Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München
[1] Peter Cornelius, Sohn des Malers Aloisius Cornelius, Galerie-Inspectors zu Düsseldorf, katholischer Confession, geb. am 23. Sept. 1783 zeigte schon im Knabenalter eine hohe Begabung für die Kunst. In seinem zwölften Lebensjahre that ihn sein Vater auf die Akademie in Düsseldorf, die er aber in Kurzem wieder verlassen musste, weil er sich den Kunstvorschriften des Directors Peter v. Langer, der der David’schen Schule ergeben war, nicht fügen wollte. In seinem 16. Jahre verlor er seinen Vater, und die zahlreiche Familie damit den Versorger, so dass er auf nicht immer erfreulichen Broderwerb angewiesen war. Ausser der Kunst, die er mit ganzer Hingebung liebte, tröstete und stärkte ihn die romantische Freundschaft mit einem gleichaltrigen, wissenschaftlich sehr gebildeten Jüngling, Fritz Flemming in Neuss, mit dem – als seinem „Plato“– er, als „Raphael“ einen sentimentalpoetischen Briefwechsel unterhielt.
Er hatte keine Schulbildung, hat auch später nicht orthographisch schreiben gelernt. Die Bibel war die Hauptquelle seines Wissens und Lebens; doch war er sehr bald mit den grossen Dichtern Deutschlands, mit Göthe, Schiller, Jean Paul, dessgleichen mit Shakespeare, mit Homer, den Tragikern und mit Virgil vertraut, soweit Uebersetzungen ihm zu Gebote standen.
Zur antiken Dichtkunst war er zunächst durch die Preisaufgaben der Weimarschen Kunstfreunde gekommen, bei denen er sich betheiligte. Ohne einen Preis zu erringen, kam er doch auf diesem Wege in Verbindung mit Göthe, was später seine guten Folgen hatte. Eine erste bedeutende Arbeit ward ihn 1801 durch den Domcapitular Prof. Wallraff in Cöln übertragen: den Chor des Domes in Neuss mit heiligen Gestalten auszumalen.
Mit der feurigsten Begeisterung für die Malerei nährte Cornelius schon in früher Zeit das Bewusstsein „im ächten Sinn ein Wiederaufhelfer der gesunkenen Kunst zu werden.“
Im Jahre 1809 siedelte Cornelius nach Frankfurt a. M. über, und hier zeigte sich schon unverkennbar jene Vielseitigkeit und Unabhängigkeit der höheren Bildung, die sein ganzes Leben auszeichnet: Für den Fürsten Primas fertigte er das reizende Bild einer heiligen Familie; ein Zimmer des Erdgeschosses im Schmidtschen Hause malte er mit einer grossen mythologischen Composition ganz aus, und für die deutsche Nation zeichnete er Göthes Faust.
Im Jahre 1811 ging er nach Rom. Hier traf er zuerst mit Friedrich Overbeck aus Lübeck zusammen, und rasch bildete sich – trotz der grossen Verschiedenheit der Charaktere, aber gegründet auf die gleiche künstlerische Gesinnung und Richtung – zwischen Beiden eine Freundschaft, die ein langes Leben hindurch unversehrt geblieben und das Grab überdauert hat. In Rom war es, wo sich eine Anzahl gleichgesinnter junger deutscher Künstler zusammenfanden im gemeinsamen eifrigem Bestreben, der vaterländischen Kunst einen neuen Aufschwung zu geben. Die Romantik war die Herrscherin der Zeit; mit den Dichtern folgten ihr die Künstler, vor Allen jene noch kleine Bruderschaft in Rom, zu welcher ausser Cornelius und Overbeck auch W. Schadow, Ph. Veit, Pforr, Fohr u. A. gehörten, denen sich bald auch J. Schnorr zugesellte. Neidlos erkannten Alle das Uebergewicht von Cornelius an und nannten ihn gern den „Hauptmann von der römischen Schaar.“
Nur in einer Beziehung zeigte sich eine wenigstens theilweise Verschiedenheit [2] unter den sonst so innig Verbundenen. Mehrere derselben, die als Protestanten nach Rom gekommen, traten zur katholischen Kirche über, und behandelten die Angelegenheit nach Art der Proselyten sehr excentrisch; Cornelius, Katholik von Geburt, blieb allem Rigorismus fern und liess sich durch seine volle und aufrichtige Hingebung an die Bibel, die Götter und die Dichter Griechenlands so wenig verleiden, als Schiller, Göthe und Shakespeare, zusammt der alten deutschen und italienischen Dichtkunst. Wohl malte und zeichnete er manch schönes Bild biblischen Inhalts; aber er vollendete auch seinen „Faust“, begann und vollendete die „Nibelungen“, und fertigte mehre Blätter zu Shakespeares Romeo und Julie.
Sein Sinnen aber war auf die monumentale Kunst gerichtet; nur durch sie konnte – nach seiner Ueberzeugung – auf das Volk im Grossen und Ganzen erfreuend, erhebend und veredelnd gewirkt werden. Das war es ja, was Italien zum Lande der Kunst gemacht; und da diess vornehmlich durch die Frescomalerei gelungen, so war sein Verlangen auf deren Erlernung und Anwendung gerichtet.
Den Wünschen von Cornelius kam der preussische Consul in Rom, Bartholdy entgegen. Zwar hatte er es nur auf einfache Decoration eines Zimmers abgesehen; aber er fügte sich dem Vorschlag von Cornelius, der sich erbot, um geringe Mehrkosten, mit einigen Freunden ihm historische Bilder an die Wände malen zu wollen, wozu er die Geschichte des alttestamentlichen Joseph in Vorschlag brachte.
Overbeck malte die Verkaufung Josephs durch seine Brüder; W. Schadow den lügenhaften Bericht derselben von seinem Tode an den Vater, und den Bäcker und den Mundschenk des Königs Pharao mit Joseph im Gefängniss; Ph. Veit die Versuchung Josephs durch Potiphars Weib; Cornelius die Traumauslegung Josephs der sieben fetten und der sieben mageren Jahre, und die Wiedererkennung mit den Brüdern. Unversehrt (bis auf eines) schmücken die Bilder noch den ursprünglichen Raum, ein Gegenstand der Bewunderung Aller, die ihn betreten, das Denkmal einer kühnen und gelungenen Unternehmung kunstbegeisterter junger Männer, vornehmlich des Cornelius, dessen „Erkennungsscene“ als das Werk eines geübtesten Frescomalers gelten könnte.
Die nächste Folge dieser Arbeit war der Auftrag eines römischen Nobile, des Marchese Massimi an die jungen Deutschen, seine Villa mit Gemälden zu Dantes, Tassos und Ariostos Gedichten in Fresco auszumalen, welchem in der Weise entsprochen wurde, dass Cornelius Dantes „Göttliche Comödie“ Overbeck Tassos „Befreites Jerusalem“ und J. Schnorr Ariostos „Rasenden Roland“ übernahm.
Während Cornelius bereits mit den Cartons für die Deckenbilder im Dante-Saal der Villa Massimi beschäftigt war, (i. J. 1818) kam der Kronprinz Ludwig von Bayern nach Rom, zunächst wohl, um neue Erwerbungen für die bereits im Bau begriffene Glyptothek zu machen. Doch war seine Kunstliebe nicht darauf beschränkt und er trat rasch und leicht in Verkehr mit Künstlern, namentlich mit den deutschen. Sein Leibarzt, Dr. Ringseis, hatte ihn auf Cornelius aufmerksam gemacht, und kaum, dass er dessen Arbeiten in der Casa Bartoldi gesehen, war er entflammt für ihn und für den Gedanken, ihn für seine Kunstunternehmungen nach Deutschland zu ziehen.
Die Glyptothek war der Vollendung nahe; sie war den Werken antiker Sculptur gewidmet; als eine würdige Zugabe erkannte er Malereien aus der griechischen Götter- und Heroensage, bestimmte dafür zwei Sääle und einen Vorplatz und gewann Cornelius für die Ausführung dieses Planes. Der Vertrag mit dem Marchese Massimi wurde nach freundschaftlicher Uebereinkunft an Ph. Veit übertragen und Cornelius begann sogleich seine Compositionen für den Göttersaal der Glyptothek.
Der Kronprinz von Bayern war inzwischen nicht der erste, der den hohen Werth von Cornelius erkannt und auf dessen Besitz im Vaterland gerechnet hatte. Im Jahre 1816 war Niebuhr als k. preussischer Gesandter nach Rom gekommen und bei seinem besonderen Interesse für die deutschen Künstler sehr bald mit Cornelius bekannt geworden, dessen weit über seine Genossen hervorragende Bedeutung das Verlangen in ihm geweckt hatte, ihm eine entsprechende Wirksamkeit in Preussen zu verschaffen. Als daher im Ministerium die Wiederherstellung der Akademie in Düsseldorf beschlossen, und Niebuhr von dem Minister von Altenstein aufgefordert worden, eine Erklärung über die in Vorschlag gebrachte Berufung von Cornelius als Director dieser Anstalt abzugeben, stellte er demselben ein so glänzendes Zeugniss seiner Begabung als Künstler und als Lehrer der Kunst, sowie als höchst achtungswerthen Charakter aus, dass der Erfolg unzweifelhaft war. In seinem an den Minister Altenstein gerichteten Schreiben hatte er geradezu ausgesprochen: „Cornelius ist unter unseren Malern, was Göthe unter unseren Dichtern ist.“
So kam es, dass Cornelius, der sich bis dahin unter steten Bedrängnissen [3] und der äuseren Sorge fürs Leben hatte durchschlagen müssen, jetzt von zwei Seiten zu einer viel umfassenden künstlerischen Thätigkeit und für eine einflussreiche, ehrenvolle und sorgenfreie Stellung mit gleichem Eifer begehrt wurde: der Kronprinz verlangte ihn nach München für die Glyptothek; Preussen nach Düsseldorf zur Reorganisation der Maler-Akademie. Da er dem Kronprinzen noch vor der Berufung nach Düsseldorf sein Wort gegeben, und das preussische Ministerium auf ihn auch nicht Verzicht leisten wollte, ward ein Ausweg gefunden, auf welchem er dem beiderseitigen Begehren entsprechen konnte: Er war im Winter in Düsseldorf und malte im Sommer in der Glyptothek zu München.
In Kurzem hatte er eine Anzahl Schüler um sich versammelt; denn „Faust“ und „Nibelungen“ hatten ihm die Herzen einer aufstrebenden Jugend gewonnen; „Dante“ und die „Glyptothek“ hatten ihre Achtung zur Bewunderung gesteigert, die unter dem Einfluss seiner liebenswürdigen Persönlichkeit zur wärmsten Begeisterung wurde. In den Rheinlanden kam man ihm von Seiten hochgestellter und begüterter Bewohner mit vielem Vertrauen entgegen, um mit Unternehmungen, wie sie bereits das Ministerium für Bonn, die Kreisregierung für Coblenz beschlossen, durch ihn und seine Schule der monumentalen Kunst eine Stätte zu bereiten; aber der Kronprinz von Bayern hielt fest an dem Plan, ihn nach München zu ziehen. Kaum war daher am 11. Aug. 1824 Peter v. Langer gestorben und damit die Stelle eines Directors der Münchner Kunstakademie, der derselbe bisher vorgestanden, erledigt, als der Kronprinz seinem königlichen Vater die dringende Bitte stellte, sogleich Cornelius an dieselbe zu berufen, und an diesen in der Freude und Zuversicht seines Herzens schrieb: „Ganz, ganz unser! wenn dieses Cornelius ist, dann ist’s fürtrefflich!“
Noch verging eine kurze Frist bis zu diesem ersehnten Zeitpunkt. Abgehalten durch die Fürsorge für die kaum ins Leben gerufene Schule in Düsseldorf sowie durch eine schwere Krankheit seiner Frau, konnte Cornelius erst im Junius 1825 die Uebersiedelung nach München bewerkstelligen.
Wenige Monate später starb König Maximilian I.; Ludwig war König und griff mit Feuereifer die Reform der Akademie an, die er sogleich in Verbindung mit seinen grossen Kunstunternehmungen brachte. Mit der grössten Bereitwilligkeit ging er auf alle Vorschläge von Cornelius ein: er berief Schnorr; wandte sich persönlich an Overbeck, ihn auf den Wunsch von Cornelius für die Akademie zu gewinnen (was freilich nicht gelang); Heinrich Hess, S. Amsler zuletzt auch Schotthauer fügte er jenen hinzu, um ein einmüthiges Collegium ganz in Cornelius Sinn zu bilden; Schnorr und Hess erhielten sogleich grosse Aufträge; aber auch für jüngere Kräfte ward gesorgt. Die Schule, die Cornelius in Düsseldorf gebildet, war keine Akademie im gewöhnlichen Sinne. Das Verhältniss der Mehrzahl der Zöglinge zu ihm war ein rein persönliches. Sie hingen an ihm, wie er an ihnen, mit warmer Liebe, mit ganzem Herzen, und als er dem Rufe nach München folgte, hatte Düsseldorf keine Anziehungskraft mehr für sie: sie zogen nach, wohin der Meister voran gegangen.
Wie grossen Werth auch Cornelius auf seine Selbstthätigkeit als schaffender Künstler gelegt, seine Gedanken waren gleichzeitig und mit gleichem Interesse auf die möglichst weite Verbreitung der Kunst in seinem und seiner Freunde Sinne durch das nachwachsende Geschlecht gerichtet. Die Schaar der Jünger, die ihm vom Rhein her nachgezogen, besassen – wie seine väterliche Liebe, so – sein volles Vertrauen, als Grundstock der Schule, die unter seiner und seiner gleichgesinnten Freunde unmittelbaren Leitung, und beim Hinblick auf die weitaussehenden Pläne des Königs zu voller Entwickelung kommen und ein Künstlerleben und Schaffen begründen und befestigen helfen sollten und dazu freudigen Muthes bereit waren.
Die erste Veranlassung zur Ausführung seiner Pläne fand Cornelius in den neuerbauten Arcaden des Hofgartens, für die er dem König eine Bilderfolge aus der bayerischen Geschichte vorschlug, welcher derselbe bereitwilligst zustimmte. Eine zweite Gelegenheit fand sich im neuerbauten Odeon, für dessen Hauptsaal drei grosse Deckenbilder mythologischen Inhalts bestimmt wurden.
Das war ein fröhlicher Anfang und glänzend war die Aussicht in die Zukunft. Neue Kirchenbauten waren beschlossen, ein neuer Königspalast, eine neue Gemäldegalerie, und überall musste oder durfte auf die Mitwirkung der Malerei gerechnet werden.
Cornelius war noch vollauf beschäftigt in der Glyptothek; aber für seine Schule und seine Wirksamkeit durch sie hatte er das Auge offen nach allen Seiten. Das Vertrauen des Königs in alle seine Vor- und Rathschläge entsprach vollkommen der Begeisterung für ihn und dem oft und vielfach ausgesprochenen feurigen Verlangen nach seinem Besitz.
[4] Allein gleich nahe stand dem König ein anderer Mann, vielleicht noch unentbehrlicher für seine künstlerischen Unternehmungen, als Cornelius, der Architect der Glyptothek, Leo v. Klenze. Das Vertrauen des Königs in derselben Angelegenheit zu zwei, obendrein in Charakter und Kunstrichtung verschiedenen Männern gestattete keine Theilung, so wenig, als ihr Einfluss auf Ihn. Diese Betrachtung hatte schon früher den Cornelius bestimmt, der dringenden Aufforderung des damaligen Kronprinzen, nach München zu kommen, zu widerstehen;[1] jetzt glaubte er sich fester in der Gunst des Königs und ausserdem durch seine Stellung als Director der Kunstakademie gesichert.
Unbefangen – in der Meinung, dass für malerische Ausschmückung eines Gebäudes Vorschläge zu machen, in seinem Wirkungskreis läge, hatte er für den Corridor der neuen Bildergalerie (der Pinakothek) sowie für das neue Königsschloss (den Neuen Königsbau) dem König Vorschläge unterbreitet, welche derselbe – was die Pinakothek betrifft unter Belobung der glücklichen Stoffwahl, genehmigte. Der Gegenstand dieser Bilderfolge sollte der Geschichte der Künstler, insbesondere der Maler entlehnt werden, deren Werke die inneren Sääle schmückten. Nicht allein an das Neue und die Schönheit der Aufgabe hatte Cornelius dabei gedacht, sondern vornehmlich an die Fortbildung seiner Schule in seinem Geist und Sinn. Er erbot sich die Entwürfe zu machen, und unter seiner Oberleitung von seinen Schülern nach seiner Wahl ausführen zu lassen; eine auf eine Reihe von Jahren berechnete Arbeit, aus welcher offenbar eine erprobte Schule hervorgehen musste. Freiheit war den Einzelnen genug gegeben in der Durchbildung der nur ganz im Allgemeinen angegebenen Motive, während die Auffassung des Meisters im Ganzen den einheitlichen Charakter des Werkes sicher stellte.
Unverkennbar wäre eine solche Schule nicht nur die Erfüllung von Cornelius früheren Wünschen und Hoffnungen und somit eine grosse Lebensfreude gewesen, sondern auch ein Zuwachs seines Ansehens und seines Einflusses. Dass v. Klenze dabei nicht gleichgültig bleiben würde, war um so sicherer vorauszusehen, als Cornelius eine an ihn im Auftrag des Königs von der k. Hofbauintendanz gerichtete Anfrage über v. Klenzes Decorations-Voranschläge für die Gemäldesääle nicht zu dessen Zufriedenheit beantwortet hatte. Dennoch war er aufs äusserste überrascht, als ihm plötzlich (unterm 25. Dec. 1827) von der k. Hofbauintendanz ebenfalls im Namen Sr. Majestät die Mittheilung gemacht wurde, dass für die Anfertigung der Cartons und Malereien für die Loggien der Pinakothek ein Contract mit Professor Cl. Zimmermann abgeschlossen worden, dem zufolge ihm selbst nichts blieb, als die Entwerfung der Compositionen, ohne irgend ein Verfügungsrecht über ihre Ausführung. Damit war er ins Herz getroffen; seine Hoffnung für die Schule in Trümmer geschlagen. Jeder Versuch eine Veränderung des königlichen Willens herbeizuführen war vergebens; die Flamme der Begeisterung im Herzen des Königs für „seinen, nun ganz seinen Cornelius“ war, wenn auch noch nicht erloschen, doch tief herab gebrannt; Cornelius sah sich, was er früher schon gefürchtet und vorsichtig vermieden hatte, nun wirklich „in den Winkel geschoben.“
Das war des Schlimmen zuviel für ihn; und wie einst Michel Angelo, als ihm der Papst die Audienz verweigert, sein Bündel geschnürt und Rom verlassen hatte, so fasste Cornelius den Entschluss, München und Bayern den Rücken zu kehren und sein Zelt wieder in Preussen aufzuschlagen. Er schrieb desshalb an seinen vertrauten, treuen und einflussreichen Freund, den Staatsrath Niebuhr in Bonn, um mit ihm die für die Ausführung des Planes nothwendigen Schritte zu besprechen. Allein auf irgend eine Weise musste sein Vorhaben ruchbar geworden und dem König zu Ohren gekommen sein: ungesäumt kamen inhaltschwere Anträge an Cornelius; denn ihn zu verlieren hatte der König nicht beabsichtigt.
König Ludwig beschloss, eine neue, seinem Namenspatron gewidmete Kirche in München zu erbauen, und Cornelius sollte sie ausmalen! Das war freilich ein entscheidender Schachzug gegen die Uebersiedelung nach Preussen! Höchst Gewisses gegenüber von höchst Ungewissem; dazu die Aussicht auf die Ausführung eines seit vielen Jahren im Stillen gepflegten Gedankens eines grossen christlichen Epos, zu welchem die St. Ludwigskirche, für die er seinen Freund Gärtner als Architekt mit vollem Erfolg empfahl, ihre Räume anbot. Der Fluchtgedanke ward aufgegeben; Niebuhr davon in Kenntniss gesetzt; die Pinakothekfresken mit allen daran geknüpften Hoffnungen [5] wurden zum Opfer gebracht; und nur die Freude blieb davon als Niederschlag: die Compositionen für jene zu entwerfen!
Cornelius hatte weder die Kunstgeschichte zu seinem Studium gemacht, noch war er, was man einen „Kunstkenner“ nennt. Er kannte die Künstler aus ihren Werken, soweit er diese zu sehen Gelegenheit gehabt; danach stand ihm eines Jeden Werth und Eigenthümlichkeit klar vor Augen; aber auf eine Unfehlbarkeit in der Benennung einzelner Bilder nach ihren Urhebern machte er keinen Anspruch, wie auch die historische Kritik der Nachrichten über dieselben ihm fremd war. Das Poetische, was die Geschichte der Kunst und der Künstler enthält, wusste er von seiner Umhüllung zu lösen, und diese Arbeit beschäftigte ihn bereits in den Winterabenden von 1829 auf 1830.
