Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/10. Der St. Jakober Krieg

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Das Konzil Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
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Zehntes Kapitel.
Der St. Jakober Krieg.




Das Verhältnis Basels zu Oesterreich hatte sich, seit die Zeiten Katharinas vorüber waren, leidlich gestaltet. Herzog Friedrich saß meist in Tirol und hatte keinen Anlaß, am Oberrhein andern Streit zu haben als den mit den Wälschen. Auch seine Landvögte Graf Wilhelm von Montfort-Tettnang und nach diesem Herr Smasman von Rappoltstein waren für Basel erträgliche Nachbarn.

Mit dem Tode Friedrichs, 24. Juni 1439, änderte sich die Lage. Sein Sohn Sigmund zählte erst zwölf Jahre, und so fiel die Herrschaft der Vorlande den Söhnen Herzog Ernsts zu, dem Friedrich von Steiermark, der im Februar 1440 römischer König wurde, und nach wenigen Jahren dem Herzog Albrecht.

Friedrich, um Macht und Rechte Oesterreichs rastlos besorgt und von Anbeginn nach Wiedergewinnung der verlorenen Lande strebend, in noch höherm Maße der tatenlustig dreinfahrende, ehrgeizige Albrecht waren nicht nur Feinde der bäuerlichen Eidgenossen, sondern auch wenig geneigt, der alten Feindin am Oberrhein mit Läßlichkeit zu begegnen. Dieser Gesinnung entsprach das Walten des Landvogtes, der seit 1437 das Regiment in den Vorlanden führte, des Markgrafen Wilhelm von Hochberg.

Die Gestalt des Markgrafen Rudolf und die Art seiner Beziehungen zu Basel wurden an ihrem Orte betrachtet. Er starb 1428, und sein Sohn Wilhelm kam zweiundzwanzigjährig an die Regierung. Gleich dem Alten ein neidischer Gegner Basels zeigte er dies zunächst nur in allerhand Chikanen, vornehmlich in der Sache der Wiesenbrücke. Offiziell war das Verhältnis ein gutes. 1432 wurde Wilhelm Stellvertreter des Protektors beim Konzil, 1433 Schirmer des befreiten Gerichtsstandes der Basler.

Die Beziehungen Wilhelms zum burgundischen Hofe, in deren Folge er schon 1433 als Gesandter Burgunds beim Konzil erschien, hatten für Basel weniger zu bedeuten, als seine Verpflichtungen gegenüber Oesterreich; [540] 1437 wurde er Landvogt in Elsaß, Sundgau, Breisgau, samt den Städten Villingen, Waldshut, Laufenburg und Säckingen sowie dem Schwarzwald. Dieses Gebiet umschloß rings sein eigenes Territorium; die Uebernahme des Amtes führte ihn ganz und gar in die österreichische Politik hinein. Dabei war er ein Gegner des Konzils und Anhänger Eugens; er verhalf dem Erzbischof von Tarent zur Flucht aus Basel, unterstützte auch den Cesarini bei seinem Weggange; und im März 1438 tat er dem Konzil kund, daß er Macht habe, das Geleit aufzukünden. Auf Streitigkeiten mit den Städtern sodann weist das Abkommen, das er um diese Zeit mit dem Rate einging über Ansprachen der beiderseitigen Angehörigen, und als unfreundlicher Nachbar zeigte er sich vor allem im Teurungsjahr 1438. In solche Feindschaft kam er noch viel tiefer infolge der Katastrophe von 1441. Er ging als Markgraf in Schulden unter und mußte, ein schlechter Haushalter, in den kräftigsten Lebensjahren, Land und Leute seinen Kindern übergeben. Er war fortan nur noch österreichischer Beamter, und gleich als wollte er für das Verlorene sich entschädigen, erwuchs er, durch keinerlei Rücksichten mehr gehemmt, rasch zum Führer der österreichischen Interessen im Kampfe gegen die Eidgenossen und gegen Basel. Der Bund Zürichs mit Oesterreich war vor allem sein Werk; im Verfahren gegen Basel bediente er sich jetzt, da er nicht mehr Markgraf war, um so unbefangener der reichern Machtmittel, die ihm die Landvogtei in die Hand gab.

Außer Fürst und Landvogt kam auch die Ritterschaft in Betracht. Es geht nicht an, in diesen Kämpfen Herrschaft und Adel zu identifizieren. Freilich waren die Edelleute dem Erzhause durch Lehen verpflichtet; sie hatten große Teile des Herrschaftsgebietes im Sundgau als Pfand inne; sie saßen im Rate des Herzogs oder seines Statthalters. Gegen außen konnte sich das Interesse Oesterreichs und dasjenige der Edeln wohl als dasselbe darstellen. Dennoch war es im tiefsten Grunde keineswegs dasselbe. Wir dürfen nicht übersehen, daß dieser Adel gerade dem Fürsten gegenüber sich vielfach für sein altes Leben, dessen Rechte und Gewohnheiten zu wehren hatte. Die Entwickelung des Territorialherrn geschah zum guten Teil auf Rechnung des Adels. Es war ein Prozeß, der sich nicht aufhalten ließ, und den unzweifelhaft der Adel verlieren mußte. Das Bemerkenswerte aber ist, daß der Adel sich gleichwohl vom Fürsten nicht lossagt und sich immer weniger von ihm freizumachen vermag. Er gibt sich — sei es aus Standesgefühl, aus Tradition, durch innern Beruf oder äußere Notdurft getrieben — demselben Fürsten als Diener hin, der ihn zu Grunde richtet. Dieser Zustand hat etwas Tragisches, und eine Empfindung [541] hievon, ein Gefühl von Verhängnis lebt unverkennbar in dem Adel selbst, bildet in seinen Reihen die düstern leidenschaftlichen Figuren Hans von Rechberg, Burchard Münch, Thomas von Falkenstein u. A., gibt ihm die unruhige erregte Stimmung, die ihn wiederholt zum engen Zusammenrufen der Standesgenossen in Rittergesellschaften, zum erbitterten Schlagen nach Außen drängt.

Das Ziel dieser Schläge war hier die Stadt, und in der Feindschaft gegen sie fanden sich Fürst und Edelmann willig zusammen. Für Beide war es ein Kampf, bei dem wichtige materielle Interessen auf dem Spiele standen, aber der hierüber hinaus noch etwas Größeres, das Einstehen für einen geschichtlichen Beruf war. Wie dies von Fürst und Adel gilt, so auch von der Stadt. Der Kampf, in dem diese Parteien nun ihre Kräfte zu messen sich anschickten, war ein Prinzipienkampf großer Art, der zur selben Zeit nicht nur hier, sondern auch anderwärts ausgetragen wurde.


Es ist schon darauf verwiesen worden, wie sehr das vierte Jahrzehnt unsrer Periode sich in seiner Ruhe von der Erregtheit der unmittelbar vorhergehenden Zeiten unterscheidet. Das Konzil scheint alle Kräfte zu absorbieren. Aber gerade das Konzil ist es auch, das Keime neuen Streites legt, die alte Zwietracht neu aufleben läßt. Ueberraschend plötzlich werden von beiden Seiten Klagen in Menge laut.

Wir haben uns dabei klar zu machen, daß die zwei getrennten und immer mehr zur Gegnerschaft gedrängten Mächte in vielen Beziehungen des Lebens auf einander angewiesen waren. Basel, in weitem Umkreis die einzige große Stadt, über dem Kreuzungspunkt der Verkehrswege gelagert, war in jeder andern als der politischen Beziehung die Beherrscherin dieser Lande, die Hauptstadt, sein Markt die Zentralstelle für Absatz und Austausch aller Produkte, seine Freiheit und seine Arbeit das ersehnte Ziel des Bauers. Hinwiederum schien Basel nicht leben zu können ohne die Ernten des nahen fruchtbaren Landes, ohne die stete Zuwanderung seiner Bewohner, ohne Freiheit von Handel und Wandel auf den Straßen.

In solcher Weise standen Basel und die Lande der Herrschaft zu einander. Aber weil die politischen Verhältnisse diesen natürlichen völlig entgegengesetzt waren, mußte gerade das enge Verflochtensein von Interessen zur Quelle des bittersten Haders werden. Und dabei hatte es Basel zwar im Großen allerdings mit der Herrschaft Oesterreich zu tun, im Einzelnen aber mit den Edeln, denen die sundgauischen Aemter verpfändet waren. Auch beim Kriege standen dann diese in der vordersten Reihe, und als [542] Friede sein sollte, glaubte man ihn am ehesten zu sichern, wenn man jene Pfandschaften nicht fortdauern, sondern die Aemter in unmittelbare Verwaltung der Herzoge zurückkehren ließ.

Als beiderseits anerkannte Uebung galt, daß Basler Gut und was an Gefällen und Lebensmitteln aus dem Sundgau nach Basel geführt wurde, keinen Zoll zu geben hatte, sonstige Ware vier Pfennige von einem Wagen und zwei von einem Karren. Das Konzil aber, in seinen alle Norm durchbrechenden Dimensionen, scheint auch hier zu Neuerungen geführt zu haben. Die mit dem Konzil eintretende Steigerung des Verkehrs auf den sundgauischen Straßen veranlaßte die Herren, neue Zölle aufzustellen oder die alten zu erhöhen. Die Basler vor allem, aber auch die Sundgauer Leute selbst, sahen diese Neuerungen mit Widerwillen. Früher konnte man von Basel bis Mömpelgard wandeln mit Krämerei und Kaufmannsware und vernahm auf der ganzen Strecke nichts von einem Zoll. Im Pfirter Amt bestanden nur zwei Zölle, zu Waltikofen und zu Oltingen an der niedern Brücke, die denen von Löwenberg waren; jetzt entstanden neue Zölle zu Oltingen im Dorf durch Peter und Konrad von Mörsberg; zu Feldbach, zu Werenzhausen, zu Folgensburg durch Diebolt Agstein von Thann und Hug Bryat. Diese Beiden forderten neue unerhörte Zölle auch in Otmarsheim und Habsheim. Der Münch von Gachnang machte neue Zölle in Wittersdorf, Dietweiler, Walpach; der Zoll zu Sierenz, eine Rechtsame der Münch, wurde erhöht, usw. usw.

Andere Beschwerden Basels galten der Verkümmerung des freien Zuges. Altes Recht war, daß der Herrschaft Leute freizügig seien in die vier Enden der Welt. Alljährlich an den Gerichtstagen der Aemter wurde diese Freizügigkeit proklamiert, und wie ein lächelnder Spott über die Unfähigkeit des Herrn, seine Leute zurückzuhalten, findet sich überall die Symbolik: der Amtmann soll den Wegziehenden geleiten bis zur Grenze und hier den kleinen Finger in die Langwid des Wagens legen, die den Hausrat des Mannes trägt und mit sechs Pferden oder Ochsen bespannt ist; vermag er ihn damit am Weiterfahren zu hindern, so soll der Mann in der Herrschaft bleiben; vermag er ihn aber nicht zurückzuhalten, so soll er ihn ziehen lassen mit den Worten: „Lieber Gesell, magst du nicht hier bleiben, so magst du ziehen wohin du willst, meines Herren wegen säume ich dich nicht.“

Für Basel, dem eine stete Erneuerung seiner Einwohnerschaft, das Zuströmen naturfrischer unverbrauchter Kraft aus dem offenen Lande geradezu als Bedürfnis gelten mußte, war dieser freie Zug von höchstem [543] Werte. Für die Herren aber in gleichem Maß ein Aergernis. Sie suchten die Freizügigkeit zu hemmen, nicht nur indem sie das Recht geltend machten, daß nur ein Solcher frei wegziehen dürfe, der keine Schulden oder Verpflichtung gegen die Herrschaft mehr habe, sondern auch durch unberechtigtes Zurückhalten ihrer Leute. Daß unaufhörlich Streit und Gezänke entstand, ergibt sich ohne weiteres. Basel mochte in vielen Fällen sein Recht geltend zu machen befugt sein; den Vorwürfen der Herrschaft gegenüber, daß es auch unverrechnete Amtleute und Männer, die noch schuldig seien, bei sich aufnehme, vermochte es sich nicht zu rechtfertigen.

Andere Klagen Basels gingen darauf, daß die Herrschaft den feilen Kauf hinderte, indem sie die Verkäufer auf ihre Märkte drängte und von Basel abhielt; daß sie in ihren Landen das Geleit nicht nach Recht und Möglichkeit übte; daß Basler draußen vor Gericht geladen würden.

Aber dem allem gegenüber hatte auch die Herrschaft Klagen die Fülle. Sie beschwerte sich über die Aufnahme von Unverrechneten und Schuldnern, über Eingriffe in die Gerichtsbarkeit. Sie brachte vor, daß Bürger und Klosterschaffner zu Basel in den Sundgau ritten, um schuldige Zinse sich Rosse und Kühe als Pfänder suchten und, wenn sie solche nicht fänden, den Zinsmann selbst beim Halse nähmen und gefangen nach Basel führten. Sie klagte über die Geleitsanmaßung der Basler, über ihre Mißachtung der Zölle, über ihr Holzfällen und Jagen in der Hard, über Ladung von Edeln und Knechten der Lande vor Basler Gericht, über Hinderung der Märkte in den Städten durch Lenkung aller Ware nach Basel.

Die Beschwerden häuften sich, und eine Auseinandersetzung wurde versucht 1436. Man verhandelte zuerst in Innsbruck beim Herzog selbst, dann bei der Regierung in Ensisheim, und in den Hauptstücken (Zölle und freier Zug) einigte man sich nach dem Willen Basels. Aber eine beiderseits so tief wurzelnde Feindschaft war durch gütliche Beilegung einiger äußerlicher Streitpunkte nicht zu tilgen. Sie brach stets aufs neue durch.


Die Zeit war schwül. Das Konzil fühlte seinen allmählichen Niedergang; auch die Stadt mußte ihn spüren. Der Rat ward inne, wie leer von Menschen die weitgedehnte „Zarge“ Basels geworden sei, und bemühte sich um Einwanderung. Die Einkaufstaxe für neue Bürger, die Aufnahmsgebühr der Zünfte wurden vermindert. So warb man neue Kräfte. Die Zeiten der wirtschaftlichen Blüte, die das Konzil zuwege gebracht, gingen sichtlich ihrem Ende zu. Und politisch war die Lage überaus ernst. Deutlich empfinden wir aus den Aeußerungen jener Tage, wie der alte Haß, der [544] bisher geübten kleinen Plackereien müde, auf beiden Seiten zum Kampfe drängte. Die Adligen jubelten dem neuen Fürsten Oesterreichs auf dem Königstrone zu, als er den Willen bezeugte, mit den Eidgenossen abzurechnen, die alten Einbußen seines Hauses wieder zu gewinnen. Auch sie gedachten nun „iren alten stumpen ze rechen“ und freuten sich, daß Einer gekommen war, der ihnen hiebei helfen konnte. „Die Läufe sind in allen Landen wild. Einer dienet hierhinaus, der Andere dorthinaus“, klagte der Basler Rat. Daher im August 1441 sein durch öffentlichen Ruf erlassenes Gebot strengster Neutralität. Kein Bürger oder Hintersaß darf ohne Erlaubnis zu Herren noch Städten reiten und ihnen dienen, auch kein Roß, Harnisch, Knechte leihen. Im Rate selbst wurde strenger als bis dahin auf Ordnung und Pflicht gehalten. Mit einer Reihe von Edeln — den Junkern Hans von Falkenstein und Rudolf von Ramstein, zweien von Eptingen, Konrad von Hallwil, Hans Erhart von Zässingen, Heinrich Reich u. A. — wurde ernst geredet; der Rat untersagte ihnen, wenn sie Krieg führten, dabei die Stadt zu berühren. Andere Herren galten schon jetzt als die offenen Feinde der Stadt: die Brüder Burchard und Hans Münch von Landskron, Heinrich Kappeler, Hans Rudolf von Wessenberg.

Dazu das Bewußtsein, daß das Verhältnis zu den elsässischen Reichsstädten, vor allem zu Straßburg, nicht mehr das alte gute war. Wie fremd hatten sie sich im Jahre 1439 benommen! Und wie hilfsbereit damals die Eidgenossen des Oberlandes! Wir brauchen die Motive dieser ihrer Haltung nicht zu hoch zu suchen und können doch verstehen, daß der Eindruck, den Basel davon hatte, ein nachhaltiger war. Das Bündnis, das Basel am 2. März 1441 mit Bern und Solothurn einging, war nur eine Konsequenz jener Erlebnisse. Gleich dem Bunde von 1400 wurde es geschlossen zu gegenseitiger Beschirmung vor Mutwillen und Gewalt. Gleichfalls auf zwanzig Jahre. Ueber jenen Bund hinaus aber enthielt die jetzige Vereinbarung nähere Punktationen über Mahnung und Hilfeleistung, Behandlung von eroberten Schlössern und Gebieten und von Gefangenen, außerdem auch über gegenseitige Rechtsverhältnisse und Gerichtsansprachen.

Die Eidgenossenschaft, als deren Vorposten Bern und Solothurn in Basel gelten mußten, befand sich zur Zeit dieses Bundesschlusses in der heftigsten Gährung. Zürich war in Streit um das Toggenburger Erbe den Schwyzern und Glarnern unterlegen und durch die übrigen Orte unter das eidgenössische Recht gebeugt worden; aus dieser Demütigung erwuchs ihm der unheilvolle Entschluß zu einem Bunde mit Oesterreich, der dann [545] am 17. Juni 1442 wirklich geschlossen wurde und binnem kurzem den Krieg zwischen Zürich und der Eidgenossenschaft entfachte.

Durch die Bundesverpflichtung, aber auch durch neue Reizungen von Seiten Oesterreichs und der Edeln, die über diese neueste Politik Basels aufs höchste erbittert waren, sah sich nun auch diese Stadt in den großen Krieg hineingezogen. Offiziell freilich herrschte noch Ruhe. Einen Monat nach dem Zürcher Bunde bestätigte König Friedrich die Freiheiten Basels; im November kam er selbst hierher und ließ sich vom Rate beschenken. Aber dies Alles tat er als römischer König; das Haus Oesterreich samt seinen Rittern und Städten war um so rühriger gegen Basel.

Sie erhoben vorerst wieder die alten Beschwerden über die Eingriffe der Stadt, und diese hatte auch ihrerseits wieder Alles zu rügen, das vor wenigen Jahren erst in Ordnung gekommen zu sein schien. Neben diese Sundgauer Sachen traten nun aber noch andere Streitigkeiten. Die österreichischen Städte erhoben sich gegen die Machtstellung Basels auf dem Rheine. Sie bestritten Basel das Recht, den Säckinger und Laufenburger Schiffern rheinabwärts Steuerleute zu geben; Breisach führte dafür bei sich ein solches Lotsenrecht ein und erhob überdies einen Zoll; Rheinzölle entstanden nun auch in Neuenburg und oberhalb Basels in Säckingen.

Dies die gleichsam legalen Forderungen. Aber auch in Handstreichen und Freveltaten waren die Feinde nicht müßig, in Niederwerfen und Gefangennehmen, in Arrestieren von Basler Gut. Hier zum erstenmal tritt in die Kreise Basels Hans von Rechberg, dessen Uebergriffe sichtlich am meisten dazu gewirkt haben, wie Bern so auch Basel in eine aktive Beteiligung am Krieg hineinzuziehen. Sein Hauptstreich in dieser frühern Zeit war ein Raubanfall auf der Straße bei Thiengen, durch den er Kaufmannsgut des Baslers Clement Mathis in seine Gewalt bekam.

Basel hielt diesem Treiben gegenüber so lange zurück als es konnte. Freilich rüstete es sich: es befahl der Einwohnerschaft, Kornvorräte für ein Jahr einzutun; es nahm Büchsenmeister in Dienst; Hauptleute und Bannerherren wurden für den Fall eines Auszuges gewählt. Auch führte der Rat eine schärfere Kontrolle über die Fremden ein.

Gerade jetzt, im Frühjahr 1443, befand sich Henman Offenburg am königlichen Hofe, mit Heinrich von Ramstein zusammen, dessen Geschäfte er dort führte. Der Rat schrieb ihm von den Bedrängnissen der Stadt, mit dem Auftrage, beim König Vorstellungen zu machen. Und auch diesmal nicht versagte das Geschick Offenburgs. Friedrich zeigte ein Entgegenkommen, an dessen Aufrichtigkeit Offenburg glaubte, und befahl am 13. Juni [546] dem Landvogt, die Erhebung neuer Zölle, die vor Beginn des Konzils nicht bestanden hätten, im Sundgau nicht zu dulden.

Auch auf dem Kriegsschauplatze hatte Basel seine Vertreter, Hans von Laufen und Heinrich Halbisen, mit der Instruktion, sich um Frieden zu bemühen. Sie trafen hier mit Offenburg zusammen, der im Auftrage des Königs und mit derselben Absicht wie sie die Bischöfe von Konstanz und Basel begleitete.

Am 22. Juli unterlagen die Zürcher im Gefechte bei St. Jakob an der Sihl; am 9. August brachte der Unterhändler Bischof Heinrich von Konstanz die Beredung einer achtmonatlichen Waffenruhe zu Stande.

Aber dieser „elende Friede“ band nur die Orte, die gegen Zürich gezogen waren, nicht auch Bern und dessen gesonderte Aktion im Westen. Teils durch Schwyz gemahnt, teils als „Hauptsächer“ war Bern am 7. August in den Krieg gegen Oesterreich gezogen, vor Laufenburg.

Auf dem Basler Markt hatte der Rat schon am 4. August verkünden lassen, daß er durch Bern zur Hilfe gemahnt worden sei; er habe die Hilfe zugesichert und gebiete Jedem, sich für das Aufgebot gerüstet zu halten. Am 10. August erging dieses Aufgebot; die Basler zogen aus und trafen vor Laufenburg mit den Kontingenten von Bern und Solothurn zusammen. Die Stärke des vereinigten Heeres betrug an die viertausend Mann.

Hauptleute in der Stadt waren Graf Ludwig von Helfenstein, Burchard Münch und Siegfried von Venningen, mit einer starken und kriegstüchtigen Besatzung. Die Beschädigung der Stadtmauer durch die Geschütze Berns und Basels erwiderten sie mit wiederholten Ausfällen, bei denen insbesondere die Berner Verluste erlitten. Von den Basler Belagerern weiß der Chronist zu erzählen, daß sie vorsichtig in Deckung blieben, sodaß ihrer im Gefecht nur Einer umkam.

Natürlich waren auch hier sofort Vermittler auf dem Platze: der Bischof von Basel, Graf Hans von Tierstein und Herr Rudolf von Ramstein. Diese begehrten, daß die Belagerer den am 9. August vor Zürich geschlossenen Frieden auch für sie anerkennen und das Feld räumen sollten. Hiezu wollten sich aber die Belagerer nur verstehen gegen Ersatz ihrer Kriegskosten. Endlich kam auf dieser Grundlage ein Friede zu Stande, am 23. August. Oesterreich sollte den drei Orten zehntausend Gulden Kriegsentschädigung entrichten und den Baslern außerdem noch tausend Gulden als Vergütung des durch Rechberg ihnen zugefügten Schadens. Eine besondere Verschreibung des Landvogts und der Stadt Laufenburg hatte die Zahlung dieser Summen zu sichern.

[547] Es war ein Friede, der nur geschlossen worden war, um die Truppen aus dem Felde zu bringen. Die Streitsachen selbst, um deren willen der Krieg ausgebrochen war, berührte er gar nicht. Und wie wenig er wirkte, zeigte sich sogleich, als die Basler nach Aufhebung der Belagerung den Rhein hinab fahrend von der Säckinger Brücke mit Kot beworfen und mit unanständigen Geberden begrüßt wurden, und zeigte sich allenthalben im Uebermut und Uebergriff der Oesterreichischen. Hans Bischof von Basel wurde zu Belfort ins Gefängnis geworfen, Claus Schmidlin durch den Ludwig Meier von Hüningen festgenommen und nach Rapperswil geschleppt. Basel klagte auch über Festnahme von Gut und Waren des Steinenklosters, und darüber, daß die Herrschaft die bedungene Zahlung nicht leiste.

Sollte wirklich Friede sein, so mußte gründlicher gearbeitet werden, und natürlich für die Angelegenheiten jeder der drei Städte gesondert.

Für Basel wurde dies Geschäft durch das Konzil in die Hand genommen, das die Städte Straßburg, Konstanz, Hagenau, Colmar, Schlettstadt, Mülhausen und Rheinfelden beizog; am 23. Oktober zu Rheinfelden leiteten seine Deputierten, der Kardinal von Arles an der Spitze, die Verhandlungen. Für Oesterreich war der Landvogt erschienen mit einigen seiner Räte und Ritter, unter denen Grünenberg, Münch, Hallwil hervorragten, und den Vertretern der Städte Breisach, Neuenburg und Säckingen; die Rathsherren von Basel waren in Begleit der eidgenössischen Boten.

