ADB:Rudolf I. (römisch-deutscher König)
Wernher und Rudolf, von denen Wernher als Bischof von Straßburg (1001–1028) den Grund zur nachfolgenden Blüthe seines Hauses gelegt hat. Er gilt als der Gründer der Habichts- oder Habsburg, von welcher das Geschlecht seit dem Ende des 11. Jahrhunderts seinen Namen trug. Radeboto, wohl derselbe, der in einer Urkunde Graf des Klettgaus genannt wird (1023), heirathete Ida, die Schwester des Herzogs von Lothringen. Auf ihren Rath und in Gemeinschaft mit seinem Bruder Wernher stiftete er um 1035 das Kloster Muri und stattete es mit den an der unteren Aar und Reuß gelegenen Gütern des habsburgischen Hauses aus. Der dritte Bruder Rudolf stiftete das Kloster Ottmarsheim im Oberelsaß. Aus der von Heinrich IV. am 1. März 1064 ausgestellten Besitzbestätigungsurkunde dieses Klosters ergibt sich die Thatsache, daß die Stammbesitzungen des habsburgischen Hauses, das „Eigen“ (wie es im habsburgisch-österreichischen Urbarbuch genannt wird) nicht allein an der unteren Aar und Reuß lagen, sondern daß dieses Geschlecht bei seinem ersten Erscheinen in der Geschichte zwei getrennte Mittelpunkte seiner Macht besaß: den einen an der Aar und Reuß, den anderen im Elsaß und Breisgau. Während man bisher geneigt war anzunehmen, daß seine Macht im Elsaß erst bedeutender wurde, als es die Landgrafenwürde im oberen Elsaß erhielt, kann es nach den neueren Forschungen als sicher gelten, daß ihm diese verliehen wurde, weil es bereits das mächtigste Geschlecht im Lande war. Indem sich nun [479] allmählich der habsburgische Besitz in der Schweiz abrundete und auch jener im Elsaß sich mehrte, war es ein ganz natürliches Streben der Habsburger – und in diesem wurden sie von den Staufern seit Friedrich I. unterstützt – die dazwischen liegenden Gebiete zu erwerben. Von den drei Söhnen Radeboto’s besaß vielleicht schon der älteste, Otto (1003–1025), die Landgrafenwürde, die dann freilich für mehr als zwei Menschenalter in andere Hände gelangte. Otto’s gleichnamiger Neffe wird zuerst als Vogt der Straßburger Kirche für deren Güter im Oberelsaß genannt; sein Bruder Albrecht II. erscheint wiederholt am kaiserlichen Hofe und sein Sohn Wernher II., seit 1135 Landgraf im Oberelsaß, erhielt die Vogtei über das Kloster Murbach mit seinen reichen Besitzungen im Thale von Gebweiler und St. Amarin, an beiden Ufern des Rheins bis zum Vierwaldstädter See, an dessen Ufern das Kloster Luzern in Abhängigkeit von Murbach stand. Wernher’s Sohn Albrecht III. vermählte sich mit Ida v. Pfullendorf, einer Nichte Heinrich’s des Schwarzen von Baiern und trat hierdurch in verwandtschaftliche Beziehungen zu den Welfen, Staufern und Zähringern. Aus der Erbschaft der Pfullendorfer erhielten die Habsburger (im Tauschwege durch den Kaiser) die Vogtei in Säkkingen, den Besitz der Freiherrn v. Biederthal im Oberelsaß, die Grafschaft im Zürichgau, westlich von Limmat und Zürichersee und aus dem Erbe der (1172 ausgestorbenen) Grafen v. Lenzburg reichen Besitz in den heutigen Kantonen Luzern und Unterwalden. Auf Albrecht III. folgte 1199 sein Sohn Rudolf, der zu den ersten gehörte, die sich 1212 an Friedrich II. anschlossen. Zum Danke für ihre Verdienste erhielten die Habsburger – außer der Grafschaft im Frickgau auch die im Aargau, die sich vom Rhein bis an den Fuß der Alpen, bis zur Südgrenze von Unterwalden erstreckte. Rudolf starb 1232. Seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf schwächten durch eine (wohl durch entgegengesetzte politische Neigungen hervorgerufene) Gütertheilung die habsburgische Macht. Doch behielt die ältere Linie den bedeutendsten Theil: den Besitz im Aargau mit den alten Stammgütern und der Stammburg, den Besitz im Oberelsaß, die Vogtei Säkkingen (ohne Laufenburg) und die Städte Bremgarten, Brugg und Meienberg. Der jüngeren oder laufenburger Linie wurde außer Laufenburg zugewiesen: Willisau und Sempach und der Besitz am Vierwaldstädter See. Die Vogtei über Murbach sollte beiden Linien gemeinsam sein, fiel aber später ungetheilt an die ältere Linie; an die jüngere Linie kam vom Zürichgau die eigentliche Grafschaft und die Hauptmasse der daselbst gelegenen Güter. Während die ältere Linie zu den Staufern hielt, schloß sich die jüngere (seit 1245 endgültig) an die päpstliche Partei an.
Rudolf I., deutscher König, geb. am 1. Mai 1218, † am 15. Juli 1291, stammte aus dem habsburgischen Hause, als dessen Ahnherrn die Ueberlieferung des schweizerischen Klosters Muri Guntram den Reichen nennt. Sichere historische Kunde gewinnen wir erst mit dessen Enkeln, den Söhnen Lanzelin’s von Altenburg, Radeboto,Der Ehe Albrecht’s IV. (des Weisen) mit Heilwig v. Kiburg entsproßte als ältester Sohn Rudolf. Wenn ihn kein geringerer als Friedrich II. aus der Taufe hob, so entsprach das ganz den innigen Beziehungen der Habsburger zum Königshause, die R. selbst in der Folge aufs treueste gepflegt hat. So mögen auch wohl die Worte richtig sein, die Johannes von Winterthur dem späteren Könige in den Mund legt: „Gar sehr häufig habe ich den Kaiser Friedrich gesehen, denn ich habe mit ihm viel verkehrt und bin gleichsam auf seinem Hofe aufgewachsen.“ Am 13. December 1239 starb Rudolf’s Vater. Ihn selbst nannte man zum Unterschied von seinem gleichnamigen Oheim iunior. Zu wiederholten Malen finden wir ihn am Hofe des Kaisers. 1241 ist er Zeuge, wie der von den Tataren bedrängte Ungarnkönig für den Schutz des Reiches sein Land dem Kaiser zu Lehen bot. 25 Jahre alt erhielt er den Ritterschlag. Zwei Jahre später vermählte er sich mit Gertrud (sie wurde seit der Wahl ihres Gatten zum König Anna genannt), der Tochter des Grafen Burkhard III. von Hohenberg, aus einer Seitenlinie des Zollern’schen Hauses. Ihr Heirathsgut schloß sich an den älteren habsburgischen Besitz in Scherweiler an. Auf Seiten [480] der Staufer verblieb R. noch, als sich schon der größere Theil des schwäbischen Adels und die eigenen Verwandten Rudolf’s vom Kaiser abgewendet hatten. Konrad IV. ließ diese Treue nicht unbelohnt: er gab ihm den Zoll zu Freudenau und Unterbüheln, die Veste zu Kellsteig und den Zehent von Mühlhausen. Wichtiger war es, daß ihm Konrad IV. Breisach und Kaisersberg bezw. Rheinfelden, St. Blasien und den „Schwarzwald“ verpfändete. Zwar blieben weder Breisach noch Kaisersberg und Rheinfelden in seinem Besitz, aber die Vogtei St. Blasiens und der „Schwarzwald“ begründeten die herrschende Stellung der Habsburger im Breisgau. Zum Schutz des neuen Pfandbesitzes legte R. die Stadt Waldshut an. Wegen seiner Parteinahme für die Staufer wurden Rudolf’s Besitzungen mit dem Interdict, er selbst mit seinen Genossen mit dem Banne belegt (1254), weil diese das Kloster der Reuerinnen zu Basel bei Nacht angefallen und angezündet hatten. Dieselbe Treue wie Konrad IV. bewahrte R. dem Herzoge Konradin. Als dieser im Herbste 1267 seinen Zug nach Italien unternahm, begleitete er ihn bis Verona. Der Kampf zwischen Kaiser und Papstthum brachte ihn in nahe Beziehungen zu den Städten, die wie er selbst der Sache des Kaisers ergeben waren und zu den Landgemeinden der Waldstädte, die bei dieser Gelegenheit ihre Reichsunmittelbarkeit zu erlangen hofften: zu Uri, Zürich und Straßburg, dessen Bannerträger schon Rudolf’s Vater gewesen. In dem Streit der Straßburger mit dem Bischof der Stadt, dem er als Vogt zur Hülfe verpflichtet war, finden wir ihn bald auf Seiten der Bürger. Den reichsten Zuwachs an Macht gewann R. durch die große kiburgische Erbschaft. Vom kiburgischen Hause waren 1263 nur noch 2 Sprossen vorhanden: Rudolf’s Oheim Hartmann der Aeltere und dessen gleichnamiger Neffe. Hartmann d. Ae. hatte einen großen Theil seines Besitzes seiner Gattin Margarethe, der Schwester des Grafen Peter von Savoyen, den Rest seinem Neffen Hartmann zugedacht. Dieser starb indeß noch vor dem Oheim mit Hinterlassung einer minderjährigen Tochter Anna, und Hartmann trat nun den größten Theil seiner Lehen an R. ab. Als er am 27. November 1264 gestorben war, nahm R. seine Besitzungen von der Reuß bis an den Wallenstädter- und Bodensee mit Kiburg und Baden, Winterthur, Frauenfeld, Dissenhofen und der Landgrafschaft Thurgau, ohne sich um die Rechte Margarethens viel zu kümmern. Darüber kam es zum Streit mit Peter von Savoyen, dessen Streben dahin ging, über die Aar hinaus festen Fuß zu fassen. R. verglich sich indeß (8. September 1267) mit Margarethen derart, daß er den größten Theil des Besitzes in seinen Händen behielt. In gleicher Weise nahm er auch an der Erbschaft des jüngeren Hartmann Theil, an der er nach seiner Mutter Heilwig gleiches Erbrecht hatte, wie Hartmann’s Tochter Anna. Er vermählte diese, deren Vormund er war, an seinen Vetter Eberhard von Habsburg-Laufenberg und erwarb ihre Güter in den heutigen Kantonen Aargau, Luzern, Zug und Unterwalden und später (1277) auch Freiburg im Oechtland.