Im Frühjahr 1830 waren die Glyptothek-Fresken beendigt. Mit dem neuen Auftrag für die St. Ludwigskirche ging er im Julius d. J. nach Italien und zeichnete für dieselbe in Rom den Carton zur Kreuzigung Christi und verschiedene Entwürfe für den Corridor der Pinakothek; Arbeiten, die er auch nach seiner Rückkehr im Julius 1831 (namentlich mit dem Carton zur „Geburt Christi“) fortsetzte.
Als er bis zur Aufgabe gekommen, den Carton zum Jüngsten Gericht zu zeichnen, hielt er es für gerathen, wieder an die Quelle zu gehen, aus der er so oft schon Stärkung seiner künstlerischen Kraft geschöpft, nach Rom. Zwei Jahre blieb er dort und kam wohlbehalten mit dem ausgeführten Carton dieser grossartigen Composition 1835 wieder nach München. Eine schwere Krankheit, offenbar die Folge zu grosser Anstrengung, brachte im Winter 1835 auf 1836 sein Leben in Gefahr; erst im Sommer konnte er es wagen, die Ausführung des Jüngsten Gerichts in Fresco zu beginnen.
Einen Ausflug nach Paris im Herbst 1838 und nach Stuttgart zur Feier der Enthüllung der Schillerstatue im Frühjahr 1839 abgerechnet, blieb er unausgesetzt bei den Arbeiten für die Ludwigskirche und für den Corridor der Pinakothek.
Während er mit dem Aufbieten aller seiner geistigen wie körperlichen Kräfte der Ausführung des kolossalen Bildes vom „Weltgericht“ sich hingab, zog ein neues Gewitter über ihn herauf von einer Seite, von welcher er am wenigsten Schlimmes vermuthen konnte. Das freundschaftliche Verhältniss zu Gärtner, der inzwischen in der Gunst des Königs an Klenzes Stelle getreten, war allmählich erkaltet und nahe daran in’s Gegentheil umzuschlagen; gleichzeitig hatte sich die Theilnahme des Königs für Cornelius bis auf das kleinste Maass vermindert. Der Zusammenhang beider Erlebnisse trat bald deutlich an den Tag. Als Cornelius dem König die Anzeige gemacht, dass das „Jüngste Gericht“ vollendet sei und Ihn eingeladen, dasselbe in Augenschein zu nehmen, ging Se. Majestät nicht mit ihm, sondern mit dem Architekten v. Gärtner nach der St. Ludwigskirche und liess Cornelius, der ihm dahin folgen wollte, durch den Thürsteher zurückweisen.
Obschon Cornelius drei Sääle der Glyptothek in Fresco, und grossentheils in bewundernswürdiger Weise gemalt, war der König zu der Vorstellung gekommen oder gebracht worden, er könne nicht malen, und hatte damit Seine frühere Begeisterung für ihn erstickt und dem Gedanken, ihn zu verlieren, den Stachel genommen.
Rasch war Cornelius entschlossen, nun auszuführen, was er schon früher einmal beabsichtigt hatte. Noch fühlte er sich nicht zu einem Invalidenposten verurtheilt. Noch war er sich gesunder schaffender Kräfte bewusst.
In Preussen war Friedrich Wilhelm IV. seinem Vater auf dem Thron gefolgt und suchte sich mit geistigen Grössen in allen Fächern zu umgeben. Kaum hatte er Nachricht von des Cornelius Erlebnissen in München, als er ihn unter den glänzendsten Bedingungen nach Berlin berief, wohin denn auch derselbe im Frühjahr 1841 von München übersiedelte.
Anfangs war er noch mit einem Oelbild für den Grafen Ath. Raczynski „Christus in der Vorhölle“ beschäftigt. Im Herbst 1841 machte er eine Reise nach London, wohin ihn Lord Monson eingeladen, der einen Saal seines Schlosses mit Compositionen von ihm wollte ausmalen lassen. Der Tod des Lords während der Anwesenheit von Cornelius in London vereitelte die Unternehmung; dazu befiel ihn auf der Rückreise eine Augenkrankheit, die ihn mit Erblindung bedrohte, und von der er erst nach Monaten unter sorgfältiger Pflege genas.
König Friedrich Wilhelm, der sich selbst gern mit künstlerischen Arbeiten beschäftigte, trug sich mit vielen grossen Unternehmungen, sowohl für Architektur und Sculptur, als für Malerei. Und als Cornelius nur andeutungsweis das christliche Epos berührte, von dem seine Seele voll war, und das er vor der Aufgabe der St. Ludwigskirche hatte zurückstellen müssen, da griff es der König mit Enthusiasmus auf und gründete darauf einen ins Riesenhafte anwachsenden Bauplan.
[6] Inzwischen brachte die neue Stellung ihm noch manche andere Aufträge. Zwar war er vollkommen frei von s. g. dienstlichen Geschäften; den Titel eines Directors führte er fort, hatte aber weder die Akademie, noch eine andere Anstalt zu leiten. Die erste Arbeit von grosser Bedeutung, welche Cornelius im Auftrag des Königs ausführte, war das Pathengeschenk an den Prinzen von Wales, bekannt unter dem Namen des „Glaubensschildes“, eines grossen runden Schildes von Silber, Gold und Edelsteinen, auf welchem in Reliefs und in geschnittenen Steinen nach den Zeichnungen von Cornelius ein evangelisches Glaubensbekenntniss in heiligen Personen und biblischen Geschichten in Verbindung mit der Geburt und Taufe des Kronprinzen von England und der Ankunft seines königlichen Pathen von Preussen in geist- und geschmackvollster Weise dargestellt ist.
Im Laufe des Sommers 1843 war der grosse Bauplan des Königs zur Reife gediehen, für dessen Ausführung Er besonders auf die thätige Theilnahme von Cornelius gerechnet hatte. An die Stelle des kleinen sehr unansehnlichen Domes in Berlin wollte Er ein Gebäude aufführen, das mit der Peterskirche in Rom, mit der Paulskirche in London wetteifern könnte. Daran sollte sich die Fürstengruft des Königshauses anschliessen mit einer nach innen offenen Friedhofhalle, einem „Campo santo“, deren Wände bestimmt waren, das „christliche Epos“ von Cornelius in Frescomalereien aufzunehmen. In diesem Auftrag sah Cornelius die Erfüllung der ihm wichtigsten, ja heiligsten Bestrebungen seines Lebens; und er begann die Ausführung desselben, obwohl er bereits das sechzigste Jahr zurückgelegt, mit aller Kraft und Frische der Jugend und erstieg damit die höchste Stufe seines künstlerischen Ruhmes.
Was das Neue Testament Trostreiches enthält bei dem Gedanken an den Tod, bei dem Bewusstsein der allgemeinen menschlichen Sündhaftigkeit und deren Folgen, das stellte Cornelius in einer grossen poetischen Conception in Bildern dar, die an Lebendigkeit der Motive wie an Tiefe der Auffassung, an Grossheit des Styls wie an ergreifender Gewalt des Ausdrucks weder in der neuen, noch selbst in der älteren Kunst ihres Gleichen haben und deren Kraft und Eigenthümlichkeit in den der Apokalypsis entnommenen Scenen gipfelt.
Erfüllt von seiner Aufgabe und nur in möglichster Unabhängigkeit und Ruhe ihr sich ganz widmen zu können ging er im Jahre 1843 wieder nach Rom.
Im Jahre 1832 hatte er seine ältere Tochter und seine Frau, eine geborene Römerin, durch den Tod verloren. Wiederum einer Römerin war es vorbehalten, ihm ein häusliches Glück zu bereiten; durch Procuration ihm angetraut war sie zu ihm nach München gekommen, mit ihm nach Berlin gezogen und hatte ihn auch nun nach Rom begleitet. – Während seines diessmaligen römischen Aufenthaltes, der nicht ganz ein Jahr dauerte, ward die erste Hälfte der Zeichnungen für das Campo santo entworfen; das ganze grosse Werk war 1845 soweit in Umrissen vollendet, dass es in Kupferstich veröffentlicht werden konnte. Zur Ausführung der ersten Cartons ging Cornelius wieder nach Rom, zeichnete daselbst den Carton zu den „apokalyptischen Reitern“, und kehrte im Jahre 1846 nach Berlin zurück, wo ihm inzwischen der König ein schönes Wohnhaus mit grossen Werkstätten auf dem „Königsplatz“ vor dem Brandenburger Thor hatte erbauen lassen.
Er widmete sich nun ganz der Lösung seiner grossen Aufgabe, in welcher er sich selbst durch die Revolution von 1848, die plötzlich die Geldquellen des Staates für ihn verstopft und die Sistierung der Honorar-Zahlungen herbeigeführt hatte, nicht stören liess. Kaum hatten sich die Wogen gelegt, (die Macht der Regierung war hergestellt,) als der König Seinen Dombauplan wieder aufnahm, und Cornelius beauftragte, einen Gemälde-Entwurf für die Absis des zu erbauenden Domes zu fertigen, wofür Er als Thema „die Erwartung des Jüngsten Gerichtes“ schon früher ihm angegeben hatte.
Auch für diese neue Aufgabe glaubte Cornelius die entsprechenden Kräfte nur in Rom sammeln zu können und ging – diessmal für eine längere Abwesenheit – im Mai 1853 nach der Siebenhügelstadt.
Grosse Veränderungen erlebte Preussen in den nächstfolgenden Jahren. Der König fing an zu kränkeln, und als Cornelius sein grosses coloriertes Blatt von der „Erwartung des Weltgerichts“ im Jahre 1856 nach Berlin gesendet, waren schon einige Nebelwolken über die Seele des Monarchen gezogen. Bald verdichteten sie sich so umnachtend, dass Sein königlicher Bruder das Scepter als Regent in die Hand nehmen musste. Auf Seinen Befehl wurden die Vorarbeiten für den Dom- und Composantobau wieder ernstlich in Angriff genommen und Cornelius zur Förderung derselben von Rom zurückberufen. Er verliess dasselbe im Mai 1861, fand aber in Berlin die Verhältnisse künstlerischen Unternehmungen durchaus ungünstig; in den massgebenden Kreisen vielmehr Alles von politischen Erwägungen eingenommen und auf Verstärkung [7] der Wehrhaftigkeit des Landes gerichtet. König Friedrich Wilhelm IV. war gestorben; König Wilhelm folgte neuen Impulsen. Cornelius sah sich in seinen Erwartungen getäuscht, blieb aber mit ausdauernder Treue am begonnenen Werke, so dass in den nächstfolgenden Jahren sämmtliche Cartons für die eine Wand des Camposanto mit den Darstellungen aus der Apokalypse vollendet wurden.
Während er zu den Zeichnungen der zweiten Wand über ging, spürte er einen Nachlass seiner Kräfte. Dennoch führte er mit einer an Zorn über den herrschenden Unglauben grenzenden Begeisterung die Bekehrung des zweifelnden Jüngers Thomas aus; und hatte auch noch den Carton zur Ausgiessung des H. Geistes der Vollendung ganz nahe gebracht, als er seine Hand ermatten sehen musste.
Nach dem Tode seiner zweiten Frau hatte er sich 1861 zum dritten Male vermählt mit einer jungen Urbinatin, die den Lebensabend des grossen Künstlers mit hingebender Liebe zu verschönen gewusst und durch treuausdauernde Pflege das Scheiden ihm erleichtert hat. Cornelius sah dem nahenden Tod fest und seelenruhig ins Auge, und starb – mit klarem Bewusstsein bis zum letzten Athemzug – am Morgen des 6. März 1866. Die Nachricht von seinem Tode ward überall, obwohl sie nicht überraschen konnte, mit tiefer Trauer vernommen. Mit grosser Feierlichkeit und unter Betheiligung der Vertreter von Kunst und Wissenschaft, des Hofes, der Regierung, der Stadt und vieler Bewohner von Berlin fand die Beerdigung statt auf dem Kirchhof an der Liesenstrasse vor dem Oranienburger Thor.
Cornelius war Mitglied aller europäischer Kunstakademien, Vicekanzler des k. preuss. Ordens pour le mérite für Kunst und Wissenschaft, dessgleichen Ritter des k. bayr. Civil-Verdienst-Ordens und des Maximiliansordens für Kunst und Wissenschaft, des k. schwedischen Nordsterns, der franz. Ehrenlegion und vieler andern Orden, Mitglied des „Institut“ in Paris etc. Unter den ihm erwiesenen Ehrenbezeigungen legte er übrigens den grössten Werth auf das von der theologischen Facultät ihm im Jahre 1844 übersandte Diplom eines Doctors der Philosophie.
Die Geschichte aber unsers Vaterlandes wie der allgemeinen Culturentwickelung des neunzehnten Jahrhunderts umgiebt seinen Namen mit unvergänglichem Glanze. Sie feiert in ihm einen der bevorzugtesten und reichsten Geister unserer Zeit, von unerschöpflicher Phantasie, von Grossartigkeit der Gedanken, von hohem, schöpferischem Formensinn und seltener Kraft der Durchbildung, den Gründer einer neuen deutschen Kunst. Inmitten eines beschränkten Nazarenerthumes, das sich nicht über die Kirchenmauer hinauswagte, hielt er sich an die Kraftäusserungen der romantischen Zeit; er erfasste mit freiem, philosophischem Geist die poetischen Wahrheiten der Göttersage des Alterthums; und ward doch zugleich der Schöpfer einer neuen, fest im evangelischen Glauben begründeten christlichen Kunst. Sein Beruf war sein Leben; in seinem künstlerischen Schaffen lag sein religiöses Glaubensbekenntniss. Fremd und zuwider war ihm aller nichtige Schein; er war wahrhaftig in Wort und That, keiner versteckten, feindseligen Handlung auch nur in Gedanken fähig; Rom liebte er wegen des mächtigen Einflusses, den es auf sein künstlerisches Schaffen hatte; aber sein Herz schlug dem Vaterlande: er lebte und starb als ein treuer, deutscher Mann.
[9]
[11] Der Corridor vor den Gemälde-Säälen an der Südseite der Pinakothek ist in 25 Loggien abgetheilt, ausgeschmückt mit Fresken nach den Entwürfen von Peter v. Cornelius, zu denen die Geschichte der neuern Malerei ihm den Stoff geliefert. Die eine Hälfte derselben ist der italienischen, die andere der deutschen Kunst gewidmet, an welche letztere sich die französische mit einigen wenigen Namen anschliesst. Zu jeder Loggia gehört ein Kuppelgewölbe, eine Wand mit halbkreisrundem Abschluss nach oben und einem Fenster gegenüber, von gleicher Dimension und Form. Für den Bilderschmuck ist die Kuppel und der halbkreisrunde Abschluss der Wand (die Lunette) – leider nicht die grosse, der Betrachtung wie der Ausführung viel günstigere Fläche darunter – angewiesen worden.
Cornelius sah die Lösung seiner Aufgabe nicht in der Illustration einer kritisch unantastbaren Kunstgeschichte; zu Allegorien und Andeutungen genöthigt, wo er Geist und Richtung eines Meisters, einer Schule bezeichnen wollte, musste seine Auffassung eine poetische sein; sein Werk ist ein kunstgeschichtliches Gedicht in Bildern und muss vom poetischen Standpunkt aus betrachtet und beurtheilt werden; und in Bezug auf Zeichnung darf man nicht ausser Acht lassen, dass wir nur Entwürfe vor uns haben, deren gründliche Durchbildung der Ausführung im Grossen zugedacht war. Dagegen ist ein Reichthum von Phantasie und geistvollen, tiefsinnigen Gedanken, eine Fülle von Schönheit, Anmuth und Heiterkeit, verbunden mit dem klarsten Verständniss der grossen Meister der Kunst, ihrer Bestrebungen und Leistungen in diesen unscheinbaren Blättern niedergelegt, so dass sie vielleicht gerade jetzt, wo alles Ideale als Lüge verschrien, die platte Wirklichkeit als alleinige Wahrheit gepriesen wird, wenigstens für Alle, die noch etwas anderes von der Kunst erwarten, als Sinnenkitzel und Sinnentäuschung, wie ein Mannaregen in der Wüste als rechte erquickende Kost dargeboten werden.
Die Architektur der Pinakothek kommt dem in ihr angewandten Prinzip der chronologischen Anordnung der Gemälde nicht entgegen. Wohl sind die Schulen geschieden, auch geht man in den Säälen von frühern zu spätern Werken fort; der Rückweg aber durch die Cabinette führt von spätern Arbeiten zu frühern und frühesten, wenn man nicht auf einen Umweg, aber immer vom Ende zum Anfang, in das erste Cabinet gelangen will. In diesen Cabinetten, die an der Nordseite ihrer architektonischen Anlage nach den Loggien an der Südseite entsprechen, sind deutsche und italienische Gemälde derart geschieden, dass die Reihenfolge derselben am Ostende mit der deutschen Abtheilung beginnt, welcher die ersten 17 Cabinette gewidmet sind, während die 6 folgenden italienische Gemälde, dort wie hier nach der Zeitfolge geordnet, enthalten, so dass späteste deutsche und früheste italienische Werke unmittelbar neben einander stehen.
Ganz anders ist die Anordnung der Loggienbilder. Sie beginnen mit der italienischen Kunst in Osten, mit der deutschen in Westen und gipfeln von Stufe zu Stufe zu höherer Entwickelung gelangend wo sie in der Mitte, in der dreizehnten Loggia, sich berühren, im Vertreter der höchsten Vollendung, in Raphael. Geht man aber von Osten her den ganzen Corridor entlang, so muss man, emporgestiegen auf der italienischen Seite zur Vollendung, auf der deutschen wieder zu den Anfängen hinabsteigen, wenn man nicht vorzieht, auf einem Umweg zur Thüre der Westseite zu gelangen. Einiges [12] Wenige wäre für Einheit gewonnen worden, wenn Cornelius seine Bilder aus dem deutschen Kunstleben an die Ostseite des Corridors, in die Loggien neben die Abtheilung der deutschen Gemälde gebracht, die Westseite aber, parallel den Säälen der italienischen Malerei, den Darstellungen aus ihrer Geschichte gewidmet hätte. Der Anfang aber einer jeden Reihenfolge hätte doch an die beiden entgegengesetzten Enden verlegt werden müssen.
In Osten wie in Westen ist der Corridor durch eine Wand mit einer Thüre abgeschlossen, für deren Lunette Cornelius das Blatt, welches in dieser Ausgabe als Titelblatt dient, gezeichnet hat.
Auf dem Wappenthiere Bayerns, dem Löwen, dem Sinnbilde der Stärke, sitzt zur Rechten, mit Palmenzweigen in der einen, der Himmelsleuchte in der andern Hand eine Siegesgöttin; eine zweite mit Kränzen des Ruhmes zur Linken. Ueber ihnen schweben zwei Genien mit dem Sinnbild des Reichthums geistiger Gaben und schmücken mit einem Eichenkranz, in dessen Mitte der Anfangsbuchstabe des Königs Ludwig prangt, den Altar, auf dessen Vorderseite das Jahr verzeichnet ist, in welchem die Malereien im Corridor begonnen worden. In gleicher Anordnung wiederholt sich das Bild in der Lunette über der Thüre der westlichen Wand; nur dass hier auf dem Altar das Jahr der Vollendung angegeben ist.
Für die Einfassung der Thüren hatte Cornelius noch das Blatt Nr. 47 gezeichnet, auf welchen er über Blumen- und Fruchtschnüren den Kampf edler Geister mit roher Naturgewalt und Gemeinheit und die Siegesfeier der idealen Kunst bildlich dargestellt. Diese Composition ist aber nicht zur Ausführung gekommen.
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Die Kunst bei allen Völkern, des Alterthumes wie der neueren Zeiten, ist religiösen Ursprungs. Ueberall und zu allen Zeiten vermittelt sie in ihrer ersten Thätigkeit die Verbindung des Diesseit mit einem Jenseit, der wirklichen mit der gedachten, geahnten, oder geglaubten Welt.
Die gesammte neuere Kunst hat, wie die allgemeine Cultur-Entwickelung, zu ihrer Grundlage das Christenthum. Nicht als ob sie sich bei der Stoffwahl ausschliessend gegen weltliche Geschichte und Poesie, gegen die Natur und das uns umgebende Leben, ja selbst gegen die Mythologie zu verhalten, einzig auf Aufgaben christlichen Inhalts zu beschränken habe; aber welchen Stoff sie erwählt, er unterliegt der durch die neuere, d. i. christliche Bildung gewonnenen Anschauungsweise.
Die Pinakothek ist zur Aufnahme von Werken der Malerei und der zeichnenden Künste bestimmt; aber alle Künste stehen unter sich in geistiger Verbindung und vereint streben alle unter dem gemeinsamen Schutz nach dem gemeinsamen Ziel.