Am Gange der nun anhebenden Verhandlungen ist bemerkenswert, daß nicht wie vor sieben Jahren in Ensisheim das Für und Wider beider Parteien zur Sprache kam, sondern Beschwerdeführer nur Basel war und der Herrschaft lediglich die Verantwortung zufiel. Die Klagen Basels waren dieselben wie früher. Oesterreich antwortete auf jede einzeln; diejenigen wegen der Rheinzölle ließ es durch die beteiligten Städte beantworten. Zum Schluß folgte der gütliche Spruch der Vermittler. Hinsichtlich des freien Zuges, feilen Kaufes und Geleites im Sundgau wurden die Parteien angewiesen, nach alter Gewohnheit freundschaftlich miteinander auszukommen; das Gleiche geschah in Betreff des Säckinger Fischzolls. Die neuen Zölle im Sundgau, wegen deren der Landvogt eine Antwort überhaupt abgelehnt und Basel an die Pfandherren gewiesen hatte, wurden als aufgehoben erklärt. Vom Säckinger Pfennigzoll sollten die Basler frei sein, ebenso vom Neuenburger Zoll, wogegen die Neuenburger des Basler Zolls in Kems überhoben sein sollten. So ging Alles nach den Wünschen Basels; nur in einem Punkte nicht: die Prätensionen der Breisacher hinsichtlich [548] Zolles und Lotsenrechtes wurden anerkannt. Vielleicht hat der Wille Straßburgs hier den Interessen der rheinischen Konkurrentin entgegen gewirkt.

Die Größe der Versammlung, die Gründlichkeit der Behandlung zeigen, daß bei manchen Teilnehmern der aufrichtige Wille waltete, etwas Dauerhaftes zu Stande zu bringen. Aber dies war, wie die Dinge lagen, ausgeschlossen. Schon die Personen der Mediatoren selbst boten keine Gewähr für einen Frieden von Bestand. Die Prälaten des Konzils waren hier eine exotische und ephemere Erscheinung, ohne Kenntnis von Menschen und Dingen und vor allem ohne Autorität. Die Städte, die neben ihnen arbeiteten, konnten kaum als unbefangen gelten. Aber auch ein hinreichend mächtiger, benachbarter und doch unbeteiligter Fürst würde im jetzigen Moment als Vermittler wenig erzielt haben. Die Zeit war viel zu erregt und zu verwirrt, und ehe Friede werden konnte, mußten die Leidenschaften beider Teile sich ihres Wildesten und Bittersten im Kampfe entledigt haben. Blutiger verheerender Krieg, Erprobung und Erschöpfung der Kräfte bis zum Aeußersten war die notwendige Voraussetzung jedes Friedensversuches.


So beschaffen war dieser Spruch, der als „Rheinfelder Richtung“ bekannt ist. Trotz allem Aufwand von Sorgfalt etwas Nutzloses. In keiner Weise war die Lage abgeklärt. An Frieden glaubte kein Mensch, weder in den Lagern des eidgenössischen Krieges noch in Basel; die gewohnten Zänkereien dauerten fort. Und in alles dies hinein brach nun von außen her noch ein gewaltiges Neues. Schon geraume Zeit war von ihm da und dort die Rede gewesen; Götz Heinrich von Eptingen hatte in seiner Burg zu Pratteln drohend verlauten lassen, daß man ein großes fremdes Volk wider die Schweizer ins Land bringen werde.

Was seit Jahrzehnten als Gefahr einer Invasion von Westen her den Oberrhein ängstigte, was als Erinnerung an die großen Einfälle der Engländer vor siebzig, achzig Jahren lebte, wurde jetzt zu einer Tatsache, die in ihrer Furchtbarkeit jenes Alles übertraf. Schon im Zug der Armagnaken 1439 hatte sie sich angekündigt.

Am 28. Mai 1444, zu Tours, hatten Frankreich und England einen Waffenstillstand geschlossen. Dem gepeinigten Lande konnten endlich wieder Friede und Freude werden. Auf der Regierung aber lag die schwere Sorge, was nun mit den zahlreichen Soldtruppen, den in langem Kriegswerke völlig verwilderten, zuchtlosen Scharen zu beginnen sei. Von ihrem ersten Werber und Führer, dem Grafen Bernhard von Armagnac, führten sie den Namen der Armagnaken; das von ihnen geplagte Volk nannte sie [549] écorcheurs, Schinder. Denn Frankreich selbst und die angrenzenden burgundischen Gebiete litten entsetzlich unter ihnen, unter dem kleinen Kriege, den diese entmenschten Rotten überall im Lande neben dem großen Nationalkrieg betrieben hatten und jetzt um so freier und ruchloser betrieben, da jener zu Ende war und sie nicht mehr beschäftigte. Der König mußte trachten, sich ihrer zu entledigen, diese „verdorbenen Säfte aus dem Körper des Reiches abzuleiten.“

Eine Gelegenheit hiezu bot sich ihm durch den Hilferuf Oesterreichs.

Der Versuch, gegen die Eidgenossen die Unterstützung fremder Kräfte zu gewinnen, war durch die Herrschaft schon wiederholt gemacht worden. Beim Herzog von Burgund vielleicht schon im Herbst 1442, anläßlich der Anwesenheit Friedrichs in Besançon, und jedenfalls dann im Juni 1443 durch die Vermittlung Peters von Mörsberg, den der Landvogt Wilhelm mit einem Hilfebegehren zum Herzog sandte. Philipp hatte abgelehnt. Da wendete sich Friedrich im August 1443 an Frankreich mit jenem vielberufenen Briefe, dem ein ähnlicher des jungen Herzogs Sigmund beilag.

Aber auch König Karl gab noch ausweichende Antwort; erst im Sommer des folgenden Jahres kam das unheilvolle Werk zu Stande. Die Bedrängnis Zürichs, das Blutgericht von Greifensee, dazu die drohende Unruhe der Ritterschaft selbst zeigten der Herrschaft den Ernst ihrer Lage. Da tat sie den Schritt bei Frankreich nochmals, drängender als zuvor. Im Juni 1444 ritten Hans von Rechberg und Burchard Münch im Aufträge Friedrichs zu König Karl und brachten ihm die Bitte ihres Herrn um Hilfe. Jetzt kam dieses Gesuch gelegen, und Karl sagte die Hilfe zu.

Verschiedene Erwägungen führten im Rate des Königs zu diesem Entschlusse. In erster Linie der schon genannte Wunsch, die furchtbare Last des Kriegsvolkes vom Lande abzuwälzen. Sodann gab nicht nur der Hilferuf Oesterreichs einen plausibeln Vorwand für eine solche Expedition, sondern auch das zur gleichen Zeit einlangende Begehren des Herzogs von Lothringen, ihm gegen Metz beizustehen. Weiterhin mögen Mahnungen oder gar Aufträge Roms gekommen sein; der Dauphin wurde durch Eugen zum Bannerträger der römischen Kirche ernannt; in Basel selbst, bei unterrichteten Leuten vom Schlage Offenburgs, stand die Meinung fest, daß der Zug des Dauphin gegen Basel durch den Papst angestiftet worden sei und dem Konzil gegolten habe. Endlich aber wirkte die alte Vorstellung von der Ausdehnung französischer Macht bis zum Rheine; das in den siegreichen Kämpfen der letzten Jahre mächtig gehobene Nationalgefühl ergriff gerne die Gelegenheit zur Eroberung. Zwei Expeditionen wurden gerüstet. Die Führung der lothringischen [550] behielt sich der König selbst vor. Die andere wurde dem Dauphin übertragen; sie erhielt die Marschrichtung nach dem Oberelsaß und nach Basel.

Auf der weiten Hochebene von Langres war der Sammelplatz dieses Heeres. Am 20. Juli traf der Dauphin selbst hier ein, um die Truppen, eine der furchtbarsten Armeen dieser Zeit, unter seine Befehle zu nehmen. Es waren über dreißigtausend Mann, zum größern Teile beritten, von zahlreicher Artillerie und einem großen Wagenpark mit Sturmleitern und anderm Gerät begleitet. Neben Gascognern und Bretonen sah man Kompagnien von Schotten, von Spaniern und Lombarden, unter den Kapitänen dieser Banden die gefürchteten Führer Dammartin, La Hire, Salazar, Montgomery. Um den obersten, erst einundzwanzig Jahre zählenden Heerführer aber war sein ganzer Hofstaat gesammelt, in diesem hervorragend als der eigentliche Leiter der Operationen Herr Jean de Bueil, mit dem Titel eines Leutnants und Bannerträgers des Dauphins.

Schon in Langres stellte sich dem Dauphin eine Gesandtschaft vom Oberrhein vor, die den Auftrag hatte, um Beschleunigung des Zuges zu bitten. Sie bestand aus Graf Wilhelm von Lützelstein, Siegfried von Venningen und Martin von Helmstatt. Was wir über die Entsendung dieser Boten erfahren, zeigt aufs deutlichste die wildunruhige und leidenschaftliche Art, mit der die Führer der Bewegung in den Vorlanden handelten; aber auch auf wie Wenigen im Grunde die ganze heillose Sache ruhte. Der Statthalter des Landvogts, Wilhelm von Staufen, hatte einen Landtag nach Altkirch einberufen, um die Gesandtschaft zu beschließen, aber die Stände uneinhellig und zur Bewilligung von Geld nicht geneigt gefunden. Da auf Rat des hastigen Drängers Burchard Münch ließ er den Grafen Wilhelm von Lützelstein und Herrn Hug Bryat nach Masmünster kommen, und hier im kleinsten Kreise wurde die Angelegenheit beredet; der Lützelsteiner übernahm den Botenritt zum Dauphin, „damit den Eidgenossen ihr Feld gebrochen und uns Allen geholfen werde.“

Der Dauphin hörte die drei Herren an, und sein Heer setzte sich in Bewegung. Am 6. August, in Jonvelle, trafen schon wieder Gesandte Oesterreichs bei ihm ein: neben Venningen und Helmstatt Hans von Münstrol und Peter von Mörsberg. Der Letztere war Haupt und Wortführer; in erregten Worten lag er dem Prinzen an, der Herrschaft Beistand zu leisten; er solle keine Zweifel haben; sobald er in die Lande herauskomme, wolle man ihm Basel in acht Tagen in die Hand bringen.

Langsam bewegte sich die Armee vorwärts. Am 10. August war der Dauphin in Luxeuil, am 12. August in Lure; aber in eben diesen [551] Tagen legten sich die eidgenössischen Härste vor die von Falkenstein, Rechberg u. A. besetzte Farnsburg. Um die Sache der Herrschaft war es in der Tat schlimm bestellt, und unter dem Drucke dieser Sorgen kam es jetzt zu bestimmten Abmachungen zwischen ihr und dem Dauphin, der keineswegs gesinnt war, ins Ungewisse hinein zu ziehen. Er ließ am 15. August seine Bevollmächtigten mit den Vertretern Oesterreichs Konferenz halten und seine Forderungen zur Annahme bringen: Sicherstellung von Lebensmitteln für fünfundzwanzigtausend Mann und Einräumung einer Anzahl fester Plätze. Zugleich stellten sich ihm als Führer des Heeres durch den Sundgau und über Basel hinaus Burchard Münch, Herman von Eptingen von Blochmont, Hans Heinrich von Spechbach und Andere zur Verfügung.

Am 19. August zog der Dauphin in Mömpelgard ein, am 23. nahm er Quartier im eptingischen Schlosse Waltikofen.


Das Elsaß hatte den Feind mit Sorgen herannahen sehen. Von Stadt zu Stadt teilte man sich das Neueste über den Heereszug mit. Metz schrieb an Straßburg, daß die fremden Truppen an den Rhein ziehen wollten; dann hieß es, der Dauphin wolle sich Straßburgs bemächtigen und die Stadt französisch machen. Der Antoniter-Präzeptor von Isenheim hatte die Nachricht, der Feind wolle Basel zerstören, dann die Schweizer unterwerfen, zuletzt seine Herrschaft in diesen Landen dauernd einrichten.

Alle diese Nachrichten kamen auch nach Basel. Die schlimmsten Gerüchte, erregt, wild, vergrößert und verzerrt, drangen herein, mitgebracht durch die Scharen, die vor dem sich heranwälzenden Unheimlichen in die Stadt flüchteten.

Diese Angelegenheit der Flüchtenden, in jeder Kriegszeit neu auftauchend, tritt uns in den Jahren der Armagnakengefahr und des St. Jakoberkrieges noch deutlicher als sonst vor Augen. Basel war das natürliche Emporium und Refugium der oberrheinischen Lande und erfüllte diesen Beruf in Zeiten allgemeiner Not so rückhaltlos als möglich. Schon nach den ersten Alarmnachrichten erging Ruf um Ruf auf dem Marktplatze zu Basel, daß die Tore der Stadt offen stünden für Jeden, der Leib und Gut hereinflüchten wolle.

Solches geflüchtete Volk, das ja zumeist aus den Gebieten feindlicher Herren kam, konnte unbequem und gefährlich werden; im Großen und Ganzen aber hatte der Rat die Leute doch in der Gewalt, und Viele von ihnen, die dem Elende draußen entkommen zu sein froh waren, mochten wünschen, fortan Lieb und Leid mit der Stadt zu teilen und zu den ausnahmsweise [552] leicht gemachten Bedingungen Bürger zu werden. Der Uebrigen versicherte sich der Rat durch Eide, er gewann ihre Wehrkraft für die Beschirmung der weitgedehnten Stadt; und wenn auch in den gefährlichsten Tagen der Ruf erging, daß man Keinen hier dulden wolle, der das Bürgerrecht nicht erwerbe, so war dies eine Vorschrift, die in solcher Strenge doch nicht immer galt. Wohl aber verlangte die Stadt, daß die Hereinkommenden ihren Proviant in genügendem Maße mitbrachten. Wer solchen nicht vorweisen konnte, mußte die Stadt räumen; und so weigerte sich Basel auch, Weiber und Kinder Solcher aufzunehmen, die selbst draußen blieben und dort vielleicht zu Feinden der Stadt wurden.

Aber man rief nicht nur den Menschen. Man nahm auch ihre Habe auf, die sie hier bergen konnten, auch wenn sie selbst nicht mit herein kamen. Dies gilt vor allem vom Korn. Auf einfache und rasche Weise nützte so die Stadt die Panik, die draußen durchs Land fuhr, und kam zu der so notwendigen Verproviantierung. Der Rat sagte zu, das Hereingebrachte gut zu bewahren und dem Eigentümer zu erstatten, wenn es noch vorhanden sei, oder aber das Geld dafür nach billiger Schätzung.

Eins ins Andere gerechnet war das ganze Verfahren in dieser Flüchtlingssache doch überwiegend ein Vorteil der Stadt. Wenn einige Jahre später, bei den Prozeßverhandlungen mit Oesterreich, die Anwälte Basels dieses Verfahren in das schönste Licht reiner Mildtätigkeit und christlichen Erbarmens zu stellen suchten, so zeigen doch die Gegenmaßregeln der Herrschaft, daß auch eine andere Auffassung möglich war. Daß Basel, indem es so handelte, die Vorzüge seiner Lage zur Geltung brachte, sich als unentbehrlicher Hort und Zufluchtsort erwies, jetzt noch viel intensiver als sonst die Stadt war, die ganz unabwendbar die Kräfte des umliegenden Landes an sich sog, empfanden die Herren um so mehr als Schädigung, da sie gerade jetzt aller Hilfsmittel dringender als je bedurften. Landvogt und Pfandherren erwiderten daher die Basler Proklamationen durch strenge Befehle, mit denen die Flucht nach Basel untersagt und den Bauern auferlegt wurde, sich und ihre Habe in den Schlössern und Städten der Herrschaft zu sichern.

Natürlich reichte aber das Korn, das auf solche Weise in die Stadt kam, für den Bedarf nicht aus und der Rat hatte seine Vorräte durch große Ankäufe zu mehren. So verschaffte er sich Fruchtzufuhr von einigen Edeln, die der Stadt nicht Feind waren, wie denen von Flachsland zu Dürmenach und dem Junker Rudolf von Ramstein. Durch Vermittlung der Handelsgesellschaft Wolffer bezog er Korn aus Savoyen. Um das [553] Getreide auch im Falle des Abschlagens der Mühlkanäle durch den Feind mahlen zu können, wurden zwei Schiffmühlen auf den Rhein gelegt.

Die Anordnung, die den Erwerb des Bürgerrechts erleichterte, wurde schon erwähnt. Sie bestand darin, daß am 12. August das Bürgerrecht Jedem unentgeltlich angeboten wurde, der am Nachmittag auf dem Rathause sich einschreiben lasse und den Bürgereid leiste.

Schwere Sorge bereitete den Behörden in der von Fremden aller Art, Bauern, Weibern und Kindern und Dienstvolk gefüllten Stadt die Feuersgefahr. Backen zur Nachtzeit wurde strenge verboten, ebenso Dreschen bei Licht. In jedem Hause mußte Wasser bereit stehen; die Kornspeicher wurden mit besonderer Sorgfalt bewacht.

Endlich die eigentlichen Kriegsvorbereitungen. Die Vorräte an Harnischen und Waffen wurden revidiert und ergänzt, viele Zentner Salpeter für die Pulverbereitung gekauft, Hagelsteine zu den Tarrasbüchsen und große Büchsensteine gefertigt, Büchsenmeister geworben. Auch Büchsen selbst wurden noch angeschafft; man bezog sie aus Nürnberg.

Von den Stadttoren wurden nur Spalentor und Aeschentor geöffnet, d. h. für Auszüge gangbar gemacht, die übrigen verrammelt. Der ganze weite Mauerring, auch die Kleinbasler Zwingelmauer am Rheine, wurde inspiziert; man brach Schießlöcher aus, entfernte hinderliche Anbauten, armierte die Türme und Bollwerke. Beim Karthäuser Kloster wurden der große Eckturm und im Klostergarten ein gedeckter Schützengang gebaut, vor dem Bläsitor ein Bollwerk und ein ebensolches vor dem Spalentor. Auch die Herstellung eines Glacis rings um die Stadt gehörte zu diesen Maßregeln. Alle Zäune, Mauern, Garten- und Rebhäuslein mußten abgetragen, alle Bäume umgehauen werden. Keine Vorschrift stieß aber so sehr auf Widerstand wie diese; der Rat mußte sie mehrmals wiederholen unter Androhung strenger Strafe und zuletzt doch mit allerhand Milderungen: Häge, welche die Richtung gegen die Stadt hatten, durften verschont bleiben; von den Bäumen mußten nur diejenigen fallen, die über armsdick waren. Den Schluß dieser Zurüstung des Terrains bildete das Legen zahlreicher Fußeisen um die Stadt herum.

Die Sorgfalt und Wachsamkeit des Rates galt wie der Stadt, so der Landschaft. Am Wartenberg und beim Hülftengraben ließ man Sicherungsarbeiten ausführen; Ende Juli wurden Werkmeister und Söldner nach Liestal und Waldenburg gesandt, später die junge Mannschaft aus diesen Aemtern nach Liestal gezogen, als dem wichtigsten Punkte des Landgebietes; ihr Hauptmann wurde Henman Sevogel, Schloßherr auf Wildenstein.

[554] Kein Zweifel war mehr möglich über die Absichten des Dauphins. Er zog geraden Weges auf Basel zu. Und wessen man sich vom Adel zu versehen hatte, zeigte die Ueberrumpelung des Städtleins Brugg durch Falkenstein und Rechberg am 30. Juli. Dann kamen die ernsten Botschaften von der Farnsburg: das Schloß war von Oesterreich eingenommen worden, die Farnsburger Leute mußten der Herrschaft schwören oder flohen in die angrenzenden Gebiete Basels.

Dazu die Erregtheit und die unsichere Stimmung in der Stadt selbst. Anhänger und Lehensmannen Oesterreichs saßen im Rate; der Adel, der draußen den Feind hereinführte, besaß in der Stadt Bürgerrecht oder doch seine Höfe und seine Leute und allerhand Anhang; das nicht mehr zu beschwichtigende Mißtrauen erwartete überall das Schlimmste: Brandstiftung und Verrat. Auch die Domherren waren in ihrer Mehrheit Oesterreichs Parteigänger. Allenthalben sah man das Sundgauervolk, das sich hereingedrängt hatte. Unverdächtig zwar, aber dafür um so lästiger und unruhiger die zahlreichen andern Fremden: die Konzilsherren, die hinter dem Dauphin die Macht ihres großen Widersachers Eugen witterten und, um ihre Sicherheit besorgt, den Rat mit Begehren aller Art bestimmten.

Bei alledem das Gefühl des Verlassenseins. Rings um die Stadt beinahe war kriegerisch erregtes Feindesland, ein Verkehr mit den Eidgenossen überm Jura kaum mehr möglich.

Wir dürfen freilich nicht daran zweifeln, daß Basel die Hilfe seiner Verbündeten Bern und Solothurn anrief. Am 27. Juli schrieb der Berner Rat seinen Getreuen in Thun von solcher Mahnung durch Basel; er anerkannte, daß Basel diese Gefahr mehr um der Eidgenossen als um seiner selbst willen leiden müsse. Dennoch faßte er noch keinen Beschluß, sondern beschränkte sich darauf, seine Leute vor Zürich beisammen zu behalten, um nötigenfalls von dort aus zu Gunsten Basels zu handeln. Mächtig und rasch entwickelten sich dann die Dinge, aber kein Zuzug nach Basel fand statt. Vielleicht hat die Tat von Brugg eine Ablenkung gebracht. Sie wäre dann, wie sie an sich ein Meisterstück war, solches auch um dieser Wirkung willen gewesen. Dachten Bern und Solothurn, aufs höchste aufgebracht, nur an Brugg, an Gösgen, an den Rechberger und den Falkensteiner? Wollten sie vor allem diese züchtigen, ihre Farnsburg brechen, dann erst Basel zu Hilfe kommen?

Es ist sehr zu beachten, daß sie selbst, als sie vor Farnsburg lagen, nun Basel mahnten, dorthin aufzubrechen und ihnen Beistand zu tun. Basel konnte natürlich keine Mannschaft schicken, lieh aber Sturmzeug und Geschütz.

[555] In denselben Tagen fand zu Altkirch zwischen dem Dauphin und der Herrschaft die entscheidende Abrede statt. Und jetzt, da der Sundgauer Adel die Führung des Heeres übernahm und, in der Sorge um Farnsburg und Zürich, seine ungeduldige Hast auch den Geführten mitteilte, ging es rasch auf Basel zu. Plötzlich sah dieses die Gefahr vor seinen Toren.

Noch einmal, in der letzten Stunde, tat sich der Rat um Hilfe um. Er schrieb den Reichsstädten nach Nürnberg. Er sandte den Burchard Besserer zum Bischof nach Delsberg und ließ ihn um Bewaffnete bitten; aber der Bischof lehnte ab, da er seine Leute selbst brauchte. Der Rat sandte Boten auch nach Bern und Solothurn mit dem Begehren um schleunige Hilfe; Henman Offenburg und Mathis Eberler waren die Gesandten. Aber wir wissen nicht, welche Antwort ihnen wurde. Sie waren am 22. August von Basel verritten; gleichen Tages wendete sich der Rat nun auch an den Dauphin selbst.

Dieser war schon zu spüren gewesen. Seine Leute hatten Vieh und Pferde im Banne der Stadt geraubt, einige Basler, die sich hinausgewagt hatten, gefangen oder niedergestochen. Ein Häuflein Kriegsknechte, die durch Basel in Nürnberg angeworben worden waren und heranmarschierten, wurde durch Burchard Münch vor Kleinbasel überfallen; er schwemmte die Männer an Kähne gebunden durch den Rhein, daß Etliche ertranken. „Das bös verfluchte Volk richsnete vor Basel“, sagt Fründ.

Einen langen lateinischen, schön stilisierten Brief schrieb der Rat dem Dauphin. Aus jedem Satze klingt die bange Stimmung. Es ist nicht der Ton, in dem der Rat dem österreichischen Herzog oder dergl. zu schreiben pflegt.

Der Aufmarsch der französischen Armee vor Basel war in der Tat eines der größten Erlebnisse der Stadt. Was wollten die Truppen Oesterreichs und der wälschen Herren oder die Gefolge der Adligen, die sich bisher in den Fluren getummelt hatten, was wollten zumal die Miliz und die Söldnerkompagnien der Stadt selbst besagen gegenüber diesen Heerscharen, die gleich schweren Wetterwolken von Westen heraufzogen, gegenüber dem furchtbaren Ruhm der Fremden, ihrer Unerbittlichkeit und Wildheit, dem Geschick ihrer in großen Kriegen ausgebildeten Generale und Kapitäne?

