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ADB:Isaac, Heinrich

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Artikel „Isaac, Heinrich“ von Otto Kade, Redaktion der ADB in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 590–608, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Isaac,_Heinrich&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 14:11 Uhr UTC)
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Isaac: Heinrich I. (auch Isak, Isac, yzach, yzac, yzaac, bei den Italienern Arrhigus Tedesco genannt),[WS 1] der größte deutsche Tonsetzer des 15. Jahrhunderts vor Ludwig Senfl (ca. 1480–1517) und einer der größten Meister der Tonkunst aller Zeiten. Leider sind wir über die Lebensumstände dieses Heroen der deutschen Tonkunst so mangelhaft unterrichtet, daß nur auf negativem oder indirectem Wege es hat gelingen wollen, einige Anhaltepunkte über Geburt, Nation und Stellung dieses genialen, ungemein fruchtbaren und geistreichen Tonsetzers zu gewinnen. Eine alte Tradition, die durchaus nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist, nennt I. von Prag. Ambros (Musikgeschichte, Tom. III. S. 389), der doch in Prag lebte, folglich von der Sachlage Einsicht nehmen konnte, glaubt diese Tradition durch die Angabe stützen zu dürfen, daß der sehr ungewöhnliche Name noch jetzt in Prag durch einige vielverzweigte Familien vertreten sei, von denen zwei noch im Besitze sehr alter Bürgerhäuser sich befänden, wie denn auch das Haus Nr. 346 auf dem Bergstein in den Höfen das malerische alterthümliche Ansehen noch vollständig bewahrt habe. Auch die in der That auffällige Verwendung und Benutzung einiger wild und feurig bewegter altböhmischer Volks- und Tanzmelodieen im ganz originellen Fünfviertelrhythmus, die sich in des Meisters Composition gelegentlich vorfinden, namentlich im Agnus Dei oder Christe seiner Volksliedermesse „Missa carminum“ genannt, in welcher sogar sein eigenes Lied: „Inspruck ich muß dich lassen“, verwebt ist, spricht stark für die Richtigkeit dieser Tradition. Fétis[WS 2] (1862) glaubt sie darum ablehnen zu müssen, weil Dlabacz, der doch sonst alle Künstler Böhmens in seinem Künstlerlexikon aufführte, von I. kein Wort erwähnt. Daß I. von Geburt ein Deutscher sei, darin stimmen alle älteren Schriftsteller überein: Luscinius, Musurgia, p. 94, sagt: ex Germanis nostris Henricus Isaac. Glarean, 1547, gibt ihm nicht nur die Bezeichnung Henricus Isaac Germanus, sondern sagt sogar an einer anderen Stelle: Hic Isaac etiam talis notus fuit, eine Bemerkung, die völlig sinnlos und unverständlich sein würde, wenn I. ein Niederländer oder gar ein Italiener gewesen wäre. Nur Tschudi (s. seine Musikbücher in der Stiftsbibliotthek zu St. Gallen) nennt ihn: Henricus Isaac Belga Brabantius. Ob dieser [591] Angabe ein ausschlaggebendes Gewicht obigen anderweitigen zuverlässigen Zeugnissen gegenüber beizulegen sei, muß wol mehr als bezweifelt werden.

Ist der Geburtsort unseres Meisters unsicher, so lassen sich über die Zeit seiner Geburt nur annäherungsweise einige Schlüsse ziehen. Gleich andern seiner Kunst- und Zeitgenossen von Berühmtheit, wie z. B. Josquin, Hobrecht, Agricola, lebte I. um 1480 in dem blühenden Florenz am kunstsinnigen glänzenden Hofe der Medicäer. Er stand bei Lorenzo magnifico in großer Gunst, componirte für den Carneval die von Lorenzo gedichteten Fest- und Maskeradenlieder: „Canti carnascialeschi“ genannt, wie auch die Gesänge eines geistlichen von Lorenzo gedichteten Schauspieles: S. Giovanni e Paolo von 1488, daß jetzt in einer Handschrift auf der Bibliothek des Christ Church College zu Oxford aufbewahrt wird. Dieser Handschrift zufolge war I. sogar Lehrer der Kinder von Lorenzo, wahrscheinlich nur in der Musik, denn in den Wissenschaften wird als Lehrer dieser fürstlichen Kinder der Dichter und Gelehrte Angelus Politianus[WS 3] aufgeführt. Ferner wird I. auch Kapellmeister an St. Giovanni in Florenz genannt. Einem Nachweise des k. k. Archives in Wien zufolge stand I. auch als Geschäftsträger des Kaisers Maximilian I. bei Lorenzo Medici[WS 4] in Florenz, wofür er einen Jahresgehalt von 150 Gulden bezog. Alles dies setzt mindestens voraus, daß I. schon um diese Zeit ein reifer Mann gewesen sein muß, der die Verhältnisse zu überschauen und zu beurtheilen vermochte. Nun wurde Maximilian I. 1486 römischer König, 1493 deutscher Kaiser, und Lorenzo il magnifico regierte von 1478 bis zum J. 1492, wo er starb, so daß Isaac’s Aufenthalt in Florenz mindestens in die Zeit von 1480–92 zu setzen sein dürfte. Diese Annahme erhält auch dadurch volle Bestätigung, daß I. eine Todtenklage: „Monodia in Laurentiam Mediceum intonata per Arrighum Isac“ bei dem Ableben des Duca Lorenzo im J. 1492 in Musik setzte, die der Gelehrte und Hofdichter des mediceischen Hauses, Angelus Politianus, gedichtet hatte. Fétis (Ausgabe von 1862) glaubt diesen Aufenthalt Isaac’s in Florenz auf Grund einer Aeußerung, die Aaron in seinem Buche: De institutione harmonica, 1516, uns hinterlassen hat, noch weiter bis zum J. 1509, ja selbst bis zum J. 1515 ausdehnen zu müssen. Daselbst heißt es nämlich: „Summos in arte viros praecipue vero Josquinum, Obrecht, Isaac et Agricolam, quibusdam mihi Florentiae familiaritas et consuetudo summa fuit“. Diese berühmte Stelle, die einzige, die über Isaac’s Aufenthalt in Florenz authentische Auskunft ertheilt, hat zu mancherlei Deutungen Veranlassungen gegeben. Hier liegt offenbar ein Mißverständniß oder ein Versehen Aaron’s vor. Entweder muß, wie Ambros annimmt, Aaron’s Geburtsjahr weiter zurückdatirt werden, als es bis jetzt immer geschieht oder Aaron hat hier nicht den persönlichen Verkehr, sondern nur den Umgang mit den Werken der hier genannten Meister im Sinne gehabt. Denn es ist kaum glaublich, daß er nähere Freundschaft mit Persönlichkeiten von europäischem Rufe in seinem 16. oder, wenn es hoch kommt, 17. Lebenjahre gepflogen haben könne. Die hierher gehörigen Daten ergeben nämlich folgendes Resultat:

1) Hobrecht, geb. ca. 1430, verläßt 1491 die Kapellmeisterstelle in Utrecht, um nach Antwerpen überzusiedeln, stirbt 1507, war daher zur Zeit des Florentiner Aufenthalts 1480 ungefähr 45–50 Jahre alt

2) Josquin, geb. ca. 1445, in Rom 1473, ungefähr 25 Jahre alt, † 1521, war also 1480 in Florenz bei der Composition des berühmten Stabat mater 32–35 Jahre

3) Isaac, geb.?, 1480–92 in Florenz, stirbt ca. 1517 oder 18, war nach Abzug der letzten 38 Jahre seines Lebens zur Zeit seines Florentiner Aufenthalts 1480 mindestens 35–40 Jahre

[592] 4) Agricola, geb.?, 1500 in Brüssel angestellt, † zwischen 1520 und 30, war nach Abzug der letzten 33 Jahre seines Lebens 1492 ungefähr 33 Jahre, daher 1480 zur Zeit des Florentiner Aufenthalts ungefähr 21 Jahre alt

5) Aaron, nach Fétis Angabe geb. 1489, war 1500, wo Hobrecht schon längst in Antwerpen lebte, etwa 11 Jahre alt, nach anderer Angabe geb. 1475 oder 80, um 1500 etwa 20 Jahre alt, wo Hobrecht, Josquin und Agricola längst nicht mehr in Florenz oder Italien weilten

Eine Verlängerung des Florentiner Aufenthaltes Isaac’s bis zum J. 1509 oder gar 1515 ist aber schon darum nicht recht denkbar, weil eine solche Masse kirchlicher Compositionen, wie sie I. uns hinterlassen hat, in dem dann nur nachbleibenden kurzen Zeitraume von nur wenig Jahren bis zu seinem Tode (vor 1518) selbst bei der angestrengtesten Thätigkeit nicht zu beschaffen gewesen wäre. Und daß I. z. B. an seinem großartigsten Offizienwerke „Choralis Constantini“ schon während des Florentiner Aufenthaltes gearbeitet habe, ist vollends ganz unwahrscheinlich. Darum ist es viel glaubwürdiger, daß Kaiser Maximilian I. kurz nach dem Tode Lorenzo’s unsern Meister nach Wien berief, und ihm die Stelle eines Symphonista regius übertrug, ein Amt, das nicht, wie es häufig geschieht, mit der Kapellmeisterstelle zu verwechseln ist, die zu Isaac’s Zeit der Bischof Georg Slatkonia[WS 5] bekleidete. Selbst das erst lange nach Isaac’s Tode erschienene Werk: „Choralis Constantini“ von 1550 nennt ihn einfach nur „Musici Divi quondam Caesaris Maximiliani Symphonista regius“. Mit diesem Ausdrucke ist nicht etwa die Leitung der Instrumentalmusik gemeint, wie Eitner (Publication, Jahrgang IV, Lieferung I, S. 61) und Gerbert anzunehmen scheinen, sondern das Wort ist im älteren Sinne zu nehmen, wie Glarean es thut, nämlich als: compositor, d. h. Componist der kaiserlichen Hofkapelle.

Auch das Todesjahr Isaac’s läßt sich nur annäherungsweise bestimmen. Gewiß ist nur, daß er vor dem am 12. Januar 1519 erfolgten Ableben des Kaisers Maximilian I. mit Tode abgegangen ist. Denn der Schüler Isaac’s, Ludwig Senfl, verlor um 1519 die Stelle seines Lehrers wieder, die er wahrscheinlich einige Jahre vorher schon inne gehabt haben wird, für deren Verlust er als Entschädigung einen Gnadengehalt von 50 Gulden rheinisch, „Provision auf Engelhardszell“ erhielt. Mithin ist das Todesjahr Isaac’s spätestens 1517 oder 18 anzusetzen, so daß nach dieser Annahme die volle Thätigkeit unseres Meisters ungefähr auf die Zeit von 1480–1517 fällt. Das Todesjahr Isaac’s noch um mehrere Jahre hinauszuschieben, wie Fétis thut, indem er es vor 1531 ansetzt, das beruht auf einem Irrthum. Fétis ließ sich nämlich von der Notiz in dem Manuscriptencodex Nr. 62 (Mus. Man. 35) der Münchener Bibliothek vom J. 1531 (Additio Ludovici Sentlii, quia hic Isaac obiit mortem), I. sei bei der Ausarbeitung der Sequenz: Virginalis turmis sexus, vom Tode überrascht worden, so daß Senfl die Vervollständigung habe übernehmen müssen, dazu verleiten, das Datum des Codex 1531 mit dem Todesjahre Isaac’s in Connex zu bringen.