Und so sehen wir in der Mitte der
gleichsam im Ausgangspunkt der nachfolgenden Geschichten, die allegorische Gestalt des Christenthums, mit dem Symbol des Heiligen Geistes über ihr und dem Kreuz in ihrer Rechten auf Wolken thronen; ihre Linke legt sie, zum Zeichen ihres besonderen Schutzes, auf die zu ihren Füssen sitzende Gestalt der Malerei, die wir als solche an Palette und Pinsel in ihren Händen erkennen. Ihr gegenüber kniet, kenntlich am Meissel in der Linken und dem Hammer in der Rechten, die Bildhauerei. Hinter ihr hält die Baukunst im Triangel das Senkblei, während ihr gegenüber die Ton- und Dichtkunst durch eine vierte weibliche Gestalt, die in die Seiten einer Harfe greift, vertreten ist.
Ein Kranz von Engelköpfchen umgibt diese heilige Genossenschaft. Ein grösserer Kranz von arabeskenartigen Genien mit Palmen und Blumenranken enthält vier auf die Allegorien der vier Künste bezügliche Darstellungen. Als Vertreter und Schutzpatron der Malerei gilt nach einer mittelalterlichen Sage der Evangelist Lucas, dem denn auch sein evangelisches Beglaubigungs-Zeugniss nicht fehlt, und der würdigste Gegenstand christlicher Malerei, die Madonna mit dem Christkind im Arm, zum Behuf eines Gemäldes erscheint.
Für die Baukunst wählte Cornelius den Erbauer des Tempels zu Jerusalem, König Salomo, dem sein Architekt das Modell des beabsichtigten Gebäudes überreicht.
Für die Bildhauer war in altchristlicher Sage und Bibel kein Stellvertreter zu finden, und so theilte er die Rollen von Ton- und Dichtkunst an zwei verschiedene Repräsentanten aus. Erhabene Gedanken, dichterische Anschauungen von Gott, Natur und Welt, heiliger Schmerz im Schuldbewusstsein, inbrünstiges Gebet und weit über die Grenzen des Daseins hinaustragende Begeisterung – alles ist im heiligen Psalmisten vereinigt, dessen Harfenspiel selbst Engel singend begleiten; aber die Tonkunst feiert ihren Triumph in der Erfinderin der Orgel, der heiligen Cäcilia!
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Die Hoffnungen, die man auf König Ludwig als Schutzherr und Pfleger der schönen Künste gesetzt, reichen zurück bis in die Tage seiner Geburt. Es gibt ein geradezu prophetisches Oelgemälde vom damaligen kurfürstlichen Hofmaler, auf welchem der neugeborene Prinz dargestellt ist in einem Triumph-Wagen, begleitet und geleitet von Musen und Grazien. – Zu den ersten bleibenden Jugendeindrücken gehörten die Tempel und Statuen des Schwetzinger Parks; und gerade sie brachten den Prinzen auf den Gedanken, dem deutschen Ruhm eine Walhalla zu erbauen. Ernsten, vornehmlich classischen Studien frühzeitig und mit Eifer ergeben, lernte er unter der Leitung von den Prof. Jacobs und Thiersch die Classiker des Alterthums kennen und machte sie zu seiner Lieblingslectüre, so dass er noch 1826, nachdem die Krone mit den Sorgen der Regierung auf ihn übergegangen, eines Tages zu dem bei ihm eintretenden Professor Thiersch, auf die Masse von Schriften und Büchern, die ihn umgaben, hinweisend, sagen konnte: „Da liegen meine alten guten Freunde, Herodot und Homer neben mir zwischen den Papieren. Sonst habe ich zwei, drei Stunden täglich Griechisch gelesen. Man hat mir es übel genommen. Hätte ich noch einmal so viel Zeit am Spieltische zugebracht, das wäre in der Ordnung gewesen, aber zwei Stunden Homer und Thukydides lesen, das war ein unverzeihliches Betragen. Jetzt findet sich die Besserung von selbst; nur in kleinen Zwischenräumen komme ich noch darüber; doch es wird schon besser werden!“ Und es ward auch wieder besser; bis ins späte Alter las er täglich sein griechisches Pensum. Mit der Freude an classischer Literatur erwuchs ihm auch die Liebe zur classischen Kunst und dem durch beide entwickelten und ernährten Schönheitssinn erschloss sich rasch auch der Werth der neueren Literatur und Dichtkunst. Von deutschen Dichtern waren es Goethe, und vornehmlich Schiller, die ihn begeisterten, und denen er, eine poetisch angelegte Natur, nacheifernd, seinen Gedanken und Empfindungen, Anschauungen und Erlebnissen einen Ausdruck in dichterischer Form geben, sein ganzes Leben lang nicht müde geworden. – Von entscheidender Wichtigkeit ward für ihn seine erste Reise nach Italien, in „das Land der Schönheit und des ewigen Frühlings“, im November 1804. Wie mit Einem Male ward er seiner beglückenden Lebensaufgabe sich bewusst, und konnte sein Gefühl in die Worte fassen:
„Was für ein Zauber hält mich hier gefangen!
In mir ein wonnig, nie gespürtes Regen,
Durchdrungen plötzlich von der Weihe Segen;
Der Sinn für Kunst war in mir aufgegangen!“
Es lag in dem Gange, den seine Studien genommen, dass seine Kunstliebe sich zunächst der antiken Plastik zuwendete; und so legte er während dieses seines ersten Aufenthaltes in Rom den Grund zu der vortrefflichen Antikensammlung, für welche er später die Glyptothek erbaute. Als er aber im Jahre 1817 wieder nach Rom gekommen und daselbst einen Einblick gewonnen in das neue Aufleben der deutschen Kunst, als er die Frescomalereien von Overbeck, Cornelius, Wilh. Schadow und Ph. Veit in der Casa Bartoldi und den Anfang der Fresken für die Villa Massimi gesehen, da ward er sich seiner geistigen Verwandtschaft mit diesen Künstlern und ihren Bestrebungen bewusst, und früher nur im Allgemeinen gefasste Pläne zu Kunstunternehmungen gewannen feste Gestalt, denen er – wenn auch noch in unbestimmten Umrissen – neue Schöpfungen im Geiste anreihte. Den Zusammenhang der neuen deutschen Kunstrichtung mit den Werken der altitalienischen Kunst erkannte er mit klarem Blick und würdigte jene um so höher, je mehr er für diese begeistert war, und für die grossen Dichter Italiens wurde er um so leichter erwärmt, als er Cornelius, Overbeck und Schnorr mit Darstellungen [17] zur Göttlichen Comödie, zum Befreiten Jerusalem und zum Rasenden Roland beschäftigt sah.
„Was der Jüngling verspricht, leistet der Mann auch gewiss!“ hatte Kronprinz Ludwig zu Henriette Herz gesagt; und hat Wort gehalten. Der antiken Sculptur hat er die Glyptothek, der neueren Malerei die Pinakothek gebaut; in grossen monumentalen Bilderfolgen die Dichtungen des Homer und Hesiodus, wie der Tragiker, des Pindar, Theokrit, Anakreon u. A. verherrlicht, dessgleichen die Werke deutscher Dichtkunst von den Nibelungen und dem heiligen Graal, zu Klopstock und Wieland, zu Göthe, Schiller, Tieck u. A. Nicht minder grossartig ist, was er der Kunst aufgetragen, zum Ruhme Deutschlands, seiner Geschichte, seiner grossen Männer aller Zeiten, in mächtigen Bauten, in Marmor und Erz, wie in Gemälden dauernd zu verkünden; in München allein hat er vier Kirchen erbaut, und sie und ausser ihnen die Dome von Speier und Regensburg mit Fresko- und Glasgemälden ausgeschmückt, die in mannigfacher und erschöpfender Weise den biblischen, wie den legendären Stoff behandeln.
Doch wozu noch mehr? Bücher würden nicht ausreichen zur vollkommenen Rechtfertigung des Bildes, mit welchem Cornelius sein Epos von der neueren Kunstentwickelung einleitet, in der
An der Hand seines Genius tritt König Ludwig in den Palmenhain der Musen, Begeisterung erfasst ihn, wie er sich umgeben sieht von Geistern der Vorzeit, die von Jugend auf seine Seele mit Bewunderung und Liebe erfüllt. Da steht der blinde Sänger der Iliade, neben dem jugendlichen Dichter der Aeneide, zu denen Horaz sich gesellt, Catull und Properz; da sitzt am Boden Dante und lauscht den Worten Beatricens, hinter ihm Boccaccio, welchem Petrarca sich nähert, ohne zu bemerken, dass Laura, die sich an Sappho angeschlossen, auf ihn die Blicke gerichtet. Und wendet der König sich zu seiner Linken, so erblickt er Michel Angelo und Leonardo in tiefen Gedanken, Raphael, den Blick nach oben gerichtet, von wo himmlische Musik erklingt, und unverwelkliche Kränze herabgeworfen werden. Aber auch die Erdenschönheit ist ihm ins Land der Unsterblichkeit gefolgt, die schöne Fornarina. Masaccio und Fiesole, Dürer und Holbein, Van Eyk und Rubens, und wen man noch gern sehen würde von italienischen und deutschen Meistern, können wir uns bei den anonymen Gesichtern denken. (In der Ausführung sind, wahrscheinlich auf den Wunsch des Königs, v. Klenze, v. Cornelius und Zimmermann getreten.)
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Die Jahrhunderte, welche auf den Untergang der Bildung des Alterthums folgten, gleichen in vieler Beziehung einer Nacht, die nicht entfernt auf einen kommenden Tag voll Licht und Glanz hoffen liess. Vor Allem war es die Kunst, die anfangs noch – wenn auch matt – beschienen vom Schimmer der untergegangenen Sonne des Alterthums, allmählich alle schöpferischen Kräfte verloren, alle Kenntniss von Form und Maass der Gestalten eingebüsst, kaum noch ein wenig technische Geschicklichkeit bewahrt hatte. Nur im Orient hatten die Ueberlieferungen des Alterthums einiges Leben sich erhalten. In unerwarteter Weise sollte dem Abendlande dort ein neues Licht aufgehen.
Zwischen Waffen und im Schatten der Siegespalme setzt die Muse der Geschichte ihren Fuss auf das rollende Rad der Begebenheiten und verzeichnet in ihrem Buche die gewaltige kirchlich religiöse Bewegung, welche zu Ende des 11. Jahrhunderts das ganze Abendland ergriffen, dass es in grossen Heeresmassen nach dem Orient zog, das heilige Grab Christi den Händen der Ungläubigen zu entreissen. Und der Erste, dessen Namen sie, mit Ruhm bekränzt, einträgt in ihr Buch, ist Papst Urban II., der auf der Kirchenversammlung zu Clermont 1095 das Kreuz predigend eine allgemeine Kampfbegeisterung hervorgerufen, die ein Heer von 600,000 M. unter Gottfried von Bouillon, Raimund von Toulouse, Hugo von Vermandois, Robert von der Normandie, Robert von Flandern, Stephan von Blois und Boemund von Tarent nach dem gelobten Lande und zur Befreiung Jerusalems und des heiligen Grabes führte. [In den Kranz, der die Muse der Geschichte umgibt, hat Cornelius neben P. Urban II. die Namen von anderen Heroen der Kreuzzüge eingetragen, von denen Boemund und Tancred noch dem ersten angehören, Friedrich von Schwaben, Johann von Brienne, Adolf von Bayern, Bernhard vom Clairvaux, Leopold von Oesterreich, Conrad von Montferrat und Friedrich II. erst später in der Geschichte auftreten].
Nach dem Verlust von Edessa an die Saracenen 1142 war das neue christliche Königreich von Jerusalem in grosser Gefahr. Da predigte der fromme Mönch, Bernhard von Clairvaux im Abendlande das Kreuz, und seiner Beredsamkeit gelang es, Alt und Jung, Arm und Reich, Hoch und Niedrig unter die Waffen zu rufen und zu Opfergaben für einen neuen Kreuzzug zu bestimmen, dessen Erfolglosigkeit übrigens einen dritten hervorrief, in welchem Kaiser Friedrich Barbarossa 1189 die entscheidende Schlacht von Iconium schlug.
So unverträglich Krieg und Kunst zu sein scheinen, so enthält doch schon die griechische Mythologie ein Sinnbild für ihre enge Verbindung, indem sie den Centauren die doppelte Aufgabe zutheilt, die Jugend in den Waffen zu üben und in der Tonkunst zu unterrichten.
Und hier erscheint im Siegeskranz und von Friedenspalmenzweigen umgeben, mit der leuchtenden Fackel der Morgenstern, eine neue Zeit verkündend, in welcher zuerst nach langer, dunkler und dumpfer Nacht, das christliche Bewusstsein erwacht und zündende Kraft gewonnen.
[19]
Die Kreuzzüge hatten das Abendland in mannigfache, unmittelbare Berührung mit dem Morgenland gebracht. Kunstübung hatte sich dort, wenn auch nicht in hoher Vollendung, doch ungleich besser erhalten, als im Abendlande, das sich Unterweisung, Meister und Werke dort holte. Aber belebend wirkte zugleich jener fromme Sinn, der auch auf materielle, leblose Erinnerungen an heilige Personen und Orte einen Werth legt. Und als Kaufleute von Pisa Erde vom gelobten Lande als Ballast in ihren Schiffen mit sich in die Heimath geführt, reifte sogleich in dem hohen Rathe der Republik der Plan, diese „heilige Erde“ zu einer Begräbnissstätte zu machen, für ausgezeichnete, um das Wohl des Vaterlandes in Krieg und Frieden besonders verdiente Bürger, und den Ort mit einem würdigen Gebäude zu umgeben.
Im Jahre 1278 erhielt der Bildhauer und Baumeister Giovanni Pisano, Sohn des Nichola Pisano, des berühmtesten Bildhauers und Baumeisters seiner Zeit, den Auftrag, den Plan für dieses Gebäude zu entwerfen. Das Bild der Lunette zeigt uns den Künstler, wie er den Stadtältesten den Grund- und Aufriss zur Begutachtung vorlegt. Es ist ein Oblongum für die heilige Erde, bekannt als „Campo santo“, umgeben von einer hohen, nach innen offenen Halle im germanisch-toscanischen Baustyl mit angrenzenden Capellen. Der Plan ward genehmigt, das Gebäude 1283 vollendet.
Hinter dem Künstler sieht man bereits Steinmetzen beschäftigt, Capitäle zu meisseln, denen die Antike als Muster dient; denn aus ihren Kriegen mit Sicilien hatten die Pisaner auf ihren Schiffen antike Sarkophage und andere Sculpturen als Siegesbeute mitgebracht, auch im eigenen Lande Alterthümer gefunden und bewahrt, um sie im Campo santo aufzustellen. Die grossen Wandflächen forderten zum malerischen Schmuck heraus. Noch aber war die Malerei weit zurück; sie glich einem Kinde, das zaghaft die ersten Schritte wagt; bald aber wird sie der in ihr sich entwickelnden Kräfte bewusst und entläuft dem leitenden Gängelbande; vielleicht etwas zu früh, wie manche der älteren Malereien im Campo santo (von Antonio Veneziano, von Spinello Aretino) als Beweis angeführt worden können.
Die reiche Ornamentik, mit welcher Cornelius die Darstellungen umgeben, weisen auf den Zusammenhang der wiederbelebten Kunst mit dem Alterthume hin; die Statuen aber von Minerva und Mercur darauf, dass der Handels-Verkehr zugleich mit irdischen Schätzen wissenschaftliche und Kunst-Bildung nach Pisa gebracht hat.
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Diese Loggia ist dem Cimabue gewidmet, von welchem Vasari sagt, dass „nachdem in Italien durch die Verheerungen im Mittelalter alle Kunstdenkmäler zerstört waren, und – was noch schlimmer – es gar keine Künstler mehr gab, im Jahre 1240 in der edeln Familie Cimabue (Gualtieri) Giovanni Cimabue geboren wurde, der nach dem Willen Gottes das erste Licht in der Kunst der Malerei wieder erwecken sollte.“
Dieser poetischen Auffassung tritt die Geschichte mit der beglaubigten Nachricht von verschiedenen beachtungswerthen Vorgängern Cimabues entgegen, unter denen namentlich Coppo di Marcovaldo hervorragt. Aber auch Giunta von Pisa, Dietisalvi von Siena, Bonaventura Berlinghieri von Lucca u. A. m. sind zu nennen, die Mosaicisten in Venedig, Parma, Florenz, Rom etc. gar nicht zu erwähnen.
Wo nun Cimabue seine Kunstbildung gewonnen, lässt sich nicht feststellen. Nur das geht aus seinen Gemälden unabweislich hervor, dass er die aus Byzanz nach Italien verpflanzte, streng kirchliche Kunstweise nebst der damit verbundenen Malertechnik zum Vorbild genommen; dass er aber dem durch und durch conventionellen Styl mit Hülfe eingehender Naturstudien mehr Leben und Wahrheit gegeben.
So kann man denn auch mit Cornelius in der
der Erzählung Vasaris folgen, wenn man sie nicht zu wörtlich nimmt: „dass Giovanni Cimabue (dessen vermeintliches Bildniss, nach einem Frescobild in der Spanischen Capelle von S. Maria novella zu Florenz, die Mitte der Kuppel einnimmt) als Knabe, statt in die Schule zu gehen, dem angeborenen Kunsttrieb folgend bei griechischen Malern sich aufgehalten, um ihnen zuzusehen, wie sie eine Capelle mit heiligen Gestalten ausmalten; und wie dann sein Vater seinen dringenden Bitten nach, und ihn zu diesen griechischen Malern in die Lehre gegeben.
Für seine weitere Entwickelung gibt uns Cornelius ein Bilder-Räthsel. Versuchen wir dessen Lösung!
In dem einen Felde sehen wir eine Eule, im andern ein Taubenpaar; näher doch deutet der schlafende Traumgott unter der Eule auf die Nacht, der wache Genius auf der andern Seite auf den Tag. An beiden Seiten sehen wir dasselbe liebende Paar, den Jüngling geflügelt, das Mädchen nicht; in zärtlicher Umarmung das eine; beim anderen das Mädchen wider ihren Willen festgehalten vom Jüngling; der Greif, auf dem sie sitzen, auf der einen Seite durch einen nächtlichen Genius gestreichelt, auf der anderen von einem Tagesgenius fortgerissen. Cornelius hat uns keine Lösung des Räthsels zurückgelassen. Soll die Geschichte sie geben, so müssen wir uns erinnern, dass bis in die Zeiten Cimabues die italienische Kunst in der engsten Verbindung mit der byzantinischen stand, sowie dass sie durch Cimabue die ersten Befreiungsversuche erlebte; ein Fortgang von Nacht und Tag, vom Träumen zum Denken, von Unfreiheit zur Selbständigkeit.
Noch deutlicher führt Cornelius diesen Gedanken in der
aus, wo rechts die Nacht mit ihren Kindern, dem Schlaf und dem Tod, der [21] verglimmenden Fackel des Morgensternes folgend, und von Traumgebilden umgeben entweicht; während ihr gegenüber Aurora im Glanze der aufgehenden Sonne, Blumen aus ihrem Füllhorn auf die Erde streut, wo die lebens- und schaffensmüden Byzantiner in ewigen Schlaf versunken unter ihr liegen.
In der Capelle der Rucellai in S. Maria novella zu Florenz steht noch gegenwärtig an ursprünglicher Stelle über dem Altar ein grosses Temperabild der Madonna auf dem Thron, von Engeln umgeben, das Cimabue um 1285 gemalt hat. Die Anordnung im Ganzen, wie in den einzelnen Figuren und Theilen, die Charaktere und der Styl haben deutlich byzantinisches Gepräge; das bei näherer Betrachtung durch Schönheitssinn und Seelenausdruck, wie selbst durch Studien nach der Natur eine wesentliche Modification erhält.[2] Vasari sagt von diesem Bilde:
„Dieses Werk ist in grösserem Maassstabe, als bis zu jener Zeit irgend eine Figur ausgeführt worden war, und einige Engel, welche die Madonna umgeben, zeigen, wie er zwar noch in griechischer Manier arbeitete, sich in Umrissen und Methode jedoch etwas den Neueren näherte. Man hatte bis dahin nichts Besseres gesehen, und es erweckte daher dieses Gemälde solche Bewunderung, dass es mit vieler Pracht und mit Trompeten in feierlicher Procession vom Hause des Cimabue nach der Kirche getragen und er dafür höchlich belohnt und geehrt wurde.“
Das ist die Stelle, welche zu dem Hauptbilde der Lunette den Stoff geliefert.
