BLKÖ:Weitenweber, Wilhelm Rudolf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weitenhiller
Band: 54 (1886), ab Seite: 193. (Quelle)
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Weitenweber, Wilhelm Rudolf (Arzt und Naturforscher, geb. zu Prag 1. October 1804, gest. daselbst am 31. März, nach Anderen 1. April 1870). Der jüngste von fünf Söhnen eines k. k. Postbeamten, erhielt er seinen ersten Unterricht von dem nachmals berühmten Naturforscher Purkyně, welcher als Hörer der Philosophie an der Prager [194] Hochschule den Erzieherposten in der Familie Weitenweber dritthalb Jahre bekleidete. Auf Purkyně folgte Skuherský [Bd. XXXV, S. 114], der Vater des berühmten Orgelspielers Franz Zdenko [Bd. XXXV, S. 114] und des Mathematikers Rudolf [ebd., S. 116]. In Prag legte Weitenweber das Gymnasium auf der Kleinseite zurück und bezog dann die Hochschule, an welcher er die philosophischen Studien hörte und 1823 jene der Medicin begann. Besonders fühlte er sich zu den Naturwissenschaften und unter diesen zur Botanik und Mineralogie hingezogen. Nach einer wissenschaftlichen Reise durch Böhmen kam er nach Wien, wo er verschiedene ärztliche Institute besuchte. Am 6. Februar 1830 erlangte er zu Prag die medicinische Doctorwürde, bei welcher Gelegenheit er die Dissertation: „Synopsis nosologica febrium et phlegmasiarum juxta Swediauri Ἰατριϰην disposita“ (Pragae 1830, gr. 8°.) herausgab. Nun trat er in die Praxis und wurde zunächst Stadtphysicus zu Elbogen. Drei Jahre verblieb er daselbst, dann riefen ihn Familienangelegenheiten nach Prag, wo er nun seinen bleibenden Wohnsitz nahm und bald als praktischer Arzt gesucht war. Nebenbei wirkte er in seinem Fache fleißig als Schriftsteller. Seine erste selbständige Schrift: „Der arabische Kaffee. In naturhistorischer, diätetischer and medicinischer Hinsicht geschildert“ (Prag 1835, zweite Auflage 1837, Řiwnáč, gr. 8°.), die erste ausführliche, dieses Genußmittel nach allen Seiten hin untersuchende Monographie, machte seinen Namen bald in den weitesten Kreisen bekannt, und viele naturwissenschaftliche und ärztliche Vereine, so jene von Dresden, Leipzig, München, Regensburg, Würzburg, Görlitz, Berlin, Brünn u. a., nahmen ihn unter’ ihre Mitglieder auf, auch die Leopold. Karolinische Akademie Naturae Curiosorum schickte ihm ihr Diplom, und er wurde unter dem Namen Mogallo ihr Mitglied. 1837 begründete er die naturwissenschaftliche Zeitschrift „Beiträge zur gesammten Natur- und Heilwissenschaft“, deren Redaction er selbst besorgte, und von welcher bis 1840 bei Kronberger und Řiwnáč 5 Bände zu je 3 Heften herauskamen; eine Fortsetzung unter verändertem Titel: „Neue Beiträge zur Medicin und Chirurgie“ erschien nur durch zwei Jahre, 1841 und 1842, jeder Jahrgang mit 6 Heften (Prag, Haase’s Söhne, gr. 8°.). Nun wendete sich Weitenweber’s schriftstellerische Thätigkeit der medicinisch-historischen und -biographischen Richtung zu, und er veröffentlichte nachstehende Monographien, welche theils selbständig, theils in gelehrten Sammelwerken, aber auch in Sonderabdrücken veröffentlicht sind: „Die medicinischen Anstalten Prags nach ihren gegenwärtigen Zuständen geschildert. Mit 12 Ansichten in Aquatinta auf Stahl und einem (illum.) medic.