ἐς δὲ Φορμίωνα an). 25, 3–26, 3, noch von den mythologischen, wie 2, 6. 19, 1 (von λέγουσι an). 19, 4 (von ἐς τοῦτον an). 22, 1 (von ἔστι δὲ καὶ) –2. 24, 6. 27, 7. 28, 1 (von πολυπραγμονῶν an), oder von den gottesdienstlichen, wie 14, 1 (von τὰ δὲ ἐς αὐτὸν an) –3. 24, 4 (von τοῦ Διὸς an). 27, 3 (von αὗται an), oder den geographischen wie 21, 3 (von ταύτην τὴν Nιόβην an), oder den ethnographischen wie 21, 5 (von Σαυρομάταις an) –7. Ich rede blos von den Excursen, die athenische Stiftungen und Anlagen bei der (in der richtigen Reihenfolge gegebenen) Anführung einer verwandten Stiftung und Anlage nebenher mit erwähnen (ohne dass hier ein Schluss auf örtliche Nähe gestattet wäre); so 17, 1 καὶ γὰρ Αἰδοῦς σφίσι (Ἀθηναίοις) βωμός ἐστι καὶ Φήμης καὶ Ὁρμῆς bei Erwähnung des Altars der Eleos als Beweis der besonderen Eusebie der Athener; 17, 2 πεποίηται δέ σφισιν (Ἀθηναίοις) ὁ πόλεμος οὗτος (πρὸς Ἀμαζόνας) καὶ τῆς Ἀθηνᾶς ἐπὶ τῇ ἀσπίδι καὶ τοῦ Ὀλυμπίου Διὸς ἐπὶ τῷ βάθρῳ bei Erwähnung des Gemäldes der Amazonenschlacht im Theseion; und in den beiden grösseren Ausführungen, der über die sonstigen Bauten des Kaisers Hadrian in Athen (18, 9) bei der Schilderung des hadrianischen Olympieions und der über die athenischen Gerichtsstätten (28, 8–11) bei Erwähnung der Gerichtsstätte auf dem Areopag. Hier ist die Aufhebung topographischer Reihenfolge zum Teil direct von Pausanias selbst hervorgehoben (17, 2 und 18, 11 wo die Lage des Phreattys im Piraeus notiert ist), zum Teil ist sie anderweit beweisbar (der 17, 1 erwähnte Αἰδοῦς βωμός liegt beim Tempel der Athena Polias auf der Burg; s. Grammatiker Pausanias bei Eustath. zur Il. 1279, 39). Vgl. Wachsmuth St. Athen I 133; Jenaer Litt. Ztg. 1875, 829.

3. Ebenso bestätigt sich die topographische Reihenfolge durchaus für die einzige zusammenhängende Partie der Beschreibung Athens, wo zur Zeit eine Nachprüfung möglich ist, d. h. wo eine systematische Ausgrabung und Blosslegung erfolgt ist, für die Oberfläche, den Süd- und Nordwestabhang des Burghügels (I 20, 3–28, 4).

Pausanias, von Osten her in die Niederung südlich der Burg gelangt, beginnt mit dem beim Theater (πρὸς τῷ θεάτρῳ) gelegenen Peribolos des Dionysos und dessen beiden Tempeln, die beide (der ältere wie jüngere) südlich des Theaters jetzt bekanntlich ebenso blossgelegt sind als das Theater selbst in seiner ganzen Ausdehnung. Dann erwähnt er in der Nähe (πλησίον τοῦ τε ἱεροῦ τοῦ Διονύσου καὶ τοῦ θεάτρου 20, [202] 4) das Odeion des Perikles, das er zwar nicht Odeion nennt, aber unzweideutig in seiner Gestalt mit zeltförmigem Dach und in seiner Geschichte (Zerstörung zur Zeit Sullas und späterem Wiederaufbau [durch Ariobarzanes]) beschreibt. Von ihm sind zwar keine Reste aufgedeckt, aber die Lage gleich östlich des Theaters ist durch das Zeugnis Vitruvs V 9, 1 gesichert (Wachsmuth St. Ath. I 242. Dörpfeld Athen. Mitt. XVII 254). Hierauf folgt genauere Beschreibung des Theaters (21, 1–3), in dem er unter andern Statuen die des Menander nennt, deren Basis wieder aufgefunden ist (CIA II 1370), und erwähnt zuletzt (21, 3) die in dem Burgfelsen oberhalb des Theaters (ἐν τῇ κορυφῇ τοῦ θεάτρου) befindliche Grotte, die jetzt nach der Panagia Chrysospiliotissa benannt wird. Auf dem Weg nach dem Burgeingang (ἰόντων … ἐς τὴν ἀκρόπολιν ἀπὸ τοῦ θεάτρου 21, 4) giebt er sodann erst das noch nicht gefundene Grab des Kalos an (muss gleich westlich des Theaters und zwar hart am Fuss des Burgfelsens, von dem ihn Daidalos herabgestürzt haben soll, gelegen haben) und dann das vollständig wieder aufgedeckte Asklepieion mit der Krene (21, 4–7). Dann fährt Pausanias 22, 1 fort: μετὰ δὲ τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ ταύτῃ πρὸς τὴν ἀκρόπολιν ἰοῦσι Θέμιδος ναός ἐστι· κέχωσται δὲ πρὸ αὐτοῦ μνῆμα Ἱππολύτῳ. Da auch zu Epidauros sich im Heiligtum des Asklepios ein Heiligtum der Themis und ein Denkmal des Hippolytos befanden (Paus. II 27) und damit eine Übertragung dieser Stiftungen zusammen mit dem Cult des Asklepios gegeben ist, darf man dieselben noch in dem weiteren Bezirk des Asklepios suchen westlich des Asklepiostempels und südlich der westlichen Krene (s. o.), wo die Fundamente eines alten Tempels zum Vorschein gekommen sind, den Köhler Athen. Mitt. II 176 zuerst für Themis in Anspruch nahm. Vor dem Eingang der Burg erwähnt Pausanias 22, 3 noch, nur mit einem δὲ angeknüpft, das Heiligtum der Aphrodite Pandemos und Peitho und mit einem ἔστι δὲ καὶ das der Ge Kurotrophos und Demeter Chloe; beide werden in ihrer Lage in der Südwestecke des Burgabhangs oberhalb des Odeions des Herodes, das Pausanias damals noch nicht sehen konnte, durch die Inschriftfunde sowohl für die Pandemos (s. o.) als für die Ge Kurotrophos und Demeter Chloe (s. Δελτ. ἀρχ. 1889. 130 nr. 4. 5. Ἀθήναιον VI 147. 148) bestätigt, wenn auch die genauere Lage noch immer nicht fixiert ist (s. Athen. Mitt. XVIII 194).