Seine umfangreichste und bedeutendste Thätigkeit entwickelte übrigens Cimabue in der Kirche des H. Franz zu Assisi.[3] Seine letzte Arbeit ist die „Majestas,“ das grosse Mosaikbild von Christus, umgeben von Heiligen, im Dom von Pisa, von welchem er noch vor gänzlicher Vollendung desselben im Frühjahr 1302 durch den Tod abgerufen wurde.
[22]
Wie wenn der Frühling in’s Land gekommen und es mit Wald- und Wiesengrün bedeckt und in Blumenpracht kleidet, so erscheint das 14. Jahrhundert in der Kunstgeschichte Italiens, das es mit Künstlern und Kunstwerken im reichsten Maasse und von überraschender Vortrefflichkeit beglückt. Diese an’s Wunderbare grenzende Erscheinung hat ihren Ausgangspunkt in einem Künstler, von welchem seine Grabschrift sagt, dass sein blosser Name einem grossen Gedicht gleichkomme[4] Indem Giotto sich entschieden von der byzantinischen Anschauungs- und Darstellungsweise lossagte, und der italienischen Kunst einen neuen, eigenthümlichen Styl, gleichsam eine neue, und zwar nationale Sprache gegeben, wie es Dante in der Poesie gethan, ward er zum Gründer einer neuen Zeit, weckte Hunderte von Talenten, die ihm unbedingt folgten und beherrschte durch sein Vorbild das ganze Jahrhundert hindurch die Kunst von Florenz zu der Südspitze Italiens und bis zu den Alpen, ja selbst bis über die Landesgrenzen hinaus.
Dieser geschichtlichen Thatsache hat Cornelius zunächst in der
einen Ausdruck gegeben, indem er dieselbe mit einem Blüthenregen von lieblichen, mannigfaltigen, geistreichen Ornamenten überschüttet hat, in denen zwischen Arabesken von Blumen- und Blätterranken bald ein Wettstreit der Waffen stattfindet, bald die Kunst vom Genius des Lebens empor getragen wird; wo bald neckische Vögel Honig suchen in Blumenkelchen, bald fröhliche Kinder unter Arcaden von Laubgewinden ihren Reigen tanzen. Es war aber nicht allein die Malerei, die diesen Geistesfrühling über Italien ausgebreitet; Nichola und Giovanni Pisano hatten der Bildhauerei, Dante der Poesie, wie Giotto der Malerei neues Leben gegeben, wesshalb wir auch ihre Bildnisse zwischen den Blumenranken erblicken.
Oft bedient die Geschichte sich des Zufalls, um grosse Zwecke zu erreichen. Giotto war der Sohn eines einfachen Landmannes im Dorfe Vespignano in der Umgegend von Florenz, Namens Bondone, geboren 1276. Er hütete, 10 Jahre alt, die Schafe seines Vaters und dabei vergnügte er sich, wie Vasari erzählt, damit, auf Steine, Erde und in Sand immer etwas nach der Natur, oder was ihm in den Sinn kam, zu zeichnen. Da ging eines Tages Cimabue eines Geschäftes halber von Florenz nach Vespignano und fand Giotto, der während seine Schafe weideten, auf einer ebenen Steinplatte mit einem etwas zugespitzten Steine ein Schaf nach dem Leben zeichnete, was ihn Niemand gelehrt, sondern er nur von der Natur gelernt hatte. Cimabue blieb stehen, verwunderte sich sehr und fragte ihn, ob er mit ihm kommen und bei ihm bleiben wolle? worauf der Knabe antwortete: „wenn sein Vater damit zufrieden sei, so würde er es gerne thun.“ Der Vater willigte ein. So kam Giotto zur Kunst und zum Beginn seiner alsbald glorreichen Laufbahn. In einem einfachen reizenden Bilde von idyllischem Charakter hat uns Cornelius die Scene vergegenwärtigt.
Das zweite Bild der Kuppel führt uns Giotto bereits als anerkannten [23] Künstler vor, der vom Papst (wahrscheinlich Bonifacius VIII[5]) berufen, demselben knieend die für die Sacristei der Peterskirche bestimmten Tafeln zur Ansicht vorlegt. Die Bewunderung, die der Papst zu erkennen gibt, zeugt für die bereits erlangte künstlerische Bedeutung Giottos, während die Umgebung S. Heiligkeit sich in ehrfurchtsvoller Schweigsamkeit zurückhält.
Es ist eine schöne Geschichte, die uns Vasari vom Papste Clemens V. erzählt, dass er bei der Verlegung seiner Residenz nach Aoignon im Jahre 1305 Giotto mit sich nahm und durch ihn die neue Kunst in Frankreich einführte. Schade, dass sie nicht wahr ist.[6] Cornelius, dem Vasari folgend, schildert im Seitenbild der
rechts die Abreise des Papstes aus Rom, wie Giotto, die Zeichenmappe im Arm, an seiner Seite reitet, während das Volk auf den Knien liegend den Segen des scheidenden Heiligen Vaters erfleht. Fehlt auch dem Gegenstande der Darstellung die historische Beglaubigung, sie bringt uns doch die historisch-beglaubigte Thatsache zur Anschauung, dass die Kunst von der höchsten geistlichen Gewalt zu Giottos Zeit in hohen Ehren gehalten wurde.
Sie ward es auch von der höchsten weltlichen Gewalt! Im Jahre 1326 oder 1327 vom kunstliebenden König Robert von Neapel berufen, malte er (nach Vasaris Bericht u. A.) „in der Capelle des Castello dell’Uovo Vieles, was dem König sehr wohl gefiel, der ihn sehr liebte und oft, wenn Giotto malte, sich mit ihm unterhielt, weil es ihm Freude machte, jenen arbeiten zu sehen und seiner Rede zuzuhören.“ So sehen wir ihn mit seinen Begleitern bei Giotto auf dem Bilde zur Linken.
Der Genius Italiens hatte Italien aus dem Schlummer geweckt; heitere und ernste Melodien durchklangen von Neuem das Land; aus der Natur und dem wirklichen Leben hatte Giotto neue Kunstformen geschöpft; aber den religiösen Gehalt derselben, wie er ihm überliefert worden, treu bewahrt: Glaube, Liebe und Hoffnung im innigsten Verein, bilden auch bei ihm den Gehalt und Grundton seiner Kunstschöpfungen.
Seine künstlerische Laufbahn begann er unter den Augen des Meisters in der Kirche des heil. Franz zu Assisi, in welcher sich auch bis heute noch hochausgezeichnete Malereien von ihm erhalten haben. Zahllos sind die Werke, die er im nördlichen und südlichen, wie in Mittel-Italien ausgeführt; er war Maler, Bildhauer und Baumeister und hat in letztgenannter Eigenschaft den schönen Glockenthurm am Dom von Florenz erbaut. Gross ist die Zahl seiner Schüler und derer die in seiner Weise während des 14. Jahrhunderts Werke der Malerei ausgeführt haben. Er starb im Jahre 1336.[7]
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Der Künstler, dem diese Loggia gewidmet ist steht in der Kunstgeschichte aller Zeiten und Völker als eine einzige Erscheinung dar. Nicht nur dass die Kunst ihm ein unmittelbarer Ausdruck seiner Gedanken und Empfindungen ist, gleich der Sprache, die wir sprechen, ohne sie gelernt zu haben, sondern dass sie nur fromme und heilige Empfindungen, nur tiefinnerste Seelenschmerzen und höchste Seligkeiten ausspricht, dass seine Bilder Gebete sind, die aus dem Herzen quellen und denen scheinbar willenlos die Hand dient – das unterscheidet ihn von allen Künstlern vor, mit und nach ihm!
Giovanni da Fiesole, Sohn eines gewissen Pietro, geboren 1387 bei dem Castel Vicchio in der Provinz Mugello nahe bei Florenz mit seinem weltlichen Namen Guido, trat mit seinem Bruder Benedetto i. J. 1407 in das Predicanten-Kloster zu Fiesole, verliess es aber 1409 heimlich, um bei dem in der Kirche ausgebrochenen Schisma seinem, dem P. Gregor XII. geschworenen Eide nicht untreu zu werden, wandte sich zuerst nach Foligno, später nach Cortona, von wo er 1418 wieder nach Fiesole zurückkehrte. 1436 ward er von Cosmus Medicis veranlasst, in das Kloster S. Marco nach Florenz überzusiedeln; 1445 folgte er der Berufung des Papstes Eugenius IV nach Rom und starb daselbst 1455 in dem Dominicanerkloster S. Maria sopra Minerva, in dessen Kirche sein Grabstein aufgerichtet steht.
Wenden wir unsere Augen zur
so sehen wir 4 Bilder aus seinem äusseren, 6 andere aus seinem inneren Leben und eines aus der Zeit nach dem Leben.
Das erste Bild ist die Darstellung seiner Einkleidung als Dominicaner-Mönch, welche von einem ehrwürdigen Prior im Beisein mehrer Ordensbrüder vollzogen ward; im zweiten steht der Baumeister Michelozzo Michelozzi vor Cosmus Medicis, der von Fiesole und einem anderen Dominicaner begleitet die Baupläne des Klosters S. Marco besichtigt, das für den Dominicaner Orden bestimmt und von Michelozzo erbaut werden sollte. Nach seiner Uebersiedelung aus Fiesole in dieses Kloster malte Fra Giovanni alle Zellen des Klosters, grosse und kleine aus, um einem Jeden seiner Klosterbrüder die enge Wohnung lieb und werth zu machen. So finden wir ihn im dritten Bilde an der frommen Künstlerarbeit, zur staunenden Bewunderung einiger seiner Convents-Genossen.
Aus seinem Aufenthalt in Rom, wo er in der Capelle des P. Nicolaus V. die Geschichten der HH. Stephanus und Laurentius, so wie in der (von Paul III. zerstörten) Capelle des Sacraments Begebenheiten aus dem Leben Jesu gemalt, erzählt Vasari eine charakteristische Anekdote, die den Stoff geliefert zu dem vierten Bilde. Er berichtet als Zeugniss für die fromme Sitte Fra Giovannis, „dass als P. Nicolaus V. ihn eines Morgens zum Frühstück einladen wollte, er sich ein Gewissen daraus machte, Fleisch ohne Erlaubniss seines Priors zu essen, der Autorität des Papstes gar nicht gedenkend;“ der ihm dafür seinen päpstlichen Segen ertheilte.
Fra Giovanni malte nur religiöse Bilder, und vorzugweise – wenn er auch Legenden nicht ausschloss – biblische. Da ihm dazu die Evangelien den Stoff lieferten, so hat Cornelius über die Bilder aus seinem Leben die [25] vier Evangelisten gezeichnet und als den Hauptinhalt seiner andachtvollen Gebete die Erinnerungen an Christi Seligpreisungen in der Bergpredigt, immer durch je 2 Gruppen unter dem Zeichen eines Evangelisten angebracht; unter dem Engel des Matthäus: Selig sind die geistlich Armen! und selig, die da Leid tragen! unter dem Löwen des Marcus: Selig sind die Sanftmüthigen! und selig, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit! unter dem Ochsen des Lucas: Selig sind die Barmherzigen! und selig die reines Herzens sind; unter dem Adler des Johannes endlich: Selig sind die um Gerechtigkeit willen Verfolgten! und selig die Friedfertigen!
Die Nachwelt hat dem frommen Mönch die beiden Beinamen „Beato und Angelico“ gegeben, weil Keinem wie ihm gelungen ist, die heiligste Unschuld und reinste und vollkommenste Seligkeit, wie wir sie uns in Engelseelen denken, darzustellen, und weil er selbst eine Engelseele war; und ward er fast schon bei Lebzeiten, sicher aber nach seinem Scheiden von dieser Erde „selig“ gepriesen und unter die Engel versetzt, was Cornelius mit dem Mittelbilde der Kuppel hat ausdrücken wollen.
Zu dem Bilde der
hat zunächst eine nicht beglaubigte Erzählung Vasaris den Stoff geliefert. „Der Papst – schreibt er, – welchem mit Recht schien, Fra Giovanni sei ein Mann von sehr heiligem Lebenswandel und friedlich und bescheiden, beschloss, das Erzbisthum von Florenz, welches damals erledigt wurde, ihm als einem Manne, den er dess würdig erachtete, zu übertragen. Giovanni, der solches vernahm, bat Seine Heiligkeit dringend, es einem Anderen zu geben; er fühle sich nicht geschickt, Völker zu beherrschen; in seinem Orden aber befinde sich ein Bruder, der gottesfürchtig, liebreich gegen Arme, erfahren in Führung von Geschäften und weit besser, als er, geeignet sei, jene Würde zu übernehmen.“ Es war dies der Fra Antonino, den auch der Papst zum Erzbischof von Florenz ernannte. – Erzählung wie Bild nehmen wir nur als Zeugniss der Bescheidenheit, welcher eintretenden Falls Fra Giovanni ganz unzweifelhaft gefolgt haben würde.
Sein Sinnen und Trachten war auf den Himmel gerichtet, und auf den Segen von oben, wo in der Glorie von Cherubin der Heiland thront; sein irdisches Thun aber auf die Arbeit im Garten der Kunst, der in treuer und sorgfältiger Hut von Engeln stand.
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Giotto hatte der italienischen Kunst mit dem auf die Wirklichkeit gerichteten Blick neues Leben, eine neue und eigenthümliche Sprache gegeben. Fra Giovanni da Fiesole hatte sie, die Augen auf den Himmel gerichtet, dem Erdenleben entrückt, und fast aller Körperlichkeit entkleidet, so dass seine Gestalten nur verklärte Träger von Seelen waren. So wenig die Kunst ohne Theilnahme an seinen Bestrebungen wahren Werth erhalten haben würde, so wenig hätte sie ausschliesslich auf seinem Wege das Ziel der Vollkommenheit erreichen können. Ohne Uebereinstimmung mit den Gesetzen der Natur und den Erscheinungen der Wirklichkeit musste ihr die Lebendigkeit fehlen, welche ihr dauernde Wirksamkeit verbürgt. Die Lösung dieser Aufgabe war dem Masaccio beschieden.
Masaccio war der Sohn des Notars Ser Giovanni di Mone aus der Familie der Guidi della Scheggia zu S. Giovanni im Val d’Arno, geboren 1402. 1421 wurde er unter die Maler in Florenz eingeschrieben, und ist 1429 oder 1430, wahrscheinlich in Rom, gestorben.
Unter den Verdiensten um die Weiterbildung der Malerei hebt Vasari vornehmlich hervor: „dass er den Gestalten und Gegenständen eine eigenthümliche und natürliche Rundung gegeben, was bis auf ihn kein Maler gethan hatte.“ Es ist bekannt, dass dies nur durch klare und consequente Scheidung von Licht und Schatten bewirkt wird, was Cornelius in der
durch die allegorischen schwebenden Gestalten der Nacht mit ihren Kindern Tod und Schlaf (für den Schatten), und des Tages mit vorausfliegendem Morgenstern (für das Licht) ausgedrückt hat.
„In Rom, – erzählt Vasari – gelangte Masaccio zu grossem Ruhm und malte für den Cardinal von S. Clemente, in einer Capelle der Kirche S. Clemente, die Passion Christi, dabei die Schächer am Kreuz und Begebenheiten aus dem Leben der heiligen Märtyrin Katharina.“ Cornelius stellt uns den Künstler vor, wie er seine Entwürfe zu den Fresken der Capelle dem Cardinal von S. Clemente zur Genehmigung zeigt, bei welcher Gelegenheit ein Schreiber beschäftigt scheint, einen Vertrag mit dem Künstler abzufassen.
Wir haben keine Gewissheit, ob die Fresken in S. Clemente in Rom von Masaccio sind, oder nicht. Gewiss ist, dass sie mit seinen unzweifelhaften Werken in Florenz im Styl nicht übereinstimmen. Diese haben wir in der Kirche der Carmeliter und zwar in der dem heiligen Petrus gewidmeten Capella Brancacci zu suchen. Die Deckenbilder derselben, die Vasari noch gesehen, existiren nicht mehr; die Wandgemälde sind theils von Masaccio, theils von Masolino und von Filippino Lippi.[8]
Das besterhaltene und auch vorzüglichste Gemälde Masaccios in der Capelle ist: Christus am Zollhause bei Tiberias. Er ist von seinen Aposteln begleitet und Masaccio hat in ihrer Charakteristik den ganzen Ernst und die Energie seiner Auffassungs- und Darstellweise entwickelt; wesshalb auch Cornelius die zwölf Apostel in einzelnen Feldern der Kuppel abgebildet hat.
[27] An Masaccio’s Thätigkeit in Carmine überhaupt erinnert das Bild, wo er malend vor der Mauer sitzt und einige Carmeliter-Mönche ihm aufmerksam zusehen.
Vasari schliesst seine Lobeserhebungen des trefflichen Meisters mit den Worten: „Sein Fleiss verdient das allergrösste Lob; um so mehr, als er in seiner Kunst die Bahn zu der schönen Methode unserer Tage eröffnet hat. Hiervon gibt ein gültig Zeugniss, dass alle berühmten Bildhauer und Maler, welche nach ihm lebten, in jener Capelle sich übten und ihre Studien machten: Giovanni da Fiesole, Fra Filippo, Filippino, der sie beendigte, Alesso Baldovinetti, Andrea del Castagno, Andrea del Verrocchio, Domenico del Ghirlandajo, Sandro Botticelli, Lionardo da Vinci, Pietro Perugino, Fra Bartolommeo di San Marco, Mariotto Albertinelli, und der göttliche Michel Angelo Buonarotti; auch Raphael von Urbino lernte hier den Anfang seiner herrlichen Methode.“ Da die Kuppel nicht Raum für Alle hat, wählte Cornelius die drei grössten von ihnen: Leonardo, Michel Angelo und Raphael, und versetzte sie in die Mitte der Kuppel.
Die fortschreitende Entwickelung der Kunst wie sie von Neuem durch Fiesole und Masaccio angebahnt worden, gibt dem Cornelius Veranlassung zu allgemeinen Betrachtungen, die er in Bildern der
in eine künstlerische Form fasst. Zweifach sind die Kräfte, denen der Künstler sein Schaffen verdankt. Unbewusst und ungesucht kommen ihm Gedanken und Anschauungen, wie im Traume, und steigen von oben, wie die Engel der Jacobsleiter, zu seiner Seele nieder; unerlässlich ist die Gabe der Phantasie; aber sie allein führt nicht zur Vollendung. Ueber Gewinnsucht, Geistesarmuth, rohen Sinnengenuss und selbst über die irdische Liebe muss der Künstler durch seinen Genius emporgehoben werden, dass er mit offenen Augen die Welt schaut, über welche Venus Urania das Sternenzelt ausbreitet. Beide Bilder werden durch ein heiteres und reiches Ornament getrennt, in welchem Amoretten zwischen Blätterranken mit Centauren scherzen, Genien Blumen streuen, und in der Höhe Amor und Psyche ihre Verbindung feiern.
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Unter wissenschaftlichen und Naturstudien hatte die Kunst in Toscana grosse und bewundernswürdige Fortschritte gemacht, war aber nicht ganz vor der Gefahr bewahrt geblieben, über der Freude an den Reizen des wirklichen Lebens und an gelungener Nachahmung der Natur die höheren Zwecke der Kunst, vornehmlich ihren religiösen Charakter aus den Augen zu verlieren. Hing diese vorzugweis weltliche Richtung mit dem wiedererwachten Interesse an der Literatur und Kunst des Alterthums zusammen, so mochte sich in Gegenden, wohin dieses Interesse noch nicht gedrungen, die Kunst leichter und sicherer noch in der überlieferten Richtung und dennoch nach Zielen der Vollendung fortbewegen. Diese Aufgabe ward der umbrischen Malerschule zu Theil, und vor Allen ihrem grössten Meister, Perugino, dessen Bildniss der Kranz in der Mitte der
einfasst. Pietro Vannucci war der Sohn eines armen Bürgers in Cittá della Piève, Cristofano Vannucci, geboren 1446. Seine Bildungsgeschichte ist unbekannt. Seine frühesten Arbeiten, die aber bereits in sein dreissigstes Jahr und später fallen, tragen das Gepräge der damaligen florentinischen Malerschule, von der er sich plötzlich und dann mit Entschiedenheit für immer losgesagt hat, um einer eigenen Weise zu folgen, die sich vornehmlich in streng kirchlicher Auffassung, architektonischer Anordnung, weicherer Formenbildung, tiefer, warmer, harmonischer Färbung, und schwärmerisch religiöser bis zur Kopfhängerei gesteigerten Darstellung auszeichnete. Bevor diese Eigenschaften ihm zu einer Art handwerksmässiger Gewohnheit geworden, schuf er Werke, die zu den schönsten Denkmalen italienischer Malerei zu rechnen sind und die den grossen Ruhm rechtfertigen, dessen er sich bei seinen Zeitgenossen erfreute, und der alle Zeiten überdauert hat.