Mit wohlgewählten Worten drückte der Rat sein Befremden über die ganze Invasion und über die Gewalttaten aus, die durch Leute des Dauphins vor der Stadt seien verübt worden. Er glaube, solches durch nichts an König Karl verschuldet zu haben. Sofern Anklage oder Feindschaft gegen ihn bestehe, bitte er, ihm dies zu eröffnen. Er ersuchte zugleich um Freilassung der Gefangenen, Rückgabe der geraubten Pferde usw.

[556] So schrieb der Rat am 22. August, einem Samstag. Von einer Antwort des Dauphins erfahren wir nichts.

Aber am Sonntag sahen die Basler von ihren Mauern Schar um Schar des fremden Volkes vor der Stadt vorbeitraben. Es waren die Leute Dammartins und die Spanier. „Sie sind haufenweise vor unsere Stadt gekommen, haben vor uns gehalten und sich lassen schauen.“ Man sah auch einen kleinen Reitertrupp sich von der Menge absondern, in der Gegend des Spalentors, und näher an die Stadt herankommen; man schoß mit Büchsen auf ihn und traf Etliche. Erst später erfuhr man, daß der Dauphin selbst in diesem Häuflein gewesen sei.

Immer neue Massen tauchten aus der Ebene des Elsaß auf und zogen an der Stadt vorüber, der Birs zu. Die Vorhut lagerte sich um Muttenz und Pratteln, die Hauptmacht füllte das Leimental und das Birstal bis hinauf nach Aesch.

Die Stadt aber blieb ruhig und verschlossen. Der Rat erinnerte sich der Warnungen, die ihm vor Wochen schon von Straßburger Freunden zugekommen waren: er solle sein Volk in Meisterschaft halten, Niemand hinauslaufen lassen, die Ringmauer wohl bewachen, sich in kein Gespräch mit dem Dauphin einlassen. Dem Dauphin war es vor allem um Basel zu tun. Sein Belagerungsgeschütz war freilich noch nicht zur Stelle; aber er hoffte auf eine Unvorsichtigkeit Basels, auf die Möglichkeit eines Handstreichs, und lag ruhig auf der Lauer.

Welche Gefühle während dieser bangen, stillen, schwülheißen Tage in Basel walteten, zeigt ein Brief, den der Rat jetzt noch an Straßburg konnte abgehen lassen: „Wir versehen uns, daß das fremde Volk seinen Weg gen Farnsburg und Zürich nehmen und die Eidgenossen, die dort zu Felde liegen, angreifen will. Was daraus werden mag, stehet zu Gott dem Allmächtigen. Dieses Volk hat aber danach, so sie von dort scheiden werden, ganze Meinung, sich mit seiner Macht vor uns zu lagern und uns unterzubringen. Also, liebe gute Freunde, verkünden wir euch diese unsre Not und bitten euch, so ernstlich wir können, ihr wollet uns Trost, Hilfe und Beistand beweisen.“ Es ist zu beachten, daß der Rat diesen Notschrei gerade an Straßburg richtete. Nur nach dieser Seite hin vermochte ein Bote noch durchzudringen. Mit seinen Verbündeten von Bern und Solothurn konnte Basel nicht mehr verkehren. Die Stadt war isoliert.

Und hier entsteht nun für uns die Frage: welcher Art war in diesen Tagen das Verhältnis von Rechten und Pflichten zwischen Basel und den Eidgenossen? Dabei kommt in Betracht, daß der Bund Basels mit Bern [557] und Solothurn für Leistung von Hilfe eine vorausgehende Mahnung verlangte.

Von der Absendung einer Basler Gesandtschaft an die beiden Bundesstädte war schon die Rede. Die Sendung hatte keinen Erfolg, und jedenfalls erfuhr dies Basel erst nach der Schlacht, da während dieser die Gesandten noch auf dem Heimwege waren.

Den vor Farnsburg liegenden Eidgenossen hinwiederum ließ Basel noch am 23. August abends Botschaft und Warnung zukommen, mit Nachrichten über die Stärke der zwischen Basel und Liestal lagernden Feinde. Aber kein Wort von der eigenen Not, vor allem keine Mahnung, Basel zu Hilfe zu kommen.

Am Abend des 25. August verließ ein eidgenössisches Korps das Lager vor Farnsburg, um einen Streifzug bis an die Birs zu unternehmen. Unten in Liestal schloß sich diesem Korps der Hauptmann Sevogel mit Bewaffneten aus der Basler Landschaft an; in der Frühe des 26. August zog die ganze Schar gegen Pratteln. Sie wollten Beute machen, den Feind besehen, ihm eins versetzen. Keineswegs aber traten sie den Marsch an, um Basel zuzuziehen.

Dies beiderseits die Motive, gleichsam das Rechtliche. Wir sehen zwei getrennte Aktionen; auf keiner Seite werden Verpflichtungen übernommen, Zusicherungen gegeben. Aber wir sehen auch, wie die Gewalt der Ereignisse nur weniger Stunden bedurfte, um die Sachlage völlig zu ändern. Schon von Pratteln aus sandten die Eidgenossen, sich als Sieger fühlend, Eilboten nach Basel mit der Meldung, daß sie kämen, mit der Aufforderung, ihnen zur Vernichtung des Feindes Hand zu bieten. Und Anderes folgte.

Was geschah in der Stadt, während sich draußen die Geschicke entwickelten und erfüllten?

Den ersten Alarm brachten, am frühen Morgen des 26. August, jene soeben genannten Eilboten der Eidgenossen. Der Erste, der ihre Botschaft vernahm, war der Oberstzunftmeister Ospernell; sie war wichtig genug, daß er sofort dem Rat zur Sitzung läuten ließ. Der Rat versammelte sich. Und nach kurzer Ueberlegung beschloß man, die Eidgenossen so rasch als möglich von weiterm Vormarsch abzumahnen. Man gab einem der Boten den Befehl, sofort wieder umzukehren und den Heranziehenden zu sagen, daß sie auf eine gewaltige Uebermacht des Feindes stoßen würden und Hilfe Basels nicht erwarten könnten. Der Bote bestieg sein Roß und jagte hinaus, auf Umwegen der Birs zu. Er traf die ins offene Land herausbrechenden [558] Eidgenossen noch jenseits des Flusses, brachte ihnen Warnung und Absage Basels. Er ward von den wild Erregten, Vorwärtsdrängenden erschlagen!

Unterdessen saß der Rat; von draußen, von den Türmen und Mauern kamen Botschaften. Und bald lief durch alle Gassen das Geschrei: die Eidgenossen stehen im Streit, sie schlagen sich mit den Schindern draußen bei St. Jakob. Da wartete die Bürgerschaft die Sturmzeichen nicht ab; sie waffnete sich zum Auszug; von allen Seiten strömte sie auf dem Markte zusammen. Die Söldner hielten im Hofe des Rathauses, unten an der zum Saal hinaufführenden Treppe, auf Befehle wartend. Bei ihnen stand auch der Vorfähnrich, einer aus der Metzgerzunft; der Bannerherr, der oben in der Ratsstube war, hatte ihm für die Dauer der Sitzung das Stadtbanner in Hut gegeben. Unruhig wogten die Zünfte auf dem dichtgefüllten Marktplatze hin und her, schauten ungeduldig zu den Fenstern der Ratsstube hinauf, forderten laut den Auszug. Sie schlugen klirrend die Waffen aneinander, ihre Banner wehten zwischen den Spießen.

Die Lage des Rates war eine schwierige. Wenn auch die Opposition der österreichisch gesinnten Minorität in dieser gefährlichen Stunde nicht laut werden mochte, so lag den Herrschenden die Entschließung darum nicht leichter. Sie hatten Kunde von der Größe des feindlichen Heeres; sie wußten, wie nahe es den Mauern stand; Warnungen wegen eines Angriffs auf die Stadt hatten nicht gefehlt. Nun aber der Ruf der Eidgenossen von heute früh, und jetzt die Gewißheit, daß trotz der Ablehnung und Warnung Basels der Kampf mit dem Feinde diesseits der Birs entbrannt war. Und auch die eigenen Leute stritten dort an der Seite der Eidgenossen.

Die mächtigsten Forderungen und Rücksichten legten sich in die Wagschalen: Bundesgenossenschaft, Drang zu helfen, Wagemut, Gebot der Selbsterhaltung, die Verpflichtung gegen das Konzil, die Ehre der Stadt, aber auch ihre Freiheit und ihr Bestand. Unschlüssig saß der Rat. Die Meinung, nicht auszuziehen, schien die Oberhand zu gewinnen. Da scholl wilder, tausendstimmiger Lärm herauf. Immer mehr war die Ungeduld der Menge gewachsen, immer stürmischer das Verlangen geworden, die Eidgenossen nicht allein zu lassen; der Anblick einiger Verwundeten, die jetzt hereingebracht wurden, blutend, erschöpft, ließ Wut und Mitgefühl aufflammen. Der Fähnrich, der selbst zu ziehen brannte, trat aus dem Rathaus und hob das ihm anvertraute Banner hoch in die Morgenluft: „Her zu mir, wer ein Basler ist“ rief er laut über die brausende Menge hin, und Alles drängte ihm zu.

Die im Rate soeben noch für Zuhausbleiben geredet hatten, fanden [559] jetzt kein Gehör mehr. Der stürmische Wille der Zünfte brach jeden Widerstand; der Auszug wurde beschlossen. Ritter Hans Rot der Bürgermeister übernahm die Führung, Hauptmann der Reisigen war der Ratsherr Hans von Laufen, die Söldner ritten unter dem Kommando des Konrad Dürr. Das ganze Heer zählte über dreitausend Mann.

Man zog die Stadt hinauf, durch die Vorstadt und das Aeschentor, gerades Wegs gen St. Jakob. Als die Spitze des Fußvolkes bei der Katharinenkapelle, wo die Straßen nach St. Jakob und Münchenstein sich schieden, angelangt war, kam Meldung von den Reisigen. Diese waren voraus getrabt, bis zum Kreuzstein auf der Höhe gegen Gundeldingen, neben der Münchensteinerstraße, und hatten von hier aus die breiten Schlachthaufen des Feindes wahrgenommen, die, an der Schlacht noch unbeteiligt, finster und regungslos bei Gundeldingen hielten. Daß hier der Feind stand, hatte man gewußt; nur seine Menge wurde erst jetzt sichtbar. Aber eben kam auch von der Stadt her schlimme Botschaft: auf dem Allschwilerfelde zeigte sich, wie die Späher von den Türmen meldeten, ein neues, noch viel größeres Heer des Feindes, dessen man bis dahin nicht gewahr worden war. Es war die Reserve des Dauphins, die auf die Signale vom Auszuge der Basler nun heranrückte, um über die wehrlos gewordene Stadt herzufallen oder sich zunächst zwischen diese und die Ausgezogenen zu schieben. Noch schwankten die Führer bei der Kapelle. Die Entscheidung war ungeheuer schwer. Vorwärts zur Höhe hinauf, zu den so nahen Eidgenossen, in die Schlacht drängte das Volk. Da wies Einer überrascht nach links hin, über den Rhein. Drüben auf der Straße, die von Säckingen her führt, sah man eine Kriegsschar eilenden Marsches sich Kleinbasel nähern, deren rotes Banner in der Sonne grell herüber leuchtete. Es waren Oesterreicher; und dieser Anblick entschied.

Von allen Seiten sah man den Feind heranziehen, sein Plan einer kombinierten Bewegung gegen Basel lag offen vor Augen. Wenn das Heer nicht sofort heimkehrte, so war die Stadt verloren. „Wir haben jetzt Warnung genug“, sagten die Führer. „Wir gehen zurück.“ Schweren Herzens ward der Befehl erteilt, unwillig befolgt. Wie mochte den Eidgenossen zu Mute sein, die dort in der Not des Kampfes standen, ungeduldig nach Basel ausgeschaut, die Vordersten der heranziehenden Helfer schon erblickt hatten und sie nun wieder weichen sahen. „Also musten wir unser guten fründ gotes genoden lossen warten und erslagen werden, das wir doch leider nicht wenden konnten“ klagt Brüglinger, der selbst mit den Reisigen geritten war und das Schlachtgewühl gesehen hatte. Mit [560] Mühe brachten die Befehlshaber ihre Leute zum Rückzug; die Ordnung war aufgelöst; anfangs widerstrebend und zögernd, aber dann wie man den Mauern näher kam immer hastiger wälzte sich das Heer der Stadt zu, drängte durch das Tor hinein, aus dem es vor kurzem zum Kampfe gerückt war. Die Fallbrücke wurde aufgezogen, die Stadt geschlossen, der ganze Mauerring sofort mit Mannschaft besetzt. Von hier aus versuchte man noch mit Schüssen dem Feinde zu schaden, den Eidgenossen beizustehen. Aber es war vergebens. „Uns geschah leider nie, denn daz inen unser hilf nit werden konnte“ schreibt der Rat wenige Tage später.

In solcher Lage schmerzlicher Resignation empfing Basel am späten Abend dieses Mittwochs die Nachricht vom Ausgange der Heldenschlacht, von der Vernichtung der Eidgenossen. Der Dauphin hatte das Feld behauptet, und Basel durfte nichts Anderes erwarten, als daß er nun sein vereinigtes Heer sofort gegen die Stadt werfen werde. Von dem übermächtigen, durch den letzten mörderischen Streit erbitterten Feind war das Aergste zu befürchten, und der Rat versuchte, diesem durch Unterhandlungen zuvorzukommen. Von ihm beauftragt eilten daher in der Morgenfrühe des Donnerstags zwei Barfüßermönche hinaus nach Waltikofen, um vom Dauphin freies Geleit für eine Gesandtschaft zu erbitten, die der Rat folgenden Tags zu ihm zu schicken gesonnen war. Der Dauphin gab das Geleit, und am Freitag konnte sich die Deputation hinauswagen. Als diese abends zurückkehrte, kam mit ihnen die Aufforderung des Dauphins an Basel, zur Räumung des Schlachtfeldes Hand zu bieten. Er verhieß Sicherheit, und auf sein Verlangen wurde solche durch die Stadt auch den Seinen gelobt. Vor allem die Brüder von Augustinern, Predigern und Barfüßern nahmen sich des Geschäftes an, unter dem Schirm der Herolde des Dauphins die Erschlagenen zu sammeln und zu bestatten. Der Feind hatte die meisten der Seinen schon beiseite gebracht; die Basler sorgten für die Eidgenossen. In drei großen Gruben zu St. Jakob wurden diese beigesetzt; die Namhaften brachte man in die Stadt, sie hier zu begraben. Den ganzen Samstag und Sonntag dauerte die schwere Arbeit. Da fanden die Basler auch die Leichen des Henman Sevogel und der Ihren allen, die mit den Eidgenossen gestorben waren.


Wir vernehmen schon aus den ersten Tagen nach der Schlacht eine Aeußerung des Rates selbst über sein Verhalten: „Wir hätten den Eidgenossen gerne Hilfe gebracht, aber es mochte nicht sein, wollten wir nicht um unsere Stadt, Ehre, Leiber und Gut kommen.“ Und so urteilte auch [561] Brüglinger in späterer Zeit, nachdem alle Gefahr vorüber war: „Gott und seine liebe Mutter gab uns das Glück, daß wir nicht vollends hinauszogen. Sonst wären wir um Leib und um Gut gekommen und um Alles, das uns Gott je verliehen hat, und um unsre Stadt dazu.“

Wichtiger ist, daß Basels Fernbleiben von der Schlacht ihm von den Eidgenossen selbst nicht zum Vorwurf gemacht wurde. Wie freilich der gemeine Mann da und dort in den Tagen des ersten Schmerzes und Zornes urteilte, zeigen die ungeberdigen Reden, die Henman Offenburg kurz nach der Schlacht von Solothurnern zu hören bekam. Aber dies ist unerheblich der Tatsache gegenüber, daß eidgenössische Chronisten der Zeit auch nicht das leiseste Wort des Tadels für Basel haben.

Wir sind heute nicht berechtigt, mehr zu verlangen als die Beteiligten selbst.

Der Impuls, der die Bürgerschaft ergriff und durch sie auch den Rat hinriß, nicht in Erwägungen von Bundespflicht und Mahnung begründet, sondern aus lebendigstem Mitgefühl, aus Sympathie, Freundschaft, Hilfswilligkeit, aus derber Kampflust, aus Haß gegen Erbfeind und Fremde erwachsend, war mächtig und schön an sich. Er hätte die ganze Jugend und Mannskraft Basels den Eidgenossen im Kampfe wie im Tode beigesellt und der Stadt selbst den Untergang, freilich einen glorreichen Untergang gebracht. Aber er mußte im Gedanken an Freiheit und Bestand der Stadt niedergezwungen werden. Wenn Basel sich auf sich selbst und seine Verpflichtungen gegen das Konzil besann, die Eidgenossen ihrem Schicksal überließ, so war dies, wie die Verhältnisse lagen, das gebotene und einzig richtige Handeln. Dazu völlig im Einklang mit der Art Basels, wie sie durch Jahrhunderte sich dokumentiert. Wie der normale Basler Staatsmann später das Vorwärtsstürmen des Volkes beurteilte, das am Tage von St. Jakob Basel ins Verderben zu führen drohte, zeigen die Aufzeichnungen des Adelberg Meyer: „Darumb so hüete sich yederman vor solichem torlichen ylen one bevelch und rotschlag der oberkeit.“

Das harte Nebeneinander von Heldentum und ruhiger ermessender Klugheit ist freilich von stärkster Wirkung. Dies Verhalten Basels, so sehr es im Momente selbst als unzweifelhafte Pflicht gelten mußte, war doch auch Aeußerung eines durch seine ganze Geschichte gehenden Geistes und Wesens, und der Entschluß mußte diesen Führern jedenfalls leichter fallen, als einem sonst auf das Wagende und Weite gerichteten Regimente; im Gedanken hieran ist aber zu sagen, daß ein Staat, der immer so handelt, damit in politischen Dingen endgiltig auf Glanz und Größe verzichtet.

[562] Der Kontrast von Heldentum und Klugheit, der hier vor uns steht, ist nicht nur ein historisch bemerkenswerter, sondern auch ein tiefergreifender darum, weil die Helden von St. Jakob, ohne es zu wollen und zu wissen, mit ihrem Streit und ihrem Tode Basel retteten. „Aber der größte schaden, so die eidgenossen dis kriegs empfangen hant, geschach vor Basel an der Birs“, sagt Fründ.


Von den Unterhandlungen nach der Schlacht war schon die Rede. Am Freitag, 28. August, ritten die Basler Gesandten hinaus; sie trafen den Dauphin nicht mehr in Waltikofen, sondern schon in bedenklicher Nähe der Stadt, zu Folgensburg. Während die Ratsherren hier darauf warteten, durch den Prinzen empfangen zu werden, konnten sie die Reden seiner Umgebung über sich ergehen lassen. Die erbittertsten Feinde der Stadt standen im Vorzimmer um sie her und verhehlten ihnen nicht, daß gerade für heute ein großer Sturmangriff auf Basel angesetzt gewesen sei. „Bei Gott, Euch hätte heut früh eine Purgatz werden sollen“, rief ihnen Hans Heinrich von Spechbach zu. „Alle Kapitäne haben um mich sein wollen, damit ich ihnen die Gesesse der Reichen zeige.“ So eingeschüchtert traten die Basler vor den Dauphin, und hier erwirkten sie, zu ihrem Erstaunen leicht, die Anberaumung einer Konferenz auf nächsten Montag nach Altkirch. Vielleicht glaubten sie damit der größten Gefahr schon enthoben zu sein. Der Dauphin seinerseits willigte in Verhandlungen, weil er auf Nachgiebigkeit dieser Städter rechnete; aus ihrem Wunsche, mit ihm zu reden, entnahm er, daß sie jetzt, nach dem Untergang ihrer Verbündeten, den Frieden suchten um jeden Preis.

Mit dieser Abrede kehrten die Deputierten nach Basel zurück.

Hier war man endlich am Sonntag spät abends mit der Bestattungsarbeit fertig geworden, und am Montag beging Basel in seinen sämtlichen Kirchen ein großes Requiem für die Toten. Gleichen Tags begann die Konferenz in Altkirch.

Basel war vertreten durch einige Herren des Rates, durch Bischof Friedrich, sowie durch Prälaten des Konzils, unter denen die Kardinale Ludwig von Arles und Johann von Segovia sich auszeichneten. Mit möglichstem Prunke trat diese Gesandtschaft in Altkirch auf; die Herren des Rates begannen sofort mit Beschwerden über die von den Armagnaken an Baslern verübten Gewalttaten. Der Dauphin entgegnete durch Vorwürfe darüber, daß er vor einigen Tagen von den Mauern Basels aus durch Schüsse sei gefährdet worden, sodann durch die heftige Anklage, daß Basel [563] mit den Schweizern gemeine Sache mache, den Adel vertilgen wolle und das Haus Oesterreich befehde. Die Basler antworteten auf feste Weise, ihre Rechte wahrend. Versöhnlicher redete der Arelatensis, und nach diesem ergriffen auch noch andere Konzilsherren das Wort zu Gunsten Basels. Der Dauphin beruhigte sie hinsichtlich des Konzils; nicht als dessen Feind sei er gekommen, sondern gegen die Stadt Basel ausgezogen. Die Konferenz schloß unter Anberaumung fernerer Verhandlungen in Basel selbst.

Am 6. September ritten die französischen Herren, an ihrer Spitze Jean de Bueil und der Hofmeister Gabriel de Bernes, mit vierzig Pferden in Basel ein. Sie erhielten Quartier im deutschen Hause, der Residenz des Konzilspräsidenten; die Verhandlungen fanden im Augustinerkloster statt.

Hier im Refektorium haben wir uns diese denkwürdige Szene zu malen. Dem Sieger von St. Jakob, Jean de Bueil, in eigener Person und seinem gewandten Unterhändler Gabriel de Bernes gegenüber die Basler Ratsherren Rotberg, Ospernell, Halbisen und Ziegler mit ihrem Schreiber Künlin. Als Tagherren, die diese Zusammenkunft veranlaßt hatten und leiteten, saßen da die Kardinäle Alemandi und Segovia, weiterhin Bischof Friedrich und als bedeutsame Zeugen die Gesandten der mit Basel verbündeten Städte Bern und Solothurn.

Die Franzosen begannen wiederum mit dein Vorwurfe, daß von den Basler Mauern auf den Dauphin geschossen worden sei, und verlangten Genugtuung. Dem gegenüber verwiesen die Basler auf Brauch und Recht des Krieges; fremdes Volk sei in ihr Land eingebrochen und habe sie bedroht; daß durch sie auf die Feinde geschossen worden sei, brauchten sie daher vor Niemandem zu verantworten.

Doch nun griff Bernes weiter aus und brachte Forderungen, die schon in Altkirch gestreift worden waren. Von alters her habe die Stadt Basel schirmsweise der Krone Frankreich gehört und dafür alljährlich seine Leistung getan. Frankreich habe in letzter Zeit diese Rechte zu wenig wahrgenommen, sei aber jetzt gesinnt, sie wieder zur Geltung zu bringen. Bernes verlangte, daß die Basler sich dem fügten, wogegen der Dauphin geneigt sein würde, ihnen Gnade zu erweisen, ihre Freiheiten zu bestätigen und neue Freiheiten zu verleihen. „Von dem Allem wissen wir nichts“ antworteten die Vertreter Basels. „Basel ist eine freie Reichsstadt und der Bischof ihr Herr. Wir sind Niemandem etwas zu leisten schuldig, als dem römischen König, wenn er über Berg nach Rom zieht“. Und als die Franzosen drängend und drohend einwarfen: „Ihres Fürsten Meinung sei, daß Basel sich zu fügen habe; wolle es sich dawider [564] sperren, so werde er Alles, so ihm Gott verliehen habe, daran setzen und Basel zur Unterwerfung zwingen“, erwiderten die Basler ohne Zögern: „Daß wir uns vom heiligen römischen Reich und unserm Herrn dem Bischof sollten drängen lassen, das können wir nicht tun, was wir auch darum leiden müssen.“ In solcher Weise dem Sieger von St. Jakob ins Gesicht zu reden, während um Basel her die Dörfer brannten und die Armagnaken wogten, war jedenfalls ein Akt des größten Mutes.

Bis zum 11. September währten noch die Verhandlungen. Der Rat hatte den Gesandten die durch die Höflichkeit geforderte Ehre erwiesen. Dann verritten die Herren wieder, unverrichteter Dinge, zum Dauphin, der inzwischen sein Hauptquartier landabwärts, nach Ensisheim, verlegt hatte. Hier wurden Mitte Septembers die Verhandlungen aufs neue begonnen, wiederum unter Teilnahme des Konzils und des Bischofs.