Dann betritt Pausanias die Burg mit den berühmten Worten: ἐς δὲ τὴν ἀκρόπολίν ἐστιν ἔσοδος μία und beginnt nun die eigentliche Burgbeschreibung. Über deren topographische Anordnung ist bereits St. Ath. I 133ff. eingehend gehandelt worden, wie denn schon damals, d. h. vor den Aufräumungen auf der Burg über alle Hauptpunkte kein Zweifel sein konnte. Wesentlich zu ergänzen ist nur der Anfang, wo Pausanias nach dem ersten Blick auf die noch vor ihm liegenden Propylaeen der Reiterstatuen gedenkt, die er vermutungsweise doch zweifelnd auf die Söhne des Xenophon bezieht. Der für die Art des Pausanias mehrfach bezeichnende Sachverhalt ist erst 1889 aufgefunden, demzufolge die eine Reiterstatue auf der glücklich von Kawerau [203] wieder hergestellten Ante stand, die vom Unterbau des südlichen Propylaeenflügels gegen die bekannte kleine Treppe zu dem Nikeplateau vorspringt und Pausanias wunderlicher Irrtum aus der Fassung der jetzt fast ganz herstellbaren Inschrift (CIA IV 1 p. 184 nr. 418 h οἱ ἱππῆς ἀπὸ τῶν πολεμίων ἱππαρχούντων Λακεδαιμονίου Ξενοφῶντος; über das folgende Προvα vgl. Dittenberger Syll.² 15 p. 25) sich erklärt; vgl. Lolling Δελτ. ἀρχ. 1889, 181ff. (alles andere bleibe hier unerörtert). Auch die gleich folgenden Worte des Pausanias, der nach der Erwähnung des Tempels des Nike Apteros sagt: ἐντεῦθεν ἡ θάλασσά ἐστι σύνοπτος καὶ ταύτῃ ῥίψας Αἰγεὺς ἑαυτὸν … ἐτελεύτησεν und nach Erzählung der bekannten Sage schliesst καὶ οἱ παρὰ Ἀθηναίοις ἐστὶ καλούμενον ἡρῷον Αἰγέως haben eine interessante Präcision erhalten durch eine sichere Vermutung Lollings (Athen. Mitt. XI 322), der das Heroon des Aigeus am Südfuss des Felsens des Pyrgos bei dem Felsausschnitt 14 (auf der Taf. VII des Atlas von Michaelis) im Quadrat D 7 ansetzt. Ausserdem wäre noch hervorzuheben, dass östlich neben der Terrasse der Artemis Brauronia zwar die unverkennbaren Fundamente der (von Pausanias nicht erwähnten) Chalkothek (s. oben Bd. III S. 2097) blossgelegt sind, aber nicht die geringste Spur vom Tempel der Athena Ergane sich gefunden hat, so dass dessen Existenz ganz in Frage gestellt ist, wie sie denn freilich lediglich aus Pausanias vieldeutigen und noch dazu lückenhaften Worten mit grosser Kühnheit gefolgert war. Der Umgang, der auf der Südseite anhebt, über den Parthenon nach dem statuarischen Weihgeschenk des Attalos auf der Südmauer führt, dann über das Erechtheion und die benachbarten Stiftungen auf der Nordhälfte des Burgraums zurückgeht, schliesst mit den Worten χωρὶς δὲ ἢ ὅσα κατέλεξα (nämlich 14, 5. 27, 1, vielleicht auch die von andern in diesem Sinne erwähnten Propylaeen, Parthenon und das νότιον τεῖχος 22, 3) δύο μὲν Ἀθηναίοις εἰσὶ δεκάται πολεμήσασιν ἄγαλμα Ἀθηνᾶς χαλκοῦν ἀπὸ Μήδων τῶν ἐς Μαραθῶνα ἀποβάντων … καὶ ἅρμα κεῖται χαλκοῦν ἀπὸ Βοιωτῶν δεκάτη καὶ Χαλκιδέων τῶν ἐν Εὐβοίᾳ. δύο δὲ ἄλλα ἔστιν ἀναθήματα Περικλῆς … καὶ … Ἀθηνᾶς ἄγαλμα … Λημνίας. Bei diesen zuletzt genannten vier Stiftungen fehlt also jeder topographische Zusatz und tritt wie öfters bei Pausanias an Stelle der präcisen örtlichen Angabe vielmehr ein diese verdunkelnder sachlicher Übergang. Nichts berechtigt aber anzunehmen, dass die topographische Reihenfolge in solchen Fällen verlassen sei, so unbequem für uns und schriftstellerisch gesucht uns auch dies Verfahren erscheinen mag. Nun ist zudem für die bronzene Athena des Pheidias und das Siegesdenkmal des Viergespanns der Standort auf der Burg ausdrücklich bezeugt, für die erste durch Demosth. XIX 271. IX 41. Dinarch. II 24, für das zweite durch Diodor. X 24, 3. Auch lässt sich für beide auf dem Wege vom Erechtheion zu den Propylaeen, d. h. an der Stelle, wo sie unter Aufrechterhaltung der örtlichen Anordnung bei Pausanias gesucht werden müssen, sehr wohl noch jetzt in dem Felsboden ein Platz bezeichnen, der für die Aufstellung zweier grösserer Anathemata hergerichtet ist, eine quadratische Bettung [204] von 5 m. 50 × 5 m. 50 mit Porosresten und südlich davon ein rechtwinkliger Felsausschnitt von 8 m. 20 Länge und ca. 5 m. Breite; die erstere gewöhnlich für die Basis der Athena Promachos genommen (so noch 1901 von Michaelis trotz Löschckes und Lollings Einsprache), auf Middletons Plan der Akropolis mit Nr. 36 bezeichnet, der zweite gleich südwestlich davon gelegene, bei Middleton mit Nr. 35 notiert (seiner Form nach recht wohl für die Basis eines Viergespanns geeignet), beide im Grundriss nach neuen Aufnahmen genau gezeichnet in Michaelis Atlas XXXVIII 1. Noch dazu schliessen jeden Zweifel an der Lage zwischen Erechtheion und Propylaeen für die ‚Promachos‘ die bekannten Münzbilder aus (Imhoof-Blumer und Gardner Num. comm. on Pausanias pl. Z. 3–6; wiederholt bei Jahn-Michaelis Paus. arc. descr.³ p. 89 nr. 1–3). Und so ist der Standort für die Athena Promachos an dieser Stelle fast allgemein angenommen; nur für das Viergespann bezweifelt man die Richtigkeit eines analogen Schlusses; aber weshalb geschieht das? Lediglich auf Grund des vielerörterten Zeugnisses bei Herodot. V 77, durch das bestimmt man es jetzt gewöhnlich westlich vor dem Nordflügel der Propylaeen sucht. Allein das erlaubt die Sprache nicht; wenn Herodot sagt τὸ δὲ ἀριστερῆς χειρὸς ἕστηκε πρῶτον (nicht τελευταῖον) ἐσιόντι ἐς τὰ προπύλαια τὰ ἐν τῇ ἀκροπόλι, so kann das unmöglich auf das letzte Stück vor dem Eingang in die Propylaeen gehen; s. die unwiderlegten sprachlichen Ausführungen von Wachsmuth Jahrb. f. Phil. 1879, 18ff. Es wird deshalb dabei bleiben müssen, dass hier Herodot einen athenischen Berichterstatter missverstanden hat (s. Wachsmuth Rh. Mus. LVI 215, 1) und das Viergespann neben der bronzenen Athena stand, wohin noch dazu die Fundorte der beiden Basen (der älteren und der aus perikleischer Zeit) weisen.

Pausanias giebt dann noch eine (ziemlich confuse) Bemerkung über die pelasgische Burgmauer (28, 3), offenbar durch das Pelasgikon veranlasst, das er beim Herabsteigen nach dem Areopag zu passieren musste, d. h. die zwischen der Nordwestecke der Burg und dem Areopag gelegene Stätte, an der zur Zeit des Pausanias der Name haften geblieben war, wie Lucian piscator 47 und bis accus. 9 τὴν ὑπὸ τῇ ἀκροπόλει σπήλυγγα ταύτην ἀπολαβόμενος οἰκεῖ (Pan) μικρὸν ὑπὲρ τοῦ Πελασγικοῦ lehren, offenbar weil hier noch Reste des alten neunthorigen Zuganges sich erhalten hatten. Dann erwähnt er, seinen Weg genau mit den Worten καταβᾶσι δὲ οὐκ ἐς τὴν κάτω πόλιν, ἀλλ’ ὅσον ὑπὸ τὰ Προπύλαια 28, 4 angebend zuerst die Klepsydra (die in ihrer Lage nie verkannte), dann in der Nähe (πλησίον) die Grotte des Apollon (ὑπακραῖος), der dann Pan als πάρεδρος erhielt; die ganze Lage dieser Örtlichkeiten ist in allem Detail jetzt durch Kabbadias oben (S. 176) angeführte Aufräumungen, Berichte und Abbildungen bekannt geworden und bestätigt, dass von der Klepsydra zu den Apollon-Pangrotten directer Verkehr war (wie auch schon Aristoph. Lysistr. 911 erkennen liess).

Für diese Abschnitte, bei denen eine wirkliche topographische Prüfung auf Grund der Monumente selbst möglich ist, bewährt sich Pausanias [205] vollkommen, wenn wir auch sehen, dass er gar manches von dem, was vorhanden war, der Aufzeichnung nicht für wert gehalten hat, namentlich nicht das Römische (Agrippamonument, Tempel der Roma und des Augustus), aber auch nicht Eumenesstoa am Südabhang der Burg, oder die Chalkothek auf der Burg u. s. w.

Eine ähnliche Controlle lässt sich für andere Partien der Stadtbeschreibung nicht ausüben, weil hier noch keine über weitere Gebiete sich erstreckende Ausgrabungen vorgenommen sind. Aber um so mehr muss betont werden, dass in dem gesamten monumentalen und epigraphischen Material‚ das bis jetzt vorliegt‚ kein einziges Moment aufgetaucht ist‚ das eine Verletzung örtlicher Reihenfolge erwiese.

4. Nur muss man das eigenartige System der Beschreibung kennen, das Pausanias gerade so für die Landschaften wie für die Städte befolgt (Gurlitt Paus. 21ff.); beiläufig eine schriftstellerische Anordnung, die man keineswegs als getreue Wiedergabe der von ihm an Ort und Stelle unter Leitung der Fremdenführer gemachten Touren betrachten darf (Gurlitt 22), mit welcher Annahme eine Zeit lang einiger Unfug getrieben wurde.

Wie er nämlich in der Landschaft möglichst schnell zur Hauptstadt führt, wenn es mehrere Wege von derselben Seite her giebt, auf diesen verschiedenen Wegen, dann von der Hauptstadt aus die ganze Landschaft durchnimmt‚ immer im Anschluss an die von der Capitale ausgehenden Wege, also für jede neue Tour wieder bei dieser beginnt, so wird man in der Stadt erst nach dem Centrum‚ gewöhnlich dem Markt, geleitet‚ um dann von da aus die verschiedenen Routen durch die Stadt, je unter Rückkehr nach dem Centrum, zu verfolgen. Nur dass bei entwickelteren Städten, wie Athen, noch andere geeignete Kreuz- oder Knotenpunkte neben den Markt treten‚ wie insbesondere für Athen das Prytaneion.

So werden zunächst die Wege von den athenischen Häfen bis zum Stadtthor beschrieben; erst der vom Phaleron (1, 5–2, 1) bis zu dem Thore mit dem Grabmal der Amazone Antiope, d. h. zum itonischen Thor (Plat. Axioch. 364 d), das in der Nähe der olympischen Ge (Paus. I 18, 7), also beim späteren Peribolos des Olympieions lag; dann der vom Peiraieus (2, 2. 3) bis zu dem nur durch ein praxitelisches Reitergrabmal gekennzeichneten und so nicht topographisch fixierbaren Thor (die Vermutung von Wolters Athen. Mitt. XVIII 6, 1 ist zu unsicher).

Dann zerfällt die Stadtbeschreibung selbst in folgende Abschnitte:

I. Weg vom Eintrittsthor bis Markt (Kεραμεικός) 2, 4–6.

II. Marktbeschreibung erster Teil: von Stoa Basileios bis zum Aresheiligtum und zur Harmodios-Aristogeitongruppe; der Markt wird hier Kerameikos genannt (3, 1–8, 5).

III. Sog. Enneakrunosepisode‚ d. h. Odeion (8, 6), πλησίον (14, 1) die Enneakrunos, ὑπὲρ τὴν κρήνην (14, 1) zwei Tempel, der der eleusinischen Göttinnen und der mit der Triptolemosstatue und ἔτι ἀπωτέρω (14, 4) Eukleiatempel: das Ganze, über das gleich genauer zu handeln, 8, 6–14, 5.

