Zum Inhalt springen

RE:Minicius 13

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
C. M. Fundanus, Proconsul Asia 124 n. Chr., mit hoher ethischer Kultur in Rom
Band XV,2 (1932) S. 18201826
Gaius Minicius Fundanus in der Wikipedia
Gaius Minicius Fundanus in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register XV,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|XV,2|1820|1826|Minicius 13|[[REAutor]]|RE:Minicius 13}}        

13) C. Minicius Fundanus, Consul im J. 107 n. Chr.

a) Name.

C. Minicius Fundanus in den Datierungen nach seinem Consulat (s. u.). Fundanus CIL VI 16631[1] (Aschenurne seiner Tochter). Μινούκιος Φουνδανός in dem Reskript Hadrians Iustin. apol. I 68, 5 = Euseb. hist. eccl. IV 9, 1 (Rufin. ebd.). 8, 6. 26, 10 (nach Melito: Φουνδανός); chron. arm. ed. Karst p. 220 (,Minukios der Fundier‘). Hieron. ed. Fotheringham p. 281, ed. Helm p. 199. II p. 594f. (Minucius Fundanus) = Oros. VII 13, 2. Prosper Tiro Chron. min. I 423. Syncell. p. 658 Dind. – Minicius Fundanus Plin. ep. IV 15 in der Adresse (Codex Ashburnhamianus); Minutius Fundanus Plin. ep. I 9 (Florentinus und Ashburnhamianus) in der Adresse (vgl. PIR II 377 nr. 433); Fundanus ebd. IV 15. VI 6 (beidemal in der Anschrift). V 16, 1. 7; (ὦ) Φουνδάνε Plut. de cohib. ira c. 1 p. 452 E. 453 D (vol. III p. 157 Paton-Pohlenz); (παρὰ) Φουνδάνου Plut. de tranquill. animi c. 1 p. 464 F (p. 187 Paton-Pohlenz). Eine Fälschung des Leonhardus Gutenstenius ist die Inschrift Gruter 1014, 6 = CIL VI 3205*:[2] ...m propi ... olent ... Neptuno sacr. pro felici itu ac reditu L. Min(i)ci Fundani ... leg. leg. X Flav ... pr. pr. Syriae pr. aer. milit. L. Marius C. l. Gratus ex voto l. m. p. (vgl. Borghesi Oeuvr. VIII 67f. Mommsen Ges. Schr. VIII 207); Anfang und Schluß sind plumpe Fälschung, dagegen könnte bei dem mittleren Teil daran gedacht werden, daß der Falsificator eine Inschrift mit dem Cursus honorum des Minicius Fundanus gesehen habe – der Stein befand sich angeblich inter marmora quae advecta ad fabricam D. Petri; es sei bemerkt, daß die Grabstätte des Fundanus auf dem Monte Mario lag (s. u. Abschn. c), er demnach jenseits des Tiber Grundeigentum gehabt haben wird –; war eine echte Inschrift die Vorlage, dann könnte auf dem Steine etwa leg. leg. XVI Flaviae Firmae prov. Syriae, praef. aer. milit. gestanden haben (beide Stellungen begegnen in dem Cursns honorum eines unbekannten Senators der Traianischen Zeit CIL XIII 5089[3] = Dess. 1020, vgl. auch IGR III 558 = TAM II 2, 569), doch ist diese Möglichkeit zu unsicher, als daß sie verwertet werden könnte.

b) Lebenslauf.