In zahlreichen Fehden hatte R. über die Grenzen Schwabens hinaus den Namen eines gewandten und tapferen Heerführers und eine herrschende Stellung in Schwaben gewonnen; wenn man dem entgegen in alten und neueren Schriften noch immer von R. als einem armen Grafen spricht, so beruht das auf einer vollständigen Verkennung des Sachverhaltes. Habsburgs Macht reichte von den Alpenpässen bis vor die Thore Colmars und R. verfügte bereits vor seiner Königswahl über Einkünfte, welche die einzelner Kurfürsten, wie jenes von Trier und Mainz überragten. So standen die Dinge, als der Tod des Königs Richard am 2. April 1272 das Reich vor eine neue Königswahl stellte. Von den Kurfürsten waren einige mit R. persönlich bekannt: vor allem der Erzbischof von Mainz Wernher v. Eppenstein, den R. im J. 1260, als derselbe nach Rom [481] ging, um seine Bestätigung und Weihe zu erlangen, von Straßburg bis an den Fuß der Alpen und wieder heimwärts geleitet hatte. Wenn die Ueberlieferung in diesem Zusammentreffen den Urgrund von Rudolf’s Königswahl sieht, so ist hierdurch nur angedeutet, daß Wernher bei der Besetzung des Thrones die Führerrolle hatte und die persönliche Bekanntschaft mit ihm R. zu Statten kam. Mit dem Herzoge Ludwig von Pfalz-Baiern hatte R. dereinst Konradin nach Verona begleitet; was dagegen nach einer späteren und trüben Quelle von dem Verkehr Rudolf’s mit Ottokar von Böhmen im J. 1260 und davon erzählt wird, daß er in dessen Hofdienst gestanden, ist in das Reich der Fabel zu verweisen.
Für die Wahl eines deutschen Königs war es entscheidend, daß die Interessen der Curie mit denen der deutschen Fürsten Hand in Hand gingen: Suchte der Papst an dem deutschen Königthum einen Rückhalt gegen den drückenden Einfluß der Franzosen in Italien, so wünschten die deutschen Fürsten eine Aenderung in den Zuständen Deutschlands, wo die aufstrebende Macht des Städtethums ihre eigene Macht gefährdete. Am 27. März 1272 ward Thebald von Piacenza zum Papste (Gregor X.) geweiht, der, voll von Entwürfen zur Wiedergewinnung des heiligen Landes, aus dem er soeben heimgekehrt war, für seine Pläne der Wahl eines allgemein anerkannten Reichsoberhauptes bedurfte. Ohne daher der Forderung Alfons’ von Castilien, ihn nunmehr nach dem Tode Richard’s als römischen König anzuerkennen, oder den auf die deutsche Krone gerichteten Wünschen des französischen Königs entgegenzukommen, trug er den Kurfürsten die Wahl eines Königs auf, widrigenfalls er selbst mit den Cardinälen die Entscheidung treffen würde. Unter den deutschen Fürsten besaß der König von Böhmen, Premysl Ottokar II., die größte Macht. Nach dem Aussterben der Babenberger und während der Wirren nach dem Tode des Kaisers Friedrich’s II. hatte er (1251) Oesterreich besetzt, und um den dynastischen Gefühlen der Oesterreicher entgegen zu kommen, Margarethe, die Schwester des letzten Babenberger’s und Wittwe König Heinrich’s (VII.) geheirathet. Durch seinen Sieg bei Kroißenbrunn über Bela IV. von Ungarn, dem Gertrud, des letzten Babenberger’s Nichte, ihre Ansprüche abgetreten hatte, gewann er die Steiermark und als er dann gleichfalls aus dynastischen Motiven Margarethe verstieß, ließ er sich, um einen Ersatz für deren Rechte zu gewinnen, vom Könige Richard nicht bloß mit Böhmen und Mähren, sondern auch mit Oesterreich und Steiermark belehnen (1262). Nach dem Tode Ulrich’s von Kärnten, der ihm, trotzdem noch dessen Bruder Philipp am Leben war, seine Länder vermacht hatte, gewann er Kärnten und Theile von Krain und befand sich somit im Besitze einer Macht, die vom Erz- und Riesengebirge bis ans adriatische Meer reichte. In seiner Absicht lag es, im Osten Deutschlands einen mächtigen Staat gegen alle von Osten her dräuenden Gefahren aufzurichten. Die Wahl eines deutschen Königs, die er früher vereitelt hatte, wünschte er nun unter der Bedingung, daß sie auf ihn falle. Aber die deutschen Fürsten wollten keinen allzumächtigen König. Am 16. Jänner 1273 verbündete sich Wernher von Mainz mit Ludwig von der Pfalz und trat dann mit Köln und Trier, Sachsen und Brandenburg in Verbindung. Böhmen, mit dem ein Einvernehmen nicht hatte erzielt werden können, wurde weiter nicht berücksichtigt. Ueber die Person des zu wählenden Königs war zunächst noch keine Vereinbarung getroffen. Am 5. Februar erklärten die Städte Mainz, Worms, Oppenheim, Frankfurt, Wetzlar und Gelnhausen, nur einen einmüthig Gewählten als Oberhaupt anzuerkennen. Als dann der Papst den Bann, den Clemens IV. über den Pfalzgrafen Ludwig ausgesprochen hatte, aufhob, konnte dieser als Wähler und Bewerber auftreten. Aber auch ihm stand seine große Macht im [482] Wege – sicherlich mehr als die staufischen Erinnerungen, die ja auch an die Person Rudolf’s von Habsburg geknüpft waren. Dieser wurde am 1. Septbr. zunächst noch mit dem Grafen Siegfried von Anhalt als Bewerber genannt und für ihn entfaltete sein Verwandter und Kriegsgefährte der Burggraf Friedrich III. von Nürnberg aus dem hohenzollern’schen Hause eine emsige Thätigkeit. Er gewann den Pfalzgrafen dadurch, daß er ihm eine von Rudolf’s Töchtern zur Ehe verhieß und somit seine Erwerbungen aus der Konradin’schen Hinterlassenschaft sicher stellte. In gleicher Weise wurde Albrecht von Sachsen gewonnen und ebenso wurde eine Verbindung mit dem brandenburgischen Hause in Aussicht gestellt. Mitte September war Rudolf’s Wahl gesichert; der Wahltag wurde auf den 29. September festgestellt und das Wahlrecht Böhmens dadurch beseitigt, daß die 7. Kurstimme Baiern zugesprochen und bestimmt wurde, daß sie von dem Pfalzgrafen Ludwig und Heinrich von Baiern gemeinsam zu führen sei. Die Wahl selbst erfolgte am 1. October 1273. Schon am folgenden Tage hielt R., der eben noch gegen den Bischof von Basel wegen der Ansprüche auf Breisach und Rheinfelden in Fehde gelegen und auf die Nachricht von der bevorstehenden Wahl die Belagerung von Basel aufgehoben hatte, seinen Einzug in Frankfurt und wurde am 24. October in Aachen gekrönt.
