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RE:Glaukos 8

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Meeresgott der Stadt Anthedon, raubte Syme
Band VII,1 (1910) S. 14081411
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8) Glaukos von Anthedon. Der Gott von Anthedon ist, ein Erbteil kretisch-mykenischer Vorstellungen, stets als Mischgestalt, fisch- oder schlangenschwänzig, gedacht worden (s. u.). Das drückt ihn in der Wertschätzung herab, er wird zum δαίμων θαλάσσιος, zum Gott der kleinen Leute, von anderen, für die er auf der letzten Stufe der göttlichen Rangordnung steht (Claud. de rapt. Pros. III 12), halb verächtlich behandelt. Andererseits bilden sich, durch die Kultlegende begünstigt, ätiologische Verwandlungssagen, die zugleich das für den Kreis der Meeresgottheiten charakteristische Motiv des Sprunges ins Meer (Zusammenstellung bei Sam Wide Festschrift für Benndorf 13f.) zu begründen suchen. [1409]

Die Kultlegende knüpft mit ätiologischer Deutung des Stadtnamens Anthedon (vgl. Anthas, Herr von Anthedon, Paus. IX 22, 5; Anthos bei Ant. Liber. 7) an eine einst dort wachsende Wunderblume an, deren Genuß Unsterblichkeit verleiht. G., nach des Euanthes Hymnos auf G., Athen. VII 296 C Sohn des Poseidon und einer Nymphe Naïs, oder Sohn des Anthedon und der Alkyone in der rationalistischen Erzählung des Mnaseas, Athen. VII 296 B (doch ist die Meeresgöttin Alkyone von Poseidon Mutter des Anthos, Paus. IX 22, 5, und des Anthos Eltern Melaneus und Hippodameia, Ant. Lib. 7, gehören beide dem poseidonischen Kreise an); sonst Sohn des Kopeus, des Eponymen von Kopai (Theolytos bei Athen. VII 296 B) oder des Polybos und der Euboia (Promathidas bei Athen. VII 296 B. Schol. Apoll. Rhod. I 1310. Polyphocus und Polymba bei Serv. Georg. I 437), ein Fischer aus Anthedon bemerkt, wie auf den Strand geworfene Fische durch Berührung mit einer Pflanze wieder lebendig werden (Ovid. met. XIII 936f. Serv. Aen. V 823. Lact. zu Stat. Theb. VII 335. Tzetz. Lycophr. 754; Schol. Lycophr. 754 frißt der Fisch von der Pflanze!); er kostet selbst und wird a) von Raserei ergriffen (ἐμμανής; ἔνθεος Nikander bei Athen. VII 297 A) oder in einen Meergott verwandelt (Aisch. frg. 26–29. Ovid. met. VII 232. XIII 945f. Serv. Georg. I 437; Aen. V 823. Stat. silv. III 2, 36; Theb. VII 335; IX 328 und Lactant.) und springt von der darnach Γλαύκου πήδημα (s. d.) genannten Stelle ins Meer (Paus. IX 22, 6. Schol. Eurip. Orest. 318. Etym. M. s. Ποτνιάδες θεαί Nonn. Dionys. XXXV 73. Schol. Lyk. 754. Ovid. met. XIII 943f.; Ibis 554. Serv. Aen. V 823. Auson. Mosella 276f. Sprichwörtlich: Γλαῦκος φαγὼν πόαν οἰκεῖ ἐν θαλάττῃ, Apost. Cent. V 49. Palaeph. 27. Bei Nikander bei Athen. VII 297 A ist G. ein Jäger in Aitolien, der am halbtoten Hasen die Wirkung des Wunderkrautes erkennt und sich während eines Sturmes κατὰ Δἰὸς βούλησιν ins Meer stürzt). Doch war der Sprung auch anderwärts lokalisiert, wie die Γλαύκου ἄκρα bei den Iberern, Schol. Apoll. Rhod. II 767, die Quelle G. bei Korinth und die aitolische Version Nikanders beweisen. Nach einer abweichenden, wohl aus der Legende eines G.-Heiligtums auf Lemnos stammenden Sage (Gruppe Gr. M. 567, 11) im dritten Buch der Amazonis des Porris (Athen. VII 296 D) ist G. Erbauer und Steuermann der Argo, bleibt beim Kampf mit den Tyrrhenern allein unverwundet, springt κατὰ Διὸς βούλησιν in die Tiefe und wird zum θαλάσσιος δαίμων, Iason allein sichtbar. b) Er wird unsterblich, aber altert und springt deshalb ins Meer, Schol. Apoll. Rhod. I 1310. Schol. Eur. Orest. 364. Etym. M. 685, 40, eine wohl durch den Ehrennamen Ἅλιος γέρων hervorgerufene Version (Tzetz. Lycophr. 754 beide Versionen nebeneinander). Späte Dichtung läßt ihn aus Liebe zu Melikertes ins Meer springen, Hedylos bei Athen. VII 297 A; bei Philostrat. Imag. ΙΙ 15 reißt ihn eine Woge ins Meer.

