RE:Archimedes 3

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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der Mathematiker und Mechaniker im 3. Jh. v. Chr.
Band II,1 (1895) S. 507539
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3) Sohn des Astronomen Pheidias von Syrakus (s. d.), ist im J. 287 v. Chr. oder wenig später geboren. Er war mit dem König Hieron II. verwandt und befreundet. Dem ältesten Sohne und Mitregenten Hierons, Gelon (s. d.), widmete er seine Sandrechnung. Ein längerer Aufenthalt in Alexandreia ermöglichte ihm den persönlichen, nach allen Seiten hin anregenden Verkehr mit den namhaftesten dort wirkenden Mathematikern. Eukleides lebte wohl damals nicht mehr, aber er hatte eine blühende Schule hinterlassen. Dass A. in Alexandreia den Samier Konon kennen gelernt hat, ist zwar nicht ausdrücklich bezeugt, aber an sich weit wahrscheinlicher als ein etwaiges Zusammentreffen an einem andern Orte. Jedenfalls haben beide Männer mit einander so nahe Freundschaft geschlossen, dass sie auch später in regem [508] brieflichen Verkehr blieben. Pflegte doch A. an Konon seine wissenschaftlichen Entdeckungen zu senden, ehe er sie veröffentlichte. Auch mit Dositheos, dem Schüler Konons, wurde er in Alexandreia befreundet, und mit ihm setzte er später, nach Konons Tode, die engen Beziehungen wissenschaftlichen Verkehrs fort, denn er widmete ihm nach einander seine Quadratur der Parabel, das I. und II. Buch über Kugel und Cylinder, die Bücher über die Spiralen und über Konoiden und Sphäroiden. Dass er an Eratosthenes ein oder mehrere Sendschreiben gerichtet hat, ist zwar nicht sicher, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit überliefert (vgl. unten § 18). Nach Syrakus zurückgekehrt lebte A. ganz seinen Studien, deren einziges Ziel für ihn die Erweiterung des abstracten mathematischen Wissens war. Nur in diesem Sinne wandte er sich auch der Physik und Mechanik zu. Im Auftrag des Königs Hieron bestimmte er das specifische Gewicht einer für diesen gefertigten Krone und wies so, ohne das fertige Kunstwerk zu zerstören, nach, in welchem Verhältnis darin Gold und Silber gemischt seien. Den Nachweis, dass auch die grössten Lasten sich fortbewegen lassen, führte er, auf Anregung Hierons, durch die Fortbewegung eines ausser Wasser stehenden vollbeladenen und bemannten Schiffes durch Anwendung von Winden und Flaschenzügen. Als nach dem Tode Hierons stürmische Zeiten über Syrakus hereinbrachen und zuletzt die Stadt von den Römern belagert wurde, stellte er seine mechanischen Kenntnisse ganz in den Dienst des Vaterlandes. Die von ihm erfundenen Maschinen, für die damalige Zeit wahrhafte Wunder der Technik, nötigten die Römer von einer Erstürmung der Stadt abzusehen und auf die Blokade zu Wasser und zu Land sich zu beschränken. Als die Stadt endlich im Herbst des J. 212 fiel, wurde bei der allgemeinen Plünderung ausser vielen anderen Einwohnern auch A. erschlagen. Die näheren Umstände seines Todes sind je später je mehr ausgeschmückt worden. Dass er, vertieft in seine mathematischen Zeichnungen, die Einnahme der Stadt nicht gemerkt hatte, mag glaublich erscheinen. Der Anblick seines gewiss mit mancherlei Apparaten ausgestatteten Arbeitszimmers reichte an sich aus, den Verdacht des eindringenden Römers sowie den Gedanken an andere verborgene Schätze zu erregen, und den Todesstreich gegen den Bürger der feindlichen Stadt, den er hier antraf, zu führen; alles andere, was ausserdem berichtet wird, beruht auf einer an die Situation angepassten Nachdichtung. Dass Marcellus den A. ehrenvoll bestatten liess, wird glaubhaft gemeldet, und so ist wohl auch gleich damals auf sein Grabmal das Abbild einer Kugel und eines Cylinders gekommen, welches Cicero im J. 75 unter Gestrüpp verborgen und von den Syrakusanern vergessen wieder auffand.

Die Zeugnisse der Alten über des A. Leben sind trefflich zusammengestellt von Heiberg Quaestiones Archimedeae, Kopenhagen 1879, 4ff. und Susemihl Griech. Litt.-Gesch. I 723ff. Eine von Herakleides verfasste und von Eutokios im 6. Jhdt. n. Chr. benutzte Biographie des A. ist verloren gegangen (Eutokios zu Archim. III 266, 1 Heib. und zu Apollonios Kon. I z. Anf.). Vielleicht ist dieser Herakleides identisch mit dem noch zu [509] erwähnenden Zeitgenossen des A.: vgl. Heiberg im Index zu A. Bd. III 524. Susemihl a. a. O. 724f. Dass A. Sohn des Pheidias war, haben unabhängig von einander Blass Jahrb. f. Philol. 1883, 382 und Heiberg Jahrbuch f. Philol. Suppl. XIII 557 (vgl. denselben Philol. XLIII 482) durch Emendation von aren. 248, 8 gefunden. Das Geburtsjahr des A. würde nach Tzetz. Chil. II 35, 105, der seinen Tod nach vollendetem 75. Lebensjahr ansetzt, in das Jahr 212+75 v. Chr. = 287 fallen. Will man dieses allerdings zweifelhafte Zeugnis nicht gelten lassen, so steht doch nach Polyb. VIII 9, 8 fest, dass er bei seinem Tode πρεσβύτης war; mithin darf seine Geburt nicht später als um 280 angesetzt werden. Seine Verwandschaft mit Hieron II. bezeugt Plut. Marcell. 14; der scheinbare Widerspruch bei Cic. Tusc. V 64 fällt weg durch die richtige Auslegung dieser Stelle: vgl. Plut. Marcell. 17. Heiberg a. a. O. 7. Susemihl 725. Den Aufenthalt des A. in Ägypten erwähnt Diodor. V 37, 3; das freundschaftliche Verhältnis zu Konon und den wissenschaftlichen Verkehr mit demselben bezeugt A. quadrat. parab. 294, 3–13; de sphaer. et cyl. I 6, 3–5. II 188, 3f., de lin. spir. 2, 2. 13f. Heib. Ausser Konon und Dositheos erwähnt A. in seinen Schriften noch Zeuxippos, dem er die Schrift über die Benennung der Zahlen widmete (s. § 5) und Herakleidas, den Überbringer einer wissenschaftlichen Sendung an Konon (de lin. spir. 2, 4. 6, 9 Heib.). Dass A. bei seinen Studien das Hauptgewicht auf die abstracte Theorie legte, hebt Karpos bei Pappos VIII 3 hervor, vgl. Plut. Marcell. 14. 17. Über die physikalischen und mechanischen Erfindungen des A. s. unten § 17. 20, über seinen Tod bei der Erstürmung von Syrakus Cic. Verr. IV 131; de fin. V 50. Liv. XXV 31, 9. Plut. Marcell. 19. Valer. Max. VIII 7, 7 u. a., über seine Bestattung und das nach seinem Wunsche errichtete Grabmonument Liv. XXV 31, 10. Plut. Marcell. 17 a. E., über die Wiederauffindung dieses Monuments Cic. Tusc. V 64ff.

2. Seine Schriften hat A. im sicilisch-dorischen Dialekte abgefasst. Mit Hülfe der besten Handschriften und durch eine planmässige Beobachtung des archimedischen Sprachgebrauches hat Heiberg die ursprüngliche Form der meisten uns noch erhaltenen Schriften thunlichst wiederhergestellt. Am wenigsten hat durch spätere Zuthaten die Sandrechnung gelitten; in andere Schriften sind frühzeitig Zusätze und Änderungen eines des dorischen Dialekts kundigen Interpolators eingedrungen. Ein zweiter Interpolator hat, und zwar erst nach Lebzeiten des Eutokios (6. Jhdt.), die Bücher über Kugel und Cylinder und die Kreismessung vollständig umgearbeitet und dabei fast alle Spuren des ursprünglichen Dialekts getilgt. Heiberg Quaest. Archim. 69ff.; Über den Dialekt des A., Jahrbuch f. Philol. Suppl. XIII 543ff.; Interpolationen in den Schriften des A. ebd. 566ff. Susemihl a. a. O. I 729f. In der Umarbeitung des I. Buches über Kugel und Cylinder (S. 6, 4 Heib.) hat sich vereinzelt das dorische Demonstrativpronomen τῆνος erhalten.

3. In der hsl. Überlieferung machen den Anfang die am meisten gelesenen und ihrer ursprünglichen Form entkleideten Bücher περὶ σφαίρας [510] καὶ κυλίνδρου α' β' und κύκλου μέτρησις. Dann folgen περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων, περὶ ἑλίκων, ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν α' β', ψαμμίτης, τετραγωνισμὸς παραβολῆς. Allein A. selbst hat teils durch seine Widmungen teils durch Benutzung einiger Lehrsätze früherer Schriften in spätern Schriften Andeutungen genug hinterlassen, aus denen die folgende chronologische Reihenfolge seiner Bücher annähernd sich feststellen lässt: I. ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν α', II. τετραγωνισμὸς παραβολῆς, kurz nach Konons Tode (s. d.) veröffentlicht, III. ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν β', IV. περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου α' β', V. περὶ ἑλίκων, VI. περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων, VII. περὶ ὀχουμένων α' β' (nur in lateinischer Bearbeitung erhalten), VIII. κύκλου μέτρησις, IX. ψαμμίτης, vor Gelons Tod (216) veröffentlicht (Torelli in der Vorrede zu seiner Ausg. des A. S. XIII. Heiberg Quaest. Archim. 10ff.; von nr. VII dieser Übersicht steht nur fest, dass das Werk später als nr. VI geschrieben ist; von nr. VIII nur, dass es hinter IV α' zu setzen ist).

Im 6. Jhdt. n. Chr. scheinen nur noch drei Werke des A. allgemein bekannt gewesen zu sein, nämlich περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου α' β', κύκλου μέτρησις, ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν α' β'. Zu diesen hat Eutokios (s. d.) die uns noch erhaltenen Commentare geschrieben. Wahrscheinlich enthielt die von Isidoros von Milet, dem Lehrer des Eutokios, veranstaltete Ausgabe des A. auch nur diese drei Werke (Susemihl a. a. O. 729).

4. Durch den Druck wurden einige Schriften des A. zuerst in einer lateinischen Bearbeitung von Tartaglia veröffentlicht: Opera A. Syracusani – per Nicolaum Tartaleam – multis erroribus emendata. Venetiis 1543 (die Ausg. enthält Liber Archimenidis [sic] de centris gravium valde planis aequerepentibus [d. i. ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν α'] fol. 2 b, Secundus Archimenidis tract. [d. i. ἐπιπέδων ἰσορροπιῶν β'] fol. 11 a, Archimedis Siracusani tetragonismus fol. 19 b, Archimedis Syracusani liber [d. i. κύκλου μέτρησις] fol. 29 b, Liber Archimedis de insidentibus aquae fol. 31 b).

Der griechische Text erschien zum erstenmal unter dem Titel: Archimedis – opera quae quidem extant omnia – primum et Graece et Latine in lucem edita. Basileae 1544 (auf den griechischen Text folgen je mit eigenem Titel und mit besonderer Seitenzählung: A. – opera – latinitate iam olim donata nuncque primum in lucem edita. Basileae [ohne Jahr; die Vorrede ist datiert Cal. Febr. 1544], dann Eutocii – commentaria griechisch, zuletzt dieselben lateinisch; als Herausgeber nennt sich zu Anfang der Dedicatio „Thomas Gechauff, cognomento Venatorius“; die lateinische Übersetzung des A. rührt, wie aus praef. fol. 3 b hervorgeht, von Jacobus von Cremona her).

Nächstdem sind zu verzeichnen: A. opera nonnulla a Federico Commandino – in Latinum conversa. Venetiis 1558. A. opera quae extant – illustrata per Davidem Rivaltum. Parisiis 1615 (im griechischen Text erscheinen hier nur die Propositionen). A. quae supersunt omnia cum Eutocii Asc. commentariis ex rec. Jos. Torelli. Oxonii 1792.

Die erste kritische Textesrecension veröffentlichte nach dem Florentiner Cod. Laurentianus [511] XXVIII 4, der zuverlässigsten unter den uns erhaltenen Abschriften aus einem weit älteren, einst dem G. Valla gehörigen Codex, und mit Benutzung der Lesarten von 5 andern Handschriften, J. L. Heiberg: A. opera omnia cum commentariis Eutocii – recensuit, latine vertit notisque illustravit. 3 Bde. Leipzig 1880–81.

Unter den neueren Übersetzungen ist hervorzuheben: A. von Syrakus vorhandene Werke, aus dem Griechischen übersetzt und mit erläuternden und kritischen Anmerkungen begleitet von Ernst Nizze. Stralsund 1824 (betreffs anderer Übersetzungen von sämtlichen oder von einzelnen Werken des A. vgl. Heiberg Quaest. Archim. 16. 20f. 24).

Alle auf uns gekommene hsl. Überlieferung stammt aus einem sehr alten, vielleicht schon im 9. Jhdt. geschriebenen Codex, der zuerst im 13. Jhdt. als in Italien vorhanden erwähnt wird. Später kam er in den Besitz von Georg Valla († 1499); seitdem aber ist er verschollen. Eine möglichst getreue, selbst die altertümlichen Formen der Buchstaben nachahmende Abschrift ist uns in dem vorerwähnten Cod. Florentinus erhalten, der jedoch nicht, wie man früher meinte, dem 13. oder gar dem 11., sondern erst dem 15. Jhdt. angehört. Ausserdem sind auch der Venetus 305 und die Parisini 2360 und 2361 aus der Handschrift Vallas geflossen; auch die übrigen bisher bekannten Handschriften gehen auf diese Quelle zurück: s. Heiberg Philol. XIII 421ff. (wozu jedoch später eine wesentliche Berichtigung in Abhandl. zur Gesch. der Mathem. V, Leipzig 1890, 81 gekommen ist) und in der Ausg. des A. Bd. III S. VIIff. – Für die Geschichte des Textes des A. kommen auch die ältesten lateinischen Übersetzungen in Betracht. Tartaglia, dessen Ausgabe oben an erster Stelle angeführt ist, und wahrscheinlich auch Commandino haben eine lateinische Übersetzung des A. und Eutokios benutzt, die später als Cod. Ottobon. Lat. 1850, saec. XIII, wieder aufgefunden worden ist. Auch die der Baseler Ausgabe beigefügte Übersetzung hat ihre Bedeutung für die Texteskritik. Sie wurde von Jacob von Cremona nach einer griechischen Handschrift angefertigt, die unter Papst Nicolaus V. (1447–1455) aus Constantinopel nach Italien gebracht worden war. Von der Handschrift, welche die Übersetzung Jacobs von Cremona enthielt, nahm Johannes Regiomontanus eine Abschrift und fügte Randbemerkungen aus einer griechischen Handschrift hinzu. Vgl. Gechauff, gen. Venatorius, in der Dedicatio edit. Basil. Heiberg in der Ausg. des A. Bd. III S. XXIff. und in Abhandl. zur Gesch. der Mathem. V 3ff. Susemihl a. a. O. I 724. 727, 118.

5. Unter den einzelnen Schriften des A. sind zunächst diejenigen zu besprechen, welche ausschliesslich oder teilweise arithmetischen Inhalts sind. In der Sandrechnung bezieht er sich mehrmals auf eine frühere, dem Zeuxippos gewidmete Schrift über die Benennung der Zahlen, κατονόμαξις τῶν ἀριθμῶν (aren. 266, 10–12 vgl. mit 242, 17–19. 268, 20. 270, 1. 246, 11; an der letzteren Stelle scheint hinter ἀρχαῖς das Compendium für ἀριθμῶν ausgefallen und im übrigen nach den Spuren in F zu lesen zu sein τινὰς τῶν ἐν ἀρχαῖς ἀριθμῶν τῶν κατονομαξίαν ἐχόντων, d. i. einige der anfangs [nämlich S. 242, 17] erwähnten Zahlen, [512] welche eine besondere Benennung haben; Torelli S. 320 seiner Ausg. Nizze S. 212 seiner Übersetzung. Heiberg Quaest. Archim. 31f. Cantor Vorles. I² 305 u. a. entnehmen aus dieser Stelle, dass der Titel der Schrift über die benannten Zahlen ἀρχαί [Grundzüge] gelautet habe).