-topographischen Grundrisse von Prag (in gr. 4°.) (Prag 1845, Borrosch und André, gr. 16°.); das Buch ist dem Erzherzog Stephan, damaligem Landesgouverneur von Böhmen, gewidmet, mit dessen Bewilligung Weitenweber für seine Arbeit die Benützung der amtlichen Urkunden und Schriftstücke der genannten Anstalten gestattet wurde; – „Aus dem Leben und Wirken des Dr. J. Theobald Held“ (Prag 1847); – „Dr. Joseph Karl Ed. Hoser’s Rückblicke auf sein Leben und Wirken“ (ebd. 1848); – „Zur Feier des fünfzigjährigen Doctorjubiläums des Dr. H. Jeitteles“ (ebd. 1850); – „Mittheilungen über die Pesth zu Prag in den Jahren 1713–1714“ (ebd. 1852); – „Erinnerung an das fünfzigjährige [195] Doctorjubiläum des Dr. Jos. Dondalik“ (ebd. 1851); – „Ueber des Marsilius Ficinus Werk De vita studiosorum“ (ebd.); – „Denkschrift über Corda’s Leben und literarisches Wirken“. Eine ungemein reiche Thätigkeit entfaltete Weitenweber als Mitarbeiter zahlreicher Fachblätter und auch anderer Zeitschriften, wie der Baßler’schen „Gesundheitszeitung“, der in Medau’s Verlag erschienenen „Erinnerungen“, der von André redigirten „Oekonomischen Neuigkeiten“, der von Glaser redigirten Zeitung „Ost und West“, der Raimann’schen „Medicinischen Jahrbücher des österreichischen Kaiserstaates“, der Schmidl’schen „Oesterreichischen Blätter für Literatur und Kunst“, der Prager „Medicinischen Vierteljahrschrift“, der österreichischen „Medicinischen Wochenschrift“, der Veröffentlichungen der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, und der naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Lotos“. Aber auch čechische Zeitschriften erhielten von ihm bald größere, bald kleinere Mittheilungen. Insbesondere wirkte er seit 1850 als außerordentliches und seit 1853 als ordentliches Mitglied der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, bei welcher wir ihn auch viele Jahre hindurch als Secretär fungiren sehen; ferner bei der naturhistorischen Zeitschrift „Lotos“, an deren Mitbegründung er wesentlichen Antheil nahm, und deren Redaction er nach dem Tode des Museumscustos Max Dormitzer bis an sein Lebensende besorgte. Wir können uns nicht auf eine Aufzählung aller seiner in den genannten Journalen und Zeitschriften enthaltenen Arbeiten einlassen, aber wir wollen hier der wichtigeren gedenken, vornehmlich der historischen und biographischen, welche in den „Verhandlungen der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ und in der Zeitschrift „Lotos“ abgedruckt sind, und zwar in ersteren: „Die Gebrüder Johann Swatopluk und Karl Bořiwoj Presl“ [V. Folge, 8. Band]; – „Lebensskizze des Prof. Ign. Friedrich Tausch“ [Sitzungsbericht vom 18. October 1852]; – „Ueber das böhmische Adelsgeschlecht der Zaruba von Hustiňan“ [Sitzungsbericht vom 30. October 1854]; – „Biographie des Johann Marcus Marci von Cronland“ [Sitzungsbericht vom 7. Mai 1855]; – „Biographie des Joh. W. Dobrzensky de Nigroponte“ [Sitzungsbericht vom 9. Juli 1855]; – „Ueber Johann Franz Löw von Erlsfeld“ [Sitzungsber. vom 21. Juli 1856]; – „Denkrede auf Fr. Ad. Petřina“ [Abhandlungen V. Folge, 9. Band, 1856]; – „Nachricht von dem Ableben des Freiherrn M. J. Parish von Senftenberg“ [Sitzungsbericht vom 18. October 1858]; – „Nekrolog über Andreas Freiherrn von Baumgartner“ [Sitzungsbericht vom 31. Juli 1865]; – „Nekrolog über Professor Gustav Skřívan“ [Sitzungsbericht vom 29. Jänner 1866]; – „Lebensskizze des Gubernialrathes Karl Aug. Neumann“ [Sitzungsbericht vom 26. Februar 1866]; – „Nekrolog über Mor. Hörnes in Wien“ [Sitzungsbericht vom 9. November 1868]. Ebenda, und zwar im Sitzungsbericht vom 15. November 1852, schrieb er „Ueber die Schicksale und Verhältnisse der Academia Leopoldino-Carolina Naturae Curiosorum“ und in jenem vom 17. September 1868 einige „Historische Notizen über die Academia Leopoldino-Carolina Naturae Curiosorum“; auch verfaßte er als ständiger Secretär dieser Gesellschaft deren Jahresberichte von [196] 