Aber unterdessen blieb auch der Rat nicht müßig. Wiederholt schrieb er in diesen Tagen an die in Nürnberg versammelten Städteboten. In demselben deutschen Reiche, zu dem er sich so tapfer bekannt hatte, wurde seine Stadt jetzt verlästert und verunglimpft als Genossin der Bauern, als Feindin von Fürst und Edelmann; zu dem Reichstage war sie nicht einmal geladen worden. Mit bittern Worten klagte der Rat seinen Freunden im Reich all diese Unbill; er teilte mit, welche Zumutungen der französische Prinz ihm gestellt habe und mit welchen Drohungen; er sprach den festen Willen aus, beim Reiche zu bleiben; er bat die Städte, ihm ihren Rat zugeben, ihm Hilfe zu schicken. Zur gleichen Zeit schrieb Basel Solchen, die seine Hilfsgesuche nicht nur vernahmen, sondern auch gewährten. Der Rat wendete sich an Bern und Solothurn, schilderte ihnen Basels Not, mahnte sie bei Bundespflichten, Hilfsmannschaften zum Schutze der Stadt zu schicken. Die beiden Städte weigerten in der Tat die Hilfe nicht, sondern rüsteten Zuzüger aus, zur selben Zeit, da die Verhandlungen in Ensisheim wieder aufgenommen wurden.

Diese Verhandlungen galten, was wohl zu beachten ist, nicht allein dem Verhältnisse zwischen dem Dauphin und Basel. Wenn Bern und Solothurn ihre Boten in Ensisheim hatten, so geschah dies um der Allianz mit Basel willen, aber auch in der Absicht, für diese beiden Orte selbst und ihre Verbündeten die Schweizer mit dem Dauphin ins Reine zu kommen; „ob wir und ander unser eidgenossen des frömden volkes abkommen möchten.“ Ihnen gegenüber stand aber auch nicht der Dauphin allein, neben diesem beteiligte sich im Namen Oesterreichs sowie der Stadt Zürich auch Markgraf Wilhelm an den Beredungen.

[565] So kommt den Ensisheimer Konferenzen eine umfassende Bedeutung zu. Sie führten zur Erklärung eines Waffenstillstandes, der am 20. September beginnen und bis zum 9. Oktober währen sollte; er wurde später noch um zwölf Tage über diesen Termin hinaus verlängert.

Der Gang der Dinge ist überraschend. Auf die Schlacht und die allergefährlichste Bedrohung der Stadt mit Heeresgewalt waren Verhandlungen gefolgt; diese Verhandlungen, mit harten Vorwürfen und Forderungen des Dauphins beginnend, waren in ruhigerer Weise auf wiederholten Zusammenkünften weitergeführt worden; zuletzt wurde, als Vorbote definitiven Friedens, ein Waffenstillstand beredet und erneuert. So sehr die Bemühungen der Vermittler, zumal des Konzils, anerkannt werden müssen, haben als entscheidend für diese Entwicklung doch die eigenen Raisonnements des Dauphins Ludwig zu gelten. Wir versuchen, diese uns klar zu machen.

Zunächst konnte sich der Dauphin Oesterreich gegenüber aller weitern Verpflichtung zum Kriege mit den Eidgenossen enthoben erachten. Sowohl Farnsburg als Zürich waren in Folge der Schlacht durch die Belagerer freigegeben worden. Wenn der Dauphin überhaupt je an eine Invasion der innern Schweiz gedacht hatte, so lag hiezu nicht nur kein Anlaß mehr vor, sondern er mußte nach den bei St. Jakob gemachten Erfahrungen Bedenken tragen, nur dem Bauernhaß der österreichischen Ritter zu lieb sich mit seinem Heere in das Land hineinzuwagen und noch mehr Leute zu verlieren, als er schon verloren hatte.

Hinsichtlich Basels aber mußte der 26. August als verlorener Tag gelten, da der Plan eines Ueberfalles mißlungen war. Der dann für den Freitag angesetzte Sturm wurde aber gerne aufgegeben, als sich durch die Botschaft des Rates eine Möglichkeit zu eröffnen schien, der Stadt ohne Waffengewalt Herr zu werden. Die Präsumtion sprach keineswegs dagegen, daß die Basler dieselbe Widerstandskraft zeigen würden wie ihre Bundesgenossen. Und wenn ein Siechenhaus zu brechen solche Opfer kostete, wie teuer mußte die Eroberung dieser Stadt zu stehen kommen. Il ne prit pas la cité, car elle estoit trop bien gardée et défendue, weiß noch Olivier de la Marche zu berichten. Aber dieser Mut, dem gegenüber es der Dauphin auf keinen Sturm wollte ankommen lassen, fehlte auch bei den Verhandlungen nicht. Alle Dreistigkeit der französischen Unterhändler, ihre Verheißungen wie ihre Drohungen blieben ohne Wirkung. Ceux de Basle standen fest und zeigten sich bereit, für ihre Freiheit das Aeußerste zu wagen. Da wich der Dauphin zurück. Er ließ seinen Plan [566] fallen. Daß dies geschehen konnte, zeigt, wie sehr seine Zuversicht durch den Tag von St. Jakob erschüttert war.

Welcher Art aber waren nun seine Beziehungen zu Friedrich und dem Sundgauer Adel? Fürs erste ließ er die Armagnaken auf österreichischem Boden liegen, hier den überreichen Herbst dieses Jahres genießen und sich für den Winter einrichten. Auf ihre Weise! „Als sie ins Land gekommen waren, hatten sie sich noch bescheidentlich gehalten, sodaß ihrer die Leute fast froh wurden. Aber nach der Schlacht da brachen sie ein und nahmen den Leuten was sie hatten, und stießen sie hinaus und lebten mordlich mit ihnen und rissen ihnen die Kehlen ab und trieben großen Unfug mit den Frauen und Töchtern. Und es ward eine grausamliche Klage in dem Land über das böse Volk.“ Nicht die Bauern nur litten unter der furchtbaren Plage. Auch die Herren des Landes, die Edeln, wurden früh inne, welch schlimmen Gast sie geladen hatten. Schon bei den Verhandlungen in Altkirch fuhr der von Münstrol die Basler Gesandten zornig an: „Dies Unglück haben wir alles von euch! Gotts Blut, wir sind verdorben, ihr müsset auch verderben!“

Der wüste Rausch dieser Herren war rasch verflogen! Neben dem Aerger über die Mißhandlung ihrer Lande peinigte sie schon jetzt die Gewißheit, daß ihre Hoffnungen getäuscht seien, und das bittere Gefühl, in der gelenken Hand dieses fremden jungen Fürsten nur törichte Werkzeuge gewesen zu sein, die er jetzt achtlos bei Seite warf. Eine Art persönlichen Interesses hat der Dauphin höchstens an Burchard Münch genommen; der Tod des Bourgalemoine galt bei den Franzosen als einer seiner schweren Verluste. Aber wie weit ab standen auch in der Tat die kleinen Ritter des Sundgaus, mit all ihren Wünschen, mit all ihrem lauten Haß, von dem kühlen überlegenen Wesen, von der Bildung und politischen Denkart der Fremden, die jetzt als Herren des Landes walteten. Die tiefste Erbitterung gegen diese ergriff den eingeborenen Adel; in seinen Kreisen ward der Name Delfin verhaßt und schimpflich genug, daß ihn Herman von Eptingen seinem Hunde gab.

Hiezu kamen die Erfahrungen, die der Dauphin mit König Friedrich machte. Die Zusagen über Quartier und Verpflegung wurden nicht gehalten; von demselben Friedrich, der ihn hergerufen, erhielt er jetzt Vorwürfe, den deutschen Boden betreten zu haben, und die Aufforderung zur Räumung des Landes. Seine Antwort war, daß er vor den Ständen des Reiches zu Nürnberg am 14. September den ganzen Handel bloßlegen ließ, zur Schmach des Königs. Von diesem Moment an war ein [567] Zusammengehen der beiden Mächte nicht mehr möglich. Die Entzweiung war gegeben und fand bald ihren Ausdruck darin, daß Friedrich von Reiches wegen den Krieg gegen die Armagnaken verkündete.

In solcher Weise hatten sich die Positionen verschoben. Düpiert waren Beide: der Dauphin durch Oesterreich, dieses durch Jenen. Es ist natürlich, daß diese Sachlage den Dauphin veranlassen konnte, in seinem Verhältnis zu Basel und den Eidgenossen einen Schritt weiter zu gehen. Die Tätigkeit Derjenigen, die hiebei als Vermittler sich hervortaten, gab den Ausschlag. Diese Vermittler waren Herzog Ludwig von Savoyen, durch seinen Vater den Papst hierin unterstützt, jedoch nicht hauptsächlich um des Konzils willen, sondern gemäß alter Hauspolitik, die ihn zum Verbündeten Berns und Gegner Oesterreichs machte; ferner der Graf von Valengin und der mächtige Graf Hans von Freiburg, Burger von Bern und Marschall von Burgund. Diese Herren arbeiteten an einem Frieden des Dauphins mit den Eidgenossen, Oesterreich entgegen, und ihren Boten begegnen wir schon frühe in Ensisheim. Zur gleichen Zeit aber bemühten sich Andere um einen Frieden der Eidgenossen mit Oesterreich; den Bischof Friedrich von Basel sehen wir bei solchen Geschäften beständig hin- und herreiten, nach Villingen, nach Freiburg, nach Breisach, nach Zofingen, mit ihm den Komthur Burchard von Schellenberg u. A. Die beiden Aktionen gehen einander parallel; Bischof Friedrich brachte aber nichts zu Stande, um so mehr die savoyisch-burgundischen Mediatoren.

Am 21. Oktober, an welchem Tage der Waffenstillstand zu Ende ging, fand in Zofingen die Schlußverhandlung statt. Anwesend waren namens des Dauphins Gabriel de Bernes, von der andern Seite die Gesandten Basels und der Eidgenossen. Unter Assistenz von Vertretern Savoyens und des Konzils kam am 21. Oktober der Friede zu Stande, und die Städte Basel, Bern, Solothurn erhielten von den Eidgenossen Vollmacht, das Instrument für den Dauphin zu besiegeln, sobald dieser seinen Gegenbrief ihnen zugestellt haben würde. Am 28. Oktober zu Ensisheim geschah die Anerkennung durch den Dauphin; Gabriel de Bernes selbst brachte die Urkunde nach Bern zu Händen der Verbündeten.

Mit diesem hochbedeutsamen Dokument, dem Ensisheimer Frieden, war die völlige Umwandlung der Verhältnisse gegeben. Die Parteien gelobten sich gegenseitig für die Zukunft gutes Einverständnis und feste Freundschaft; der Dauphin gewährte Basel und den Eidgenossen Sicherheit der Person und des Eigentums in allen Landen, die er besetzt hielt oder noch in Besitz bekommen würde. Aus dem Helfer Oesterreichs und seines [568] Adels war er dessen Gegner geworden; er übernahm nicht nur, die Edelleute, die Basel befehdet hatten, zur Einstellung der Feindschaft zu bewegen, sondern versprach sogar, gegen die sich dessen weigernden Edeln die Waffen zu brauchen.

Aber es gehört zum Bilde dieser von Haß und Untreue erfüllten Zeit, daß in denselben Tagen, da der Friede in Zofingen vereinbart wurde, König Friedrich neuerdings Schritte beim Dauphin tat, um seine Hilfe gegen die Eidgenossen zu gewinnen. Was kümmerte ihn das Reichsaufgebot, das gegen die Fremden ergangen war; er hatte nur die Unterwerfung der Feinde Habsburgs im Auge! Sein Bruder Herzog Albrecht, mit der Führung dieses Geschäftes betraut, saß in Breisach, und voll Mißtrauens beobachtete der Basler Rat die Botschaften, die zwischen Ensisheim und Breisach hin- und hergingen.

Basels Lage war eine schwierige. Die Stadt hatte Beziehungen und Verpflichtungen nach allen Seiten und stand sehr exponiert da. So behutsam als möglich verfuhr der Rat. Während er mit dem Dauphin verhandelte, ließ er durch Bischof Friedrich auch bei Oesterreich für einen Frieden arbeiten; nachdem er nicht nur aus den Eröffnungen des Dauphins am Nürnberger Reichstag, sondern auch sonst durch seine heimlichen Kundschafter Kenntnis von den Vorgängen erhalten hatte, verlor er doch kein Wort der Beschwerde über die Ränke des Königs. Sehr reserviert verhielt er sich gegenüber den Straßburger Gesandten, die über das „zweigerhant gewerbe“, das er treibe, Aufschluß begehrten; und auffallend ist die Fassung der Schreiben, die er ins Reich ergehen ließ. Mit Emphase wendet sich der Rat an den König und bittet ihn, sich die Lage Basels zu Herzen zu nehmen. Die Stadt will beim Reiche bleiben und sich des Dauphins nach Möglichkeit erwehren. Ueber diesen und seine Scharen wird bittere Klage geführt. Auch den Straßburgern schreibt der Rat wiederholt; in teilnehmenden Worten mahnt er sie, vor dem fremden Volke auf der Hut zu sein, bittet um Nachricht über ihr Ergehen. Es ist schwer zu sagen, an welchem Punkte Aufrichtigkeit und Berechnung sich hier berühren. Völlig in das Gebiet der letztern gehört aber sicherlich der Brief Basels an den Pfalzgrafen Ludwig, obersten Hauptmann des Reichs wider die Schinder, welcher Brief am 25. Oktober, also nach dem Friedensschluß von Zofingen erlassen wurde. Der Rat begrüßt den Reichskrieg und wünscht ihm alles Gelingen, lehnt aber jede eigene Teilnahme ab, da er alle Mannschaft zur Sicherung der Stadt nötig habe; der Dauphin berenne täglich Basel, fange oder töte Basler; man habe Warnung erhalten wegen Brandstiftungen in [569] der Stadt, wegen nächtlicher Ersteigung der Mauern u. dergl. m. Es waren Alarmnachrichten, die acht Wochen früher hätten begründet sein können; jetzt mußten sie Basel möglich machen, mit gutem Schein allen Maßregeln des Reiches gegen den Dauphin fern zu bleiben.

Daß aber der Rat solche Märchen erzählte und nicht einfach meldete, er habe vor vier Tagen mit dem Dauphin Frieden geschlossen, hatte seinen Grund in der Opposition, der dieser Friede in Basel selbst begegnete.

Die Politik Basels war bis jetzt durch den Rat geführt worden. Neben dem Rate aber bestand die Gemeinde, die Einwohnerschaft, die von den Einzelheiten der Verhandlungen kaum etwas vernahm, die überhaupt nicht das Allgemeine und Entfernte sah. Der gemeine Mann hatte nur die Scheußlichkeiten der Armagnaken vor Augen, wußte nichts von den Umtrieben Friedrichs. Ihm war Feind nur der Dauphin.

Von der großen Konferenz zu Augustinern und den dort erhobenen Forderungen der Franzosen mochte allerhand unter die Leute gekommen sein. Dazu die frische Erinnerung an den Tag von St. Jakob, die Schrecken des nahen Schlachtfeldes, jetzt aufs neue und grausiger als zuvor aufsteigend bei der Räumung von Kirche und Hofstatt, beim Auffinden der Leichname der im Siechenhauskeller Erstickten; so hart und widerlich war diese Arbeit, daß das Konzil sie durch Verheißung von Ablaß fördern mußte. Auch der Kontakt mit den in der Stadt liegenden eidgenössischen Zuzügern tat das Seine, um die Erbitterung gegen den Dauphin rege zu halten. Von dieser Gemeinde aus erhob sich nun durch die Sechser der Zünfte der entschiedenste Widerspruch, als der Rat, am Tage nach der Zofinger Abmachung, den dort geschlossenen Frieden vorlegte und das Siegel Basels an die Urkunde hängen wollte. Die Gemeinde verweigerte ihre Genehmigung; sie glaubte dem Dauphin und seinen Versprechungen nicht, wollte von einem Frieden mit den „bösen lüten“ nichts wissen.

Häßliche Beschuldigungen verbanden sich mit dieser Opposition. Verdächtigungen wurden laut vorab gegen Henman Offenburg, der vom Rate zu den meisten Verhandlungen delegiert worden war und nun, allerdings kaum ohne sein eigenes Zutun, vom Dauphin ein Kammerherrnpatent erhalten hatte. Wenn er den Frieden empfahl, so tat er dies, wie Viele glaubten, dem Dauphin und nicht der Stadt zu Liebe.

Auch von außen her wurde auf die Stimmung eingewirkt, zumal von Straßburg her. Dort rückte jetzt die Gefahr der Armagnaken immer näher, und das in solcher Not stehende Straßburg vernahm mit Empörung, daß die Schinder zu Basel aus- und eingehen und frei verkehren könnten, [570] daß man ihnen dort um Geld Alles gäbe, was sie wollten. Es hielt mit Vorwürfen nicht zurück; schwere Reden wurden in Straßburg laut gegen den Basler Oberstzunftmeister Ospernell, der wie Offenburg an allen Verhandlungen mit dem Dauphin beteiligt gewesen war und zuletzt auch in Zofingen den Frieden geschlossen hatte; wenn man seiner habhaft werde, wolle man ihn in Stücke hauen wie einen Verräter.

Solchergestalt zögerte Basel mit der Annahme des Friedens, zum Aerger des Dauphins wie der Eidgenossen. Gabriel de Bernes und die savoyischen Gesandten ritten anfangs Novembers nach Bern und ließen den dortigen Rat wissen, daß der Dauphin am Frieden mit den Schweizern festhalten werde, auch wenn Basel ihn nicht acceptiere. In gleichem Sinne schrieben die Berner an Luzern, verlangten eine Zusammenkunft in dieser Sache, äußerten sich unwillig über die Basler, die jetzt weder Ja noch Nein sagen wollten; sie seien es doch gewesen, die zumeist am Frieden gearbeitet hätten; am 9. November fand die Konferenz statt, und die Eidgenossen beschlossen, zum Frieden zu stehen, auch wenn Basel ihm nicht beitrete.

Wir wissen nicht, auf welchem Wege und mit welchen Mitteln die Annahme durch Basel doch zu Stande kam. Vielleicht, daß der Rat nun den Sechsern Alles mitteilte, was er über die Haltung Friedrichs und des Adels in dieser Sache wußte. Vielleicht auch, daß der, zum Teil auf Veranlassung Basels, durch den Bischof Friedrich und andere Unterhändler am 17. November vereinbarte Waffenstillstand zwischen Oesterreich und den Eidgenossen — der dann freilich nicht zur Wirkung kam — von Einfluß war. Die Vermutung aber, daß lediglich die Entschädigungsforderung des Dauphins Basel von der Ratifikation abgehalten, das nachträgliche Fallenlassen dieser Forderung zur Einigung geführt habe, läßt sich nicht belegen.

Am 19. November endlich geschah die Annahme des Friedens durch Basel; am 26. November wurde er auf dem Kornmarkte ausgerufen.

Um so bestimmter sehen wir nun von diesem Moment an, da die Führer Basels ihrer Sache sicher waren, eine Aenderung in ihrem Verhalten. Zwei Briefe Basels an Straßburg vom Dezember und Januar zeigen dies mit aller Klarheit. Hier führt der Rat eine andere Sprache als früher. Die Vorwürfe wegen des Verkehrs mit den Armagnaken weist er als Uebertreibungen zurück, und offen spricht er es aus, wie Basel in seiner Not verlassen gewesen sei. „Wir haben dem König, den Kurfürsten, andern Fürsten und Herren, den freien und Reichsstädten von unserer Drangsal geschrieben, sie um Hilfe und Trost angerufen. Aber uns ist keine Hilfe geworden, Alle haben uns ohne Trost gelassen, nur nicht die Eidgenossen“.

[571] Jedenfalls hatte Basel in diesen letzten Monaten des Jahres immer stärkere Gewißheit erhalten über die Rolle, die König Friedrich und der benachbarte Adel bei der Invasion des Dauphins gespielt hatten. Je mehr Einsicht in diese heillosen Machenschaften gewonnen wurde, um so schärfer vollzog sich der Umschlag der Gesinnung. Die Folgen waren der Sturm gegen die Hohe Stube und sodann der große Adelskrieg.

Zunächst freilich herrschte Ruhe. Aber in der Stadt wie draußen sammelte sich diesen Winter durch der Haß in furchtbarer Stärke.

Die Edeln können Basel nicht verzeihen, Bundesgenosse der Eidgenossen geworden zu sein, die wider Gott Ehre und Recht die gnädige Herrschaft bekriegen und allezeit Feinde des Adels gewesen sind. Diesem Vorwurfe der Adelsfeindschaft entgegen stellt Basel seine Anschauung vom „löblichen Adel“ wiederholt fest. Ein Schwur, die Edeln zu vertreiben, sei weder durch die Schweizer noch durch die Basler getan worden; auch sei Basel dem Adel, der Gutes wirke und tue, von Herzen hold, habe auch nie etwas Anderes getan, als solchen Adel „gestärkt und gehandfestet“. Dagegen seien viele Edle in unsrer Gegend, die den Leuten das Ihre rauben, und gegen diese mit Strenge einzuschreiten sei Basel allerdings gewillt. So der Rat noch im Spätherbst 1444. Später anders: was seine Feinde wegen des Bundes mit den Schweizern ihm vorwerfen, weist er kurzen Wortes als Einmischung in seine Angelegenheiten zurück; über sein Verhältnis zum Adel äußert er sich nicht mehr; wohl aber erhebt er die bittersten Anklagen wider Diejenigen, die das fremde Volk zur Zerstörung von Leib und Gut der Basler hergebracht haben.

Merkwürdig, wie die Begriffe sich verschränken. Basel ist empört über die Bosheit und Untreue König Friedrichs, wirft ihm vor, die Schinder gerufen zu haben, wirft dem Adel vor, diesen die Wege gewiesen, die Schlösser geöffnet, die Stadt Basel verraten zu haben. Zur gleichen Zeit behandelt es seinerseits die ganze Angelegenheit der Schinder als eine abgetane Episode; es hat seinen Frieden mit dem Dauphin gemacht, läßt die Fremden bei sich verkehren, öffnet ihnen seinen Markt, holt unter ihrem Schutz sein Korn im Sundgau. Ohne deswegen je den Vorwurf gegen den Adel fallen zu lassen. Einen Vorwurf von unendlicher Bitterkeit, weil die Edeln den Dauphin und sein Volk als ihre eigene schwerste Plage verfluchen. Sie haben ihn aufgesucht und geladen und sehen jetzt mit Grimm, wie Basel, auf das sie die gierigen Scharen gehetzt, frei ausgeht, sie selbst aber alle Schrecken und Schmerzen zu dulden haben.

Das Basler Territorium hatte die Fremden verhältnismäßig wenig [572] gespürt; vor der Schlacht war ihre Avantgarde jenseits der Birs hauptsächlich auf Gebiet der Herren gelegen, nach der Schlacht der Streifzug gegen Waldenburg und Balstal rasch verbraust. Die Waldstädte sodann hatten sich loskaufen, Schwarzwald und Breisgau einen Einfall abwehren können; das Elsaß mußte die Truppen aufnehmen und unterhalten. Hier hausten sie nun den ganzen Winter lang mit Fangen und Rauben, mit Martern, Erstechen, Kehlenabreißen, mit Schändung der Frauen, Entehrung der Kirchen, mit all jenen Greueltaten, die in den Büchern der Basler Chronisten unter Schaudern und vielleicht doch nicht ganz ohne Schadenfreude registriert wurden. Im Frühjahr zogen sie allmählich davon; hinter sich ließen sie ein verwüstetes Land und eine Erbitterung, die nur auf diese Stunde gelauert hatte, um loszubrechen.


Hier haben wir die Feinde der Stadt ins Auge zu fassen. In der vordersten Reihe stehen alte Widersacher: Hans von Münstrol mit seinem Sohne Friedrich, Hans Münch von Landskron, Herman und Konrad von Eptingen, die beiden Mörsberger Brüder Peter und Konrad; der Letztere war Pfandherr zu Dattenriet, Peter Pfandherr zu Pfirt und Hubmeister der Herrschaft. Dieser erwies sich auf dem Schlachtfelde von St. Jakob und jetzt durch alle Jahre des Krieges als einer der unversöhnlichsten Feinde, als der Tätigste in Handstreichen und Ueberfällen. Ein andres Brüderpaar waren die beiden jungen Freiherren von Falkenstein, Hans und Thomas, der Vormundschaft noch nicht lange entwachsen und nun sofort bei den Entschlossensten im Kampfe wider Bauern und Städter.