Die Wunderblume ist nun dieselbe, die sonst nur auf den Inseln der Seligen wächst und mit der Helios seine Rosse füttert (Alexander Aitol. bei Athen. VII 296 E); es ist Göttergras, von Kronos gesät (Aischrion bei Athen.), durch der Götter besondere Gunst dem Heiligtum verliehen. Auch [1410] bei Ovid. met. XIII 925f. ist der Grasplatz noch von keinem Menschen oder Tier betreten worden. Wohl aus der Parallellegende von Potniai entlehnt, findet sich als Grund der Verwandlung neben dem Genuß der untrennbar mit Anthedon verknüpften Wunderblume ein Trunk vom Wasser des ewigen Lebens – bei Nikander wächst die Blume an einer Quelle; auch G.s Sprung in die Quelle läßt auf ein ähnliches Motiv schließen – im Schol. Plat. Rep. 611 D: τὸν Γλαῦκόν φασι Σισύφου καὶ Μερόπης εἶναι υἱόν (s. u.), γενέσθαι δὲ θαλάττιον δαίμονα · οὗτος γὰρ περιτυχὼν τῇ ἀθανάτῳ πηγῇ καὶ κατελθὼν εἰς αὐτὴν ἀθανασίας ἔτυχε, μὴ δυνηθεὶς δὲ ταύτην (πηγήν oder ἀθανασίαν?) ἐπιδεῖξαι εἰς θάλασσαν ἐρρίφη. Diese Version ist (Klinger Philol. LXVI 1907, 339 und Friedländer Archiv f. Rel. XIII 1910, 191f.) durch Züge des Alexanderromans bei Ps.-Kallisthenes II 39f. zu vervollständigen und hat deutliche Beziehungen zur Chadhirlegende (Friedländer a. a. O.). Der Schluß – G. umschwimmt einmal im Jahre alle Inseln und Meere und jammert laut über sein Nichtsterbenkönnen – ist sicher nicht alte Sage. Eine jüngere Weiterbildung der Kultlegende bei Ovid. met. XIII 950f.: G. wird von Meeresgöttern zu Okeanos und Thetis geführt und von diesen von den irdischen Schlacken gereinigt; hierbei tritt die Verwandlung ein. Er wird als Ἅλιος γέρων verehrt (daher das ἀθάνατος ἄλλ' οὐκ ἀγέρως der Legende) in Gytheion, Paus. III 21. 9, und bei den Iberern, Schol. Apoll. Rhod. II 767. Akusilaos frg. 8 Diels Vorsokratiker II 513; s. Verg. Aen. V 823. Claud. X 158, vielleicht Vater des Phorkys, Akusilaos a. a. O., berühmt durch seine untrügliche Weissagekunst (ἀψευδὴς θεός, Eur. Orest. 360; πολυφράδμων Apoll. Rhod. I 1311. Philostrat. Imag. II 15), die er Apoll lehrt (Nikander a. a. O.) und um deretwillen er zum Vater der kymäischen Sibylle wird, Verg. Aen. VI 36; er weissagt dem Menelaos am Kap Malea, Eur. Orest. 360f., den Argonauten, Apoll. Rhod. I 1310f.; Diod. IV 48, 6 θεῶν προνοίᾳ φανείς. Philostrat. Imag. II 15, wie den Menschen Aristoteles bei Athen. VII 296 E (Orakel des G. und der Nereiden auf Delos); Paus. IX 22, 7. Herakl. π. ἀπ. 10, nach Nausikrates bei Athen. VII 296 A und Schol. Plat. Rep. 611 D allerdings nur Unglück. Sein Erscheinen bedeutet Sturm, Hesych. s. ἔξω Γλαῦκε. Nausikrates a. a. O.; auch Nikander a. a. O., doch kann man ihn durch ein ἔξω Γλαῦκε verjagen (Hesych. Suid. s. v., hierzu die wichtige Parallele aus dem hebr. Alexanderroman, Archiv f. Rel. XIII 1910, 191 A). Opfer von geretteten Schiffbrüchigen an G.: Anth. Pal. VI 164. Verg. Georg. I 437 nach Parth. frg. 30; s. Gell. XIII 27. Val. Flacc. I 190.

