Etwas für Forscher der Eichstättischen Geschichte
Es gibt noch so manche reichhaltige, aber im Fürstenthum Eichstätt bisher noch wenig zur Geschichte benützte Quellen, aus welchen sich häufige Daten von den Gebräuchen, Gesetzen und Strafen des mittlern Zeitalters sowohl, als auch von den Sitten, Aberglauben und Gewohnheiten jüngerer Zeiten schöpfen ließen. In deren Zahl stehen gleich oben an
1. Einen Beytrag zur alten Baupolizey aus dem Ehhaftrechte des in das Pfleg- und Kastenamt Dollnstein gehörigen Dorfes Schönfeld:
„Wenn einer ein Haus zimern will, so sol er legen ein Wichtstein an die Fürstsaul, und geht er einwärts hinein und legt das Maul auf den Wichtstein und bleibt ihm der Nagel unterhalb des Geschwölls, so hat er die Herrschaft und das Gut gewehret.“
„Item ob ein derselbigen Lehen innen hat und Freundschaft hat, oder ein| Wehrmann wär, so soll er gehen drey Schritt vom Holz und soll drey Stund schreyen: Komm Meister, holl meines Herrn seinen Zinß; und das soll er thun zu St. Walburgentag, kommbt er nit, so soll er wieder hinter sich gehen in das Holz, und soll den Zins legen auf einen Stock, so hat er die Herrschaft und das Gut gewehret.“
3. Ein Fragment der alten Forstordnung aus ebendemselben:
„Item so haben sie ein Bauholz. Wen man ein Aufman ergreift, und als oft er eines abhaut, ist er verfallen sechzig Pfennig, und zehen Pfundt, oder er soll bey dem Stock sitzen, bis ein ander Holz hierwieder erwachsen.“
4. Die alte Ehhafts-Ordnung des Dorfes Raitenbuch, welches zu dem Pflegamt Tilling gehört, und der Sitz des Vogtamts ist, überliefert der Nachkommenschaft eine alte Lehre von den Pfandschaften in folgender Stelle:
„Der Wirth zu Raitenbuch hat auch Macht vnd Gwald zu allen Zeytten yde Pfand einzunemen, ausgenomen plutig Pfand, ungesotten Garn, vnd ungworfn Trayd.“
„Item welche Frau Magd oder Tochter der andern ihr Ehr freuentlich redt und flucht, die soll geben hundert Eyer und dazu strafbar seyn mit dem Stein gegen dem Gericht.“
Zu Eichstätt am Rathhause der Stadtpfarrkirche gegen über hangen unter den Fenstern noch dergleichen Gewichtern ähnliche Steine.
6. In der Ehhaft des Dorfes Untermässing im Richteramte Greding ist eine besondere alte Ordnung des Fischverkaufes aufbewahret:
„Item wer Visch fäht, der sol sy zum ersten tragen geen Hoff, nachmals in die Dalfern, darnach in die Padstuben und zum letzten in den Pfarrhoff.“
7. In dem Herbstrechte des Marktes Dollnstein, welcher der Sitz eines eignen Kastners ist, enthält folgende Stelle eine ganz eigne Art der Scharwerk:
Den zweyten Platz verdienen wohl die ältern Polizey-Ordnungen. Ich habe so eben nur die vom J. 1658 vor mir, und da fallen mir gleich die Verfügungen in Betreff der Gunklhäuser, der Klöpfl- und Lößlnächte, des Johannis- oder Sommerfeuer, der Spenden, der Weinmärkte, welche damahls noch alle Montage in der Stadt Eichstätt gehalten wurden, des Springers oder Schnellers auf der Spitalbrücke, und der Schandsäule auf dem Markte, als der zwey gewöhnlichsten Strafen etc. etc. in die Augen. Auch da will ich aber nur eine einzige Rubrik, und zwar,
liefern.
- „Zu dem Versprechen oder Heyrathstag – hier zu Lande der Pflumpf, oder das| Pflumpfen genannt – sollen über 10 und zur Hochzeit selbst über 60 Persohnen mit Ausschluß der Spielleuthe nicht mehr ohne besondere höchste Erlaubniß geladen werden.“
Daraus kann man auf die vorher gewöhnliche übergroße Zahl der Hochzeitgäste schließen.
- „Indessen als das Brautpaar vor der Kirchenthür steht, soll der Löw“ – so wurde der Amtknecht genennet[1] – „die muthwillige und leichtfertige Waare, welche dieser Thür zulauft, und durch Gelächter auch freye Reden die Andacht stört, zum Schweigen anhalten oder gar wegjagen.“
- „Mit Ausnahme der nächsten Blutsfreunde und fremden Gäste soll eine Person bey einer geschenkten – das ist, freyen Hochzeit über einen Reichsthaller, bey angedingten Mahlen aber nebst dessen Bezahlung über einen halben Gulden dem Brautpaar nicht verehren.“
Da wollte es nämlich einer dem andern zuvor thun, wie es auch jetzt wieder bey Schenkungen dieser Art zu geschehen pflegt.