IV. Die Partie ὑπὲρ τὸν Κεραμεικὸν καὶ στοὰν [206] τὴν καλουμένην βασίλειον, im einzelnen Hephaisteion und Aphrodite Urania (14, 6. 7).

V. Marktbeschreibung zweiter Teil (der Markt hier ἀγορά genannt): auf dem Wege Stoa Poikile (ἰοῦσι πρὸς τὴν στοὰν … Ποικίλην) Hermes Agoraios, nahe ein Marktthor (πλησίον 15, 1); dann genaue Schilderung der Poikile und ihrer Umgebung, zum Schluss (17, 1) ἄλλα ἐν τῇ ἀγορᾷ οὐκ ἐς ἅπαντας ἐπίσημα, namentlich der Altar des Eleos: das Ganze (weder als solches noch im einzelnen bestimmt localisierbar) 15, 1–17, 1.

VI. Weg vom Markt (nach Osten) bis zum Prytaneion: Ptolemaion (τῆς ἀγορᾶς ἀπέχον οὐ πολύ 17, 2), bei ihm (πρὸς τῷ γυμνασίῳ ebd.) Theseion; dann (ohne locale Bezeichnung) τὸ ἱερὸν τῶν Διοσκούρων (18, 1) und oberhalb seiner (ὑπὲρ τῶν Διοσκούρων 18,2) das Aglaurion (dessen Lage am Anstieg des Nordabhanges der Burg damit feststeht, s. Art. Aglauros o. Bd. I S. 829); endlich in der Nähe (πλησίον 18,3) das Prytaneion: das Ganze 17, 2–18, 3.

VII. Weg vom Prytaneion in die Unterstadt (ἐντεῦθεν ἰοῦσιν ἐς τὰ κάτω τῆς πόλεως 18, 4): Serapeion‚ nicht ferne (οὐ πόρρω 18‚ 4) Vertragsstätte des Peirithoos und Theseus, in der Nähe (πλησίον 18, 5) Tempel der Eileithyia: das Ganze jedenfalls in der Niederung nördlich des Burghügels, aber sonst nicht weiter localisierbar 18, 4. 5.

VIII. Geht aus von dem Olympieion mit Zubehör, Kronion, Hain der Ge Olympia mit (ἐνταῦθα) dem Erdspalt (18, 6–9); nahe dem Tempel des olympischen Zeus (μετὰ τὸν ναὸν τοῦ Διὸς πλησίον 19, 1) – d. h. wie jetzt feststeht, südwestlich desselben – wird erwähnt das Pythion, dann (ohne locale Bezeichnung) das Delphinion; und ebenso ohne alle locale Angaben die Kepoi mit dem Tempel der Aphrodite (19, 2), Heraklesheiligtum Kynosarges (19‚ 3)‚ Lykeion (19‚ 4) (angefügt hinter dem Lykeion, ὄπισθεν τοῦ Λυκείου 19‚ 5 das Nisosgrabmal)‚ Ilisos und Eridanos (19‚ 5)‚ der erstere mit der Stätte des Raubes der Oreithyia und dem Altar der Μουσῶν Ἰλισιάδων und der Stätte der Erschlagung des Kodros. Endlich jenseits des Ilisos (διαβᾶσι τὸν Ἰλισὸν 19, 7) liegt Agra mit dem Tempel der Artemis Agrotera und dem panathenaeischen Stadion (dessen westlicher Hügel so hart an den Ilisos tritt, dass eine weitere Fortsetzung der Wanderung auf diesem Ufer abgeschnitten ist, s. Milchhoefer in Denkm. 185). Das Ganze 18, 6–19, 7‚ sicher der Osten der Stadt in seinem Hauptteil, das Lykeion etwa im Nordosten (s. Wachsmuth St. Ath. I 232).

IX. Weg vom Prytaneion in der Niederung um den Ostabhang der Burg herum, die Tripodenstrasse (20, 1. 2: s. o. das über die Tripoden Ausgeführte) bis zum Theater; dann am Südabhang der Burg vom Theater bis zum Burgeingang (20, 3–22, 3).

X. Burg (22, 4–28, 3).

XI. Weg von der Burg über Pelasgikon zur nahen (πλησίον 28, 3) Apollon- und Pansgrotte; dann ohne locale Angabe Areopag, und in der Nähe (πλησίον 28, 4–6) das Heiligtum der Eumeniden (das festgelegt ist durch die tiefe Felsspalte an der nordöstlichen Wand des Areopags, das χάσμα, das als Sitz der Göttinnen galt; s. [207] Wachsmuth St. Athen I 252) mit dem Grab des Oidipus, dem am alten Hauptaufgang zur Burg gelegenen Heroon (ebd.) und endlich in der Nähe des Areopags (πλησίον τοῦ Ἀρείου πάγου 29, 1) Standort des Panathenaeenschiffes: das Ganze 28, 4–29, 1.

5. Topographische Erläuterung erheischen von diesen elf Touren zunächst noch Tour I, II u. IV.

Zu Tour I ist Folgendes zu bemerken: Aufgezählt werden gleich beim Eingang (ἐσελθόντων ἐς τὴν πόλιν) das Pompeion, in der Nähe (πλησίον) Tempel der Demeter mit Statuen des älteren Praxiteles von ihr, der Kore und dem Iakchos (die auch Clem. Alex. Protr. 4 erwähnt), nicht fern von diesem Tempel (τοῦ ναοῦ οὐ πόρρω) eine statuarische Gruppe, Poseidon im Kampfe mit dem Giganten Polybotes. Tempel und Gruppe lagen an einem freien Platz oder in einer Seitenstrasse jedenfalls folgt erst jetzt die allgemeine Bemerkung, dass die Strasse vom Thor bis zum Kerameikos (ἀπὸ τῶν πυλῶν ἐς Κεραμεικόν) auf beiden Seiten mit Säulenhallen eingefasst sei, vor denen Bronzen berühmter ‚Frauen und Männer‘ stehen; an die eine (wohl die nördliche) Säulenhalle (bei der durchweg geräumigeres Terrain in der Niederung zu Gebote stand) schliessen sich Heiligtümer und das Gymnasion des Hermes an. Dann werden ohne genauere Ortsbezeichnung der heilige Bezirk des Dionysos, in ihm das Haus des Pulytion, damals dem Dionysos geweiht, genannt und ebenda (ἐνταῦθα) eine Statuengruppe, das (oben besprochene) Weihgeschenk des Eubulides und eine in die Wand eingemauerte Maske des dionysischen Daimon Akratos. Auf diesen Dionysosbezirk (μετὰ τὸ τοῦ Διονύσου τέμενος) folgt ein gleichfalls demselben Cultuskreis angehöriges Gebäude mit Terracottenbildwerken (die gastliche Bewirtung des Dionysos und anderer Götter durch Pegasos, den mythischen Priester von Eleutherai, der den Dionysosdienst in Athen eingeführt haben sollte, darstellend). Von alledem kann örtlich nichts bestimmter fixiert werden; die Säulenstrasse selbst aber wird jetzt fast allgemein mit dem bei den Panathenaeen als Processionstrasse benutzten Dromos identificiert, der nach Himerios or. III 12 εὐθυτενής τε καὶ λεῖος καταβαίνων ἄνωθεν σχίζει τὰς ἑκατέρωθεν αὐτῷ παρατεταμένας στοάς, ἐφ’ ὧν ἀγοράζουσιν Ἀθηναῖοι. Damit wäre das Dipylon als Eingangsthor gegeben, wobei der vom Dipylon in stetiger leiser Steigung sich bis zu der Agora hinaufziehende Weg vom Standort des am Thor befindlichen Schiffes aus (nicht ohne eine gewisse Künstlichkeit) als von oben herabkommend bezeichnet wäre. Doch spricht unzweifelhaft viel für diese Identification, für die besonders eifrig B. Schmidt Die Thorfrage in der Topographie Athens 1879 eintritt‚ namentlich die Thatsache, dass das Dipylon das vornehmste Thor Athens war und von ihm aus nicht blos bestimmt eine breite Processionsstrasse, sondern auch eine Hallenstrasse auslief. Doch ist (abgesehen von manchem Einzelnen) eine feste Entscheidung erst dann möglich, wenn die Ordnung der Marktbeschreibung gesichert sein und damit das Hauptbedenken gehoben sein wird, das zu der Bevorzugung des piraeischen Thores (südlich des Athanasioshügels) als des Eingangsthores geführt hat, d. h. es sich auf naturgemässe Weise [208] erklärt, weshalb Pausanias die Marktbeschreibung in zwei Teile zerlegt hat, was bei einem Zutritt von Norden her ohne weiteren Anhalt nicht verständlich wird (St. Athen I 200). Dass aber in der That das Endziel der Strasse, der Kerameikos, nichts ist als die Agora, steht ausser Zweifel (s. Tour II).