Auch Edle reihen sich an, die bisher den baslerischen Dingen ferne gewesen waren, neue Gestalten, aber darum nicht weniger feindlich und schädlich; sie griffen weniger aus eigenen Gründen, als um der gemeinsamen Sache willen in den großen Streit ein. Solcher Art waren die beiden Thüringe von Hallwil, Vater und Sohn, solcher Art auch der stets neben diesen und mit ihnen wirkende Freiherr Wilhelm von Grünenberg. Er hatte früher abseits vom Oberrheine gelebt, seit 1430 aber, da er das Schloß Rheinfelden als Reichspfand erwarb, tritt er auch in diese Kreise ein; er ist schon hoch in Jahren, reich an Erfahrungen, gilt als Hauptträger der österreichischen Sache und zumal in den Augen Basels als „antreger, stifter und fürmünder des schweren überzogs des bösen volkes.“

Um diese paar Hauptfiguren her drängt sich in weitem Kreise ein dichter Schwarm von Rittern, die gierig den Anlaß ergreifen, sich im Kampfe wider die verhaßte Stadt zu versuchen, Herren, deren neue Namen nun [573] die Chroniken, deren Absagebriefe die Laden im Rathause füllten: Melchior und Balthasar von Blumenegg, Hans Erhart von Zässingen, Dietrich von Ratsamhausen zum Stein, Ludwig von Masmünster, Jerg von Raterstorf genannt Knöringer, Hans Winegker des Grafen Hans von Tierstein Schwager, Heinrich Kappeler, die auf dem Schlachtfeld von St. Jakob zu Rittern geschlagenen Jerg von Geroldseck und Siegfried von Oberkirch, Ulrich von Pfirt usw. Hier zum ersten Male begegnet uns auch die dunkle Gestalt Peters von Hagenbach.

Nicht nur Edelleute des österreichischen Gebietes bei Basel, überhaupt nicht nur Edelleute, sagen der Stadt ihre Feindschaft an. Zahlreiche Herren auch aus Oesterreich und Böhmen und aus den Landen der mit Albrecht verbündeten Grafen von Würtemberg lassen ihre ungewohnten Namen hören, und neben ihnen, im Gefolge Aller, tummelt sich ein bunter Haufen von Raufbolden und Abenteurern: Claus Flüguff genannt Nyemantzfründ, Peter von gotsgnaden, Ulrich Setzwin, Herman Speckesser, Swartzhans, Böshans, Bruder Lienhart, Clewin Schirdenbart, Hans Purenvigend u. dgl.

Im Ganzen sind es viele Hunderte, und deutlich sondern sich unter ihnen zwei Gruppen aus: die Altkircher Gesellschaft unter Führung des Grafen Hans von Tierstein, in der Hauptsache die Landangesessenen in sich schließend, und die in Neuenburg stationierte große Schar der Fremden, der Perwer, Tobelhaimer, Staudinger, Marczinko Oetpyebka, Ztenytzla Zteplitz, Nicolesch Rosy, Wiltzko von Prag, Friedrich Kop von Kobentzel usw., deren Hauptmann Bernhard von Pelleyten ist.

An der Spitze der ganzen Aktion steht, mit Graf Hans von Tierstein und Landvogt Wilhelm, Herzog Albrecht von Oesterreich selbst. Im Herbst 1444 hat er die Verwaltung der Vorlande und die Kriegführung übernommen.

Einer freilich, und zwar der Gefährlichste, fehlt zur Zeit unter Basels Feinden: Hans von Rechberg; er ist in Zürich für Oesterreich tätig.

Dieser gewaltigen Koalition gegenüber waren es nur wenige Edle, die ausdrücklich zur Stadt hielten. Sie werden später zu nennen sein. Hier erwähnen wir noch die Neutralen. Unter diesen zunächst den alten Hans Thüring Münch, den früheren Archidiakon, der dann weltlich geworden war und mit Frau und Söhnen auf Münchenstein hauste. In den Tagen der Schlacht bei St. Jakob hatte er die Burg verschlossen gehalten, die Schinder und Edeln nur die Vorburg betreten lassen. Später nahm er zeitweise städtische Söldner als Besatzung auf. Er hat wiederholt Mangel an Proviant und bittet den Rat, ihm von dem Korn, das er letzten Sommer in die Stadt geflüchtet, verabfolgen zu lassen. Seine Ehefrau, Fröwelin, [574] von Eptingen, tut im Januar 1445 einen bösen Fall und ist dem Tode nahe; aus Furcht vor den Schindern will kein Arzt zu ihr heraus kommen, und der Münchensteiner muß darum anhalten, daß man der kranken Frau den Eintritt in die Stadt erlaube. Von den Söhnen gibt Konrad um dieselbe Zeit dem Rate viel zu schaffen; er wird verklagt, daß er es mit dem Falkensteiner und anderen Feinden der Stadt halte; er beteuert zwar seinen guten Willen, aber der Rat ist dennoch veranlaßt, ihn in Haft zu setzen. Am 30. Juni 1445 wird er unter Urfehde wieder freigelassen. Auch Hans und Ludwig von Andlau wollen nicht zu den Feinden Basels gehören. Ebenso Diebolt von Dachsfelden, wie sich überhaupt der ganze jurassische Adel von dem Streite fern hält.

Als Vertreter dieser letztem Gruppe kann der Freiherr Rudolf von Ramstein gelten. Obwohl Schwiegervater des Thomas von Falkenstein, läßt er sich in den Krieg nicht hineinziehen. Er ist völlig neutral und mehr als dies: rastlos und bei jeder Gelegenheit tätig für Frieden und Ausgleich. In all diesen Jahren, vor wie nach der Schlacht, sehen wir den Junker Rudolf von Zwingen zwischen den streitenden Parteien beständig hin und wieder reiten; in keinem kritischen Momente fehlt er, um einen „Täding“ zu versuchen. Gelegentlich mag er mit dieser Dienstfertigkeit den Beteiligten selbst recht unbequem gewesen sein; als er z. B. im April 1449 vor Blochmont erschien, um in üblicher Weise einzugreifen, wiesen ihn die Basler barsch hinweg, diesmal gebe es nichts für ihn zu tun.

Wenn in Rudolf von Ramstein dies Bestreben, überall den Mittler zu machen, wie eine zur Leidenschaft gewordene Neigung erscheint, trägt es bei Bischof Friedrich, den wir in solchen Augenblicken meist an seiner Seite finden, einen andern Charakter.

Friedrich zu Rhein war aus einem sich über die Wahl entzweienden Kapitel, unter Verdrängung seines Gegners Bernhard von Ratsamhausen, zur Bischofswürde gelangt, im März 1437. Sofort nachher sehen wir ihn an den Schritten des Konzils gegen Papst Eugen sich beteiligen; daß seine Regierungszeit durch das Konzil sowie Absetzung und Wahl eines Papstes ausgezeichnet worden sei, ließ er selbst später in Denkversen verkünden.

Für uns von Bedeutung ist seine Tätigkeit zu Gunsten des Bistums. Zwar die Chronisten Gerung und Beinheim, Günstlinge Johanns von Fleckenstein und durch die Erinnerung an ihn beherrscht, geben dem Friedrich nur ein bedingtes Lob und tadeln ihn wegen seiner Unkirchlichkeit. Aber diesem Mangel entsprachen Vorzüge, die in bedrängter Zeit viel bedeuteten. Wir sehen Friedrich mit Organisationen aller Art, mit einer sorgfältigen [575] Kodifikation der geistlichen wie der weltlichen Rechtsame seiner Kirche beschäftigt. Wie er am Bauen und Wiederherstellen Freude hatte, so ließ er auch sein Lehenbuch, sein Statutenbuch, sein Brevier kunstvoll ausstatten und errichtete sich schon bei Lebzeiten ein Prachtgrab im Münster. Beim Klerus der Diözese galt er als ein strenger Herr, ja als ein Tyrann, der sich nicht scheue, arme Priester in Kerker und Ketten zu werfen und dort verschmachten zu lassen. Wie vortrefflich er aber aufzutreten und seine Herrschaft zu repräsentieren verstand, zeigt die Gunst, die ihm von König Friedrich zuteil wurde. Er war durchaus Verwaltungsmensch und Regent und als solcher von höchstem Werte für das Bistum, das unter seiner Leitung das Konzil, die Armagnakeneinfälle, die Kriege durchzumachen hatte. Aus der Sorge für dasselbe erwuchs nun auch seine außergewöhnliche Leistung als Mediator und Obmann. Er wollte soviel als möglich Ruhe haben im Lande, und da er dies Verlangen unterstützen konnte durch Geschäftsgeschick und Weltkenntnis, so bediente man sich seiner Hilfe gerne. Unaufhörlich sehen wir ihn nun sich betätigen, überall zum Frieden reden. Meist mit Rudolf von Ramstein zusammen, aber diesem sichtlich überlegen, wie denn auch die wichtigeren Geschäfte ihm allein zufielen.

Neutral war auch die obere Markgrafschaft.

Im übrigen aber hatte Basel sozusagen ringsum Feinde, und die Kriegführung mußte eine schwierige sein.

Zunächst jedoch handelte es sich um die Entscheidung einer innern Frage.


Der Gegensatz zwischen Rat und Gemeinde hatte sich schon im Herbste 1444 gezeigt. Je klarer man dann wurde über das Verhältnis Basels zu Oesterreich und über die Beteiligung der Herren am Armagnakeneinfall, um so entschiedener verlangte man nach dem Kriege mit diesen Widersachern. „Die gemein wolt kriegt haben“, schrieb Beinheim. Aber das Volk wußte, daß diesem Verlangen die Herren im Weg stünden, die im Rate stets zum Frieden redeten. Damit man kriegen könne, mußten diese Herren weichen.

Das erste Mittel, dessen sich die Führer dieser Bewegung bedienten, war das nie versagende der öffentlichen anonymen Denunziation. Man redete von Verrat, man schlug Briefe an, man nannte die Verräter mit Namen: den alten Bürgermeister Hans Reich mit seinem Sohne Peter, Henman Offenburg und seinen Sohn. Sie und alle Andern, die der Herrschaft Lehen tragen, seien Bösewichter und Fleischverkäufer, auch der Bischof halte es mit ihnen. „Sie haben Alle zusammen geschworen, den alten Schaden zu rächen. Sie gehen darauf aus, euch zu beschissen“ usw.

[576] Wie solche Aufreizungen im Einzelnen weiterfraßen und wirkten, erfahren wir aufs anschaulichste von einem der Betroffenen selbst, von Offenburg.

Das Zweite war, daß Ratsherren und Meister der Zünfte separate Sitzungen abzuhalten begannen. Auf Beschwerde der Stubenherren kam dies in einer Ratsversammlung zur Sprache, am 18. Januar 1445. Hier suchte der Oberstzunftmeister die Herren zu begütigen mit dem Hinweise, daß diese Zusammenkünfte nur der Unruhe in der Bürgerschaft wegen abgehalten worden seien; man habe sich beraten, wie den wilden Reden zu begegnen sei. Was er weiter vorbrachte, über Anwesenheit von Zunftratsherren bei Oeffnung der an den Rat gerichteten Briefe, über Austritt der Herren usw., fand bei diesen keinen Widerspruch. Aber als nun der Meister zum Schlüssel, Klaus Schmidlin, im Namen aller Zünfte forderte, der Oberstzunftmeister möge und dürfe jederzeit versammeln, wer ihn gut dünke, und mit diesen der Stadt Geschäfte beraten, wahrten die Herren mit Entschiedenheit ihre Rechte. Sie gaben den Zünften zu bedenken, daß die von der Hohen Stube auch ein Glied der Stadt seien und nicht das mindeste, daß sie mit den Uebrigen Lieb und Leid gelitten und leiden wollten, daß Herren und Zünfte zusammen den Rat ausmachen. Die Versammlung gab keinen Bescheid hierauf.

Aber in den Zünften griff die Unruhe weiter, und in dieses erregte Treiben hinein trafen nun die Vorschläge des Bischofs für Friedensunterhandlungen mit Oesterreich. Der Rat lehnte es bei solchen Umständen ab, von sich aus schlüssig zu werden, und berief die Sechser der Zünfte. Am 7. April trat der Große Rat zusammen. Als nun hier vom Frieden geredet werden sollte, erhob sich Einer der Zünftler und verlangte Beseitigung dieses Traktandums; es gebe vorerst eine andere Sache zu behandeln. Er schloß mit dem Antrag, daß die Mitglieder des Rates, die von Oesterreich oder sonst irgend einem Herrn Lehen trügen, austreten sollten wenn im Rate von der Herrschaft Sachen geredet würde. Der Große Rat nahm dies an. Aber auf Begehren der Herren wurde er schon zwei Tage später, am 9. April, wieder versammelt. Jetzt, nach langer Sitzung, faßte er den vom frühern etwas abweichenden, weitergehenden Beschluß, daß Diejenigen, welche durch die Herrschaft oder deren Vasallen und Anhänger belehnt seien, nicht mehr im Rate sitzen sollten, es wäre denn, daß sie die Lehen aufgäben. Die Herren verweigerten diese Aufgabe, sagten sie aber zu für den Fall offenen Krieges mit Oesterreich. Damit schieden sie aus dem Rate. Es waren die folgenden Herren: Arnold und Bernhard von Rotberg, Arnold von Bärenfels, Henman Offenburg von Rittern; [577] von Achtburgern Hans und Hans Konrad Sürlin, Hans und Konrad von Laufen, Werner und Thüring Ereman, Peter von Hegenheim, Konrad Fröwler, Henman von Efringen, Peter Offenburg; endlich der Ratsherr zu Hausgenossen Hans Waltenheim. Alle trugen Lehen von Oesterreich; andre Stubenherren, die solche Lehen nicht hatten, blieben im Rate sitzen; es waren dies Hans Rot, Heinrich Iselin, Friedrich und Balthasar Schilling, Dietrich Sürlin, Heinzman und Hans Murer. Außer diesen bestand nun die Behörde nur noch aus Zünftlern. „Das Regiment stund in dem gemeinen Volk.“

So eingehende Schilderung der Vorgang in den Chroniken gefunden hat, dürfen wir doch seine Bedeutung nicht überschätzen. Es war keine Maßregelung von Feinden, sondern im Grund eine Verfügung in Austrittssachen. Zu andern Zeiten konnte die Austrittspflicht ohne Aufsehen gehandhabt werden; jetzt ergab sich die pathetische Behandlung der Frage aus der allgemeinen Lage. Diese war nicht nur politisch sorgenvoll. Handel und Gewerbe litten furchtbar unter der Sperre der Straßen, viele Handwerke stockten, der Markt verödete, die Kapitalisten sahen vergebens nach ihren Schuldnern auf dem Lande aus. Keiner war, der nicht die Not der Zeit an sich selbst empfand, und Viele waren, welche die Ursache solchen Leidens am unrechten Orte suchten. So beschaffen war die Bevölkerung in diesen Monaten, „eine ungehorsame Gemeinde“ nach dem Ausdruck des Rates, erfüllt von Mißtrauen und Verdacht. Wie schnell der Argwohn rege wurde und das Nichtigste zu einer großen Sache aufbauschte, zeigt der Vorfall mit dem Laufburschen, den Henman Offenburg, gerade in der kritischen Zeit der Großratssitzungen, zur Einkassierung von Schulden aufs Land schickte, und hinter dessen Sendung der Pöbel sofort das schlimmste Komplott witterte. Solange die öffentlichen Zustände in solchem Maße empfindlich und unberechenbar waren, konnte es allerdings klug sein, so geräuschvoll und formell als möglich zu beseitigen, was zu Beunruhigung Anlaß geben konnte: die Teilnahme der von Oesterreich Belehnten an den Verhandlungen des Rates.

Die Belehnten selbst unterzogen sich dem Verfahren mit guter Manier; sie legten der Sache nicht mehr Wert bei, als ihr zukam, anerkannten bereitwillig, doch nicht ohne Ironie, die Befähigung der Zünftler zum Regimente, und erwiesen ihre Loyalität insbesondere dadurch, daß sie, nachdem der Krieg wirklich erklärt war, dem Herzog sofort ihre Lehen aufsandten. Weil es sich nur um ein temporäres Fernbleiben von den Ratssitzungen handelte, blieb ihre Teilnahme am Gericht durch diese Maßregel [578] unberührt; ebenso wurden sie, als die Zeit der Ratserneuerung gekommen war, altem Brauche nach zur Funktion der Kieser aufgeboten; im Kriege selbst entzogen sie sich weder der Thorhut noch dem Mitreiten bei den Auszügen. Des Ratseides waren sie erlassen, aber den Bürgereid hatten sie zu schwören, und wenige Tage nach ihrem Austritt aus dem Rat sehen wir sie Alle, neben den Zünften, den Eid leisten, der in Kriegszeiten Hauptleuten und Bannerherren geschworen werden mußte.

Es ist der Erwähnung wert, daß außer ihnen auch mehrere Edle diesen Eid leisteten: Hans Reich von Reichenstein, Peter und Hans von Ramstein, Bernhard von Eptingen, Werlin Truchseß, Burchard von Brunnenkilch, Claus von Baden, Rudolf von Hallwil, Hans von Flachsland. Der Letztere war am 20. September 1444 Bürger der Stadt geworden.

Nachdem die Stubenherren ihre Lehen an Oesterreich aufgegeben hatten, wäre Anlaß gewesen, sie wieder in den Rat eintreten zu lassen. Die Voraussetzung des Beschlusses vom 9. April bestand nicht mehr. In der Tat wurde im August hievon gesprochen. Aber die Extremen von den Zünften Schlüssel, Safran und Gärtnern widersetzten sich, und infolge dessen geschah nichts. Später folgten weitere Verhandlungen im Sinne bestimmter Verpflichtungen, welche die Ausgeschlossenen übernehmen sollten, um wieder zum Rate kommen zu können. Aber der wirksame Anstoß kam von außen. Der Rat selbst empfand, daß er erfahrener Leute bedürfe; seine Tüchtigsten waren vielfach auf Kommandos im Kriege abwesend. Die Unbotmäßigkeit der in der Stadt lagernden eidgenössischen Zuzüger, vor allem aber ein Mißgeschick im Felde gaben den Ausschlag. Am 4. November 1445 traten die Herren wieder in den Rat ein.


Wir greifen in die Zeit zurück, die dem Ausschlusse voranging.

An den zu Rheinfelden stattfindenden Verhandlungen über einen Frieden Oesterreichs mit den Eidgenossen, im März 1445, beteiligte sich auch Basel. Die Konferenz blieb freilich ohne Erfolg, aber Bischof Friedrich wußte den Herzog dazu zu bewegen, daß er ihn dann mit Basel allein unterhandeln ließ. Er brachte seine Vorschläge an den Großen Rat. Wie dann hier das Friedensgeschäft beseitigt und der Beschluß über Aussperrung der Lehnsträger aus dem Rate gefaßt wurde, ist soeben gezeigt worden; dieser Beschluß bewies deutlich, daß Basel Oesterreichs Feind sein wollte.

Der Krieg brach in der Tat los. Nicht gegen die Herrschaft als solche, sondern gegen einzelne der Stadt besonders verhaßte Edle. Zunächst gegen den Grafen Hans von Tierstein, das Haupt des Adels, den Begünstiger [579] der Armagnaken. Am 2. April hatte er Basel seinen Absagebrief geschickt; am 20. früh morgens ritt der Bürgermeister Hans Rot, nur von den Reisigen gefolgt, hinaus vor Pfäffingen. Der Graf war abwesend, was man in Basel jedenfalls erfahren hatte; seine Frau Gertrud gebot im Schlosse. Sie verweigerte die von Rot verlangte Uebergabe, worauf ihr dieser den Fehdebrief, den er vorsorglich mitgebracht, ins Schloß warf. Zugleich sandte er Eilboten nach Basel, Mannschaft und Belagerungsgeschütz herbeizuholen. Noch zögerte die Gräfin, obwohl ihre Diener einer um den andern sich heimlich flüchteten. Da kamen Bischof Friedrich und der Ramsteiner von ihren nahen Schlössern herbeigeritten und wurden eingelassen. Sie redeten mit der geängstigten Frau und bestimmten sie leicht zur Uebergabe; es gelang ihnen aber auch bei den Baslern solche Bedingungen für die Gräfin zu erwirken, als ob sie das Schloß sofort nach der ersten Aufforderung übergeben hätte. Mit den beiden Söhnlein Oswald und Wilhelm verließ Gräfin Gertrud das stolze Haus; sie nahm ihre wenigen Kostbarkeiten und Angehörden mit, ein paar gewirkte Tücher, ein Seidenkissen, einen silbernen Löffel, einige deutsche Bücher. Sie ließ sich zum Freiherrn Rudolf auf sein Roß heben und ritt in Haß und Weh mit ihm hinweg. Die Basler nahmen Pfäffingen in Besitz, legten eine Besatzung unter den Befehlen des Dietrich Sürlin hinein. Und am Tage darauf nahmen die Solothurner dem Grafen auch sein Schloß Tierstein. „Also ward er entsetzt sins guots und besitzung in dem land.“

Was Basel, außer dieser Einnahme Pfäffingens, in den ersten Monaten des Krieges vollbrachte, war von kleinem Belang: die Einnahme des Schlosses Blotzheim, dem Götz Heinrich von Eptingen gehörend, am 13. April; die Niederbrennung des Dorfes und der zwei Weiherhäuser Konrads von Eptingen zu Waltikofen am 20. Mai. Den Mörsberger Brüdern, Basels gefährlichsten und gehaßtesten Feinden, hatte die Stadt am 2. Mai abgesagt; am Tage darauf schickte sie einen starken Kriegszug hinaus nach Oltingen und Alt Pfirt, ließ Beute machen und das Schloß besetzen. Dem Hans Münch zu Schaden brannte sie am 4. Juni in Otmarsheim; und zu Beginn des Mai hatte sie den Plan, die Farnsburg zu erobern, und bot Bern zu diesem Unternehmen auf.

Nicht nur die Basler zogen sengend und plündernd durch das Land. Am 20. März hatten die Eidgenossen dem Mörsberger das Schloß Plütschhausen zerstört; während Basel über Otmarsheim herfiel, brach Solothurn in das Pfirteramt, brannte Oltingen, Vislis, Lutter, Werenzhausen und andere Dörfer nieder. Es war ein häßliches und schändliches Kriegführen. [580] Die Gegner vergalten mit Gleichem: Peter von Mörsberg raubte die Dörfer bei Tierstein aus; den mit Basel verburgrechteten Abt von Beinwil nahm er nächtlicherweile gefangen; von Säckingen und Laufenburg her ging ein Raubzug ins Waldenburgertal. Zwischen alledem schreckten gelegentlich die immer noch in Mömpelgard stationierten Schinder durch rasche Einfälle, und der Alarm scholl bis in die Gassen Basels.

Wichtiger als alles dies war das Bündnis Basels mit der Stadt Rheinfelden, das hier am 9., dort am 11. Juni beschworen wurde.

Rheinfelden, ursprünglich eine Stadt des Reiches, 1330 durch König Ludwig an Oesterreich verpfändet, hatte 1415 bei der Aechtung Friedrichs die alte Reichsfreiheit wieder erlangt. Ihr jetziges Recht aber war streitig. Am 4. September 1444, von Angst vor den Armagnaken erfüllt, hatte sie sich dazu verstanden, in die Pfandschaft Oesterreichs zurückzukehren, unter dem Vorbehalt, am Kriege gegen die Armagnaken nicht teilnehmen zu müssen, und sofern sie der König von den dem Reich geleisteten Eiden ledig spreche. Am 9. September tat dies Friedrich von Oesterreich in seiner Eigenschaft als König, und gebot ihr den Herzogen zu huldigen. In der Folge sperrte sich die Stadt gegen Erfüllung der in einem Augenblick der Not gegebenen Zusage. Aber Herzog Albrecht bestand auf seinem Rechte, und überdies machte Freiherr Wilhelm von Grünenberg, der das Schloß Rheinfelden als Reichspfand, seit 1442 als Pfand von Oesterreich inne hatte, aus allernächster Nähe die Ansprüche Oesterreichs, vielleicht auch eigene Ansprüche der Schloßherrschaft geltend. In solcher Drangsal suchte Rheinfelden Schirm bei der großen Nachbarstadt. Der Bund wurde geschlossen auf zehn Jahre. Basel schickte einige hundert Mann als Besatzung, und was in dieser Zeit vor Basel geschah, das Schneiden und Sammeln der Ernte unter Waffen, geschah jetzt auch auf den weiten Gefilden zwischen Rheinfelden und Möhlin; das Basler Fähnlein wehte zu der Arbeit.