Ueber den Bildungsgang unseres Meisters ist uns ebenfalls etwas Authentisches nicht überkommen. Nur soviel ist bestimmt, daß I. nicht der Schüler von Josquin gewesen sein kann, wie vielfach noch angenommen wird. Eher hätte das umgekehrte Verhältniß stattfinden können, da Josquin, der unsern Meister um mindestens vier Jahre überlebte, möglicher Weise daher der jüngere von Beiden war. Dies hat auch Fétis schon aus chronologischen Gründen trefflich nachgewiesen. Daß aber der Aufenthalt in dem kunstsinnigen Florenz, das den Ausgangs- und Mittelpunkt der ganzen italienischen Renaissance bildete, und der Umgang mit so hochbedeutenden Künstlern fast aller Nationen, wie Josquin, Hobrecht, Agricola und anderen auf unsern Meister den größten Einfluß [593] geübt und die strenge Satzweise des deutschen Contrapunktes, die er vielleicht aus der Heimath mitgebracht haben mag, wesentlich modificirt und mit italienischer Formenschönheit und Anmuth ausgestattet habe, ist zu natürlich, um nicht für gewiß zu gelten. Liefern doch die analogen Fälle aus der altdeutschen Malerschule, wie z. B. die Reise des Nürnberger Albrecht Dürer, des Schülers von Wohlgemuth, nach Venedig und Oberitalien die vollgültigsten Belege für eine solche veredelnde Studienzeit in Italien. Ein gleiches muß auch bei dem hochbegabten I. vorausgesetzt werden, wenngleich der Beweis hierfür aus Mangel an chronologischer Ordnung seiner vielfältigen Arbeiten nicht immer in schlagendster Weise beigebracht werden kann.

Die Gruppirung, welche Ambros am obigen Orte für die Werke Isaacs in Vorschlag bringt, nämlich in eine florentinische, deutsche und niederländische Periode, mag zwar nur eine rein äußerliche genannt werden, da insbesondere die deutsche von der niederländischen schwer zu trennen sein dürfte. Da sie aber den Vorzug der Einfachheit und Uebersichtlichkeit für sich hat, so nehme ich ihr der Hauptsache nach zu folgen keinen Anstand, nur mit dem kleinen Unterschied, die deutsche und niederländische mit einander zu verschmelzen, wie auch Ambros die strenge Scheidung beider von einander nicht consequent durchzuführen vermag, so daß nur die italienische oder florentinische und die deutsche Gruppe übrig bleiben.

Die italienische oder florentinische Gruppe bleibt, wenn auch die Zusätze des Florentiner Liedercodex der Maglibechiana hinzutreten, den Ambros noch nicht kannte, sondern der erst später von mir 1873 aufgefunden ward, immer doch die minder reich vertretene. Dazu kommt noch, daß uns über die bedeutendsten und werthvollsten Werke dieser Periode nicht viel mehr als die Titelangaben bekannt sind und die eigene Anschauung der Werke selbst vorläufig noch größtentheils versagt ist. Hier ist in erster Linie das wunderschöne Loblied auf Florenz: „La più bella di queste, ne più degnia si trova alcuna idea: ect.“ zu nennen, welches die herrliche Lage von Florenz und seine schöne Frauen preist, und als dankbares Andenken an jenen unvergeßlichen Aufenthalt in der unvergleichlichen Stadt noch in einem Codex der Maglibechiana uns aufbewahrt ist. Ohne Zweifel rührt die Dichtung zu diesem Liede von dem oben genannten Hofdichter Angelo Politiano her. Der musikalisches Theil des Liedes steht mir leider nicht zu Gebote, da ich bei meinem ersten Aufenthalte in Italien 1847 versäumte, von demselben eine Abschrift zu nehmen und bei meiner zweiten Anwesenheit in Florenz 1873 den betreffenden Codex nicht wieder aufzufinden vermochte. – Nächst diesem Lobgedicht auf Florenz ist die schon erwähnte Monodie hier einzureihen, die gleichfalls Angelo Politiano auf den Tod Lorenzo’s dichtete und I. in Musik setzte. Dieselbe findet sich unter den Epigrammen der in Florenz erschienenen Gesammtausgabe von Angelo Politiano’s Werken vom J. 1499. (Fétis führt auch bei dieser Gelegenheit die Stanzen von Politiano an, in denen I. erwähnt sein soll. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie eine genaue Durchsicht derselben mich überzeugt hat.) Der vierstimmige Tonsatz zu dieser Monodie befindet sich in dem Manuscriptencodex 58, Nr. 44, der Maglibechiana mit lateinischen Motetten (s. meinen Aufsatz darüber Monatshefte, Jahrgang IX. 31), der nicht mit dem Manuscriptencodex 59 ebendaselbst „cantiunculae“ mit weltlichen Liedern zu verwechseln ist.

An dritter Stelle ist hier des geistlichen Schauspiels: „St. Giovanni e St. Paolo“ von 1488 zu gedenken, das von Lorenzo selbst gedichtet mit entsprechenden Tonsätzen von I. ausgestattet wurde. Dasselbe ist noch in einer kostbaren Handschrift erhalten, die jetzt in der Bibliothek des Christ Church College zu Oxford aufbewahrt wird. Nach einer in dem Manuscript befindlichen Notiz [594] kam das Werk selbst in der Familie des großen Kunstmäcens zur Aufführung. Der englische Musikgelehrte Dr. Rimbault (s. Fétis, 1862, IV. S. 401) machte im J. 1844 von dem höchst interessanten Funde die erste Anzeige. – Endlich sind viertens die „Canti carnascialeschi“ für diese Florentiner Epoche anzuführen, von welchen Fétis folgendes Druckwerk namhaft macht: Fr. Grazzini (genannt Lasca):[WS 6] „Tutti i Trionfi, Carri, Mascherate o Canti carnascialeschi (Ambros schreibt: carnecialeschi, doch wol nur aus Versehen) audati per Firenze dal tempo di Magnifico Lorenzo di Medici fino all anno 1559 … (ohne weitere Angabe). Diese von Lorenzo gedichteten Fest- und Maskenlieder waren für Männer bestimmt, welche auf den Straßen von Florenz zur Zeit des Carnevals allerlei Waaren, wie Broccoli, Confect, Brot und Früchte ausriefen und verkauften. Die in obigem Druckwerke enthaltenen Lieder waren von I. für drei Stimmen gesetzt. Es scheinen mehrere derselben zu einer Folge verbunden gewesen zu sein, wie die Vorrede zu jenem Werke an einer Stelle ausdrücklich besagt: „… il primo canto o Mascherata, che si cantasse in questa guisa, fu d’uomini, che vendavano Berriquocoli, e confortini, composta e tre voci da un certo Arrigo tedescho, maestro allora della Cappella di San Giovanni, e musico in que’tempi riputatissimo“. Dieses Druckwerk hat sich leider bis jetzt nicht wieder auffinden lassen. Dagegen enthält aber die Liederhandschrift Nr. 59 der Maglibechiana in Florenz, bezeichnet mit „cantiunculae“ die von mir im J. 1873 aufgefunden worden ist und gänzlich unbekannt zu sein scheint, die Reihenfolge von 23 drei- bis fünfstimmigen weltlichen Liedern mit und ohne Text, von denen einige ohne Zweifel zu den hier genannten canti carnascialeschi gerechnet werden müssen. Unter diesen ist vorzugsweise das eine Lied zu fünf Stimmen ohne Text hervorzuheben, das mit seinem köstlichen Tenor, mit seiner durchsichtigen Klarheit und knappen Fassung zu den schönsten Produkten der Isaac’schen Muse zu rechnen ist. Glaubt man doch die Ausrufer von frischem Wasser, Weintrauben, Limonen, ect: acqua fresca, aranci, limoni, comprate uva: ect., aus dem Tonstücke selbst zu vernehmen. Es hat daher auch in dem Notenbeilagenbande zu dem dritten Theile der Musikgeschichte von Ambros nebst drei anderen Nummern zu vier und drei Stimmen aus demselben Codex Aufnahme gefunden. Wenn ich diesen Angaben noch das kleine dreistimmige Liedchen: „Fammi una grazia, amore“ hinzufüge, das sich mit h. yzaac bezeichnet in einem kleinen Pergamentcodex der Sammlung Basevi in Florenz befindet, so ist die Gruppe von Isaac’s Tonstücken aus der florentinischen Periode so ziemlich wohl erschöpft. Die Composition Isaac’s dieser Florentiner Epoche zeigt, so weit sie mir in wirklichen Dokumenten bekannt ist, einen höchst einfachen ungekünstelten contrapunktischen, meist nota contra notam gehaltenen Tonsatz, schöne melodische, ausdrucksvolle Tonreihe aller Stimmen, Klarheit, Durchsichtigkeit und Uebersichtlichkeit des architektonischen Baues, unverkennbares Streben nach Anmuth und Formenschönheit, jedenfalls Ergebnisse des südlichen Aufenthaltes und der italienischen Studien des Autors, die den hohen Standpunkt ihm verschaffen und sichern sollten, den er schließlich in der ganzen künstlerisch gebildeten Welt einnahm.