In dieser Schrift an Zeuxippos hat A.. wie aus der Inhaltsangabe in Cap. 3 der Sandrechnung hervorgeht, mit den gewöhnlichen Zahlwörtern so weit gezählt, als es thunlich war, ohne dem griechischen Sprachgebrauche Zwang aufzulegen, nämlich bis μύριαι μυριάδες = 10 000² (aren. c. 3, 2, und vgl. Arithmetica § 10). Um aber bis weit über alle Grenzen menschlichen Erfassens fortzählen zu können, nannte er die durch die gewöhnliche Sprache gegebenen Zahlen 1 bis 10 000² minus 1 erste Zahlen (πρῶτοι ἀριθμοί) und machte dann die Zahl 10 000² zu einer neuen Einheit, nämlich in der Ordnung der zweiten Zahlen (δεύτεροι ἀριθμοί). Von dieser 1 zweiter Ordnung aus wird nun wieder mit den gewöhnlichen Zahlwörtern fortgezählt bis zur Zahl 10 000²– 1 zweiter Ordnung, d. i. bis 10 000⁴ – 1 der allgemeinen Zahlenreihe. Nachdem so die Zahlen zweiter Ordnung erschöpft sind, wird die Zahl 10 000⁴ als 1 in der dritten Ordnung (τρίτοι ἀριθμοί) gesetzt, und so fügt sich weiter eine höhere Ordnung an die andere, jede mit der entsprechenden Ordinalzahl benannt.[1]

[513] Allein auch die Ordinalzahlen werden, wenn man mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauche rechnet, gerade so mit dem Höchstbetrage 10 000² – 1 erschöpft, wie in jeder einzelnen Oktade die Cardinalzahlen. Es werden daher alle bisher gebildeten Zahlen als Zahlen der ersten Periode zusammengefasst, und da, wo diese Periode zu Ende geht, treten an Stelle der μυριακισμυριοστοὶ ἀριθμοί, d. i. der Zahlen der hundertmillionsten Oktade, die Zahlen der ersten Oktade der zweiten Periode, deren Einheit = 10 000² (10 000² –1) ist, d. i. eine Zahl, welche nach heutiger Zifferbezeichnung eine 1 und dahinter 800 Millionen Nullen weniger 8 Nullen aufweisen würde. Von da an wird nun gerade so weiter gezählt wie vorher in der ersten Periode. Ist auch die zweite Periode erschöpft, so beginnt die dritte Periode, der sich ferner die vierte, fünfte Periode u. s. w. anreihen. Hier schliesst A. (S. 268, 25) diese Betrachtungen mit dem kurzen Hinweis, dass man ebenso auch alle Ordinalzahlen von Perioden erschöpfen könne, bis man zu der höchsten Zahl gelange, welche mit Hülfe 1) der gewöhnlichen Cardinalzahlen, 2) der Ordinalzahlen in dem besonderen von ihm angegegebenen Sinne, 3) des zusammenfassenden Ausdrucks: περίοδος ausgesprochen werden könne, nämlich (in attischem Dialekt) αἱ μυριακισμυριοστῆς περιόδου μυριακισμυριοστῶν ἀριθμῶν μύριαι μυριάδες. Das ist nach heutiger Ausdrucksweise eine Zahl, welche man sich zu denken hat als geschrieben mit 1 und dahinter 80 000 Billionen Nullen! Nizze Übers. 218. Dass es unmöglich ist, schon von einer weit kleineren, nämlich etwa 200 000-ziffrigen Zahl auch nur annähernd eine Vorstellung zu schaffen, zeigt Amthor Zeitschr. f. Math. und Phys., hist.-litt. Abteil., XXV (1880) 170f. Übrigens hat A. mit der letzten von ihm benannten Zahl nur das Ende dieser seiner Ausführungen, nicht etwa das Ende der Zahlenreihe selbst ausdrücken wollen. Hat er doch genügend den Weg gezeigt, wie mit griechischen Worten die Zahlenreihe immer noch weiter geführt werden könnte. Leicht war es für ihn, noch höhere Gruppenordnungen zu bilden (Cantor Vorles. I² 305), und auch die Benennungen dafür konnten keine Schwierigkeit machen; allein er liess es bei seinen Oktaden und Perioden bewenden, weil er nicht den vergeblichen Versuch machen wollte, mit Ausdrücken, welche Endliches bezeichnen, das Unendliche darzustellen. Vor ihm hatte Eukleides (Elem. IX 20) die Reihe der Primzahlen als unbegrenzt nachgewiesen. Wie dieser, so begnügte sich auch A. mit dem Ergebnis, dass man jede von irgend wem aufgestellte, noch so hohe Zahl durch eine andere noch höhere überbieten und diese Zahl auch aussprechen könne. – Anlangend die Benennung περίοδος vgl. Hultsch Zeitschr. f. Math. u. Phys., hist.-litt. Abteil., XXVII (1882) 58f.

6. Wir haben bisher alle diese Zahlenbenennungen [514] möglichst nach dem Wortlaute bei A. wiedergegeben. Nach der neueren mathematischen Auffassung ist die Zahlenreihe natürlich nicht nach Potenzen der Myriaden, sondern nach Potenzen von 10 zu gruppieren (vgl. Nizze Übers. 218. Nesselmann Algebra 122ff. Heiberg Quaest. Archim. 58f.). Aber auch A. hat diese rein dekadische Gestaltung schon ausgesprochen und für das Multiplicieren grosser Zahlen angewendet, nur dass er nicht einen so bequemen Ausdruck fand, wie es unsere, die Potenzierung anzeigenden hochgeschriebenen Ziffern sind. Ausgehend von dem Verhältnis 1 : 10 bildet er (aren. 3, 5–8) eine unendliche stetige Proportion (vgl. Arithmetica § 28) und zählt die Glieder dieser Reihe so weit, als der Bedarf es erheischt. Wenn hier also von einem ὄγδοος ἀριθμός (S. 270, 10) und weiter von anderen Ordinalzahlen bis zum τέταρτος καὶ ἑξηκοστὸς ἀπὸ μονάδος (290, 10) die Rede ist, so sind diese Zahlen zuvörderst wohl zu unterscheiden von den vorher behandelten ἀριθμοί πρῶτοι, δεύτεροι u. s. w. In der Reihe
     1     10     100     1000     10 000     ......
ist 10 die zweite, 100 = 10² die dritte, 1000 = 10³ die vierte Zahl u. s. w., mithin allgemein 10n die n+1te Zahl. Es handelt sich demnach um verschiedene Abstände in der Reihe der Potenzen von 10, und das drückt A. in dem Lehrsatze, den er dazu bildet (3, 6–8), durch das Verbum ἀπέχειν aus. Wir haben also hier etwas Ähnliches wie die διαστήματα des Archytas (s. Arithmetica § 29), nur dass dort die gewöhnliche Zahlenreihe, hier die Reihe der Potenzen von 10 zu Grunde liegt. Wenn wir nun im Sinne des A. jedes Glied seiner Reihe als eine Zahl des so und so vielten Abstandes, also 10m bezw. 10n als Zahlen der Abstände m + 1, bezw. n + 1 (wobei die erste Zahl der obigen Reihe als Terminus a quo mitgezählt wird), bezeichnen, so ergiebt sich leicht die Multiplicationsregel des A., dass eine Zahl des Abstandes m + 1, multipliciert mit einer Zahl des Abstandes n + 1, gleich einer Zahl des Abstandes m + n + 1 ist. Wir sagen dafür 10m. 10n = 10m+n, indes ist, wie schon bemerkt wurde, bei A. nur die Form etwas umständlicher, die Sache aber genau dieselbe. Dass das Product der Zahlen mit den Abständen m + 1 und n + 1 zusammen nur eine Zahl des Abstandes m + n + 1 ergeben kann, ist leicht ersichtlich; A. formuliert dies (S. 272, 1–3) dahin, dass man von der Summe der Abstände 1 abziehen müsse.

Hiernach war A. im stande, jede Potenz von 10, die er durch fortschreitende Multiplication fand, an jeder Stelle seiner Oktaden einzuordnen, z. B. die höchste von ihm ausgerechnete Sandzahl (S. 290, 10–17) als Zahl des Abstandes 64, d. i. als 8te Zahl in der 8ten Oktade = 10⁶³ (vgl. unten § 7).

Aber auch alle andern Zahlen konnten mit einander so multipliciert werden, dass man nur mit einstelligen Zahlen multiplicierte, ausserdem aber für jedes Glied eines jeden Factors die Abstände feststellte und diese summierte. Als Beleg hierzu erscheint bei A. nur die Multiplication 64 000 . 10 000 (c. 4, 2). Hier sind zu multiplicieren erstens die Zahl 6 des Abstandes 5 mit 1 des Abstandes 5, zweitens die Zahl 4 des Abstandes 4 mit 1 des Abstandes 5. Das erstere [515] Product ist = 6 des Abstandes 9, das letztere 4 des Abstandes 8; also ist 6 einzusetzen an erster Stelle der zweiten Oktade, und 4 an achter Stelle der ersten Oktade. Es ist also ausgerechnet (6 . 10⁴ + 4 . 10³) 10⁴ = 6 . 10⁸ + 4 . 10⁷. Das Weitere im einzelnen zu zeigen, lag dem A. fern, da er zur Bildung weit höherer Zahlen hineilte, die er lediglich als Potenzen von Myriaden aufbaute. Apollonios (s. o. S. 159) hat das, was A. bei Seite liess, weitergeführt und gezeigt, dass die grössten Multiplicationen in weniger umständlicher Weise, als nach des A. Methode, vollzogen werden können durch Multiplication der Zahlen 1 bis 9 und Summierung der Potenzen von 10.

Wir haben bisher den hauptsächlichen Inhalt des 3. Kapitels der Sandrechnung dargestellt. Was im obigen § 5 dargelegt worden ist, war, wie A. selber bezeugt, aus dessen Schrift an Zeuxippos entnommen. Hier handelte es sich lediglich um die Benennung der Zahlen, und dieser Abschnitt reicht in der Sandrechnung bis zur Mitte des 3. Kapitels (S. 270, 1); dann kommt die Rechnung nach Abständen der Potenzen von 10, die wir soeben besprochen haben. Dieser Abschnitt bildet die notwendige Ergänzung zur Benennung der Zahlen; denn es wird hier teils durch Beispiele teils durch allgemeine Regeln gezeigt, welche Stelle nach erfolgter Multiplication jede Zahl in dem System der Oktaden einzunehmen hat. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch dieser zweite Abschnitt des 3. Kapitels aus der Schrift an Zeuxippos entnommen ist. Mit Anfang des 4. Kapitels wendet sich dann A. wieder zu seiner eigentlichen, vorher unterbrochenen Aufgabe, mit welcher auch wir uns nun zu beschäftigen haben.

7. Die ganze, ψαμμίτης (nämlich ἀριθμός) betitelte Schrift enthält mit Ausnahme der eben bezeichneten Abschnitte die Anwendung des archimedischen Zahlensystems auf ein Problem, welches zunächst gegen die landläufige Vorstellung gerichtet war, dass die Zahl des Sandes auf unserer Erde unendlich gross sei (c. 1, 1). Wie [516] viele kleinste Sandkörner es auf der Erde giebt, vermag niemand auszuzählen (Pind. Olymp. 2, 98); wohl aber lässt sich ganz sicher eine Zahl feststellen, welche grösser ist als die Menge des Sandes auf der Erde. Der Umkreis der Erde, so führt A. aus, ist annähernd zu 300 000 Stadien gemessen worden. Wenn man nun, um ganz sicher zu gehen, diesen Umkreis zehnmal grösser, als er geschätzt worden ist, annimmt und das Volumen einer Kugel von diesem Umkreis berechnet, so wird die Zahl der Sandkörner, welche diese Kugel füllen würden, sicherlich grösser sein als die Zahl aller Sandkörner auf der Erde. Aber noch darüber hinaus unternimmt A. zu zeigen, dass man auch die grösste Kugel, die das Altertum kannte, nämlich die Sphäre der Fixsterne nach des Aristarchos Schätzung, sich denken könne als angefüllt mit kleinsten Sandkörnern, und dass man auch dann noch eine Zahl berechnen könne, die sicherlich grösser sei als die Zahl des Sandes, der die aristarchische Weltkugel füllen würde.

Um dies zu zeigen bildet sich A. zunächst eine sphärische Einheit und berechnet dann zwar nicht den Inhalt dieser Einheit an Sandkörnern, wohl aber eine Zahl, die sicherlich grösser ist als die Zahl der kleinsten Sandkörner, welche seine sphärische Einheit höchstens aufnehmen könnte. Nun nimmt er Sandkörner von solcher Feinheit an, dass erst 10 000 das Volumen eines Mohnkornes darstellen sollen; dann weist er nach, dass 64 000 Mohnkörner ein Volumen darstellen, welches sicherlich grösser als eine Kugel von 1/16 Fuss Durchmesser ist; also steht es ausser Zweifel, dass die Zahl von Sandkörnern, welche höchstens von dieser Kugel aufgenommen werden könnten, nicht grösser ist, als die berechnete Zahl von 64 000 . 10 000 = 640 Millionen Sandkörnern (S. 274, 11–16). Ferner rundet er die 640 Millionen zu 1000 Millionen = 10⁹ ab und zieht dann der Reihen nach folgende Schlüsse :

Sandzahl einer Kugel von 1/16 Fuss Durchmesser . . . < 10⁹
100/16 . . . < 15¹⁵
10 000/16 , also auch < 10²¹
600 = 1 Stadion Durchmesser
100 Stadien Durchmesser . . . < 10²⁷
10 000 . . . < 10³³
und so fort bis
Sandzahl einer Kugel von 10 000 Millionen Stadien Durchmesser . . . < 10⁵¹
100 Billionen . . . < 10⁶³

Alles was wir in dieser Übersicht der Kürze halber durch Potenzen der 10 ausgedrückt haben, bezeichnet A. durch die Zahlen der Abstände, welche die Potenzen der 10 in der von ihm gebildeten geometrischen Progression haben (oben § 6). So oft er den Durchmesser einer jeden vorher von ihm berechneten Kugel mit 100 multipliciert, hat er das Volumen mit 1 Million zu multiplicieren. Er drückt also die vorher berechnete Volumenzahl durch den Abstand von der Einheit aus, z. B. 10²⁷ als 28stes Glied seiner dekadischen Progression. Dieses Glied soll mit 1 Million, d. i. [516] mit einer Zahl des Abstandes 7, multipliciert werden; also hat das Product beider Zahlen den Abstand 28 + 7 – 1 = 34, und ist nach unserer Ausdrucksweise = 10³³. Zuletzt tritt in den Ausrechnungen des A. 1 Billion als Factor hinzu, d. i. die Zahl mit dem Abstand 13. Auch in diesem Falle werden die Abstände, wie vorher, addiert und die Summe um 1 vermindert, und wieder erhalten wir, wenn wir des A. Resultat nochmals um 1 vermindern, den gesuchten Exponenten der 10.

Nach jeder Einzelausrechnung wird das gefundene [517] Produkt eingeordnet in den Rahmen der Oktaden (§ 5). Die erste Oktade wird geschlossen durch die Zahl mit dem Abstand 8, die zweite Oktade reicht vom Abstand 9 bis mit 16 u. s. w. Die letzte und höchste Zahl, welche A. nach Obigem berechnet hat nämlich 10⁶³, nimmt die achte Stelle der achten Oktade ein; sie steht also nicht gar weit vom Anfang der ersten Periode, welche 100 Millionen Oktaden weniger 1 Oktade enthält (§ 5), und ist verschwindend klein gegen die unfassbaren Beträge, zu welchen man gelangt, wenn man mit A. zu immer höheren Perioden fortschreitet. In seinen astronomischen Anschauungen konnte A. sich nicht über sein Zeitalter erheben. Der höchste zulässige Betrag für den Durchmesser der Fixsternkugel, welche das Weltganze umfassen soll, ist nach ihm kleiner als 100 Billionen Stadien = 2½ Billionen geogr. Meilen, d. i. noch nicht das Doppelte jenes grossen Entfernungsmasstabes, welchen die heutigen Astronomen als 1 Jahr Lichtweg bezeichnen. Aber wenn wir auch die Tausende von Lichtjahren, mit denen unsere Astronomen rechnen, als Durchmesser von Kugeln setzen und dazu die Sandzahlen nach Anweisung des A. bilden, so ist für solche unfassbare Zahlen noch vollauf genügender Raum in der ersten Periode des A. [Die Sandzahl einer Kugel, welche den Durchmesser des Milchstrassenrings = 7700 Lichtjahre hat, würde mischen 10⁷³ und 10⁷⁴ stehen, mithin nicht höher als bis zur zweiten Stelle der zehnten Oktade der ersten Periode reichen. Selbst wenn man ein unendlich Kleineres, nämlich ein Ätheratom, zu Grunde legt und lediglich, um eine ungefähre Vorstellung zu erwecken, annimmt, dass eine Welle des grünen Lichtes (der mittleren Farbe des Spectrums) aus 25 Atomen bestehe, so kommen nach Fresnel, der die Wellenlänge des grünen Lichtes = 1/2000 mm. und die Zahl der Doppelschwingungen eines Ätheratoms in der Secunde = 600 Billionen gefunden hat, auf eine Kugel vom Durchmesser des Milchstrassenringes erst 32. 10⁸¹ Atome, und diese Atome haben seit 10 000 Jahren erst 64. 10¹⁰⁷ Schwingungen gemacht. Wenn wir aber auch statt der 10 000 Jahre eine Billion von Jahren setzen, so gelangen wir erst zu 64. 10¹¹⁵ Schwingungen, d. i. zu einer Zahl, welche nicht höher als in die fünfzehnte Oktade der ersten Periode fällt. Es ist also leicht zu übersehen, wie weit alle diese Voraussetzungen gesteigert werden müssten, um nur bis zur zweiten Periode des A. zu gelangen. (Zusammengestellt nach den freundlichen Mitteilungen des Professors Franz Rietzsch.)]

8. Bei der Kreismessung, κύκλου μέτρησις, setzte sich A. die Aufgabe, das Verhältnis des Kreisumfanges zum Durchmesser nach möglichst einfachen Voraussetzungen annähernd zu berechnen. Den Kreisumfang setzte er gleich einer Geraden, welche kleiner ist als der Umfang eines um den Kreis geschriebenen regulären Vieleckes und grösser als der Umfang des ähnlichen eingeschriebenen Vieleckes (vgl. u. § 10). Unter diesen Vielecken hat das Sechseck den Vorzug, dass es in 6 gleichseitige Dreiecke zerfällt und beim umgeschriebenen Sechseck die Seite mal und beim eingeschriebenen Sechseck die Höhe jedes Dreieckes [518] mal so gross ist als des Radius. Ausserdem kam für A. in Betracht, dass sich durch eine verhältnismässig leichte Ausrechnung zwei Näherungswerte ergaben, deren einer grösser, der andere kleiner als war (unten § 9).

Halbiert man in dem gleichseitigen Dreieck ABC (Fig. 1) den ∠ ACB und zieht die Halbierungslinie über D, den Schnittpunkt mit AB, hinaus bis zu E, dem Schnittpunkte mit der Tangente AE, so ist ∠ ECA = 1/3R, und es stellt AD die halbe Seite des eingeschriebenen und AE die halbe Seite des umgeschriebenen Sechseckes dar. Weiter lassen sich durch fortgesetzte Halbierung des ∠ ACE 20 nach einander die halben Seiten der eingeschriebenen und umgeschriebenen Zwölfecke, Vierundzwanzigecke u. s. w. construieren und durch Verhältniszahlen zum Radius, welche sämtlich von hergeleitet sind, bestimmen.