Das Cognomen des Fundanus läßt vielleicht darauf schließen, daß die alte Stadt Fundi die Heimat seiner Familie war (Borghesi VIII 67). Über seine Abstammung ist nichts bekannt, man wird jedoch annehmen dürfen, daß er, wie die meisten seiner senatorischen Kollegen, einer Familie des Ritterstandes angehörte; jedenfalls stammte er, wie seine Wohlhabenheit und die ausgezeichnete Bildung, die er genossen hat (s. u.), lehren, aus gutem und vermögendem Hause. Er selbst fand Aufnahme in den Senat (τοῦ κρατίστου Plut. de tranq. animi p. 464 F ist jedoch kaum titular gebraucht) und machte die übliche senatorische Laufbahn durch, deren einzelne Stadien uns nicht bekannt sind (über die in der gefälschten Inschrift CIL VI 3205*[2] verzeichneten Ämter s. o.). Aus den freundschaftlichen Beziehungen zu Plutarch läßt sich [1821] vielleicht der Schluß ziehen, daß er in Achaia eine amtliche Stellung bekleidet hat (als Proconsul der Provinz oder als Legat des Proconsuls oder schon als Quaestor) und daß er bei dieser Gelegenheit die persönliche Bekanntschaft des gefeierten Autors machte (vgl. u. Bd. III A S. 1181).

Im J. 106 (zur Datierung vgl. Otto S.-Ber. Akad. Münch. 1919, 10, 33f., der nachweist, daß Mommsen Ges. Schr. IV 381ff. den Brief unrichtig dem J. 104 zuwies) erwartete Plinius für das nächste Jahr die Übertragung des Consulates an Fundanus: optamus enim tibi, schreibt er an den Freund (IV 15, 5), ominamurque in proximum annum consulatum, ita nos virtutes tuae, ita iudicia principis augurari volunt. Plinius legt ihm dringend ans Herz, den jungen Asinius Bassus, den Sohn des mit Plinius und Tacitus befreundeten Asinius Rufus, der für das folgende Jahr zum Quaestor designiert war, zu seinem Quaestor (quaestor consulis) zu bestimmen: eine Bitte, die zweifellos gewährt wurde. Der Consulat des Fundanus ist inschriftlich bezeugt; er führte die Fasces in den Monaten (Mai?), Juni, Juli und August des J. 107 zusammen mit C. Vettennius Severus (pr. k. Iul. Militärdiplom CIL III p. 867[4] = p. 1972 nr. XXXV = Dess. 2002; k. Augustis CIL VI 630[5] = Dess. 3541; pr. idu[s] Aug. CIL I 12[6] p. 59 = XIV 2242 fasti feriarum Latinarum; vgl. Bd. III A S. 1186).

Fundanus erfreute sich im Senate hohen Ansehens: si denique, schreibt Plinius an ihn (IV 15, 13), precibus meis tu potissimum adiutor accesseris, cuius et suffragio senatus libentissime indulgeat et testimonio plurimum credat. In einem anderen Schreiben (VI 6), in welchem der Consular den offenbar gleichfalls in consularischem Range stehenden Fundanus, der augenblicklich nicht in Rom weilte, bittet, ihm bei der Wahlempfehlung des Iulius Naso (für den sich auch Tacitus einsetzte, ep. VI 9) seine Unterstützung zu gewähren, schreibt er: permultum interest mea te ostentare, tecum circumire. ea est auctoritas tua, ut putem me efficacius tecum etiam meos amicos rogaturum (VI 6, 8). Daß ihn auch der Kaiser zu schätzen wußte, erhellt aus Plinius’ Bemerkung über die iudicia principis (IV 15, 5).

