RE:Ἐφίππιον
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Reitdecke, anstatt unseres Sattels | |||
Band V,2 (1905) S. 2853–2857 | |||
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Ἐφίππιον (nicht ἐφίππειον, s. Steph. Thes. ling. Graec. u. d. W.) ist die Reitdecke, deren sich die Alten anstatt unseres Sattels bedienten, sei es ein Tierfell, sei es eine Schabracke aus Stoff. Als sagenhafter Erfinder wird Plin. n. h. VII 56 Pelethronius (s. d.) genannt. Der Umstand, [2854] daß sich auf orientalischen Denkmälern, den babylonisch-assyrischen wie den persischen, die Reitdecke schon sehr früh beobachten läßt, jedenfalls viel früher als man bei den Griechen eine Spur von ihrem Gebrauche entdecken kann, führt zu dem Schlusse, daß, wie so viele andere Dinge, so auch die Anwendung der Reitdecke den Griechen vom Morgenlande her übermittelt worden ist. Ein in Kujjundschik (Niniveh) gefundenes, im British Museum zu London aufbewahrtes Alabasterrelief zeigt uns z. B. ganz deutlich, wie der assyrische König Assurbanipal (668–626 v. Chr.) auf einer Reitdecke sitzend auf die Jagd reitet (gut abgebildet z. B. bei Morgan The art of horsemanship by Xenophon, Boston 1893, 145). Aus dem (unechten?) nicht vor 364 v. Chr. verfaßten Nachworte zu Xenophons Kyrupaedie (VIII 8, 19), wo über die Verweichlichung der persischen Sitten durch medischen Einfluß geklagt wird, darf man schließen, daß die Perser den Gebrauch der Reitdecke von den Medern angenommen haben (νῦν δὲ στρώματα πλείω ἔχουσιν ἐπὶ τῶν ἵππων ἢ ἐπὶ τῶν εὐνῶν). Wenn wir nun nach einer ungefähren Zeitangabe für die Einführung des E. in Griechenland forschen, so lassen uns die bildlichen Darstellungen insofern im Stiche, als man durch sie leicht zu einem falschen Schlusse gelangen könnte. Denn soweit ich sehe, findet sich das E. auf Bildwerken in Griechenland nicht vor der Zeit Alexanders d. Gr. Da wir aber sicher wissen (s. u.), daß das E. bei der attischen Reiterei mindestens schon 40 Jahre früher bekannt und in Gebrauch war, so kann ich mir dieses auffällige Schweigen der Denkmäler nur durch die bei den griechischen Bildnern so mächtig wirkende Tradition erklären. Sie konnten sich eben nicht entschließen, von der Schulüberlieferung, die die Reiter nicht anders als auf nackten Pferden darzustellen vorschrieb, abzuweichen. Ausnahmen sind sehr selten und gehören ihrem Entstehungsorte nach alle ins ägyptische oder kleinasiatische Ausland, wo die eingewanderten Kunsthandwerker – denn um solche handelt es sich hier – unter fremdländischem Einflusse arbeiteten, Lafaye bei Daremberg et Saglio II 647f. Eine Bestätigung findet das oben Gesagte in den zahlreichen Darstellungen berittener Amazonen (vgl. Bd. I S. 1771ff.). Ich finde die Reitdecke auf keiner in der voralexandrinischen Zeit, was um so bemerkenswerter ist, als dieses weibliche Reitervolk seine Heimat in Kleinasien hatte, wo sie, wie wir sahen, schon längst im Brauche war; in späterer Zeit dagegen erscheint sie, so z. B. in Gestalt eines großen Jagdtierfelles, auf den prachtvollen Reliefs eines Sarkophags in Wien, Baumeister