Die Eigenschaften, durch welche die Kunst Peruginos ihren grossen und dauernden Einfluss gewonnen, bezeichnet Cornelius durch vier allegorische Bilder: das sinnig beschauliche Leben, Contemplatio; die opferbereite, seelenhafte Frömmigkeit, Pietas; die aller irdischen Liebe bare Keuschheit, Castitas; die sonnenklare, unverhüllte Wahrheit, Veritas.
Aus den diese Bilder umkränzenden Arabesken wachsen Blumensäulen empor, die den Statuetten einzelner Zeitgenossen und Schüler Peruginos zum Fussgestell dienen: dem Benedetto Bonfigli, geboren um 1420, gestorben um 1496, von dem man glaubt, dass er der erste Lehrmeister Peruginos gewesen; Bernardino Pinturicchio,geboren 1454, gestorben 1513; ein Zeitgenosse aber kein Schüler Vannuccis Giovanni lo Spagna, der zweitbedeutendste Schüler Peruginos, arbeitete schon zu Anfang 1500 bis 1533; Sinibaldo Ibi, einer der schwächsten aus der Schule, dessen bekannte Gemälde von 1507 bis 1528 reichen.
Das Bild der
stellt den Meister Perugino in einer Handlung dar, die fast mehr zu seiner Unsterblichkeit beigetragen hat, als seine herrlichsten Kunstschöpfungen, er unterrichtet einen Knaben im Malen, und dieser Knabe war der „Fortunato garzon’“, Raffaello d’Urbino.
[29] Genau wissen wir das Jahr nicht, in welchem Raphael von seinem Oheim Ciarla nach Perugia zu Meister Pietro in die Lehre gebracht worden; jedenfalls nach dem am 1. August 1494 erfolgten Tode des Vaters; wahrscheinlich im Jahre 1495, nach gewöhnlicher Annahme später, d. h. also in seinem 12. oder 15. Jahre. Der Knabe freilich im Schoosse Peruginos zählt nicht mehr, als höchstens 8 Sommer! Rechten wir desshalb nicht mit dem Berichterstatter! Der Unterrichtsaal gleicht einem Tempel, dessen Wände mit den Bildern von Glück und Genuss geschmückt sind, und in welchem ein lauterer Quell sein erquickendes Wasser ergiesst.
Zwischen Meister und Schüler aber erstand und erhielt sich ein heiliger Seelenbund. In unverbrüchlicher Liebe beharrte Raphael zu seinem Meister, so dass er, selbst entgegen dem Verlangen des Papstes, Fresken desselben im Vatican rettete, die zu seinen (Raphaels) Gunsten dem Hammer überantwortet waren. Und Perugino erwiederte die Liebe mit vollkommener Neidlosigkeit, als er seinen Schüler an Fähigkeiten, Leistungen und Glück über sich hinauswachsen sah. Ein ungetrübter Friede verband Beide durchs ganze Leben und Perugino gab nach Raphaels Tode ein letztes Zeugniss der Liebe und des Friedens die zwischen ihnen geherrscht, indem er des Schülers unvollendet gelassene Jugendarbeit in S. Severo zu Perugia zu Ende führte.
Grosses und Herrliches hatte die Kunst in Italien bis dahin geleistet; aber noch hatte sie ihr Ziel nicht erreicht, und viele und mannigfaltige Kräfte mussten sie auf dem Wege dahin unterstützen. In sinnreichen, mythologischen Bildern bezeichnet sie Cornelius in der
Zu den nächsten Erfordernissen gehörte gründliche wissenschaftliche Bildung, wie Minerva sie lehren konnte; vollkommene Durchbildung der Form, darin Vulcan der Meister war, und eine grossartige Kraftentfaltung, wie sie nur vom höchsten der Götter, vom Jupiter ausgehen konnte. – Kalt aber lässt der Künstler, selbst bei vollkommener Kenntniss der Perspective und Anatomie, der Formen und Proportion wie beim Aufwand riesenhafter Anstrengung, wenn ihm nicht die meergeborene Göttin der Schönheit ihre entzückenden Gaben verliehen, wenn ihn nicht Venus gelehrt, womit sie selbst Götter wie Menschen entzückte. – Und wenn auch sie das Vollmaass ihrer Reize über das Kunstwerk ausgegossen, es fehlte ihm aber die Wärme des pulsierenden Lebens; lau würde die Wirkung sein und bleiben, und erst wenn es die Natur ganz in sich aufgenommen, wie die Statue Pygmalions, könnte der Künstler hoffen, am Ziel seiner Wünsche angekommen, den Lohn seines liebevollen Eifers erlangt zu haben; wie Donatello es von sich glaubte, als er zu dem von ihm für den Glockenthurm des florentinischen Doms gemeisselten [30] kahlköpfigen König David, dem berühmten „Zuccone“, sagte: „So rede doch!“ Er konnte aber nicht reden, nicht nur, weil ihm die Sprache, sondern vielmehr, weil ihm die Seele des hohen Psalmisten fehlte; und so würde auch dem von Prometheus gebildeten Menschen seine Gottähnlichkeit wenig genützt haben, wenn nicht Minerva die Seele hinzugefügt hätte.
Zahlreich sind die Künstler, welche der Periode der vollendeten Kunst unmittelbar vorgearbeitet haben. Nur Einige von ihnen hat Cornelius auserwählt, zur Vertretung für Alle.
Andrea Mantegna, Maler und Kupferstecher, geb. zu Padua 1430 widmete sich einem sehr ernsten Studium der Natur, suchte aber mit gleichem Eifer die Beste antiker Sculpturen, Waffen und Trachten auf, um durch ihr Vorbild die Eindrücke der Natur zu modificieren und in idealer Höhe sich zu behaupten. Dabei hielt er auf einen so strengen Umriss, dass seine Bestimmtheit, so sehr sie die Kenntniss der Formen förderte, als zu hart und trocken von den Nachfolgern gemildert wurde. Er ergründete die Gesetze der Perspective und führte, indem er sie auf menschliche Figuren anwendete die Verkürzungen in seine Bilder ein, um deren Wirkung bis zur Täuschung zu steigern. – Seine Hauptwerke sind die Fresken aus dem Leben des H. Jacobus bei den Eremitanen in Padua, und der Triumphzug des Jul. Cäsar, jetzt in Hamptoncourt, in 9 Cartons. Er starb 1506.
Domenico Ghirlandajo, geb. 1450 zu Florenz, anfangs Goldschmied, dann Maler, zeichnete sich vornehmlich durch ein hochgesteigertes Formgefühl aus, das es ihm möglich machte, die bis dahin vollendetsten Bildnisse zu fertigen. Es überwog bei ihm diess Talent so sehr seine übrigen trefflichen Gaben, dass ihm jeder Gegenstand, die Geburt der Maria, oder die Erweckung eines Kindes vom Tode, die Berufung der Apostel, oder die Verstummung des Zacharias im Tempel, u. s. w. nur dazu diente, eine Menge Bildnisse nach dem Leben dabei anzubringen, über welchen man freilich den Gegenstand selbst aus den Augen verlor, dafür aber nicht nur Beispiele eines feinsten Formgefühls, sondern auch ein bleibendes Gedächtniss einer grossen Anzahl bedeutender Zeitgenossen des Künstlers erhielt. Seine Hauptwerke sind die Fresken in der Sixtinischen Capelle des Vaticans, in S. Trinita und in S. Maria novella in Florenz. Er starb 1495.
Sandro Botticelli, geb. zu Florenz 1437, ebenfalls ursprünglich Goldarbeiter, dann Maler, war einer der ersten, der Stoffe aus der Dichtkunst und namentlich der griechischen Mythologie bearbeitete. Wie sehr er bemüht war, den Anforderungen der Schönheit zu huldigen, zeigt uns u. A. seine meergeborene, vom Frühling begrüsste Göttin (in den Uffizien von Florenz). Er starb 1515.
Andrea del Sarto, geb. zu Florenz 1488, eines Schneiders Sohn, auch anfangs Goldschmied, brachte die Malerei durch correcte Zeichnung, weiche Abrundung, kräftige, harmonische Färbung und meisterhafte Ausführung zu hoher Vollendung, so dass ihm, wie Vasari richtig bemerkt, nur ein lebendigerer, kühnerer Geist fehlte. Dennoch brachte er Werke hervor, wie die mustergültigen Fresken in dem Vorhof der Annunziata von Florenz, mehre Altargemälde in der Galerie des Palastes Pitti, das Abendmahl im Kloster S. Salvi bei Florenz und eine fast zahllose Menge von Fresco- und Oelgemälden. Er starb 1530.
Der grösste der Vorgänger Raphaels und Michel Angelos und namentlich des Letzteren hohes Vorbild war Luca Signorelli.
Es ist nicht wohl zu erklären, was den Cornelius veranlasst haben kann, einen Künstler, der, ihm geistig so nahe verwandt, von ihm stets in Wort und Werk in höchsten Ehren gehalten worden, so karg zu behandeln, wie hier geschehen. Sollte der freilich ungeheuere Stoff, den die von Luca ausgemalte Capella di S. Brizio im Dom von Orvieto ihm darbot, ihn überwältigt haben, dass er, um nicht zu wenig zu geben, lieber gar nichts darbot? Denn nicht die mühsam gezügelten Greifen, nicht die Mutter Natur, noch ein Paar Brunnenlöwen, viel weniger der Doppelreigen tanzender Grazien kann uns in den Sinn kommen, wo wir an Luca Signorelli erinnert werden, als an den Schöpfer der Darstellungen der über die Welt und Menschheit im Sturm hereinbrechenden Vernichtung, der Schauer der Todten-Auferstehung beim Posaunenschall des Jüngsten Gerichts, des Höllensturzes der Verdammten, der Seligkeit der zu Christus in’s Himmelreich Aufgenommenen.
Luca Signorelli ist um 1441 in Cortona geboren und 1524 in seiner Vaterstadt gestorben.
[31]
„Wenn einen Menschen die Natur erhoben,
Ist es kein Wunder, wenn ihm viel gelingt.“
Goethe.
Leonardo war der natürliche Sohn des Ser Piero, Notars der Signoria von Florenz, geb. 1452 in Vinci, einem kleinen Schloss im unteren Val d’Arno. – Vasari leitet seine Lebensbeschreibung mit den Worten ein: „Bisweilen vereinigt sich wie ein überschwängliches und übernatürliches Geschenk in einem einzigen Körper Schönheit, Liebenswürdigkeit und Kunstgeschick so herrlich, dass jede seiner Handlungen göttlich erscheint, alle anderen Sterblichen hinter ihm zurückbleiben und es sich deutlich offenbart, was er leiste, sei von Gott gespendet, nicht aber durch menschliche Kunst errungen.“ Kaum wäre es möglich, die Universalität Leonardos sprechender und bündiger zu bezeichnen, als Cornelius in der
gethan, wo er durch ihn sich an den Sonnengott erinnern lässt, der über Erd’ und Meer getragen im Zodiacus das ganze Firmament überschaut. Während aber lächelnde Genien ihm den ersten Labetrunk bringen, und heitere Naturbilder ihn umspielen, versenkt sich sein Blick in die Seelenzustände der Menschen und er erkennt deren Abhängigkeit in der Beschaffenheit ihres Blutes und seines Kreisumlaufs. Er sieht im sanguinischen Temperament die Quelle einer heiteren Weltansicht und lebensfrohen Genusses, wie sie sich in Liebe und Wein, in der Vermählung von Bacchus mit Ariadne darstellt; im cholerischen Temperament das feurige und selbst unbesonnene, zum Untergang führende Handeln, wie es Semele ins Verderben geführt, als sie Jupiter in seiner Herrlichkeit zu sehen begehrte und in seinen Flammen verbrannte; die kalten Froschnaturen dagegen, die kaum einer lebhaften Empfindung fähig sind, die Phlegmatiker, vergleicht er den trägen Sumpfbewohnern, die einst der Latona das Wasser getrübt, womit sie den Durst ihrer Kinder stillen wollte; und für das melancholische Temperament lässt er den Gott der finstern Unterwelt eintreten, und den Todesboten zur Proserpina senden.
Dem Maler, zumal wenn er langsam malt und im Ausführen sich gar nicht genug thun kann, zum Bildniss zu sitzen, gehört bekanntlich nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens, und lässt den Sitzenden darum leicht in einem wenig vortheilhaften Lichte erscheinen. Diess zu vermeiden, namentlich als er für Francesco del Giocondo das Bildniss der Monna Lisa, seiner schönen Gattin, malte, „brauchte er, (wie Vasari erzählt) die Vorsicht, dass während sie ihm sass, immer Jemand zugegen sein musste, der sang, spielte und Scherz trieb, damit sie fröhlich bleiben und nicht ein trauriges Aussehen bekommen möchte.“
Leonardo vereinigte bald eine ansehnliche Zahl talentvoller Schüler um sich, die er die Kunst in aller Weise auf das gründlichste zu studieren und auszuüben anhielt. Anatomie bis auf das Skelett mussten sie lernen; chemische Kenntnisse für Farbenbereitung durften ihnen nicht fremd bleiben; unerlässlich war das Zeichnen nach der Antike, und mit der Wandmalerei mussten sie Bescheid wissen. Ausführlich trug er ihnen die Gesammtaufgabe der Kunst, wie er sie niedergeschrieben in seinem Tractat über die Malerei vor, und Cornelius lässt uns sie sehen, wie sie seine Lehren niederschreiben, oder danach arbeiten.
Von seinen Schülern führt er uns nur zwei im Bildniss vor: Bernardo [32] Luini, geb. zu Luino am Lago maggiore, schon im Jahre 1500 ein namhafter Künstler; sein Todesjahr ist so wenig, als das seiner Geburt bekannt. – Marco d’Oggionno, war schon 1490 als selbständiger Künstler thätig und starb 1530. Von ihm rührt eine sehr gute Copie des Abendmahles von Leonardo in Fresco her, die im Refectorium des Klosters zu Castellazzo war, bei der Abnahme von der Mauer aber zu Grunde ging; eine andere Copie desselben Bildes in Oel und in der Grösse des Originals, ursprünglich im Refectorium der Karthause von Pavia befindet sich jetzt in der Akademie in London.
führt uns in zwei Bildern von der Stunde der Geburt Leonardos zum Augenblick des Todes. Da liegt das neugeborne Knäblein in der Pflege der Grazien, in ihren Armen gewiegt, mit Blumen von ihnen überschüttet, während gleichzeitig Minerva das Füllhorn ihrer Gaben über ihn ausleert, der jugendlichen Mutter aber die erste Labung nach der Entbindung gereicht wird.
Auf dem zweiten Bilde haben wir es wiederum mit einer schönen und rührenden Erzählung zu thun, welcher zu ihrem poetischen Werth leider die materielle Wahrheit fehlt. Im Jahre 1506 war Leonardo nach Frankreich übergesiedelt. „Endlich alt geworden, erzählt Vasari, lag er viele Monate krank. Der König (Franz I.), welcher ihn oft liebevoll besuchte, kam eines Tages, nachdem er das Sacrament als Vorbereitung zum Tode empfangen hatte, zu ihm. Leonardo richtete sich ehrfurchtsvoll empor, um im Bette zu sitzen, schilderte ihm sein Uebel mit allen Zufällen, und sagte wie er gegen Gott und Menschen gefehlt habe, dass er in der Kunst nicht gethan hätte, was ihm Pflicht gewesen wäre. Diese Anstrengung veranlasste einen stärkeren Paroxysmus, welcher Vorbote des Todes war. Der König erhob sich und hielt ihm das Haupt um ihm eine Hülfe zur Erleichterung seines Uebels zu erweisen; da erkannte Leonardos göttlicher Geist, es könne ihm grössere Ehre nicht widerfahren und er verschied in den Armen des Königs, im fünfundsiebzigsten Jahre seines Lebens.“
Unübertrefflich schön und wahr hat Cornelius die Begebenheit nach dieser Erzählung dargestellt, von welcher die Geschichte selbst nur die Thatsache beglaubigt, dass Leonardo sich der höchsten Gunst des Königs zu erfreuen hatte. Ausserdem aber berichtet sie: Leonardo wohnte zu St. Cloud und starb daselbst am 2. Mai 1519 in seinem 67sten Jahre. Der König war (nach seinem Tagebuch) zu derselben Zeit in St. Germain en Laye, und Leonardos Schüler, Francesco Melzi, der bei seinem Tod zugegen war und ihn den Brüdern desselben anzeigte, erwähnt nichts von der Gegenwart des Königs, was er – wenn sie stattgefunden, – nicht unterlassen haben würde.
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Um den Höhepunkt der geschichtlichen Entwickelung für Tizian, Michel Angelo und Raphael gesichert zu halten, greift Cornelius derselben in der zehnten Loggia vor und widmet sie dem Grössten nach ihnen:
Antonio Allegri, geb. 1494 zu Correggio im Modenesischen, Sohn des Pellegrino Allegri gen. Domano, und der Bernardina Piazzoli (auch Aromanni). Wem er seine Kunstbildung verdankt, ist nicht mit Sicherheit anzugeben; wenn, wie man sagt, Mantegna und Leonardo seine Vorbilder gewesen, so hat er wenig von ihnen angenommen und zeigt schon in seinen frühesten Werken, zu denen die Madonna des h. Franciscus vom 30. August 1514, jetzt in der Dresdener Gallerie, gehört, eine selbständige, durch und durch eigenthümliche Richtung seines reichen umfassenden Talentes, das ihn – bekanntermassen selbst Raphael gegenüber – im stolzen Selbstbewusstsein sagen lassen konnte: „Anch’io sono pittore!“ Beide Aeltern überlebten ihn; er starb am 5. März 1534 in Correggio.
Die Universalität seines Talents, der zufolge ihm alle Elemente zu Gebote standen, hat Cornelius in vier Bildern der
bezeichnet, in denen er das Feuer durch einen Genius mit dem Adler des Jupiter darstellte, das Wasser durch einen zweiten auf dem schwimmenden Delphin, die Erde durch einen dritten auf dem König der Wüste, dem Löwen, und endlich die Luft durch einen vierten mit dem Vogel der Juno, dem Pfau. Arabeskenfelder scheiden diese Bilder von einander; aber ein doppelter Kranz von Ornamenten fasst das Rundbild der Decke ein, in welchem Correggio, von Schülern und Freunden umgeben, mit der Ausführung eines Gemäldes beschäftigt ist.
Wie viele und wie grosse Werke hat Correggio in den 20 Jahren, die ihm für seine Kunstthätigkeit vergönnt gewesen, in Oel und Fresco ausgeführt! Ich erinnere nur an die Madonnen des h. Franz, Sebastian und Georg, an die Nacht und die h. Magdalena in Dresden, an die Leda und Jo in Berlin, den Ganymed in Wien, an den Traum der Antiope und die Vermählung der h. Katharina im Louvre, an die Danae in der Galerie Borghese zu Rom, an die Freude Maria’s über das heilige Kind in der Tribune der Uffizien zu Florenz, an die Vermählung der h. Katharina in Neapel, an die Madonna della Scodella und an jene des Hieronymus; an die Fresken im Dom, in S. Giovanni und im Kloster S. Paolo zu Parma.
Was alle diese Werke und viele andere, die ich unberührt lasse, rühmlich auszeichnet, soll in den Bildern der
angedeutet sein. Ob er im kleinen Raume nur eine Figur darzustellen hatte, oder ein ganzes Kuppelgewölbe mit Heiligen und Engeln zu erfüllen – im Grossen wie im Kleinen ward alles durch eine harmonische Stimmung verbunden, wie sie in der Schwesterkunst der Musik Cäcilia den heiligen Gesängen mit Begleitung der von ihr erfundenen Orgel in erhebender Kraft und Vollkommenheit gegeben.
Die kirchlich religiöse Kunst war durch Tradition und Gewohnheit so beschränkt, dass sie mit der fortgeschrittenen allgemeinen Bildung nicht mehr übereinstimmte. Der feierliche Ernst der Altarbilder hatte bei der stets sich gleichbleibenden Wiederholung die überzeugende Kraft verloren und je lebenswahrer die Heiligen von der Kunst dargestellt wurden, um so natürlicher regte sich das Verlangen, sie aus dem ausschliesslichen Sonntags-Kirchendienst [34] zu erlösen und an den Freuden des Lebens Theil nehmen zu lassen. Correggio war der erste, der diesen Schritt zur Verweltlichung der kirchlichen Malerei gethan, indem er seine Heiligen aller ritualen Feierlichkeit entkleidete und selbst über dem Altar als heitere, ja fröhliche Menschen darstellte. Psyche lag in Banden; der Genius seiner Kunst löste ihre Fesseln. „Wem’s Gott zugedacht hat, dem bescheert er’s im Traume!“ So sollte es Correggio erfahren. Entschlummert unter den weichen, süssen Tönen des Liebesgottes, merkt er kaum, dass der neckische Komus herbeischleicht, hinter der Satyrmaske geborgen; aber ob er ihn auch auf schlüpfrige Pfade führen möchte, der Künstler ist behütet: Die Grazien schweben nieder zu ihm und beglücken ihn mit der Gabe, seine Werke mit Anmuth zu bekränzen; und über seinem Haupte steht die Lyra Apollo’s, ein redendes Zeichen, dass seine Kunst, allem Niedrigen und Gemeinen fern, sich stets in idealer Höhe gehalten hat.