R. war als er den Thron bestieg, 55 Jahre alt, ein Mann von rastloser Thätigkeit, dessen Ziele auch als König nur auf das Erreichbare gerichtet waren, und der darum die Verhältnisse, wie sie sich in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt hatten, willig anerkannte. Seit dem Kampfe Friedrich’s II. mit dem Papstthume und namentlich seitdem eine beschränkte Anzahl von Fürsten ihr Vorrecht, bei den Königswahlen zuerst zu stimmen, zu dem Rechte, allein den König zu wählen, erweitert hatten, hatte das Königthum erhebliche Einbuße an seinen Machtbefugnissen erlitten. Das Wichtigste war, daß nun der König bei gewissen Verfügungen an die Zustimmung der Fürsten gebunden war, die durch fürstliche Willebriefe erfolgte. Indem diese Einwilligung seit Rudolf das Vorrecht einer geschlossenen Zahl von Reichsständen wurde, hatte die Regierungsform einen oligarchischen Charakter angenommen und waren die Verhältnisse zu Gunsten der Kurfürsten verschoben. Daher mußte es fortan das Streben der Könige sein, eine bedeutende Hausmacht zu schaffen, auf die sich das Königthum zu stützen vermochte. Nach dieser Seite hin hatte die Regierung Rudolf’s einen vollständigen Erfolg. Diese wurde zunächst von dem Könige Ottokar angefochten, wiewohl ihm die rasche Anerkennung Rudolf’s das sicherste Mittel geboten hätte, seine zahlreichen, auf sehr unsichere Besitztitel begründeten Landeserwerbungen zu behaupten. Er wandte sich mit einem Protest an den Papst, dem R. selbst und der Erzbischof von Köln die vollzogene Wahl bezw. Wahl und Krönung mittheilten. Ottokar bat den Papst, nicht zu dulden, daß „ein wenig tauglicher Graf“, den „der Bettelsack“ drücke, einen Thron besteige, dessen einstige Größe in hochtrabenden Worten geschildert wird. Auf dasselbe Ziel war eine Denkschrift gerichtet, die der Bischof Bruno von Olmütz dem Papst für das Concil von Lyon überreichte, die indeß ihre Wirkung verfehlte. Das Concil wurde am 7. Mai 1274 eröffnet. Am 6. Juni beschwur Rudolf’s Gesandter, der Propst Otto von St. Guido in Speier im Namen des Königs die von Otto IV. und Friedrich II. dem römischen Stuhle ausgestellten Eide und Privilegien und indem R. dem Papste die von diesem gewünschten Zugeständnisse machte, war auch dessen Entscheidung in der Frage der Anerkennung nicht mehr zweifelhaft. Gregor X. legte dem böhmischen König, dessen Kurrecht er übrigens willig zugab, die Anerkennung der in den Formen des Rechts erfolgten Wahl Rudolf’s dringend ans Herz, aber dieser erklärte sich nur zu einer bedingten Unterwerfung, die seinen Besitzstand unangetastet gelassen hätte, bereit. [483] In der Antwort, die von dem nämlichen Tage datirt ist, an dem er R. als König anerkannte, forderte der Papst den Böhmenkönig auf, das Gleiche zu thun: werde er doch immer als der Mächtigste unter den Reichsfürsten die hervorragendste Stelle im Kaiserthum einnehmen, dagegen möge er sorgsam bedenken, wie unsicher das Glück der Waffen sei. Die Anerkennung Rudolf’s durch den Papst verschlechterte die Stellung Ottokar’s, denn nun konnte der Papst nicht mehr die Entscheidung in Fragen in Anspruch nehmen, deren rechtsgültige Lösung dem Könige und Reiche zustand. Er erklärte denn auch dem Böhmenkönig, nicht in der Lage zu sein, zu seinen Gunsten die Reichsgesetze umzumodeln. Auch den König Alfons X. von Castilien, der auch nach Rudolf’s Wahl in Italien als Vertreter des Kaiserthums galt und noch 1275 in Oberitalien eine feste Stellung gewann, vermochte der Papst durch Unterhandlungen, die er mit ihm im folgenden Jahre zu Beaucaire an der unteren Rhone pflog, auf das Kaiserthum zu verzichten. Am 18. October 1275 war R. mit dem Papste in Lausanne zusammengekommen; dort legte er mit seiner Begleitung das Kreuzzugsgelübde ab und stellte die Urkunden über die dem Papste zu Lyon gemachten Versprechungen aus. Für die Kaiserkrönung wurde Pfingsten des nächsten Jahres festgesetzt, doch ist es weder zu dieser noch zu dem Kreuzzugsunternehmen gekommen: Gregor X., dem das letztere vor allem am Herzen lag, starb am 6. Januar 1276 und die Politik der folgenden Päpste bewegte sich großentheils in anderen Bahnen.
Der Anerkennung des Papstes und dessen wohlwollender Neutralität versichert, leitete R. das Rechtsverfahren gegen Ottokar ein: Am 11. November 1274 trat der Reichstag in Nürnberg zusammen. Auf die Frage des Königs, wer Richter sein solle, wenn er gegen einen Fürsten wegen widerrechtlicher Besitznahme von Reichsgütern Klage erhebe, lautete die Antwort: der Pfalzgraf vom Rhein. Als dieser den Richterstuhl bestiegen, fragte R. weiter, was bezüglich der dem Reiche seit Friedrich’s II. Tode entrissenen Reichsgüter zu geschehen habe. Die Antwort lautete: Sie seien einzuziehen und der König verpflichtet, dem Reiche zu seinen Rechten zu helfen. Auf Rudolf’s dritte Frage, was Rechtens sei inbezug auf den König von Böhmen, der Jahr und Tag seit der Königswahl habe verstreichen lassen, ohne um Belehnung mit seinen Reichslehen anzusuchen, erfolgte die Antwort: Wer immer ohne echte Noth, sei es aus Nachlässigkeit oder Widersetzlichkeit, binnen Jahr und Tag seine Lehen nicht muthe, solle nach Ablauf dieser Frist seiner Lehen verlustig gehen. Auf die letzte Frage Rudolf’s, wie man gegen Ottokar, bei welchem Widersetzlichkeit vorliege, verfahren solle, wurde entschieden, daß er von dem Pfalzgrafen vorzuladen sei, um sich vor ihm über des Königs Klage zu verantworten. Die allgemeine Entscheidung der zweiten Frage Rudolf’s genügte, um gegen Ottokar in Bezug auf die österreichischen Länder vorzugehen; in Bezug auf die Belehnung mit Böhmen und Mähren mußte der Weg des Lehensprocesses eingeschlagen werden. Ottokar erschien weder in Würzburg, wohin er auf den 23. Januar, noch in Augsburg, wohin er für den 15. Mai vorgeladen wurde. Nach Augsburg sandte er den Bischof Wernhard von Seckau, der Rudolf’s Wahl und die Wähler in so heftiger Weise angriff, daß nur des Königs Einschreiten ihn vor dem Unmuth der Fürsten zu schützen vermochte. Ottokar wurde nun als Widersetzlicher (contumax) verurtheilt, ihm Böhmen und Mähren abgesprochen und die Kurstimme endgültig an Baiern gegeben. Zugleich wurde der Burggraf Friedrich von Nürnberg nach Wien gesendet, um Ottokar aufzufordern, die ihm abgesprochenen Reichslehen nebst den dem Reiche entfremdeten Ländern herauszugeben. Auf die ablehnende Antwort, die er in einer die Majestät des römischen [484] Königs verletzenden Form gab, wurde er (spätestens October 1275) in die Reichsacht erklärt.