In vielleicht noch höherem Grade als Traian wird sein universell gebildeter, von der Wiedergeburt hellenischer Herrlichkeit träumender Nachfolger einem Manne von erlesener geistiger Kultur gleich unserem Fundanus freundliche Gesinnung bekundet haben. Unter Hadrian gelangte Fundanus zu dem höchsten (durch Losung vergebenen) consularischen Amt, dem Proconsulat von Asia (ἀνθύπατος τῆς Ἀσίας Euseb. hist. eccl. IV 8, 6 (= Rufin. ebd. proconsul Asiae]; ὁ ἀνθύπατος, ἡγούμενος δὲ τῆς Ἀσίας IV 26, 10 nach Melito; pro consule Asiae Hieron. p. 281 Foth.; ebenso die späteren Autoren). Nach dem damals üblichen Intervall von etwa 17 Jahren zwischen Consulat und Proconsulat wird dieser ungefähr in das J. 124/25 zu datieren sein (Waddington Fast. As. nr. 129; Eusebios führte beim 9. Jahre Hadrians die an den Kaiser gerichteten ,Apologien‘ des Christentums an, an letzter Stelle das Schreiben des Silvanus und seine Erledigung durch den Kaiser Eus. arm. p. 220 [1822] Karst. Hieron. p. 281 Fotheringham = p. 199 Helm). Fundanus’ Proconsulat ist berühmt geworden durch das Reskript, das Hadrian in der Angelegenheit der Christenprozesse an den Proconsul richtete. Das Schreiben war, wie Euseb. hist. eccl. IV 8, 7. 8 berichtet, im lateinischen Originaltext der ,ersten‘ Apologie des Iustinus beigefügt; der erhaltene Text Iustins enthält jedoch (c. 68, 5–10) die von Eusebios seiner Kirchengeschichte (IV 9) einverleibte griechische Übersetzung (Rufinus gibt eine Rückübersetzung); Melito von Sardes hatte sich gleichfalls auf die Entscheidung Hadrians berufen (Euseb. hist eccl. IV 26, 10). Auch in der Chronik gedachte Eusebios des Dokumentes (Ol. 226, 3; die Belegstellen s. Abschn. a); alle späteren Erwähnungen bei den christlichen Schriftstellern (s. Abschn. a) gehen auf Eusebios bzw. Hieronymus zurück (vgl. o. Bd. XIII S. 461; dazu Sulp. Sev. Chron. II 31, 6. Prosper Tiro Chron. min. I 423).

Dem Schreiben, das die Adresse Μινουκίῳ Φουνδανῷ trägt, ist zu entnehmen, daß der Kaiser auf Grund einer Anfrage des Vorgängers im Proconsulat, Q. Licinius Silvanus Granianus (Consuls im Jahre vor Fundanus), bezüglich des Verfahrens gegen die Christen folgende Entscheidung traf: nur in dem Falle, wenn die Provinzialen vor Gericht den Christen effektiv Übertretung der bestehenden Gesetze nachweisen könnten, sei das gerichtliche Urteil entsprechend der Schwere des Vergehens zu fällen, dagegen sollten die (offenbar sehr häufigen) tumultuarischen Forderungen und die Petitionen der Provinzialen keine Berücksichtigung finden; verleumderische Anzeigen seien zu bestrafen. Die Echtheit der Urkunde ist von vielen Forschern angefochten worden: meines Erachtens ohne zureichenden Grund (Näheres darüber s. o. Bd. XIII S. 461f., wo auch die Literatur verzeichnet ist; vgl. ferner Hardy Stud. in Roman hist. 108ff. Henderson Life and princ. of Hadr. 225f. Schanz Gesch. d. röm. Litt. III3 250f. Kirsch Kirchengesch. I 150. Homo Les emp. Rom. et le christianisme 1931, 54f.). Vielleicht ist es kein Zufall, daß sich der Empfänger des kaiserlichen Bescheides selbst zu dem Ideal der humanitas bekannte, das den Besten seiner Zeit vorschwebte.

c) Familie.