Für Tour II ist mehreres zu erwägen. Pausanias nennt zwar beim ersten Betreten der Agora diese nicht selbst, sondern bezeichnet das Ganze als τὸ χωρίον, ὁ Κεραμεικός, er verwendet dabei den alten Namen des Demos für ein mit dem Umfang des Demos sich keineswegs deckendes Stadtquartier, das eben kein anderes ist als die Agora. Von einer ganzen Reihe von Baulichkeiten und Stiftungen, die er in dieser Tour anführt, ist anderweit ausdrücklich bezeugt, dass sie ἐν τῇ ἀγορᾷ sich befanden, so für die Tyrannenmörder durch Aristoph. Ekkles. 682. Aristot. Rhetor. I 9, 38. Lucian. Parasit. 48, für das Buleuterion durch Thucyd. VIII 92. Xen. hell. II 3, 56 (Lysias XIX 55) u. a., für das Metroon durch Aischin. I 60, für die Lykurgstatue durch Ps.-Plutarch vit. X orat. p. 852, für die des Demosthenes durch Leben des Demosthenes (Westermann Biogr. p. 308) und Suid. s. Δημοσθένης 2, für die des Konon und Timotheos durch Nepos Timoth. 9, für das Heiligtum des Apollon durch Ps.-Plut. vit. X or. p. 843 u. s. w. Diese eingeengte Bedeutung des Wortes Κεραμεικός findet sich zuerst bei Poseidonios (Athen. V 212 F); bei den Zeitgenossen des Pausanias, wie bei Arrian. anab. III 16, 8 und den späteren ist sie ganz gewöhnlich; besonders charakteristisch ist Ps.-Plutarch vit. X orat. wo in dem Decret für Lykurgos p. 852 ἐν ἀγορᾷ steht, in der Vita selbst p. 843 ἐν Κεραμεικῷ, oder Athenaios, der dieselbe Anekdote von Themistokles erzählt, das einemal XII 533 D διὰ τοῦ Κεραμεικοῦ πληθύοντος, das anderemal XIII 576 C πληθούσης ἀγορᾶς. Und dass Pausanias durchaus das Wort in dem Sinne von ἀγορά verwendet, zeigt I 20, 6, wo erzählt wird, dass Sulla die gegnerischen Athener zum Zwecke der Auslosung und Decimierung einsperrte ἐς τὸν Κεραμεικόν.

In der Tour selbst wird als πρώτη ἐν δεξιᾷ 3, 1[WS 11] die Stoa Basileios genannt; in ihrer Nähe (πλησίον τῆς στοᾶς 3, 2) stehen Konon, Timotheos, Euagoras, dann mit einem ἐνταῦθα angereiht Ζεὺς Ἐλευθέριος (wie nach Isokr. IX 57 die Statuen des Konon und Euagoras da aufgestellt wurden ὅπου τὸ τοῦ Διὸς ἄγαλμα τοῦ Σωτῆρος, πλησίον ἐκείνου καὶ σφῶν αὐτῶν) und Kaiser Hadrian; und hinter ihnen (ὄπισθεν 3, 3) schliesst sich an die Halle mit den Gemälden, die von Euphranor herrührten, dem der 12 Götter und dem des Theseus, der Demokratia und des Demos auf der jenseitigen Wand, endlich der Darstellung der Schlacht bei Mantineia (ἐνταῦθα 3, 4), d. h. die sonst στοὰ τοῦ Ἐλευθερίου Διὸς genannte Halle, die bald (Eustath. z. Odyss. α 398 S. 1425, 30) in die Nähe der Basileios gesetzt, bald (Harpocr. s. βασίλειος στοά) als ihr parallell laufend (στοαὶ παρ’ ἀλλήλας) bezeichnet wird. Es folgt in der Nähe (πλησίον 3, 4) der Tempel des Apollon Patroos mit den vor ihm aufgestellten Apollonstatuen; dann mit einem allgemeinen ᾠκοδόμηται δὲ καὶ 3, 5 das Metroon, in seiner Nähe (πλησίον) das Buleuterion mit seinen [209] verschiedenen Bildwerken und Gemälden und in dessen Nähe wieder (τοῦ βουλευτηρίου πλησίον 5, 1) die Tholos und endlich weiter hinauf (ἀνωτέρω) die Statuen der Eponymen. Hier haben wir es mit einer eng mit einander verbundenen Gruppe zu thun; eine περὶ τοὺς ἐπωνύμους aufgestellte Stele befindet sich zugleich πρὸ τοῦ βουλευτηρίου (Aristot. Ἀθ. πολ. 53), der Standplatz der Eponymen wird vom Schol. Aristoph. Fried. 1183 παρὰ πρυτανεῖον, d. h. neben die Tholos gesetzt; und zwar muss dieser Standplatz auf ansteigendem Terrain (ἀνωτέρω sagt Paus.) sich befunden haben: ἐν ἐπισήμῳ τόπῳ wurden nach dem Schol. Demosth. XX 94 die Gesetzvorschläge und sonstige Veröffentlichungen aufgestellt. Da nun am Metroon vorbei man nach der Pnyx strömte (Aesch. I 60, 61) und eben dort nach der Akropolis anstieg (Arrhian. anab. III 16, 8 ᾗ ἄνιμεν ἐς πόλιν καταντικρὺ μάλιστα τοῦ μητρῴου), so müssen wir uns hier auf dem bereits nach dem Burghügel und dem Areopag ansteigenden Gebiet befinden. Nun kommen in dichter Reihe μετὰ τὰς εἰκόνας τῶν ἐπωνύμων (8, 2) Amphiaraos und Eirene mit dem Plutoskind‚ ebenda (ἐνταῦθα) der Redner und Staatsmann Lykurgos und Kallias, desgleichen (ἔστι δὲ καὶ) Demosthenes (der nach Ps.-Plut. vit. X orat. p. 847 a auch πλησίον τοῦ βωμοῦ τῶν δώδεκα θεῶν stand). Nahe bei der Demosthenesstatue (πλησίον 8, 4) liegt der Arestempel mit seinen Cultbildern der Aphrodite und des Ares, auch (ἐνταῦθα καὶ) der Enyo. Bei dem Tempel (περὶ τὸν ναόν) stehen von Götterbilder Herakles, Theseus und Apollon, von menschlichen Statuen Kalades und Pindaros, endlich nicht fern (οὐ πόρρω) die Tyrannenmörder. Dabei ist noch hervorzuheben, dass diese Tyrannenmörder dem Metroon gegenüber standen (Arrhian. a. a. O.) und die Pindarstatue zugleich vor der Stoa Basileios aufgestellt war (Ps.-Aeschin. Brief 4, 3). Dieses Zeugnis eines Rhetors etwa aus dem 1. Jhdt. n. Chr. hat man teils falsch ausgelegt (s. dagegen Wachsmuth St. Ath. II 402, 4), teils auf alle Weise weginterpretieren wollen (Curtius Erl. Text 51. Milchhoefer in Baumeisters Denkm. 165 u. a.); mindestens eine Versetzung der Statue angenommen (so zuletzt wieder Weizsäcker Wochenschr. f. kl. Philol. 1901, 824). Das alles sind Verzweiflungsacte, zu denen man sich gegenüber festen monumentalen Haltpunkten herbeilassen könnte und müsste. Einstweilen wird das Zeugnis einfach aufrecht zu halten sein und das um so mehr, als bei Annahme seiner Richtigkeit Pausanias in dieser Tour einen Rundgang gemacht hat, an dessen Ende er sich wieder an seinem Ausgangspunkt befindet, der Stoa Basileios. Das ist um so wichtiger, als so Tour IV unmittelbar und streng an Tour II anschliesst.

Auch Tour IV bedarf noch einer Erläuterung. Hier werden wir zunächst auf einen Nebenmarkt geführt; denn das Hephaisteion lag nach bestimmtem Zeugnis (Bekkers An. Gr. I 316, 23, vgl. Wachsmuth St. Ath. I 180, 1. II 497, 2) auf dem Markt für Metallwaren, dem Mittelpunkt der athenischen Metallurgie. Zugleich versetzt aber Harpokration s. Κολωναίτας das Hephaisteion nebst dem Eurysakeion auf den Kolonos Agoraios. Leider besteht nur über die Lage des Kolonos Agoraios auch eine unentschiedene Controverse. [210] Die meisten halten ihn für identisch mit dem sog. Theseionhügel (z. B. Wachsmuth St. Ath. I 177); doch hat Milchhoefer Aufs. f. Curtius 343 und neuerdings Berl. philol. Wochenschr. 1900 nr. 11 ihn vielmehr östlich von der Agora ansetzen wollen. Es ist unmöglich, die Controverse, die noch compliciert wird durch die weitere, auch strittige Frage, ob der Κολωνὸς ἀγοραῖος ein Demos oder nur ein Stadtquartier war, hier genauer zu erörtern. Es mag genügen, darauf hinzuweisen, dass von dem Eurysakeion wiederum ausdrücklich bezeugt ist, dass es im Demos Melite lag (Harpocr. s. Εὐρυσάκειον) und dass die Lage des ganzen Kolonos Agoraios in dem nämlichen Demos aus dem oft behandelten Schol. Aristoph. Vög. 997 hervorgeht. Aristophanes Witz Μέτων ὃν οἶδεν Ἑλλὰς χὠ Κολωνός, der, wie wir jetzt wissen (s. Maass Aratea 13) auf das von Meton ἐν Κολωνῷ aufgestellte Heliotropion ging, wird dort von den antiken Grammatikern, die von dem wahren Sachverhalt nichts wussten, mit allen möglichen Hypothesen zu erklären versucht. Einer meint, vielleicht sei Κολωνὸς ὁ μίσθιος (das ist ein anderer Name für den Κολωνὸς ἀγοραῖος, weil hier die Dienstleute sich aufzuhalten pflegten) ἐκεῖνο ἐπάνω <ᾧ> (fügt Dobree ein) περιλαμβάνεται καὶ ἡ Πνύξ (auf der nämlich ein Anathem des Meton bekannt war); der andere widerlegt das, denn ἅπαν ἐκεῖνο (die Höhengegend mit der Pnyx) sei nach den städtischen Grenzbüchern Melite. Also ist so viel sicher, dass der Markt Kolonos mit dem Hephaisteion und Eurysakeion in der Hügelgegend lagen, die dem Gau Melite angehörte. Da es aber ein melitisches Stadtthor gab (Wachsmuth St. Ath. I 343, 1), werden wir zwingender Weise in den westlichen Teil der Stadt gewiesen. Genaueres freilich wird auch hier erst zu erreichen sein, wenn die Markttopographie einigermassen gesichert ist.