Als deutscher Tonsetzer kommen zunächst seine deutschen Lieder in Betracht. Abermals nur eine kleine Anzahl von 17 Liedbearbeitungen (nicht 15, wie Eitner in der Einleitung zur neuen Ausgabe der Johann Ott’schen Liedsammlung von 1544, S. 62 angibt), aber darunter kostbare Perlen lyrisch deutschen Gesanges von höchstem Werth. Unter diesen sind vornehmlich hervorzuheben die beiden Lieder zu vier Stimmen: „Mein Freud allein auf dieser Welt“ (gedruckt in der Publikation der Musikgesellschaft, Jahrg. I, Lieferung I, Nr. 3, S. 14) und das berühmte „Inspruck ich muß dich lassen“. Von dem an erster Stelle genannten köstlichen Liebesliede, [595] dem schönsten aller Zeiten – wie Ambros es mit Recht bezeichnet – gibt dieser in seiner Musikgeschichte (III. 392) eine mit großer Wärme gezeichnete treffliche Schilderung und Analyse. Alles, was im deutschen Gemüthe Zartes, Inniges, Herzliches leben mag, sei hier zum Ausdruck gebracht. Und in der That vereinigen sich alle Vorzüge der älteren Liedproduktion in diesem kleinen Meisterstücke. Eine Liedweise von süßestem Wohllaute, von lieblichstem Flusse und wunderbarer Wärme der Empfindung als lyrischer Melodiekörper in den Tenor gelegt, zieht sich äußerst anmuthsvoll durch die drei anderen Stimmen. Der Discant schmiegt sich canonartig, wie im Duett, einem sich eng umschlingenden Liebespaare gleich, an denselben an, während die beiden anderen Stimmen diesem Zwiegesange zur Seite gehen, ohne zur bloßen Begleitung herabzusinken. – In noch höherem Grade nimmt das zweite Lied: „Inspruck, ich muß dich lassen“, unser Interesse in Anspruch. Auch hier hat I. seine außerordentliche Begabung als Melodiker in glänzendster Weise bethätigt. In dem Tonsatze zu diesem schönen Wanderliede, als dessen Dichter nach einer allerdings unverbürgten Tradition Kaiser Maximilian I. selbst bezeichnet wird, hat I. zwei Tonweisen verflochten, deren eine dem Tenor, die andere dem Discant übergeben ist. Beide Melodiekörper stehen sich im Werthe einander gleich und bilden ein so schön geschlossenes Ganze, daß die Frage des prius facti sehr berechtigt erscheint. Die Meinungen darüber sind getheilt. Die weitere Auseinandersetzung der von mir angeregten Frage nebst Entgegnung von Dr. Faißt in Stuttgart s. Monatshefte für Musikforschung, Jahrgang V. S. 85 u. f. Ambros folgt der bisher allgemein angenommenen Ansicht, „daß die wehmüthige sanfte Hauptmelodie zu diesem Liede nicht wie sonst üblich in dem Tenor, sondern ungewöhnlicher Weise in der Oberstimme liege, weshalb auch diese als Isaac’s freie Erfindung, nicht für eine schon vorhandene und bekannte weltliche Liedweise anzusprechen sein dürfte“. Dieser Ansicht vermag ich mich nicht anzuschließen. Nach meiner Ueberzeugung liegt hier eine Ausnahme von der allgemein üblichen Art der älteren Liedbearbeitung nicht vor. Vielmehr ist dem Tenor der melodische Hauptgedanke übergeben, dem in Discant eine auf freier Erfindung beruhende Gegenmelodie, freilich von solcher Vollendung beigegeben ist, daß sie den eigentlichen Melodiekörper, wenn nicht völlig überstrahlt, so doch stark in den Hintergrund gedrängt hat. Und zwar stützt sich meine Ansicht vorzugsweise auf die letzte Zeile des Liedes, die im Discant eine mehr der Contrapunktik entnommene Cadenzirung in der typisch wiederkehrenden Schlußformel durch Vermittelung des Leitetones aufweist, wie sie bei einem alten Melodiekörper nirgends in dieser Weise wieder vorkommt, während der Schluß der Tenorstimme durch die Obersecunde des Grundtones dem Charakter der älteren Melodieführung durchaus besser entspricht. Dieses scheinbare Uebergewicht der Gegenmelodie über die ursprüngliche ist auch jedenfalls der Grund gewesen, warum die protestantische Kirche, die aus der weltlichen Liedcomposition einen großen Theil ihrer Gemeindeweisen nahm, nicht den Tenor zu dem Isaac’schen Liede, sondern die im Discant liegende Gegenmelodie dazu herausgriff. Ein Verhältniß, das sich übrigens öfters bei diesem Processe in ähnlicher Weise wiederholte, für welches ich nur statt vieler anderen das eine eclatante Beispiel des weltlichen Liedes: „Ich weiß mir ein Blümlein hübsch und fein“ etc. – „Ich hab mein Sach Gott heimgestellt“ etc. (s. Eislebener Gesangbuch von 1598) anführen will.

Daß das Lied: „Inspruck, ich muß dich lassen“, in seiner ursprünglichen Gestalt und Fassung zuerst in Forster’s großer Liedersammlung von 1539 (Tom. I. Nr. 36.) Aufnahme fand, dann später in Johann Hermann Schein’s Cantional von 1627 mit der geistlichen Umdichtung: „O Welt, ich muß dich lassen“, als Gemeindegesang der protestantischen Kirche, freilich mit Abstreifung [596] aller charakteristischen Eigenthümlichkeiten und Feinheiten der älteren weltlichen Liedcomposition wieder erschien, dann noch später meist mit dem Liede: „Nun ruhen alle Wälder“, verbunden wurde, dies sei nur beiläufig hier erwähnt.

Von dieser weltlichen Liedproduktion Isaac’s kann ich nicht scheiden, ohne die Stellung einigermaßen angedeutet zu haben, die unserem Meister in derselben zugewiesen werden muß. Der Tonsatz zum weltlichen deutschen Liede scheidet sich nämlich ziemlich scharf in zwei große Hauptgruppen. Die ältere Periode von der frühesten Zeit des mehrstimmigen Tonsatzes an (ca. 1450) bis ungefähr um die Mitte des 16. Jahrhunderts (ca. 1550) zeigt eine besondere Eigenthümlichkeit des architektonischen Baues auf, an welcher sie sich leicht erkennen läßt. Fast ausnahmslos weist er in irgend einer Stimme (meist im Tenor oder Contratenor) einen lyrisch aufgeführten, in sich abgeschlossenen, ohne melismatische Zuthat und Erweiterung versehenen Melodiekörper auf, der sich als rother Faden durch die übrigen Stimmen hindurchzieht, ohne diese an der thematischen Bearbeitung des Hauptmotivs besondern Theil nehmen zu lassen. Diese Kunstproduktion in ihrer reinsten Eigenthümlichkeit schließt mit dem Tode Ludwig Senfl’s (ca. 1550), welcher als deren letzter Vertreter bezeichnet werden muß, ziemlich jäh ab. Das italienische Madrigal, d. h. die auf freier Erfindung beruhende, nicht auf eine bestimmt ausgesprochene Tonweise gebaute Composition schiebt unser echt deutsches Nationaleigenthum endlich nach und nach (ca. 1570) gänzlich zur Seite. In der Liedcomposition von Le Maistre († 1566) und Ant. Scandellus († 1580) sind nur noch schwache Andeutungen an die ältere Compositionsweise zu finden. Der Tonsatz der zweiten Periode (von 1550 ungefähr an) zum weltlichen deutschen Liede unterscheidet sich von der ersten eben dadurch, daß er mehr durch den Symphonismus der Tonreihen wirkt, als durch eine abgeschlossene, lyrische, in einer einzelnen Stimme für sich selbst aufgeführte Melodie, wie sie das weltliche Lied der ersten Periode aufzeigt. – Unter den Künstlern nun, die mit dem deutsch-weltlichen Liede der älteren Periode sich beschäftigt haben, nimmt I. quantitativ nicht die erste Stelle ein. Sein hochbegabter Schüler Ludwig Senfl überflügelt ihn hierin um ein Bedeutendes, indem Senfl mit ungefähr 185 Liedbearbeitungen, I. dagegen nur mit der spärlichen Anzahl von 17 Liedern vertreten ist. Demnächst kommen Breitengraser mit ca. 20, Arnold v. Bruck mit etwa 28 Nummern, Paul Hoffheimer, Stephan Mahu, Sixt Dietrich, Matthias Eckel, Thomas Stoltzer, Matthes Greiter, Johann Müller, Johann Wannenmacher, Oswalt Reytter und andere mit weniger als 12 Liedern. Qualitativ stellt sich das Verhältniß freilich etwas anders. Hier kommen vornehmlich drei Künstlereigenschaften in Betracht, die für die Beurtheilung ausschlaggebend sind. Die Künstler gruppiren sich nach diesen Kunstbedingungen, je nachdem der Schwerpunkt ihrer Begabung nach dieser oder jener Seite neigt, mehr oder weniger in Melodiker, Harmoniker und Contrapunktiker. Keiner der obengenannten Künstler vereinigt alle drei Eigenschaften in höchster Potenz in einer Person in sich, wenn auch jeder dieser Tonsetzer keine dieser drei Eigenschaften gänzlich entbehrt. Es bewahrheitet sich auch hier der öfters in der Kunstgeschichte wiederkehrende Erfahrungssatz, daß nie oder nur äußerst selten ein Künstler im Besitze aller Kunstbedingungen gewesen ist. Er wird immer nur in einer oder der anderen Eigenthümlichkeit besonders groß und bedeutend sein. Nun ragt unter allen Künstlern, die der älteren weltlichen Liedproduction ihre Thätigkeit zugewendet haben, unser I. in einer dieser Eigenschaften riesengroß über alle seine Mitkünstler und Concurrenten hinaus, das ist in einer wunderbaren Melodik, in einer unerschöpflichen Erfindungsgabe herrlicher, lebensfrischer, tiefempfundener Liedmelodieen. In dieser Eigenschaft steht er unerreicht da, muß ihm selbst sein talentvoller Schüler, Ludwig Senfl, die [597] Palme lassen, so daß er wol mit Recht der Melodiker in specie genannt werden kann. Als Contrapunktist dagegen kann er sich mit seinem Schüler Senfl in keiner Weise messen. Denn dieser entwickelt gegenüber der höchst einfach angelegten Satzweise Isaac’s einen so großartigen Reichthum an geistreicher Motivverbindung und contrapunktischer Anlage, Verwebung und Verarbeitung, daß seine Composition nur in einer langen Reihe einzelner Tonsätze zu weltlichen Liedern sich gleichsam verkörpert darstellt. Man muß viele beisammen haben, um den contrapunktischen Faden, der hindurchläuft, zu erkennen. Zusammen bilden sie ein großes contrapunktisches System. Auch als Harmoniker kann unserem Meister in dieser Gattung nicht die höchste Stelle eingeräumt werden. In dieser Eigenschaft wird er von Andern, namentlich von dem Wiener Hoforganisten Paulus Hoffheimer, von dessen Tonsätzen schon seine eigenen Zeitgenossen behaupteten, daß sie alle kraftvoll seien (fervent et succulenta sunt omnia, sagt Luscinius) weit übertroffen.

So bilden diese drei Künstler, Hoffheimer als Harmonist, Senfl als Contrapunktist und I. als Melodist für unser deutsches Lied, unser ureigenstes Nationalgewächs eine Künstlertrias, wie sie in solcher Verbindung und Vollendung wol keine Nation aufzuweisen hat.