Mittlerweile hatte R. den Bruder des letzten Sponheimers, Philipp, mit Kärnten und den zu diesem gehörigen Theilen von Krain und der Mark belehnt, den Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von Regensburg und Passau, die in Oesterreich begütert waren, und viele Oesterreicher, namentlich vom Adel, unter welchem Ottokar seines strengen Regimentes wegen viele Feinde hatte, für sich gewonnen. Gegen diese Anhänger Rudolf’s schritt Ottokar in schärfster Weise ein: Vom Adel und den Städten nahm er Geiseln, die Bischöfe von Regensburg und Passau zwang er durch die Temporaliensperre und den Erzbischof von Salzburg durch die Verwüstung seiner Besitzungen, sich mit ihm zu vergleichen; selbst Ungarn suchte er in sein Interesse zu ziehen. Am 24. Juni erklärte R. seinem Gegner den Krieg. Mitte August brach er vom Rhein auf. Von den Kurfürsten unterstützten ihn nur Wernher von Mainz und Ludwig von der Pfalz. Von entscheidender Bedeutung war es, daß Heinrich von Baiern sein Bündniß mit Böhmen löste und sich an R. anschloß, der seine Tochter Katharina mit Heinrichs Sohn Otto verlobte, und für deren Brautschatz das Land ob der Enns verpfändete. Nach einem von dem Erzbischof Friedrich von Salzburg entworfenen Feldzugsplan sollte R. Böhmen beunruhigen, um die Hauptmacht des Gegners dort festzuhalten, Meinhard von Tirol, ein alter Freund und eifriger Anhänger Rudolf’s, in Steiermark einrücken und ein drittes Heer in das von Vertheidigern entblößte Oesterreich vordringen. Während Ottokar demnach seinen Gegner bei Tepl erwartete, änderte R. nach Baierns Anschluß den Plan: Er wendete sich mit seiner Hauptmacht nach Oesterreich, während Meinhard in Steiermark einrückte, wo nun die Edelleute in großer Zahl im Kloster Rein (unweit von Graz) zusammentraten und den Eidschwur ablegten, dem König R. zu dienen. Nur der Clerus und die Städte, die Ottokar begünstigt hatte, blieben entweder neutral oder auf Seiten des böhmischen Königs. R. rückte Ende September in Oesterreich ein und stand am 18. October vor Wien, dessen Bewohner zu Ottokar hielten und unter der Führung Paltram’s, eines einflußreichen Bürgers, die Stadt mannhaft vertheidigten. Ottokar war mittlerweile auf beschwerlichen Wegen über Oberösterreich ins Marchfeld gezogen. Seine Scharen lichteten sich durch den Abfall der Oesterreicher und Steirer, die den Fahnen Rudolf’s zuströmten. Als sich selbst in Böhmen eine Adelspartei – an ihrer Spitze die Witigonen – gegen ihn erhob, und die Aussichten, den Sieg zu erringen, dahin schwanden, war er zum Frieden geneigt, der am 21. November 1276 zu Stande kam. Ottokar trat Oesterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, die windische Mark und Eger ans Reich ab und erhielt die Belehnung mit Böhmen und Mähren. Sein Sohn Wenzel wurde mit Rudolf’s Tochter Guta, seine Tochter Kunigunde mit einem Sohne Rudolf’s verlobt. Die gegenseitigen Gefangenen sollten ausgewechselt, eine allgemeine Amnestie erlassen und der König von Ungarn in den Frieden eingeschlossen sein. Am 25. November leistete Ottokar dem deutschen Könige seine Huldigung und dieser hielt seinen Einzug in Wien.
Ueber die Ausführung des Novembervertrages kam es bald zu Mißhelligkeiten: Während sich Ottokar weigerte, das Land im Norden der Donau zu räumen, da es als Pfand für die Aussteuer Guta’s an Böhmen verschrieben sei, hielt R. die Zeit der Verpfändung erst für gekommen, wenn die verabredete Heirath wirklich vollzogen sei. Ottokar zögerte, Haimburg und Eger, das letztere als Mitgift seiner Mutter, herauszugeben. Ueber diese und einige minder wichtige Punkte gedieh die Spannung im März 1277 so weit, daß der Wiederbeginn des Krieges erwartet wurde. Doch kam es noch einmal zu einem Vergleiche [485] (6. Mai), in welchem von der Heirath Kunigundens keine Rede mehr ist; der Tochter Rudolf’s wird nunmehr Eger als Heirathsgut verschrieben, die Anhänger beider Könige werden amnestirt und die von Böhmen besetzten Plätze in Ungarn zurückgegeben. Ein Ergänzungsvertrag vom 12. September betonte die Pflichten des böhmischen Königs dem Reiche gegenüber in schärferer Weise. Doch noch immer tauchten Schwierigkeiten auf: Ottokar führte Klage, daß der deutsche König die Witigonen seine Diener genannt habe. Bald wurde es klar, daß er zu einem neuen Waffengange entschlossen sei: was ihn bewog, diesen so rasch zu versuchen, ist nicht völlig aufgehellt. Er suchte zunächst zu den alten Bundesgenossen neue zu erwerben: zu den schlesischen die polnischen Fürsten. Bisher ein werkthätiger Freund des deutschen Elements in seinem Erblande, hob er nunmehr die Gemeinsamkeit der Tschechen und Polen den Deutschen gegenüber hervor. Von deutschen Fürsten gewann er die Meißner, Thüringer und Brandenburger. Mit Siegfried von Köln verhandelte er; selbst Mainz und Trier hoffte er auf seine Seite zu ziehen und Heinrich von Baiern ließ sich durch Geld gewinnen. In Oesterreich wurde von seinen Anhängern ein Aufstand vorbereitet, doch frühzeitig entdeckt und vereitelt.
Diesen Anstrengungen seines Feindes gegenüber brachte R. ein Schutz- und Trutzbündniß mit Ungarn zu Stande (13. Juli 1277). Am 11. November traf er mit dem Könige Ladislaus in Haimburg zusammen: Beide Könige verpflichteten sich, nicht einseitig mit Ottokar einen Waffenstillstand oder Frieden zu schließen. Der ungarischen Hülfe gewärtig, der Unterstützung der Oesterreicher, Steirer, Kärntner und Meinhard’s von Tirol sicher, überdies im Besitze der Hauptstadt und der mächtigen Vertheidigungslinie der Donau, sah R. mit Vertrauen den kommenden Ereignissen entgegen. Wie sehr er übrigens die Gefahr eines Aufstandes im eigenen Lande, der er nunmehr entgangen war, würdigte, sieht man daraus, daß er, um die Wiener für sich zu gewinnen, ihnen nicht bloß das Stadtrecht Leopold’s VI. und den Freiheitsbrief Kaiser Friedrich’s II. bestätigte, sondern noch andere Rechte dazu gab. Dieser Umstand war es auch, der den unvermeidlich gewordenen Kampf beschleunigte. Wenn er aus dem „Reiche“ im ganzen nur wenig Hülfe bekam, so lag der Grund darin, daß er sich um sie nicht sonderlich bemüht hat. Je weniger er des Reiches Kräfte in Anspruch nahm, desto freiere Hand behielt er, um die Früchte des Sieges einzuheimsen. Daher wandte er sich zunächst nur an seine Verwandten und Freunde, den Pfalzgrafen Ludwig, Meinhard v. Tirol, den Burggrafen von Nürnberg, den Grafen v. Hohenberg, den Erzbischof von Salzburg u. A. Ottokar wurde durch die Entdeckung der Verschwörung in Oesterreich genöthigt, früher loszuschlagen, als er ursprünglich beabsichtigt hatte. Am 27. Juni zog er von Prag aus. In Brünn wartete er auf die schlesische und polnische Hülfe und das Eintreffen böhmischer und mährischer Großen. Der eigentliche Kampf begann Ende Juli. Kostbare Zeit verlor Ottokar mit der Belagerung von Drosendorf und Laa. Als R. – er hatte noch nicht alle Streitkräfte vereinigt – die Nachricht erhielt, daß die ungarische Heeresmacht im Anzuge sei und bei Preßburg die Donau überschritten habe, brach er am 14. August von Wien auf, zog auf dem rechten Donauufer gegen Haimburg und setzte über die Donau. Dann rückte er bis Marchegg, wo sich die Reste seiner Truppen aus Oesterreich, Steier und Schwaben sammelten und die Ungarn zu ihm stießen. Eine Heeresabtheilung von Ungarn und Kumanen beunruhigte den böhmischen König derart, daß er die Belagerung von Laa aufgab und mit seiner gesammten Heeresmacht an die March zog, wo er in seinem Lager zwischen Drösing und Jedenspeigen unthätig stehen blieb. Nach kurzer Berathung mit dem ungarischen König entschloß sich R. zur Schlacht. Am 23. August setzte das ungarische [486] Heer von dem linken auf das rechte Marchufer und vereinigte sich mit den Truppen Rudolf’s. Zwischen Stillfried und Dürnkrut am oberen Weidenbach schlug man das Lager. Die nächsten Tage vergingen mit den Vorbereitungen zur Schlacht, für welche R. den 26. August, einen Freitag bestimmte. Ottokar’s Heer – man schätzt es auf 30 000 Mann – war jenem Rudolf’s an schwerer Reiterei überlegen; die Hülfstruppen der Ungarn werden in niedrigster Schätzung auf 30 000 Mann angegeben. Am bestimmten Tage, um 9 Uhr Morgens, begann der Kampf, der bis zur völligen Entscheidung 5–6 Stunden dauerte. Am rechten Flügel von Rudolf’s Heere standen die Deutschen, am linken die Ungarn, geführt vom Palatin – der ungarische König nahm auf Rudolf’s Wunsch an dem Kampfe nicht Theil – die Kumanen beunruhigten die Flanken des Feindes. Der rechte Flügel Rudolf’s, von der schweren Reiterei der Böhmen gedrängt, gerieth ins Wanken und wurde von Jedenspeigen bis Dürnkrut und selbst über den Weidenbach zurückgedrängt. Ein feindlicher Reiter rannte an R. an und erstach dessen Schlachtroß, welches mit dem Reiter stürzte. Glücklicherweise kam rasch Hülfe: Ein Thurgauer, Heinrich Walter von Ramswag, hob den König auf und half ihm auf ein Pferd. Die Entscheidung brachte die Reserve, die unter der Führung des „langen“ Kapellers beauftragt war, im entscheidenden Momente einzugreifen und nun den am weitesten vorgedrungenen Böhmen in die Flanke fiel,und sie in die March drängte, wo die meisten ertranken. Im Kreise der Kämpfenden ließ sich eine Stimme hören: „Sie fliehen, sie fliehen“. Die Flucht auf böhmischer Seite wurde nun eine allgemeine. Sie erfolgte nach Norden hin gegen Drösing. Ottokar kämpfte mit einer kleinen Schar noch weiter. Erst als er das Vergebliche seines Unternehmens erkannte, versuchte er, sich gegen Drösing durchzuschlagen. Das gelang nicht mehr. Er wurde eingeholt und von persönlichen Feinden, unter denen sich der Truchseß von Emerberg befand, erschlagen. Die Leiche wurde nach Wien geschafft und von dort nach Znaim und endlich nach Prag überführt.