Man sieht jetzt, wie vollständig grössere Partien der Stadt bei Seite gelassen sind, z. B. die Hügelgegend südlich des Areopags, die Niederung südlich des Burghügels, die ganze Nordstadt, aber zugleich wie planmässig das Ganze angelegt war. Zunächst schliessen die Touren I‚ II‚ IV–VII durchaus sich zu einer Serie zusammen, zu einer zweiten die IX.–XI. Aber mehr noch: IX kehrt wieder zurück zu dem Ausgangspunkt von VII und XI reicht mit seinem Endpunkt heran an das Ende von Tour II; denn die Eumenidenschlucht gehört zu dem Complex chthonischer Cultstätten, deren eine, der Heudanemenaltar, nach Arrhian. anab. III 16, 8 dicht bei den ‚Tyrannenmördern‘ stand (vgl. Abh. d. sächs. Ges. d. W. XVIII 36, 1. Diels Festschr. f. Gomperz 8, 4). Mithin fügen sich auch die beiden Serien ihrerseits vollkommen an einander.

Isoliert steht aber – wie es zunächst den Anschein hat – Tour VIII da mit dem Anfangspunkt Olympieion und dem Endpunkt Stadion. Möglich wäre ja, dass die Route VII schon in die unmittelbare Nähe des Olympieions geführt hätte; doch ist das völlig unbeweisbar. Es wird vielmehr richtiger sein, anzunehmen‚ dass diese Route VIII ausgeht von dem andern Eingangsthor des Pausanias, dem itonischen Thor, das ja in der Nähe des Olympieions lag (s. o. S. 205).

[211] 6. Aber nicht blos ganz isoliert, sondern in eine eng zusammenhängende Gruppe zwischen II und IV in auffallendster Weise eingeschoben ist die Tour III, die berüchtigte Enneakrunos-episode, obwohl auch diese deutlich eine local zusammengehörige Gruppe beschreibt, also in sich die topographische Anordnung auch ihrerseits wahrt. Es fragt sich hier vor allem, in welche Gegend der Stadt führt sie?

Von den in ihr angeführten Sehenswürdigkeiten sind topographisch für uns zur Zeit unfixierbar das Odeion (verschieden von dem perikleischen Odeion, das Pausanias nicht mit diesem Namen nennt; s. o. S. 202) und der Tempel der Artemis Eukleia. Bei den eleusinischen Heiligtümern kann man entweder an das Eleusinion denken, das auf halber Höhe unterhalb der Burg (ὑπὸ τῇ πόλει CIA III 6, ὑπὸ τῇ ἀκροπόλει Clem. Alex. Protr. 13 Sylb.) lag oder an die Stätte der kleinen Mysterien in Agrai (s. Art. Agrai o. Bd. I S. 887f.). Wo das Eleusinion lag, wissen wir noch immer nicht; im Süden der Burg kann es nicht gewesen sein; bei den Ausgrabungen im Westen derselben hat es sich auch nicht gefunden, so eifrig es gesucht wurde (die neueste Hypothese, dass es die Felsanlage der Pnyx sei, wie Svoronos Ἐφημ. τ. νομισμ. ἀρχαιολ. IV 440ff. zuversichtlich hinstellt, ist ganz unhaltbar). Wo die Mysterienheiligtümer in Agra sich befanden, können wir zwar auch zunächst des Genaueren nicht sagen, aber bei der Lage von Agra am Ilisos und da Pausanias bei seiner Tour VIII jenseits des Ilisos sie nicht nennt, bleibt nur die Partie flussabwärts vom Stadion übrig. Und eben hierher weist das, was wir von der letzten bei dieser Tour von Pausanias (14, 1) erwähnten Sehenswürdigkeit, der Enneakrunos erfahren.

Dass diese Enneakrunos, bevor sie eine solche war, d. h. von Peisistratos in ein Brunnenhaus mit neun Röhrenmündungen gefasst war, den Namen Kallirrhoe trug, sagt zwar nicht Pausanias, wohl aber ein besserer Zeuge, Thukydides II 15, 5 ausdrücklich, indem er hinzufügt, dass wie vor alters, so noch jetzt ihr Wasser zu heiligen Riten, insbesondere zum Brautbad, geholt wurde. Nun aber gab es – auch darüber lässt das Zeugnis des ps.-platonischen Axiochos 364 A nicht den geringsten Zweifel – am Ilisos eine Quelle, die Kallirrhoe hiess; und auf die Gelehrsamkeit des Kallimachiers Philostephanos, der eine antiquarisch-geographische Monographie über Quellen schrieb (s. Ber. d. sächs. Ges. 1878, 392, 1) geht zurück die bestimmte Meldung in Etym. M. s. Ἐννεάκρουνος, dass diese beim Ilisos (παρὰ τὸν Ἰλισόν) gelegene Quelle Kallirrhoe eben die Enneakrunos sei, aus der das Wasser zum Brautbad geholt wurde. Endlich verlegt Tarantinos (bei Hierokles Hippiatr. Vorr.) bei Erzählung einer Wanderanekdote, die er auf das Olympieion überträgt, ausdrücklich den Zeustempel Ἐννεακρούνου πλησίον. Und wirklich bestand bei der bekannten Felsbarre im gegenwärtigen Ilisosbett an einer ungewöhnlich wasserreichen Stelle eine Quelle – auch das ist allseitig zugegeben –; und an dieser Quelle haftete der Name Kallirrhoe nicht blos bereits beim ersten Beginn antiquarischen Interesses an Hellas im Anfang des 15. Jhdts. (so beim sog. Wiener Anonymus 7 S. 735 Wachsm. [212] und in der Randnotiz einer jüngeren Hand im Glareanus des Phot. lex. s. λουτροφόρος, s. Naber Praef. 7; Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1887 S. 392, 1), sondern bereits im 11. Jhdt. bemerkt der Mönch Johannes Doxopatros, der Sikeliote, in seinen rhetorischen Homilien zu Aphthonios progymn. 12, indem er die oben angeführte Stelle des Thukydides citiert: καὶ τὰ νῦν δὲ Καλλιρρόη ὀνομάζεται (Rhetor. Gr. II 531, 31 W.). Er giebt also eine örtliche Überlieferung, die den Namen der Quelle ebenso gut wie z. B. den des Flusses Ilisos erhalten hatte.

So haben wir eine geschlossene Kette von Zeugnissen und Indicien, die zugleich mit dem bisher Gefundenen zu der Annahme zusammengehen, Pausanias gebe in der Tour III die Beschreibung einer Reihe von Sehenswürdigkeiten, die im Osten der Stadt bei der dortigen Kallirrhoe liegen, so dass nun auch die Mysterienheiligtümer, die er nennt, keine andern gewesen sein können als die in Agrai. Darnach gehört diese Tour mit der Tour VIII insofern zusammen, als sie beide sich ausserhalb der übrigen Touren (I. II. IV–VII. IX–XI) bewegen, beide im Osten, nur in zwei nach verschiedenen Partien hin gemachten Anläufen. Doch ist diese Duplicität dadurch motiviert, dass eine dircete Wanderung vom Stadion den Fluss abwärts durch das Terrain ausgeschlossen war (s. o.); auch kommt erleichternd hinzu, dass, da die Kallirrhoe nicht weit vom Olympieion lag, auch das Odeion irgendwo in der Nähe von diesem d. h. dem Ausgangspunkt der Tour III sich befunden haben muss, so dass auch hier das oben hervorgehobene Princip des Pausanias, von demselben Ausgangspunkt aus erst die eine, dann die andere Richtung zu verfolgen, noch erkenntlich wird. Und zwar wird man wohl am richtigsten die Sache so fassen, dass Pausanias nun einem andern vom itonischen Thor ausgehenden Weg folgt, der ihn über das Odeion zur Kallirrhoe und über den Fluss zu den Heiligtümern der kleinen Mysterien führt.

Unerklärlich bleibt nur das eine, dass Tour III zwischen II und IV. V, die zusammengehören, eingeschoben wird, statt sich an VIII anzuschliessen, und das um so mehr, als sie das Gepräge trägt, dass sie ursprünglich nicht vor, sondern nach der Haupttour in die Ilisosgegend geschrieben war (Wachsmuth St. Ath. I 281). Versuche dieses Rätsel zu lösen, sind zahlreich gemacht; die bis 1890 sind von Blümner im Comm. zu s. Paus. Ausg. I 166ff. zusammengestellt; seither hat sich wie bedingungslos Judeich Jahrb. f. Philol. 1890, 746, so Milchhoefer mit steigender Zuversicht für die von Lolling 311 vorgeschlagene Lösung erklärt, Berl. philol. Wochenschr. 1891, 752, namentlich 1900 nr. 12; eine neue hat vorgebracht nach Prüfung aller früheren (21–38) Malalin Zwei Streitfragen der Topogr. von Athen 38ff. Keiner dieser Versuche erreicht jedoch einen höheren Grad von Wahrscheinlichkeit, einige, z. B. der von mir selbst früher aufgestellte oder der von Malalin, auch keinen geringeren; und wird es – bis auf weiteres – das beste sein, die oben genau umschriebene Thatsache als einen eclatanten Beweis des schriftstellerischen Ungeschicks, das Pausanias ja auch sonst im ersten Buche zeigt (s. o.), anzusehen, darüber aber, was dem seine [213] Materialien noch nicht beherrschenden und von dem Eifer, seine historische und sonstige Gelehrsamkeit zu zeigen, noch ganz erfüllten Schriftsteller den Anstoss gab, gerade an einer so hervorragend unpassenden Stelle den Einschub von Tour III vorzunehmen, sich nicht den Kopf zu zerbrechen.