Trotz der außerordentlichen Begabung Isaac’s für die weltliche Liedcomposition liegt der Schwerpunkt seiner Thätigkeit dennoch nicht im weltlichen Liede, sondern in der Bearbeitung Gregorianischer Weisen, in der geistlichen Composition überhaupt. Schon die Anzahl seiner Werke ist hier erstaunenswerth, 58 Offizien, 46 Motetten, 33 Messen, 32 einzelne Messensätze, an Hymnen, Sequenzen und Prosen ca. 9 Nummern, darunter Sätze mit 3–12 Abtheilungen. Auch seine Zeitgenossen und Bewunderer scheinen diese Seite seiner Thätigkeit am meisten geachtet zu haben. Abgesehen von den allgemeinen Bezeichnungen, die sie ihm zu Theil werden lassen, wie er z. B. von Ott (eigentlich Formschneider, Grapheus) in der Vorrede zum Choralis Constantini: absolutissimus et consumatissimus artifex genannt wird, charakterisirt ihn Glarean, Dodecachordon, 1547 in der kurzgefaßten Künstlerbiographie schon weit schärfer und bestimmter. Die Stelle ist zu wichtig, um sie nicht wörtlich anzuführen: Sequitur haud imerito Symphonetas (sagt Glarean, S. 460.) jam dictos et arte et ingenio Henricus Isaac Germanus. Qui et erudite et copiose innumera composuisse dicitur. Hic maxime Ecclesiasticum ornavit cantum videlicet in quo viderat majestatem ac naturalem vim non paulo superantem nostrae aetatis inventa θήματα Phrasi, aliquanto durior, nec etiam sollicitus, ut consuetudini quid daret quam ut elimata essent, quae ederet. Id etiam voluptati duxit copiam ostendere maxime Phtongis in una quapiam voce immobilibus, caeteris autem vocibus cursitantibus ac undique circumstrepentibus, velut undae vento agitatae in mari circa scopulum ludere solent. Quod et Hobrechtum fecisse constat, quanquam alio quodam modo. Idem Isaac obscura quaedam, nec omnibus obvia composuit, qualis inprimis haec est Cantio ex Prosa de divae Virginis M. conceptione. In qua non tam probo aenigmaticam propemodum institutionem, cum aliis fere cantoribus communem, quam id per hunc etiam demonstratum esse, quod superius in hoc adeo libro ostendimus, nempe hanc novam artem nondum certis legibus ita constrictam, ut non cuivis Symphonetae aliquid liceret, quod ita manifestum medius fidius est, ut a nemine negari possit“. Die technische Seite der Kunstpflege schildert Glarean hiermit in wenigen knappen Zügen, wenn auch sein Urtheil über die Kunstleistung Isaac’s darin nicht ganz vorurtheilsfrei ist, wie es bei einem so gelehrten und strengen Theoretiker, der mit dem unerbittlichen Gesetzeshammer der musikalischen Grammatik das Wesen der Kunst behandeln und erfassen zu können wähnt, nicht [598] anders zu erwarten steht. Zunächst rühmt er den lebendigen, thätigen Antheil, den I. an der Verarbeitung des Gregorianischen Chorales bewiesen und genommen habe. Man war bisher gewöhnt, die künstlerische Verarbeitung des Cantus firmus als ein loses Spiel, als eine Art Hocuspocus des Contrapunktisten unter dem Vorwande musikalischer Licenz anzusehen. Allein sie ist, wo nicht das wichtigste, so doch eins der wichtigsten Motive musikalischer Technik, die durchaus nicht als Erzeugniß müßiger Laune und Willkür anzusehen ist. Der ältere Kunstgesang berechnete sich vielmehr auf einen fortwährenden Bestand Gregorianischer Weisen in seinem Mittelpunkte, in welchem ihm eine Einheit gegeben war, aus der sich eine reiche Mannichfaltigkeit seiner Form in aller Pracht entwickeln durfte. Die katholische Kirche hat an diesen Gesangsformen tausend Jahr gearbeitet und sämmtliche liturgische Sprachstücke damit belegt. Unter allen Produkten der katholischen Kirche ist dieser Gesang die eigenthümlichste, selbständigste, tiefsinnigste, großartigste Schöpfung – die vox verbi divini – die den frühesten Regungen künstlerischer Musikschöpfung die erste und wichtigste Grundlage gegeben hat. An der Bearbeitung des Gregorianischen Gesanges erhob sich der ältere Tonsatz zu seinen classischen Formen. Denn der Cantus firmus gab als fester Gesang dem Motett, der Antiphon zuerst greifbare Form und Gestalt. Was auf diesem Boden gewonnen ward, kam erst in zweiter Linie bei der Messe zur Verwerthung, allerdings nicht selten in der glänzendsten Weise. Wo es sich um Zeugung und Entwickelung contrapunktischer Formen handelt, wird aber nicht der Messe, sondern dem Motett, der Antiphon der Vorzug gebühren. Das Motett, der Spruchsatz, erscheint demnach in der zweiten Periode des älteren Musikstils als der eigentliche Träger kirchenmusikalischer Praxis; im Motett gewann die ältere Composition das Intensivste von Sinnenausdruck, von nachdrücklicher Betonung, was sie aufzuweisen hat. Das Motett wurde daher vorzugsweise die Aufgabe des jüngeren, das Preisstück des älteren Tonsetzers. Die drei in ihrer Selbständigkeit nur sehr kurzen Perioden bezeichnen sich in ihrem Werthe durch ihr Verhältniß zum Gregorianischen Gesang. Er überwog in der ersten, stand im Gleichgewicht in der zweiten und trat allmählich in den Hintergrund in der dritten. Dieser „ex visceribus“ entnommenen Gliederung wird sich die Geschichtsdarstellung schwerlich entziehen dürfen, will sie anders sachlich verfahren, wie ihr auch bei Ambros eine etwas schärfere Betonung hätte zu Theil werden müssen. Der Unterschied des Tonsatzes in diesen drei Hauptmassen älterer Composition stellt sich am augenscheinlichsten zwischen der ersten und zweiten heraus. Die Rhythmik erscheint in der ersten Hauptmasse noch spröde. Die Tonreihe selbst gliedert sich noch wenig schweift vielmehr in ungebundener, bisweilen sogar phantastischer Weise von Höhe zu Tiefe; dem üppig wuchernden Melisma sind noch nicht die Grenzen gesteckt, wie sie der spätere classische Tonsatz bedingte oder wie Glarean sich ausdrückt: nondum certis legibus ita constrictam (artem novam) ut non cuivis Symphonetae aliquid liceret. In der Modulation zeigt sich die strengste tonische Consequenz, die auf Grund der alten im Cantus firmus verborgen liegenden Tonarten oder Modi selbst in der Cadenz, gern mit einer gewissen Vorliebe und einem besonderen Wohlgefallen den Leiteton verschmäht und zu vermeiden sucht, ja wol gar durch absichtlich dazu gewählte Stimmenführung zur absoluten Unmöglichkeit macht. Daher die Schlüsse weit öfter in Moll, als im Durdreiklange erfolgen, wenn überhaupt die Terz zur Erscheinung kommt. Eine Tonverwandtschaft kommt fast nie oder nur höchst selten zum Ausdruck. Die Cadenz wird daher sehr häufig nicht durch die Dominante, d. h. den Durdreiklang, sondern durch den Molldreiklang auf der Quinte des Grundtones vermittelt (s. z. B. I., Schluß des Liedes: Mein Mütterlein, das fraget aber mich: ferner: I., Schluß des Tonsatzes: [599] Christ ist erstanden, 6 vocum, ferner: Pietre de la Rue, Schluß des Kyrie aus der Missa de sancta cruce, 5 vocum, Ambraser Sammlung). Die Dissonanz erscheint nicht als Accord auf der Dominante, sondern nur im Vorhalte und zwar im Vorhalte entweder der Septime vor Sexte oder der None vor der Octave oder endlich der Quarte vor der Terz. Mit besonderer Vorliebe treten auch beide Vorhalte gleichzeitig zusammen auf, nämlich 4–3 und 7–6 (der altdeutsche Tonsatz verbindet sogar alle drei zusammen, Benedict Ducis, Es wollt uns Gott, 4 vocum, Rhaw, 1544, Nr. 66, gedruckt, Notenbeilagenband Ambros, Nr. 34, a.), eine harmonische Eigenthümlichkeit, die dieser Periode vorzugsweise angehört, während sie sich in der classischen Zeit in die zwar flüssigere und weichere Tonverbindung von 7–6 allein auflöst oder zum Septimenaccorde selbst umwandelt. Die Verbindung des Cantus firmus mit dem Tonsatze, die mit dem Schmelzprocesse eines Edelmetalles die meiste Aehnlichkeit hat, erfolgt fast ausnahmslos in derselben Weise, wie beim ältern weltlichen Liede, so daß derselbe als lyrischer Melodiekörper in einer Stimme allein aufgeführt wird, um welchen die anderen Stimmen in freien Contrapunkten sich herumgruppiren, ohne an der thematischen Verarbeitung selbst viel thätigen Antheil zu nehmen. Um dem Tonsatze Gelegenheit zu größerer Breite zu geben, erscheint der Cantus Gregorianus nicht selten verlängert, verkürzt, in größeren oder kleineren Zwischenräumen, mit und ohne Pausen, auf- und niedersteigend, in Wiederholungen, öfter auf einzelnen besonders charakteristischen Tönen desselben liegen bleibend, ganz wie Glarean dies durch das Gleichnis; „eines Felsen im Meere“ auszudrücken versucht, um welchen die vom Winde aufgeregten Wasserwogen herumzuspielen pflegen“. Bei der außerordentlichen Fülle contrapunktischer Hülfsmittel, die den alten Tonsetzern zu Gebote stand, muß es auffallen, daß ein Kunstmittel, auf welches die Neuzeit mit Recht großen Werth legt, den Alten gänzlich unbekannt war. Das war der doppelte Contrapunkt, d. h. die Umkehrung zweier Motive miteinander, so daß die Oberstimme zur Unterstimme, die Unterstimme wiederum zur Oberstimme werden kann, ohne der harmonischen Correctheit zu nahe zu treten. Der doppelte Contrapunkt dieser Art war vielmehr ein weit späteres Erzeugniß und dürfte vor Swelingk’s Composition, d. h. ca. 1620 nicht nachweisbar sein. In der Zahl und Verbindung der verschiedenen Stimmen überwiegt der vier- und fünfstimmige Tonsatz alle anderen. In traditionellem Anschlusse an das altfranzösische Lied mit seiner fast durchgängigen Dreistimmigkeit, nimmt die dreistimmige Zusammenstellung, sei es in verschiedenen Stimmcharakteren, sei es in gleicher Stimmgattung („ad aequales“) nicht blos beim weltlichen Liede, sondern auch in der geistlichen Composition immer noch eine höchst ehrenvolle Stellung ein. Ich erinnere unter vielen nur an das kostbare Salve regina von Hobrecht, an die hochbedeutende Missa de beata virgine von Heinrich Finck, sowie an die weiter unten besprochene Motette: Illumina oculos meos von I., alle drei Compositionen größeren Umfanges nur für drei Stimmen geschrieben. Der sechsstimmige Tonsatz gilt mehr als Ausnahme meist für bestimmte locale Bedürfnisse, Zwecke und besonders festliche Gelegenheiten, die an Klangwirkung, Pracht und Glanz der Farbe erhöhte Forderungen stellten. Eine größere Stimmenanzahl kommt überall nicht vor. – Das waren im großen Ganzen die äußeren technischen Kunstmittel, die dem Künstler dieser Zeit für seine Gebilde zu Gebote standen. Je beschränkter diese an Zahl und ergiebiger Bedeutung waren, desto mehr mußte derselbe bedacht sein, sie durch innere Vorzüge melodischer und contrapunktischer Art zu ersetzen. Die Stärke der alten Composition ist daher nicht in der harmonischen Verbindung und Fülle, die in zweiter oder gar dritter Linie erst in Frage kam, als vielmehr auf jenem Gebiete zu suchen.