Denkm. Fig. 64 (nicht vor dem 2. Jhdt. v. Chr.). Die Größe der hier sichtbaren Bedeckungen der Pferde steht im Einklange mit der Vorschrift, die Xenophon in seinem Buche über die Reitkunst XII 8 gibt: πάντων δὲ μάλιστα τοῦ ἵππου τὸν κενεῶνα δεῖ σκεπάζειν · καιριώτατον γὰρ ὂν καὶ ἀφαυρότατόν ἐστι · δυνατὸν δὲ σὺν ⟨ταῖς πλευραῖς Tommasini⟩ τῷ ἐφιππίῳ καὶ αὐτὸν σκεπάσαι. Dieselbe große Form der Reitdecke beobachtet man auf den Reliefs des berühmten sog. Alexandersarkophags von Sidon (Ende des 4. Jhdts. v. Chr.), namentlich bei dem Reiter auf der einen Schmalseite. Vgl. auch Verg. [2855] Aen. VIII 558: fulva leonis pellis obit totum (equum) praefulgens unguibus aureis. Von Alexander d. Gr. erzählt Diod. XVII 77, daß er, auf dem Gipfel seiner Macht morgenländische Sitten annehmend, καὶ τοῖς ἵπποις Περσικὰς σκενὰς περιέθηκεν. Wenn er sich also nicht schon vorher eines E. bediente, so nahm er es jedenfalls von dieser Zeit an in Gebrauch, da es, wie wir oben gesehen haben, zur persischen Ausrüstung eines Reitpferdes gehörte. Die bekannte Bronze aus Herculanum stellt ihn denn auch auf einer von einem Bauch- und Brustgurte gehaltenen Schabracke sitzend dar, Baumeister Fig. 47. Daß die Reitdecke von der Zeit an, wo sie sozusagen hoffähig geworden war, nun auch in den künstlerischen Darstellungen des Hellenismus Eingang und Verbreitung gefunden hat, wird uns nicht wundern. Die erste Erwähnung des E. in der Literatur und somit der erste Beweis seiner Verwendung in Griechenland findet sich in Xenophons Ἱππαρχικὸς VIII 4: χρὴ δὲ, ἐπείπερ χαλινοὶ καί ἐφίππια ἐξ ἱμάντων ἠρτημένα ἐστι [χρήσιμα], μήποτε τὸν ἵππαρχον τούτων (d. i. τῶν ἱμάντων) ἔρημον εἶναι (vgl. Kyrupaed. VI 2, 32). Diese Stelle beweist zweierlei: erstens, daß das E. schon damals mit Riemen, jedenfalls mit Bauchgurt und Brustriemen, dem Pferde aufgeschnallt wurde, und zweitens, daß kurz vor dem J. 362 v. Chr. – denn in diese Zeit fällt die Abfassung der Schrift – die attische Reiterei mit dem E. ausgerüstet war (Terminus ante quem!), während wir in dem berühmten Reiterzuge des etwa 80 Jahre früher entstandenen Pheidiasischen Parthenonfrieses noch keine Spur davon entdecken können. Es wäre jedoch voreilig, aus diesem Umstande ohne weiteres schließen zu wollen, daß zu jener Zeit das E. in Griechenland noch unbekannt und unbenutzt gewesen wäre; denn abgesehen von dem oben über die Macht der Schulüberlieferung Gesagten ist es sehr wohl möglich, daß man das Kriegsroß – dieses hat Xenophon in seinen equestrischen Schriften im Auge – bereits mit einem E. ausstattete, wo Ritual oder Tradition für diese religiöse Prozession noch das Reiten auf blanken Pferden verschrieb. Vgl. das unten über die römische transvectio equitum Gesagte. In dem später verfaßten Reitbuche Xenophons wird des E. zweimal gedacht. Aus der ersten Stelle VII 5: ἐπειδάν γε μὴν καθίζηται ἐάν τε ἐπὶ ψιλοῦ ἐάν τε ἐπὶ τοῦ ἐφιππίου κτλ. geht hervor, daß sich die Reiter damals noch nicht durchweg des E. bedienten. An der zweiten schon oben angeführten Stelle (XII 8) heißt es weiter: χρὴ δὲ καὶ τὸ ἔποχον τοιοῦτον ἐρράφθαι ὡς ἀσφαλέστερόν