Natürlich zog sich nun der Krieg auch in diese Gebiete. Die Edeln im Schlosse, Hans von Falkenstein u. A., befeindeten das Städtchen, die „Bauersame“ von Rheinfelden; ein Treffen vor seinen Mauern am 11. Juli brachte ihm empfindlichen Verlust. Es war die Erwiderung auf den großen Raubzug der Basler am 7. Juli, bei dem diese Wyhlen, Herthen, Schwörstadt gebrandschatzt, Nollingen, Minseln, Warmbach eingeäschert und eine Beute von elfhundert Rindern, von Pferden und reichem Hausrat gemacht hatten.

Während all dies geschah, stand Basel formell mit Oesterreich gar nicht auf dem Kriegsfuße. Jetzt aber durfte es nicht mehr länger zögern. Es erließ am 23. Juli den förmlichen Fehdebrief an Herzog Albrecht.

[581] Aber die Bürgerschaft, die jetzt in der Stadt allmächtig war, blieb bei der Kriegserklärung nicht stehen. Diese schuf Feindschaft für die Spanne des Krieges; eine in denselben Tagen getroffene zweite Maßregel sollte dauernd wirken. Sie bestand darin, daß am 21. Juli Räte und Sechser durch feierlichen, in den Archiven sämtlicher Zünfte niedergelegten Beschluß allen Denjenigen, die den Armagnaken behilflich gewesen, auf alle Zeiten das Recht nahmen, Rat oder Burger zu Basel zu werden oder hier haushäblich zu wohnen. Die Urkunde führt sie einzeln in langer Reihe auf; das Verzeichnis umfaßt sozusagen den ganzen oberrheinischen Adel; die alten Basler Geschlechter sind vertreten durch Heinrich von Ramstein, Götzheinrich, Herman und Konrad von Eptingen, Adelberg von Bärenfels. Ihnen Allen wurden mit einem Schlage Wohnung, Bürgerrecht und Regimentsfähigleit zu Basel aberkannt. Nur ihnen persönlich, nicht auch ihren Nachkommen. Dennoch war die Wirkung, daß seit diesem Tage die öffentlich-rechtliche Bedeutung des Adels in Basel und eine mehrhundertjährige Tradition tatsächlich gebrochen war.


Diese Beschlüsse endigen die erste Periode des Krieges. Sie zeigen Basel auf dem Höhepunkt. Es schreitet jetzt zu einigen Unternehmungen, die größer sind als das Bisherige; wenn daneben in zahlreichen Zügen und Ueberfällen der kleine Krieg weiterdauerte, so übergehen wir ihn doch und nennen nur jenes Wichtigere.

Hiezu gehört vorerst der Breisgauer Zug, 3. bis 5. August. Eine Leistung von kriegerischer Bedeutung ist freilich auch er nicht. Aber er wurde mit dem ungewöhnlichen Aufgebot von über viertausend Mann in Szene gesetzt; daß man einige hundert leere Wagen mitnahm in der Absicht, die allenthalben frisch eingebrachten Garben zu holen, gab ihm von vorneherein mehr den Charakter eines gewaltsamen Erntezugs als einer rein militärischen Expedition. Der erste Tag wurde über dem Marsch und einigen Scharmützeln hingebracht, nachts rastete man im Ritterhause Heitersheim „und fundent do guotz wins.“ Der zweite Tag führte die Basler Streitmacht über Thunsel und Kirchhofen nach Krotzingen, wo ihr der Feind entgegentrat. Wie es hieß, unter persönlicher Führung des Herzogs Albrecht selbst. Mehrere Stunden lagen die beiden Heere in der Ebene bei Krotzingen einander gegenüber, die Basler hinter ihrem zu einem Ring geschlossenen Wagenpark. Endlich brachen diese auf und zogen wieder der Heimat zu; in einiger Entfernung folgte ihnen der Feind. Unterwegs beluden die Basler ihre Wagen mit Korn, indes die Reisigen zur Seite, gegen den [582] Rhein hin, ausschwärmten; Rauchsäule nach Rauchsäule zeigte die Dörfer, die sie auf diesem Ritte vernichteten. Immer zog der Feind hintennach; erst im Hohlweg oberhalb Schlingens kam es zu einem kurzen Gefechte zwischen ihm und den Söldnern. Die Basler nächtigten in Bellingen; am Tage darauf, „da wir Meß hattent gehört, da zogen wir recht in dem Namen Gottes heim und branntent Adelbergen von Bärenfels Oetlingen und kamen also mit wolgemutem Herzen heim.“

Anderer Art war die Unternehmung gegen das Rheinfelder Schloß, eine wirkliche Kriegstat, und ihre Besonderheit ruhte auch auf der Teilnahme der Eidgenossen, die nicht nur als Zuzüger, sondern selbständig neben den Baslern kämpfend unverkennbar die Kraft jener Rücksichtslosigkeit, die sich selbst so wenig schont wie den Gegner, in das Unternehmen brachten.

Die Gewinnung des vom Rhein umspülten mächtigen Schlosses erschien als Konsequenz des Bundes mit Rheinfelden. Es bildete eine stete Bedrohung dieser Stadt; in ihm wußte man die schlimmsten Feinde Basels.

Schon im Juli wurden Büchsen und die große Wurfmaschine hinaufgeschickt und die Beschießung begonnen. Die Zerstörung der zum rechten Ufer führenden Brücke gelang; aber das ungewöhnlich stark gefügte Mauerwerk des Hauptbaues schien unverwundbar zu sein.

Am 17. August sodann zog die bewaffnete Macht von Basel aus, etwa fünftausend Mann stark, mit ihnen Berner und Solothurner. Das Heer bezog ein Lager am linken Ufer, und einige Wochen vergingen hier, indes nur die Geschütze unaufhörlich arbeiteten. Am 8. September sah man am jenseitigen Ufer große Scharen sich sammeln; es waren österreichische Truppen unter dem Befehle des Herzogs. Sie schlugen ein Zeltlager auf und ließen ihr Geschütz gegen die Belagerer des Schlosses wie gegen die Stadt spielen. Dennoch kam Albrecht auch jetzt wieder nicht über eine Demonstration hinaus, und auch sein Versuch, durch eine Bedrohung Basels die Belagerer wegzubringen, mißlang. Er zog nach einigen Tagen rheinabwärts, hielt vor Kleinbasel, erzwang sich die Uebergabe des dem Basler Peter von Hegenheim gehörenden Schlosses Grenzach, bezog ein Lager zwischen hier und Wyhlen. Die bei Rheinfelden liegenden Basler aber hatten ihm auf ihrer Seite des Stromes eine Schar mit Geschützen nachgesandt, die beim Roten Hause Halt machte und von hier aus in der Nacht die Oesterreicher jenseits des Rheines beschoß, sodaß diese aus dem Schlafe fuhren und den Berg hinan den Schüssen entwichen. Früh morgens zog der Herzog wieder in seine Stellung bei Rheinfelden, gab Tags darauf, am 11. September, auch diese preis und entließ sein Heer.

[583] Nun war das Schloß wieder den Baslern und Schweizern allein überlassen, und die Belagerten, zumal die Edeln unter ihnen, konnten das Schlimmste fürchten. Zu wiederholten Malen hatten sie Scharen von Eidgenossen im baslerischen Lager einmarschieren sehen; am 14. September wurden sie mit Schrecken gewahr, daß die Feinde auch auf dem rechten Ufer in Menge aufgerückt waren. Nun waren sie rings umgeben, mußten auf einen Sturm gefaßt sein, und welches Los sie erwartete, zeigte ihnen funkelnd das bloße Schwert, das neben dem Hauptbanner der Belagerer hoch aufgerichtet war. Ihr Mut sank; sie boten die Kapitulation an und baten um ihr Leben. Nach langen Verhandlungen, bei denen die Mannschaften, und am schonungslosesten die Berner, von Zusicherung des Lebens nichts wissen wollten, die Basler Führer aber Blutvergießen zu verhindern strebten, kam — auf die lügnerische Versicherung der Eingeschlossenen hin, daß kein Edelmann unter ihnen sei — eine Kapitulation zu Stande, bei der gegen Schonung des Lebens und freien Abzug die Burg geöffnet wurde. Die Hauptleute fuhren hinüber, um die Besiegten in Schiffe steigen und auf dem Rhein hinweg fahren zu lassen. Zu Zweien gepaart schritten diese an ihnen vorbei; es waren fünfundachtzig Männer, dazu der Schloßkaplan und vier Frauen. Unter ihnen, unkenntlich gemacht, befanden sich in der Tat die edeln Herren, die weder Wortbruch noch Schmutz und Knechtsgewand scheuten, um sich zu retten. In der Burg aber fanden die Sieger „großen Hort und großes Gut“, in einem Troge die Briefschaften des Wilhelm von Grünenberg, unter dem Geröll der Mauerbresche auch die „Rennerin“, Basels große Büchse, die im August 1444 vor Farnsburg war verloren worden.

Am 17. September zog das Belagerungsheer davon, Basel zu. Zunächst blieb eine Besatzung auf der Burg, unter Mathis Eberlers Befehlen; im Februar 1446 wurde mit der Schleifung begonnen. Nur der äußere Brückenturm am rechten Ufer blieb stehen und erhielt eine Wache von drei Söldnern der Städte Basel, Bern und Solothurn.

Basler und Eidgenossen konnten nach Hause ziehen im Bewußtsein eines großen Erfolges. Das Bündnis mit Rheinfelden hatte seine kräftigste Gewähr erhalten durch die Bezwingung des Schlosses, von dessen Zinnen jetzt die Feldzeichen der drei Städte hinüber ins Oesterreichische grüßten. Von Siegesgefühl erfüllt einigte man sich zu einem sofortigen zweiten Zuge gegen eine andere Festung Oesterreichs am Rheine, Säckingen. Am 19. September geschah der Auszug von Basel über Grenzach; das Heer zählte gegen zehntausend Mann, Basler und Eidgenossen.

[584] Der Antrieb war, wie es scheint, von Bern ausgegangen. Basel zeigte weniger Neigung, und der Mangel an Einverständnis zeigte sich schon auf dem Marsche. Schloß und Dorf Schwörstadt wurden durch die Berner wider der Basler Willen verbrannt, und die Letztern retteten nur mit Mühe Beuggen. Das Lager vor Säckingen schlug man an unrichtiger Stelle auf, versäumte die Ueberwachung des Rheines, sodaß den Belagerten ungehindert Proviant und Mannschaft zugeführt werden konnte. Bern scheint bei alledem seine eigenen Pläne und die Führung des ganzen Unternehmens in der Hand gehabt zu haben. Es mahnte seine Eidgenossen in den Landen, ihm zuzuziehen; die Vorstellungen der im Kriege mit Zürich Beschäftigten halfen nichts, Bern beharrte auf seiner Mahnung. So trafen am 1. Oktober noch mehrere hundert Mann aus Luzern, Schwyz und Uri vor Säckingen ein. Sie nahmen ihre Stellung auf dem linken Ufer, die Hauptmacht lagerte an der Bergseite. Aber nichts geschah. An der Zwietracht der Verbündeten scheiterte das Ganze. Die Beschießung hatte gute Wirkung an den Mauern getan, und Basel schlug nun vor, die Stadt im Sturme zu nehmen. Da weigerten sich die Berner. Die Basler verlangten, daß man sie allein stürmen lasse; die Andern sollten unterdeß die Geschütze bewachen. Aber auch hierauf ging Bern nicht ein; es verlangte heimzuziehen, trat sofort den Rückmarsch an, und im Zorne wichen auch die Basler. Wäre Luzern nicht gewesen, man hätte die Büchsen im Felde stehen lassen.

Am 8. Oktober trafen die Basler wieder zu Hause ein, wo diesem schmählichen Mißerfolg bald ein wirklicher Unfall folgte.

Am 27. Oktober Vormittags zeigte sich vor Kleinbasel, nahe den Mauern, ein feindlicher Trupp. Es waren Reiter aus der in Neuenburg liegenden Garnison. In Basel wurde Sturm geläutet. Ohne Befehl des Rates, ohne Zutun der Hauptleute sammelte sich ein Haufen von Bürgern, zu Fuß und beritten, und stürmte in Waffen hinaus, stürmte weiter, von dem langsam weichenden Feinde gelockt, bis Riehen, wo dieser sich plötzlich wendete und über die Verfolger herfiel. Diese erschraken; Widerstand wurde kaum geleistet. Viele konnten sich durch die Flucht retten, die Uebrigen wurden niedergemacht, unter ihnen angesehene Leute wie Burchard Ziegler, Andreas Falkner, der Wirt zum goldenen Kopf Claus Wartenberg. Auch das Geschütz, das man beim Ausfall mitgenommen hatte, ging verloren. Als die städtische Hauptmacht, die sich inzwischen gesammelt hatte, eintraf, war Alles zu Ende; sie konnte nur die Toten und Verwundeten holen.

Dieser Vorfall, an sich nicht bedeutender als andre Ereignisse dieses Krieges, war von Wichtigkeit, weil er die Ueberzeugung, im Stadtregiment [585] müsse eine Aenderung eintreten, zur allgemeinen machte. Schon beim Säckinger Zuge, den gewalttätigen und rücksichtslosen Eidgenossen gegenüber, hatte man merken können, daß in schweren Augenblicken die Kraft der Persönlichkeiten nicht ausreichte, denen sich Basel im letzten Frühjahr anvertraut hatte. Das durch Mangel an Disziplin herbeigeführte Unglück vom 27. Oktober tat das Uebrige. „Das gemeine Volk erkannte, daß die Edeln geschickter und weiser waren denn sie,“ sagt Beinheim; am 4. November nahmen die Stubenherren ihre Sitze im Rate wieder ein.

Mit diesem Abschluß der Periode extremer Volksherrschaft fielen bezeichnender Weise Bemühungen für den Frieden zusammen.

Man war des Krieges müde, aber wie es scheint auch der Alliierten. Der Rat suchte den Bischof zu einem Bündnis gegen Oesterreich zu bewegen; kam dieser Plan zu Stande, so war Basel stark genug, ohne die oft lästigen Eidgenossen weiter zu kämpfen. Bischof Friedrich lehnte jedoch ab, und nun wendete sich der Rat um so eifriger dem Friedensgeschäfte zu. Er nahm an den Konferenzen teil, die seit dem August in Konstanz stattfanden. Gerade hierin aber traten ihm nun wieder die Eidgenossen entgegen. In dürren Worten schrieben Bern wie Solothurn, es sei keineswegs ihre Meinung, daß Basel mit der Herrschaft Frieden machen und sich aus dem Kriege „schleifen“ dürfe. Sie beriefen sich auf ihren Bund. Gesandte gingen hin und her; zuletzt am 6. Februar 1446 mußte Basel die förmliche Zusage geben, daß es im Kriege gegen Oesterreich beharren wolle.

Während dieser Verhandlungen blieben die Feindseligkeiten nicht stehen. „Wir gewannen einen unmüßigen Winter mit unsern Feinden“, erzählt Brüglinger. „Was zu Neuenburg, zu Altkirch, zu Pfirt, zu Säckingen und weitherum war, das rannte täglich vor unsere Thore. Wer ihnen werden mochte, den fiengen oder erstachen sie. Desgleichen taten wir ihnen auch.“ Eine Darstellung hievon geben wir nicht. Sie würde nichts sein als monotones Aufzählen der Beutezüge, Brandschatzungen und Zerstörungen, der Scharmützel und Ueberfälle, die sich wechselseitig als Schlag und Gegenschlag, Herausforderung und Antwort ablösten und vom Dezember bis zum Mai Stadt und Land in Unruhe hielten.

Erwähnung verdient höchstens der Zug ins Wehratal am 18. Mai 1446. Während zu Konstanz über den Frieden verhandelt wurde, zogen die Basler, mit Mannschaften der Aemter Liestal und Waldenburg und verstärkt durch Zuzüger aus Rheinfelden, gegen die am Ausgang des Tales gebaute Letze, brachen sie, jagten die Besatzung das Tal hinauf und erschlugen, so viel sie erreichen konnten. Pardon ward nicht gegeben. Wäre [586] nicht starker Nebel gekommen, die Basler würden bis hinauf nach St. Blasien gedrungen sein. Sie verbrannten fünf Dörfer und viele Schweighöfe, brachten ganze Heerden von Kühen, Schweinen, Schafen usw. als Beute nach Hause.

Dementgegen der Verlust Pfäffingens am 18. Februar: ein doppelt empfindlicher und nach allem Geschehenen beschämender Schlag für Basel, weil das Schloß nur durch die Nachlässigkeit des Vogtes Sürlin an den gewandten Peter von Mörsberg verloren ging, und weil die wiederholten Versuche Basels, es wieder einzunehmen, elend mißrieten.

Seit dem 16. Mai waren in Konstanz, auf Betreiben des Kardinals von Arles und unter dem Vorsitze des Pfalzgrafen Ludwig, die Fürsten, Räte und Städteboten versammelt, die Oesterreich mit den Eidgenossen und mit Basel versöhnen wollten; Basel war durch Andreas Ospernell vertreten. Am 9. Juni kam endlich der Friede zu Stande: die Parteien verpflichteten sich, den Austrag ihrer Streitigkeiten an gerichtlichen Spruch zu setzen; zwischen Oesterreich und Basel sollte dieser Gerichtshof aus zwei Vertretern jeder Seite und Bischof Friedrich als Obmann bestehen.

Dies war der Konstanzer Friede. Am gleichen Tage noch hatte Basel in Otmarsheim stürmen, niederstechen und brennen lassen. Als Tags darauf die Botschaft von Konstanz kam, läutete man in Basel Freude mit allen Glocken, zündete Freudenfeuer auf den Plätzen an. Laut und feierlich ließ der Rat am Markte verkünden, daß am kommenden Sonntag, dem Tag der heiligen Dreifaltigkeit, mit dem Aufgang der Sonne Friede eintreten, alle Feindschaft geschlichtet und gesühnt sein solle.


Den Behörden Basels erwuchs nun das schwere Geschäft, das ganze öffentliche Wesen aus dem Zustand der Kriegsjahre wieder hinüber zu leiten zu normalen Verhältnissen.

Das Allernächste hiebei war, daß der Rat die Mehrzahl der Söldner entließ und die für ihren Unterhalt eingeführte Steuer wieder aufhob. Im Weitern folgte die Wegschaffung der Flüchtlinge. Man gab ihnen die Frist einiger Tage, um die Stadt zu verlassen. Das waren die Landleute, die nun ihre Heimat aufsuchen sollten und sie von der Wut dieses Krieges verwüstet fanden; so viele Dörfer niedergebrannt und, wo sie noch standen, die Ställe, Scheunen und Keller aufgebrochen und ausgeleert; überall die Kulturen vernichtet; und es war der Krieg ihrer eigenen Herren mit derselben Stadt gewesen, deren Mauern sie bis heute geborgen hatten.

Das Ueberwinden dieser Gegensätze überhaupt, durch das Friedensdokument nur gefordert nicht geleistet, mußte als das Allerschwerste erscheinen. [587] Ihm hatte notwendig voranzugehen das zu Recht Erkennen des Schiedsgerichtes. Aber jetzt schon war es ernste Pflicht beider Regierungen, ihre Völker wieder an ruhiges Nebeneinanderleben zu gewöhnen. Ringsum im Lande ließ die Herrschaft ausrufen, daß man den Baslern Zucht und Ehre erbieten solle; das gleiche Gebot verkündete hier der Rat. Er untersagte das Tragen der Abzeichen, deren man sich zur Herausforderung und Verhöhnung des Gegners zu bedienen liebte, der Kuhschwänze, der Pfauen-und Straußenfedern. Aber unmöglich konnte er Haß in Liebe wandeln, die Erinnerungen an das Geschehene aus den Gemütern tilgen. Kein Befehl war im Stande, angeborne Wortfertigkeit und Spottlust zu hemmen. Hinter den französischen Dienern des Konzilspräsidenten sprangen auf dem Münsterplatze die Knaben her und höhnten: „Schinder! Schinder!“ Oder sie kamen gegen einander mit den Schlachtrufen: „Hie Oesterreich, Hie Switz!“, warfen Fähnlein auf und spielten den Krieg der Alten, bis auch bei ihnen aus dem Scherz zuletzt Ernst wurde. Bei den Tänzen der Jugend hörte man noch immer Lieder „bede teil berürende“ und schallten noch immer „wunderliche worte“.

Der gesamte Hader mußte nun in die Form eines Prozesses gefügt und dem Schiedsgerichte vorgelegt werden. Beiderseits sammelte man seine Materialien, seine Forderungen und Beweistitel; nie haben die großen Basler Notare jener Zeit, Johann Friedrich von Münderstat, Konrad Guntfried, Johann Friedrich Winterlinger und des Bischofs Sekretär Wunnebald Heidelbeck so viel schreiben, so viel Kundschaften aufnehmen und Instrumente verfertigen müssen als im Herbst 1446.


Während sich so die Parteien rüsten, haben auch wir Muße zu einem zusammenfassenden Rückblick.

Im allgemeinen dauerte der Zustand kriegerischer Rüstung der Stadt, der im Armagnakenjahr geschaffen worden war, in der Zeit des österreichischen Krieges einfach weiter. Nur wenige Einzelheiten sind hier noch zu nennen.

Vorerst die Scharen der Geflüchteten mit ihren Familien und ihrem Hab und Gut, die Dorfleute, über deren unziemliches Betragen und Reden Brüglinger, der eingesessene Handwerker, so bitter klagt. Wie viele ihrer waren, erfahren wir nicht; nur gelegentlich sehen wir, daß z. B. im Peterskirchspiel hundertvierundsiebzig solcher Familien zur Steuer herangezogen wurden. Unter allen Umständen war ihre Anwesenheit eine Last und Sorge für die Stadt, und man sah sie, als Friede war, gerne von dannen ziehn. Als aber Peter von Mörsberg die Flüchtlinge seiner Herrschaft, die jetzt [588] wieder zu dem Ihren zu kehren gedachten, nur gegen Erlegung einer Buße für ihr Fliehen wieder aufnehmen wollte, empfand dies Basel als Verletzung seines alten Rechtes und erhob Klage vor dem Schiedsgericht.

Aber nicht nur Bauern fanden Schirm in Basel. Auch Andre, die der Krieg verscheuchte, flohen hinter diese Mauern. So die Nonnen von Schönensteinbach; sie hatten sich vor den Armagnaken zuerst nach Neuenburg geflüchtet, dort aber nicht Platz gefunden; so waren sie mit Beichtvater und Gesinde nach Basel gekommen und lebten hier geistlich eingeschlossen in einem Hause. Sie verließen die Stadt wieder am Maitag 1446.

Sodann die Kriegführung selbst, die Art des Krieges und seine Wirkung. Wir vermissen vor allem Stetigkeit und Plan; auf beiden Seiten fehlt die einheitliche Leitung. Trotz den gewaltigen Anstrengungen der Stadt, trotz der großen Zahl der Feinde ist das Ganze merkwürdig zersplittert und im Einzelnen kleinlich. Es ist ein Krieg mehr der List, als der entschlossenen, kühn vordringenden Kraft. Man weicht sich aus. Man geht nicht hin, den Feind zu bestehen und zu besiegen. Man sucht nicht ihn, sondern sein Land, seine armen Leute, deren Hab und Gut. Ihn ökonomisch schädigen, Beute machen, sich verproviantieren, das ist die Absicht.

Mit Genauigkeit buchen die Chronisten das Erträgnis jeden Zuges, die Korn- und Weinkarren, die Viehheerden, den Hausrat und Plunder. Die Weiher der Adelsschlösser werden ausgefischt. Mit Heeresmacht führen die Basler dreihundert Wagen nach Wyhlen und beladen sie dort mit Wein. „Rosse, Kühe und Bauern“ werden gefangen.

An das Ausplündern schließt sich das Vernichten. Vor allem an Mühlen und Trotten machen sich die Brenner; aber auch Dorf nach Dorf, Hof um Hof geht in Flammen unter. Das eine oder andre will sich durch Zahlung des Brandschatzes retten; aber mit Bitterkeit werfen die Mörsberger den Baslern vor, daß sie hiebei untreu gehandelt, die Brandschatzung in die eine Hand genommen und mit der andern Feuer eingelegt haben. Auch Kirchen samt dem Sakrament gehen in dieser Vertilgung ganzer Ortschaften zu Grunde, so in Schlierbach, in Hundsbach. Der ehrwürdige Bau von Otmarsheim bleibt neben den Trümmern des Klosters stehen; aber wenn die Aebtistin Wahrheit redet, so haben ihn die Basler geschändet, den Opferstock beraubt, die Edelsteine des Muttergottesbildes genommen, dem heil. Quirin seine Wage zerbrochen.