1859–1866, dann zahlreiche[WS 1] Anzeigen naturwissenschaftlicher Werke und verschiedene Beobachtungen und Studien naturwissenschaftlichen Inhalts, sämmtlich in den Schriften genannter Gesellschaft abgedruckt. Ebenso enthalten die Jahrgänge der Zeitschrift „Lotos“ zahlreiche Lebensskizzen böhmischer Naturforscher aus Weitenweber’s Feder, und zwar 1852 von Johann Christian Mikan, Steinmann, Sieber, Krombholz, Preiß, Caspar Grafen Sternberg, Tausch, Hoser; 1853: Pohl, Seidl; 1854: Corda, Reuß. Noch bemerken wir, daß er ein sehr fleißiger Mitarbeiter des Rieger-Malý’schen „Slovník naučný“ war, in dessen ersten Bänden viele biographische Artikel aus seiner Feder stammen. Auch wirkte er mehrere Jahre als Historiograph der medicinischen Facultät der Prager Universität. Daß eine solche vielseitige und verdienstliche Thätigkeit in wissenschaftlichen Kreisen nicht unbemerkt blieb, wurde schon früher erwähnt, aber die Zeichen dieser Anerkennung mehrten sich mit jedem Jahre, und wohl über dreißig wissenschaftliche Vereine, Akademien, Gesellschaften des In- und Auslandes, darunter von Brüssel, Dijon, Paris, Lyon, Breslau, Königsberg, Wien, Moskau, schickten ihm ihre Diplome als Ehren- oder correspondirendes Mitglied; dann war er Obmann des Vereines in der Prager Neustadt zur Restauration des St. Veiter Domes. Als 1848 die Bewegungen in Prag ausbrachen, trat Weitenweber, der schon früher für die Gründung eines städtischen Casino energisch gewirkt, nun als Mitglied dem slavischen Congresse, welcher in genannter Stadt seine Berathungen hielt, und auch als eines der ersten Mitglieder dem Vereine für den Bau eines čechischen Theaters bei. Doch von den Ausschreitungen einer irregeführten, zu ungesetzlichen Mitteln greifenden Partei hielt er sich immer ferne, in der Wissenschaft das Palladium erkennend, an dem er bis an sein Lebensende in unentwegter Treue festhielt; er hörte auch nie auf zu lernen und beschäftigte sich noch in seinen letzten Jahren im Verein mit Barrande sehr eifrig mit Petrefactenkunde. Im persönlichen Verkehr entwickelte er bei aller scheinbaren Trockenheit mitunter viel Humor; in seinen Bedürfnissen anspruchslos, trieb er die Abhärtung gegen sich selbst zu weit. Ein schwerer Schlag gegen Ende seines Lebens traf ihn mit dem Verluste seiner Tochter Marie, von welcher Zeit an die Abnahme seiner Kräfte sichtlich stattfand, bis ihn der Tod im Alter von 66 Jahren dahinraffte. – Sein älterer Bruder Felix Anton (geb. zu Prag am 12. August 1795, gest. am 19. Jänner 1869) trat nach beendeten Rechtsstudien in den Staatsdienst, in welchem er bis 1850 die Stelle eines Statthaltereisecretärs versah. Für die Geschichte seines Vaterlandes zeigte er früh das regste Interesse, und die Pflege der Alterthümer lag ihm besonders am Herzen, so war er denn auch viele Jahre hindurch Mitglied der archäologischen Section des böhmischen Museums. Auch als Mitbegründer der Sophienakademie zählte er zu ihren thätigsten Mitgliedern und wirkte als hoher Sechziger in ihren Concerten als Tenorist mit. Die Armen auf dem Hradschin verehrten in ihm ihren Vater, und 1865 erwählte ihn der Cardinal-Erzbischof Fürst Schwarzenberg, der ihm sein besonderes Vertrauen zuwandte, zu seinem Almosenier. 1848 war Weitenweber Hauptmann der Hradschiner Nationalgarde. Er starb ein Jahr vor seinem [197] Bruder Wilhelm Rudolf, im Alter von 74 Jahren.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. VI, S. 625 im Supplement. – Bohemia (Prager Unterhaltungsblatt, 4°.) 1870, Nr. 79, S. 1196: Nr. 80, S. 1229.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zahleiche.