A. hat nun zuerst die umgeschriebenen Vielecke für sich und dann die eingeschriebenen Vielecke, jede Reihe durch besondere Constructionen, und zwar bis zu den Seiten der Sechsundneundzigecke behandelt. Vgl. Proposition 3 und Eutokios hierzu. Nizze Übers. in den Anmerkungen zu S. 111ff. Cantor Vorles. I² 285ff. Die Figur zu den umgeschriebenen Vielecken wird entwickelt aus dem obigen Dreieck ACE und dem Kreisbogen AB. Die halben Seiten des Zwölfeckes u. s. w. bis zum Sechsundneunzigeck sind dargestellt durch die Abschnitte, welche die

Halbierungslinien der Winkel bei C auf der Tangente AE bilden. Zuletzt wird durch Construction die halbe Seite des Sechsundneunzigeckes verdoppelt. Der Figur zu den eingeschriebenen Vielecken liegt das obige Dreieck ACD zu Grunde. Nachdem (Fig. 2) über AC der Halbkreis gezogen ist (so dass AD die Seite des in den Kreis ADC eingeschriebenen Sechseckes, und DC die des eingeschriebenen Dreieckes darstellt), wird die Halbierungslinie des ∠ ACD bis zur Peripherie verlängert und die Sehne AH gezogen. Diese stellt die Seite des in den Kreis ADC eingeschriebenen Zwölfeckes dar. Durch fortgesetzte Halbierung des ∠ ACH wird dann zuletzt die Sehne construiert welche gleich der Seite des eingeschriebenen Sechsundneunzigeckes ist. Dieselbe stellt aber auch die halbe Seite des in den Kreis BAG (Fig. 1) eingeschriebenen Sechsundneunzigeckes dar. Es ist also sowohl das um den Kreis BAG geschriebene als das in denselben eingeschriebene Sechsundneunzigeck construiert und damit erwiesen, dass der Kreisumfang kleiner als der Umfang des ersteren und grösser als der Umfang des letzteren Vieleckes ist.

9. Die Aufgabe, den Kreisumfang annähernd zu berechnen, war also zurückgeführt auf Berechnung des Umfanges sowohl des umgeschriebenen als des eingeschriebenen Sechsundneunzigeckes. Da nun, wie schon bemerkt, hiebei von , mithin [519] von einem irrationalen Werte, auszugehen war, so galt es zwei möglichst genäherte und zugleich abgerundete rationale Werte zu suchen, deren einer grösser, der andere kleiner als sein musste. Hier hat A. die für seine Zwecke vollkommen ausreichende Umgrenzung

ermittelt (S. 264, 4. 266, 20 Heib. und dazu Eutokios. Hultsch Nachr. Gesellsch. d. Wissensch. Göttingen 1893, 385ff.; vgl. auch Arithmetica § 14 g. E.). Wenn er nun, um den Umfang des umgeschriebenen Sechsundneunzigeckes annähernd zu bestimmen, nach einander die Verhältnisse des Kreisradius zu den halben Seiten des umgeschriebenen Sechseckes, Zwölfeckes u. s. w. berechnete und dabei den Näherungswert welcher < ist, zu Grunde legte, so musste jedesmal das berechnete Verhältnis des Radius zur halben Vielecksseite kleiner sein als das entsprechende wirkliche Verhältnis. Dann setzte er statt des Verhältnisses des Radius zur halben Seite das des Durchmessers zur ganzen Seite, und berechnete zuletzt das Verhältnis des Durchmessers zum ganzen Umfang des umgeschriebenen Sechsundneunzigeckes. Auch dieses zuletzt berechnete Verhältnis, welches er zu 7 : 22 = 1 : 3 abrundete, war kleiner als das wirkliche. Mithin war umgekehrt 3 : 1 grösser als das Verhältnis des Umfangs des umgeschriebenen Vieleckes zum Durchmesser des Kreises. Jener Umfang ist aber grösser als die Peripherie des Kreises (de sphaer. et cyl. I propos. 1); also ist um so sicherer 3 : 1 grösser als das Verhältnis der Peripherie des Kreises zum Durchmesser.

Umgekehrt legte A. bei der Berechnung des eingeschriebenen Sechsundneunzigeckes den Näherungswert , welcher grösser als ist, zu Grunde und gelangte durch ähnliche Schlüsse zu dem Ergebniss, dass 3 : 1 kleiner als das Verhältnis des Kreisumfanges zum Durchmesser ist. Also war, wenn wir nach jetzigem Gebrauche das Verhältnis des Kreisumfanges zum Durchmesser mit π bezeichnen, die Näherung

>π >

ermittelt. Vgl. Nizze Übers. 111ff. Cantor Vorles. I² 286ff. Tannery Mém. de la société des sciences de Bordeaux, 2. série, IV 313f. 321ff. Rudio Archimedes, Huygens, Lambert, Legendre, vier Abhandl. über die Kreismessung. 14ff. 73ff. Von A. war mithin π bis auf , d. i in Decimalrechnung auf > 3,141 und < 3,142 bestimmt.

10. Hiernach konnte A. auch die Fläche des Kreises annähernd berechnen. Er hat das zu Anfang der κύκλου μέτρησις durch 2 Sätze gezeigt und dabei etwa folgende Betrachtungen zu Grunde gelegt. Die Fläche des umgeschriebenen regulären Vieleckes ist gleich einem rechtwinkligen Dreiecke, dessen eine Kathete der Radius des Kreises, die andere die Summe der Seiten des Vieleckes ist. Es war also der in so und so vielen Winkeln gebrochene [520]
Umfang des Vieleckes zu einer Geraden gestreckt worden. Zeichnet man nun ein rechtwinkliges Dreieck ABC, dessen kleinere Kathete AB gleich dem Radius des Kreises, die grössere Kathete BC aber gleich dem Umfange des umgeschriebenen Vieleckes ist, so ist die Fläche des letzteren = ∆ ABC. Legt man ferner in ∆ ABC das ähnliche ∆ ADE hinein, dessen Seiten AD, DE den Sehnenabstand, bezw. den Umfang des ähnlichen eingeschriebenen Vieleckes darstellen, so wird DE ∥ BC. Es kann aber die Peripherie des Kreises angesehen werden als die Summe der Seiten eines regulären Vieleckes von unendlich vielen Seiten (s. Antiphon bei Simplic. zu Arist. Phys. I 53f. Diels; vgl. Bretschneider Geometrie vor Euklid 101. 124f. Cantor Vorles. I² 190. Allman Greek Geometry 64ff.), mithin auch diese unendlich oft gebrochene Linie gedacht werden als zu einer Geraden gestreckt. Sie sei BF. Da nun BC den Umfang des umgeschriebenen und DE den Umfang des eingeschriebenen Vieleckes darstellt, so muss BC > BF > DE sein (de sphaer. et cyl. I S. 10, 23–12, 15 Heib.). Wenn wir daher BF auf BC auftragen und EG ∥ DB ziehen, so wird Punkt F zwischen G und C fallen. Nun sollen der Reihe nach die Seitensummen je eines um- und eingeschriebenen Vieleckes gebildet werden, deren jedes durch fortgesetzte Halbierung der Centriwinkel der beiden anfänglich gesetzten Vielecke entstanden ist. So erhalten wir einerseits die Seitensummen BC′ < BC, BC′′< BC′ u. s. w., anderseits BG′ > BG, BG′′ > BG′ u. s. w. Es rücken also einerseits die Punkte C′, C′′ u. s. w., anderseits G′, G′′ u. s. w. immer näher und zuletzt bis auf eine unendlich kleine Entfernung an F heran, so dass man schliesslich ein rechtwinkliges Dreieck ABF annehmen kann, dessen kleinere Kathete gleich dem Radius, die grössere gleich der Peripherie des Kreises ist.

A. setzt nun in Proposition 1 dieses Dreieck, ohne etwas über dessen Genesis zu bemerken, als bereits gegeben voraus und beweist dann apagogisch, dass seine Fläche weder grösser noch kleiner als die Kreisfläche sein kann. Hierbei musste er notwendig auf die Theorie der unendlich kleinen Differenzen kommen, die wir vorher bei der Construction des Dreiecks ABF angedeutet haben. In der That ist diese Zurückführung auf unendlich Kleines versteckt in der Berufung auf die 5. und 6. Proposition des I. Buches über Kugel und Cylinder (S. 20. 24, 1–7 Heib.). An letzterer Stelle wird ausdrücklich auf die Elemente des Eukleides (nämlich X 1. XII 2 u. s. w.) Bezug genommen, und es geht aus dem Zusammenhang dieser Stellen mit Sicherheit hervor, dass die Theorie der Geraden, welche dem Kreisumfange gleich gesetzt werden soll, enthalten ist in folgendem aus Proposition 6 (S. 24, 1–6) zu entnehmenden Satze: Wenn ein Kreis und eine geradlinige Figur (deren Fläche man bestimmen kann) gegeben sind, so kann man in den Kreis der Reihe nach reguläre Vielecke von immer mehr Seiten einschreiben, so dass zuletzt die Segmente, welche zwischen Kreislinie und Vieleckseiten liegen, kleiner sind als die geradlinige Figur. So klein [521] man also auch (bei fortgesetzter Teilung) die letztere ansetzt, immer wird man etwas noch Kleineres, also zuletzt das unendlich Kleine finden. Und wie das letzte Segment, so ist auch die letzte Vielecksseite unendlich klein, mithin ist die Summe der unendlich kleinen Vielecksseiten zu denken als gleich der Peripherie des Kreises.

Nachdem das rechtwinklige Dreieck, dessen Fläche dem Kreise gleich zu denken ist, entwickelt worden war, hing die Berechnung seiner Fläche von den für die Kreisperipherie gefundenen Näherungswerten ab (oben § 9). Da die Peripherie zum Durchmesser, d. i. zu 2 Radien, sich zwischen 3 : 1 und 3 : 1 verhält, so ist das obige Rechteck ABF und mithin auch die Kreisfläche zwischen und , mithin zwischen und des Quadrates des Durchmessers anzusetzen. Jedoch verzichtet A. in Proposition 2 auf diese Umgrenzung. Er construiert um den Kreis das Quadrat des Durchmessers und dazu ein rechtwinkliges Dreieck, dessen kleinere Kathete gleich dem Radius, die grössere aber genau gleich 3 des Durchmessers ist (wobei er stillschweigend voraussetzt, dass man ausserdem die Kathete im Betrage von 3 construieren und zwischen beide diejenige Kathete, welche als genau gleich dem Kreisumfang zu denken ist, legen kann). Dann erweist er nach elementarer Methode, dass das von ihm gebildete rechtwinklige Dreieck und mithin auch die Kreisfläche zum Quadrate des Durchmessers sich wie 11 : 14 verhält. Ein Überblick über die gesamte κύκλου μέτρησις zeigt also, dass A. zur Berechnung des Kreisumfanges in Proposition 3 eine neue, über die Elemente des Eukleides sich erhebende Methode angewendet hat, dagegen bei der Abschätzung der Kreisfläche in den durch die Elemente gezogenen Schranken geblieben ist. Man darf aber wohl als sicher annehmen, dass er Proposition 1 und 2 nicht eher niederschrieb, als er beide Sätze nach der bei Proposition 3 erprobten Exhaustionsmethode geprüft hatte. Den Eindruck, dass A. das Hauptgewicht auf die Berechnung der Peripherie gelegt hatte, giebt auch Pappos Bd. I 312, 18–21 wieder, indem er die κύκλου μέτρησις mit den Worten ἐν τῷ περὶ τῆς τοῦ κύκλου περιφερείας citiert (vgl. Hultsch zu d. St., und unten § 13). Dass die uns überlieferte κύκλου μέτρησις nur ein Auszug aus einer grösseren Schrift des A. περὶ τῆς τοῦ κύκλου περιφερείας sei, wie Tannery Mém. de la soc. des sciences de Bordeaux, 2. série, IV 313 annimmt, ist nicht wahrscheinlich.

Der von Sporos (bei Eutok. zu Archim. 300, 22–25 Heib.) gegen A. erhobene Vorwurf, er habe die Gerade, welche dem Umfange des Kreises gleich sei, nicht genau ermittelt, erledigt sich durch meine obige Darstellung. Ein der Kreisfläche gleiches Dreieck, dessen eine Kathete gleich der Peripherie sein soll, kann zwar nicht construiert, aber doch vorausgesetzt und beliebig eng durch construierbare, also auch messbare Dreiecke umgrenzt werden. Vgl. Rudio a. a. O. 6ff. 15. 73f Hultsch Ztschr. f. Math. u. Phys., hist.-litt. Abteil. XXXIV (1894) 131f.

11. Die arithmetischen Leistungen des A. haben [522] sich nicht auf sein System der Oktaden und auf die Berechnung des Kreisumfanges beschränkt. Schon aus dem vorhergehenden Überblick über die Kreismessung und noch mehr aus dem Texte dieser Schrift und den Commentaren des Eutokios geht hervor, dass A. in Übereinstimmung mit den andern griechischen Mathematikern seine Beweise durch Ketten von geometrischen Proportionen zu führen pflegte. Deshalb bedurfte er sowohl in der Sandrechnung und in der Kreismessung als auch in seinen übrigen Werken mehrerer Ergänzungssätze zur euklidischen Lehre von den Proportionen, die er je an Ort und Stelle einfügte. Die Summierung der Glieder einer abnehmenden geometrischen Progression hat er in seiner Quadratur der Parabel zwar nicht zu Ende geführt, doch aber deutlich den Weg gezeigt, wie man eine unendliche Reihe zu einer endlichen Summe vereinigen kann (unten § 13). Nicht minder bedeutsam sind andere Sätze, welche von der arithmetischen Proportion ausgehen und die Summierung solcher Progressionen erweisen. Besonders ist seine Behandlung der Reihen von Quadratzahlen hervorzuheben. Auch an eine kubische Gleichung ist er herangetreten und hat gezeigt, dass dieselbe unter gewissen Bedingungen lösbar ist. Vgl. den Abschnitt de arithmeticis A. bei Heiberg Quaest. Archim. 44ff. und das zusammenfassende Urteil des Verfassers ebd. 68f. Cantor Vorles. I² 294. 298ff. Günther Gesch. der Math. u. Naturw.² 243.

12. A. fusst im ersten Satze seiner κύκλου μέτρησις auf dem sechsten Satze des I. Buches περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου (vgl. oben § 10). Dieses Buch war also früher geschrieben als die Kreismessung. Allein die Sätze, welche uns in der Kreismessung vorliegen, mussten schon geraume Zeit vorher von ihm soweit abgeschlossen sein, dass er auf ihnen weiter bauen konnte. Denn die Messung von Kugel und Cylinder hat die Kreismessung zur notwendigen Voraussetzung. Die Hauptsätze aber über Kugel und Cylinder hatte A. schon vorher, ehe er die Bücher περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου mit der Widmung an Dositheos herausgab, dem Konon zugesendet (vgl. oben § 1) also hatte er schon damals die erst später veröffentlichte Methode gefunden, Umfang und Fläche des Kreises annähernd zu bestimmen.

Bei der Kreismessung galt es, eine regelmässige Curve mit einer Geraden und die von dieser Curve umfasste Ebene mit den Flächen geradliniger ebener Figuren zu vergleichen. Dies alles zu erledigen war verhältnismässig leicht. Weit grössere Schwierigkeiten waren zu bewältigen, wenn anstatt der geraden und gekrümmten Linien teils ebene, von Curven umgrenzte, teils Rotationsflächen in Betracht kamen, und Körper, welche ganz oder teilweise von Rotationsflächen umgeben sind, ihrem Inhalte nach mit einander zu vergleichen waren. Den Kegel hatte bereits Eukleides (Elem. XII 10) als des Cylinders von gleicher Basis und Höhe bestimmt. Hiezu fügte A. die wichtige Entdeckung, dass die Halbkugel = des Cylinders ist, welcher mit ihr gleiche Basis und als Höhe den Kugelradius hat. Da das Volumen des Cylinders = Basis ✕ Höhe, und die Basis (d. i. Normalschnitt) des Cylinders ein Kreis ist, so liess [523] sich nach der von A. in der Kreismessung gefundenen Annäherung zunächst das Volumen des Cylinders und Kegels, ferner aber auch das der Kugel berechnen.

Die Hauptergebnisse des I. Buches περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου stellt A. zu Anfang sowohl des I. als des II. Buches zusammen und zwar in folgenden Sätzen (die wir nach Nizze Übers. 42. 86 und Cantor Vorles. I² 293 wiedergeben):

  • die Oberfläche einer Kugel ist dem Vierfachen ihres grössten Kreises gleich (Propos. 33 Heib.),
  • die Oberfläche eines Kugelabschnittes (d. i. die Kugelcalotte) ist so gross als ein Kreis, dessen Halbmesser einer geraden Linie vom Scheitel des Abschnittes bis an den Umfang des Grundkreises gleich ist (Propos. 42. 43 Heib.),
  • der Cylinder, welcher zur Grundfläche einen grössten Kreis der Kugel, zur Höhe aber den Durchmesser der Kugel hat (mit andern Worten der um die Kugel geschriebene Cylinder) ist anderthalbmal so gross als die Kugel, und auch seine Oberfläche ist anderthalbmal so gross als die Kugeloberfläche (Propos. 34 coroll.). In Verbindung mit Eukl. Elem. XII 10 ergab sich hieraus, dass bei gleicher Basis und gleichem Radius, bezw. gleicher Höhe, die Halbkugel (= Cyl.) und der Kegel (= ) Cyl.) zusammen gleich dem Cylinder sind.

Ausserdem hebt A. in der Vorrede zum II. Buche noch folgenden Satz des I. Buches hervor:

  • jeder Kugelsector ist gleich einem Kegel, dessen Grundkreis gleich der durch den Sector ausgeschnittenen Calotte und dessen Höhe gleich dem Halbmesser der Kugel ist (Propos. 44 Heib.).

Im II. Buche hat A. dann die Aufgaben zusammengestellt und gelöst, welche aus den vier eben angeführten Lehrsätzen des I. Buches sich entwickeln lassen. Er lehrt zu einem gegebenen Kegel oder Cylinder eine gleich grosse Kugel, und zu einem Kugelsegment einen gleich grossen Kegel zu finden (Propos. 1. 2 Heib.). Sodann fügt er die Aufgaben hinzu, eine gegebene Kugel durch Ebenen, erstens nach einem gegebenen Verhältnisse der Oberflächen, zweitens nach einem gegebenen Verhältnisse der Segmente zu schneiden (Propos. 3. 4). Die erste dieser Aufgaben führt zu einer quadratischen, die zweite zu einer kubischen Gleichung. Die Lösbarkeit der letzteren hat er durch einen Diorismus eingeleitet und auch die Construction der Aufgabe gefunden. Doch ist die von ihm in Aussicht gestellte Analysis und Synthesis entweder gänzlich verloren gegangen oder nur in der Bearbeitung des in unsern Handschriften fehlenden Stückes durch Eutokios erhalten. De sphaer. et cyl. II 214, 25, und dazu Heiberg 215 Anm. 3. Eutokios Bd. III 152ff. Ferner vgl. Cantor Vorles. I² 293. Zeuthen Lehre von den Kegelschnitten im Altert. 235ff.; Bibliotheca mathem. 1893, 97ff. Susemihl a. a. O. I 728, 121. Marie Hist. des sciences math. et phys., Paris 1883, I 89f.