- „Am Hochzeitstage soll nur ein Mahl, und zwar bey einem Weinmahle mit 8, und bey einem Biermahle mit 6 Speisen gehalten werden. Die Speisen sind: eine Suppe, ein Vorbraten, ein eingemachtes Fleisch, ein Rindfleisch samt einer Henne, ein Essen gute Fisch, ein Nachbraten und Küchlein mit Krebsen. Bey einem Biermahle bleiben die Krebse und das eingemachte Fleisch aus. Die Taffel soll nicht über 4-41/2 Stunden dauern.“
- „Jede Manspersohn muß für ein Weinmahl 1 fl., für ein Biermahl 24 Kr., die Jungfrauen, ledige Gesellen, und Frauen aber um ein Viertl Wein an Geld weniger bezahlen. Bey einem trocknen Mahl wird der Betrag von 3 Maß Wein davon abgezogen, und da zahlt jeder seinen Wein selbst besonder. Alles einschieben und Nachhaustragen der Speisen, dann die Bescheidessen“ – welche man einem in das Haus schickt – „seyn bey Strafe abgestellt, ausser der Brautleute Eltern oder Vormünder könten Alters oder anderer ehhaften Ursachen halber nicht zum Mahl gehen.“
Dermahlen wird unter den Personen kein Unterschied mehr gemacht, das Mahlgeld ist indessen, wie der Preis der Victualien weit über die Hälfte hinaufgestiegen, und das Bescheidessen geht noch immer fort. Übrigens kann man daraus auf die damahlige Wohlfeilheit des Weins schließen, wovon jetzt die Maaß des allergeringsten auf 24 Kr. steht.
|- „Auf dem Tanzboden des Rathhauses darf man nie über 1 höchstens 11/2 Stund tanzen, und dem Brautpaar niemand vortanzen. Die iunge Gesellen müssen ihr Gewehr allda ablegen, und nach dem Tanz begleitet das junge Gesindl das Brautpaar nach Haus – Da soll zwar wieder ein Mahl und Nachtrunk, aber keine warme Speisen mehr gegeben, nicht mehr bis in die tiefe Nacht hinein getanzt werden, sondern das Trinken und Tanzen nicht länger als 1, höchstens 2 Stund dauern – niemand durch leichtfertige Reden und muthwillige Gebärden wie bisher die Sittsamkeit mancher Braut beleidigen – die Begleitung nach Hauß selbst aber so wie die Gassenmusik zwischen Ostern und Michaelis bis 11, und die übrige Zeit nur bis 10 Uhr erlaubt seyn.“
Das Tanzen auf dem Rathhause, das Nachtmahl und der Nachttrunk in des Hochzeiters Hause, so wie auch die Gassenmusik kam ganz aus der Gewohnheit.
- „Außer den adelichen und graduirten Personen, dann Räthen und ihren Töchtern sol niemand ohne besondere gnädige Erlaubniß zwey Brautführer haben.“
- „Am zweyten, dem Nachhochzeitstage dörfen die iunge Gesellen Vormittags nicht mehr mit den Spielleuthen von Hauß zu Hauß herumgehen, die Jungfern einzuladen. Am dritten Tag, an welchem die Abrechnung gepflogen wird, sol es fürohin nicht mehr so bunt wie die zwey erste Tage zugehen, zur Abrechnung auser den Brautleuthen, deren Eltern und nächsten Anverwandten, beyden Hochzeitladern und dem Brautführer niemand kommen und um 7 Uhr das Brautpaar sich durch die Spielleuthe zwar, doch ohne großen Schreyen und Singen nach Haus begleiten lassen.“
- „Quinto cum sint nonnulli utriusque sexus homines, qui sacerdoti in altari existenti in faciem prospiciant, seque etiam super altaribus appodiant etc. etc. Nono In quibusdam ecclesiis diocoesis nostrae quidam abusus excrevit, quod Plebisani eiusdem praetextu presbiteros ad personaliter custodiendum pecora cogere non erubescunt etc. etc.“
Und in erstern der ganze Titel de spectaculis in ecclesia non faciendis.
- „Turpem illum abusum in quibusdam frequentatum ecclesiis, quo certis anni celebritatibus nonnulli cum mitra baculo et vestibus pontificalibus more episcoporum benedicunt. Alii ut Reges ac duces induti, quod festum fatuorum innocentum seu puerorum in quibusdam Regionibus nuncupatur Alii larvales ac theatrales jocos. Alii coreas et tripudia marium et mulierum facientes homines ad spectacula et cachinationes movent. Alii commessationes et convivia ibidem praeparant. Ne haec et similia ludibria, | neque etiam Mercantias seu negotiationes Nundinarum in ecclesia, quae Domus orationis esse debet ac etiam cimeterio exerceri amplius permittatur.“
Auf gleiche Art kann man auch aus den verschiedenen Klösterreformationen auf die ehemahligen Alfanzereyen derselben kommen, und dergleichen Reformationen gibt es von eben diesem Bischoff Johann mehrere.