[600] Auch I. gebot nicht über einen größeren Kreis der Darstellungsmittel. Nur die geistreiche geniale Art und Weise, in welcher er dieselben zur Verwendung bringt, bestimmt den Werth seiner Kunstleistung. Dieser dürfte sich in keiner Compositionsgattung klarer und evidenter herausstellen, als auf dem Gebiete des Motetts, dessen wichtige Stellung im Formencyclus der musikalischen Kunstpraxis schon oben angedeutet wurde. In den 45–46 Stück Motetten, die uns bis jetzt von I. bekannt sind, hat er eine Fülle musikalischer Kunstfertigkeit und verschiedenartiger Stimmungsbilder niedergelegt, die den ganzen Cyclus menschlicher Empfindungen damit erschöpfend darstellt. Unter diesen will ich nur zwei Stücke vorzugsweise hervorheben, die durch den innerlichen Gegensatz, den sie nach Anlage und Ausarbeitung aufweisen, die hohe Begabung Isaac’s ins hellste Licht zu setzen und von der Compositionsgattung selbst den besten Begriff zu geben vermögen. Dies ist einmal das Motett: Illumina oculos meos zu 3 Stimmen in zwei Abtheilungen und zweitens das Motett: Virgo prudentissima zu 6 Stimmen, ebenfalls in zwei Abtheilungen. Beide haben in dem Notenbeilagenbande von Ambros’ Musikgeschichte Aufnahme gefunden, wo sie zur Beurtheilung des Gesagten nachgelesen werden können. Das erste Illumina oculos meos (Manuskript der Proske-bischöflichen Bibliothek zu Regensburg) ist ein kleines Meisterstück von höchster Vollendung, das ohne Zweifel der reifsten Zeit des Meisters angehören muß, da es schon alle Kennzeichen und Vorzüge der späteren classischen Periode (circa 1540–1590) an sich trägt. Einfachheit und Klarheit des Satzes, ausdruckvolle gesangreiche Tonreihe, schöne Phrasirung und Gruppirung derselben, die das Melisma auf das denkbar kleinste Maß beschränken, ohne dem natürlichen Flusse der Bewegung irgendwie zu nahe zu treten, feinsinnige Verwerthung der Motive zu kleinen kurzen Imitationen, edle Klangwirkung, Gleichgewicht aller Stimmen – alle diese Vorzüge, in deren Besitz nur eine lange harte Schule der Kunstübung zu setzen vermag, erheben dieses Stück zu einer der vollendetsten Leistungen unsers Meisters. – In ganz anderer Weise ist das an zweiter Stelle genannte Motett: Virgo prudentissima, 6 vocum, gehalten. Schon die Verlegung des Ritualmotivs nach älterem Stile in den Tenor, der einer Riesensäule gleich das ganze Gebäude stützen und tragen soll, zeigt den wesentlichen Unterschied dieses an Maximilian I. gerichteten Kaisermotetts. Farbenglanz, Masseneffect, Pracht der Klangwirkung, absichtlich gesuchte Contraste müssen der Hauptsache nach die Stelle der feinern Detailkünste vertreten, die mehr zur Vermittelung von Gegensätzen als um ihrer selbstwillen verwendet werden. So führt er gleich zu Anfang ein längeres canonartiges Zwiegespräch, das sich aus Motiven des cantus firmus zusammensetzt, erst zwischen den beiden Discantstimmen, dann in den beiden Unterstimmen einer Verkündigung gleich ein, um den Eintritt des Hauptmotivs im Tenore, der von allen Stimmen im Vollklange begleitet wird, bedeutsam vorzubereiten und mächtig hervorzuheben. Der Contrast zwischen der zweistimmigen feingegliederten Episode und dem plötzlichen Eintritte aller in imposanten Accorden einfallenden Stimmen, welchen der in Spannung lauschtede Zuhörer gar nicht mehr erwartet, ist wahrhaft berauschend. Bei der Bitte für den Kaiser, sowie bei dem Flehen um Erbarmen Summe pater, miserere nostri peccata remitte: vereinigen sich höchst ausdrucksvoll alle Stimmen in langverhallenden, breit dahinströmenden Accorden, an die sich bei den Worten: „vivens tecum“ der glänzend bewegte, schwungvolle Schlußsatz mit dem prachtvollen auf dem Schlußtone des Ritualmotivs im Tenor gebauten, über 15 Tacte sich erstreckenden Amen mit dem phantastischen Spiele auf den Silben „ut sol“ erhebend anschließt. Wenn Ambros diesem, sowie noch einem zweiten, ebenfalls 6stimmigen großartigen Stücke einen „monumentalen“ Charakter beizulegen nicht umhin kann, so ist er es nicht allein, der auf die Bedeutung dieser 6stimmigen Arbeiten unsers Meisters namentlich hinweist. [601] Schon Luscinius in seiner Musurgia (pag. 94) sagt von ihm ausdrücklich, daß er in der Verbindung von 6 Stimmen die größte Stärke besitze: „Henricus Issac plurimum in sex vocibus coacervandis valuit.“

In weit großartigerem Maßstabe noch als in den einzelnen Motetten trat jedoch I. in die Verarbeitung des Gregorianischen Chorales ein durch die Ausarbeitung eines großen liturgischen Werkes, das den künstlerischen Bedarf für das ganze Kirchenjahr zu decken bestimmt war. Es ist unter dem Namen „Choralis Constantini“ allgemein bekannt. Daß ein so breit angelegtes, systematisch geordnetes Werk nur der Amtspraxis seine Entstehung zu danken habe, ist nicht recht glaublich. Die Annahme, daß Kaiser Maximilian unserm Meister bei seiner Rückberufung aus Florenz mit dieser der Begabung Isaak’s so entsprechenden Arbeit betraut habe, läßt sich zwar durch Nichts authentisch nachweisen. Dennoch liegt sie sehr nahe. Schon der Umstand, daß das durch Isaac’s Tod unterbrochene Werk von dessen Schüler Ludwig Senfl „auf Verfügung des Kaisers“, wie eine Stelle (… postea a gratissimo discipulo Ludovico Senflio ejusdem Caesareae majestatis judicio in defuncti praeceptoris locum adoptato …) in der Aufschrift des Manuscriptencodex in München ausdrücklich bemerkt, weiter fortgesetzt und vollendet wurde, spricht einigermaßen dafür. Ob das große Psalterium, das von dem deutschen Componisten Wolfgang Grefinger nach dem ritus pataviensis bei Winterburger 1512 in Wien erschien, in näherer Beziehung zu dem fraglichen Officienwerke von I. steht, kann erst eine genaue Untersuchung und Vergleichung beider ziemlich gleichzeitiger, sich gegenseitig bedingender und ergänzender Werke darthun. Das Werk von I. blieb bis zum Jahre 1550 Manuscript und wurde von Ludw. Senfl’s Copisten um 1531 in mehrere Codices (No. XXXVIII (59), No. XXXVII (60), No. XXXVI (61), No. XXXV (62), No. XXVI (63), No. XXIX (68) eingetragen, die noch jetzt in München auf der königlichen Bibliothek aufbewahrt werden. Erst später im J. (1550 bis circa 1555) wurde es anfänglich von dem Nürnberger Buchdrucker Johann Ott, dann nach dessen Tode von Hieronymus Formschneider auf Kosten des Augsburger Buchhändlers Georg Witler, der das Originalmanuscript Isaacs um großen Kostenpreis erworben hatte, wie die Dedication zum zweiten Theile an Jacob Fugger ausdrücklich besagt, unter folgendem Titel gedruckt: „Henrici Isaaci, Tom. I. II. III. Coralis (sic) Constantini (ut vulgo vocant) opus insigne et praeclarum vereque coelestis harmoniae, authore nunquam satis laudato Musico Henrico Isaac divi quondam Maximiliani Symphonista Regis Opus inquam illustris Isaci, officina dignum et propter compositionis artificium et cygneam venustatem adeo et ex foecundissimo tanti artificis pectore vere emanasse videatur, quatuor vocum. Tom. I. Dominica a Trinitatis usque Advent. Domen. Tom. II. cont. part. prim. Historiarum de Sanctis, quae diebus festis in templis canunt. Tom. III. De Sanctis. Norimbergae, Hier. Formschneider, 1550 (bis circa 1555). 4°. Das Werk besteht aus sogenannten Officien, d. h. liturgischen Stücken ohne die Messe, die für sich stand, auf das ganze laufende Kirchenjahr. Jedes Officium gliedert sich in der Regel a) in den Introitus, b) in das Graduale mit Alleluja, c) in die Sequenz und d) in die Communio. Doch sind von I. nicht immer alle diese vier Stücke vollständig ausgearbeitet, sondern die fehlenden von seinem Schüler Senfl nachgeliefert worden. Trotzdem bleibt die Arbeit noch eine colossale, wenn man in Betracht zieht, daß einzelne dieser Stücke oft mehr als zwei, ja die Sequenzen mitunter bis zu zwölf Abtheilungen enthalten. Sämmtliche Stücke sind wie schon der Titel besagt, auf den Gregorianischen Choral gesetzt, der in der Regel in der Baßstimme, seltener in der Oberstimme liegt. Sie sind ohne Ausnahme zu 4 Stimmen gesetzt, was für die praktische Bedeutung und Verwerthung des Werkes im Gottesdienste, selbst bei einem so reich besetzten Vocalinstitute, wie der kaiserlichen Hofcapelle [602] deutlich spricht. Die Aufnahme des Gregorianischen Chorales nöthigte den Componisten unwillkührlich zu einer contrapunktich thematisch imitatorischen Schreibweise, da die Schwere und eigenthümliche vocale Führung des ursprünglich auf Einstimmigkeit berechneten Cantus Gregorianus das gleichzeitige accordische Fortschreiten aller Stimmen nur in seltenen Fällen, wie z. B. in einzelnen Stellen der Sequenzen zu einer künstlerischen Wirkung geführt haben würde. Vorausnahme und Nachfolge der Motive, thematische Einführung der einzelnen Stimmen, kürzere wie längere Imitationen, um die charakteristischen Wendungen des Gregorianischen Chorales nach allen Richtungen, in dem verschiedensten Stimmengeflechte und in stets neuer Farbenbeleuchtung dem Zuhörer aufs Nachdrücklichste zu Gehör führen: das sind hier die Bedingungen, die dem Künstler Gelegenheit gaben, seine Meisterschaft in der Contrapunktik und der Motivverbindung zu zeigen. Diese Aufgabe steigert sich noch bei denjenigen Gregorianischen Tonweisen, die durch ihre ursprüngliche Kraft tiefernste beinahe düstere Stimmung, durch die specifische Schwere ihres melodischen Gefüges der mehrstimmigen Behandlung beinahe unbesiegbare Schwierigkeiten entgegenbringen, wie dies z. B. bei dem gewaltigen Osterintroitus: Resurrexit der Fall ist. Am deutlichsten offenbart sich Isaac’s Kunst des Tonsatzes, wenn man zwei oder mehrere Bearbeitungen zu einer und derselben Gregorianischen Weise vorliegen hat, wie z. B. die beiden Weihnachtsintroiten: Puer natus est: die auch Rhaw (Notenbeilagenband zu Ambros, No. 40, a und b, S. 341 etc.) 1545 aufnahm. Schon die Einführung des Motivs | g. d. | e. d. | in den verschiedenen Stimmen, einmal in rascher Aufeinanderfolge von Tenor, Baß, Alt, Discant, in heftigen Schlägen, Tact um Tact, das andere Mal paarweise erst Discant und Alt, Duo in Canonform, etwas später Tenor und Baß mit demselben zweistimmigen Canon, in der Octave aber vierstimmig, kann von der Kunst des Meisters bei der Behandlung dieses gewiß nicht sehr gefügen Stoffmaterials einen ungefähren Begriff geben.