Hierauf folgen noch einige Aufgaben über Kugelschnitte nach bestimmten Voraussetzungen (Propos. 5–8 Heib.). Den Schluss bildet der Satz, dass die Halbkugel das grösste unter den Kugelsegmenten ist, welche unter gleichen Oberflächen enthalten sind (Propos. 9).

[524] 13. Von der angenäherten Berechnung der Kreisfläche (oben § 10) ist A. fortgeschritten zur Quadratur der Kegelschnitte. Von diesen Untersuchungen ist uns die Quadratur der Parabel unter besonderem Titel und die Quadratur der Ellipse eingestreut in der Schrift über Konoide und Sphäroide erhalten. Über eine Quadratur der Hyperbel ist uns nichts überliefert.

A. hat die Kegelschnitte noch in der vor Apollonios (s. o. S. 153) üblichen Weise benannt. Also ist der handschriftlich überlieferte Titel τετραγωνισμὸς παραβολῆς eine spätere Modernisierung statt τετραγωνισμὸς τᾶς ὀρθογωνίου κώνου τομᾶς. Eutokios 342, 1 Heib. citiert ἐν τῷ περὶ τῆς τοῦ ὀρθογωνίου κώνου τομῆς. Hier ist also der archimedische Ausdruck für Parabel richtig erhalten, jedoch ist in freierer Weise, wie es auch sonst bei alten Mathematikern vorkommt (vgl. A. de spiral. 4, 10 Heib. und oben § 10 a. E., unten § 16 a. E.), von dem Wortlaute des Titels abgesehen worden. Allein im eigentlichen Sinne konnte A. diese seine Schrift ebenso wenig περὶ τᾶς – τομᾶς wie, um diesen Vergleich herbeizuziehen, die Kreismessung περὶ τοῦ κύκλου benennen. Das charakteristische und hsl. überlieferte τετραγωνισμός durfte in dem förmlichen Titel nicht fehlen: vgl. A. in der Vorrede Bd. II 294, 18. 296, 4 Heib. und die Subscriptio im Cod. Laurent. ebd. 352.

Nachdem A. zu Anfang drei Sätze über die Parabel aus den Konika des Eukleides (s. d.) citiert hat, legt er zunächst die im I. Buche vom Gleichgewicht der Ebenen gefundenen Sätze über den Schwerpunkt zu Grunde und beweist so mit Hülfe der Mechanik (διὰ τῶν μηχανικῶν), dass jedes Parabelsegment zu dem Dreiecke von gleicher Basis und Höhe sich wie 4 : 3 verhält (Propos. 4–17); dann aber fügt er (Propos. 18–24) die streng geometrische Beweisführung hinzu, welche auf einer ähnlichen Exhaustionsmethode beruht, wie sie für die Quadratur des Kreises vorauszusetzen war. Während aber dort A. nur entfernte Andeutungen schriftlich niedergelegt hat, lässt er uns hier deutlichere Einblicke in die Werkstätte seines Genius thun. Die Gerade, welche von der endlos verlaufenden Parabelfläche ein begrenztes Stück abschneidet, nennt er die Basis des Segments, ferner die grösste Gerade, welche von der umgrenzenden Curve senkrecht zur Basis gezogen werden kann, die Höhe des Segments (Bd. II 336, 12–16 Heib., und vgl. ebd. Propos. 18, wo gezeigt wird, dass diese grösste Senkrechte zu ziehen ist aus dem Punkte, in welchem die von der Mitte der Basis parallel zur Axe der Parabel gezogene Gerade die Parabelcurve schneidet). Nun legt er in den gegebenen Parabelabschnitt ein Dreieck, welches mit demselben gleiche Basis und Höhe hat, und zeigt, dass die Fläche des Parabelabschnittes grösser als dieses Dreieck und kleiner als das Doppelte desselben ist. In die beiden Segmente, welche durch die Seiten des Dreieckes abgeschnitten werden, legt er nun wieder je ein Dreieck von gleicher Basis und Höhe und zeigt, dass jedes dieser Dreiecke = des ersten Dreieckes ist. Dadurch gewinnt er die zweite Umgrenzung, dass der Parabelabschnitt grösser als 1 und kleiner als 1 des ersten Dreieckes ist. Dann denkt er sich die zwischen [525] den Dreiecksseiten und der Curve noch verbleibenden Abschnitte durch ähnlich gebildete, immer kleinere Dreiecke ausgefüllt. Wenn man also das zuerst eingeschriebene Dreieck = 1 setzt, so wird die Summe aller eingeschriebenen Dreiecke durch die unendliche Reihe

dargestellt. A. hat nun, wie wir früher sahen, das unendlich Kleine noch nicht direct in den mathematischen Calcül eingeführt, sondern es nur verschleiert in den üblichen apagogischen Beweisführungen hervortreten lassen. Auch hier, bei einer unendlich abnehmenden Progression, begnügt er sich zu zeigen, dass, wenn man die Reihe mit einem beliebigen (schon äusserst klein gedachten) Gliede abschliesst, die Summe dieser endlichen Reihe nur um den dritten Teil des letzten Gliedes kleiner ist als . Hierauf wird durch einen apagogischen Beweis (Propos. 24) erwiesen, dass der gegebene Parabelabschnitt genau =  des Dreieckes von gleicher Basis und Höhe ist. Heiberg Quaest. Archim. 13f. und in Zeitschr. für Math. und Phys., hist.-litt. Abteil. XXV (1880) 58ff. Cantor Vorles. I² 289f. Marie Hist. des sciences mathém. I 104ff. Zeuthen Lehre von den Kegelschnitten im Altert. 59ff. 216. 432ff.

Die Quadratur der Ellipse hat A. in der Schrift über Konoide und Sphäroide in zwei Sätze zusammengefasst, welche das Verhältnis der Fläche der Ellipse zur Kreisfläche ausdrücken, nämlich 1) eine Ellipse verhält sich zu dem Kreise, dessen Durchmesser die grosse Axe der Ellipse ist, wie die kleine Axe zur grossen (Propos. 4 Heib.), und 2) eine Ellipse verhält sich zu einem Kreise wie das aus den Axen der Ellipse gebildete Rechteck zum Quadrate des Durchmessers (Propos. 5). Nach dem Sprachgebrauche des Aristaios und Eukleides bezeichnet A. die elliptische Curve als ὀξυγωνίου κώνου τομά und die Fläche der Ellipse als χωρίον τὸ περιεχόμενον ὑπὸ ὀξυγωνίου κώνου τομᾶς.

14. Aus den Beweisführungen des A. in den Büchern über Kugel und Cylinder geht nebenbei hervor, dass er sich die Kugel, den Cylinder, den Kegel als Umdrehungsflächen eines Halbkreises um den ihn begrenzenden Durchmesser, eines Rechteckes um eine Seite, eines rechtwinkligen Dreieckes um eine Kathete dachte. Daher lag ihm der Gedanke nahe, auch die Umdrehungsflächen der Kegelschnitte zu untersuchen. Aus den Vorreden zu den Schneckenlinien und zu der Schrift περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων, über welche nun zu berichten ist, ersehen wir zunächst, dass er sich lange Zeit mit diesen Fragen beschäftigt und darüber in regem brieflichen Verkehr mit Konon, sowie nach dessen Tode mit Dositheos gestanden hat. Ausserdem lehren uns diese Vorreden, dass wir es hier allenthalben mit eigenen Erfindungen des A. zu thun haben. Zuerst hatte er einige Hauptsätze ohne Beweise an die Fachgenossen in Alexandreia geschickt; erst später sendete er, nachdem ihm von dort keine Lösungen zugegangen waren, die von ihm gefundenen Beweise nach.

Die Umdrehungsfläche des Schnittes eines spitzwinkligen Kegels (d. i. der Ellipse) nennt A. ein [526] Sphäroid (d. i. nach heutigem Sprachgebrauche ein Umdrehungsellipsoid). Dasselbe heisst länglich (παραμᾶκες, oder attisch παράμηκες), wenn die Ellipse sich um ihre grosse Axe, und abgeplattet oder breit (ἐπιπλατύ, wenn sie sich um ihre kleine Axe dreht. Die offenen Kegelschnitte erzeugen durch die Rotation um ihre Axe (bezw. ihre erste Axe) Konoide, und zwar bildet die Parabel oder, wie A. sagt, der Schnitt des rechtwinkligen Kegels, ein rechtwinkliges Konoid (d. i. ein Umdrehungsparaboloid) und die Hyperbel oder, wie A. sagt, der Schnitt des stumpfwinkligen Kegels ein stumpfwinkliges Konoid (d. i. ein Umdrehungshyperboloid). Beide Umdrehungskörper denkt sich A. durch eine normal zur Axe gelegte Kreisfläche abgeschlossen, de conoid. et sphaeroid. Bd. I 274–282 Heib. Die Ausdrücke σφαιροειδής und κωνοειδής waren schon vor A. üblich; sie hatten aber nur die schlichten, aus ihrer Zusammensetzung sich ergebenden Bedeutungen „kugelförmig“ und „kegelförmig“ und galten demnach für die eigentliche Kugel (z. B. für die Himmelskugel bei Platon und Aristoteles) und für den eigentlichen, geometrischen Kegel (z. B. für den Schattenkegel der Erde bei Zeno nach Diog. L. VII 144). Bei A. selbst ist in diesem Sinne ἐπιφάνεια σφαιροειδής (τῆς γῆς) in der Schrift über die schwimmenden Körper Bd. II 357, 7 Heib. überliefert und durch das Citat bei Vitruv. VIII 6, 3 bestätigt.

In der Vorrede (S. 274–286 Heib.) stellt A. die Sätze zusammen, auf welche er das Hauptgewicht legt. Er denkt sich die Sphäroide und Konoide verschiedentlich durch Ebenen geschnitten und zeigt, in welchen Verhältnissen die dadurch gebildeten Segmente teils zu einander, teils zu Kegelsegmenten stehen. Zuletzt kommen drei Sätze, deren Beweise uns nicht überliefert, aber später von Rivault und Sturm nachgetragen worden sind; der allerletzte von diesen Sätzen stellt die Aufgabe, sphäroidische oder konoidische Segmente parallel zu einer gegebenen Ebene dergestalt abzutrennen, dass sie einem gegebenen Kegel oder Cylinder oder einer gegebenen Kugel gleich werden. Nizze Übers. 151–154 und Heiberg in seiner lat. Übersetz. 277–287 weisen die Stellen im einzelnen nach, an denen A. die Beweise zu diesen Sätzen geführt hat (die Zahlen der Propositionen bei Heiberg weichen von denen in den früheren Ausgaben ab). Die Ergänzungsbeweise von Commandino, Rivault, Torelli (vgl. oben § 4) und Sturm (des A. Kunst-Bücher u. s. w., Nürnberg 1670) zu Propos. 11 (früher 12) und zu den drei von A. ohne Beweis aufgestellten Sätzen stellt Nizze 168–171. 203–208 zusammen. Eine Übersicht über den Gesamtinhalt der Schrift giebt Marie Hist. des sciences mathém. I 90ff., vgl. Zeuthen Lehre von den Kegelschnitten im Altert. 416ff. 447ff., auch 408ff.

Um die Volumina der Segmente von Konoiden und Sphäroiden zu bestimmen (Propos. 19–22. 25–30 Heib.), teilt A. diese Körper durch parallele, gleichweit von einander entfernte ebene Schnittflächen und erhält so zwischen je zwei Schnittebenen ein Körperelement, zu welchem er je einen umschliessenden und einen eingeschlossenen Cylinder bildet. Zwischen der Summe sämtlicher umschliessenden und der Summe sämtlicher eingeschlossenen Cylinder muss das Volumen des betreffenden Segmentes [527] enthalten sein. Also auch hier ist die Exhaustionsmethode angewendet, und auch hier werden die Resultate schliesslich durch apagogische Beweise erhärtet (Cantor Vorles. I² 294f.).

Hervorzuheben ist noch mit Cantor a. a. O. 295 ein allgemeiner Satz, welcher aus Propos. 7–9 Heib. sich ergiebt, nämlich dass zu jeder Ellipse unendlich viele Kegel und Cylinder gefunden werden können, auf deren Mantel sie sich befindet, ‚offenbar ein Anfang dessen, was man perspectivische Eigenschaften krummer Linien zu nennen pflegt‘.

15. Die Kegelschnitte verdanken, wie schon der Name zeigt, ihren Ursprung stereometrischen Gebilden. Aber auch der Kreis gehört, wie wir gesehen haben, in weiterem Sinne zu den Kegelschnitten, und er stellt ausserdem die Schnittfläche der Kugel durch eine beliebige Ebene dar. Es war aber schon vor A. gezeigt worden, dass Curven nach bestimmten Bedingungen auch in der Ebene entstehen können. Die Quadratrix des Hippias und Deinostratos (s. d.) bedeutete die fortlaufende Reihe der Schnittpunkte einer in der Ebene um einen Punkt gleichmässig sich drehenden Geraden mit einer andern Geraden, die in derselben Ebene gleichmässig in der Richtung ihrer Normale sich fortbewegt. Auch A. liess eine Gerade in der Ebene sich drehen. Auf dieser Geraden aber liess er einen Punkt sich fortbewegen, und die von diesem Punkte beschriebene Curve nannte er ἕλιξ, Schneckenlinie (später speciell die archimedische Spirale benannt).

Ehe A. die Schrift περὶ ἑλίκων verfasste, hatte er Probleme, welche auf diese Curven und die von ihnen umgrenzten Flächen sich beziehen, zugleich mit vielen andern Aufgaben über Kugel, Kegel, Konoide und Sphäroide an Konon gesendet. In der Widmung der Schrift περὶ ἑλίκων an Dositheos schreibt er, dass Konon, wenn er länger gelebt hätte, gewiss die Lösungen zu allen diesen Aufgaben gefunden haben würde. Da aber nach Konons Tode mehrere Jahre vergangen waren, ohne dass die angeregten Fragen von den alexandrinischen Mathematikern gefördert wurden, sendete A. nach und nach die Lösungen an Dositheos, nämlich zuerst das erste, dann das zweite Buch über Kugel und Cylinder, dann die Schrift über die Schneckenlinien, zuletzt die über Konoide und Sphäroide. Wenn also, wie zweifellos feststeht, A. sowohl die Hauptsätze über Kugel und Cylinder, Konoide und Sphäroide selbst aufgestellt, als auch nachträglich die Beweise dazu herausgegeben hat, so müssen nach dem Wortlaute aller hierher gehörigen Stellen nicht nur die Beweisführungen in der Schrift περὶ ἑλίκων, sondern auch die Sätze selbst dem A. zugesprochen werden. A. in den Vorreden περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου, περὶ ἑλίκων, περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων Bd. I 2ff. 188–190. II 2ff. I 274ff. Heib. Nizze Übers. 281. Cantor Vorles. I² 291f. Wenn dagegen Pappos Bd. I 234 Hu. fünfhundert Jahre später als A. berichtet: τὸ ἐπὶ τῆς ἕλικος τῆς ἐν ἐπιπέδῳ γραφομένης θεώρημα προὔτεινε μὲν Κόνων ὁ Σάμος γεωμέτρης, ἀπέδειξεν δὲ Ἀρχιμήδης, so ist dies ein Widerspruch, den wir nicht zu lösen vermögen, da uns Schriftliches von Konon nicht erhalten ist. Möglich, dass Pappos, ein sonst zuverlässiger Gewährsmann, durch seine Quelle zu einem Irrtum geführt wurde. Anderseits aber ist auch die Möglichkeit [528] offen zu halten, dass eine von Konon zuerst aufgestellte ἕλιξ auf anderer Voraussetzung beruhte als die uns bekannte, von A. behandelte und nach ihm benannte. Als Erfinder der von A. aufgestellten Spirale wird Konon angesehen von Heiberg Quaest. Archim. 17 und Susemihl a. a. O. I 722. 731. Tannery Bulletin des sciences mathém., 2. série, VIII 1 (1884) 107 entscheidet sich, ebenso wie vor ihm Nizze und Cantor, für A., geht aber zu weit, wenn er, auf Grund der obigen Notiz des Pappos, im allgemeinen die Zuverlässigkeit dieses Schriftstellers in Zweifel zieht.

In der Vorrede definiert A. seine Spirale folgendermassen: wenn eine Gerade in einer Ebene um einen ihrer Endpunkte, welcher unbeweglich bleibt, mit gleichmässiger Geschwindigkeit sich bewegt, bis sie wieder dahin gelangt, von wo die Bewegung ausging, und wenn zugleich in der bewegten Linie ein Punkt mit gleichmässiger Geschwindigkeit, von dem unbewegten Endpunkte anfangend, sich bewegt, so wird dieser Punkt eine Schneckenlinie in der Ebene beschreiben (Bd. II 10, 9–14 Heib. Nizze Übers. 118; mit nur unbedeutenden Abweichungen wird diese Erklärung S. 50, 22–52, 5 Heib. wiederholt). Ferner kann man sich die erzeugende Gerade verlängert denken. Dann wird der sich fortbewegende Punkt bei weiterer Drehung eine zweite, dritte u. s. w. Schneckenlinie beschreiben. Nun vergleicht A., von dem Einfachen immer zu dem Schwierigeren fortschreitend, in verschiedenen Lehrsätzen die Flächen der ersten wie der folgenden Schneckenlinien teils mit einander teils mit der Kreisfläche. Dass die Fläche der ersten Schneckenlinie = des umgeschriebenen Kreises ist, erweist er ganz ähnlich wie bei der Kreismessung auf apagogischem Wege mit Hülfe der Exhaustion (Propos. 24). Auch Sectoren von Schneckenflächen bildet er und vergleicht sie mit den Kreissectoren. Diejenigen Sätze, auf welche er das Hauptgewicht legt, stellt er selbst in der Vorrede (II 10–13 Heib.) zusammen: es sind der Reihe nach die Propositionen 24. 18. 27. 28. Fr. X. Lehmann Die archimedische Spirale mit Rücksicht auf ihre Geschichte. Gymn.-Progr. Freiburg 1862. Ch. Scherling Die Archim. Spirallinie, Gymn.-Progr. Lübeck 1865. Heiberg Quaest. Archim. 16ff. Cantor Vorles. I² 291. Marie Hist. des sc. mathém. I 98f. Zeuthen Lehre von den Kegelschn. im Altert. 262ff.