τε τὸν ἱππέα καθῆσθαι καὶ τὴν ἕδραν τοῦ ἵππου μὴ σίνεσθαι. Leider erfahren wir aus diesen Worten nicht mit genügender Deutlichkeit, wie wir uns das ἔποχον vorzustellen haben, namentlich nicht, ob es an Stelle des E. oder, was wahrscheinlicher, mit diesem zusammen, etwa darauf oder darunter befestigt, gebraucht wurde. Jedenfalls wird es ein Polsterkissen gewesen sein, nicht größer als für den Sitz des Reiters nötig, am Vorder- und Hintersaume mit Bauschen versehen, die dem Reiter einen sicheren Sitz gaben, und so genäht, daß das empfindliche Rückgrat des Pferdes von Druck verschont blieb. Nicht im E. also, sondern im ἔποχον hätten wir den eigentlichen [2856] Vorläufer unseres heutigen Sattels zu erblicken, der ja auch den doppelten Zweck hat, dem Reiter einen sicheren Sitz zu verschaffen und zugleich das Pferd vor Druckschäden zu bewahren, was dadurch erreicht wird, daß das Gewicht des Reiters nicht unmittelbar auf das Rückgrat, über dem vielmehr ein hohler Raum, die sog. Kammer, bleibt, sondern auf die beiderseitigen elastischen Rippen des Pferdes übertragen wird, Pollux X 54: ἐπὶ δὲ τοῖς μονίπποις δέοιτο ἄν τις ἔχειν σάγην, ἔποχον, ἔφιππον (wofür ἐφίππιον zu lesen ist). Sonstige Erwähnungen des E. bei Lukian. navig. s. vota 30; de histor. conscrib. 45 (im Bilde). Plut. Artoxerx. 11: ὁ ἐφίππιος πῖλος, die Filzdecke. Suid. s. ἐφίππειον und ἐφίππιον, was nur hier als ἀγώνισμα ἐφ' ἵππων τρεχόντων glossiert wird. Die Römer haben mit der Sache auch die Bezeichnung von den Griechen herübergenommen. Cicero nennt de fin. III 4 E. unter den griechischen Fremdwörtern, für die sich kein entsprechender lateinischer Ausdruck finde. Damit stimmt überein, daß sechs Jahre vorher Caesar bell. Gall. IV 2 und wohl noch früher Varro sat. Menipp. 97 Büch., derselbe auch de re rust. II 7, 15 (37 v. Chr.) sich dieses Fremdwortes bedient haben. Vgl. Non. p. 108 s. ephippium; ebenso Hor. epist. I 14, 43 (20 v. Chr.) im Sprichworte, und später noch Gell. V 5. Daneben wird das lateinische Wort stratum (s. d.) gebraucht, doch mit dem Unterschiede, daß es nicht wie der vornehmere griechische Ausdruck bloß die Reitdecke des Pferdes, sondern auch die Bedeckung jedes anderen Tieres, z. B. eines Esels oder Maultieres, bezeichnen kann, Liv. VII 14, 7. Plin. n. h. VII 56. Ovid. met. VII 33. Senec. epist. 80, 8. Liv. XXVII 20, 4 (190 v. Chr.): strati equi, 12: equos sternere, aber von den asiatischen Reitern des Antiochos gesagt. Auch stragulum begegnet Martial. XIV 86 mit der Überschrift Ephippium. Die Bezeichnung sella (s. d.) für Sattel ist spätlateinisch. Daß die Reiterei Caesars in Gallien mit dem E. ausgerüstet war, erhellt aus der bereits oben angeführten Stelle bell. Gall. IV 2, ebenso daß die Sueben im Gegensatze dazu nur auf blanken Pferden ritten und es aus Verachtung mit jeder auch überlegenen Schar von ephippiati equites aufnahmen. Auch von den Libyern wird mehrfach hervorgehoben, daß sie auf nackten Pferden ritten, Arrian. de venat. 