Ein entschiedener Gegensatz zu den Malerschulen Mittelitaliens bilden die Venetianer. Wenn dort die Kunst überall über dem Leben steht und von ihm für ihre Schöpfungen nur ein Zeugniss der Verwandtschaft entlehnt, so sehen wir sie in Venedig mitten im Leben, keines Zeugnisses der Wahrheit bedürftig, als offner Augen für Alles, was man in Haus und Hof, auf Markt und Strassen wahrnehmen kann; und wenn man sich dort durch Phantasie und Studium in längst vergangene Zeiten und Begebenheiten zu versetzen suchte, so stellte man in Venedig beide in die unmittelbare Gegenwart, und damit kein Zweifel an der Wirklichkeit des Dargestellten bestehe, legte man den Nachdruck nicht, wie dort, auf die immer weniger sinnenfällige Form, sondern auf die Alles mit dem Schein des Lebens begabende Farbe.
Man kann aber der venetianischen Kunst nicht nahen, ohne sich seiner Geschichte zu erinnern; wie denn auch Cornelius in der
gethan, in deren Mitte er den die Republik tragenden St. Marcus-Löwen gesetzt.
Die Bewohner der nordwestlichen Küste des adriatischen Meeres flüchteten sich im Jahre 452 vor den Hunnen und 568 vor den Longobarden auf die Lagunen-Inseln und siedelten sich daselbst an, und so entstand mitten in den Wellen die Republik Venedig, gleich der Göttin der Schönheit, die nach der Sage der Vorzeit, begrüsst von Tritonen und Nereiden, und von Liebesgöttern umschwärmt, zum berauschenden Entzücken der Welt aus den Wogen des Meeres emporgestiegen.
Venedig wurde ein mächtiger, kriegerischer und reicher Handelsstaat; seine Ziele waren auf die Schätze des Orients gerichtet; und mit gleichem Glück wie einst die Argonauten unter Jasons Führung, von Castor und Pollux begleitet, von Orpheus besungen, nach Colchis gefahren und das goldene Vliess erbeutet, sandte Venedig seine Flotten nach dem Orient, gewann dort Städte, Inseln und goldene Schätze und eroberte selbst 1204 Constantinopel. Mit den Schätzen des Orients zogen auch Luxus und Prachtlust ein in die Republik, der Reichthum erzeugte Genusssucht, vermittelte aber auch die Pflege der Kunst, die sich um so enger und lieber an das wirkliche Leben anschloss, als dasselbe so hohe Befriedigung gewährte.
[35] Gross ist die Zahl der Meister der venetianischen Malerschule und ihre Werke haben ihren Namen dauernden Glanz verliehen. Von den ältern derselben hat Cornelius die beiden Brüder Gentile und Giovanni Bellini ausgewählt zur Bezeichnung des Standes der venetianischen Malerei noch vor der Zeit ihrer höchsten Vollendung. Sie sind die Söhne des Jacopo Bellino, eines gleichfalls nicht unberühmten Malers; Gentile, geb. zu Venedig 1421, ist der Meister des grossen Bildes von der wunderbaren Auffindung des Kreuzes im Canal, das in der Galerie der venetianischen Akademie aufgestellt ist. Das Ereigniss aber im Leben Gentiles, das ihn besonders berühmt gemacht, war eine Sendung nach Constantinopel. Dem Grossherrn waren einige Bildnisse von der Hand des Giovanni Bellini durch den Gesandten Venedigs als Ehrengeschenke überreicht worden, und diese hatten nicht nur seine Bewunderung erregt, sondern auch das Verlangen, den Maler selbst in Constantinopel zu sehen. – Vasari erzählt, dass die Signoria von Venedig den Beschluss fasste, Gentile Bellini an Stelle seines Bruders, der im grossen Rathssaale beschäftigt war, hinzusenden. Er machte die Reise auf einem venetianischen Schiffe, kam wohlbehalten in Constantinopel an und wurde durch den Gesandten dem Grossherrn vorgestellt. Dieser nahm ihn mit Freuden auf, erwies ihm grosse Ehren und liess sich sogar – den strengen Vorschriften des Islam zuwider – von ihm zugleich mit seiner Lieblingsgemahlin abconterfeien.
Das Todesjahr von Gentile ist nicht bekannt. Bedeutender als er ist sein jüngerer Bruder Giovanni, geb. 1426, der das hohe Alter von 90 Jahren erreichte. Die Bilder aus der venetianischen Geschichte, welche Giovanni im grossen Rathssaale gemalt, und welche die Begebenheiten zwischen P. Alexander und Kaiser Friedrich zum Gegenstand hatten, sind in dem grossen Brande von 1577 zu Grunde gegangen. Die Gemälde Giovanni’s, die sich erhalten haben, sind fast ausschliesslich religiösen Inhalts und zeichnen sich durch einen die Naturwahrheit verklärenden heiligen Ernst, seelenvollen Ausdruck, kräftige harmonische Färbung und eine hochvollendete Ausführung aus. Seine vorzüglichsten Bilder findet man in der Akademie und in den Kirchen von Venedig, als die bedeutendsten S. S. Hieronymus, Christophorus und Augustinus in S. Crisostomo und vor allen Christus in Emaus in S. Salvatore. Giovanni war hochgeehrt von seinen Zeitgenossen und Landsleuten auch späterer Jahre, so vom Cardinal Pietro Bembo, wie Vasari erwähnt und von Ariosto. Cornelius hat es vorgezogen, des Lobes zu gedenken, das ihm unser deutscher Meister Albrecht Dürer spendet, der 1506 in Venedig war, und von dort aus an seinen Freund Pirkheimer schrieb, dass „Sambelliny sehr alt, aber noch der pest Im Gemell“ sei. Er war jedenfalls mit Giovanni persönlich bekannt worden, da derselbe sogar ein Bild bei ihm bestellt hatte, weshalb Cornelius Beide in Einem Bilde vereinigt hat.
In der unbedingten Verehrung der Natur erstrebt und erreicht die venetianische Malerschule ihre höchste Vollendung. Darum nimmt in der
die Statue der ephesischen Göttin, die in wunderbarem Widerspruch mit ihrer Bedeutung – so wenig kann die Menschheit das Ideal entbehren! – mit der Natur kaum eine entfernte Aehnlichkeit hat, die Mitte ein, aufgerichtet in einem Tempel, über welchem Amoretten mit Tanz und Musik das lachende Leben Venedigs im Bilde uns vorführen.
Der grösste Maler der venetianischen Schule ist Tizian aus der Familie der Vecelli, geb. 1477 zu Pieve di Cadore im Ampezzothale. Er erlernte die Malerei bei Giovanni Bellini, bildete sich aber später mehr nach dem Vorbild von Giorgione aus. Er führte ein überaus thätiges Leben, genoss vieler Ehren von den Grossen der Erde, und erreichte das hohe Alter von 99 Jahren. Das berühmteste seiner zahllosen Gemälde ist die Assunta, eine Himmelfahrt der Maria, in der Sammlung der Akademie zu Venedig; sein vorzüglichstes Christus und der Zinsgroschen in der Dresdener Galerie, aber seine höchste Bedeutung gewann er im Bildniss. Kaiser Carl V. liess sich mehrmals und von keinem Andern, als von ihm, malen. Einmal, als bei solcher Gelegenheit dem Tizian ein Pinsel aus der Hand zur Erde fiel, bückte sich der Kaiser „allerhöchstselber“ denselben aufzuheben; eine Ehrenbezeigung, welche die Hofleute hinter ihm in kaltes Erstaunen versetzte.
Vasari erzählt auch, dass er, als er 1566 nach Venedig gekommen, Tizian „als seinen lieben Freund“ besucht habe. „Tizian (sagt Vasari) war stets gesund und so glücklich, wie je ein andrer Meister seines Berufes; der Himmel gab ihm nur Glück und Heil. In seinem Hause sah man alle Fürsten, gelehrte und vorzügliche Personen, die zu seiner Zeit nach Venedig kamen oder dort wohnten.“ – Da unter diesen auch eines Tages Giulio Romano sich befand, so hat Cornelius beide Künstler zugleich in der Werkstatt Tizians aufgeführt, um neben den Ehren, die ihm Fürsten erzeigten, von der Achtung ein Zeugniss zu geben, deren er sich von Seiten seiner Kunstgenossen zu erfreuen hatte.
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Michel Angelo Buonarotti, Sohn des Herrn Lodovico di Lionardo Buonarotti Simoni, aus der edeln Familie der Grafen Canossa, geb. am 6. März 1474, erlernte zuerst die Malerei bei Domenico und David Ghirlandajo, entwickelte bald in der Antikensammlung des Lorenzo Magnifico im Garten von S. Marco ein entschiedenes Talent für Bildhauerei und ward von diesem Fürsten ehrenvoll in sein Haus aufgenommen. Für Malerei machte er eingehende Studien nach den Fresken Masaccios in S. Maria del Carmine. Eine seiner frühesten Marmorarbeiten ist der kolossale David, der bis vor Kurzem vor dem öffentlichen Palast in Florenz aufgestellt war; seinen Ruhm aber begründete ein Carton, gezeichnet im Wetteifer mit Leonardo, in welchem er einen Ueberfall sich badender Florentiner durch die Pisaner mit bewundernswerther Kenntniss des menschlichen Körpers darstellte; seine bedeutendsten Malereien sind die Fresken aus dem Alten Testament nebst den Sibyllen und Propheten und dem Jüngsten Gericht in der Sixtinischen Capelle des Vaticans; und wenn man von ihm als Bildhauer spricht, denkt man an seinen Moses. Als Architekt bewährte er sich durch den Bau der Kuppel der Peterskirche. Er starb am 17. Febr. 1764 in Rom.
Dass Michel Angelo Maler, Bildhauer und Baumeister, und jedes in Vollkommenheit war, hat Cornelius in der
versinnbildlicht, indem er hier die drei Schwesterkünste in inniger Verbindung darstellt, wie Malerei und Bildhauerei sich die Hand reichen, und die Baukunst Beide umarmt.
Als er die Schöpfungsgeschichte an der Decke der Sixtinischen Capelle malte, hatte er, wie Vasari erzählt, einen schlimmen Handel mit Papst Julius. „Michel Angelo – sagt er – wollte niemals eine seiner Arbeiten (vor der Vollendung) sehen lassen, und hegte Argwohn gegen seine Diener, da er merkte, dass sie mehre Male, während er nicht bei der Arbeit war, Einem heimlich zeigten, was er ausführte. Einmal nun habe der Papst Michel Angelos Handlanger mit Geld bestochen, um die Malerei der Sixtinischen Capelle zu sehen; Michel Angelo, den Verrath merkend, habe sich verborgen gehalten, und nach dem Papst mit Brotstücken geworfen, ohne zu bedenken, gegen wen er seinen Zorn auslasse.“ Cornelius hat indess vorgezogen, Papst und Künstler noch vor dem Sturm uns zu zeigen.
Julius II. hatte bei Michel Angelo sein Grabmal bestellt, dem Programm nach eine der grossartigsten Kunstunternehmungen der Neuzeit. Nur wenige Figuren kamen zur Ausführung, darunter die colossale Gestalt eines Moses (die man jetzt in S. Pietro in vincoli in Rom sieht). Um, da der Tag von anderen Arbeiten eingenommen war, des Nachts am Moses meisseln zu können, hatte Michel Angelo eine Kopfbedeckung mit einer Vorrichtung erfunden, mit welcher er während der Arbeit bei jeder Bewegung und in jeder Stellung die Statue ohne Beihülfe beleuchten konnte – zur Verwunderung des Papstes, der ihn auf diese Weise thätig sah.
Zu Anstrengungen, wie dieser Künstler sich zumuthete, gehörte eine ungewöhnliche Kraft und Gesundheit. Er hatte sie in vollkommenem Maasse; und dafür wählte Cornelius die Allegorie der körperlichen Stärke, die auf [37] einem mächtigen Löwen sitzt, mit einer Säule im Arm, dem Symbol lasttragender Kraft, umgeben von zwei Genien, von denen der eine einen jungen Eichbaum, der andere eine Keule hält, deren Deutung wohl für Niemanden räthselhaft ist.
Aber körperliche Stärke allein reichte nicht hin zu den Kunstschöpfungen Michel Angelos; die Sphinx, im alten Aegypten das Symbol göttlicher Weisheit und geistiger Stärke, sehen wir in einem zweiten Bilde seine Göttin, die heilige Kunst, zu den Sternen tragen, begleitet vom Genius mit dem Zweig der goldenen Hesperidenfrüchte.
Nicht minder, als biblische Stoffe reizten ihn die heiteren Gestalten der Fabelwelt aus Land und Meer und selbst die unheimlichen Gebilde des Schattenreiches, wie sie Cornelius in den Ornamenten zwischen den Bildern untergebracht hat.
Deutlicher noch sehen wir in der
es dargestellt, wie Michel Angelo dem Alterthum gleiche Berechtigung mit dem Christenthum auf seine Kunstthätigkeit zuerkannt hat. Denn während hier an der einen Seite die christliche Kunst, geschmückt mit der Dornenkrone, den Palmzweig der Märtyrer in der Rechten, gestützt auf die Bibel, den heiligen Klängen der Harfe des Psalmisten lauscht, hört auf der anderen Seite die antike Kunst auf die Lehren des Eros und der Psyche.
Die Mitte aber nimmt das Bild ein, das uns Michel Angelo als Baumeister neben seinem Modell zur Peterskuppel zeigt, in einem aus antiken Ornamenten zusammengefügten Gebäude.
Vasari beginnt seine Lebensbeschreibung Raphaels mit den Worten: „Wie freigebig und liebreich der Himmel bisweilen einem einzigen Menschen den unendlichen Reichthum seiner Schätze, alle Anmuth und seltene Gaben spendet, welche er sonst in langem Zeitraum unter Viele zu vertheilen pflegt, sieht man deutlich an dem ebenso herrlichen, als anmuthigen Raphael von Urbino.“
Er wurde geboren am Charfreitag des Jahres 1483 in Urbino; sein Vater war der Maler Giovanni Santi, ein ehrenwerther, vielbeschäftigter Künstler; seine Mutter Magia, geb. Ciarla starb am 7. October 1491, worauf sein Vater am 25. Mai 1492 sich wieder vermählte, aber schon im Jahre 1495 starb. Weitere Lebensereignisse schildert Cornelius in der
zunächst wie er schon im zarten Knabenalter, während seine Mutter in der Werkstatt des Vaters spinnt, von diesem in den Anfangsgründen der Malerei unterrichtet wird; wie er sodann von seinem Oheim Ciarla (nicht vom Vater, [38] wie Vasari erzählt) zu Meister Pietro von Perugia in die Lehre gebracht wird; wie er rasch sich entfaltet und von Bramante, dem Baumeister des Papstes Julius, Sr. Heiligkeit empfohlen, demselben seine ersten Entwürfe für eine Stanze im Vatican zeigt; und endlich, wie er sehr bald eine Anzahl Schüler und Gehülfen um sich versammelt, die, indem sie ihm bei der Ausführung seiner vielen Aufträge dienen, seine Kunstweise sich aneignen.
Der Gegenstand, welchem Raphael von allen den Vorzug gab, und in dessen Behandlung er vornehmlich den Zauber seines Talentes, die ganze Fülle göttlicher Schönheit und heiliger Anmuth offenbarte, war die Madonna, ihre zarte Mutterliebe und des Kindes innige Erwiederung, in den mannigfaltigsten Ausdruckweisen, von feinster Verschiedenheit, und tiefinnerster Seelenhaftigkeit. Das Rundbild der Kuppel soll daran erinnern, wo Raphael auf einer, sein gleichnamiger Schutzengel auf der anderen Seite vor einem Madonnenbild mit einem segnenden Christkind kniet, das indess unter keiner Bedingung einen Anspruch erheben kann, auch nur zu einem unächten Bilde Raphaels die Veranlassung gegeben zu haben. Es ist sehr schwer zu erklären, wie Cornelius dazu gekommen sein mag, für Raphaels holdseligen Madonnencultus eine so armselige, ungraziöse, kopfhängerische Heilige mit einem so plumpen Kinde gewählt zu haben.
Kurz war der Erdenlauf dieses hochbeglückten Meisters: er starb an demselben Festtage, an welchem er geboren war, am Charfreitag 1520, 37 Jahre alt.
„In dem Saale, worin er zuletzt arbeitete, erzählt Vasari, stand seine Leiche, ihm zu Häupten das Bild von der Verklärung Christi, welches er für den Cardinal von Medici vollendet hatte, und wer diess lebende Gemälde und diesen todten Körper betrachtete, dessen Seele wurde von tiefem Schmerz erschüttert. Es war kein Künstler in Rom, der ihn nicht schmerzlich beweinte. Viele Trauer brachte sein Tod dem ganzen päpstlichen Hofe; der Papst (Leo X.) hatte ihn so sehr geliebt, dass sein Verlust ihn bitterlich weinen machte. – Wohl konnte beim Tode dieses edeln Künstlers auch die Malerei sterben; denn als er die Augen schloss, blieb sie fast blind zurück. – Er war es, der Ausführung, Farben und Erfindung vereint zu einem Grade der Vollkommenheit brachte, welchen man kaum erreicht zu sehen hoffen durfte, und kein Geist achte für möglich, dass er ihn je übertreffen könne!“
Mit dem Ausdruck seliger Ruhe liegt der Entschlafene auf der Bahre; das angefangene Bild der Transfiguration ist neben derselben aufgestellt; versenkt in Trauer umgeben die Schüler und Freunde, Giulio Romano, Francesco Penni u. A. die Leiche; zu Füssen derselben steht Papst Leo mit einigen Männern seines Hofes in schmerzlicher Bewegung; aber mit laut ausbrechendem Jammer ist eine weibliche Gestalt im Begriff, auf den Todten sich zu stürzen. Raphael war verlobt mit der Nichte seines hochgestellten Gönners, des Cardinal Bibbiena, und wir könnten hier – an der Hand Vasaris – an Niemand anders denken, als an seine Braut; aber sie war vor Raphael gestorben.
[39]
[41] Die Anordnung, dass die beiden Bilderfolgen der italienischen und der deutschen Kunst gleichsam ein zweitheiliges Gesammtwerk mit einem gemeinsamen Mittelpunkt bilden, hat Cornelius veranlasst, die räumliche Eintheilung und Ornamentierung der italienischen Seite auf der deutschen zu wiederholen, wesshalb sich die Beschreibung der letzteren um vieles kürzer fassen lässt. Ein Vasari für die deutsche Kunst stand dem Cornelius nicht zu Gebote, obschon Van Mauder – wenn er spätere Arbeiten zu benutzen nicht für gerathen fand – einige ähnliche Dienste hätte leisten können. Als Leitfaden für seine Darstellungen diente ihm ein „Abriss der deutschen Kunstgeschichte“, den ihm sein Freund Sulpice Boisserée geschrieben hatte.
Aus dem eben angegebenen Grunde wiederholen sich in der
die Bilder derselben Stelle in der ersten Loggia der italienischen Abtheilung, wofür noch der Umstand mitgewirkt hat, dass ja auch die deutsche Kunst aus keiner anderen Quelle, als der christlichen Religion, geflossen. Aber in ihren Ruhmeskranz flicht die Muse der Geschichte die Namen Carl Martell, Pipin, Carl d. Gr., Ludwig der Fr., Ludwig der Deutsche, Eginhard, Alcuin, Lothar I., Carlmann, Winfried. Dagegen enthält die
ein anderes Bild, um ihre allmählich weitere Entwickelung und unbeengte Bewegung zu bezeichnen. Der Genius der Menschheit trägt in seinem Aufschwung zu geistiger Freiheit die Kunst zu den Sternen empor; dankbar nährt sie die Flamme, womit er das Leben erleuchtet und erwärmt.
Aber wenn sie früher nur der Kirche und ihren Heiligen sich gewidmet, angelangt in Regionen, wohin die Wolken des Weihrauchfasses nicht reichen, hat sie sich auch mit den Göttern Griechenlands befreundet und sich von ihnen beschenken lassen. Zeus reicht ihr die goldene Schale mit dem Labetrunk der Unsterblichkeit; Apollon weckt mit den Klängen seiner Lyra ihre Begeisterung; von Athene empfängt sie Weisheit und Wissen, von Herakles ausdauernde Kraft; aber wenn das Flügelross der Poesie in bacchanalischen Anwandlungen zu ungestüm wird, nahen die Grazien, dasselbe zu besänftigen und der Liebesgott fällt ihm in den Zügel.