7. Freilich ist ja die ganze Anschauung, von der oben ausgegangen ist, die von Pausanias erwähnte Enneakrunos sei die Kallirrhoe beim Ilisos, von Dörpfeld angegriffen und an ihre Statt die Behauptung gestellt, dass die Enneakrunos des Peisistratos, deren alter Name Kallirrhoe vollständig ausser Gebrauch gekommen, verschieden von der Kallirrhoequelle am Ilisos sei; denn die richtige Auslegung von Thuc. II 15, 3ff. lehre, dass jenes Brunnenhaus des Tyrannen an dem Westabhang des Burghügels sich befinden müsse, und durch die dortigen Ausgrabungen seien Platz und Reste jenes Baues blossgelegt. Gegen beide Argumente habe ich mich (nach andern, die am gleich anz. O. 4, 1 genannt sind; gleichzeitig erschien der gleichfalls ablehnende Aufsatz von Groh Listy filologicke XVIII 1897, Januar- und Aprilheft) in zusammenhängender Darlegung gewandt ‚Neue Beitr. z. Topogr. v. Athen‘, Abh. d. sächs. Ges. d. Wiss. XVIII (1897) und kann mich im übrigen begnügen, darauf zu verweisen; die Hauptpunkte fasse ich noch einmal kurz zusammen, wobei sich zugleich Gelegenheit findet, die einzige abweichende Besprechung meiner Abhandlung, die von v. Prott Athen. Mitt. XXIII 205ff., zurückzuweisen (meist stillschweigend) und ein paar verstärkende Momente hinzuzufügen.

Zunächst setze ich hierher den Wortlaut des Zeugnisses von Thuc. II 15, 3ff.: τὸ δὲ πρὸ τούτου ἡ ἀκρόπολις ἡ νῦν οὖσα πόλις ἦν καὶ τὸ ὑπ’ αὐτὴν πρὸς νότον μάλιστα τετραμμένον. τεκμήριον δέ· τὰ γὰρ ἱερὰ ἐν αὐτῇ τῇ ἀκροπόλει … καὶ ἄλλων θεῶν ἐστι· καὶ τὰ ἔξω πρὸς τοῦτο τὸ μέρος τῆς πόλεως μᾶλλον ἵδρυται, τό τε Διὸς τοῦ ᾿Ολυμπίου καὶ τὸ Πύθιον καὶ τὸ τῆς Γῆς καὶ τὸ ἐν Λίμναις Διονύσου, ᾧ τὰ ἀρχαιότερα Διονύσια ποιεῖται – ἵδρυται δὲ καὶ ἄλλα ἱερὰ ταύτῃ ἀρχαῖα· καὶ τῇ κρήνῃ, τῇ νῦν μὲν – ᾿Εννεακρούνῳ καλουμένῃ, τὸ δὲ πάλαι – Καλλιρρόῃ ὠνομασμένῃ, ἐκείνῃ τε ἐγγὺς οὔσῃ, τὰ πλείστου ἄξια ἐχρῶντο κτλ. Entscheidend ist hier, dass τοῦτο τὸ μέρος τῆς πόλεως notwendig auf τὸ ὑπ’ αὐτὴν πρὸς νότον μάλιστα τετραμμένον sich beziehen muss und dass zu τὰ ἔξω in Gedanken zu ergänzen ist τῆς ἀκροπόλεως (s. Abh. 10ff.). Also die angeführten Heiligtümer des Zeus Olympios, des Pythiers, der Ge und des Dionysos ἐν Λίμναις müssen eben so dienen, die alte Besiedelung der südlich der Burg belegenen Gegend zu beweisen wie die Heiligtümer auf der Akropolis die der Burg. Nun finden wir zwei von diesen, das Olympieion und das Pythion im Südosten der Burg in der Nähe der Kallirrhoe (das erstere längst bekannt, das zweite durch den Fund des Altars fixiert, s. o.), das Heiligtum der (olympischen) Ge in derselben Gegend, ja nach Paus. I 18, 7 noch in dem grossen Hain des olympischen Zeus ist gleichfalls gesichert (Abh. 13, 1); für das in ganz gleicher Weise genannte Dionysion in Limnai ist, da sonstige bestimmtere Angaben fehlen, gleichfalls eine ungefähr benachbarte Lage [214] anzunehmen; das nämliche gilt natürlich für die zuletzt angedeuteten, aber nicht genauer genannten ἄλλα ἱερὰ ταύτῃ ἀρχαῖα (etwa Kronion und Delphinion, s. Abh. 19). Der Ausdruck πρὸς νότον ist ja zwar nicht geographisch präcis, wird aber nicht blos durch die Fassung der Wendungen πρὸς νότον μάλιστα und πρὸς τοῦτο τὸ μέρος μᾶλλον gemildert, sondern dadurch erklärt, dass in älterer Zeit bei den Hellenen überhaupt nur die Bezeichnung von Norden und Süden allgemein acceptiert und fest ausgebildet war, da beide durch die Gegend des höchsten Sonnenstandes und ihres diametralen Gegenteiles unmittelbar gegeben waren, während die Orte des Auf- und Untergangs der Sonne sich im Laufe des Jahres beträchtlich verschoben; s. Berger Gesch. d. Erdk. d. Gr. I 103. Partsch-Neumann Geogr. v. Griechenl. 92f.

Wenn Thukydides dann in unmittelbarem Anschluss an die Heiligtümer die Quelle nennt, deren Wasser gleichfalls zu heiligen, gottesdienstlichen Zwecken dient, so soll diese sicherlich gleich jenen zum Beweis der südlichen Ansiedelung, nicht der auf der Burg dienen; die Worte ἐγγὺς οὔσῃ müssen also deren Lage in der Nähe jener Heiligtümer bezeichnen. Dabei kann es hier auf sich beruhen, wie dies sprachlich ausgedrückt war, ob ἐκείνῃ local zu fassen oder statt dessen ἐκείνοις (eben auf alle jene Heiligtümer im Südosten bezogen) zu schreiben oder wie etwa sonst jenes ἐκείνη – das die bessere Überlieferung bietet – zu behandeln ist. Und diese Annahme stimmt, wie immer die Textfrage beantwortet werden mag, sachlich ja vollkommen zu dem, was bisher über die Kallirrhoe-Enneakrunos festgestellt worden ist.

Dem allem gegenüber will nun Dörpfeld (auch gestützt auf seine ganz abweichende Auslegung der Worte des Thukydides) beweisen, dass die genannten Heiligtümer teils am südwestlichen, teils am westlichen, teils am nordwestlichen Teile des Burgabhangs liegen und also auch hier im Westen die Enneakrunos gesucht werden müsse. Der Schwerpunkt dieser Argumentation liegt in zwei Stücken. Zunächst in der Behauptung, dass an der Nordwestecke des Burghügels sich ein Pythion und neben ihm ein Olympieion befinden und diese von Thukydides gemeint seien; und zwar sei das Pythion die (jetzt in den Μακραί blossgelegte) Doppelgrotte des Apollon Hypakraios, die Philostratos (vit. soph. II 1, 5) als Pythion bezeichne. Allein, wie es auch mit diesem philostratischen Zeugnis stehen mag, Thukydides, um dessen Angabe es sich hier allein handelt, kennt nur ein solches Heiligtum, das er auch VI 54 als τὸ Πύθιον bezeichnet, und an der letzteren Stelle erwähnt er den dort gesetzten und jetzt (s. o.) eben im Südwesten des Olympieions wiederaufgedeckten Altar mit der Weihinschrift des Peisistratos, Sohnes des Hippias, so dass jeder Zweifel, welches Pythion er II 15, 4 nennt, ausgeschlossen ist. Das Olympion neben dem philostratischen Pythion folgert Dörpfeld gar nur aus der Notiz Strabons IX 404 von der Blitzbeobachtung auf der Mauer μεταξὺ τοῦ Πυθίου καὶ τοῦ Ὀλυμπίου; wiederum ist durch die kurz vorher (IX 396) stehende Äusserung Strabons τὸ Ὀλύμπιον, ὅπερ ἡμιτελὲς κατέλιπε τελευτῶν ὁ ἀναθεὶς βασιλεύς völlig sicher gestellt, dass er als Olympion nur [215] den colossalen aber nur halbfertigen Bau im Südosten der Stadt kennt. Das genügte schon zur Widerlegung einer Hypothese, die v. Prott 212 ‚zu den sichersten Thatsachen der athenischen Topographie‘ rechnet. Aber mehr: kein Schriftsteller, keine Inschrift nennt ein zweites Olympion in Athen. Freilich beruft sich Dörpfeld auf Platon im Phaidros p. 227 B.; hier wird erwähnt, dass Lysias ἐν ἄστει sich aufhielt und zwar ἐν τῇδε τῇ πλησίον τοῦ Ὀλυμπίου οἰκίᾳ τῇ Μορυχίᾳ; dies hier angeführte Ὀλύμπιον ἐν ἄστει sei nicht das draussen am Ilisos, sondern das von ihm supponierte (ältere) am Nordwestfuss der Burg. Doch zeigt das hinzugefügte τῇδε, dass Phaidros bei seinem Gespräch mit Sokrates auf das Haus hinweist, es also in sichtbarer Nähe gelegen haben muss; nun befindet sich aber Phaidros bereits ἔξω τείχους (p. 227 a) und zwar dicht beim Ilisos (p. 229 a), also gerade bei dem wohlbekannten Olympieion, nicht tief in der Stadt darin; und wenn Lysias ἐν ἄστει weilt, so ist das nur wie öfters (s. Abh. 47), von der Capitale im allgemeinen zu verstehen im Gegensatz zum Peiraieus, wo er sein Haus mit seiner Fabrik hatte (Lys. g. Eratosth. 8. 16. 18f.) und also gewöhnlich verweilte. Auch einen inschriftlichen Beleg glaubt v. Prott 212 aufgetrieben zu haben in der Theatersesselinschrift CIA III 291 Φαιδυντοῦ Διὸς Ὀλυμπίου ἐν ἄστει; hier sei es ja klar, dass den Gegensatz der Ζεὺς Ὀλύμπιος des grossen Tempels vor der Stadt bilde. Dabei ist nicht beachtet, dass die Inschrift aus hadrianischer Zeit stammt, wo der vermeintliche Gegensatz bei dem hadrianischen Olympieion durch den Ausdruck ἐν ἄστει überhaupt nicht herauskam, da dies auch ἐν ἄστει lag; es ist nicht beachtet, dass ein φαιδρυντής in jenem vermuteten Zeusheiligtum gar nicht existiert haben kann. Es gab besondere φαιδρυνταί von alters her in Olympia, wo die Nachkommen des Pheidias dies Priesteramt bekleideten (Paus. V 15, 5); dann tauchen von der hadrianischen Zeit ab plötzlich in den Inschriften φαιδυνταί (immer in dieser Form ohne ρ) auf, sowohl in Olympia (Olympia Bd. V 555 nr. 466, 5) als in Athen und zwar hier (von der ganz verstümmelten CIA III 3859 abgesehen) entweder als φαιδυντὴς Διὸς ἐκ Πείσης (CIA III 283), φαιδυντὴς Διὸς ἐν Ὀλυμπίᾳ (CIA III 1058) = φεδυντὴς Διὸς ἐν Ὀλυμπίᾳ (CIA III 1058, 2) oder als φαιδυντὴς Διὸς Ὀλυμπίου ἐν ἄστει (a. a. O.) = Ὀλυμπίου Διὸ]ς Ἀθήνησιν φαιδυντής (CIA III 928, 4). Es ist klar, dass Hadrian, der durch das von ihm im Olympieion zu Athen errichtete Goldelfenbeinbild des Zeus (Paus. I 18, 6) wetteifern wollte mit der Zeusstatue des Pheidias in Olympia (Imhoof-Gardner Numism. comment. on Paus. 138), auch das Sonderamt eines φαιδυντής von dort nach Athen für seinen Zeus in seinem Olympieion übertrug. [Ausserdem kommt nach der Restauration der eleusinischen Mysterien Anfang des 3. nachchristlichen Jhdts. auch noch ὁ φαιδυντὴς τοῖν θεοῖν (CIA III 5 = Dittenberger Syll.² 652, 16) vor]. Man sieht also auch hier, wie unmöglich es ist, den Ζεὺς Ὀλύμπιος ἐν ἄστει am Nordabhang der Burg zu suchen; der Gegensatz zu ἐν ἄστει (= Ἀθήνησιν) ist eben – wie bereits Dittenberger zu CIA III 928 sah – ἐκ Πείσης (= ἐν Ὀλυμπίᾳ); und wenn [216] auf der Theatersesselinschrift der Zeus in Olympia nicht speciell Ὀλύμπιος heisst (das meint ja wohl v. Prott 212 mit seinem Einwand), so war es bei der Notorietät der Thatsache, dass der grosse Zeustempel in Olympia mit seinem Pheidiasbild dem Olympier gelte (vgl. z. B. Paus. V 14, 4. Dinarch. I 2 p. 4, 15 Us. Joseph. XIX 1, 8) überflüssig, den Namen noch besonders zu nennen.