R. leitete zunächst eine thatkräftige Verfolgung ein, welche die Vernichtung der Feinde vollendete. Der größte Theil von ihnen wurde erschlagen oder gefangen. Gering waren die Verluste auf deutscher Seite. Schon nach drei Tagen entließ R. die ihm unbequem gewordenen Hülfstruppen der Ungarn in ihre Heimath. Er dürfte ihnen die vollständige Gewährleistung ihrer alten Grenzen zugesagt haben. Noch vom Feldlager aus meldete er seinen Sieg den Venetianern und anderen Mächten. Ende August rückte er in Mähren ein. Nirgends fand er Widerstand. Der Bischof Bruno von Olmütz unterwarf sich sofort; ihm folgten der mährische Adel und die Städte des Landes. Um die Stelle eines Reichsverwesers in Böhmen stritten, da Wenzel II. erst 7 Jahre alt war, Heinrich IV. von Breslau und Otto von Brandenburg; dieser, noch von Ottokar für den Fall seines Todes zum Vormund seiner Kinder bestimmt, wurde von der Königin-Wittwe nach Prag gerufen und mit der Regentschaft betraut. R. war bereits bis Sedletz bei Kuttenberg gelangt, während der Markgraf bei Kolin lagerte. Eine abermalige Schlacht schien bevorzustehen; da vermittelten die Bischöfe den Frieden: Otto wurde auf fünf Jahre als Reichsverweser in Böhmen und Vormund Wenzel’s anerkannt; für dieselbe Zeit durfte R. Mähren besetzt halten, in welchem die Bischöfe von Basel und Olmütz als Statthalter eingesetzt wurden. Der Friede wurde durch eine Doppelheirath zwischen Rudolf’s Kindern Guta und Rudolf und denen Ottokar’s, Wenzel und Agnes besiegelt und ein Eheverlöbniß zwischen Rudolf’s Tochter Hedwig und einem Bruder des Brandenburgers geschlossen.
Von den übrigen Gegnern Rudolf’s mußte Heinrich von Baiern das ihm verpfändete Oberösterreich herausgeben; auch wurde die Mitgift der Braut seines [487] Sohnes auf 3000 Mark herabgesetzt. Als dann am 22. Juli 1279 Philipp von Kärnten, woselbst schon seit 1276 Meinhard als Reichsverweser waltete, starb, waren alle drei Herzogthümer Oesterreich, Steiermark und Kärnten erledigt, und nun galt es dem Könige, sie für immer seinem Hause zu verschaffen. Von diesem Gesichtspunkte ist seine Politik in den nächsten Jahren geleitet. Darum traten nun Fragen, die früher im Vordergrund gestanden waren, wie die Kaiserkrönung u. a. zurück. Die Nachfolger Gregor’s X. traten der Kaiserkrönung Rudolf’s gleichgültiger, wenn auch nicht geradezu feindselig entgegen. R. kam, wie eine zeitgenössische Quelle sagt, nicht zur Krönung nach Italien, weil die Päpste in Erinnerung an die Belästigungen, die sie früher von den Kaisern erfuhren, Schwierigkeiten erhoben. Auch das Verhältniß Rudolf’s zu Karl v. Anjou, dem erklärten Gegner der mit R. befreundeten Ghibellinen Oberitaliens spielt hier eine wichtige Rolle. Für Karl tritt schon der nächste Papst ein, Innocenz V., der es demnach nicht für nöthig hielt, daß R. nach Italien komme. Adrian V. starb schon wenige Wochen nach seiner Wahl und Johann XXI. war wieder für Karl. Nicolaus III. (1277–1280), dem es vor allem um die Selbständigkeit des päpstlichen Stuhles zu thun war, meinte, diese im Gegenwirken der großen Parteien Italiens zu erreichen. Von R. verlangte er die Bestätigung aller Schenkungen der alten Kaiser an den päpstlichen Stuhl und den Widerruf des Eides, der eben noch dem Kanzler des Königs in Bologna, Imola, Faenza und Ravenna geleistet worden war, von Karl v. Anjou den Verzicht auf das Senatorenamt in Rom und die Zurückberufung seiner Stellvertreter aus Toscana. Im Hinblick auf sein Verhältniß zu Ottokar bestätigte R. alles und mit dem österreichischen Ländererwerb beschäftigt, gab er den Gedanken an eine Intervention in Italien auf. Auch die Familienverbindung zwischen Habsburg und Anjou, die der Papst begünstigte, kam nun zu Stande: Rudolf’s Tochter Clementia und Karl’s Enkel, Karl Martell, wurden verlobt und diese Verbindung wirkte auf Rudolf’s Beziehungen zu Frankreich und England zurück: Während sich die zu Frankreich immer besser gestalteten, was freilich dem Reiche nur Schaden brachte, indem R. dem Könige Philipp (16. November 1281) die Schutzherrschaft über Toul überließ, lockerten sich jene zu England und lösten sich nach dem Tode von Rudolf’s zweitem Sohne Hartmann, der mit einer englischen Prinzessin verlobt war, allmählich auf, und da nunmehr auch Savoyen keinen Schutz mehr gegen Frankreich fand, so griff es bald wieder zu den Waffen gegen den deutschen König selbst. Zufrieden mit der nominellen Herrschaft über Oberitalien verzichtete dieser auf eine selbständige italienische Politik und selbst ein so bedeutendes Ereigniß wie die sicilianische Vesper, vermochte hierin nichts zu ändern. Ueber den Römerzug wurde zwar noch mit Honorius IV. und Nicolaus IV. verhandelt, ja selbst noch 1291 sprach R. von seinem Plane, die Kaiserkrone zu erwerben, aber die Fragen, welche die Erwerbungen seines Hauses in Deutschland betrafen, lagen ihm offenbar mehr am Herzen und die Schwierigkeiten, welche sich gegen die Krönung aufthürmten, mochten ihm gerade nicht unwillkommen erscheinen.