Einen Auszug aus der Schrift des A. nebst eigenen kritischen Bemerkungen giebt Pappos Synag. IV c. 30–38 (s. das Nähere unter Pappos).

16. Die Grundzüge der Statik hat A. in den zwei Büchern vom Gleichgewichte der Ebenen (ἐπιπέδων ἰσορροπίαι) behandelt. Er beginnt mit allgemeinen Voraussetzungen über das Gleichgewicht von Ponderabilien (βαρέα). Gleich schwere Grössen, in gleichen Entfernungen wirkend, stehen im Gleichgewichte; werden die Entfernungen ungleich, so sinkt die in der grösseren Entfernung wirkende Grösse. Nun setzt er stillschweigend voraus, 1) dass die abzuwägenden Grössen gleichartig und die Gewichte derselben ihrer Grösse proportional sind, 2) dass sie Ausschnitte von Ebenen sind, welche man sich zu denken hat als gleichmässig mit einer in sich gleichartigen Masse [529] belegt (so dass statt des abstract geometrischen Gebildes der Ebene eine dünne körperliche Schicht eintritt, welche sowohl als Ebene gemessen wie ihrem Gewichte nach bestimmt und in beiden Beziehungen mit anderen Schichten verglichen werden kann). Hierauf folgen andere Postulate: wird von zwei Grössen, die im Gleichgewicht stehen, die eine vergrössert, so sinkt sie, wird sie verkleinert so steigt sie; gleiche und ähnliche ebene Figuren haben die gleichen Schwerpunkte; die Schwerpunkte ungleicher, jedoch ähnlicher Figuren liegen ähnlich; der Schwerpunkt einer (ebenen) Figur, deren Umgrenzung nach einerlei Seite hohl ist, liegt innerhalb der Figur (Bd. II 142–144 Heib. Nizze Übers. 1f.; vgl. auch E. Dühring Kritische Gesch. der allg. Principien der Mechanik² 4ff. 66ff.).

Nun folgen die Elementarsätze über Gleichgewicht und Schwerpunkt (eine Definition des Schwerpunktes wird nicht gegeben; sie war wahrscheinlich vorher in der Schrift κεντροβαρικά, nach anderen in dem Buche περὶ ζυγῶν [unten § 19] erledigt worden). Besonders wird behandelt der Schwerpunkt des Parallelogramms, des Dreieckes und des Trapezes.

Das zweite Buch behandelt den Schwerpunkt von Parabelsegmenten. In der vor Herausgabe des II. Buches behandelten Quadratur der Parabel hatte er das Parabelsegment mit dem eingeschriebenen Dreieck von gleicher Basis und Höhe ihren Gewichten nach verglichen und so ermittelt, dass ihre Flächen sich wie 4 : 3 verhalten (o. § 13).

Der in den Ausgaben voranstehende Titel (ἐπιπέδων ἰσορροπίαι) ist passend gewählt, wird jedoch durch kein anderweitiges Citat bestätigt. Als A. nach Herausgabe des I. Buches die Schrift über Quadratur der Parabel einschob, gab er, wie schon bemerkt, zuerst eine Beweisführung διὰ τῶν μηχανικῶν, dann eine zweite διὰ τῶν γεωμετρικῶν (quadr. parab. 294, 11). Bei der ersteren Beweisführung beruft er sich an zwei Stellen auf Sätze, die er im I. Buche über das Gleichgewicht der Ebenen ebenfalls auf mechanischem Wege erwiesen hatte, mit den Worten: δέδεικται γὰρ τοῦτο ἐν τοῖς μηχανικοῖς (306, 20. 314, 3). Pappos Synag. VIII 1034, 3 citiert τὰ Ἀρχιμήδους περὶ ἰσορροπιῶν. Der Codex Laurent. des Commentars des Eutokios giebt in den Überschriften το ᾱ των Αρχιμηδους ισορροπικων, το β των ισορροπικων Αρχιμηδους (306. 324 Heib.). Proklos zu Eukl. Elem. 181, 18 Friedl. citiert wörtlich den Anfang des I. Buches. Da es hier sowohl als in der ganzen übrigen Schrift des A. auf das Gleichgewicht ankommt, so kann Proklos nicht Ἀρχιμήδης τῶν ἀνισορροπιῶν ἀρχόμενος geschrieben haben, wie in den Hss. steht, sondern es ist τοῦ ᾱ ἰσορροπιῶν zu lesen. Da diese verbesserte Lesart mit dem Citat bei Pappos übereinstimmt und die aus Cod. Laurent. angeführten Überschriften davon nur unwesentlich abweichen, so ist vielleicht auch in den Ausgaben des A. ἰσορροπίαι statt ἐπιπέδων ἰσορροπίαι, als Titel zu setzen.

Über den Inhalt dieser Schrift vgl. Heiberg Quaest. Arch. 21. Rühlmann Vorträge über Gesch. d. techn. Mechanik 13ff. Marie Hist. des sc. mathém. I 99ff. Günther Gesch. der Math. u. Naturw.² 264.

17. An die Elemente der Statik hat A. weitere [530] Untersuchungen angeknüpft über das Verhalten fester Körper zu Flüssigkeiten, in welche sie getaucht werden. Von der hierüber handelnden Schrift liegt in griechischer Sprache nur ein kurzer Auszug unter dem Titel περὶ τῶν ὕδατι ἐφισταμένων ἢ περὶ τῶν ὀχουμένων vor, Classici auct. ed. Mai I 426ff., Ausg. v. Heiberg II 356ff. In den Mélanges Graux, Paris 1884, 690f. weist Heiberg die zwei von Mai benutzten vaticanischen Hss. nach. Gegen die ebenda aufgestellte Vermutung, dass dieser griechische Text erst im 16. Jhdt. aus einer lateinischen Vorlage zurückübersetzt sei, sprechen die echt überlieferten Ausdrücke περὶ τῶν ὀχουμένων 356 Heib. vgl. mit Heron und Strabon (s. u.) und σφαιροειδής vgl. mit Vitruv. VIII 6, 3. Eine ziemlich vollständige griechische Hs. ist noch im Mittelalter erhalten gewesen, und daraus ist eine lateinische Bearbeitung geflossen, welche Tartaglia bei seiner Herausgabe des I. Buches unter dem Titel Liber Archimedis de insidentibus aquae (o. § 4) benutzte. Das erste Buch wurde wiederholt und dazu das zweite Buch aus dem Nachlasse Tartaglias gefügt von Troj. Curtius: A. de insidentibus aquae libri duo (Venetiis 1565). Auch Commandino scheint zu seiner Ausgabe: A. de iis quae vehuntur in aqua libri duo (Bononiae 1565) keine griechischen Hss. benutzt zu haben. Heiberg Quaest. Archim. 13. 22f. und in den Anmerkungen zu seiner Ausgabe Bd. II 356f. 359 (jedoch wird die früher ausgesprochene Annahme, dass Tartaglia zu der Schrift, um die es sich hier handelt, einen griechischen Text benutzt habe, aufgehoben in Philol. XLIII 483). Susemihl Litt.-Gesch. I 727. Eine Rückübersetzung des I. Buches ins Griechische hat Heiberg Mélanges Graux 691ff. versucht; vgl. dazu Hultsch Litt. Centralblatt 1884, 856f.

Als Titel dieser Schrift des A. hat wahrscheinlich περὶ τῶν ὀχουμένων, d. i. von den schwimmenden Körpern, zu gelten. So lautet der zweite Teil der Überschrift in dem von Mai herausgegebenen Auszuge (II 356, 1 Heib.), womit die Ausführung bei Strabon I 54 ἐν τοῖς περὶ τῶν ὀχουμένων übereinstimmt. Ähnlich citieren Heron ἐν τοῖς ὀχουμένοις (pneumat. in Mathem. vet. ed. Thevenot 151) und Pappos ὀχουμένοις (Synag. VIII 1024, 29). Der Maische Auszug giebt ausserdem als Überschrift περὶ τῶν ὕδατι ἐφισταμένων, und so erscheinen die Ausdrücke aquae insidere, vehi in aqua in den lateinischen Bearbeitungen. Allein A. selbst hat absichtlich statt ὕδωρ das allgemeinere ὑγρόν (humidum) gewählt, und dies ist auch im Texte des Maischen Auszuges richtig überliefert (nur 357, 6 ist ὕδατος verschrieben statt ὑγροῦ). Torelli und mit ihm Heiberg haben hiernach die Überschrift de iis quae in humido vehuntur gewählt.

Zu Anfang des I. Buches wird als Voraussetzung (ὑποκείσθω u. s. w.) die Definition des hydrostatischen Druckes gegeben. Eine ruhende Flüssigkeit steht im Gleichgewicht infolge des gegenseitig sich ausgleichenden Druckes aller Teile. Die Oberfläche jeder Flüssigkeit ist sphärisch, weil sie einen Teil der Erdoberfläche darstellt (I Propos. 1. 2; hierauf bezieht sich Vitruv. VIII 6, 3). Dann wird gezeigt, wie weit feste Körper, welche entweder gleich schwer wie das gleiche [531] Volumen einer Flüssigkeit oder leichter oder schwerer sind, in die Flüssigkeit eintauchen, bezw. mit welcher Kraft sie aufwärts getrieben werden, ferner welchen Gewichtsverlust Körper, die gleich schwer oder schwerer als die Flüssigkeit sind, beim Eintauchen erleiden, endlich wie bei leichteren Körpern der in die Flüssigkeit eintauchende Volumenteil zum ganzen Volumen sich verhält (I Propos. 3–7. II Propos. 1). Eine zweite Reihe von Sätzen weist nach, welche Stellungen Segmente von Kugeln oder von Umdrehungsparaboloiden (o. § 14) beim Schwimmen einnehmen (I Propos. 8. II Propos. 2–10). Aus Propos. 3. 5. 7 des I. Buches geht der allgemeine Satz hervor, dass jeder in eine Flüssigkeit eintauchende feste Körper so viel an Gewicht verliert, als das durch ihn verdrängte Flüssigkeitsquantum wiegt, ein Satz, der nach seinem Erfinder das archimedische Princip benannt worden ist. Darin liegt zugleich die Entdeckung des specifischen Gewichtes, welches A. zwar noch nicht als solches benannt, wohl aber gekannt hat (denn wenn wir in II Propos. 1 als Flüssigkeit das Wasser setzen, so wird der eintauchende Volumenteil des schwimmenden Körpers nach dem specifischen Gewichte dieses Körpers bestimmt). Vgl. Ch. Thurot Recherches historiques sur le principe d’Archimède, Extrait de la Revue archéol. 1868–69, Paris 1869. Dühring Krit. Gesch. der allg. Principien der Mechanik² 6f. Rühlmann Vorträge über Gesch. der techn. Mechanik 15f. Marie Hist. des sc. mathém. I 110–127 (enthält auch Ausführungen zu Buch II Propos. 2. 8–10). Günther Gesch. der Math. u. Naturw.² 264.

Nach einer an sich nicht unglaubhaften, jedoch durch Hinzudichten ausgeschmückten Überlieferung ist A. auf sein hydrostatisches Princip beim Baden gekommen, als ihm von König Hieron aufgegeben worden war, zu ermitteln, in welchen Verhältnissen in einer für den König gelieferten, unversehrt zu erhaltenden Krone Gold und Silber gemischt waren. Nachdem einmal der allgemeine Satz über den Gewichtsverlust fester Körper im Wasser aufgefunden war, konnte A. leicht durch Abwägen von Massen reinen Goldes und Silbers im Wasser das specifische Gewicht dieser Metalle annähernd bestimmen, sodann den Gewichtsverlust der Krone im Wasser feststellen und daraus das Mischungsverhältnis der Masse, aus welcher die Krone gefertigt war, berechnen. Vitruv. IX praef. 9ff. Plut. ne suaviter quidem vivi posse etc. 1094 B C (hier wird auch gemeldet, dass A., nachdem er das Bad verlassen, zu wiederholten Malen εὕρηκα ausgerufen habe). Proklos zum I. Buche der Elem. 63f. Friedl. Carmen de ponderibus 124ff. (Metrol. script. II 95ff. Hultsch). Der Auftrag, die Krone zu untersuchen, kam nach Vitruv a. a. O. vom König Hieron, nach Proklos von Gelon; doch ist der letztere Name nicht sicher überliefert und dafür wahrscheinlich Hieron herzustellen. Vgl. Thurot a. a. O. 12ff. Heiberg Quaest. Archim. 22. Cantor Vorles. I² 295ff. 310f.

18. Cicero hat in den Briefen an Atticus zweimal eine schwer lösbare Aufgabe als πρόβλημα Ἀρχιμήδειον bezeichnet (XII 4, 2. XIII 28, 3). Es ist im Vorhergehenden mehrmals von den Problemen, welche A. an Konon sendete, die Rede gewesen. Wie nun aus den an Dositheos gerichteten Vorreden [532] des A. hervorgeht, war weder von Konon noch nach dessen Tode von den alexandrinischen Mathematikern, mit denen A. im wissenschaftlichen Verkehre blieb, irgend eines dieser Probleme gelöst worden. Deshalb gab A. selbst nach und nach die Lösungen und die Beweise heraus; von zwei Problemen aber erklärte er nachträglich, dass sie auf falschen Voraussetzungen beruhten, mithin auch nicht zu erweisen waren περὶ ἑλίκων 2, 22–4, 4 und 6, 9–8, 8 Heib.). Hiernach ist es nicht zu verwundern, wenn πρόβλημα Ἀρχιμήδειον zu jener allgemeinen Bedeutung kam, die wir aus Ciceros Briefen ersehen. So wird auch in den Scholien zu Platon und in einer anonymen Sammlung mathematischen Inhalts als eine besonders schwierige Aufgabe ein βοεικὸν πρόβλημα mit dem Bemerken erwähnt, es sei so von A. benannt worden. Schol. zu Plat. Charmid. 165 E. Anonymus in Heronis geom. 248, 2 Hultsch: (ἡ λογιστική) θεωρεῖ τοῦτο μὲν τὸ κληθὲν ὑπ‘ Ἀρχιμήδους βοεικὸν πρόβλημα, τοῦτο δὲ μηλίτας καὶ φιαλίτας ἀριθμούς (vgl. Arithmetica § 37). Diese Angabe entstammt wahrscheinlich aus einer Schrift des Geminos (s. d.), aus welcher Proklos zum I. Buche der Elemente Auszüge giebt (Prokl. 38ff. Friedl.; vgl. besonders 40, 2–5). Tannery Bulletin des sciences mathém., 2. série, V 1, 1881, 27.

Dieses Rinderproblem ist von Gotth. Ephr. Lessing in einer Wolfenbütteler Hs. aufgefunden und im J. 1773 herausgegeben worden. Die Überschrift lautet: Πρόβλημα, ὅπερ Ἀρχιμήδης ἐν ἐπιγράμμασιν εὑρὼν τοῖς ἐν Ἀλεξανδρείᾳ περὶ ταῦτα πραγματουμένοις ζητεῖν ἀπέστειλεν ἐν τῇ πρὸς Ἐρατοσθένην τὸν Κυρηναῖον ἐπιστολῇ. Die Fassung dieser Worte verrät, selbst wenn man den Fehler πραγματουμένοις (statt πραγματευομένοις) nicht dem Verfasser der Überschrift, sondern einem Abschreiber zuschiebt, die Hand eines Grammatikers, der um Jahrhunderte später als A. gelebt haben muss. Doch hat demselben gewiss eine ältere Quelle vorgelegen, denn die litterarischen Notizen, die er mitteilt, konnten in einer um so viel späteren Zeit schwerlich erfunden werden. Das Gedicht selbst enthält 22 Distichen im ionisch-epischen Dialekte. Es stellt die Aufgabe, die Menge der Rinder des Sonnengottes, welche einst auf der ,sicilischen Insel Thrinakia‘ weideten, zu messen. Ähnlich wie in dem Rinderprobleme der Anthologie (XIV 4: vgl. Arithmetica § 37 g. Ende) werden verschiedene Abteilungen der gesamten Heerde nach Verhältnissen von Zahlen mit einander verglichen; es fehlt aber jene eine Angabe einer bestimmten Zahl, welche zu einer bestimmten Lösung der Gleichung notwendig ist. Wir haben es also mit einer Aufgabe unbestimmter Analytik zu thun (Arithmetica § 35–37). Doch findet hier, abgesehen davon, dass nur ganzzahlige Lösungen statthaft sind, eine eigentümliche, sonst nirgends im Altertum vorkommende Begrenzung statt. Wenn man nämlich immer nur die möglichst kleinen Zahlen einsetzt und die an vorletzter Stelle bezeichnete Zahl dem Wortlaute nach (v. 34f.) als Quadratzahl fasst, so kommt als Gesamtsumme eine unendlich grosse Zahl heraus; man wird also gern bei dieser einen Lösung sich beruhigen und nicht das, was schon als unendlich Grosses erkannt worden ist, noch durch andere Lösungen überbieten wollen.

[533] Die Frage, ob A. wirklich das Epigramm verfasst hat oder ob sein Name nur hinzugesetzt worden ist, um die ausserordentliche Schwierigkeit des Problems zu bezeichnen, ist vielfach erörtert und bald nach der einen, bald nach der andern Seite hin beantwortet worden. Nachdem Lessing die Autorschaft des A. in Zweifel gelassen, J. Struve aber sie entschieden geleugnet hatte, trat Gottfried Hermann nicht minder entschieden für dieselbe ein. Struve hat ausserdem den zweiten Teil des Gedichtes, welcher die eigentliche Complication der Aufgabe enthält, als einen späteren, nicht beachtenswerten Zusatz erklärt, und hierin schlossen sich ihm Nesselmann und Vincent an (letzterer beschränkte die ursprüngliche Aufgabe sogar nur auf v. 1–16). Für die Autorschaft des A. und für die Einheit des Epigramms erklärte sich Heiberg sowohl in seinen Quaestiones Archimedeae als später in seiner Ausgabe. In dem philologischen Teile der von Krumbiegel und Amthor geführten Untersuchung über ,das Problema bovinum des A.‘ kommt der erstere nach einer sorgfältigen Erörterung des Für und Wider zu dem Endergebnis, dass es 1) nicht zu erweisen und wohl eher zu bezweifeln sei, dass das Epigramm in der vorliegenden Form von A. herrühre, 2) aber es wohl möglich, ja wahrscheinlich sei, dass die Aufgabe selbst in der That den A. zum Urheber hat. Die früheren Ausgaben und Bearbeitungen des Problems sind zusammengestellt von Krumbiegel Ztschr. für Math. u. Phys., hist.-litt. Abteil. XXV (1880) 121ff. und von Heiberg Quaest. Archim. 26f.; Philol. XLIII 486f. und in der Ausgabe des A. II 448f. Der Text mit kritischen Anmerkungen und Übersetzung findet sich bei Krumbiegel 129ff. Heiberg II 450ff. Seine eigene Ansicht entwickelt Krumbiegel 125ff. Ihm schliesst sich Tannery a. a. O. 27 an, nachdem er schon früher in Mém. de la soc. des sciences de Bordeaux, 2. série, III 369f. (S. 19f. des Sonderabdruckes) in ähnlichem Sinne sich geäussert hatte. Vgl. auch Günther Quadrat. Irration. 92f. Cantor Vorles. I² 297. 432. Heath Diophantos 142ff. Anthol. Palat. ed. Dübner-Cougny Bd. III 546f. 579f. Susemihl a. a. O. 726f.