In der Schrift de cohib. ira läßt Plutarch den Freund seiner Gattin und seines ,Töchterchens‘ Erwähnung tun (c. 6 p. 455 F; διατριβὴν υἱοῦ c. 16 p. 464 A ist nicht vom eigenen Sohn gesagt, sondern nur zur Exemplifizierung vorgebracht; ebenso ist p. 460 F, 461 A. D, 463 E, 464 A von der ,Gattin‘ nur paradigmatisch die Rede). Daß Fundanus zwei Töchter hatte, erfahren wir durch einen Brief des Plinius (V 16), in welchem dieser dem (Aefulanus) Marcellinus Nachricht davon gibt, daß die jüngere dieser Töchter, die dem Vater in Aussehen und Charakter nachgeriet (quae non minus mores eius quam os vultumque referebat totumque patrem mira similitudine exscripserat 16, 9), gestorben sei. Das liebenswürdige, aufgeweckte Mädchen war bereits verlobt, der Tag der Hochzeit festgesetzt, als sie erkrankte und nach geduldig ertragenem Krankenlager, noch vor Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres, aus dem [1823] Leben schied. Daß der Vater sich ganz seinem Schmerze hingab und, wie Plinius sagt (16, 8), alle philosophischen Lehren, die er so oft vernommen, so oft selbst verkündet hatte, – auch in dem Dialog de cohib. ira läßt ihn Plutarch an das Wort des Anaxagoras erinnern ᾔδειν ὅτι θνητὸν ἐγέννησα (c. 16 p. 463 D), – von sich wies, das wird nur derjenige nicht verstehen, den kein ähnlicher Schicksalsschlag getroffen hat.

Der Zufall hat es gefügt, daß die Urne, die die Asche des frühverstorbenen Mädchens barg, erhalten geblieben ist. In einem Grabmal, das im J. 1881 auf dem Monte Mario am rechten Tiberufer ausgegraben wurde, fand sich eine große Urne aus Marmor mit der Inschrift D(is) Μ(anibus) Miniciae Marcellae Fundani f(iliae) v(ixit) a. XII m. XI d. VII (CIL VI 16631[1] = Dess. 1030). Es ist (trotz des leichten Widerspruchs zu der Altersangabe bei Plinius) wohl kein Zweifel möglich, daß das Mädchen, dessen Asche die Urne faßte, die Tochter unseres Fundanus gewesen ist. Eine zweite, ähnlich ausgestattete Urne, die in demselben Grabmal gefunden wurde, trägt die Inschrift D. M. Statariae M. fil. Marcellae (CIL VI 16632).[7] In dieser Statoria Marcella hat man, sicherlich mit Recht, die Gattin des Fundanus erkannt (Dressel Bull. d. Inst. 1881, 14). Sie wird der Tochter im Tode vorangegangen sein, da Plinius in dem Trauerbriefe nicht der Mutter, sondern nur des Vaters und der Schwester gedenkt (V 16, 4; vgl. Dressel; in demselben Grabmal kam eine Urne mit der Aufschrift D. M. Sex. Curi Eusebis zutage [CIL VI 16630];[8] der Mann wird vor oder nach den Miniciern Eigentümer der Grabstelle gewesen sein).

Fundanus muß über einen großen Personalstand an Freigelassenen und Sklaven verfügt haben. In der Schrift de cohib. ira ist häufig von seinem Hausgesinde die Rede (s. u. Abschn. e); Plinius erwähnt die nutrices, paedagogi und praeceptores seiner Töchter (ep. V 16, 3).

d) Freundeskreis.