Reizende Tonstücke, meist in knappester Form sind die Allelujasätze, welche der Epistelvorlesung folgen. Auch von diesen hat Rhaw 1545 einige aufgenommen. Drei derselben finden sich auch in dem Notenbeilagenbande zu Ambros, No. 40, c. d. und e. In einfachstem Tonsatze, beinahe nur nota contra notam, mit kurzen, fein ausgesponnenen Imitationen, die im engsten Anschluß an das Ritualmotiv des Alleluja stehen, fließen diese herrlichen Sätzchen in einer meisterhaften Sicherheit und einem süßen Wohllaut dahin, daß sie Erzeugnisse weder einer so frühen Zeit (Anfang des 16. Jahrhunderts), noch eines deutschen Meisters zu sein scheinen.

So zeigt sich I. der großen wie der kleinen Form in hohem Grade mächtig. Proske hat das ganze Werk in Partitur gebracht, die noch jetzt in der bischöflichen Bibliothek zu Regensburg aufbewahrt wird. Aus dem Urtheile, welches er darüber fällt (siehe Vorrede zu Musica divina S. XV) spricht zwar die höchste Anerkennung, indem er es „eines der allerkostbarsten Denkmale musikalischer Vorzeit nennt, das einen Schatz der lehrreichsten Muster für Studien des Gregorianischen Chorales und des figurirten Contrapunktes in sich schließt“. Doch will es mir scheinen, als ob dieses ächt deutsche Nationalwerk, das erste in größerem Maßstabe und Stile angelegte kirchlich-liturgische Werk von einem unserer frühesten deutschen Tonsetzer von namhafter Bedeutung auch in lebendige Beziehung zur Gegenwart zu bringen und noch höheren Zwecken als blos zu einem Studienwerke für Kunstjünger zu dienen, in vollstem Maße geeignet sei.

Eine eigenthümliche Stellung nehmen die Messen Isaac’s ein. Es sind deren sieben zu 6 Stimmen, acht zu 5 Stimmen und 18 oder (- je nachdem die Messe im Halberstädter Manuscript sich als eine schon vorhandene und bekannte [603] ergiebt oder nicht, was noch nicht ermittelt ist –) 19 Messen zu 4 Stimmen. Dieses ganze ungeheure Tonmaterial, das durch die Veröffentlichung des Manuscriptencataloges von Jos. Maier vor nicht gar langer Zeit (1879) nicht unerheblich vervollständigt worden ist, wird erst näherer Prüfung unterzogen werden müssen, bevor ein umfassendes Urtheil möglich wird. Selbst Ambros, der sich doch eingehender gerade mit den Messen Isaac’s beschäftigt hat, kannte beinahe ein Dritttheil noch nicht, denn er führt nur 14 handschriftliche und zehn gedruckte Messen von I. an, während die Gesammtzahl jetzt schon 34 beträgt. Ob damit der wirkliche Thatbestand erreicht ist, muß die Zukunft lehren. Soweit dieselben nun einen Ueberblick gewähren, gliedern sie sich in zwei große Gruppen, in Messen mit Verwendung des Cantus Gregorianus und in Messen zu weltlichen Liedern. Die weitaus größere Hälfte fällt der ersten Gruppe zu, nämlich 25 (resp. 26), das letzte Viertheil, nämlich 8 Stück, der mit weltlichen Liedern versetzten Mischgattung. Aus der ersten Gruppe sind die beiden Messen: Salva nos und O praeclara zu 4 Stimmen besonders hervorzuheben. I. entwickelt in diesen alle Künste und Spitzfindigkeiten des Satzes und der Contrapunktik in solcher Meisterschaft, daß er in der spielenden Bewältigung der schwierigsten Satzprobleme von keinem Meister der niederländischen Schule übertroffen wird. So baut I. die ganze Messe: O praeclara auf ein Hauptmotiv (la, sol, la, mi), das er in allen möglichen rhythmischen Bildungen, in allen möglichen harmonischen Combinationen erscheinen läßt. Ist es in einer Stimme verklungen und scheinbar auf Nimmerwiedersehen verschwunden, so taucht es in einer andern unverhofft wieder auf. Ambros nennt daher diese Compositionsweise, die selbstverständlich eine unerschöpfliche Erfindungsgabe voraussetzt, in sehr bezeichnender Weise „ein höchst phantastisches, kaleidoskopisches Formenspiel“. Um sich von der contrapunktistischen Ergiebigkeit und Tragweite des Motivs einen Ueberschlag zu machen, scheint I. freilich zuerst eine Art Vorstudie zu dieser Messe ausgearbeitet zu haben, nämlich das Motett: Rogamus te piissima virgo, das auf dasselbe Motiv gegründet, mit allen seinen Theilen von ihm in die Messe als Patrem aufgenommen wurde. – In ähnlicher Weise ist die zweite Messe: Salva nos gehalten, welcher im Et incarnatus est die kirchliche Intonation: Flectamus genua, levate eingeflochten ist, nur daß ihr ein Zug von feierlichem Ernste beigegeben ist, der durch hin und wieder eingestreute mächtige Stellen, wie beim Schlusse des zweiten Kyrie vornehmlich erzeugt und gestützt wird.

Das beinahe älteste Kunstmittel, dessen sich die Künstler seit der frühesten Zeit stets mit Erfolg bedient haben, nur in einer Stimme ein Motiv unausgesetzt, in größeren oder kleineren Zwischenräumen, sei es mit, sei es ohne Verlängerung oder Verkürzung, zur Erscheinung zu bringen, wie z. B. Andreas de Sylva es im Discant seiner Messe: Malheur me bat oder Matthes Greiter in dem vierstimmigen Liede: Ich stund an einem Morgen (siehe Ambros, Notenbeilagenband No. 42), im Baß, Johann Seb. Bach in dem Crucifixus der H-moll-Messe thut, hat auch I. schon zu der der ganzen Messe: Una musque de Biscaya mit ungemeiner Geschicklichkeit verwendet.

Bei den Messen zu weltlichen Liedern, die in der vortridentinischen Zeit namentlich vom letzten Viertel des 15. bis in die ersten zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts stark im Gebrauch waren, ist wohl zu beachten, daß nicht Frivolität, Gedankenlosigktit, Ungeschmack, oder wol gar tiefe Entartung der kirchlichen Tonkunst die Factoren zu dieser höchst eigenthümlichen Erscheinung abgegeben haben. Die eigentlichen Gründe dazu sind von Ambros (Tom. III. S. 32 etc.) so trefflich erörtert worden, daß ich hier nur darauf verweisen kann. Diejenige Messe dieser Gattung, welche gewissermaßen das Princip in äußerster [604] Consequenz auf die Spitze treibt, ist jene Missa carminum, die I. aus lauter weltlichen Liedmotiven zusammengestellt hat. Diese Quodlibetmesse enthält zum Theil sehr reizende volksthümliche Lieder, wie auch im Christe das schon oben erwähnte: „Inspruck ich muß dich lassen“, Aufnahme gefunden hat. Zwei andere dieser ansprechenden, an böhmische Tanzmelodien lebhaft erinnernden Liedmotive daraus giebt Ambros (Tom. III. S. 390). Diese Messe legt abermals von der schon angedeuteten Vorliebe und Begabung Isaacs für das weltliche Lied nicht allein, sondern für die Erzeugung melodischer Gedanken überhaupt beredtes Zeugniß ab. Fast überall spricht sich diese herrliche Gabe in seiner Tonreihe, die für die Beurtheilung des älteren Tonsatzes fast von ausschlaggebender Bedeutung ist, auf das Deutlichste aus. Einzelne Stellen seiner Compositionen, namentlich in der Tenorstimme, müssen geradezu als Muster einer schönen, ausdrucksvollen, gesangreichen, edlen Melodieführung bezeichnet werden. Ich erinnere unter vielen nur an die herrliche Stelle in einem Alleluja aus seinem Officienwerke (siehe Ambros, Notenbeilagenband S. 349, System II, Tact 8–14) im Tenore auf das Wort: Alleluja. Und das ist noch keine der hervorragendsten.

Muster- und Meisterwerke contrapunktisch-thematischer Arbeit sind wiederum die beiden Messen: „Comme femme“ und „Frölich Wesen“. Wenn Ambros von dieser letzteren meint, daß sie specifisch niederländische Züge, wie z. B. die Harmoniesequenzen des Crucifixus, der langsam und breit aufsteigende Baß beim tertia die, eine an Doppelgängerei streifende Aehnlichkeit mit Josquin aufzeige, so daß in der gleichzeitigen deutschen Musik schwerlich ein Seitenstück nachzuweisen sein möchte, so ist dagegen zu erinnern, daß dieses Verhältniß wohl im umgekehrten Sinne aufzufassen sei. I., der ältere Zeitgenosse am florentiner Hofe hat wol schwerlich dem jüngeren Künstler nachzueifern gesucht, sondern der jüngere Josquin wird weit folgerichtiger dem älteren, erfahrenern Künstler von solcher Bedeutung gefolgt sein. Diese Anschauung führt freilich zu Consequenzen, die das Uebergewicht der Niederländer zu Gunsten des deutschen Künstlers stark zu erschüttern im Stande sein könnten. Ja es entsteht sehr die Frage, ob bei der Entwickelung dieser Satzeigenthümlichkeiten nicht dem älteren I. ein größerer Antheil wird zugewiesen werden müssen, als dem etwas jüngeren Josquin des Près, der immer als Bahnbrecher auf dem Gebiete des mehrstimmigen Kunstgesanges, dem die Melodik die ersten namhaften Fortschritte verdanke, bezeichnet wird. Mindestens wird der ältere deutsche Tonsetzer I. auf dem Gebiete der Melodik wie auf dem der Contrapunktik seinem jüngeren Zeitgenossen, dem Niederländer Josquin, in keiner Weise nachstehen, wenngleich der letztere an europäischer Berühmtheit ihn weit überstrahlt.