Wir dürfen also die ganze Erfindung einer Cultstätte am Nordwestfuss des Burghügels, wo ein Pythion und ein Tempel des olympischen Zeus genau so neben einander liegen sollen wie im Osten der Stadt, nunmehr wohl definitiv verabschieden. Schon damit fällt ohne weiteres der ganze Aufbau.

Eine zweite Hauptstütze schafft Dörpfeld seiner Hypothese durch die Annahme, das Dionysion ἐν Λίμναις habe am Westabhang der Burg gelegen und sei das von ihm dort blossgelegte Dionysosheiligtum. Dass hier ein Dionysosheiligtum gefunden ist, darf als höchst wahrscheinlich gelten (Abh. 36). Nichts aber berechtigt anzunehmen, dass es das ‚in den Sümpfen‘ war (Abh. 37ff.).

Die richtig ausgelegten Worte des Thukydides a. a. O. selbst weisen dies Heiligtum direct in die Nähe des Olympieions, also wohl ausserhalb des themistokleischen Mauerrings. Nichts giebt es, was dem widerspräche. Freilich soll nach v. Prott 215 Isaios VIII 35 erweisen, dass der Tempel ἐν ἄστει ‚mitten zwischen Häusern‘ (wo steht das?) lag. Isaios zählt hier den Grundbesitz des Kirrhon auf, ein Grundstück Φλυῆσι, zwei Häuser ἐν ἄστει, davon das eine παρὰ τὸ ἐν Λίμναις Διονύσιον (d. h. die Lage der Privatwohnung ist, wie so oft bei griechischen Schriftstellern, nach einem benachbarten Heiligtum orientiert [s. St. Ath. II 303, 1]); auch hier ist eben nur der oben besprochene Gegensatz von Stadt und Land gegeben. Freilich wendet v. Prott 215 ein, es sei völlig undenkbar, das im 4. Jhdt. ein athenisches Wohnhaus ‚wenige Schritte‘ (wo steht das?) vor der Stadtmauer lag; mir ist der Einwand unverständlich. Lag denn nicht die Morychia beim Olympieion (Phaidr. 227 b; s. o.) vor der Stadtmauer? gilt nicht dasselbe z. B. von dem Haus in Agrai (Ἄγραις emendiert v. Wilamowitz Herm. XXXIV 624), das Dinarch. frg. XLII bei Dionys. de Dinarch. p. 301, 5 Radem. erwähnt? u. s. w. Dass wir eine Sumpfgegend, die für das in Rede stehende Dionysion durch den Namen gefordert wird, bisher ausser stande sind nachzuweisen, kann doch unmöglich gegen Thukydides ins Feld geführt werden, selbst wenn es sicherer wäre, als es in der That ist, dass in der wohlgeordneten Stadt des Perikles man die Bildung von Sumpflachen unterhalb des Stadtbrunnens geduldet hätte, wie Dörpfeld für seine Ansetzung geltend macht.

Was endlich die Enneakrunos anlangt, so haben Dörpfelds Ausgrabungen zwar gelehrt, dass in der Thalmulde zwischen Akropolis und Pnyx ein Stadtbrunnen sich befand und dass hier Peisistratos ein Brunnenhaus anlegte, in das er durch eine gewaltige Leitung längs des Südabhangs der Burg reichliches Wasser vom Ilisosthal zuführen liess (Abh. 25ff.); weiter aber auch nichts. Denn weder ist eine Inschrift mit dem Namen der Kallirrhoe gefunden, noch lässt irgend ein Weihgeschenk [217] ahnen, dass wir es hier mit einer heiligen Quelle zu thun haben (Abh. 28f.). Auch Aristophanes, Lysistrat. 376, den v. Wilamowitz Herm. XXXIV 639 als ‚Eideshelfer‘ für Dörpfelds Kallirrhoe auftreten lässt, kann keine Hülfe bringen. Frauen beschütten die auf die Burg eindringenden Greise mit Wasser und machen bei der Gelegenheit einige Spässe, in denen sie die Greise wie ungestüme jugendliche Liebhaber behandeln. Einer dieser Einfälle (ein anderer gleich 384) nennt a. a. O. den Wasserguss λουτρὸν καὶ ταῦτα νυμφικόν γε, das könne nur auf wirklich bei der Kallirrhoe geschöpftes Wasser zum Brautbad gehen; zugleich müsse der Brunnen für jemand, der nach den Propylaeen eilte, geeignet gelegen sein; das passe nur auf Dörpfelds Kallirrhoe. Aber einmal heisst das einen eben nur des Witzes wegen gemachten flüchtigen Einfall, der gleich wieder fallen gelassen wird, pedantisch à la lettre nehmen, und vor allem sagt ja die Frau ausdrücklich 328, sie habe das Wasser κνεφαία, schon in der Morgenfrühe geholt (nicht erst soeben geschöpft), so dass die Hälfte der Voraussetzung sogar irrig ist.

D. Gesamtergebnis. Oben findet man im knappen Überblick zusammengestellt, was für die athenische Topographie eine gesicherte Grundlage bietet. Autopsie ist freilich auf diesem Gebiet für den Forscher unentbehrlich; immerhin giebt es gegenwärtig viel zahlreichere und viel vollkommenere Hülfsmittel als früher, die auch denen, die nicht an Ort und Stelle weilen, klare und correcte Vorstellungen verschaffen können; deshalb erschien stetiger Hinweis auf sie unerlässlich.

Die Errichtung des ganzen Gebäudes selbst ist nur da möglich, wo gleichmässig monumentale und litterarische Grundlage in einiger Vollständigkeit vorhanden sind, d. h. vor allem für die Burg, sodann für ihre südlichen und westlichen Abhänge, sowie den westlichen Teil des nördlichen, da für sie sowohl die Ausgrabungen abgeschlossen sind als Pausanias Beschreibung vorliegt. Eine einigermassen zusammenhängende Aufdeckung einer grösseren Partie des Stadtterrains ist ausserdem bisher nur für die umfassenden Marktanlagen der römischen Zeit erfolgt; für sie entbehren wir aber gerade fast vollständig litterarischer Beschreibungen. Dagegen gilt für die hellenische Agora noch immer der viel beklagte Übelstand, dass von allen den Anlagen, die Pausanias Beschreibung nennt, noch keine einzige wieder aufgedeckt ist. Unter diesen Verhältnissen kann der berechtigte Wunsch, von dieser Hauptstätte des gesamten politischen, gottesdienstlichen und socialen Lebens der Stadt eine anschauliche Detailvorstellung zu gewinnen, zur Zeit noch nicht erfüllt werden. Oft genug sind ja, namentlich von deutschen Gelehrten, Versuche einer Reconstruction der Agora gemacht worden; soweit als sie kartographisch fixiert sind, bieten die Taf. II–VI in der Hitzig-Blümnerschen Ausg. des Paus. I 1 (1896) eine bequeme Zusammenstellung. Ihre Einzelkritik ist an dieser Stelle unmöglich; sie ist aber auch unnötig, weil sie sämtlich sich nur auf litterarische Zeugnisse stützen und dabei doch die sich aus ihnen allein ergebende Folgerung (s. o. S. 209) nicht berücksichtigen, überhaupt aber Pausanias Ausdrücke zu unbestimmt [218] und die sonstigen litterarischen Angaben zu spärlich sind, um ein Gesamtbild zu ermöglichen. Ohne sichere monumentale Haltpunkte kann man über ein Phantasiegemälde nicht hinauskommen, das höchstens subjectiven Wert besitzt.