Fundanus’ Freundeskreis war weit gespannt – Plinius spricht von den Freunden, die in seinem Hause verkehrten (ep. V 16, 3), – und umfaßte sowohl Römer als Griechen, in beiden Fällen aber durchweg Männer, die durch geistige und sittliche Vorzüge hervorragten. Von den Römern war ihm Plinius herzlich ergeben (vgl. namentlich V 16 und IV 15, 12. 13; s. Allain Pline le Jeune I 484ff.). Außer den bereits angeführten Briefen ist auch I 9 an ihn gerichtet: Plinius mahnt den Freund, der vielgeschäftigen Nichtigkeit des stadtrömischen Lebens zu entsagen und sich in ländlicher Stille der Muße und gelehrten Studien hinzugeben. Von gemeinsamen Freunden der beiden Männer wird gelegentlich (I 9, 8) Atilius (Crescens), ein Landsmann des Plinius, erwähnt, ferner (Aefulanus) Marcellus, dem Plinius die Nachricht vom Tode der Tochter des Fundanus mitteilt und Ratschläge bezüglich des Trostschreibens gibt (V 16). Einem Größeren als Plinius stand Fundanus gleichfalls nahe, ohne daß wohl geradezu von Freundschaft gesprochen werden könnte. In seinem Empfehlungsbrief für Asinius Bassus bemerkt Plinius über dessen Vater Rufus (IV 15, 1) idem Cornelium Tacitum (scis quem virum) arta familiaritate conplexus est. proinde si [1824] utrumque nostrum probas, de Rufo quoque necesse est idem sentias. Dem großen Geschichtsschreiber, dessen Abneigung gegen philosophierende Römer von Stande bekannt ist (vgl. Agr. 4; in den Historien äußert er sich gelegentlich [III 81] wenig freundlich über Musonius Rufus, den verehrten Lehrer des Fundanus), wird doch Fundanus’ lautere Persönlichkeit sicherlich hohe Achtung eingeflößt haben, ebenso wie dieser den einzigartigen Genius des hohen Mannes respektiert haben wird. Ob Fundanus auch zu dem mächtigen Freunde und Berater des Kaisers, Sosius Senecio, der gleich ihm sowohl mit Plinius als mit Plutarch befreundet war und gleichfalls tiefere philosophische Interessen hatte, engere Beziehungen unterhielt, entzieht sich unserer Kenntnis, man wird es aber gerne glauben wollen; es mag nicht auf Zufall beruhen, daß Fundanus der Nachfolger des Senecio im Consulat wurde (s. u. Bd. III A S. 1180ff.).

Unter den hellenischen Freunden des Fundanus war der berühmteste Plutarch, dem er zweifellos reiche Anregung, philosophische Belehrung und sittliche Förderung verdankte (s. u.). Aus dem Kreise, der sich um den ,Weisen von Chaeronea‘ scharte, gehörten zu den intimen Freunden des Fundanus der Karthager Sextius Sulla (vgl. besonders de cohib. ira c. 1 p. 453 C; s. Stein u. Bd. II A S. 2051) und Eros (ebd. p. 453 C. D). In der dem Paccius gewidmeten Schrift περὶ εὐθυμίας (de tranquillitate animi) schreibt Plutarch (p. 464 F vol. III p. 208 Bern. p. 187 Paton-Pohlenz): ἅμὰ δέ πως τὸν ἑταῖρον ἡμῶν Ἔρωτα κατελάμβανεν αἰτία τοῦ πλεῖν εὐθὺς εἰς Ῥώμην, παρὰ Φουνδάνου τοῦ κρατίστου γράμματα δεδεγμένον, οἷος ἐκεῖνος, ἐπιταχύνοντα. Aus diesen Worten wird geschlossen werden dürfen, daß auch Paccius, ein in Rom angesehener und als Redner hervorragender Mann, mit Fundanus befreundet war.

e) Persönlichkeit.