Der wilde Haß ergeht sich in den gröblichsten Schimpfworten, läßt Formen und Recht des Krieges vergessen. Die Edeln beginnen die Feindseligkeiten vor der Absage, sie brechen wiederholt das gegebene Wort. Es [589] ist derselbe Haß, mit dem nun die Stadt den Adel ausstößt. Das Verfahren gegen die städtischen Adelshöfe freilich hat hiemit nichts zu tun; Heinrich von Ramstein und der Tiersteiner Graf beschweren sich mit Unrecht über Gewalttat der Stadt; es sind die Kreditoren, die zur Deckung ihrer Forderungen die Höfe an sich ziehen, unter Wahrung aller Formen des Rechts. Aber mit den Herren selbst verfährt man, wenn es angeht, unbarmherzig: Hans von Ramstein hat noch am 18. April 1445 der Stadt den Kriegseid geschworen, dann aber diesen Eid gebrochen; er steht schon im Juli auf der Liste der Verbannten, und als man später seiner habhaft wird, ertränkt man ihn im Rheine. Spione werden enthauptet, Brandstifter verbrannt. Gefangene gemartert. Es ist die Antwort auf die rohe Grausamkeit der Herren, die einen armen Mann vor den Augen seiner Frau umbringen, die dem Klaus Stresser beide Hände abhauen und diese seiner Frau in ein Körblein legen, um sie den Baslern zu bringen. Die Geschichte des Basler Nachrichters Hans, der im Kerker des Schlosses Pfirt zu Tode gemartert wird und dem seine Herren von Basel nicht helfen wollen, durch seine Witwe mit ergreifenden Tönen erzählt, zeigt uns die furchtbare Rauheit dieser Zeit und nur ein Einzelschicksal von vielen.

Aus der Menge der Gestalten, die diese Jahre uns vorführen, hebt sich eine Gruppe deutlich ab: die Eidgenossen. Es sind Berner und Solothurner, die gemäß dem Bunde schon im Herbst 1444 Basel zu Hilfe kommen; andre Zuzüge folgen im Juli bis Oktober 1445. Dieser Bundesgenossenschaft zu Folge zeichnen sich nun auch die Basler bei ihren Auszügen mit einem weißen Kreuze. Und unverkennbar ist, wie die „Obern“, die „Oberländer“ neue Anschauungen und ein neues Tempo bringen. Nicht indem sie, als echte Bauern, sich im Juli bei Basel und vor Rheinfelden des Kornschneidens annehmen. Sondern indem sie die kriegerischen Eigenschaften der Unbarmherzigkeit, des zu Allem Entschlossenseins zeigen. Vor Rheinfelden sind sie es vor Allen, die den Tod der Belagerten verlangen; sie verbrennen Schwörstadt und wollen Beuggen erstürmen; beim Breisgauer Zug ist Heinrich Schlosser von Bern der Erfahrenste und trägt das Banner; vor Säckingen macht ihre Eigenwilligkeit das ganze Unternehmen zu nichte. Wie zügellos die Scharen aus dem Saanen- und Simmental waren, sah man im Rheinfelder Schloß bei der Durchstöberung der Beute und erfuhr Basel wiederholt, als Jene in die Priestergärten und Reben liefen, stahlen was ihnen vor die Hände kam, die Höfe des Götz Heinrich von Eptingen, des Abtes von St. Blasien, der Frau von Landenberg, des Grafen von Tierstein u. A. aufbrachen und beraubten. [590] Gerade weil der Krieg nicht in wenigen Hauptschlägen sich vollzog und vollendete, sondern ein kleiner, aber nie unterbrochener war, bewirkte er eine außerordentliche Erschütterung des gesamten Wesens. Zu den Parteiungen in der Bürgerschaft und dem Zwiespalt zwischen Rat und Gemeinde trat die empfindliche Hemmung von Handel und Wandel. Wie sehr der Verkehr bis ins Einzelne, ja der Rechtszustand leiden mußten, zeigt mit Deutlichkeit die eine Tatsache, daß die geistlichen Gerichte von Bischof und Erzpriester während des ganzen Krieges geschlossen blieben. In Sundgau und Breisgau lagen weite Strecken öde. Die Chronisten zählen vierundsechzig Dörfer, die durch Basel vernichtet worden waren; Peter von Mörsberg klagte, daß ihm allein siebenundzwanzig Dörfer untergegangen seien. Fünfundzwanzig Schlösser hatte Basel gebrochen. In dem gepeinigten Lande lag allenthalben österreichisches Reitervolk, dem der Herzog keinen Sold zahlte, sodaß es die Bauern zwang, ihm Geld und Nahrung zu liefern, und in seiner Wildheit auch über neutrales Gebiet herfiel. Das Maß des Elendes erfüllte eine tötliche Epidemie.


Gemäß dem Konstanzer Vertrag setzte Bischof Friedrich am 2. Juli von Schloß Birseck aus den ersten Rechtstag auf den 5. August nach Colmar fest. Hier im Augustinerkloster trafen sich die Parteien am genannten Tage. Neben dem Obmanne saßen als Zusätze Basels Hans von Laufen und Andres Ospernell, als Zusätze Oesterreichs Hans Erhard von Staufenberg und Smasman von Rappoltstein. Fürsprech Basels war Dr. Heinrich von Beinheim. Als Gerichtsschreiber funktionierte Wunnebald Heidelbeck, der Sekretär des Bischofs.

Am 16. August reichten die Parteien jede ihre Klage ein; neben der Herrschaft traten mit Klagen gegen Basel auf Graf Hans von Tierstein, Wilhelm von Grünenberg, Heinrich von Ramstein, Peter und Konrad von Mörsberg, Konrad von Eptingen, Rudolf von Neuenstein, Hans Bernhard zu Rhein, der Komthur von Heitersheim, die Aebtissinnen von Masmünster und Otmarsheim, die Städte Breisach, Neuenburg, Laufenburg, Säckingen, Ensisheim, ferner Jakob Trapp, Hans von Münstrol, Hans und Jakob von Schönau, die armen Leute von Schwörstadt und Dossenbach.

Wie Basel jedem dieser Einzelkläger zu antworten hatte, so erhob es seinerseits Klagen gegen sie, neben seiner Hauptklage gegen Oesterreich.

Auf alle Klagen erfolgten Antworten. Dann wurden die Verhandlungen am 11. September vorläufig geschlossen. Am 24. Oktober, als sie wieder aufgenommen wurden, saß Werner von Staufen an der Stelle des [591] erkrankten Rappoltsteiners. Die Parteien ließen sich in Widerreden und Nachreden vernehmen. Endlich am 7. Dezember war Schluß; die Sache wurde beiderseits dem Obmann und den Zusätzen zur Urteilsfällung übergeben, und der Schreiber erhielt den Auftrag, innert drei Monaten die gesamten Akten für die Richter in ein Buch zusammenzuschreiben. Dem fleißigen Wunnebald erwuchs damit keine kleine Arbeit. Das vor uns liegende Basler Exemplar seines Protokolls zählt 2274 Folioseiten.

Um Ostern 1447 trat der eine der beiden Basler Zusätze, Hans von Laufen, wegen Krankheit zurück und wurde ersetzt durch Heinrich von Beinheim. Dieser fertigte mit Ospernell zusammen das Gutachten zu Handen des Obmanns aus. Am 30. Oktober 1447 gelangten sowohl das baslerische als das österreichische Gutachten der Zusätze an den Obmann; aber zum Spruche kam es nicht. Noch immer zog man eine gütliche Beilegung des Streites der richterlichen vor; wiederholt einigte man sich darauf, die Gutachten der Zusätze noch nicht zu öffnen, sondern versiegelt liegen zu lassen und inzwischen Vermittelung zu versuchen. Die letzte dieser Verschiebungen geschah am 10. Juni 1448; sie setzte die Eröffnung der Gutachten und damit die gerichtliche Verhandlung auf den 1. September an, einen Vermittlungstag aber auf den 16. August.

Auf den Inhalt des Prozesses gehen wir hier nicht näher ein. Die alten Klagen und Gegenklagen kehrten wieder, wegen der Zölle, des Geleites, der Eingriffe in Gerichtsbarkeit und Marktrecht, des freien Zuges, der Schiffahrt usw. Neben diesen schon oft erhobenen Beschwerden erstanden jetzt aber neue heftige Vorwürfe wegen des Verhaltens zu den Schindern und wegen einzelner Taten und Untaten des nun geschlossenen Krieges. Und als wäre es hieran nicht schon genug und übergenug, gruben Haß und Leidenschaft verjährte, längst abgetane Dinge wieder aus und machten sie im Prozesse geltend: die Angelegenheiten der Herzogin Katharina, die Neuensteiner Fehde, den Einfall des Prinzen von Chalon usw. Sorgfältig ward jedes Vorbringen gestützt durch Dokumente, Briefe, Zeugenaussagen; auch altes Beweismaterial, darunter ehrwürdige Stücke wie die Königs- und Papsturkunden der Abtei Otmarsheim aus dem elften und zwölften Jahrhundert, gelangte hier vor die Schranken des Gerichts.

Unterdessen ruhten die Waffen schon lange. Im Dezember 1446 empfiengen die Basler Herren die österreichischen Lehen wieder, die sie vor anderthalb Jahren aufgesandt hatten. Der Wiedererlaß des Verbotes, lange Messer zu tragen, war das deutliche Zeichen, daß der Kriegszustand [592] zu Ende war. Die Schützen von Basel zogen fröhlich zum Schießen nach Ulm. Man lernte wieder im Frieden zu leben.

Auch jedes der Abkommen, durch die Basel sich in diesen Monaten mit einzelnen Gegnern abfand, beseitigte wieder ein Stück Feindschaft. Es waren nicht die Großen, mit denen paktiert wurde; für diese sollte das Recht in Colmar gefunden werden. Aber kleinere Einzelhändel wurden so beglichen, mit Hans Spar, mit Bösehans, mit Lang Konrad, mit Georg von Geroldseck und manchen Andern. Bis zum März 1448 waren diese Vergleiche in der Hauptsache durchgeführt. Es fehlte nur noch, daß auch die große Streitsache beigelegt wurde.


Bevor es aber hiezu kam, trat eine neue Verwicklung ein.

Die Stellung der Stadt Rheinfelden war durch ihr Bündnis mit Basel befestigt worden; aber der Streit, ob sie zum Reich oder zu Oesterreich gehöre, dauerte weiter. Der Pfalzgraf und der Mainzer Erzbischof nahmen sich der Sache an. 1446 fanden Verhandlungen statt, die aber keine Klarheit und kein Ende brachten; andere Sprüche folgten 1447. Im Februar 1448 wiederholte Friedrich seinen Befehl an die Stadt, dem Herzog Albrecht zu huldigen; die Stadt wendete sich dagegen an die Kurfürsten. Sie klagte über den König und sprach ihren Willen aus, beim Reiche zu bleiben; sie bat, sie hiebei zu schützen. Gesandte des Königs kamen nach Rheinfelden; von Bern, von Luzern trafen Warnungen ein, daß der Herzog Uebles plane. König Friedrich lud seinerseits die Stadt vor das Kammergericht; aber das Gericht vertagte seinen Spruch, und ehe der Termin des letzten Aufschubs abgelaufen war, trat die Katastrophe ein.

Am 23. Oktober 1448 wurde Rheinfelden durch Hans von Rechberg und seine Helfer eingenommen. Sie kamen als Pilger verkleidet zum Stadttor, zahlten ihren Zoll; während das Tor offen stand, landete ihre auf verdeckten Schiffen gekommene Mannschaft; die Wache wurde niedergemacht, die Stadt überrascht und bewältigt. Unter den Rufen: „Hie Rechberg! Retta Grünenberg!“ stürmten sie mit gezogenen Schwertern durch die Gassen. Wer sich zur Wehre setzte, wurde erstochen; Ratsherren und Vornehme warfen sie in die Gefängnisse; die Uebrigen zwangen sie zu schwören, daß sie innert Fristen sich zur Haft stellen würden. Einige Bürger hatten sich durch die Flucht retten können, andere waren auf dem Herbstmarkt zu Liestal abwesend. Weiber und Kinder aber wurden aus der Stadt getrieben. Dann kam die Plünderung. Nur die Anhänger Oesterreichs blieben verschont.

[593] Das Verfahren war das gleiche wie vor vier Jahren in Brugg; das Ueberfallen von Städtlein erscheint als eine Spezialität Rechbergs, die er auch bei Baden, Mellingen, Thiengen übte. Auch fehlten nicht Nachahmer: wenige Wochen später brachte Abt Bartholomäus von Murbach durch eine solche Ueberrumpelung Gebweiler in seine Gewalt.

Uebrigens handelte Rechberg in Rheinfelden nicht für sich, sondern zugestandenermaßen im Namen Wilhelms von Grünenberg. Dieser, schon hoch in Jahren stehend, hatte an der Tat selbst nicht teilnehmen mögen; aber zwei Tage darauf ritt er in Rheinfelden ein und übernahm die Leitung. Er stand zu der Sache; jetzt hatte er sich rächen können für die Eroberung und Zerstörung seines Schlosses. Nachdem er bis dahin zwar oft genannt worden, aber nie in den Vordergrund getreten war, erschien er nun als der Führer der Feinde Basels. Neben ihm, in Leidenschaftlichkeit des Wesens ihn überragend, stand die mächtige Gestalt des Rechbergers. Die Uebrigen waren Thomas von Falkenstein, Balthasar von Blumenegg, Hans von Bolsenheim. Als „Hauptleute von Rheinfelden“ begegnen von nun an diese Fünf.

Nach Basel kam schon um Mittag die Kunde von der Tat, kamen bald zahlreiche Flüchtlinge, nach diesen die Ausgetriebenen, Hunderte von Frauen und Kindern. Sie brachten Nachrichten, schilderten — Manches wohl in der Angst und Aufregung übertreibend — die Gewalttaten der Herren, wie man ihnen die Kleider genommen, sie schamlos am ganzen Körper nach Geld durchsucht, dann halbnackt und hungrig in den kalten Herbsttag hinausgejagt habe. „Es war ein elend erbärmlich Ansehen.“ Einige von ihnen fanden Aufnahme in Bürgerhäusern, die Mehrzahl wurde in der Armenherberge untergebracht.

Was tat der Rat? Er bedachte die Sache, instruierte Gesandte, schrieb Briefe. Aber er hängte das Banner nicht aus, rief die erregte Gemeinde nicht unter die Waffen zur Befreiung der verbündeten Stadt.

Der Rat unterließ dies jedenfalls um der Gefangenen und um Rheinfeldens selbst willen. Beim Heranrücken eines Gewalthaufens wären Jene getötet worden, die Stadt in Flammen aufgegangen. Man entschied sich für „den mildern Weg“, meldete an diesem Tage noch das Geschehene den Eidgenossen, ließ den Briefen Gesandte nachreisen, um das Einzelne zu besprechen. Der Rat schrieb auch an den Pfalzgrafen, an alle Reichsstädte insgesamt, mit ernsten Worten zumal an den Herzog Albrecht. Basel forderte diesen auf, einzuschreiten und die Stadt, die mit ihm in Richtung gewesen, zu befreien. Der Herzog lehnte jede Teilnahme an dem Vorfalle [594] ab; aber er schritt in keiner Weise ein. Er ließ die Sache ihren Lauf nehmen, nicht zweifelnd, daß schließlich doch er den Gewinn haben werde.

Basel wollte, ehe es zum Schwerte griff, seine Stellung sichern. Daher sein Alarmschlagen weit und breit, sein unermüdliches Schreiben. Es bat die Reichsstädte, sich zu besammeln und gemeinsame Maßregeln zu beraten; es schrieb an den König, an einzelne Kurfürsten und Fürsten des Reichs, sogar an den Herzog von Burgund. Es wollte Zeit gewinnen für seine eigenen Rüstungen, und hiezu verhalfen ihm die auch jetzt wieder nicht ausbleibenden Vermittlungsversuche des Bischofs und des Ramsteiners.

Die Feindseligkeiten scheinen begonnen worden zu sein durch Rheinfelder, die nach Liestal geflohen waren, von hier aus Streifzüge in ihre alte Heimat machten, Schweine raubten u. dgl. m. Die Hauptleute hinwieder überfielen am 16. November beim Roten Haus einen nach Basel fahrenden Warentransport; sie versuchten Liestal zu überrumpeln, trieben Schafheerden von Basel weg, verbrannten die Mühle zu Augst; am 21. November kam es beim Hülftengraben zu einem Gefecht. Daß dann am 24. November die förmliche Absage der Hauptleute in Basel einlief, bewirkte nichts Neues.

Basel hatte sich inzwischen gerüstet. Auf der Landschaft, wo große Angst herrschte, wurde das Nötige angeordnet. Besatzungen wurden gelegt nach Liestal, Schauenburg, Waldenburg, Wildenstein, Eptingen; vor allem den Liestalern wurde eingeschärft, auf der Hut zu sein. Das Wichtigste war auch jetzt wieder die Aufstellung einer Söldnerkompagnie; auch Fußknechte wurden geworben, namentlich aus Bern und Solothurn, Schwyz, Appenzell usw.

Ueber den Krieg selbst ist wenig zu sagen. Es war der kleine häßliche Krieg, den wir kennen. Die Rheinfelder Herren ritten täglich gegen Basel hin, raubten die Fuhren, trieben Vieh weg, fiengen oder töteten Einzelne. Die Basler übten dieselben Kriegsmanieren; mit Hauptbanner und Geschütz holten sie einen großen Weintransport; Herthen, Eichsel, Nollingen, das grünenbergische Binzen verbrannten sie; dem entsprach dann wieder auf der Gegenseite die Verwüstung von Füllinsdorf und Frenkendorf, von Lupsingen, die Beraubung Riehens. Man zog „auf Abenteuer“ aus. Nur ein einziges Mal traf man hart aufeinander, am 6. Januar 1449. Hans von Rechberg hatte bei Gundeldingen gemutwillt, in Binningen Brand gelegt; da brach Basel auf; bei der Mühle zu Häsingen kam es zum Kampf; zahlreiche Feinde wurden erschlagen, der von Blumenegg schwer verwundet.

Inzwischen ruhten die Verhandlungen nicht. In Zofingen tagten die Eidgenossen, in Lindau die Reichsstädte und redeten von der Rheinfelder [595] Sache. Aber von wirklicher Hilfe merkte Basel nichts. Manche Städte, auf deren Teilnahme es gerechnet, blieben den Versammlungen fern; auch bei König und Fürsten blieb all sein dringliches Werben ohne Wirkung. Es hatte die Bedeutung des Vorfalles für die Fernerstehenden überschätzt, zu viel Lärm gemacht. Auch was Ende Novembers seine Gesandten von Bern nach Hause brachten, war unerfreulich; der Schultheiß verweigerte die begehrte Hilfe. Er hielt den Gesandten vor, daß Bern, obwohl es in seinem Kriege mit Freiburg durch keine Mahnung Basel belästigt habe, von diesem gleichwohl mit seinem Anleihegesuch abgewiesen worden sei. „Wir wissent nit, was ir uns sollent“ fuhr er sie an. „Ir Hand uns noch nye nützit gedienet und mogend uns nit ze statten kommen, do wir üch doch alwege helffen müessen.“

Aber auch die Vermittler brachten nichts zustande. Markgraf Jakob von Niederbaden, der sich neben dem großen Streithandel Basel-Oesterreich auch dieser Rheinfelder Episode annahm, beschied die Parteien auf 6. Januar nach Neuenburg. Sie stellten sich ein. Die Rheinfelder Hauptleute waren vertreten durch Hans von Rechberg, der große Forderungen stellte, „torliche und üppige“ Worte brauchte. Auch der Fürst und seine Räte hatten an ihm kein Gefallen; man hörte sie sagen, daß Fürsten und Städten sich vorzusehen gebühre, damit nicht weiterhin solche Hauptleute sich auftäten und dergleichen Sachen unternähmen. Basel seinerseits bot den Hauptleuten rechtliche Entscheidung an und schlug Richter vor; aber sie traten hierauf nicht ein. „Sie sind mit schwigen von tagen geschieden.“

Anderes kam dazu, den Rat zu reizen. Den geflüchteten Rheinfeldern bot er Schutz und Gastfreundschaft; er vertrat sie, schrieb für sie nach rechts und nach links. Aber da er ihnen als Ergebnis der Neuenburger Konferenz den Vorschlag machte, sich in die Umstände zu fügen und Oesterreich zu huldigen, erhielt er von ihnen „strenge Antwort.“ Sie wollten nichts davon wissen, dergestalt in die Pfandschaft „verthädingt“ zu werden, sie wollten ihre Ehre gewahrt sehen und beim Reiche bleiben.

Auch sonst empfand Basel die Lage als eine schwüle. Es erhielt wiederholt Warnung, daß die Schinder neuerdings in diese Lande zu ziehen Willens und einige Sundgauer Edle hinübergeritten seien, um sie herauszubringen. Die Partei der Rheinfelder Hauptleute wurde immer größer; vom Oktober an den ganzen Winter hindurch liefen stets neue Absagebriefe beim Basler Rat ein. Ueber fünfhundert Herren und Knechte erklärten sich als Feinde Basels, darunter auch Entfernte, Rottweiler, Stuttgarter, Bregenzer. Die Mehrzahl freilich kam aus Sundgau und Breisgau; es [596] hieß, daß aller Adel zu beiden Seiten des Rheines von Lahr und Schlettstadt aufwärts sich gegen Basel verbunden und verschworen habe.

Dem entsprach das Verhalten der Rheinfelder Hauptleute. Es wurde immer „gröblicher“. Beiderseits wuchs die Erbitterung. Wiederholt versuchte Basel, sich durch einen Handstreich Rheinfeldens zu bemächtigen und diesem lästigen Wesen ein Ende zu machen. Die Hauptleute dagegen gingen darauf aus, die Straße zwischen Basel und Liestal zu sperren und dieses Städtlein einzunehmen. Basel ließ drei Gefangene als Straßenräuber „abtun“; die Hauptleute rächten sich hiefür, indem sie fünf Männer aus der Landschaft, die ihnen in die Hände gefallen waren, ertränkten und ihre Leichen, in einem Boot aufrecht sitzend nach Basel fahren ließen.

Jetzt begann eine Korrespondenz, die in ihrer Art völlig ungewohnt ist. Ein Wechsel von Streit-, Klage- und Lästerschriften, zum Teil großen Umfanges, in denen jede Partei der andern das Schlimmste vorwirft. Basel schreibt beleidigt, empört; schilt die Herren, daß ihr Kriegführen nicht mehr ritterlich sei, sondern unehrlich und schändlich; hält jedem Einzelnen von ihnen seine Taten vor. In den Gegenschreiben der Hauptleute glüht der wildeste Haß. Sie greifen über den vorliegenden Streitfall hinaus, es geht um den alten Gegensatz von Stadt und Herrentum. Mit einem Gefühl, das etwas Großes hat, wird der Erbfeindin vorgehalten, wie um ihrer Missetaten willen der allmächtige Gott sie im Erdbeben habe verfallen lassen; der Hilfe schnöde vergessend, die ihr damals der gnädige Herr von Oesterreich geleistet, habe sie an der bösen Fastnacht ihn und die Seinen zu töten unternommen, jetzt den Adel vertrieben und sich zu Denen gesellt, die Friedbrüchige und Meineidige, Kirchenbrecher und Leichenschänder seien, die ihren eigenen Herrn auf dem Seinen und um das Seine erschlagen haben. Es ist auf beiden Seiten die letzte Explosion dessen, was man seit Generationen gegen einander auf dem Herzen hatte. Alle Vorwürfe, die im vergangenen Krieg und vor den Schranken zu Colmar laut geworden, kehren hier gedrängt und in der leidenschaftlichsten Form wieder.

Am 3. April 1449 kam man dennoch wieder vor dem Markgrafen zusammen, diesmal in Breisach. Ohne Erfolg zunächst. Aber als man sich dort am 27. April neuerdings traf, hatten die Basler Gesandten die Ermächtigung der geflüchteten Rheinfelder in der Hand, für sie nach Gutfinden abzuschließen. Sie hatten sich gefügt und damit war die Hauptschwierigkeit beseitigt. Auch sonst schien Alles auf bestem Wege zu sein.

Aber wiederum trat etwas Unvorhergesehenes dazwischen.

[597] Vom Beispiel der Rheinfelder Hauptleute angeregt, hatten im Sundgau zu Illzach, Ratsamhausen usw. mehrere Edle die Stadt Basel zu befeinden begonnen. Unter ihnen tat sich Herman von Eptingen, Sohn des Hans Thüring und der Verena von Landenberg, hervor; er saß auf seinem Schlosse Blochmont über der Straße, die von Pfirt nach Delsberg führt. Schon im Armagnakenjahr hatte er sich als tätiger Feind Basels erwiesen; jetzt trat er offen gegen die Stadt und die Ihren auf, brandschatzte Dörfer, zündete den Meierhof des Heinrich Halbisen in Schönenbuch an, schickte am 5. April 1449 dem Rat seinen Absagebrief.