24, 3. Sil. Ital. II 349. Auf römischen Denkmälern ist das E. schon ziemlich früh nachweisbar, zuerst wohl auf einer Münze bei Cohen Monn. d. l. républ. Marcia 5 (Eckhel D. N. V 248), auf der ein Reiter mit E. dargestellt ist, nach Cohen Q. Marcius Philippus, der Besieger des Perseus im zweiten Makedonischen Kriege, nach Th. Mommsen-Blacas Hist. de la monn. Rom. II 347 Q. Marcius Tremulus, Consul des J. 306 v. Chr. (Eckhel V 249). Auch der Diktator Sulla erscheint auf Münzen als Ephippiatus, Cohen ebd. Marcia 13. Mommsen-Blacas II 443. Daremberg et Saglio II 646. In der Kaiserzeit häufen sich die einschlägigen Denkmäler: der Gebrauch des E. wird sich da namentlich auch im Heere immer mehr eingebürgert haben. Wenn Cass. Dio LXIII 13 unter dem J. 66 n. Chr. berichtet: λέγεται δ' ὅτι καὶ οἱ ἱππεῖς οἱ ἐκ τοῦ τέλους ἐπὶ αὐτοῦ (d. i. [2857] unter Nero) πρῶτον ἐφιππίοις ἐν τῇ ἐτησίᾳ σφῶν ἐξετάσει ἐχρήσαντο, so besagt das weiter nichts, als daß die Ritter, die bis dahin bei der jährlich am 15. Juli stattfindenden Musterung (transvectio equitum) altem Gebrauche gemäß ihre Pferde ohne Reitdecke vorgeführt hatten, sie von jetzt ab auch bei dieser Gelegenheit mit dem E. bedeckten. Zwei aus jener Zeit stammende Grabsteine im Mainzer Museum, deren Reliefs Reiter darstellen, zeigen ganz deutlich, wie sich das damalige E. mit seinem Vorder- und Hinterbausche schon stark unserem Sattel nähert, der eine mit aufgesessenem Reiter bei Daremberg Fig. 2690 abgebildet, der andere mit abgesessenem bei Baumeister Fig. 2271. Auf beiden Bildern sieht man auch, wie das E. nicht nur durch einen Bauchriemen, sondern auch durch starkes, mit phalerae (s. d.) geschmücktes Vorder- und Hinterzeug (antilena und postilena) vor dem Hin- und Herrutschen bewahrt wird. Namentlich das an zweiter Stelle erwähnte Bildnis ist interessant, insofern als es mit vollkommener Deutlichkeit zwei Teile der Bedeckung des Pferdes unterscheiden läßt, eine viereckige, unserem Woilach vergleichbare Decke vermutlich aus Filz (vgl. o. ὁ ἐφίππιος πῖλος) und darauf einen förmlichen Ledersattel. Die Darstellungen auf der Traiansäule (Baumeister 1928. Daremberg 2691) weichen von diesen Bildern ab; es erscheinen hier zwei ziemlich schmale Decken übereinander, die untere noch einmal so lang als die obere. Das ἔποχον scheint zwischen beiden verborgen zu sein. Diese Art von Bedeckung macht einen mehr parademäßigen, auf den äußeren Putz berechneten Eindruck. Wiederum anders stellt sich das E. an dem berühmten kapitolinischen Reiterstandbilde des Marc Aurel dar, Baumeister Fig. 214. Dieses besteht aus mehreren übereinander liegenden, breiten und ziemlich gleich langen, nur die Hälfte des Pferderumpfes bedeckenden, mit ausgezackten Kanten verzierten Decken und nähert sich somit mehr der griechischen Form. Beachte auch die Glossen Corp. gloss. lat. VI 392. VII 533, aus denen u. a. zu ersehen ist, daß E. auch gleich frena und phalera gesetzt wurde. S. auch die Artikel Cento Nr. 2 Bd. III S. 1932, Σάγμα, Scordiscus.
Literatur: Schlieben Die Pferde des Altertums 147ff. Ginzrot Die Wagen und Fahrwerke der Griechen und Römer, München 1817 (Index). Jacobs in seiner Ausgabe von Xenophons Buch üb. d. Reitkunst 1825, 153.