Endlich dürfen hier auch nicht ganz vergessen werden die einzelnen Verordnungen sowohl, als die Generalausschreiben, in welchen der vaterländische Geschichtschreiber manchfaltige Spuren von den in jedem Jahrhunderte üblichen Gebräuchen und abergläubischen Wesen entdecken, den allmähligen Fortschritten der Aufklärung in diesem Fache nachspüren, und daraus zeigen kann, wie solche immer mehr gesieget, bald da einen Mißbrauch aufgehoben, bald dort ein Vorurtheil gestürzet habe: denn die Ahndungen und Abstellungen der Mißbräuche setzen doch immer derselben Existenz und Übung in solchen Orten voraus. Hier nur einige Beyspiele von diesem und dem vorigen Jahrhunderte:
| 1. Am Feste, und zu einem Andenken der unschuldigen Kinder pflegten die Kinder einander mit Ruthen um die Füße zu hauen, welches man hier zu Lande das Kindeln oder Fetzeln nannte. Auch Erwachsene, Handwerksbursche, Knechte, Mägde und selbst Bauern machten diese Kinderey mit, vergassen dabey das Geschlecht der unschuldigen Kinder, machten sich dafür hinter hübsche Mädchen, und trieben dabey, wie man sichs wohl vorstellen kann, manchen Muthwillen. Durch übergroßen Unfug und durch die Fornicationsprotokolle darüber aufmerksam gemacht, verbot endlich die Obrigkeit unter dem 14 des Wintermonats 1672 bey 10 Rthl. oder einer empfindlichen Leibesstrafe ernstlich, nicht das Fetzeln selbst, sondern nur den leichtfertigen Mißbrauch desselben unter erwachsenen Leuten, welche das 8te oder 9te Jahr schon zurückgelegt haben. Den Kindern unter diesen Jahren war also dieses alberne Possenspiel selbst Obrigkeits wegen noch erlaubt.4. Das Ausschreiben vom 17 März 1766 verbietet allen Amtsstellen bey Haltung der Charfreytagsprocessionen die thörichten Mißbräuche, komödiantischen Vorstellungen, albernen Sprüche und ungeschickten Reimen ferner zu dulden. Darin zeichnet sich noch heut zu Tage das Municipalstädtchen Beilngries aus, und die Obrigkeit scheint aus ökonomischen Gründen hier durch die Finger zu sehen, weil die Leute weit und breit von allen Seiten her dieser Komödie zulaufen, und durch ihre Zehrung dem Städtchen keinen geringen Verdienst bringen.
5. Den 23 Weinmonats 1784 stellte der geistliche Rath das unausgesetzte Läuten| während der Gewitter ein, zu deren Anfange und Ende nunmehr ein Zeichen mit der Glocke gegeben wird.Bey dieser Gelegenheit muß ich doch erinnern, daß wir einen eigenen geschickten Mathematiker und doch keinen einzigen Blitzableiter im ganzen Fürstenthume, dafür aber noch immer Wetterkerzen, Osterbrände und Lorettoglöcklein haben.
6. Gleichwie nicht alle Possen und Mißbräuche allen Orten im Hochstifte gemein, sondern oft nur einem Amte, oder einem Orte eigen sind, so findet man auch letztere noch in einzelnen Verordnungen, in deren Zahl gehören z. B. das Schlegelhängen, wo nämlich jenem Manne, welcher sich von seinem Weibe schlagen ließ, ein Schlegel vor die Hausthüre gehangen wird; das Brautausstossen, gemäß welchem Gebrauche der Brautführer die Braut, wenn er sie von dem Altar zurückführet, mit Gewalt in den Kirchenstuhl hinein, und so aus der Gesellschaft der Ledigen ausstößt; endlich der Löll – da wird zur Fastnachtszeit eine große Figur von Stroh in Art eines grotesken Mannes gemacht, solche öffentlich herumgeführt, förmliches| Gericht darüber gehalten, derselben ein Urtheil, in welchem alle das ganze Jahr über in diesem Orte geschehene lächerliche Streiche dem Löll zu Schulden gelegt werden, vorgelesen, und der Löll sodann verbrennet.
Letztere zwey Gebräuche waren vorzüglich dem Markte Pleinfeld vor Zeiten eigen, und da ging es selten ohne Schläge ab; deswegen vereinigten sich die verdienstvollen Pfleg- und Kastenbeamten zu Sandsee-Pleinfeld solche gänzlich abzuschaffen, welches ihnen auch gelang.
Möchten doch nur diese wenige Beyspiele andere aufmuntern, dergleichen Data sorgfältiger zu sammeln und diese Quellen zu verschiedenen Zweigen der vaterländischen Geschichte mehr zu benutzen!