Es bleibt mithin für die Agora, wie für die übrigen Teile Athens nichts übrig, als sich im einzelnen mit dem zu begnügen, was die monumentalen Reste lehren (es ist oben im kurzen zusammengefasst) und für das Ganze die allgemeinsten Grundzüge der Anordnung, soweit als sie Pausanias Wegführung überhaupt erkennen lässt (wie sie oben erläutert sind), im Gedächtnis zu halten. Ab und zu kann man für diesen oder jenen einzelnen Punkt ja auch durch die sonstigen litterarischen Zeugnisse ein klein wenig weiter kommen; das anzugeben ist Sache der Specialartikel dieser Real-Encyclopädie. Im übrigen aber kann wesentliche Fortschritte nur allmählich die Vermehrung unserer Erkenntnisquellen bringen, d. h. vor allen Dingen weitere Ausgrabung auf der Stätte der Agora.

Das alles betrifft die Topographie als Lehre von der örtlichen Lage der Baulichkeiten und Stiftungen. Ganz anders steht es mit den Elementen, die man auch mit zur Topographie zu rechnen pflegt, den antiquarisch-archaeologischen und den stadtgeschichtlichen. Eine Gesamtübersicht über sie zu geben, ist in Kürze nicht möglich, da hier die Darstellung einer gewissen Breite nicht entbehren kann; auch müssen die Hauptpunkte bei den Specialartikeln ohnehin wenigstens berührt werden. Deshalb bleibt zum Schluss nur übrig, für die gesamte Topographie Athens die hauptsächliche neuere Litteratur zu verzeichnen: M. Leake Topography of Athens, Lond. 1821[WS 5] (= philos. transact. of R. soc. of litter.); deutsch von Rienäcker 1829; Topogr. of Athens and the demi. I Lond. 1841[WS 6]; deutsch von Baiter und Sauppe 1844. P. Forchhammer Topogr. von Athen, Kiel 1841 (= Kieler philol. Stud. 1841, 275ff.). Ernst Curtius Attische Studien, Götting. I 1862. II 1865 (= Abh. d. Göttinger Ges. d. Wiss. XI. XII); Erläuternder Text der sieben Karten zur Topogr. von Athen, Berl. 1868; Stadtgeschichte von Athen mit Übersicht der Schriftquellen von Milchhoefer Berl. 1891. Th. H. Dyer Ancient Athens; its history, topography and remains, Lond. 1873. C. Wachsmuth Die Stadt Athen im Altertume I 1874. II 1, 1890. A. Milchhoefer Athen, Münch. 1884 (= Baumeister Denkmäler des class. Altert. I 144ff.). H. G. Lolling in K. Baedekers Griechenland, Leipz. 1883, 34–83; Anhang zur hellen. Landeskunde und Topographie, München 1889 (= Jwan Müllers Handb. d. class. Altert.-Wiss. III 290ff.). Jane Harrison Mythology and monuments of ancient Athens, London 1890. Meyers Reisebuch durch Griechenl. u. Kleinasien⁵ Leipz. 1901 (wo auf 90 Seiten das alte Athen behandelt ist).

Übersicht.

I. Der Namen S. 159.

II. Lage. 1. Hügel S. 160; 2. Flüsse (Ilisos; Kephisos) S. 161; 3. Bäche (Eridanos u. a.) S. 162; 4. Quellen S. 163.

III. Klima. 1. Temperatur S. 164; 2. Niederschläge S. 166; 3. Klarheit S. 167; 4. Trockenheit der Luft S. 167; 5. Winde, Staub S. 168. [219]

IV. Karten und Pläne S. 168.

V. Topographie S. 170.

A. Monumentale Reste: 1. Ältere Beschreibungen und Abbildungen S. 171; 2. Photographien S. 174; 3. Burg und ihre Abhänge (a. Oberfläche, b. Abhänge) S. 174; 4. Südwestliche Hügelgegend: a. Philopappeion, b. Ekklesienraum, c. sonstige Felsanlagen (insb. Felswohnungen und Felsgräber); d. Festung, Barathron S.177; 5. Theseion S. 181; 6. Agora (Attalosstoa, sog. Basileios, Gigantenhalle, von den Westthoren mündende Strassen) S. 181; 7. Römische Marktanlagen (,Pyle der neuen Agora‘, Marktsaal, Arkadenbau, ‚Turm der Winde‘) S. 184; 8. ‚Hadrianstoa‘ S. 186; 9. Denkmal des Lysikrates u. a. Anlagen östlich der Burg S. 187; 10. Hadrianstadt (Hadriansthor, Olympieion, Pythion, römische Paläste und Villen) S. 188; 11. Ilisos und Kallirrhoe S. 190; 12. Ionischer Tempel bei der Kallirrhoe, Stadion nebst Brücke u. s. w. S. 190; 13. Einzelnes (Johannessäule, Säule im Süden, Ausgrabungen der Engländer südöstlich von der Stadt) S. 191; 14. Wasserleitungen (insb. des Peisistratos und des Hadrian) S. 192; 15. Stadtmauern, Stadtthore, Gräber S. 193; 16. Methodisches S. 197.
B. Wert der Inschriften für die Topographie S. 198.
C. Wegführung durch die antike periegetische Litteratur (Polemon, Heliodoros, Pausanias) S. 199: 1. Pausanias’ Periegese topographisch angeordnet S. 200; 2. Seine Excurse S. 201; 3. Örtliche Reihenfolge, erwiesen und controlliert für Burg (dabei für Standort des Viergespanns S. 203) und ihre Abhänge im Süden und Nordwesten S. 201; 4. Sein Routensystem und Generaldisposition für Athen S. 205; 5. Tour I (‚Dromos‘), II (Kerameikos-Agora), IV (Hephaisteion, Kolonos Agoraios) topographisch erläutert S. 207; 6. Enneakrunos-Episode (Enneakrunos-Kallirrhoe) S. 211; 7. Dörpfelds Hypothese (Auslegung von Thukyd. II 25, sog. Pythion und sog. Olympieion an der Nordwestecke der Burg, sog. Dionysion ἐν Λίμναις, sog. Enneakrunos) S. 213.
D. Gesamtergebnis und Litteratur S. 217.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 52
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Athenai

1) Die Hauptstadt Attikas; Name, Geographie, Topographie. S I.

A. Geschichte. S X (corr.).

B. Topographie. S XIII.

Anmerkungen des Originals

  1. Die Hauptcanäle zogen sich inmitten der öffentlichen Wege hin, auf beiden Seiten Raum für Karren und Saumtiere lassend; die sich auf beiden Seiten abzweigenden Nebencanäle führten das Wasser durch niedrige Umfassungsmauern den einzelnen Gärten zu; alles ist auf das sauberste, die Mehrzahl der Schleussenpfosten aus pentelischem Marmor gearbeitet, s. Bötticher Philol. XXII 221ff.
  2. Auch Milchhoefer in Baumeisters Denkm. I 152ff. hat diesen Stadtteil mit besonders eingehenden Schilderungen bedacht.

Anmerkungen (Wikisource)

  • Der Artikel Athenai 1 verteilt sich auf drei Supplementbände. Name und Topographie in S.-Bd. I und XIII, Geschichte in S.-Bd. X.
  • Siehe auch Athenai 1b von Johannes Papastavrou (1893–1978) im Supplementband X, Sp. 48–89.
  • Siehe auch Athenai 1c von Willi Zschietzschmann (†1970) im Supplementband XIII, Sp. 56–140.
  1. Vorlage: Bd. I S. 1941
  2. Lies: km²
  3. Vorlage: ψυχῆ
  4. a b James Stuart, Nicholas Revett: The antiquities of Athens. Vier Bände, London 1762–1816 [Digitalisate: Band 1 (1762) Internet Archive; Band 2 (1787) Internet Archive; Band 3 (1794) Internet Archive; Band 4 (1816) Internet Archive]
    Deutsche Ausgabe von Friedrich Osann, Karl Wagner: Die Alterthümer von Athen. Zwei Bände, Dortmund 1829–1831 [Digitalisate: Band 1 (1829) MDZ München; Band 2 (1831) MDZ München]
  5. a b William Martin Leake: The topography of Athens with some remarks on its antiquities. London 1821 (Digitalisate: Internet Archive, Internet Archive, Internet Archive)
  6. a b William Martin Leake: The topography of Athens and the demi. Zweite Auflage in zwei Bänden, London 1841 (Digitalisate: Band 1 Internet Archive = Google, Internet Archive = Google, Internet Archive = Google; Band 2 Internet Archive = Google, Internet Archive = Google, Internet Archive = Google)
    Deutsche Ausgabe von Band 1 siehe Hermann Sauppe.
  7. Vorlage: II
  8. Vorlage: 1899
  9. Vorlage: S. 1663
  10. Griechischer Text: Ἑλλάδος Περιήγησις
  11. Vorlage: 13, 11. Siehe Pausanias Ἑλλάδος Περιήγησις 3.1