Was die Erwerbung Oesterreichs betrifft, that R. schon vor dem Ausbruch des zweiten Krieges die einleitenden Schritte, indem er die Lehen, welche die früheren Besitzer Oesterreichs von Salzburg und den Bisthümern Passau, Regensburg und Freising innegehabt, seinen Söhnen übertragen ließ. 1279 kamen noch die bamberger Lehen hinzu. R. selbst richtete seine ganze Thätigkeit auf die Verwaltung der eroberten Länder. Nachdem er schon 1276 einen Landfrieden auf fünf Jahre aufgerichtet hatte, suchte er den Adel, die Geistlichkeit und Bürgerschaft durch mehrfache Vergünstigungen zu gewinnen. Zu diesem Zwecke verweilte er auch drei volle Jahre in Oesterreich; meist hielt er sich in Wien auf, [488] wo seine Gemahlin am 16. Februar 1281, wie es heißt, aus Schmerz über die Trennung von ihrer Tochter Clementia, starb. Als er dann im Mai d. J. aus Oesterreich schied, ließ er seinen Sohn Albrecht als Reichsverweser zurück. Die Verleihung der Herzogthümer an seine Söhne bot viele Schwierigkeiten. Die Beziehungen der meisten Kurfürsten zu R. hatten sich seit der Besetzung Oesterreichs geändert: Siegfried von Köln stand schon seit seiner Erhebung (1275) in Opposition zu ihm; auch die anderen geistlichen Kurfürsten waren nicht gesonnen, ihn zu unterstützen, vielmehr benützten sie die Zeit, da R. mit der Sicherstellung Oesterreichs beschäftigt war und den Zuständen des übrigen Reiches keine Aufmerksamkeit zuwenden konnte, zur Erweiterung und Befestigung ihrer landeshoheitlichen Stellung. Am 23. April 1281 erneuerten sie ihren vor 6 Jahren abgeschlossenen Bund und einen Monat später traten sie in Koblenz zusammen. So standen die Dinge, als R. im Mai 1281 endlich daran ging, durch Landfriedensbestimmungen der Reichsgewalt die nothwendige Anerkennung zu verschaffen.
Die Einschränkung der Fehden unter den Großen und die Herstellung des Landfriedens gehörte in der That zu den dringendsten Bedürfnissen. Hier galt es die verschiedenartigsten Interessen auszugleichen: die der großen Fürstenthümer, welche ihre landeshoheitliche Stellung ohne Rücksicht auf Kaiser und Reich zu erweitern und befestigen, der Grafen und Herren, welche sich der Einverleibung in die Fürstenthümer zu erwehren, und der Städte, die ihre Reichsunmittelbarkeit zu behaupten und ihre Kräfte durch die Aufnahme von Pfahlbürgern zu verstärken suchten. So dringend that hier ein rasches Eingreifen noth, daß Mainz und Kurpfalz schon 1278 für ihre Länder einen Landfrieden aufrichteten. Dieser ging 1280 zu Ende und an ihn knüpfte R. an, indem er am 6. Juli 1281 zu Regensburg den baierischen, vier Wochen später zu Nürnberg den fränkischen verkündete und in einzelnen Städten Schwabens den Landfrieden Friedrich’s II. erneuerte. Indem es dem Könige freilich nicht ohne erhebliche Opfer gelang, die Fehden zwischen Mainz und dessen Gegnern, namentlich den Grafen von Sponheim beizulegen, konnte er (13. December) nicht bloß den rheinischen Landfrieden auf 5 Jahre verkünden, sondern trat nun auch dem Mainzer Erzbischof wieder näher, worauf auch ein Vergleich mit dem von Trier zu Stande kam. Nur Siegfried von Köln beharrte bei seinem Widerstande und mußte (August 1282) durch Waffengewalt gebeugt werden. Unter denen die dann am 25. September zu Boppard den Landfrieden beschwuren, waren außer dem Pfalzgrafen auch die Erzbischöfe von Trier und Köln. Der Landfrieden wurde nach 5 Jahren in Würzburg, woselbst damals ein deutsches Concilium tagte, auf weitere 5 Jahre, und nach Ablauf dieser Frist auf dem Hoftag zu Speier auf 6 Jahre festgesetzt. Diese Bemühungen Rudolf’s zeitigten allerdings nicht jene Früchte, die man erwarten durfte: Es fehlte an den nothwendigen Einrichtungen für die Ausführung des Gesetzes, zu dessen Schutz man die kirchliche Gewalt anrief, so daß nun dem Banne verfiel, wer den Landfrieden verletzte. Am wichtigsten war es, daß man allmählich den Landesherren die Befugniß einräumte, mit den Landständen Anordnungen zur Handhabung des Landfriedens zu treffen. Wie die Dinge lagen, hat es auch „in den 10 Jahren des wiederhergestellten Landfriedens“ an blutigen Fehden nicht gefehlt und in all den Kämpfen der pfälzischen mit den bairischen Wittelsbachern, dieser mit Salzburg, Salzburgs mit Oesterreich u. a. sucht man umsonst das Oberhaupt des Reiches.
Die Aussöhnung Rudolf’s mit den Kurfürsten war für R. ein wichtiger Schritt zur endgültigen Besitznahme Oesterreichs. Schon am 27. Juli gab Siegfried von Köln seine Einwilligung zur Belehnung der ehelichen Söhne Rudolf’s [489] mit einem Fürstenthume. Vier Wochen später erklärten Sachsen und Brandenburg, daß R. die österreichischen Länder sammt Kärnten, Krain und der Mark seinen Söhnen zu Lehen geben dürfe und am 22. Sept. erhielt er auch von Mainz, Trier und Pfalz die Willebriefe. Zu Augsburg, wo R. Weihnachten feierte, verlieh er einige Tage vor Weihnachten[WS 1] 1282 seinen Söhnen Albrecht und Rudolf – Hartmann war das Jahr zuvor auf einer Rheinfahrt verunglückt – mit der fürstlichen Würde die Herzogthümer Oesterreich, Steiermark und Kärnten nebst Krain und der windischen Mark. Kärnten gab R. dem Grafen Meinhard für dessen werkthätige Hülfe in den böhmischen Kriegen am 1. Februar 1286, nachdem die Schwierigkeiten, mit denen seine Erhebung in den Reichsfürstenstand verknüpft war, beseitigt waren. Da man übrigens in den österreichischen Herzogthümern von einer Doppelverwaltung üble Folgen erwartete, so verfügte R. auf den Wunsch dieser Länder, daß Albrecht sie allein besitzen und der jüngere Sohn, falls ihm nicht binnen vier Jahren ein Königreich (Arelat) oder ein Fürstenthum (das seit Konradin’s Tod nicht mehr besetzte Schwaben) zu Theil würde, durch Geld abgefunden werden sollte.
Als R. mit dem Erzbischof Siegfried Frieden geschlossen, gewann es den Anschein, als habe er an den rheinischen Kurfürsten für die Dauer eine Stütze gewonnen. Aber die Einwirkung Rudolf’s in jenen Gebieten hielt nur so lange an, als seine persönliche Anwesenheit dauerte. Auch die Fehden zwischen Köln und den benachbarten Grafen, zwischen Mainz und Hessen begannen bald wieder. An Wernher von Mainz, der am 2. April 1284 starb, verlor der König einen wohlwollenden Vermittler in allen das Fürsten- und Königthum berührenden Angelegenheiten. Er dachte nun daran, den Bischof von Basel, Heinrich von Isni, der dem Könige bisher wesentliche Dienste geleistet und von dem er sich noch größere versprach, auf den Mainzer Erzstuhl zu setzen. In Mainz kam es zu einer zwiespältigen Wahl zwischen Gerhard v. Eppenstein und Peter v. Reichenstein. Während R. den letzteren scheinbar begünstigte, setzte er Heinrich’s Ernennung durch und gewann an ihm einen unbedingt ergebenen Anhänger. Zum Unglück für R. starb er schon am 19. März 1288 und sein Nachfolger wurde nun Gerhard v. Eppenstein. Auf den seit dem 26. April 1286 erledigten Erzstuhl von Trier gelangte Boemund v. Warnesberg. Inzwischen war Siegfried von Köln nach dem Tode Ermingardens, der Gemahlin Rainald’s v. Geldern, in den Limburg’schen Erbfolgestreit verwickelt worden; er dachte diesen zu benützen, um nicht bloß am Niederrhein, sondern auch in Flandern zur Macht zu gelangen. Darum unterstützte er die Ansprüche Rainald’s, dem der König den Limburg’schen Besitz auf Lebenszeit übertragen hatte, gegen Ermingardens Vetter, Adolf v. Berg, der seine Ansprüche an den Herzog von Brabant verkaufte. An diesem Streite nahmen sämmtliche Fürsten der Niederlande, der hohe und niedere Adel aus der Rhein- und Maasgegend, und die Bürger von Köln (als Gegner des Erzbischofs) und der brabantischen Städte Antheil. König R. selbst hielt sich neutral. Am 5. Juli 1288 kam es bei Woringen zur Schlacht, die mit der gänzlichen Niederlage Siegfried’s endete und seine Politik auf lange Zeit lahm legte. Der Herzog von Brabant behielt Limburg und König R. erkannte die vollendete Thatsache an. Er trat nicht bloß zu Brabant, sondern auch zu den Grafen von Geldern in freundschaftliche Beziehungen. Die letzteren entschädigte er mit dem Reichsvicariat über Ostfriesland und mit dem Grafen Dietrich von Cleve verheirathete er seine Nichte Margarethe – alles Bemühungen, um den zweideutigen Stützen gegenüber, die er an den geistlichen Kurfürsten hatte, sichere Freunde zu gewinnen.