Das späte Eintreffen dieses Briefes, nachdem der Eptinger schon Schaden genug getan hatte, reizte Basel, das um diese Zeit ohnehin durch die Verhandlungen mit Oesterreich, die Schändlichkeiten der Rheinfelder Hauptleute, die Ergebnislosigkeit des Kampfes mit diesen, die Quälereien der Geflüchteten, die von allen Seiten einlaufenden Drohungen und Warnungen zum Aeußersten getrieben war. Es rüstete, hielt sich aber noch gewaltsam zurück, um das im Gang befindliche Friedenswerk nicht zu stören. Als nun aber am 25. April von der Besatzung des Blochmonter Schlosses ein hochmütiger Fehdebrief einlangte, in dem Alles bis auf die Hunde herab sich als Feinde Basels bekannte, brach der Zorn los. Der Rat sandte seine auf Schloß Rheineck bei Landskron stationierten Söldner vor Blochmont. In der Nacht des 25. April erstiegen diese die Vorburg, hieben die hier Widerstand Leistenden nieder, verbrannten die Gebäude. Basel machte hievon sofort Mitteilung an Bern und Solothurn; es hoffe, in Kurzem auch das Schloß selbst zu gewinnen. Doch dürfe es Stadt und Land nicht ohne starke Hut lassen, und bitte daher die Eidgenossen um Zuzug vor Blochmont. So der Rat. Aber die Bürgerschaft war anderer Meinung. Sie fürchtete, daß der Friede, der jeden Tag geschlossen werden konnte, die Züchtigung des Blochmonters vereitle; sie wünschte aber diese Strafe sofort und selbst, nicht durch die Eidgenossen, zu vollziehen; den Rheinfeldern war nichts anzuhaben, aber hier der sichere Erfolg zu greifen. In kriegerischer Erregung saßen die Zünfte auf ihren Stuben zusammen, und am Sonntag früh, 27. April, sah man an mehreren Zunfthäusern die Fahnen heraushängen, die unter die Waffen riefen. Diese Zünfte zogen auf den Markt und verlangten mit Geschrei das Zeichen zum Ausmarsch. Der Rat verweigerte dies, aus Rücksicht auf die zu Breisach im Gange stehenden Friedensverhandlungen. Aber das Volk tobte; Einige schlugen vor, dem Bischof, diesem Bösewicht, der stets für den Frieden und den Feinden zulieb arbeite, seinen Hof zu brechen und auszuplündern; Andern gelang [598] es, solcher Wut und Kraft ein besseres Ziel zu weisen: Blochmont. Sie zogen hinaus; es waren mehrere Zünfte und die Kleinbasler. Aber als sie fort waren, wurde dem Rate klar, daß er die Sache nicht ihnen allein überlassen dürfe. Er ließ die übrige Mannschaft mit Hauptbanner und Geschütz ihnen nachrücken.

Bern und Solothurn hatten den verlangten Zuzug bewilligt, obwohl man in Bern fand, daß Basel besser getan hätte, nicht so schnell vorzugehen und zuvor die Rheinfelder Sache zu einem Ende zu bringen. Aber die Hilfstruppen der beiden Städte kamen zu spät. Die vor Blochmont vereinigten Basler hatten die Arbeit wirksam begonnen, die Mauern des Schlosses untergraben. Am 30. April ergab sich die Feste. Herman von Eptingen, zwei edle Tegenlin von Wangen und die ganze Besatzung fielen in die Hände der Belagerer; doch wurden sie durch die Führer dem Zorne der Menge nicht preisgegeben, sondern in kluger Ueberlegung zur Verfügung des Großen Rates gehalten. Man führte sie an ein Seil gebunden nach Basel und legte sie hier ins Gefängnis. Die Burg wurde zerstört.

Der stürmische Auszug der Basler am 27. April hatte Aufsehen gemacht. In Breisach wurden die Verhandlungen sofort abgebrochen. Gesandte gingen nach Basel, um dem Rate Vorstellungen zu machen; Rudolf von Ramstein ritt ins Lager hinaus und versuchte hier seine Kunst. Der Rat in Basel vermochte den Gesandten nichts zu antworten; „denne der gewalt was vor dem slosse.“ Herzog Albrecht aber sammelte Truppen. Die Basler vor Blochmont erfuhren dies und waren seines Angriffs gewärtig. Kein Zweifel freilich war bei ihnen, daß der erste Schuß und Hieb zwischen ihnen und den Herzoglichen alle begonnenen Friedenswerke vernichten würde. Sie waren mutig hierauf gefaßt und erwarteten den Feind. Aber es kam Niemand. Herzog Albrecht hatte, als er vernommen, daß Blochmont gefallen und der Schloßherr der Gnade der Basler anheimgegeben sei, alle kriegerischen Schritte sofort eingestellt.

So kam es, daß die Blochmonter Tat, statt den Frieden zu hindern, ihn beförderte. Sie stärkte die Stellung Basels am Kongresse, gab Feinden und Vermittlern zu denken. Auch die mit der Schonung des Eptingers bewiesene Klugheit half dazu, die Streitenden einander zu nähern.


Die Bemühungen Bischof Friedrichs hatten zu nichts geführt. Den Spruch als Richter zu tun, verschob er immer wieder und versuchte vergeblich gütlichen Austrag. Vielleicht genoß er doch nicht das volle Vertrauen und die Autorität zu Bereinigung eines so großen Handels.

[599] Noch im Oktober 1448 hatten Verhandlungen stattgefunden; durch den Rheinfelder Ueberfall waren sie gestört worden. Die Lage erheischte mehr als je einen Vermittler von der Art, die wir schon bei der Rheinfelder Richtung 1443 als erforderlich bezeichneten. Eine solche Persönlichkeit fand sich in Markgraf Jakob von Niederbaden. Er war mit diesen Angelegenheiten vertraut, ohne in sie verflochten zu sein; zu eigenem persönlichem Wert trat die Erinnerung an seinen großen Vater Bernhard.

Dieser Markgraf Jakob erhob sich nun als Schiedsmann und versammelte die Streitenden im Januar 1449 zu Neuenburg, im April zu Breisach. Der Bischof von Basel, die Boten Berns und Solothurns, zeitweise auch diejenigen Straßburgs, wohnten den Verhandlungen bei.

Gleich zu deren Beginn brachte der Markgraf einen Vorschlag, der ein neuer Gedanke war. Er proponierte, daß Basel die vier Herrschaften Rheinfelden, Pfirt, Landser und Altkirch, die an Edle verpfändet waren, dem Herzog zu seinen Handen lösen und zehn Jahre lang keinen Zins von der Summe fordern solle; nach zehn Jahren habe die Rückzahlung der Summe durch den Herzog in jährlichen Raten von zweitausend Gulden zu beginnen. Die Boten Basels waren überrascht und lehnten ab, über diese Sache dem Rat zu berichten; der Markgraf insistierte aber, ließ zuerst das Amt Rheinfelden fallen, dann das Amt Altkirch; zuletzt verhandelte er mit dem Rat in Basel direkt, und dieser stimmte endlich zu, nachdem ihm der Bischof und die Straßburger Freunde zugeredet hatten. Basel war in dieser Sache reservierter oder ängstlicher als gut war; das Motiv des Markgrafen, die adeligen Pfandherren im Sundgau und damit den Hauptanlaß der Streitigkeiten zu beseitigen, hätte bei der Stadt stärker wirken sollen.

Nachdem nun aber Basel seinen Willen hiezu gegeben, auch die ausgetriebenen Rheinfelder zur Unterwerfung unter Oesterreich gebracht worden waren, zuletzt noch das plötzliche und kräftige Ereignis von Blochmont die Luft gereinigt und auf Seiten der Herrschaft wie ihrer Anhänger die letzten Illusionen beseitigt hatte, fand sich Alles zum Frieden bereit. Am 14. Mai 1449 wurde die „Breisacher Richtung“ besiegelt, „der Schlußstein des fast hundertjährigen Kampfes zwischen Oesterreich und Basel, zwischen Landesherrschaft und Stadtfreiheit.“

Die Hauptbestimmungen dieses Friedens lauten:

1. Von der Zölle, des Geleits und des feilen Kaufs wegen sollen sich Oesterreich und die zu Zeiten die Aemter und Lande im obern Elsaß und Sundgau von ihm innehaben, gegen Basel so halten, wie dies vor der Verpfändung der Aemter der Fall war; die seit der Verpfändung vorgenommenen [600] Neuerungen sollen abgetan sein. Mit Geleit und feilem Kauf sollen die Basler gleichermaßen im Breisgau und Schwarzwald gehalten werden.

2. Die Zinse und Zehnten, die denen von Basel und den Ihren zugehören, sollen überall zollfrei durchgehen.

3. Der freie Zug zwischen der Herrschaft Leuten und denen von Basel soll bleiben, wie er von alters hergekommen ist.

4. Kein Teil soll dem andern in seine Gerichtsbarkeit über übeltätige Leute Eingriff tun.

Weiteres betrifft die Forderung von Pfändern für Zinse, Zehnten und Schulden in der Herrschaft, das Vorladen vor Basler Gericht, den neuen Weg, die Münze, das Holzflößen auf der Wiese usw. Die gegenseitigen Ansprachen wegen des Laufenburger Zuges und die Forderungen Basels wegen Schädigung durch die Armagnaken werden aufgehoben.

Außerdem aber waren zahlreiche Forderungen Einzelner gestellt worden. Die Richtung bestimmte, daß jeder Teil die Seinen in diesen Forderungen zufrieden stellen und ihre Verzichtbriefe der Gegenpartei zukommen lassen solle. Wer sich hiezu nicht verstehe, dessen Forderung sei durch den Bischof von Basel zu entscheiden, dem auch die Entscheidung der Schiffahrts- und Zollstreitigkeiten Basels mit den Rheinstädten sowie der Frage des geistlichen Gerichtes zugewiesen wurde.

Dies die Breisacher Richtung. Ihre Bestätigung durch König Friedrich erfolgte am 24. Dezember 1449, durch Herzog Sigmund am 4. März 1450.

Die Richtung war Hauptstück und Beginn einer allgemeinen Liquidation. Zunächst ließen, der Abrede gemäß, die meisten Einzelkläger, sowohl österreichische Herren und Städte als Bürger Basels, ihre Forderungen fallen, propter bonum pacis et concordiam patriae, um des lieben Friedens willen; unter denen, die dies nicht tun wollten, ist Graf Hans von Tierstein hauptsächlich zu nennen; er veranlaßte einen Obmannsspruch des Bischofs Friedrich und appellierte dann von diesem noch an den König.

Weiterhin erfolgten, noch im August 1449, die Sprüche des Bischofs in Betreff des geistlichen Gerichts zu Basel und der Rechtsame auf dem Rhein; in der letzterwähnten Streitsache nahm die Stadt Neuenburg den Spruch nicht an, sondern appellierte an den König.

Die Verhandlung hierüber und die Bereinigung anderer Punkte zog sich noch geraume Zeit hinaus; einige kleinere Anstände über Zölle und Zinse, Geleit, geistliches Gericht usw. erwachten neu. Dies Alles fand [601] aber schließlich seine Erledigung durch die von Bischof Arnold am 1. Januar 1456 zu Stande gebrachte „letzte Richtung.“

Ein wichtiger Teil des Friedensgeschäftes war die Abrede über Einlösung von Pfirt und Landser und Darleihung des hiezu nötigen Geldes durch Basel. Die Summe betrug sechsundzwanzigtausend Gulden und wurde von Basel im September 1449 gegen Sicherheit dargeschossen.

Am gleichen Tage mit der Richtung wurde zu Breisach zwischen dem Herzog und Basel ein Vertrag geschlossen, der eine Ergänzung des Hauptabkommens war. Nicht zutreffend bezeichnet ihn Beinheim als ein Bündnis. Es war die gegenseitige Verpflichtung, zur Beilegung aller Streitigkeiten zwischen ihnen selbst jeweilen Schiedsgerichte anzurufen, sowie die Abrede, daß kein Teil einem Feinde des andern Teils helfen solle, sofern dieser das Recht biete. Deutlich spricht dieser Vertrag die Meinung aus, daß nun des Kriegens genug, neuer Streit mit rechtlichen Mitteln zu tilgen sei.

Friede sollte auch sein zu Rheinfelden. Auch diese schwere Sache wurde an dem denkwürdigen Breisacher Tage erledigt. Markgraf Jakob hob alle Feindschaft zwischen Basel und den Hauptleuten auf und verfügte, daß die Stadt Rheinfelden sich dem Herzog zu unterwerfen habe als eine vom Reich an Oesterreich verpfändete Stadt.

In solcher Weise ward der oberrheinischen Welt nach jahrelanger Zerrüttung der Weg zu einer neuen Ordnung gewiesen.

Basel zog die Besatzungen aus den Schlössern zurück, öffnete wieder alle seine Tore, verabschiedete die Söldner, entließ seine Gefangenen. Gerne sah es auch die Rheinfelder hinweg ziehen, die diesen Winter und Frühling durch seine Gäste gewesen. Aber diese fanden ihre Heimat noch verschlossen, mußten nochmals Quartier in Basel suchen. Die Hauptleute behaupteten die Stadt noch immer. Ueber den Frieden ergrimmt, der ihnen ihre Beute nahm, hielten sie dort innen einen häßlichen Kehraus, zerbrachen und verwüsteten in den Häusern, was zu brechen und zu verwüsten war, schafften alles Bewegliche auf Schiffen und Karren weg; endlich fuhren auch sie davon. Am 9. Juni aber nahm Herzog Albrecht die Stadt in Besitz. Neben den Trümmern des Schlosses, unter der alten, wieder frisch belaubten Linde saß er feierlich und ließ die Städter knien und huldigen.

Mit dieser Szene schloß das Friedenswerk. In den ungeheuern Gewittern sodann, die zu Beginn des Augusts über der Basler Gegend tobten, schien die wilde Zeit des Krieges Abschied zu nehmen.

[602] Der Friede hielt aber seinen Einzug in ein erschöpftes und beinahe vernichtetes Land. Vor allen Andern mußte dies der Adel fühlen, dessen Herrschaften tief darnieder lagen. Und was hatte er mit diesem Ruin seines eigenen Gutes erkauft? Was war der Lohn seines Kampfes? Daß die verhaßte Stadt in der Hauptsache gesiegt hatte. Alles was die Edeln, solange sie die Aemter innegehabt, an Einrichtungen zum Schaden der Städter geschaffen hatten, war jetzt durch den Herzog wieder preisgegeben worden; er hatte sie ihrer Pfandschaften entsetzt und wollte selbst wieder Herr sein; auf Jahre hinaus und um schweres Geld hatte er sich zum Schuldner Basels gemacht. Das bittere Gefühl, das damals oft genug den Edelmann gegenüber dem Landesherrn erfüllte, mußte auch in diesen Sundgauer Herren sich regen; am mächtigsten quoll es auf in Hans von Rechberg, dem samt seinen Gefährten Herzog Albrecht, nachdem er die Früchte ihres Tuns geerntet, für dieses Tun keinerlei Dank abstattete und nur Strafe gab dafür, was Uebergriff und Frevel gewesen war; er ließ sie zu Freiburg ins Gefängnis werfen.

Einzelheiten zeigen deutlich die Wirkung des Krieges. Das Kloster Blotzheim war so verarmt, daß es aus eigener Kraft nicht mehr weiterleben konnte und mit Lützel uniert wurde. Aber auch dieses Lützel war aufs schwerste geschädigt, und der Papst mußte ihm durch Inkorporation noch andrer Kirchen helfen. Auch Gotteshäuser Basels, deren meiste Einkünfte im Sundgau lagen, litten schwer; St. Leonhard namentlich war in dieser Zeit völlig ruiniert. Die Basler Chronisten reden wiederholt von diesen Zuständen. Keine Gülten gingen ein, das Land war arm, die Bauern konnten nicht zahlen. An Baarschaft herrschte unerhörter Mangel. Der schönste Herbst verfaulte an den Stöcken, weil die Fässer fehlten.

Dem öden und entkräfteten Lande hinterließ aber der Krieg auch wilde Sitten, Zuchtlosigkeit, eine Menge Volkes, das nur im Kampfe Beschäftigung gefunden hatte. Schon im Winter 1446/47 hatten sich die Städte mit diesem Uebel zu beschäftigen; allenthalben klagte man über die freigewordenen Söldner, die beiderseits des Rheins die Straßen unsicher machten. Dasselbe Symptom trat jetzt wieder auf, in dem allenthalben streifenden Raubgesindel so gut wie in vereinzelten Abenteurern und Gewalttätern, die sich in der Schule des Krieges gebildet hatten. Zeugnisse solcher Verwilderung sind die widrigen Händel, die den Baslern mit Ottman Lüdi, Heini Brombach, Adam von Ansoltzheim u. A. erwuchsen und zum Teil Jahre lang dauerten. Wenn der Rat 1450 zwei heimliche Diener anstellte mit dem Auftrag, die Feinde der Stadt unschädlich [603] zu machen, wo sie solche beträfen, so war dies nur eine Tat der Notwehr.


Aber Basel durfte anerkennen, daß es nicht umsonst gekämpft und all diese Not auf sich geladen hatte. Im Großen und Ganzen war der Sieg ihm zugefallen, seinen Hauptbeschwerden Rechnung getragen, sein Verhältnis zu Oesterreich dauernd und auf befriedigende Weise festgestellt. Auch hatten das städtische Wesen und die Zustände des Regiments durch die Beseitigung des Adels einen wichtigen Schritt der Entwickelung getan.

Daneben ist noch an Anderes zu erinnern. Das Aufhören des Konzils bewirkte jedenfalls einen starken Rückschlag. Daß die Folgen nicht größer waren, daß die nach den außerordentlichen Zuständen eintretende Leere, die Nichtverwendbarkeit so vieler Einrichtungen und eine allgemeine, aber nicht mehr angemessene Gewöhnung zusammen nicht eine Katastrophe bildeten, davor wurde Basel bewahrt durch die St. Jakoberschlacht und den großen Krieg. Gerade als eine Erschlaffung eintreten konnte, machten sich die neuen Forderungen geltend, verlangten höchste Anspannung aller Kräfte, stellten dem Gemeinwesen und dem Einzelnen die ersten Lebensinteressen in den Vordergrund.

Es waren Zeiten, die auch im übrigen lebenerweckend wirkten. Eine reiche Fülle geschichtlicher Aufzeichnungen ist in diesen Jahren zu Basel entstanden. Es sind die großen Erlebnisse, die den Kaplan Appenwiler, den Bäckermeister Brüglinger, den Doktor Beinheim zu Chronisten werden ließen. Jeden auf seine Weise. Nach dem Konstanzer Frieden, im Sommer 1446, machten sich Brüglinger wie Appenwiler an die Niederschrift ihrer Erinnerungen, im Gefühle der Erlösung von langer schwerer Not; im Herbst 1448, durch die Rheinfelder Tat aufgeregt, griff Appenwiler nochmals zur Feder. Die Schriften Beider sind ohne allgemeine Anschauung, auch beinahe ohne Raisonnement, nichts als Referate; dort des klugen tüchtigen Bürgers, der überall mit dabei war, hier des mehr abseitsstehenden Geistlichen, der aber doch ganz und gar städtisch gesinnt ist. Ihnen Beiden weit überlegen ist Heinrich von Beinheim, als der Selbständigere, weiter Schauende. Seine Chronik zeigt durchweg eine Freiheit des Urteils, die er seiner Bildung verdankte und dem Umstande, daß er nicht Eingeborner war.

Hier ist auch wieder Henman Offenburg zu erwähnen. Sein Wesen war noch das frühere; von der Höhe des Alters konnte er jetzt auf ein reiches Leben zurückblicken und sah um sich her dessen Früchte gebreitet. Da traf ihn 1445 der Schlag der Stillstellung im Rate. Es war [604] der Ausbruch lange genährten Mißtrauens, die Rache eines leicht begreiflichen Neides. Unter den Stubenherren, die der gemeine Mann nicht mehr im Rate dulden mochte, war Offenburg der gehaßteste, sein ganzes Wesen das der Mißdeutung fähigste. Er hatte in der Tat mehreren Herren gedient; aber die Beschuldigung des Verrates, die jetzt in roher Weise laut wurde, war unbegründet. Er empfand sie aufs bitterste; daß er sich diese Bitterkeit von der Seele zu schreiben suchte, hat uns ein Buch eingebracht, das zu den wichtigsten Zeugnissen der Basler Geschichte gehört.

Dieses Buch des Henman Offenburg ist keine Chronik, sondern eine Rechtfertigung, eine Selbstapologie; hieraus ergiebt sich die völlig persönliche Art und Haltung. Sein unvergleichlicher Wert ist damit begründet, aber auch seine Schwäche. Offenburg wird nicht müde, zu betonen, daß er dies und jenes für die Stadt erlangt habe ohne ihre Aufwendung, ganz auf seine eigenen Kosten. Es liegt hierin etwas Rechthaberisches und Kleinliches. Aber auch das wehe Gefühl, am Ende eines langen arbeitsvollen Lebens im öffentlichen Dienste nur den Lohn erhalten zu haben, den die Welt gibt. Indem freilich Offenburg gerade an dieser Erfahrung sich nicht hinaufheben konnte zu einem freiern, die Anerkennung des Tages und die gewöhnliche Honorierung verachtenden Gefühl, zeigte er aufs neue, daß er, wenn auch ein fähiger und geschickter Mann, doch durchaus nicht eine große Natur war. Zu beachten ist auch, wie es niemals die Gewalt der Ereignisse, die bedeutende Wirkung einer Persönlichkeit ist, die ihn zum Schreiben zwingt, sondern das Bedürfnis, von Verdienst und Umständen seiner eigenen Leistungen zu reden. Was hat er nicht Alles erlebt, zum Teil in der vordersten Reihe stehend! und dennoch machte ihn diese gewaltige Zeit nicht zum Geschichtschreiber, nur zum Anwalt seiner selbst. Wie er auch nie Staatsmann großer Art war, sondern, auch im Ritterkleide noch, Geschäftsmann. Aber er ist diejenige Gestalt, die aus der reichen Welt dieser Jahrzehnte uns erkennbarer entgegentritt als jede andere, die überhaupt als die entwickeltste, persönlichste Figur der ganzen frühern Basler Geschichte zu gelten hat. Das ist zum guten Teil die Wirkung seines Buches. Aber auch alle andern Schriften sind voll von seinem Namen. Keiner gibt Rechenschaft von sich selbst wie er, aber auch Keiner ist tatsächlich so wie er im Verkehr mit aller Welt durchgerüttelt und erzogen worden. Die Zeit der großen Kultur Basels stand schon vor der Tür; Offenburg schließt die frühere Periode. Vom Glänzendsten, das kommen sollte, ist an ihm kein Hauch zu finden; aber in staatlichen Dingen blieb sein Geist auch später herrschend.

[605] Der große Zwist Basels mit Oesterreich war nicht nur bis auf weiteres beigelegt, sondern durch einen Frieden beseitigt worden, den beide Parteien bewußt so gestalteten, daß er Dauer verhieß; und als dann im August 1450 Herzog Albrecht feierlichen Besuch in Basel machte, von der Stadt freudig und ehrenvoll empfangen, war dies denkwürdige Ereignis in der Tat ein Zeichen, daß es mit dem alten Zustande vorbei sei. Aber auch sonst bezeichnet Manches die Grenzscheide. Nicht nur hier. Rom begrüßte mit Jubel die Abdankung des Papstes Felix und den Schluß des Schisma. Auf dem Brühl zu Einsiedeln erneuerten Zürich und die Eidgenossen die alten Bünde. So stehen auch in Basel an dieser Wende der Zeiten die Häupterwahl des Sommers 1449, die der Stadt zwei völlig neue Herren gab, und in den ersten Tagen des Jahres 1451 der Tod des Bischofs, mit dem ein Hauptvertreter der letzten Zeit dahinging. Der Charakter der Epoche, die so mit allem Alten aufräumte, ein neues Leben beginnen ließ, ist bis zum Aeußerlichsten zu erkennen, bis zur baulichen Wiederherstellung des in diesen Jahrzehnten so viel gebrauchten Gesellschaftshauses zur Mücke; die Stubenherren verdangen die Arbeit dem Zimmermeister Hans von Thann, und die Stadt spendete an die Kosten einen Beitrag.

Jetzt fand Basel auch wieder seine Freiheit der Bewegung, um an auswärtigen Dingen teilzunehmen. 1450 finden wir seine Boten auf dem großen Tage zu Heidelberg, der den Krieg des Markgrafen Albrecht von Brandenburg mit Nürnberg beilegen sollte.