Die in dem Epigramm gestellte Aufgabe beruht, abgesehen von der dichterischen Einkleidung, auf folgenden Voraussetzungen: 1) von den ganzen Zahlen a, b, c, d, α, β, γ, δ sind gegeben die Verhältnisse

a : b + d = 5 : 6  α : b + β = 7 : 12
b : c + d = 9 : 20  ß : c + γ = 9 : 20
c : a + d = 13 : 42  γ : d + δ = 11 : 30
 δ : a + α = 13 : 42,

2) a + b soll eine Quadratzahl, 3) c + d soll eine Dreieckszahl sein (vgl. Arithmetica § 20). Hiernach sind die einzelnen Zahlen a, b bis δ zu berechnen und ihre Gesamtsumme anzugeben.

Die Aufgabe fällt, wie schon bemerkt wurde, in das Gebiet der unbestimmten Analytik; doch ist sie als gelöst zu betrachten, wenn die kleinsten Zahlen gefunden sind, welche der Aufgabe genügen. Nun sind die ersten sieben Voraussetzungen, die wir oben unter 1 zusammengestellt haben, anscheinend ganz unverfänglich. Sollte aber jemand (so giebt der Verfasser des Epigramms zu verstehen) 8 Zahlen gefunden haben, die jenen 7 [534] Voraussetzungen entsprechen, so hat er zwar schon etwas Tüchtiges geleistet, aber der schwierigere Teil der Aufgabe bleibt noch zu erledigen. Nun ist die oben unter 2 aufgeführte Voraussetzung so stilisiert, dass es möglich schien, anstatt eine Quadratzahl aufsuchen zu müssen, mit der Auffindung einer Rechteckszahl (Arithmetica § 21) sich zu begnügen. Hiernach hat J. Fr. Wurm (Jahrb. f. Philol. XIV 1830, 194ff.) eine Lösung vorbereitet, welche für c + d genau eine Dreieckszahl, für a + b aber zwar genau eine Rechteckszahl, zugleich aber mit einer augenfälligen Annäherung eine Quadratzahl ergiebt (Amthor Ztschr. f. Math. u. Phys., hist.-lit. Abteil. XXV 1880, 157; Wurm selbst rechnet anders). Die Gesamtzahl der Rinder kommt dann auf nahezu 6 Billionen. Und so weit hat wohl auch der Verfasser des Epigramms gerechnet. Aber er verlangte, wie der Wortlaut von Vers 34f. erweist, genau eine Quadratzahl, und er ist sich der erstaunlichen Erschwerung der Aufgabe, welche in dieser Forderung lag, sicherlich bewusst gewesen, ohne jedoch die unendlich grosse Zahl, welche herauskommen musste, selbst ausgerechnet zu haben. Denn als Gesamtsumme der Rinder ergiebt sich dann nach Amthors Untersuchungen eine Zahl, welche mit 206 545 Ziffern zu schreiben sein würde, mithin nach archimedischem Systeme in die 25 819te Oktade der ersten Periode fällt. Wegen aller Einzelheiten der Ausrechnung ist auf Amthor in Ztschr. f. Math. u. Phys., hist.-litt. Abteil. XXV (1880) 153ff. zu verweisen. Die Lösung, welche ein Scholion zu diesem Epigramme bietet (II 454f. Heib.), erstreckt sich nur auf die oben unter 1 zusammengestellten Voraussetzungen. Betreffs Einordnung der Amthorsschen Zahl in die Oktaden des A. vgl. oben § 5f., dieselbe übertrifft weit die in § 7 a. E. angeführten Zahlen. Günther Gesch. der Math. u. Naturw.² 247, 1 führt die Hauptaufgabe des Epigramms auf eine ganzzahlige Lösung der Gleichung x²–4 729 494 y² = 1 zurück.

Unverkennbar tritt in den Eingangsworten des Epigramms, sowie in dem Übergange vom ersten zum zweiten Hauptteile und am Schluss eine feine satirische Färbung hervor, deren Spitze vielleicht gegen Apollonios gerichtet war. Es ist früher (S. 159) gezeigt worden, dass Apollonios in seinem ὠκυτόκιον einen genaueren Näherungswert für π als A. berechnet, mithin auch noch schwierigere Multiplicationen, als der letztere in seiner Kreismessung, ausgeführt hatte. Auch die andere, teilweise bei Pappos erhaltene Schrift des Apollonios über die Multiplication grosser Zahlen war gewiss durch A., und zwar durch dessen Sandrechnung, angeregt worden. Dass er darin ausdrücklich gegen A. polemisiert habe, brauchen wir nicht anzunehmen; allein die ganze Schrift an sich stellte eine Kritik des archimedischen Systems der Oktaden dar. Dass also A. seinerseits darauf wieder antwortete und ein Multiplicationsexempel aufgab, das selbst einem Apollonios zu schwer sein sollte, liegt nicht ausser dem Bereiche des Wahrscheinlichen. Und wollte er einmal etwas überaus Schweres aufgeben, so konnte es gar nicht in seiner Absicht liegen, die Grenzen dieses Problems etwa so zu beschränken, wie er es bei der Sandrechnung in so bewundernswerter [535] Weise gethan hatte. Wenn also dort von vornherein darauf verzichtet worden war, die Sandkörner auf der Erde zu zählen, und wenn die immer höher anschwellenden, auf maximalen Schätzungen beruhenden Zahlenbeträge doch in sicheren Grenzen eingeschlossen blieben, so gab er hier eine Multiplication auf, welche weit über die Ziele der Sandrechnung hinausging, verschleierte aber die Grösse und Schwierigkeit des Problems durch eine Reihe von Voraussetzungen, die anfangs ganz unverfänglich erscheinen mussten und deren Durchführung nicht über menschliches Können hinausging, wenn an vorletzter Stelle eine Rechteckszahl und zuletzt eine Dreieckszahl verlangt wurde, deren Lösung aber nicht mehr in Zahlen niedergeschrieben und ausgesprochen werden konnte, wenn statt der Rechteckszahl eine Quadratzahl aufgefunden werden sollte. Auch Amthor hat, wie hier noch festzustellen ist, die Schlusszahlen des Problems, welche bei engstem Druck einen dicken Band füllen würden (so dass die Ausdehnung der Nebenrechnungen und die darauf zu verwendende Zeit sich gar nicht übersehen lassen), nicht etwa ausgerechnet, sondern nur je nach den höchsten vier Stellen bestimmt und die dann folgenden Stellen gezählt (nicht mit Ziffern ausgefüllt).

Wir schliessen mit einer Begrenzung der Epoche des Epigramms. Will man es nämlich dem A. absprechen, so wird man doch die Abfassung nicht um einen beträchtlichen Zeitraum nach A. hinabrücken dürfen. Denn, abgesehen von der Form der mitüberlieferten Überschrift, kann der Inhalt desselben, wie schon bemerkt wurde, nicht allzu lange nach A. entstanden sein, also etwa in der Schule des Eratosthenes. Und diese Begrenzung bleibt bestehen, mag man nun annehmen, dass A. das Problem (in kurzer prosaischer Fassung) dem Eratosthenes mitgeteilt habe oder die Nachricht von einer solchen Mitteilung und in diesem Falle auch das Problem selbst von einem Schüler des Eratosthenes erfunden worden sei. Es ist also das Epigramm, wenn es nicht von A. selbst herrührt, doch spätestens dem Anfange des 2. Jhdts. v. Chr. zuzuteilen.

19. Aus einer arabischen Handschrift ist im J. 1659 von S. Foster eine angeblich von A. herrührende Sammlung von λήμματα unter dem Titel Liber assumptorum herausgegeben worden. Die griechische Schrift, die wir als Original der arabischen Übersetzung vorauszusetzen haben, war erst lange Zeit nach A. entstanden. Der unbekannte Verfasser hat verschiedene, sonst nicht bekannte geometrische Sätze, die zum Teil auf A. zurückgehen, bearbeitet. Ausdrücklich werden dem A. zugeschrieben die Beweise, dass der arbelos (ἄρβηλος) und das salinon (d. i. Wogengestalt, von σάλος abgeleitet, nach Cantor, eher wohl σέλινον, d. i. Eppichblatt, nach Heiberg), Figuren, die durch Halbkreise ausgeschnitten sind, gleiche Fläche mit Kreisen haben, deren Durchmesser durch die Construction dieser Figuren bestimmt sind (Propos. 4. 14). Hervorzuheben ist auch der 8. Satz, weil er auf eine Trisection des Winkels hinzuzielen scheint. Der lateinische Text dieser λήμματα findet sich bei Heiberg Bd. II 428ff., die deutsche Übersetzung bei Nizze 254ff. Über die früheren Ausgaben und die arabischen [536] Hss. vgl. Heiberg Quaest. Archim. 24f.; Philol. XLIII 483f.; Ausgabe II 428f., über den Inhalt der Schrift vgl. Cantor Vorles. I² 283ff. Günther Gesch. der Math. u. Naturw.² 253, insbesondere über ἄρβηλος Pappos IV Propos. 14. 18, über salinon Cantor a. a. O. Heiberg Ausg. II 443.

Zu den fünf regulären Polyedern, welche schon Platon gekannt und Eukleides im XIII. Buch der Elemente erschöpfend behandelt hat, sind von A. dreizehn halbregelmässige Polyeder erfunden worden, welche durch regelmässige Vielecke von mehr als einer Gattung begrenzt sind. Aus dem verloren gegangenen Originale, mag es nun eine besondere Schrift (etwa περὶ πολυέδρων) oder Teil eines anders betitelten Werkes gewesen sein, finden sich ziemlich ausführliche Auszüge bei Pappos V cap. 33–36 und in den Scholien zu diesem Abschnitte der συναγωγή des Pappos (Bd. III 1117f. 1241 Hultsch; vgl. auch den Anon. de fig. isoperim. ebd. 1162ff.). Ausg. des A. von Heiberg II 458ff., vgl. dens. Quaest. Archim. 30. Cantor 292f.

Von der Schrift über die Benennung der Zahlen, die gewöhnlich unter dem Titel ἀρχαί angeführt wird, ist oben bei der Sandrechnung (§ 5) gehandelt worden.

Von einem Supplement des A. zum II. Buche über Kugel und Cylinder ist ebenfalls schon früher die Rede gewesen (§ 12 a. E.). Eutokios hat eine Hss. dieses Supplementes benutzt, die wenigstens zum Teil noch den dorischen Dialekt aufwies. Die von Eutokios in seinen Commentar aufgenommene Umarbeitung giebt wohl den wesentlichen Inhalt der seitdem verloren gegangenen Urschrift wieder (Eutok. zu Archim. Bd. III 154 Heib., vgl. Bd. II 464).

Ausserdem werden noch folgende Schriften des A. citiert, zum Teil auch einige Worte aus denselben angeführt: περὶ ζυγῶν, über die Wage, eine Schrift, die wahrscheinlich, ebenso wie die κεντροβαρικά, vor den Büchern über das Gleichgewicht der Ebenen (oben § 16) abgefasst war (Pappos VIII 1060, 1–3. 1068, 19–23. Heiberg Quaest. Archim. 32; Ausg. II 307. 465f.; vgl. auch Nizze Übers. 233. Heiberg Quaest. 33. Carra de Vaux Les mécaniques de Héron, Paris 1894, 28f.); κεντροβαρικά, über den Schwerpunkt, von Simplic. in Arist. de caelo II (Schol. in Arist. 508 a 30 Brandis) angeführt, vgl. auch Carra de Vaux a. a. O. 27f.; κατοπτρικά, woraus eine Bemerkung über Strahlenbrechung von Theo zu Ptol. Synt. (I 29 Halma) mitgeteilt wird (Heiberg Quaest. 33; Ausg. 466f.); περὶ σφαιροποιίας, eine Schrift über die mechanische Darstellung der Umdrehungen der Himmelskörper (Karpos bei Papp. VIII 1026. 9–12. Prokl. zum I. Buch der Elem. 41, 16–18. Heiberg Quaest. 33f., Ausg. 467f., vgl. unten § 20); ἐφόδιον, von Suidas (s. Θεοδόσιος), ohne Angabe über den Inhalt, nur mit dem Bemerken erwähnt, dass Theodosios von Tripolis (s. d.) dazu einen Commentar geschrieben habe. Da ἔφοδος nach gutem griechischen Sprachgebrauche ‚Methode‘ bedeutet, so vermutet Heiberg Quaest. 32, dass die Schrift über die Methode der mathematischen Wissenschaft gehandelt habe. Einen speciell astronomischen Inhalt soll das ἐφόδιον nach Tannery Hist. de l’astronomie ancienne 65f. gehabt haben, nämlich Tafeln der [537] Sehnen des Kreises, wobei die Peripherie in 1000 Teile zerlegt (aren. 1, 17), und der Radius zu 159 solchen Teilen angesetzt worden sei. Auch über die Länge des Jahres hat A., wie aus Hipparchos bei Ptol. Synt. (Bd. I 153 Halma) und Ammian. Marc. XXVI 1, 8 zu entnehmen ist, geschrieben (vgl. unten § 20).

Von arabischen Sehriftstellern werden dem A., mehr oder minder wahrscheinlich, zugeteilt Schriften über das Siebeneck im Kreise, über sich berührende Kreise, über Parallellinien, über Dreiecke (de triangulis, de triangulorum rectangulorum propristatibus). Andere Citate derart haben, wie es scheint, keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit (Heiberg Quaest. Archim. 28–30). Unter dem Titel ‚Antiqui scriptoris libellus de speculo comburenti concavitatis parabolae‘ hat Gongava im J. 1548 einen aus dem Arabischen übersetzten Tractat herausgegeben, der irrtümlich dem A. zugeschrieben worden ist (Fabricius Bibl. Gr. IV 178 Harl. Heiberg Quaest. 27). Ein angeblicher Brief des A. an den König Gelon ist zu Ende des 17. Jhdts. gefälscht worden (Heiberg Quaest. 27f. Curtze Ztschr. für Math. u. Phys., hist.-lit. Abteil. XX [1875] 89ff. und in Jahresber. XI 1877, 187).

20. Von seinen astronomischen Studien giebt A. selbst in der Sandrechnung (II 248ff. Heib.) Zeugnis. Er beschreibt dort eine von ihm erfundene Methode den scheinbaren Durchmesser der Sonne zu messen, und berechnet daraus, wie viele Mal grösser der Sonnendurchmesser als der des Mondes sei. Wenn er dabei auch weit hinter der Wirklichkeit zurückblieb, so ist doch hervorzuheben, dass er im Verhältnis zu den Schätzungen früherer Astronomen immerhin dem richtigen Resultat sich genähert hat. Denn nach Eudoxos sollte der Sonnendurchmesser 9mal so gross sein als der des Mondes, nach Pheidias, dem Vater des A., 12mal so gross, nach Aristarchos zwischen 18 und 20mal so gross, nach A. 30mal so gross. Auch hat er die Abstände des Mondes und der Sonne von der Erde, die Reihenfolge und die Abstände der Planeten, sowie den Durchmesser der Fixsternsphäre berechnet (Macrob. somn. Scip. I 19, 2. II 3, 13, und vgl. A. aren. 4, 11–13. C. v. Jan Philol. LII 1893, 13f. 17ff.). Dazu gehörte die Bestimmung der scheinbaren Sonnenbahn und der Länge ihres scheinbaren Jahresumlaufes um die Erde. Die Länge des Jahres hat er aller Wahrscheinlichkeit nach zu 3651/4 Tagen angesetzt (Hipparch bei Ptol. Synt. Bd. I 153 Halma. Ammian. Marc. XXVI 1, 8–10). So war er im stande, den Umlauf des Mondes und den scheinbaren Umlauf der Sonne und der Planeten um die Erde so genau darzustellen, dass selbst die Sonnen- und Mondfinsternisse (für kürzere Perioden) zur Darstellung kamen. Darüber hatte er in seiner σφαιροποιία geschrieben (§ 19), und danach stellte er das erstaunliche, durch Wasser bewegte Kunstwerk dar, die später sog. sphaera Archimedis (Ἀρχιμήδειος σφαῖρα), welche von Marcellus nach der Eroberung von Syrakus nach Rom geschafft und im Tempel der Virtus aufgestellt wurde. Von den astronomischen Beobachtungen des A. sprechen, ausser den bereits Angeführten, Liv. XXIV 34, 2. Plut. Marc. 19; ne suaviter quidem vivi posse etc. 1093 E; [538] über seine sphaera erstattet eingehenden Bericht Cicero cic de rep. I 21f., vgl. Tusc. I 63 de nat. deor. II 88. Prokl. zum I. Buch der Elem. 41, 16–18. Sext. Empir. adv. math. IX 115. Über die betreffenden Stellen lateinischer Dichter vgl. Hultsch Ztschrift für Mathem. u. Phys., hist.-litt. Abteil., XXII (1877) 106f.; auch Manil. IV 266ff. gehört hierher. Im allgemeinen vgl. H. A. Schiek Über die Himmelsgloben des Anaximander und A., I. II, Gymnasialprogr. Hanau 1843. 1846. Hultsch Ztschr. f. Math. u. Phys. a. a. O. Heiberg Quaest. 33f. 41ff. Curtze Jahresber. XI 1877, 186f. Tannery Revue de philologie XVIII (1893) 213f.