Von den wachsenden Ansprüchen der fürstlichen Gewalten sahen sich auch die freien Stadt- und Landgemeinden bedroht und waren in mannichfache Kämpfe [490] mit ihnen verwickelt. In vielen Städten wogte der Kampf zwischen dem Rath und den Gemeinen, in anderen stritt der Rath mit dem Clerus; in einzelnen klagte man über die Landgrafen oder Burgmannen des Königs; hie und da wandte sich die unbehagliche Stimmung, in der man sich befand und die durch einige Mißjahre in den ersten achtziger Jahren erheblich verschlimmert wurde, gegen die Juden. Mit dieser unbehaglichen Stimmung im Reiche mag es zusammenhängen, daß in den niederen Schichten des Volkes jene Personen Anhang gewannen, die sich 1284 und 1285 als Kaiser Friedrich II. ausgaben – zunächst in Niederdeutschland, wo sich die Thätigkeit Rudolf’s überhaupt wenig bemerkbar machte, dann am Rhein, wo die Erinnerung an die Staufer noch lebendig war. Während es dem Könige gelang, alle diese Irrungen zu beseitigen, mißglückten seine Pläne auf das Herzogthum Schwaben und das Königreich Burgund. Der Plan Schwaben herzustellen und seinem gleichnamigen Sohne zu verleihen, scheiterte an der Gegnerschaft der zahlreichen Dynastengeschlechter dieses Landes, die sich kaum der königlichen Autorität beugten, eine herzogliche aber sicher nicht anerkannt hätten. Von diesen Geschlechtern standen einzelne, wie die Zollern und Hohenberg zu dem König in verwandtschaftlichen Beziehungen und ihre Begünstigung weckte die Opposition der anderen, an deren Spitze sich der Graf Eberhard von Württemberg stellte. Gegen ihn und seine Genossen kam es zu wiederholten Kämpfen, in denen R. zwar Erfolge im Felde davontrug, im übrigen aber auf seine Absichten auf Schwaben verzichten mußte, indem er die freie, nur dem Reiche dienstbare Stellung der Herren in Schwaben anerkannte.
Das Königreich Arelat wollte er zuerst für seinen Sohn Hartmann, und nach dessen Tode für Rudolf gewinnen; ja auch an eine Erhebung der Anjou’s auf den Königsthron von Arelat wurde gedacht. Auch hier arbeiteten die Herren solchen Plänen entgegen, vor allem Savoyen; die Vermittlungsversuche des englischen Königs, die mit Rudolf’s früherer antifranzösischen Politik im Zusammenhang standen, blieben vergebens, und schon 1281 kam es zu offener Fehde gegen den Grafen Philipp. Dem Bischof Heinrich von Basel zog R. zwei Jahre später gegen den Grafen Rainald von Burgund zu Hülfe, als dieser die Besitzungen des Bischofs in der Grafschaft Mömpelgard angriff. Während er die beiden Gegner verglich, zog er im Juni mit starker Macht vor Peterlingen, um dessen Besitz Habsburg und Savoyen seit 20 Jahren rangen. Zu Weihnachten sah sich Graf Philipp genöthigt, auf Murten und Gemminen und seine Rechte auf Peterlingen zu verzichten und die Kriegskosten zu zahlen. In Lausanne trat nun Savoyens Einfluß zurück, in Neuenburg wurden die Rechte des Reiches anerkannt und Rainald von Burgund erhielt zwar die Belehnung mit Mömpelgard, doch mußte er Dattenried an Habsburg abtreten. Am 5. Februar 1284 vermählte sich der nunmehr 66jährige König mit Isabella, der 14jährigen Schwester des Herzogs Robert von Burgund. Die Hoffnungen, welche das habsburgische Haus an diese Heirath knüpfte, erfüllten sich nicht. Die Schwäche des Reiches in den burgundischen Ländern zeigte sich, als nach dem Tode Philipp’s von Savoyen (16. October 1285) dessen Neffen Amadeus und Ludwig sich bei der Erbtheilung mehr um die Garantie Frankreichs und Englands, als um die Rechte des Reiches kümmerten. Unter den burgundischen Städten war Bern der Mittelpunkt aller dem Hause Habsburg feindlichen Bestrebungen; als es die Bezahlung der Reichssteuern verweigerte, zog R. gegen die Stadt und zwang sie im Frühjahr 1289, ihre Verpflichtungen gegen das Reich zu erfüllen. Während dieser Kämpfe entstand in den westlichen Theilen Burgunds eine lebhafte Bewegung: der Pfalzgraf Otto warf die Lehensverbindlichkeiten gegen den König ab und Bisanz empörte sich. Indeß die burgundischen Verwandten [491] Rudolf’s theilnahmlos blieben oder auf die Seite Frankreichs traten, wuchs im Delphinat, in Burgund, Lothringen und den übrigen Grenzländern der französische Einfluß. R. eröffnete den Feldzug 1289 mit großer Macht und zwang den Pfalzgrafen zur Huldigung. An den Verhältnissen Burgunds wurde im wesentlichen nichts geändert: sein Verband mit dem Reiche blieb so locker, wie zuvor. Größere Erfolge hatte R. in den allemannisch-schweizerischen Gebieten, woselbst er von St. Gallen bedeutende Erwerbungen machte, das Erbe der Grafen von Rapperswil an sich zog, den habsburgischen Besitz in Glarus und Luzern vermehrte und die Vogtei über Einsiedeln und Pfävers an sein Haus brachte.
Während R. in Oberdeutschland seine den Interessen seines Hauses zugewandte Politik verfolgte, war sein Ansehen in den nördlichen und nordöstlichen Theilen des Reiches, für die er Albrecht von Sachsen und Albrecht von Braunschweig und nach des letzteren Tode die Markgrafen Johann, Otto und Konrad von Brandenburg als Reichsverweser eingesetzt hatte, äußerst gering, und vollzogen sich die wichtigsten Ereignisse im wesentlichen ohne sein Zuthun. Noch ehe das erste Jahrzehnt seiner Herrschaft abgelaufen war, wurde der Kampf des deutschen Ordens in Preußen zu Ende geführt und in diesem mit deutschen Siedlern bevölkerten Lande eine Umwandlung aller Verhältnisse angebahnt. Das rücksichtslose Vorgehen der brandenburgischen Markgrafen gegen Städte, Fürsten und Bischöfe Niedersachsens und Slaviens nöthigte R., ihnen die Reichsverweserschaft zu entziehen und bot den Fürsten und Städten den Anlaß zum Abschluß eines Landfriedens (13. Juni 1283), der seine Spitze gegen Brandenburg richtete und den deutschen Ostseestädten zu ihren Erfolgen gegen den König von Norwegen verhalf – im übrigen freilich nicht hinderte, daß bald neue Fehden in allen Theilen Norddeutschlands ausbrachen, denen der König bei dem besten Willen nicht abzuhelfen vermochte. Um auch in diesen Theilen Deutschlands eine reichsfreundliche Partei zu schaffen, wurde die Tochter des Pfalzgrafen Ludwig, Rudolf’s Enkelin, mit Otto von Lüneburg vermählt.