[42]
Wort und That mussten zusammenwirken, um den Boden zu gewinnen, auf welchem die Kunst ihre Saaten bauen konnte. Cornelius hält sich, diesen Ausspruch zu bewahrheiten, an zwei geschichtliche Hauptbegebenheiten der älteren deutschen Zeit, die er in der
schildert. Karl Martel, (d. i. der Hammer) Sohn des Pipin von Heristal, nach dessen Tode Major Domus der Austrasier und bald unbeschränkter Herrscher derselben, führte viele Kriege gegen verschiedene noch heidnische deutsche Stämme; vornehmlich aber zog er ins Feld gegen die von Spanien her ins Frankenreich eingefallenen Mauren, deren siegreicher Vorgang das Christenthum mit Untergang bedrohte, und schlug sie 732 bei Poitiers derart aufs Haupt, dass ihrem Eindringen für immer Grenzen gesetzt waren, das Christenthum von ihnen nicht mehr bedroht werden konnte. Hartnäckig widersetzte sich der Verbreitung des Christenthums das Volk der Thüringer, Sachsen, Katten und Friesen. Ihnen predigte, unter besonderem Schutze von Karl Martell, Bonifacius, ein englischer Benedictinermönch, Winfried mit seinem eigentlichen Namen, um 718 bis 723 das Evangelium und ward so zum „Apostel der Deutschen.“ Sein Schüler Lullus begleitete ihn auf seinen Bekehrungsreisen und leistete ihm Beistand bei der Taufe der neuen Christen, deren Zahl schon mehrere Tausende betrug, als er am 5. Juni 755 mit seinen Begleitern von einem Haufen Heiden überfallen und getödtet wurde.
Das begonnene Werk der Christianisierung der deutschen Völker kam nicht mehr ins Stocken, zumal da es der grosse Frankenkönig zu seiner heiligsten Lebensaufgabe gemacht. Cornelius zeigt uns in der
den Kaiser Carl den Grossen auf dem Thron als Schutzherr aller geistigen Bestrebungen; denn das hatte derselbe klar erkannt, dass ohne allseitige Bildung das Christenthum weder gewonnen noch erhalten und gefördert werden könne. Er zog die berühmtesten Gelehrten aller Fächer an seinen Hof, den Grammatiker und Theologen Alcuin aus York, den Longobarden Warnefried (Paulus Diaconus), seinen nachmaligen Geheimschreiber Eginhard, u. A. m.; er gründete Bisthümer, erbaute Kirchen und Paläste, er sammelte Volkslieder und Gesänge von alten Heldenthaten, und berief Singmeister; förderte das Studium der Astronomie und sorgte für Schulbildung, sowie für Sammlung und Verbesserung von Gesetzbüchern. Solchen Saamen des deutschen Geisteslebens streute er aus; aber rasch und reich erblühte es nicht; wie die Bilder der italienischen Kunstentwickelung aus der Zeit der Gründung des Campo santo andeuten wollen, die als Widerspiel derselben die Seitenräume einnehmen.
[43]
Die Voraussetzung aller Kunstentwickelung ist die Architektur. Sie bereitet ihren Schwesterkünsten die Wege und ermöglicht die Entfaltung ihrer Kräfte, indem sie ihnen gesicherte Wohnungen und Wohnsitze bereitet und Monumente errichtet, deren höchste Vollendung durch Gestalt und Bild sie ihnen überträgt. So sehen wir in der
König Heinrich I., der sich in der Geschichte den Namen des „Städte-Gründers“ erworben, indem er eine Anzahl Ortschaften mit Mauern umgab und befestigte Plätze anlegte, und dem Bürgerthum damit in festerem Zusammenhang grössere Sicherheit gab, die er noch durch verbesserte Ausbildung der Heeresmacht steigerte.
Das grösste, schönste und bedeutendste Werk deutscher Baukunst ist der Dom von Cöln. Ursprünglich gegründet vom Erzbischof Hildebrandt und dem h. Petrus geweiht, wurde er nach dem Brand von 1080 erneuert. Den Entschluss zu einem ganz neuen und grossen Bau fasste der Erzbischof Engelbert zur Zeit des Kaisers Barbarossa; allein erst der Erzbischof Conrad von Hochsteden führte den Plan aus und legte 1248 den Grund zu dem Neubau, als dessen Meister Gerhard von Cöln gilt. Cornelius hat ihn dargestellt, wie er sein Modell dem Erzbischof zeigt und wie dessen Schreiber die Urkunde über die Gründung des Baues abfasst.
Der Kranz in der Mitte der Kuppel umschliesst das Bildniss des Meister Gerhard von Cöln.
Die Nacht- und Taggruppen, aus der Loggia des Cimabue hier wiederholt, wüsste ich nicht anders zu deuten, als auf den Fortschritt der Architektur von dem romanischen (oder, wie man sonst sagte, byzantinischen) Styl zum gothischen, der jedenfalls eine reichere Formenwelt aufschloss und mit seinen Thürmen hoch zum Licht emporstrebte.
Wir erinnern uns, dass in der Lunette der dritten Loggia der italienischen Abtheilung eine feierliche Prozession abgebildet ist. In der entsprechenden
der deutschen Abtheilung begegnen wir einer ähnlichen Scene. Der Kaiser Barbarossa hatte aus dem eroberten Mailand die Reliquien der heiligen drei Könige mit nach Deutschland gebracht und sie der Stadt Cöln zum Geschenk gemacht. In einem goldenen Prachtschrein werden sie in Prozession, gefolgt vom Erzbischof und der Geistlichkeit vor dem andächtigen Volke auf blumenbestreuten Strassen durch die Stadt nach dem Dom getragen.
Zwei heilige Legenden sind in die Geschichte der Stadt Cöln verwebt: Ursula, eine christliche Fürstentochter, so erzählt die eine, machte im Jahre 236, als Maximinus Kaiser war, mit 11000 Jungfrauen eine Wallfahrt nach Rom; bei ihrer Rückkehr wurde sie, als sie mit ihren Begleiterinnen den Rhein hinabfuhr, bei Cöln von Räubern überfallen und mit ihrer Schaar getödtet; ein gleiches Schicksal erfuhr nach der zweiten Legende zur selben Zeit und an derselben Stelle der Führer der Thebaischen Legion, Gedeon, mit seinen Genossen. – Die Reliquien der heiligen drei Könige, das Martyrium von S. Ursula und S. Gedeon gaben die erste Veranlassung zu der, schon von Wolfram von Eschenbach in seinem Parcival hochgepriesenen Malerschule von Cöln.
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Hoch berühmt und weit verbreitet war die Malerschule von Cöln; aber über ihrer Geschichte liegt noch tiefes Dunkel, wenn auch in den letztverflossenen Jahrzehnten manches geschehen ist, es aufzuhellen. Noch gibt es in Cöln Malereien aus dem 13. Jahrhundert und vom Anfang des 14. Aber ein namhafter Meister tritt erst um 1380 auf; ihm ist das eine Bild der
gewidmet. Von ihm schreibt die Limburger Chronik zum Jahr 1380: „In dieser Zeit war ein Maler zu Cöln, der hiesse Wilhelm. Der war der beste Maler in allen Teutschen Landen, als er ward geachtet von den Meistern. Er malet einen jeglichen Menschen von aller Gestalt, als hätte er gelebt.“ – Er war von Herle, einem Dorfe in der Nähe von Cöln, wird aber als Meister Wilhelm von Cöln in der Kunstgeschichte aufgeführt. Da man besonders seine Madonnenbilder gepriesen, so hat ihn Cornelius dargestellt, wie ihm – während er vor seiner Staffelei kniet – die heilige Jungfrau mit dem Christkind in einer Glorie von Engeln erscheint.
Er hatte viele Schüler, die weit umher seine Kunst verbreiteten. Der vorzüglichste von ihnen, der auch in allen Stücken ihn übertraf, war der Meister Stephan, der das berühmte Cölner Dombild gemalt, die Anbetung der Könige mit der h. Ursula und ihren Jungfrauen und dem h. Gedeon nebst seiner Kriegerschaar. Es ist dies das Altargemälde, von welchem Albrecht Dürer im Tagebuch seiner niederländischen Reise schreibt: „Item hab 2 weiss pf. von der Taffel aufzusperren geben, die Maister Steffan zu Cöln gemacht hat;“ und Martin von Guaden in seiner „teutschen Nation Herrlichkeit, Cölln 1609“ berichtet: „Dürer bewunderte dieses Bild, war aber ganz erstaunt, als man ihm sagte, der Meister dieses Werks sei im Spital gestorben und erwiderte: „Ei, dass mögt ihr Euch wohl beruhmen, wird Euch feine Ehr sein, nachzureden, einen solchen Mann, durch den Ihr einen ruhmlichen Nahmen erwerben kunnen, also verächtlich und elendig hinzuweisen.“ Wir sehen im zweiten Bilde der Kuppel das traurige Lebensende des grossen Künstlers auf ärmlichem Strohlager im Spital, wie ihm der letzte Trost der Kirche gebracht wird.
Neben den Bildnissen von Meister Wilhelm und Meister Stephan sind noch diejenigen von Nicolaus Wurmser und Theodorich von Prag in die Ornamente eingefügt; denn in der Hauptstadt Böhmens blühte gleichzeitig unter dem kunstliebenden König Carl IV. eine ansehnliche Malerschule.
Wenn nun Cornelius die Eintheilung und Ornamentik der Loggia Giotto’s auf diese Loggia der deutschen Seite übergetragen, so scheint er der irrthümlichen Ansicht gefolgt zu sein, dass die cölnische Malerschule, sowie die florentinische des Giotto noch halbbyzantinisch gewesen seien. Die cölnischen Meister aber schöpften ihre Ideale nur aus der Phantasie; Giotto’s Quelle war das wirkliche Leben. Wenn jedoch in der
die christlichen Tugenden des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, als Leitsterne der cölnischen und der ihnen verwandten Malerschulen hingestellt sind, so kann die Geschichte keinen Einspruch erheben.
Dagegen geräth sie in Verlegenheit, wenn sie die Seitenbilder mit der [45] Malerschule von Cöln in Verbindung bringen soll. Links hoch oben sitzt König David; unter ihm steht Salomon mit dem Modell eines Tempels und blickt auf einen sehr erregten Mann, den wir für Jesaias oder Jeremias nehmen können. Für Letzteren würde die Hauptgruppe des Bildes sprechen, mit welchen die gefangenen Juden in Babylon bezeichnet sind. Nicht mehr Licht fällt auf die Kreuztragung auf der rechten Seite; es sei denn, dass die Passionsbilder einiger spätern cölnischen Meister, im Museum von Cöln, deren Namen bisher noch nicht ergründet worden, oder auch das grosse vieltheilige Altarwerk mit der Geschichte Christi in Calcar, dazu die Veranlassung gegeben.
Die cölnische Malerschule hatte sich über ganz Deutschland, Brabant und Flandern verbreitet, selbst in Frankreich grossen Einfluss gewonnen, als von den Niederlanden, zuerst scheinbar durch eine neue Technik, ein andrer Styl herbeigeführt wurde, welcher der gesammten deutschen Kunst eine andere Gestalt gab und neue Ziele steckte. Die Bilder der
sagen uns, dass diess durch die Brüder Hubert und Jan van Eyk geschehen ist, welche nebst ihrer Schwester Margareth aus Maaseyk bei Maastricht stammen. Hubert ist 1366 geboren und 1426 gestorben; Jan ist jünger, doch kennt man sein Geburtsjahr nicht; gestorben ist er (wahrscheinlich) 1445.
Was ihren Ruhm begründet, auf’s weiteste verbreitet und eine gänzliche Umwandlung der Malerei hervorgebracht hat, ist die Erfindung der Oelfarben, welche vorzugsweis das Verdienst Huberts ist, wenn auch Jan Verbesserungen gefunden haben mag. Auf dem ersten Bilde ist Hubert als Erfinder dargestellt, wie er, am Schreibpult sitzend, Oel auf die Steinplatte giesst, auf welcher er Farbe reiben lässt. Im zweiten Bilde lehrt er seinem jüngern Bruder Jan und seiner Schwester Margareth das Zeichnen und Malen; im dritten stehen beide Brüder mit einer ihrer Arbeiten vor dem Herzog Philipp dem Guten von Burgund, der – ein grossartiger Beschützer der Kunst – ihr besonderer Gönner wurde; im vierten endlich theilt Jan van Eyk das Geheimniss der Oelmalerei dem Antonello von Messina mit, durch welchen sie in Italien eingeführt wurde. – Im Rundbild der Mitte ist der vom Himmel gesegnete Liebesbund der beiden Brüder dargestellt.
Da Cornelius sich mit Wiederholung der Ornamentik an die Reihenfolge der Loggien der italienischen Abtheilung gebunden hat, so sah er sich gezwungen, die Gesammteintheilung der Loggia des Fiesole mit allen Ornamenten und Allegorien in der Loggia der van Eyk anzuwenden, während sie unzweifelhaft bei der cölnischen Malerschule viel richtiger am Platz gewesen sein würde.
Das von Hubert van Eyk begonnene und nach seinem Tode von seinem Bruder Jan vollendete Hauptgemälde der Schule ist das grosse, aus 14 auf beiden Seiten bemalten Tafeln (im Ganzen aus 22 Bildern) bestehende Altarwerk, ursprünglich in der Kirche S. Bavon in Gent (jetzt zum grössten Theil [46] im Berliner Museum), dem man sehr unbezeichneter Weise den Namen „Anbetung des Lammes“ gegeben, während es in umfassender Ausführung den Gedanken der streitenden und der triumphierenden Kirche versinnlicht. Cornelius hält sich im Bilde der
an die einmal übliche Benennung und behandelt das Thema der Anbetung des Lammes in eigenthümlicher geistvoller Weise. Indem er zu dem Gott Vater aus der Loggia des Fiesole die Taube des Heiligen Geistes fügt und über dem Altar mit dem Opferlamme schweben lässt, macht er das Bild zu einer Anbetung des dreieinigen Gottes. Die Nächsten am Altar sind, wie immer nach alter Ueberlieferung – Maria und Johannes der Täufer; die Engel aber, welche auf dem van Eyk’schen Bilde um den Altar knien, lässt Cornelius mit ihren Weihrauchgefässen über demselben schweben.
In wenigen Figuren sucht er sodann den im Genter Bilde auf’s reichste entwickelten Gedanken zusammenzufassen: die Märtyrer bringen ihre Palmen; heilige Sänger begleiten ihre Psalmen mit Harfenspiel; Fürsten legen ihre Kronen nieder am Altar, wie Papst und Kaiser es thun; dem Künstler aber erscheint das Ganze wie eine Vision, die er erstaunt betrachtet und im Bilde verewigt.
Die deutsche Kunstgeschichte lag noch ziemlich im Dunkel, als Cornelius seine Bilder aus ihr schöpfte; auch genügte ihm für seine Darstellungen eine allgemeine Kenntniss derselben, da es ihm mehr um den Inhalt und Charakter als um die richtige Classificierung der Werke zu thun war. Das erste Bild der
führt uns in das Hospital St. Johannes zu den Ursulinerinnen in Brügge. Eine, freilich unverbürgte, Sage lässt Hans Memling als verwundeten und kranken Soldaten in dieses, der Krankenpflege gewidmete Hospital, kommen, wo er bei sorgfältigster Behandlung seine Gesundheit wieder erlangte. Aus Dankbarkeit – wird weiter berichtet – malte er während der Genesung den braven Klosterschwestern ein schönes Bild, dessen Entstehung diese mit Erstaunen betrachten. Ist er im Hospital so lange geblieben, bis die Gemälde von ihm, die noch heute dort sind, gemalt waren, so hatte er sich mit der Genesung Zeit genommen; denn ausser dem den beiden Johannes gewidmeten Hauptaltarbild, dem man die unpassende Benennung: „Vermählung der H. Katharina“ gegeben, sieht man daselbst noch mehrere hochausgezeichnete, herrliche Werke von ihm. Der Johannes-Altar ist ein Triptychon, auf dessen Mittelbild Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist neben Engeln und anderen Heiligen, darunter S. Katharina, um den Thron der Heil. Jungfrau mit dem [47] Christkind stehen, das der heil. Katharina den Ring ansteckt. Auf dem rechten Flügel ist die Enthauptung des Täufers, auf dem linken die Vision des Evangelisten aus der Offenbarung dargestellt. – Ein zweites, köstliches Bild von Memling im Hospital ist das vom neugebornen Christkind, zu welchem die Könige kommen, es anzubeten. – Das dritte überaus herrliche, figurenreichste, aufs vollkommenste ausgeführte Werk Memlings an demselben Ort ist der Reliquienschrein der Heil. Ursula mit einer langen Bilderfolge aus ihrem Leben. Darauf deutet Cornelius mit der Gestalt dieser Heiligen in Begleitung einiger Genossinnen; auf die Geburt Christi mit der Anbetung desselben durch Joseph und Maria; die Apokalypse ist durch die drei Reiter: Hunger, Pest und Tod und durch den Engel mit der Schaale des Zorns bezeichnet; der Täufer sitzt halb liegend am Boden vor dem Maler, dem ein Engel die Tafel hält, auf welcher er verzeichnen wird, was seine Augen schauen.
Als Arbeiten Memlings galten vordem 4 Tafeln, von denen 2 im Museum von Berlin, 2 in der Pinakothek von München aufbewahrt werden. Sie gehören zu einem Altarwerk, dessen Mittelbild noch jetzt in der St. Peterskirche zu Löwen an ursprünglicher Stelle steht. Dieses stellt die Einsetzung des h. Abendmahles vor; die 4 anderen Bilder enthalten Anspielungen darauf: Abraham und Melchisedech, den Mannaregen, die Speisung des Elias in der Wüste und die Feier des Osterlammes. Wir wissen jetzt, dass sie von dem Maler Dierk Bouts gefertigt sind. Cornelius hat als besonders bezeichnende Gegenstände „Osterlamm und Abendmahl“ in den Bilderschmuck der Kuppel aufgenommen.
Eines der schönsten Bilder Memlings befindet sich in der Pinakothek von München: die Tafel mit den sieben Freunden der Maria, auf welcher die Vision der H. drei Könige, ihr Zug zum „neuen König der Welt“, ihre Ankunft bei Herodes, ihre Anbetung des Christuskindes und ihre Heimkehr abgebildet sind. Und darum nehmen sie die Mitte der Kuppel ein, wo ihnen der verheissungsvolle Stern erscheint. Der Bilderschmuck der
ist lediglich eine Wiederholung der malerischen Ausschmückung der Lunette in der sechsten Loggia der italienischen Abtheilung.
[48]
Jan v. Schoorel, aus Holland, geb. 1495 gest. 1562 ist zu unverdienten Ehren gekommen, indem man ihm vortreffliche Bilder, wie den „Tod der Maria“ in der ehemals Boissereé’schen Sammlung zugeschrieben, die der Cölnschen Schule entstammen aus einer Zeit, in welcher er schwerlich schon einen Pinsel in die Hand genommen. Er gehört mit Mabuse zu den italienisierten Niederländern, der nachdem er von Bernhard von Orley zu Mabuse, von da zu Dürer, nach Venedig und weiter gewandert endlich in Rom in den Werken Raphaels und Michel Angelos seine genügenden Vorbilder fand.
Lucas Huygens von Leyden, geb. 1494 gest. 1533 entwickelte sehr früh ein grosses Talent, indem er schon in seinem neunten Jahre eigene Compositionen in Kupfer stach. Sein Lehrer war Cornelis Engelbrechtsen; er blieb inmitten ultramontaner Kunstbestrebungen dem deutschen Styl in eigenthümlichster Weise getreu.
Eintheilung, Ornamente und Figuren sind im Wesentlichen eine Wiederholung aus der VII. Loggia der italienischen Seite. In der Mitte der
ist jedoch das Bildniss des Lucas von Leyden angebracht, und die Maler auf den Postamenten sind als seine Zeitgenossen Quinlin Messys, Joh. Mabuse, Lucas Cranach und Martin Hemskerk bezeichnet. – In der
Lunette (Tafel 48)
ist ein kleines Bild eingefügt, das Zeugniss geben soll von der Arbeitkraft und dem unermüdlichen Fleiss des Lucas, der, auf das Krankenlager geworfen, einen Carton über sein Bett hatte befestigen lassen, um in seiner Kunstthätigkeit nicht unterbrochen zu werden.