Wie dem aber auch sei, soviel steht wol fest, daß wir in Isaac’s Messen nicht die hervorragendste Leistung unseres Meisters zu suchen haben werden, so interessante Seiten sie dem Specialstudium auch bieten. Muß doch Ambros, welcher der Messe überhaupt, wenn auch irrthümlicher Weise, die erste Stelle in der Compositionsmasse einräumt, selbst eingestehen, daß man mehr in der Werkstatt des großen Meisters im Tonsatze sich befände, als in der Tempelhalle, die den Künstler und seine Werkstätte vergessen ließe. Die archaistische Strenge einzelner Stellen oder wie Glarean von I. wol etwas zu hart urtheilt: aliquanto durior (Isaac), nec etiam sollicitus ut consuetudini quid daret, quam ut elimata essent, quae ederet, läßt die andern darin niedergelegten Schönheiten zwar nicht völlig rein und ungetrübt erscheinen, vermag aber nicht die künstlerische Leistung im Wesentlichen zu beeinträchtigen. So steht I. auf allen Zweigen der damaligen Kunstpflege[WS 7] sowol in der weltlichen Liedcomposition wie in der Behandlung des alten Gregorianischen Chorales zum geistlichen Tonsatze nicht allein in Deutschland, sondern in der ganzen Kunstwelt unerreicht da. Seine mit solchem [605] Fleiße, Talente und solcher Begabung gepaarte reiche Künstlerwirksamkeit hat daher nicht ohne den größten Einfluß auf Mit- und Nachwelt bleiben können. Für die Folgezeit und die weitere Entwickelung unserer ächt nationalen deutschen Kunst hat er insbesondere dadurch ein unsterbliches Verdienst sich erworben, daß er einen Künstler und Schüler bildete und hinterließ, dessen Verdienst nicht allein darin besteht, das unvollendet gebliebene Werk seines Lehrers ergänzt und vollendet zu haben, sondern der vorzugsweise als der geistige Träger und Vermittler die eigenartige Kunstrichtung Isaac’s auf die jüngere Generation deutscher Tonsetzer übertrug und verpflanzte. Zu dieser Gruppe deutscher Tonsetzer, deren Wirken theils unmittelbar mit, theils nur wenige Zeit nach I. in Deutschland zu setzen ist, gehören außer dem schon genannten Ludwig Senfl zunächst Arnold von Bruck, Stephan Mahu und Thomas Stoltzer, Meister, deren Namen in erster Reihe glänzen. Wol berechtigt ist daher die Schlußfolgerung von einer deutschen Tonsetzerschule und Gruppe zu sprechen, deren Anfänge und Wurzeln auf unsern Meister zurückführen, weswegen derselbe mit vollem Rechte als der Stifter und Gründer derselben, als der Stammvater der ganzen deutschen Tonkunst zu bezeichnen ist.

So bleibt denn nichts weiter übrig, als dieser lückenhaften Lebensskizze, zu welcher die Unterlagen noch so äußerst mangelhaft vorhanden sind, daß wir nicht einmal den Ort anzugeben im Stande sind, wo dieser hochbegabte Tonkünstler zur letzten Ruhe eingegangen ist, das Verzeichniß seiner zahlreichen Werke, nebst dem Orte der Aufbewahrung beizufügen. Dasselbe kann der heutigen Kenntniß nach wol für vollständig gelten. Ob fortgesetzte Studien nicht neue Angaben zu Tage fördern sollten, ist nicht nur wahrscheinlich, sondern auch sehr wünschenswerth. Denn es bedürfen eine Menge Umstände noch der Aufklärung, die hier noch unerörtert bleiben mußten, unter welche ich die etwas räthselhafte Angabe über das Manuscript des Christ Church College zu Oxford mit dem geistlichen Drama in erster Linie rechne. Eine chronologische Ordnung aufzustellen, war factisch unmöglich. Ich habe daher nur stofflich die Werke ordnen können, und dabei die Reihenfolge festgehalten, wie sie die Lebensskizze selbst einhält*). Doch kann ich diese Zeilen nicht schließen, ohne dem lebhaften Wunsche Ausdruck zu verleihen, daß eine Gesammtausgabe seiner sämmtlichen Werke wol das schönste Denkmal sein würde, welches die deutsche Nation diesem ersten deutschen Tonsetzer von einflußreicher Bedeutung und kosmopolitischer Bildung zu errichten schuldet.

A. 48 weltliche Lieder:

a) Ein Lied ohne Text (5 vocum) Maglibecchiana in Florenz, cod. mscr. 59 Nr. 164 (gedruckt im Beilagenbande zu Ambros’ Musikgeschichte Nr. 41, b).
b) 9 Lieder mit italienischem und französischem Text (4 vocum).
Tmeiskin, Petrucci[WS 8], Odhecaton. 1501 fol. 29.
La piú bella di questa. (Loblied auf Florenz.) Maglibecch. cod. mscr.
Donna di drento della tua casa. Doppellied mit Fortuna d’un gran tempo. Maglibecch. cod. mscr. 59 Nr. 150. Gedruckt Beilagenb. zu Ambros Nr. 41, a.
Maudit soit cil qui trova jalousie. vollst. Text l. c. Nr. 149.
Jai pris amours. Petrucci. Canti cento cinquanta. 1503, fol. 41.
Et je bois dautant. Maglibecch. cod. mscr. 59 Nr. 252.
Mon père ma donne mari, l. c. fol. 3.
Helas gerôs l. c. fol. 1.
Par un jour de matinée. Petrucci, Canti cento cinqu. 1503 f. 77.
[606] c) 15 Lieder mit deutschem Texte (4 voc.).
Wann ich des Morgens früh aufsteh. Ott, 115 Lieder 1544 Nr. 14. München, cod. mscr. 209 fol. 75.
Ich stund an einem Morgen. 7 Strophen. Ott l. c. Nr. 73. München, l. c. fol. 70.
Kein Ding auf Erd’ mich freuen thut. Forster I. 1539 Nr. 79; München l. c. fol. 8 (3 Str.).
Mich wundert hart, wie ich der Fahrt. 3 Str. Ott l. c. Nr. 33. München l. c. fol. 7.
O werthes Glück mein Aufenthalt. 3 Str. Ott l. c. Nr. 2.
Freundlich vnd mild, zart reines Bild. 3 Str. Ott l. c. Nr. 72. Oeglin 1512 Nr. 33.
O weiblich Art, hart trübst du mein Herz. Forster I. 1539 Nr. 108. Newsiedler, 1536.
Ach was will doch mein Herz damit. 3 Str. Ott l. c. Nr. 1.
Es hatt ein Baur ein Töchterlein. l Str. Ott l. c. Nr. 46.
Mein Mütterlein das fraget aber mich. 1 Str. Ott l. c. Nr. 39.
Mein Freud allein in aller Welt. 3 Str. Ott l. c. Nr. 3. Kriesstein, Cantiones ultra centum, 1540, Nr. 77.
Inspruck ich muß dich lassen. Forster I, 1539, Nr. 36.
Erkennen thu mein traurigs gemüt. Forster I, 1539 Nr. 81.
Greiner, Zauner, Schnöpsitzer. 1 Str. Ott l. c. Nr. 44.
Zwischen Berg vnd tiefem Thal … Oeglin, 1512, Nr. 3, anonym, Wien, k. k. Hofbibliothek, ms. 18 810, Nr. 31 mit henricus Yzaac.
d) 3 Lieder ohne Text. (4 voc.). Maglibecch. l. c. Nr. 17. 140. 175.
e) 9 Lieder mit französ. u. ital Texte, 3 vocum.
Le Serviteur. Maglibecch, l. c. Nr. 259.
Jai pris amours l. c. Nr. 7. Mit einer Strophe Text.
Martinella l. c. Nr. 194.
Helas qui devera mon coeur l. c. fol. 5.
Helas, je suis maris, Petrucci, Odhecaton, 1501, fol. 35.
Tartara. Petrucci, Canti centocinqu., 1503 fol. 137.
Fammi una grazia amore. Cod. mscr. da Pergamêna Basevi in Florenz.
La Morra. Formschneider (Grapheus) 1538 Nr. 29.
Filles vous avez malgarde. Cod. cartac. Basevi Nr. 43.
f) 2 Lieder mit deutschem Text. 3 vocum:
Die brünnlein die da fließen. Petrejus, Tricinia, Nürnb. 1541 Nr. 28.
All mein mut. l. c. Nr. 12.
g) 9 Lieder ohne Text. 3 vocum. Maglibecch. l. c. Nr. 9. 11. 13. 15. 17. 140. 232. 251. 255. Eins derselben in Ambros, Notenbeilagen, Nr. 41, d.