Plinius rühmt (IV 15, 5) des Fundanus virtutes, in seinem Empfehlungsbrief für Bassus zählt er ihn unter die sapientes viri (IV 15, 10); an einer anderen Stelle (V 16, 8) schreibt er von ihm: est quidem ille eruditus et sapiens, ut qui se ab ineunte aetate altioribus studiis artibusque dediderit (die folgenden Worte sind oben angeführt). Eine volle Bestätigung dieser Charakteristik erhalten wir durch das Zeugnis Plutarchs. Der berühmte Schriftsteller hat dem Römer ein schönes und sehr ehrenvolles literarisches Denkmal gesetzt in dem Dialoge περὶ ἀοργησίας (de cohib. ira vol. III p. 178–207 Bern. p. 157–186 Paton-Pohlenz), in welchem (Sextius) Sulla und Fundanus die Redenden sind, doch besteht fast die ganze Schrift aus einem Vortrage des Fundanus (wie Hirzel Dialog II 171 bemerkt, hat Plutarch nur in diesem einen Buche Römern ,die Bühne des griechischen Dialoges ganz überlassen‘; zur Zeitbestimmung der Abhandlung haben wir keinen anderen Anhaltspunkt als die Erwähnung der Gattin und der Töchter des Fundanus p. 455 F [s. o.]; die Worte διὸ καὶ δῆλόν ἐστιν οὐ παρακμῇ τινι δι’ ἡλικίαν τὸ θυμοειδὲς οὐδ' αὐτομάτως ἀπομαραινόμενον 1 p. 453 B beweisen nicht, wie Hirzel II 168 meint, daß Fundanus damals bereits ein älterer Mann gewesen sei; zutreffend [1825] bemerkt Hirzel, daß die Diatribe über die Seelenruhe vor unserem Dialoge verfaßt ist [vgl. de tranq. an. p. 464 F mit de cohib. ira p. 461 B]; die Schrift wird zitiert von Gell. noct. att. I 26, 7: librum quoque περὶ ἀοργησίας pulcherrimum conscripsisse). Es unterliegt keinem Zweifel, daß Plutarch mit der Schrift nicht allein die moralisierende Tendenz verfolgte, die schon im Titel zum Ausdruck kommt (vgl. Volkmann Leben, Schriften und Philos. d. Plut. II 128–137. Hirzel Dialog II 167–171. Pohlenz Herm. XXXI 321–338. XL 292f. Schlemm ebd. XXXVIII 587–607. Rabbow Ant. Schriften üb. Seelenheilung I 56–97), sondern daß er zugleich ein seelisches Porträt des Freundes zu entwerfen beabsichtigte.

Sulla, der seit fünf Monaten in engem Verkehr mit Fundanus in Rom weilte (c. 1 p. 453 A), bittet den Freund, ihn darüber aufzuklären, durch welche Heilmittel geistiger Art es ihm möglich geworden sei, sein hitziges, zum Zorn neigendes Naturell zur Selbstbeherrschung und Milde, die jedoch keineswegs weichliche Erschlaffung und Abspannung bedeute, umzustimmen (c. 1 p. 453 B); zwar wundere ihn dies nicht angesichts der guten Naturanlage des Freundes (ὑπαρχόντων δι' εὐφυῖαν ἄγαθῶν p. 453 A) und überdies habe ihm schon ihr gemeinsamer Freund Eros von dieser Wandlung berichtet (p. 453 C), aber nunmehr habe er sich selbst von der Richtigkeit dieser Wahrnehmung überzeugen können. Da ihnen eine (gemeinsam unternommene) Reise Muße gewähre (τῆς ὁδοιπορίας σχολὴν διδούσης p. 453 C), bitte er Fundanus, ihm die von ihm angewendete ,Selbstbehandlung‘ bekanntzugeben (p. 453 C).