Nicht minder dringend als in Norddeutschland, that das Einschreiten der Reichsgewalt in Thüringen Noth, woselbst die Kämpfe zwischen dem Landgrafen Albrecht und seinen Söhnen Friedrich und Diezmann in alle Verhältnisse eingriffen. Der Landfrieden, den der Erzbischof Heinrich von Mainz herzustellen versuchte, hatte ebensowenig Bestand, wie die Versöhnung Albrecht’s mit seinen Söhnen. All’ das bewog den König, selbst nach Thüringen zu ziehen. Mitte December 1289 traf er in Erfurt ein und hielt sich nun ein ganzes Jahr daselbst auf. Die vornehmsten Fürsten des Reiches fanden sich ein. Der Landfrieden wurde in aller Strenge hergestellt und nicht weniger als 66 Raubschlösser gebrochen. So durchgreifend war Rudolf’s Wirksamkeit nach dieser Seite hin, daß sie noch bei den kommenden Geschlechtern in lebhaftem Andenken stand. Zur Handhabung des Landfriedens wurden einige von den hervorragenderen weltlichen Fürsten als Hüter ernannt und ein Hauptmann an ihre Spitze gestellt – eine Anordnung, aus der sich in der Folge allmählich die Kreisverfassung entwickelt hat. Die zur Aufrechthaltung des Landfriedens erforderlichen Kosten mußten von den im Frieden befindlichen Ständen getragen werden. Die Streitigkeiten unter den fürstlichen Familien wurden geschlichtet und zahlreiche für das Reich bedeutsame Fragen gelöst. Besonders erfreulich gestaltete sich der Verkehr Rudolf’s mit seinem Schwiegersohne, dem böhmischen König Wenzel II. Dieser hatte im J. 1283 die Zügel der Regierung ergriffen; im folgenden Jahre ließ R. für Böhmen einen Landfrieden verkünden, und als dann am 8. Juli 1287 die jugendliche Königin ihren Einzug in Prag gehalten, wurde die Regierung in Böhmen im Sinne der habsburgischen Partei geführt, und [492] fiel des Königs Stiefvater Zawisch v. Falkenstein dieser zum Opfer. R. begünstigte die böhmische Politik in ihrem Vorgehen gegen Meißen, Schlesien und Polen und erkannte das Kurrecht Böhmens wiederholt an. Es ist zweifellos, daß hiebei schon die Nachfolge im Reich in Frage kam. R. suchte zunächst die Erblichkeit der Krone zu erlangen, was gewiß das beste Mittel zur Stärkung der Centralgewalt gewesen wäre. Dann meinte er durch Unterhandlungen mit den Kurfürsten die Wahl eines seiner Söhne durchzusetzen. Zunächst ward an Hartmann und nach dessen Tode an Rudolf gedacht, und als auch dieser am 8. Mai 1290 starb, sollte die Krone dem nunmehr einzigen legitimen Sohne Albrecht zugewendet werden, den seine militärischen und diplomatischen Talente nicht minder als seine außergewöhnliche Arbeitskraft empfahlen. Albrecht hatte sich in seiner schwierigen Stellung in Oesterreich gegen Adel und Städte bewährt, einen Streit mit dem Erzbischof von Salzburg siegreich beendet und von Ungarn, dessen Könige er in einem Streit gegen die Güssinger beistand, die westlichen Comitate besetzt. Als König Ladislaus am 12. Juli 1290 durch Meuchelmord gefallen, erinnerte R. daran, daß er noch als Graf Zeuge gewesen, wie Bela IV. sein Reich von Friedrich II. zu Lehen genommen, und verlieh es nunmehr als erledigtes Reichslehen seinem Sohne, was freilich erfolglos blieb, da in Ungarn Andreas der Venetianer, der letzte Arpade, als König anerkannt wurde. Albrecht war zu einem Verzicht auf Ungarn um so geneigter, je mehr die Frage der deutschen Königswahl in den Vordergrund trat. Für diese lagen die Dinge so ungünstig als möglich. Sämmtlichen Kurfürsten war Albrecht viel zu mächtig; von den einzelnen war Siegfried von Köln ein alter Gegner Habsburgs, desgleichen war Gerhard v. Eppenstein, der Erzbischof von Mainz, ebenso wie der von Trier, dem Herzoge Albrecht wenig geneigt. Dessen Aussichten schwanden, seitdem er sich auch mit Wenzel II. von Böhmen, wie es scheint, wegen der Aussteuer Guta’s, verfeindet hatte. Auch die Brandenburger nahmen keine freundliche Stellung ein. Es waren somit trübe Aussichten, unter denen R. die Fürsten für den 10. Mai 1291 nach Frankfurt berief. Eine sofortige Wahl erwies sich als unmöglich und seine Bemühungen für seines Sohnes Nachfolge blieben erfolglos.
R. hatte mittlerweile sein 73. Lebensjahr vollendet. Ende Juni weilte er zu Germersheim; hier wurde er krank und die Aerzte erkannten bald, daß sein Ende herankomme. Gelassen hörte er ihren Bescheid und sprach: Wohl auf, nach Speier, da mehrere meiner Vorfahren sind, die auch Könige waren. Damit Niemand mich hinzuführen braucht, will ich selbst zu ihnen reiten. So zog er gegen Speier, mit ihm seine Gattin, seine Schwiegertochter Agnes, Pfalzgraf Ludwig u. a. Seiner Sinne bis zum letzten Augenblicke mächtig, starb er am 15. Juli 1291 im 18. Jahre seines Reichs. Sein Leichnam wurde am 18. Juli mit großem Gepränge an der Seite des Staufers Philipp beigesetzt, an der Stelle, die er sich selbst bei Lebzeiten zum Begräbniß erkoren hatte.
Ueber Rudolf’s äußere Erscheinung und Lebensweise berichtet die Chronik von Kolmar: „Er war ein Mann von großer Gestalt, sieben Fuß lang, schlank, mit kleinem Kopf, bleichem Gesicht und langer Nase. Er hatte wenig Haare, lange und schmale Hände und Füße. In Speise und Trank und in anderen Dingen war er mäßig, ein weiser und umsichtiger Mann, doch selbst bei den reichsten Mitteln in steter Geldverlegenheit“. Seine Reichspolitik ist oft getadelt worden. Mit Unrecht. Wenn es ihm nicht gelang, das Königthum zu der Bedeutung zu bringen, die es noch unter den Staufern besaß, so ist zu bedenken, daß die fürstliche Macht bei seiner Thronbesteigung schon als vollendete Thatsache dastand. Aus der emsigen Fürsorge für sein Haus, die auch dem Reiche zu statten kam, wird man ihm keinen Vorwurf machen können. Die [493] geschäftige Art seines Vorgehens in dieser Richtung mochte allerdings für viele Zeitgenossen etwas Unheimliches haben und hat sich dann auch tief in ihr Gedächtniß eingeprägt.
- Die Quellen und Hülfsmittel zur Geschichte Rudolf’s finden sich verzeichnet in F. C. Dahlmann’s Quellenkunde der deutschen Geschichte, 5. Aufl. v. G. Waitz, Göttingen 1883, S. 146–162. – Dazu vgl. die einschlägigen Capitel in Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen im M. A., 3. Aufl. (Vgl. auch Schmitt-Tavera, Bibliographie der Gesch. des österr. Kaiserstaats, 1. Abth. 1. Bd. [fehlt in Dahlmann-Waitz]). Wichtigere neue, in Dahlmann-Waitz nicht verzeichnete Schriften sind: Aloys Schulte, Studien zur ältesten und älteren Geschichte der Habsburger und ihrer Besitzungen, vor Allem im Elsaß, 1–3 in den Mittheil. des Inst. f. österr. Geschichtsforschung, Bd. VII und VIII, Innsbruck 1886/87. (auch separat). – Huber, Gesch. Oesterreichs, 1. u. 2. Bd., Gotha 1885. Hier finden sich einige neuere Monographien über einzelne Partien und Ereignisse aus der Geschichte Rudolf’s, wie die Arbeiten Busson’s, Köhler’s u. a. verzeichnet. Nachzutragen sind von seither (bis 1888) erschienenen Arbeiten noch Plischke, Das Rechtsverfahren Rudolf’s von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen, Bonn 1885 (Diss.) und die den gleichen Titel führende Arbeit H. v. Zeißberg’s, Wien 1887 (Archiv f. österr. Gesch.). – J. Dierauer, Gesch. d. Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1. Bd., Gotha 1887. – Von Belang sind einzelne Studien in der Festschrift zur 600jährigen Feier der Belehnung des Hauses Habsburg mit Oesterreich, Wien 1882, und zwar H. v. Zeißberg, Rudolf von Habsburg und der österr. Staatsgedanke, S. 1–38; Ed. v. Sacken, Ueber die auth. Porträts König Rudolf’s von Habsburg und dessen Grabsteine, ebenda S. 117–132; Gf. G. v. Pettenegg, Ueber das Stammwappen des Hauses Habsburg, ebenda S. 133–212 und K. Lind, Ueber die Ruhestätten der ersten österr. Habsburger, ebenda S. 217–230.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Weinachten