B. Motetten.

a) 5 Motetten 6 vocum:
Angeli archangeli. Super: Comme femme. Maglibecch. cod. m. 58 (im Frühjahr 1873 von mir aufgefunden).
Optime divino da te munere pastor. Sec. pars: Vobis religio. Wyrsung, Lib. select. cant. 1520 fol. 2. – Ott 1538 Nr. 3.
Qui paracletus diceris. Thesaurus Joannes Montanus 1564. Nr. 32.
Spiritus sanctus in te descendet, l. c. Nr. 33.
Virgo prudentissima quae pia. Wyrsung l. c. fol. 23. Mit verändertem Text: Christus filius Dei. Sec. pars: Ergo te Deum, Montanus 1558. Novum et insigne opus mus. Ott Nr. 58; dann auch Ott, Sec. tomus novi operis mus. 1538 Nr. 4. Gedruckt in Ambros, Notenbeilagenband, Nr. 39, a.
b) 7 Motetten 5 vocum:
Erubescat Judeus. Zacconi, arte practica 1596 tom. I. p. 126 (auch unter Senfl angeführt).
Hodie scietis quia veniet, Petrucci, Motetti a cinque, lib. I. 1505 (k. k. Hofbibliothek in Wien, ohne Quinta vox).
Inviolata integra et casta. Petrucci 1505 l. c. lib. I. Nr. 7.
O decus ecclesiae. Petrucci 1505. l. c. Nr. 6.
Recordare Jesu Christe. Clem. Stephani Buchav., Cantiones triginta 5. 6. 8. 12 et plurium vocum etc 1568 Nr. 15.
Antiphon Regina coeli. München cod. mscr. 71 fol. 192.
Rogamus te piisima virgo. Petrucci 1505 l. c. ohne Namen. Codex Basevi in Florenz mit h. Yzaac bezeichnet.
c) 25 Motetten 4 vocum.
Loquebar de testimoniis. Glarean, Dodecach. 1547 p. 330. Prioris usus Lydii exemplum.
[607] Ave sanctissima Maria. Sec. pars: Tu es singularis; tertia: Ora pro nobis Hiesum Wyrsung, 1520 fol. 204.
Judaea et Jerusalem. II. p.: Cras egrediemini. III. p.: Constantes. Petrejus, modulationes, 1538 Nr. 15.
Accessit ad pedes. II. p.: Et osculatus est. III. p.: Dimissa sunt. Petrejus 1538 l. c. Nr. 9.
O Maria mater Christi. II. p.: Ave domina deitatis. III. p.: O jocunda tu es Aaron. IV. p.: Ave sanctissima. Wyrsung 1520 fol. 234.
Sustinuimus pacem. Maglibecch. Cod. 58.
Alma redemptoris mater. l. c.
Ave ancilla trinitatis. l. c.
Prophetarum maxime. II. p.: Concede nobis tuas. Wyrsung 1520 fol. 220. Auch Maglibecch. Cod. 58.
Anima mea liquefacta. II. p.: Invenerunt me custodes. III. p.: Filiae, Hierusalem Glarean, Dodecach. 1547 p. 348.
Virgo prudentissima. Ott, Nov. et ins. op. mus. 1537 Nr. 87. Montanus, Magn. op. mus. 1559 III. p. Nr. 21. Gedruckt in Ambros’ Notenbeilagenband Nr. 39, b.
Credidi (Ps. CXV) II. p.: Quod retribuam Domino. Petrejus, Psalmor. select. tom. II. 1539 Nr. 14.
Benedic anima mea Domino (Ps. CIII) 3 partt. Petrejus l. c. Nr. 7.
Veni sancte spiritus. Egenolf, Geminae undevigenti odarum etc., Frankf. 1551. Nr. 41.
Parce Domine populo tuo. Rhaw, Symphoniae juc. 1538 Nr. 46.
Nil prosunt lachrumae. Rhaw, l. c. Nr. 50.
In illo tempore cum esset desponsata. Montanus, Evangelia 1554. Nr. 1.
Quae est ista, quae processit. Maglibecch. Cod. 59
Quis dabit capiti meo. Maglibecch. Cod. 58 Nr. 44. (Die oben im Text besprochene Monodie des Angelo Politiano auf den Tod Lorenzo’s von 1492. Denselben Text mit Abänderungen im zweiten Theil verwandte Mouton zu einem Trauergesange auf den Tod der Königin Anna von Bretagne[WS 9] (1513) cf. Magn. op. etc., Montanus u. Neuber 1559 Tom. I. Nr. 12 u. Ambros III. S. 50.)
Quis dabit pacem. Maglibecch. Cod. 58.
Argentum et aurum. München, Cod. m. Nr. 42 fol. 72.
Tulerunt Dominum meum. II. p.: Scio enim quod redemptor meus vivit. III. p.: Reposita est haec spes mea. Glarean, Dodecach. 1547 p. 314 (im Verzeichn.: Threni Magdalenes, quidam Issac adscribunt).
Tota pulchra est. II. p.: Flores apparuerunt. Glarean l. c. p. 268.
Ave regina. „Ysaac de manu sua“. Mscr. der Halberstädter Bibliothek (Fétis im Artikel Isaac. 1862 S. 401. Nach gütiger Mittheilung des Musikdirectors Held und des Gymnasialdirectors Schmidt in Halberstadt findet sich dies Mscr. weder in der Gymnasialbibliothek, noch in der Gleim’schen Bibliothek).
d) Ein geistliches Lied: In Gottes namen: 4 vocum, Ysaac de manu sua. Halberstädter Manuscr. (vgl. die vorstehende Bemerkung).
e) 3 Motetten 2 vocum:
Illumina oculos meos. 3 aequal. voc. II. p. Fac mecum signum. Mscr. der Proske-Bischöflichen Bibliothek in Regensburg. Gedruckt in dem Beilagenbande zu Ambros’ Musikgesch. Nr. 38.
Quem tremunt impia. Petrejus 1541 Nr. 23. Montanus 1559 Nr. 6.
Tristia vestra. Petrejus 1541 Nr. 24.
f) 6 Motetten 2 vocum:
Quomodo inquit – Qua gloria. – Si iniquitates. – Intrate. – Quoniam angelis. – In manibus porta. – Diphona amoena, Rotenbucher 1549 (Unicum der Rathsbibliothek zu Zwickau), Nr. 37. 38. 90. 91. 92. 93.

C. 58 Officien 4 vocum, die meisten aus Introitus, Graduale mit Alleluja, und je nach dem Fest mit der Sequenz (oder mit dem Tractus) und Communio bestehend. Handschriftlich auf der Münchener Bibliothek in den von Senfl’s Copisten geschriebenen Chorbüchern, Cod. m. 42. 59. 60. 61. 62. 63. – Gedruckt wurden 51 derselben Choralis Constantinus tom. I–III (1550–1555).

D. 34 Messen.

a) 7 Missae 6 vocum:
Virgo prudentissima, Münchener Biblioth. Cod. m. 6 (1538) Nr. 1 und Cod. m. 71 fol. 2 (beide Codd. von Senfl’s Copisten geschrieben).
[608] Missa solennis. Münch. Bibl. Cod. m. 71 fol. 72.
"  de apostolis. l. c. fol. 104.
"  de beata Virgine. l. c. fol. 251.
"  sine nomine (Fétis’ Angabe: „Münch. Cod. m. 31“ ist falsch, siehe Maier, Mus. Handschriften Münchens).
"  de assumpt. beatae virginis, Brüsseler Cod. Nr. 1557; vgl. Ambros III. S. 397.
Missa: Wol auff gesell von hynnen. Münch. Cod. mscr. 42 fol. 179 und nochmals fol. 456.
b) 8 Missae 5 vocum: sämmtlich im Chorbuch des Senfl’schen Copisten Liber missarum insignium quinque vocum Henrico Yzac authore, München Manuscr. 8. Sie haben alle 2 Christe, gekürztes Gloria und Sanctus, kein Credo, Osanna nur im Benedictus und ein Agnus: Missa paschalis. fol. 3; de Martyribus, fol. 148; de b. Virgine I u. II fol. 65, fol. 92; de Confessoribus, fol. 176; de Virginibus, fol. 205; de Apostolis, fol. 118, und Missae solennis, fol. 37.
c) 19 Missae 4 vocum:
M. de Confessoribus. Münch. Manuscr. 9 (Senfl’s Copist). Wiener Hofbibl. Cod. A. N. 135. E. 127.
M. de b. Virgine. II. cc.
M. de Martyribus. II. cc.
M. de Apostolis. II. cc. Gedruckt in Choralis Const. tom. III.
M. de solennis. II. cc. ebenfalls gedruckt das. Diese 5 Messen haben sämmtlich 2 Christe, gekürztes Gloria und weder Credo noch Osanna.
M. de Martyribus; – M. dominicalis; – M. paschalis: im Wiener Cod. A. N. 35 E. 127.
M. super: chargé de deul; – M.: Misericordias domini; – M. super: Quant yay au cor.: – M. La Spagna; – M. Comme femme. Petrucci 1506 (in Bologna vollständig, in Wien ohne Baß), Nr. 1. 2. 3. 4. 5.
M. Une Musque de Biscay; – Missa carminum: Georg Rhaw, decem missarum Nr. 4 und 7 (1541).
M. Salva nos; M.: Frölich wesen: Ottb (Graphaeus) tredecim Missae 1539 Nr. 4. 6.
M.: O praeclara. Petrejus, Quindecim massarum etc., 1539 Nr. 7.
M.: Ysaac de manu sua, nach Fétis in der (nicht auffindbaren s. o.) Halberstädter Handschrift.

E. 32 einzelne Messensätze:

a) 11 Introiten 6 vocum im Münchener Manuscriptcodex (der Senfl’schen Copisten) 71.
b) 6 Introiten 4 vocum in Rhaw, Officiorum de Nativitate, Circumcisionis etc. 1545.
c) 15 Credo-Sätze 4 vocum im Münchener Manuscriptcodex 12 (von Senfl’s Copiften).
d) 2 Benedictus 3 vocum, das eine ex missa paschali bei Wilphlingseder, 1563 p. 163–270, und Faber, Ad musicam practicam introductio, 1550. Das andere bei Petrucci fol. 82 und Formschneider 1538 Nr. 30.

F. Hymnen etc.

a) 2 Hymnus 4 vocum:
Defensor noster aspice. Rhaw, Hymnorum liber I. 1542 Nr. 19.
Te mane laude carmine. Rhaw, Vesper. prec. off. 1540 fol. 13.
b) 4 Sequenzen 6 vocum im Münchener Manuscriptcod. 71:
Agnus redemit oves (Victimae paschales), fol. 180. Christus surrexit mala nostra, fol. 186. Christ ist erstanden, fol. 189. Pater sit sanctus spiritus, fol. 222. [Benedicta semper sit, 11 Theile.]
c) Sequenz de Sancta Catharina, 4 vocum, nach Fétis in dem (nicht auffindbaren) Halberstädter Codex.
d) Oratio Jeremiae (Lamentation) 4 vocum; fünf Sätze. Rhaw, Selectae Harmoniae de passione Domini 1538 Nr. 7.
e) 2 Prosen 4 vocum;
Prosa de Sacro Sancta Trinitate. Glarean, Dodecach. lib. II cap. XXXII S. 149.
Prosa historiae de Conceptione B. Virginis. Sebald Heyden, de arte canendi, 1537 p. 92. Glarean, Dodecach., 1547, p. 460.
f) Geistliches Schauspiel: St. Giovanni e Paolo. Manuscript der Bibliothek des Christ Church College zu Oxford.
*).

[605] *) Wenn wir dem Herrn Verfasser des obigen Artikels den Abdruck eines vollständigen Verzeichnisses der bis jetzt (August 1881) bekannten Werke Isaac’s gestatten, so sehen wir uns zu solcher Ausnahme von unserer Regel deswegen genöthigt, weil es ein Verzeichniß, auf welches verwiesen werden könnte, anderwärts nicht gibt. Wir halten die Ausnahme aber auch durch den Umstand für gerechtfertigt, daß Isaac’s Bedeutung für die deutsche Tonkunst in obiger Biographie überhaupt zum ersten Male in ihrem vollen Umfang gewürdigt ist.

[608] *) Soeben erhalte ich die hochinteressante Mittheilung aus Berlin, daß sich der bis jetzt nicht auffindbare Halberstädter Codex doch wieder vorgefunden hat und zwar daselbst auf der königlichen Bibliothek. Näheres behält sich darüber vor

d. O.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Henricus (Heinrich; Arrigo d’Ugo; Arrigo Tedesco) Isaac (Ysaak, Ysac, Yzac), niederländischer Komponist, wurde ca. 1450–55 in Flandern oder Brabant geboren und starb am 26. März 1517 in Florenz.
  2. François-Joseph Fétis (1784–1871); war ein belgischer Komponist, Musikkritiker und Musikbiograph.
  3. Angelus Politianus (1454–1494), eigentlich Angiolo Ambrogini (lat. Angelus Politianus, Angelus Ambrosini; dt. auch kurz Politian); war ein italienischer Humanist und Dichter der Renaissance.
  4. Lorenzo Medici, genannt Lorenzo der Prächtige (Lorenzo il Magnifico (1449–1492); ein italienischer Politiker und Stadtherr von Florenz aus dem Geschlecht der Medici.
  5. Georg Slatkonia (1456–1522); Georg von Slatkonia oder Jurij Slatkonja, katholischer Bischof in Wien
  6. Fr. Grazzini (1504–1584); war ein italienischer Dichter.
  7. Vorlage: Kunstpflge
  8. Ottaviano dei Petrucci (1466–1539); ein italienischer Buchdrucker und der erste bedeutende Musikverleger. Er ist ein bedeutender Vertreter der venezianischen Buchdruckerei.
  9. Königin Anna von Bretagne (1477–1514); bretonisch Anna Breizh; war zwischen 1489 und 1491 und von 1498 bis zu ihrem Tode Herzogin der Bretagne. Sie war durch ihre Ehen auch Erzherzogin von Österreich (1490–1491), Königin von Frankreich (1491–1498), Königin von Sizilien und Jerusalem und erneut Königin von Frankreich (1499–1514) und Herzogin von Mailand.