Die nun folgenden Ausführungen des Fundanus sind zweifellos Plutarchisches Gut bzw. Plutarchische Lesefrüchte, aber sie lassen uns zugleich die Wesensart des Sprechenden erkennen, da der Autor diesem nicht Eigenschaften zugeschrieben haben kann, die gerade ihm abgingen (Hirzel II 169 betont, wie sich in der Diatribe die Individualität und das Römertum des Fundanus bekunden; die Auffassung Volkmannσ I 41, Plutarch habe ,in dem Charakterbild dieses edlen Römers mehr oder weniger sich selbst porträtiert‘, läßt sich kaum rechtfertigen). Fundanus' rasches und heftiges Temperament (auf das übrigens auch de tranq. an. p. 464 F angespielt wird) war durch philosophische Schulung, Selbsterkenntnis und Selbstdisziplin einem maßvollen und versöhnlichen Wesen gewichen, was um so leichter möglich wurde, als jene Sinnesart nicht einem bösartigen Naturell, sondern der μισοπονηρία (c. 16 p. 463 B. E) und seiner Neigung entsprang, den Menschen Wohlwollen, Liebe und Vertrauen entgegenzubringen (τὸ δ’ ἐμὸν ἦθος οἷσθα δήπουθεν ἡλίκαις ῥοπαῖς φέρεται πρὸς εὔνοιαν ἀνθρώπων καὶ πίστιν κτλ. c. 16 p. 463 B. C). Humanität war ein Grundzug seines Wesens; er war seinen Freunden ein wahrer Freund (p. 460 F. 461 A. C. E. 462 A. 463 C. E. 464 A), seinen Sklaven (dies wird wiederholt besonders hervorgehoben p. 459 B bis 460 C. F. 461 A. E. 462 A. 463 A. B. E. 464 A) ein gerechter, wohlwollender und nachsichtiger Herr. Seine Lebensweise war einfach, [1826] genügsam und anspruchslos (p. 461 A–C. E. F). Vor allem lassen die Ausführungen des Fundanus seine hohe allgemeine und speziell seine philosophische Bildung erkennen (die Bemerkung, daß er Apophthegmen sammelte, p. 457 D. E, gilt wohl ebenso von ihm wie von dem Verfasser der Schrift). Er hatte in seiner Jugend den berühmtesten Vertreter der stoischen Schule dieser Zeit, Musonius Rufus, gehört und hing noch mit Verehrung an dem Meister (c. 2 p. 453 D; nicht haltbar ist Volkmanns Annahme, Plut. I 43, daß ,Plutarch selbst es war, der sich diesen Ausspruch gehört zu haben erinnerte‘); er bekundet auch noch immer eine gewisse Neigung zur Stoa (so zitiert er Seneca 13 p. 461 F, den Plutarch sonst niemals anführt, vgl. Hirzel II 169), hat sich aber – wie man nach seiner Freundschaft mit dem Chaeronaeer, einem entschiedenen Gegner der Stoiker, und nach den Lehren, die ihn Plutarch vorbringen läßt, urteilen darf, – wohl nicht selbst der stoischen Schule angeschlossen, sondern vermutlich, ähnlich wie Plutarch selbst, einem ,modernisierten‘ Platonismus gehuldigt. Ob aus dem Lobe gewisser Vorschriften des Empedokles (c. 16, 464 B. C; vgl. Zeller Philos. d. Gr. III 24 218) geschlossen werden darf, daß Fundanus zu einer Art von Neupythagoreertum hinneigte, ist doch recht zweifelhaft.

Fundanus ist eine der anziehendsten Erscheinungen der an trefflichen Männern nicht armen Glanzzeit des römischen Imperiums. Ausgezeichnet durch ein umfassendes Wissen, nicht allein gründlich philosophisch gebildet, sondern auch in seiner Lebensführung den ethischen Geboten seiner Meister treu, hielt er sich doch frei von frostigem Doktrinarismus und bewahrte sein warmfühlendes Herz und sein lebhaftes Temperament, alles in allem ein vollwertiger Repräsentant der hohen ethischen Kultur, die den geistig führenden Kreisen dieser Zeit, wie kaum jemals wieder einer herrschenden Gesellschaftsschicht, zu hohem Ruhme gereicht.

[Groag. ]

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Band R (1980) S. 170
Gaius Minicius Fundanus in der Wikipedia
Gaius Minicius Fundanus in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register R Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|R|170||Minicius 13|[[REAutor]]|RE:Minicius 13}}        
[Abschnitt korrekturlesen]

13) C. M. Fundanus, cos. suff. im J. 107 n. Chr., Prokonsul der Provinz Asia im J. 122/3 n. Chr. S XIV.

Anmerkungen (Wikisource)

[Bearbeiten]
  1. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 16631.
  2. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3205.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 5089.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 867.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 630.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 1.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 16632.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 16630.