Über die mechanischen Erfindungen des A. sind zahlreiche, darunter aber nur wenige zuverlässige Nachrichten erhalten. Zunächst steht fest, dass er sich anheischig machte, jede noch so grosse Last fortbewegen zu können. Die charakteristischen Worte δός μοι ποῦ στῶ καὶ κινῶ τὴν γῆν (Pappos VIII 1060, 1–4, vgl. Plut. Marc. 14) auch in der Form πᾶ βῶ καὶ κινῶ τὰν γᾶν überliefert (Simplic. in Aristot. phys. VII 250 a 19 [Schol. in Arist. 424 a 13 Brandis], vgl. Tzetz. Chil. II 130. III 61f.), sollen Hieron II. veranlasst haben, dem A. aufzugeben, dass er ein vollbeladenes und reichlich bemanntes Schiff von der Werft, wo es gebaut worden war, fortbewege (Plut. Marc. 14 g. E. Athen. V 207 a. b. Simplic. a. a. O. Proklos zum I. Buch der Elem. 63 Friedl.). Hierzu hat A. jedenfalls den Flaschenzug, teils in einfacher, teils in complicierter Gestaltung (τρίσπαστον, πολύσπαστον), angewendet. Mit einem System solcher Flaschenzüge konnte das Schiff weiter bewegt werden, sobald es einmal aus der ruhenden Lage gebracht war; der erste Anstoss aber musste sicherlich durch Winden (κοχλίαι) gegeben werden. Ob auch Maschinen nach Art des später von Heron und Pappos beschriebenen βαρουλκός, eines Systemes von grösseren und kleineren Zahnrädern, schon von A. verwendet wurden, ist zweifelhaft. Dass A. das Schiff durch Flaschenzüge fortbewegte, bezeugen Plut. Marc. 14. Simplic. a. a. O. Orib. coll. med. Bd. IV 407 Bussemaker (auch in J. G. Schneiders Ecl. phys. II 308ff.). Tzetz. Chil. II 107f., und zwar sprechen Plutarch von einem πολύσπαστον, Oribasius und Tzetzes von einem τρίσπαστον, Simplicius von einem χαριστίων (dass τρίσπαστον und χαριστίων Synonyma sind, geht aus Tzetz. Chil. II 130 vgl. mit III 61 hervor). Als Winde ist zu deuten die ἕλιξ bei Athen. V 207 b, d. i. der κοχλίας des Heron und Pappos: s. Papp. VIII 1108ff. 1122ff. und Hultsch im Index zu Papp. unter ἕλιξ. Im allgemeinen vgl. Heiberg Quaest. 36ff.

Bei seinem Aufenthalte in Alexandreia lernte A. auch die uralten, höchst einfachen Maschinen kennen, durch welche das Wasser aus den Canälen des Delta geschöpft und auf die bebauten Felder geleitet wurde. Wie Diod. V 37, 3 berichtet, hat er damals die Wasserschraube erfunden, welche bald allgemeine Anwendung in Ägypten gefunden haben muss, denn sie wird von Diodor schlechthin Αἰγυπτιακὸς κοχλίας genannt. Auch Strab. XVII 807 gedenkt ihrer Benutzung im Delta. Ausser zur Bewässerung des Kulturlandes diente sie zum Ausschöpfen des Wassers aus Schiffen oder Bergwerken, Diod. I 34, 2. V 37, 3. Athen. V 208 f. [539] Heiberg Quaest. 35f. Eine ausführliche Beschreibung dieser archimedischen Schraube giebt Vitr. X 6 (11). Wenn dieselbe heute noch auch Wasserschnecke genannt wird, so erinnert dies an die vorher aus Athen. V 207 b angeführte ἕλιξ, d. i. die Schneckenlinie am Cylinder, also Schraubenlinie. Hultsch Index zu Papp. s. ἕλιξ.

Die Maschinen, durch welche die Römer gezwungen wurden von der Bestürmung der Stadt Syrakus abzusehen, waren zunächst Wurfgeschütze verschiedener Grösse, auf die Wirkung in weiterer Entfernung oder mehr in der Nähe berechnet, dann Schwebebalken, welche plötzlich gegen die der Mauer sich nähernden Schiffe sich senkten und Steine oder Bleimassen auf die Schiffe herabfallen liessen, endlich Balken in der Form von Hebeln mit eisernen Griffen an dem einen Ende. Diese Griffe fassten das feindliche Schiff, zogen es in die Höhe und liess es dann plötzlich frei, so dass es kenterte. Dass mit solchen eisernen Händen auch Mannschaften aus den Schiffen herausgeholt oder dass ganze Schiffe durch Brennspiegel in Brand gesteckt wurden, sind spätere Erfindungen. Von dem Berichte des Polybios über die Belagerung von Syrakus liegt nur ein Fragment vor; da aber Livius, der in seiner Schilderung der Bestürmung durch die Römer und der Abwehr durch die Syrakusaner genau an Polybios sich angeschlossen hat, nichts von jenen Dingen erwähnt, so ist zu schliessen, dass auch bei Polybios nichts davon gestanden hat. Polyb. VIII 5–9. Liv. XXIV 33f. Plut. Marc. 14–18. Heiberg Quaest. 38ff.

Von der scharfsinnigen physikalischen Erfindung des A., den Zusatz von Silber zu einer Krone, welche reines Gold enthalten sollte, durch Abwägen im Wasser zu bestimmen, ist schon früher die Rede gewesen (§ 17). Dagegen ist es fraglich, ob er zur Ermittelung des specifischen Gewichtes von Flüssigkeiten ein dem heutigen Aräometer ähnliches Instrument gekannt hat. E. Gerland Zur Geschichte der Erfindung des Aräometers, Annalen der Physik und Chemie, N. F. I (1877) 150ff. Heiberg Quaest. 43; Philol. XLIII 487.

Eine Erfindung des Mittelalters ist der loculus Archimedius, ein Zusammensetzespiel, wie solche noch heute im Gebrauch sind. Viereckige, dreieckige und anders gestaltete Elfenbeintäfelchen, welche, in einem Kästchen zusammengelegt, ein Quadrat bildeten, wurden auseinandergestreut und dann mannigfach zur ungefähren Darstellung von Säulen, Schiffen, Schwertern, Bäumen u. s. w. zusammengesetzt. Mar. Victor. G. L. VI 100f. K. Atil. Fortun. ebd. 271f. Heiberg Quaest. 43f. Cantor Vorles. I² 283.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band S III (1918) S. 144152
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S. 507ff. zum Art. Archimedes:

1. Seit Erscheinen des Art. Archimedes Bd. II S. 507ff. sind unsere Kenntnisse über A. vielfach bereichert worden, teils durch indirekte, teils durch direkte Überlieferung. Für die indirekte Überlieferung kommen zunächst einige Verweise in den neugefundenen Schriften des A. selbst (Ἔφοδος, Περὶ ὀχουμένων) in Betracht. Eine reiche Ausbeute gewähren die 1896 gefundenen, 1903 zum ersten Male edierten Μετρικά Herons (vgl. über sie Bd. VIII S. 1013, 5ff.), zu denen eine nicht unwichtige Ergänzung durch eine Scholienstelle (Heronis opera V 229, 2) gegeben wird. Zwar hat schon Heron nicht mehr alle Schriften des A. gelesen (so hat er von den uns erhaltenen den Τετραγωνισμὸς παραβολῆς wahrscheinlich nicht gekannt); im ganzen aber müssen seine Kenntnisse über A. noch erheblich reicher gewesen sein, als die unseren. Die neue direkte Überlieferung wird dargestellt durch einen 1906 von Heiberg entdeckten Konstantinopler Palimpsest. Er befindet sich im Metochion des Klosters τοῦ παναγίου τάφου, wohin er aus dem Koster des heiligen Sabas in Palästina gekommen ist. Er trägt die Nummer 355 und [145] enthält unter einem Euchologion s. XII–XIII Schriften des A. in Minuskeln s. X. Von früher schon bekannten Schriften des A. bietet die Hs. mehr oder minder große Stücke aus Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου – das Proömion zu Buch I erhalten wir zum ersten Male vollständig im Originale –, Περὶ ἑλίκων, Κύκλου μέτρησις, Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι. Von dem bisher nur in Wilhelm v. Moerbeks lateinischer Übersetzung erhaltenen Werke Περὶ ὀχουμένων sind uns durch den Palimpsest große Stücke im griechischen Text geschenkt worden. Das Wichtigste, was er enthält, sind aber zwei neue Schriften: a) Στομάχιον, leider nur ein kleines Bruchstück; b) Περὶ τῶν μηχανικῶν θεωρημάτων πρὸς Ἐρατοσθένην ἔφοδος, in sehr erheblichem Umfange erhalten. Die Reihenfolge der Schriften im Palimpsest läßt sich nur für drei Gruppen (Ἰσορροπικά – Περὶ ὀχουμένων – Ἔφοδος. Περὶ ἑλίκων – Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου I. II. Κύκλου μέτρησις – Στομάχιον) feststellen; die Anordnung dieser Gruppen unter sich ist nicht mehr kenntlich. Vgl. über die Hs. Heiberg Herm. XLII 235ff.

2. Über die Einzelausgaben der Ἔφοδος wird unten (S. 150) berichtet werden. Hier sollen nur die neuen Gesamtausgaben bzw. -bearbeitungen Erwähnung finden: The Works of A. edited in modern notation with introductory chapters by T. L. Heath, Cambridge 1897. Das Buch ist für Mathematiker bestimmt und bietet daher die Schriften des A. in einer der modernen mathematischen Bezeichnungsweise angepaßten Umformung; die Einleitung enthält neben Referaten über fremde auch eigene Forschungen. Als Ergänzung dazu hat Heath eine Sonderbearbeitung der Ἔφοδος herausgegeben: The Method of A. recently discovered by Heiberg. A supplement to The Works of A., Cambridge 1912. Eine deutsche Übersetzung des Heathschen Buches mit dem Supplement von Dr. Fritz Kliem, ist Berlin 1914 erschienen; sie läßt mehrfach in Einleitung und Text die durch die neuen Funde nötig gewordene Umarbeitung vermissen. Vor allem aber ist Heibergs zweite Ausgabe zu nennen: Archimedis Opera omnia cum commentariis Eutocii iterum ed. J. L. Heiberg; vol. I Lpz. 1910, vol. II 1913.

Wir wenden uns nunmehr der Betrachtung der neugewonnenen Kenntnisse über A. im einzelnen zu.

3. Tannerys (Mém. scient. I 226) noch von Hultsch (Bd. II S. 521, 50) bestrittene Annahme, daß die Κύκλου μέτρησις uns schwer verstümmelt überliefert ist, hat sich seither bestätigt. Sie enthielt ursprünglich auch einen Satz über die Fläche des Kreissektors, wie Heron Metr. I 37 p. 86, 22 (frg. 5 Heib.) zeigt: δέδεικται δὲ Ἀρχιμήδει ἐν τῇ τοῦ κύκλου μετρήσει, ὅτι πᾶς τομεὺς ἥμισύς ἐστι τοῦ περιεχομένου ὑπό τε τῆς τοῦ κύκλου, οὗ ἐστιν ὁ τομεύς (dies ist übrigens schwerlich die ursprüngliche Form des Satzes). Es scheint aber weiter in der Κύκλου μέτρησις ein Satz über die Fläche des Kreissegments gestanden zu haben: bei Heron Metr. I 27–29. 32 p. 70, 5–72, 27. 76, 18–80, 6 wird der Satz bewiesen: Πᾶν τμῆμα κύκλου μεῖζόν ἐστιν ἢ ἐπίτριτον τριγώνου τοῦ τὴν αὐτὴν βάσιν ἔχοντος αὐτῷ καὶ ὕψος ἴσον. Der Beweis wird ganz analog [146] dem zweiten (geometrischen) Beweis des A. für die Parabelquadratur Τέτρ. παρ. 18–24; vgl. Bd. II S. 524, 37–525, 23) geführt. Dieser Satz wird im Scholion zu [Heronis] geometria 358, 30 Heib. (Heronis opera V 229, 2 Heib.) dem A. zugeschrieben. Es läßt sich ziemlich sicher dartun, daß diese Scholienangabe richtig ist, wenn man auch nicht sieht, woher sie stammt. Der Satz kann dann natürlich nur in der Κύκλου μέτρησις gestanden haben.

Der Text der Κύκλου μέτρησις scheint aber nicht allein durch Verstümmelung, sondern auch durch schwere Interpolation entstellt; der Nachweis, daß der ganze Satz 2 (Ὁ κύκλος πρὸς τὸ ἀπὸ τῆς διαμέτρου τετράγωνον λόγον ἔχει ὃν πρὸς ιδ vgl. o. Bd. II S. 521, 8ff.) unecht ist, ist Bibl. math. 3. Folge XIV versucht.

Es bleiben aber trotzdem drei Sätze in der ursprünglichen Fassung der Schrift, die sich mit dem Inhalt des Kreises oder seiner Teile beschäftigen (Satz 1 unseres Textes und die beiden oben aus der indirekten Überlieferung festgestellten Sätze). So kann drei von Pappos vol. I 312, 18–21 überlieferte und von Tannery angenommene Titel Περὶ τῆς τοῦ κύκλου περιφερείας nicht der ursprüngliche sein.

4. A. hat sich noch in einer zweiten Schrift mit der Bestimmung der Zahl π beschäftigt. Bei Heron Metr. 26 p. 66, 13 findet sich die folgende Stelle frg. 6 Heib.): Ὁ δὲ αὐτὸς Ἀρχιμήδης δείκνυσιν ἐν τῷ Περὶ πλινθίδων καὶ κυλίνδρων, ὅτι παντὸς κύκλου ἡ περίμετρος πρὸς τὴν διάμετρον μείζονα μὲν λόγον ἔχει ἢ ὃν ἔχει πρὸς , ἐλάσσονα δὲ ἢ ὃν ἔχει πρὸς . Über den mutmaßlichen Inhalt der Schrift Περὶ πλινθίδων καὶ κυλίνδρων, die vorher nicht einmal dem Namen nach bekannt war, s. u. S. 151. Die Zahlen sind korrupt; die erste (= 3,14164) ist 〉π statt 〈 π, die zweite (= 3,1737) ist zwar, wie verlangt, 〉π, aber viel zu ungenau. Über Emendationsversuche vgl. Tannery Journ. d. Sav. 1903, 205 (auch Bd. VIII S. 1006, 43–57 angeführt). Heiberg in der Ausg. II² 542. Jedenfalls waren die in Περὶ πλινθίδων καὶ κυλίνδρων berechneten Werte erheblich genauer als die in der Κύκλου μέτρησις.

5. Rein geometrischer Natur waren die Untersuchungen in der Schrift Στομάχιον. Durch den Konstantinopler Palimpsest haben wir von ihr das Vorwort, den größten Teil des ersten sowie den Anfang des zweiten Lehrsatzes im griechischen Text erhalten (erstmalig ediert in A. II² 416–420 Heib.). Dazu kommt ein von Suter aus einer arabischen Hs. 1899 in den Abh. z. Gesch. d. Math. IX 499ff. nebst deutscher Übersetzung herausgegebener Satz mit Beweis (die Übersetzung wieder abgedruckt A. II² 420–424 I Heib.).

Durch diese Bruchstücke erfahren wir zunächst, daß der loculus Archimedeus nicht, wie früher (s. Bd. II S. 539, 46ff.) angenommen wurde, eine Erfindung des Mittelalters ist, sondern seinen Namen mindestens insoweit mit Recht trägt, als A. sich mit ihm beschäftigt hat. Denn um den loculus Archimedeus handelt es sich in den beiden Bruchstücken. Der Name Στομάχιον [147] war bei Ennodius carm. 340 (p. 249 Vogel) und bei Ausonius Cento nuptialis 208, 1 Peiper richtig überliefert, aber durch die falsche Konjektur Ὀστομάχιον ersetzt worden; auch die unvokalisierte arabische Hs. hat die Konsonanten richtig bewahrt. Die Bedeutung des Wortes ist zweifellos ,Neckspiel‘ (vgl. στόμαχος Ox. Pap. III 533, 14 und lat. stomachari). Heiberg Herm. XLII 240f.

In dem arabisch erhaltenen Satze, den Heiberg, schwerlich mit Recht (s. u.), als den Schlußsatz betrachtet, wird ein Quadrat in 14 Teile (Drei-, Vier-, Fünf-Ecke) zerlegt, deren jeder gleich einem oder mehreren Achtundvierzigsteln des Ganzen ist. Daß es sich um 14 Elfenbeintäfelchen handelte, die zusammen ein Quadrat bilden, war schon aus den Bericht des Ausonins (a. O.) über das Στομάχιον, sowie aus denen des Marius Victorinus G. L. VI 100, 23ff. und des Atil. Fortunat ebd. 271, 26ff. über den loculus Archimedeus zu erkennen. Weiter hatte A., wie die Vorrede zeigt, dargelegt, welche Winkel der verschiedenen Figuren paarweise zusammengenommen gleich oder ungefähr gleich zwei Rechten sind, Diese Erörterungen müssen nach dem Satze der arabischen Hs. gestanden haben. Der Dialekt ist in dem griechisch erhaltenen Stück ungewöhnlich streng dorisch; die Schrift wurde also sehr wenig gelesen, Heiberg Herm. XLII 297. Die Frage, ob A. wirklich der Erfinder des Neckspieles ist, harrt noch der Entscheidung.

6. Zu den Ausführungen über die mechanischen Schriften des A. (s. Bd. II S. 528, 55ff. 536, 37ff.) lassen sich jetzt folgende Ergänzungen geben. Zu den beiden Stellen des Τετραγωνισμὸς παραβολῆς, an denen A. Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι I als Μηχανικά zitiert (II² 274, 9. 280, 16 Heib.), kommt jetzt eine dritte Stelle im neugefundenen griechischen Text von Περὶ ὀχουμένων, hinzu, wo dasselbe Buch Στοιχεῖα τῶν Μηχανικῶν heißt (II² 350, 2 Heib.). Da ein Zitat unter dem Titel Ἰσορροπικά in der Ἔφοδος (II² 438, 2 Heib.) sich als Interpolation erweisen läßt (Arendt Bibl. math. 3. Folge XIV), so steht der Titel Μηχανικά oder Στοιχεῖα τῶν μηχανικῶν für Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι I als authentisch fest. Arendt a. a. O. Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι II hat mit dieser Schrift ursprünglich gar nichts zu tun. Schon terminologische Erwägungen (Kierboe Bibl. math. 3. Folge XIV 36. Arendt ebd.) ergeben, daß es erst nach der Schrift ,Über Konoide und Sphäroide‘ abgefaßt ist. Nun lernen wir aus dem griechischen Text von Περὶ ὀχουμένων, (II² 350, 14 Heib.) ein Werk Ἰσορροπίαι kennen, in dem der Schwerpunkt von Paraboloidsegmenten bestimmt war. Die Ἔφοδος läßt keinen Zweifel, daß dasselbe Werk sich auch mit den Schwerpunkten von Kugel-, Hyperboloid- und Ellipsoidsegmenten beschäftigte. Und es ist wahrscheinlich, daß auch das jetzige Werk Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι II (Schwerpunkt von Parabelsegmenten) nur ein Bruchstück dieses Werkes Ἰσορροπίαι ist, Arendt a. a. O. Über die Art, wie aus Stücken der beiden Werke Μηχανικά und Ἰσορροπίαι, die etwa zwei Jahrzehnte auseinander liegen mögen, später die beiden Bücher Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι hervorgegangen sein können, eine Vermutung a. a. O.