[49]
Hans Holbein d. J. gehört in die erste Reihe der grossen Künstler aller Zeiten. Geboren zu Augsburg im Jahre 1497 (oder 1498) entwickelte er unter Leitung seines Vaters sehr frühzeitig sein bedeutendes Talent. Er siedelte (wahrscheinlich um 1516) nach Basel über, ging dann nach England, wo er – nachdem er wohl mehr als einmal nach Deutschland zurückgekehrt – 1554 (in London) an der Pest starb.
Die Eintheilung nebst Ornamenten und Figuren ist eine Wiederholung der italienischen Loggia VIII. Doch sind in der
vier Bilder dem Holbein gewidmet. Das erste bezieht sich auf seine berühmte, für den Bürgermeister Jacob Meyer gemalte Madonna, die in unseren Tagen so viel Staub unter Kunstgelehrten und Kennern aufgewirbelt hat, dass Mancher darüber vergessen hat, an ihrer hohen Schönheit sich zu erfreuen. Man streitet über das Recht der Originalität von zwei Exemplaren, von denen das eine in Dresden, das andere in Darmstadt ist. Das letztre ist kaum zweifelhaft das ursprüngliche, aber fast gänzlich übermalt; das erstere, vollkommener in der Composition eine Wiederholung, und zwar grossentheils – wie ich glaube – von Holbein selbst.
Cornelius trägt zur Entscheidung der Streitfrage nichts bei; er lässt Holbein sich in träumerisches Sinnen versenken, um das Bild der Seligsten unter den Heiligen zu finden. Da naht sie sich ihm ungesehen, umgeben von Seraphim mit dem Christuskinde, das mit seinem Segen ihn zur vollkommenen Lösung seiner Aufgabe befähigt.
Die Reise nach England war für den noch nicht berühmt gewordenen Künstler eine gewagte Unternehmung. Bekannt mit Erasmus von Rotterdam, der einflussreiche Verbindungen in London hatte, besuchte er denselben, bevor er Deutschland verliess und erhielt von ihm, (beim Abschied) ein Empfehlungsschreiben an Thomas Morus, zur Zeit Grosskanzler von England. Die Empfehlung ward gut aufgenommen und erwies sich wirksam; der Grosskanzler liess sich und seine Familie von Holbein malen; und so gelungen war das Bild, dass er Sr. Majestät den König Heinrich VIII. einlud, es zu sehen; der denn auch so grosse Freude daran hatte, dass er nicht nur selbst dem Künstler zum Bildniss sass, sondern ihn auch sonst noch vielfältig beschäftigte.
Die vier Rundbilder mit den Künstler-Gestalten haben keine Unterschrift. Die Kunstgeschichte könnte die Namen von gleichzeitigen schwäbischen Meistern einzeichnen, von Hans Holbein d. Ae., dem Vater des jüngeren Holbein, geb. um 1460, gest. 1523. – Bartholomäus Zeitblom, geb. um 1447, gest. nach 1517. – Martin Schaffner von 1508 bis 1535 thätig; und Hans Burgkmair, geb. zu Augsburg 1472, gest. 1559 (?).
Im Gedächtniss des Volkes lebt H. Holbein durch keines seiner Werke so sicher fort, als durch den Todtentanz. Er ist darum der Gegenstand der Bilder der
Der Tod naht nicht allein den Lebensmüden, Schwachen, Kranken und Hinfälligen; er meidet sogar die Krüppel und Elenden, die Armen und Nothleidenden; er mischt sich unter das lustig tanzende Volk, und tanzt mit einer fröhlichen Dirne, mit einem übermüthigen Burschen den letzten Reigen; liebenden Paaren schleicht er nach und stiehlt dem glücklichen Bräutigam die lachende Braut; wo bei Musik und Gesang und bei Tafelfreuden die Reichen sichs wohl sein lassen, da springt er herein als ungebetener Gast und endet das Gelage. So spielt der Humor mit dem Leben!
[50]
Albrecht Dürer ist 1471 zu Nürnberg geboren, stammt aber aus einer ungarischen Familie. Sein Vater, ein Goldschmied, wollte ihn zu seiner Kunst erziehen, gab aber bald der Neigung desselben zur Malerei nach. Sein erster Lehrmeister war Michael Wohlgemuth; bald aber nahm er sich Martin Schongauer zum Vorbild. 1506 machte er eine Reise nach Venedig, Padua und Bologna, konnte sich aber mit der italienischen Kunst, wenn er auch ihre Vorzüge in der Malerei richtig würdigte, nicht wohl befreunden. 1520 reiste er nach dem Rhein und in die Niederlande, wo er viel Ehren erlebte von Künstlern und den Grossen der Erde, aber keinen materiellen Gewinn davon trug. Der Kirchenreformation Luthers schloss er sich mit aller Wärme an. Er war Künstler in umfassendem Sinne, gross als Maler, Kupferstecher, Holzschneider, dazu von hoher wissenschaftlicher Kenntniss. Er starb am 6. April 1528.
Als Albrecht Dürer 15 Jahre alt war, brachte ihn sein Vater zu Michael Wohlgemuth in die Lehre für 3 Jahre, in denen er – wie er selber erzählt – mit Fleiss wohl lernte, aber viel von seinen Knechten leiden musste. – Im Jahre 1494, nachdem Dürer von einer vierjährigen Wanderschaft zurückgekehrt, gründete er sein Hauswesen durch Heirath mit Jungfrau Agnes, der Tochter von Hans Frey, von welcher die Rede ging, dass sie ihm das Leben nicht sehr heiter gemacht habe. Namentlich soll sie es sehr ungern gesehen haben, wenn der kaiserliche Rath, Wilibald Pirkheimer zu Besuch kam, weil sie fürchtete, er halte ihren Mann vom Arbeiten ab. Er war aber ein grosser Gelehrter, ehrte und liebte den Künstler von Herzen und theilte ihm gerade oft von seinen wissenschaftlichen Kenntnissen mündlich oder aus Büchern etwas mit, und hat ihn, als sein sehr guter Freund, auch wohl manchmal aus der Werkstatt zu freiem Lebensgenuss abgeholt.
Man kann Dürer nicht leicht zu hoch schätzen. Er war Maler, Kupferstecher, Bildschnitzer und Baumeister. Er führte die Kunst in die Gebiete der Wissenschaften, der Poesie und Philosophie und lässt sie in allen Lebenskreisen, und alle Lebenskreise auf sie wirken; er wächst vom einfachen Künstler und schlichten Reichsbürger zum Träger des Geistes seines Volkes und seiner Zeit empor, so dass Melanchthon von ihm in späteren Jahren sagen konnte: an ihm sei die Malerkunst, so hoch sie gestanden, nur das wenigst Bedeutende im Vergleich zu seinem Geiste, mit dem er alle Dinge erfasst und in sich verarbeitet habe. Dazu war er im vollsten Sinne des Worts ein christlicher Künstler, und Christus das Α und Ω seines Schaffens und Lebens, was Cornelius im Rundbild der Decke besonders hervorgehoben hat. – Die beiden namenlosen Bildnisse stellen vielleicht seinen Vater und seinen Meister vor; doch sind die Originalbildnisse derselben in der Pinakothek zu München bartlos. In der
gedenkt Cornelius zweier besonderen Ehrenbezeigungen, die Albrecht Dürer erlebt hat, von denen wenigstens die eine vollkommen beglaubigt ist. Hatte sich Carl V. zur Erde gebückt, um einen Pinsel aufzuheben, der dem Tizian aus der Hand entfallen, so ist es auch, ohne archivalische Urkunde anzunehmen, es habe [51] sich wirklich zugetragen, dass Kaiser Maximilian, als er den Meister Albrecht in sehr gefährlicher Stellung an der Wand des Rathhaussaales in Nürnberg habe malen sehen, zum Schrecken seiner Hofleute, aber auch zum Vorwurf für sie, herbei gesprungen sei, die Leiter zu halten, auf welcher Dürer stand.
Zu dem zweiten Bilde liefert Dürer selber den Text, in seinem Tagebuch von der niederländischen Reise, wo er schreibt: „Am Sonntag war auf St. Oswaldt-Tag, da luden mich die Maler auf ihre Stuben mit meinem Weib und Magd, und hatten alleding mit Silbergeschirr und andern köstlichen Geziehr und über Köstlich essen. Es waren auch ihre Weiber alle do, und do ich zu Tisch geführet ward, da stund das Volk auf beiden Seiten, als führet man einen grossen Herrn.“
Claude Gelée, genannt Claude le Lorrain, geb. 1600 auf dem Schloss Champagne bei Toul, schwang sich vom ungeschickten Koch und Pastetenbäcker zum grössten aller Landschaftmaler empor. In Rom lernte er den Maler Sandrart kennen und befreundete sich aufs innigste mit ihm. Den grössten Theil seines Lebens brachte er in Rom zu, und starb daselbst 1682.
Gleich dem Correggio, dessen Loggia die seinige entspricht, beherrschte er, wie die Bilder der
auch bei ihm andeuten, alle Elemente; in beglückender Ruhe schaut er dem glänzenden Untergang der Sonne zu, während der liebliche Zephyr ihm Kühlung zufächelt, Psyche mit der Hirtenflöte naht und Amor die Seiten der Lyra rührt; denn Licht, Liebe und Leben beseelen seine Landschaften und üben den beglückendsten, Ruhm und Frieden verbreitenden Zauber über den Beschauer aus.
Rembrand van Rhyn, Sohn des Müllers Hermann Gerritz, geb. 1606, Maler und Radirer, liess sich 1630 in Amsterdam nieder, wo er sehr bald zu grossem Ruhm als Künstler gelangte. Er starb 1665.
Er ist einer der originellsten Künstler, der die Aufgabe der Kunst in der grössten Natürlichkeit, und das zuverlässigste Gepräge der Natürlichkeit im Hässlichen sah, das vorzugweise mit dem Mangel an Bildung und Wohlleben verbunden ist. Dem übeln Eindruck, den schlechte Formen und rohe Züge, ärmliche oder geschmacklose Kleidung machen müssen, begegnete er mit dem Zauber des Lichtes, den er durch eine grosse Beschränkung desselben im Gegensatz durch ein breites und tiefes, aber durchsichtig klares Dunkel hervorzubringen wusste. Cornelius hat diese Eigenthümlichkeit Rembrands in der
auf sinnreiche Weise bezeichnet, indem er den Künstler in seinem Beruf beschäftigt darstellt, hinter ihm die nordische Nacht, vor ihm, auf dem räthselhaften Thier des Greifen, Phantasus mit dem grellen Licht der Blendlaterne. Darüber der Genius mit dem Senkblei, als Sinnbild der Gründlichkeit, die selbst die Tiefe des Meeres misst, und die Kunst vom Phönix aus Flammen emporgetragen zu neuem Leben, da das alte erschöpft war.
[52]
Der Bilderschatz der Pinakothek theilt sich vornehmlich in Werke der italienischen und der deutschen Kunst. Ausserdem besitzt sie eine nicht unbeträchtliche Anzahl werthvoller spanischer Gemälde und einige wenige französische. Vielleicht wäre es angemessen gewesen, in den Loggienbildern sich auf die beiden Hauptgruppen zu beschränken, wobei Claude als „Claudius der Lothringer“ bei den Deutschen seine Stelle ohne Beanstandung eingenommen hätte. Statt der Franzosen, die so schwach vertreten sind, wären – wenn überhaupt ein drittes Element eingeführt werden sollte – die Spanier am Platz gewesen, die im Katalog mit den Namen von Velasquez, Zurbaran, Spagnoletto, vor Allen Murillo glänzen; besser jedoch wäre gewiss das Festhalten an der Zweitheilung gewesen, bei welcher dem Van Dyk eine Loggia zugefallen wäre, dessen viele und köstliche Gemälde zu den Hauptzierden der Pinakothek gehören.
Cornelius hat es vorgezogen, den Ehrenplatz unsern nächsten westlichen Nachbarn anzuweisen.
Nicolas Poussin, geb. zu Andelys 1594, gest. zu Rom 1665, war Historien- und Landschaftmaler, beides von grosser Auszeichnung. In dem Rundbild der
bezeichnet der Amor mit der Lyra auf dem Schwan den poetischen Charakter der Landschaften Poussins, die durch Ernst und Erhabenheit wie durch das Gleichgewicht der Massen und den Rhythmus der Linien classischen Werth und ästhetische Gesetzeskraft gewonnen haben.
1640 war Poussin nach langem Aufenthalt in Rom nach Paris zurückgekehrt, ward erster Maler des Königs und viel beschäftigt, was den Neid und die Kabale andrer Künstler, namentlich des Landschaftsmalers Fouquier und des Architekten le Mercier gegen ihn weckte, gegen die ihn Minerva und Apoll, Weisheit und Wahrheit, vertheidigten, unter deren Schutz er sein berühmtes Gemälde vom Siege der in den Armen der Zeit emporgetragenen Wahrheit malte. 1645 nach Rom zurückgekehrt, gründete er daselbst eine Schule, in welcher er zahlreiche Talente glücklich ausbildete. – Wenn nun auch die meergeborne Göttin neben den Bildern seines Lebens erscheint, so erinnert sie uns nur, wie Poussin unermüdlich bestrebt gewesen, seinen Gestalten Schönheit der Form und Bewegung zu geben; die Argonautenfahrt aber deutet nicht, wie in der Loggia der Venetianer, auf Erwerb von Reichthum und Macht; was er im Orient suchte, war die Kunst von Hellas, die unvergleichliche Herrlichkeit der antiken Sculpturen.
Eustache le Sueur, Sohn eines Bildhauers, geb. zu Paris 1617, erwarb sich durch seinen Schönheitsinn und die Seelenhaftigkeit der Gestalten den Namen eines französischen Raphael, hatte sich auch vorzüglich nach den Werken des grossen Urbinaten gebildet, obwohl er nicht nach Italien gekommen. Er lebte in Armuth und starb jung. Ihm ist die
gewidmet. Sein unermüdliches und tiefernstes künstlerisches Studium unterbrach selbst die Nacht nicht; bei Sternenschimmer und Mondschein lässt ihn Cornelius in seine Arbeit versenkt sein, wobei Psyche ihm die Leuchte hält. – Sein schönstes Werk ist „die Bilderfolge aus dem Leben des H. Bruno“, die er für die Karthäuser von Paris und zwar in ihrem Kloster malte, und welche man wohl den Triumph der älteren französischen Kunst nennen kann. Es waren 22 Tafeln, welche die Karthäuser dem König Ludwig XVI. zum Geschenk machten und die, später auf Leinwand übertragen, jetzt im Louvre aufgestellt sind.
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Der glänzendste Name der deutschen Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts ist der des Peter Paul Rubens. Kein Künstler seines und des nachfolgenden Jahrhunderts hat ihn an Talent, Phantasie, Vielseitigkeit und Arbeitkraft erreicht; im Zeitalter des Michel Angelo würde er mit diesem um die Palme des Sieges mit grossem Erfolg gerungen haben.
P. P. Rubens, Sohn des Dr. Johann Rubens in Antwerpen, der sich 1568 vor politisch-religiösen Verfolgungen nach Cöln geflüchtet, geb. daselbst (oder im benachbarten Siegburg) 1577, aber nach des Vaters Tode 1578 mit Mutter und Geschwistern nach Antwerpen übergesiedelt, erlernte die Kunst zuerst bei dem Landschaftsmaler Verhaegt, dann bei Van Oort, und endlich bei Otto van Veen, auf dessen Rath er 1600 nach Italien ging. 1607 verliess er Rom und kehrte nach einem kurzen Aufenthalte in Genua 1608 nach Antwerpen zurück, ward 1609 erzherzoglicher Hofmaler, verheirathete sich 1613 mit Elisabeth Brandt, und nach deren 1628 erfolgtem Tode 1630 mit Helene Forman, fing 1635 an zu kränkeln und starb an der Gicht am 30. Mai 1640.
Hohe geistige wie ausdauernde leibliche Kraft bilden wie bei Michel Angelo die Grundbedingungen seiner bewundernswürdigen Kunstthätigkeit; desshalb kehren in der
die allegorischen Bilder derselben aus der Loggia XII der italienischen Abtheilung hier wieder. Sein Geist umfasste die ganze sichtbare und die unsichtbare Welt: heilige wie profane Geschichten, Christenthum wie Heidenthum, Allegorien, Bildnisse, Stadt- und Landleben, hohes, edles wie gemeines, Landschaften und Stillleben. Sass er vor der Staffelei, so war es, als ob die Phantasie ihr reichstes Füllhorn über ihn ausschütte; aber oft lag reine Liebe schlummernd unter ihr und eine wüste bacchanalische Gruppe wachend hinter ihm. – Da trat es mehrfach zu Tage, was Cornelius mit dem Rundbilde in der Mitte sagen will, wo der Genius der Rubensschen Kunst der Göttin zu Sais (der Natur) den verhüllenden Schleier entreisst und mit brennender Fackel ihre Blössen beleuchtet. – Die beiden Flussgottheiten Rhein und Schelde weisen auf Geburt und Tod des Künstlers hin.
Die Königin Maria Medicis von Frankreich hatte Rubens im Jahre 1620 beauftragt, eine lange Reihe von Darstellungen aus ihrem Leben für das Palais Luxembourg in Paris zu malen; er war 1625 in Paris und legte ihr die Entwürfe derselben zu Füssen.
Rubens ward auch mit verschiedenen diplomatischen Sendungen beauftragt. Von einer derselben gibt das Mittelblatt der
Kunde. Der niederländische Hof hatte ihn 1628 zu König Philipp IV. nach Madrid gesendet, um ihm die Noth des Landes und die Klagen des Volkes vorzutragen. Er richtete seinen Auftrag mit solcher Liebenswürdigkeit und Gewandtheit aus, dass König Philipp nebst seinem Minister Olivarez in ihm die geeignetste Persönlichkeit erkannte, den Krieg zwischen Spanien und England [54] auf annehmliche Weise zu endigen, und den Erzherzog Albrecht bestimmte, Rubens als Abgesandten an den Hof Carls I. nach London zu senden, um den Frieden zu vermitteln. Der niederländische Hofmaler als Diplomat bei Carl I. von England – das ist das Thema des Bildes in der Lunette.
Wenn nun in der entsprechenden Lunette der italienischen Seite Christenthum und Hellenismus die Nebenräume einnehmen, so führt uns Cornelius an derselben Stelle bei Rubens ähnliche Gegensätze vor, die er aus der Mythologie der Griechen schöpft: indem er an das Feuer erinnert, das Rubens, wie einst Prometheus, vom Himmel geholt; aber auch den Sinnengenuss, den die Mythologie in der Liebe von Bacchus und Ariadne verherrlicht.
- ↑ Cornelius an Schlotthauer: Düsseldorf 1822. „Bei Euch muss immer ein Dictator sein. Ich aber habe wenig Lust, unter Klenzes Oberherrschaft eine immer gelähmte und nur halbe Wirksamkeit zu wählen. . . . Wenn es meine Sache nicht ist, mich vorzudrängen, so lasse ich mich auch nicht in den Winkel schieben. „Ringseis an den Kronprinzen: München, Jan. 23. „Es trennt den Cornelius und Klenze nicht blos die Verschiedenheit ihrer Richtung in der Kunst, sondern des ganzen Charakters.“ – S. E. Försters, Cornelius, ein Gedenkbuch, Berlin 1874. I. S. 262.
- ↑ Man sehe den Kopf des Christuskindes in E. Försters Denkmalen italienischer Malerei I. Taf. 16.
- ↑ S. Geschichte der ital. Kunst von E. Förster, I. p. 192. Crowe und Cavalcaselle, History of painting in Italy. I. p. 176 ff.
- ↑ Denique sum Jottus. Quid opus fuit illa referre? Hoc nomen longi carminis instar erit.
- ↑ Wenn Vasari Benedict IX. nennt, so meint er wahrscheinlich Benedict XI, der von 1303 bis 1305 auf dem päpstlichen Stuhle sass, um welche Zeit aber Giotto mit einem grossen Frescowerke in der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt war. Uebrigens war es der Cardinal Gaetano Jacopo Stefaneschi, der ihn 1298 – vielleicht im Auftrag von Bonifacius – berief, der seit 1294 regierte.
- ↑ 1303 bis 1306 war Giotto, wie erwähnt, in der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt. Die vorhandenen Ueberreste von Malereien im päpstlichen Schloss zu Avignon haben das Gepräge der sienesischen Malerschule.
- ↑ Ein möglichst vollständiges Verzeichniss seiner Malereien, auch der ihm zugeschriebenen, mit Angabe über deren Schicksal findet man in E. Försters Geschichte der ital. Kunst, Bd. I. S. 221 ff.
- ↑ Ausführliche Angabe über dieselben in E. Försters Geschichte der ital. Kunst, III, p. 156 ff.