[148] Über die übrigen mechanischen Schriften des A. hat sich noch nichts Neues ergeben. Weder über Περὶ ζυγῶν (frg. 14 Heib.) noch über das ‚Buch der Stützen‘ (frg. 16 Heib.) läßt sich Sicheres vorbringen.

7. Auf ein der Geometrie und Mechanik gemeinsames Gebiet führt uns der wichtigste Beitrag zur Kenntnis von A.s Schriftstellerei, den wir dem Konstantinopler Palimpsest verdanken, die Ἔφοδος. Zu der Erwähnung dieser Schrift bei Suidas, wo sie Ἐφόδιον gemannt wird (s. Bd. II S. 536, 58ff.), waren neuerdings einige Zitate unter dem Titel Ἐφοδικόν in Herons Μετρικά (I 32 p. 80, 17 = I 35 p. 84, 12).[2] II 14. 15 p. 130, 16. 25) gekommen, die weder Heibergs noch Tannerys Vermutung über den Inhalt (s. Bd. II S. 536, 62ff.) zu bestätigen schienen. Der nun in sehr beträchtlichen Umfange wiedergefundene Text hat dennoch Heibergs Vermutung als richtig erwiesen. Der Inhalt der Schrift ist kurz folgender: Sie beginnt mit einer Widmung an Erathosthenes, aus der wir zunächst erfahren, daß A. ihm früher zwei Sätze ohne Beweis geschickt hatte; der erste handelte von einem Zylinderhuf, der zweite von dem Stück, das zwei sich in einem Würfel durchdringenden Zylindern gemeinsam ist, d. h. vom doppelten Kreuzgewölbe. A. betont sodann die Eigentümlichkeit, durch die sich diese Sätze von allen früher von ihm gefundenen Volumenbestimmungen unterscheiden, daß nämlich hier zum ersten Male Körper, die ganz oder teilweise von krummen Flächen begrenzt sind, mit solchen verglichen werden, die von ebenen Flächen begrenzt sind (der erste ist = 1/6 des dem Zylinder umbeschriebenen Prismas, der zweite = 2/3 des den beiden Zylindern umbeschriebenen Würfels).

Ehe A. nun zum Beweise dieser Sätze übergeht, will er dem Eratosthenes eine Methode darlegen, durch die man geometrische Sätze vorläufig auf mechanischem Wege untersuchen (θεωρεῖν) könne. Diese Methode habe ihm mehrfach das Auffinden der streng geometrischen Beweise erleichtert und könne es künftig auch bei anderen tun; deshalb und weil er bereits früher von ihr gesprochen habe, teile er sie mit.

A. legt nun, nachdem er in üblicher Weise einige Hilfssätze angeführt hat, die Methode an folgenden Beispielen dar, die er teils ausführt, teils nur kurz andeutet: Flächeninhalt des Parabelsegments (1), Volumen der Kugel (2), Volumen des Ellipsoids (3), Volumen und Schwerpunkt des geraden Paraboloidsegments (4. 5), Schwerpunkt der Halbkugel (6), Volumen und Schwerpunkt des Kugel-, Ellipsoid- und Hyperboloidsegments (7–11).

Dann erst wendet sich A. den beiden neuen Sätzen zu. Wir haben noch mehr oder minder vollständig eine mechanische (12. 13) und eine geometrische (14) vorläufige Untersuchung und den strengen geometrischen Beweis (15) des Satzes über den Zylinderhuf. Kurz vorm Ende des geometrischen Beweises bricht die Handschrift ab. Es folgten noch die vorläufige Untersuchung und der Beweis für die Zylinderdurchdringung, [149] dagegen zweifellos nicht die von Heiberg nach einer verderbten Stelle des Textes (438, 18–21) angenommene Wiederholung des früher (Τετρ. παρ. 18–24) veröffentlichten geometrischen Beweises für die Parabelquadratur (vgl. darüber Arendt Bibl. Math. 3. Folge XIV).

Die Methode, die A. darlegt, besteht nun in folgendem: Er legt einen beliebigen Schnitt (Gerade bei ebenen, Ebene bei körperlichen Gebilden) zugleich durch das zu untersuchende geometrische Gebilde und durch ein anderes, dessen Flächen- oder Rauminhalt und Schwerpunkt bekannt sind. Der eine von den beiden Schnitten wird dann so an das Ende eines Hebels übertragen, daß sich beide miteinander im Gleichgewicht befinden. Dasselbe gilt dann für alle parallel geführten Schnitte. Nun sagt A. jedesmal, daß jedes der beiden Gebilde aus den in ihm geführten Schnitten bestehe oder von ihnen ausgefüllt werde. So schließt er aus dem Gleichgewicht der sämtlichen Parallelschnitte auf das der ganzen Gebilde und folgert daraus das Flächen- (Volumen-) Verhältnis beider Flächen (Körper) bzw. die Lage des Schwerpunktes. Auf derselben Vorstellung, daß die Flächen aus Linien, die Körper aus Ebenen bestehen, beruht auch die rein geometrische Überlegung in der zweiten vorläufigen Untersuchung (14) des Satzes vom Zylinderhuf. Das bedeutet nichts Geringeres, als daß A. den Begriff des unendlich Kleinen und damit das Prinzip der Integralrechnung mit vollem Bewußtsein erfaßt hat. Daß er sich durch diese geniale Entdeckung nicht verleiten ließ, die so gewonnenen Beweise als hinreichend anzusehen (das waren sie in dieser Form natürlich noch nicht), sondern in allen Fällen noch den exakten Exhaustionsbeweis suchte, verdient um so größere Bewunderung. Darin, daß wir hier zum ersten Male Einblick in die Arbeitsweise eines griechischen Mathematikers gewinnen, während uns bisher nur fertige Ergebnisse vorlagen, und in der Erkenntnis, daß A. den Wert infinitesimaler Betrachtungen in einer Weise erfaßt hat, wie es erst nach fast zwei Jahrtausenden Leibniz und Newton wieder taten, liegt die nicht hoch genug zu schätzende Bedeutung der Ἔφοδος für die Geschichte der Mathematik wie für die Würdigung des A. Darüber am ausführlichsten Zeuthen Bibl. math. 3. Folge VII 342ff. Vgl. außerdem Heiberg Herm. XLII 302 und an mehreren anderen Stellen. Heath The Method of A. 6ff. Kliem A. 150ff.

Wir erfahren aber weiter, daß A. nicht der erste war, der diesen Gedanken erfaßte; an einer Stelle der Vorrede zur Ἔφοδος (430, 1ff. Heib.) wird dem Demokrit das Verdienst zugesprochen zuerst die Sätze über Volumen von Pyramide und Kegel ohne Beweis ausgesprochen zu haben. Diese Stelle in Verbindung mit Plut. de commun. notit. 39 läßt kaum einen Zweifel, daß Demokrit die beiden Sätze auf Grund infinitesimaler Erwägungen aufgestellt hat, in denen er das Prinzip des Cavalieri vorwegnahm, Heiberg Herm. XLII 300. Heath The Thirteen Books of Euclid’s Elements III 368; The Method of A. 10. Kliem A. 414, 2. A. ist auf den Gedanken der infinitesimalen Betrachtungsweise schon lange vor Konons Tode verfallen; den Ausspruch des Demokrit [150] kannte er aber bei Veröffentlichung von Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου I noch nicht (Arendt a. a. O.). An seiner Selbständigkeit ändert also Demokrits Priorität nichts. Andererseits war er frei genug von persönlichem Ehrgeiz, um selbst auf seinen Vorgänger aufmerksam zu machen – ein bezeichnender Gegensatz zum Leibniz-Newtonschen Prioritätsstreit.

Die Schrift über die Parabelquadratur wird in der Ἔφοδος (438, 21. 500, 1) ausdrücklich zitiert. Heiberg glaubte nun schließen zu können, daß die Ἔφοδος unmittelbar nach dem Τετραγωνισμὸς παραβολῆς, noch vor Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου I falle, Herm. XLII 298; und er hat daran auch später festgehalten (zuletzt: Naturw. und Math. im klass. Altert. [Lpz. 1912] 53). Indes ergibt sich aus terminologischen und anderen Erwägungen zuverlässig, daß sie jünger ist, als Περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων, also eine der spätesten Schriften des A. überhaupt; sie kann kaum vor das J. 220 fallen, Kierboe Bibl. Math. 3. Folge XIV 33ff. Arendt ebd. Die Widmung an Eratosthenes zeigt, wie hoch A. das mathematische Verständnis des Eratosthenes schätzte, v. Wilamowitz Kultur d. Geg. I 8³, 141.

Die Sprachform, in der uns die Ἔφοδος überliefert ist, ist die der κοινή; doch beweisen vereinzelte Dorismen, daß sie wie alle übrigen Schriften des A. ursprünglich dorisch abgefaßt war, Heiberg Herm. XLII 297.

Der Text ist zum ersten Male von Heiberg Herm. XLII 243–297 gedruckt; eine deutsche Übersetzung von Heiberg mit Kommentar von Zeuthen erschien etwa gleichzeitig Bibl. Math. 3. Folge VII 323ff. Weitere Bearbeitung lieferten Th. Reinach (A. des Théorèmes mécaniques ou de la méthode, Paris 1907), D. E. Smith (The Monist XIX 202ff., Chicago 1909), T. L. Heath und Kliem (s. o. S. 145). Der auf wiederholter Prüfung der Handschrift beruhende Neudruck (A. op. II² 462–506) hat im einzelnen manchen Ertrag geliefert.

8. Durch den Konstantinopler Palimpsest ist uns der Text von Ὀχουμένων α’ fast vollständig, von Ὀχουμένων β’ zu etwa zwei Dritteln wiedergegeben. Es bestätigt sich zunächst Heibergs von Hultsch (s. Bd. II S. 530, 10ff.) bestrittene Vermutung, daß der von Mai herausgegebene griechische Auszug (II², VII–IX Heib.) eine späte Rückübersetzung aus dem Lateinischen sei, Heiberg Herm. XLII 238; A. II², IV. Auch sonst ist der Gewinn bedeutend, Lücken werden ausgefüllt (so für die Beweise der Sätze I 8. II 2: in letzterem die Zitate aus Ἰσορροπίαι und Στοιχεῖα τῶν Μηχανικῶν), Fehler (vor allen eine Umstellung in II 10) werden beseitigt. Zeitlich fällt das Werk nicht nur nach Περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων, sondern auch nach den größtenteils verlorenen Ἰσορροπίαι, die es zitiert (s. o. S. 147) und die ihrerseits später sind als Περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων. Die Terminologie macht es wahrscheinlich, daß das zweite (und wohl auch das erste) Buch sogar nach der Ἔφοδος geschrieben ist, Kierboe a. a. O. 39. Arendt ebd. Der dorische Dialekt ist in der Hs. anfangs ziemlich gut bewahrt, verliert sich aber dann immer mehr, Heiberg Herm. XLII 297.

[151] 9. Was die bei Heron (s. o. S. 146) zitierte Schrift Περὶ πλινθίδων καὶ κυλίνδρων außer der genaueren Bestimmung der Zahl π enthielt, wissen wir nicht. Eine wenig wahrscheinliche Vermutung, äußert Heiberg Heronis op. V, XXXII auf Grund von Tannery Mém. scient. I 405. Vielleicht enthielt die Schrift Betrachtungen über kreisförmige und elliptische Zylinder, die sich in Parallelepipeden durchdringen, also über kreisförmige und elliptische doppelte (Kreuz- und) Klostergewölbe. Die richtige Formel für das Volumen kreisförmiger und elliptischer Klostergewölbe

findet sich in der ps.-heronischen Stereometrie (I 86–88. 90 Heib.) an einer Stelle, die sicher auf Herons (der A. so viel benutzt) Καμαρικά zurückgeht. Diese Volumenbestimmung konnte von A. sehr wohl im Anschluß an den verlorengegangenen letzten Satz der Ἔφοδος entwickelt werden. In diesem Falle wäre also Περὶ πλινθίδων καὶ κυλίνδρων noch jünger als die Ἔφοδος.

10. Wenn man von dieser, wie den übrigen ganz verlorenen Schriften, sowie von dem nicht sicher einzureihenden Κύκλου μέτρησις, Ψαμμίτης, Στομάχιον absieht, ergibt sich nun folgende Chronologie der Werke des A.:

  • 1) Μηχανικά oder Στοιχεῖα τῶν μηχανικῶν (Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι I).
  • 2) Τετραγωνισμὸς παραβολῆς.
  • 3) Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου I. II.
  • 4) Περὶ ἑλίκων.
  • 5) Περὶ κωνοειδέων καὶ σφαιροειδέων.
  • 6) Ἰσορροπίαι (Bruchstück davon Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι II).
  • 7) Ἔφοδος.
  • 8) Περὶ ὀγουμένων I. II.

Von den Μηχανικά (Ἐπιπέδων ἰσορροπίαι I) und dem Στομάχιον abgesehen, sind alle erhaltenen Schriften sicher nach Konons Tode (nicht vor 242) verfaßt. Dadurch wird wahrscheinlich, daß A. nicht unerheblich nach 287 (in welches Jahr seine Geburt nach der Angabe des Tzetzes – s. Bd. II S. 509, 8 – fallen müßte) geboren ist. Der Ansatz 275, der allen sicheren antiken Zeugnissen gerecht wird, dürfte richtiger sein.

11. Heron kommt an drei Stellen seiner Μετρικά (I 39 p. 90, 5. II 1 p. 92, 3. 20 p. 138, 6 A. = frg. 7. 8 Heib.) auf die Messung unregelmäßiger Flächen sowie Körper zu sprechen. Unregelmäßige ebene Figuren werden durch Einzeichnung eines annähernden Polygons gemessen, gekrümmte Flächen durch stückweises Auflegen von dünnem Stoff (Papyrus oder Leinwand), der nachher wieder ausgebreitet wird, endlich das Volumen unregelmäßiger Körper durch Eintauchen in gefüllte parallelepipede Wassergefäße oder durch Umhüllen mit Wachs in parallelepipeder Gestalt, wobei der Wasser- bzw. Wachsüberschuß nachträglich gemessen wird. Diese Berechnungsweise führt Heron an zwei Stellen (II 1 p. 92, 8. 20 p. 138, 8) zwar nicht auf ihm noch bekannte Schriften des A., wohl aber auf die Überlieferung über ihn zurück, am deutlichsten an der ersten Stelle: ὦν τὰς ἐπινοίας ὥσπερ παραδόξους οὔσας τινὲς εἰς Ἀρχιμήδην ἀναφέρουσιν κατὰ διαδοχὴν ἱστοροῦντες. Die Begründung durch ὥσπερ παραδόξους οὔσας [152] wäre selbstverständlich nicht hinreichend; aber die Worte κατὰ διαδοχὴν ἱστοροῦντες weisen doch auf eine ununterbrochene Tradition, die wir nicht ohne weiteres von der Hand weisen dürfen, hin (Heiberg Anm. zu A. frg. 8 – II² 544 – denkt an Vermittlung durch Eudemos oder Poseidonios).

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 40
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Archimedes

[3]) Mathematiker und Mechaniker im 3. Jh. v. Chr. S III.

Anmerkungen

  1. Wie aus der späteren Darstellung des A. (c. 4, 2–13) hervorgeht, denkt er sich die Zahlen von 1 ab in der Richtung, wie die gewöhnliche Zahlenreihe geschrieben wird, abgeteilt nach Decimalstellen. An der ersten Stelle links haben die Einer ihren Platz, dann kommen an zweiter Stelle die Zehner, und so fort bis zur achten Stelle, welche die Zehnmillionen enthält. An jeder Stelle wird von 1 bis 9 gezählt, mithin an allen 8 Stellen zusammen bis 10 000²–1. Die Zahl 10 000² selbst reicht also bereits über den Rahmen dieser 8 Stellen hinaus und wird deshalb als 1 in die nächsthöhere Ordnung versetzt, in welcher wieder, von der ersten bis zur achten Stelle fortschreitend, bis 10 000²–1 gezählt wird, und so fort in jeder folgenden Ordnung. Nach der Zahl der Stellen bezeichnen wir diese Ordnungen passend als Oktaden. Wenn in einer Oktade bis zu Ende gezählt worden ist, haben wir uns an jeder Stelle die Ziffer 9 eingetragen zu denken, und diese achtmal wiederholte 9 stellt den Höchstertrag der Oktade = 10 000²–1 dar. Natürlich können bei Ausrechnungen alle Ziffern von 1 bis 9 an jede Stelle einer Oktade eingesetzt werden, und wir haben dann eine rein decimale Schreibweise, nur in umgekehrter Reihenfolge (mit den Einern von links anfangend) und ohne Nullen. So teilt A. (c. 4, 2) die Zahl 640 Millionen in 6 . 10⁸ + 4. 10⁷, und versetzt demnach 4 in die 8te Stelle der ersten Oktade und 6 in die 1ste Stelle der zweiten Oktade. Für seine weiteren Rechnungen aber, bei denen immer die gesuchte Sandzahl kleiner als eine andere, berechnete Zahl angesetzt wird, genügt es ihm anstatt 640 Millionen den Wert ‚< 10⁹‘ einzusetzen, und von da an rechnet er nur in Potenzen der 10 weiter, oder mit anderen Worten, es kommt für ihn bei jeder Stelle jeder Oktade nur noch die Ziffer 1 in Betracht, und diese heisst nun ‚Zahl‘ schlechthin. Es ist also die 64ste Zahl zu deuten als 1 in der 8ten Stelle der 8ten Oktade = 10⁶³ (vgl. unten § 6). Nächstdem würde die 9te Oktade beginnen mit 1 = 10 000¹⁶ = 10⁶⁴. Allgemein gesprochen beginnt die nte Oktade mit der Zahl 1 = 10 000² (n-1) = 10⁸ (n-1).
  2. Diese Stelle ist herübergenommen in die ps.-heronische Stereometrie I 93 (V 82, 3 Heib.).