Hier Ino und Melikertes gleichgestellt, s. Verg. Aen. V 823. Nonn. Dionys. X 105. XLΙII 389. Claud. X 158 (G. neuer Name des Melikertes nach Nikander bei Athen. VII 296 C, sein Liebhaber nach Hedylos bei Athen. VII 297 A), ist G. Untergebener des Nereus, Eurip. Orest. 364. Apoll. Rhod. I 1311. Nonn. Dionys. XLIII 364 (sein Geliebter bei Nikander a. a. O.), Genosse des Proteus, Nonn. Dionys. I 111. XLII 477. Stat. Silv. I 2, 128. III 2, 36. Apoll. Sid. VII 26, unterster der Götter bei Claudian d. rapt. Pros. III 12. Nur als wehrhafter Diener Poseidons im Kampf [1411] gegen Dionysos, Nonn. Dionys. XXXIX 99. XLIII 75. 336, hat er etwas von seiner alten Götterherrlichkeit bewahrt.

Sein Kult ist bezeugt außer in Anthedon und Potniai in Delos (Aristoteles bei Athen.), Gytheion, Paus. III 21, 9, Korinth, bei den Iberern, Schol. Apoll. Rhod. II 767, und zu erschließen, außer aus seinen Hypostasen, an den Orten, wo er weissagend auftritt, also auf Lemnos (s. o.), am Kap Malea, Eurip. Orest. 354; s. auch Aeschyl. frg. 32. 284. 402, oder wo er durch Liebesverhältnisse mit Ortsgottheiten verknüpft ist.

So wird er aus dem alten Kultgenossen der Nereiden zu ihrem Liebhaber, speziell der Neraee und Cymathoe, Properz III 21, 13. Val. Flacc. II 607; auch mit Ariadne auf Naxos (s. u.) verband ihn wohl ursprünglich Kultgemeinschaft, Euanthes bei Athen. VII 297 C; nach Theolytos bei Athen. VII 296 A wird er bei ihr von Dionysos gefangen und mit Weinreben gebunden, ist also der ältere Herr von Naxos (Gaedechens bei Ersch und Gruber LXIX 176 erinnert an Ποσειδῶν ἡττώμενος ἐν Νάξῳ ὑπὸ τοῦ Διονύσου, Plut. symp. IX 6; s. o. Bd. V S. 1025. Gruppe Gr. Myth. 1412, 6), von Aischylos im Γ. Πόντιος behandelt.

Er ist nach sehr alter Sage (s. u.) Geliebter der Skylla (Int. Serv. Aen. III 420, s. Aeschyl. frg. 32), also ursprünglich auch am saronischen Meerbusen lokalisiert, später bei ihr durch Poseidon vertreten, Serv. Buc. VI 74, erst in hellenistischer Dichtung ihr verschmähter sentimentaler Liebhaber (Hedyle bei Athen. VII 297 B. Ovid. met. XIII 905. XIV 40f. Varianten bei Waser Skylla und Charybdis 41f.). Sein Liebeswerben wird pantomimisch dargestellt Vell. Pat. II 83, danach der tanzende G. bei Nonn. Dionys. XLIII 389. Nach Aischrion ist G. Geliebter der Hydne, der Tochter des Skyllos, nach Mnaseas der der Syme, des Ielysos und der Dotis Tochter, Athen. VII 296 C E, auch hier durch Poseidon ersetzt, Diod. V 58, der der Kirke bei Ovid. met. XIV 35f. 69f. Serv. Aen. III 420. Gruppe Griech. Mythol. 708, 2. Liebesabenteuer kamen auch im Γλαῦκος des Antiphanes frg. 75 K. vor; im gleichnamigen Stück des Eubulos frg. 31 wurde wohl das Wunderkraut verspottet, vom Inhalt des Γλαῦκος des Anaxilas, des Kallimachos und dem Glaucus Pontius von Cicero und Cornificius (Macr. VI 5, 13) ist nichts bekannt.

Nach euhemeristischer Auffassung ist G. ein wetterkundiger Schiffer, der die Vorüberfahrenden vor Stürmen warnt (Herakl. π. ἀπ. 10), oder ein gewandter Taucher, der schließlich von einem Seeungeheuer verschlungen wird (Palaeph. 27) oder mit der geraubten Syme die gleichnamige wüste Insel bei Karien bewohnt (Mnaseas bei Athen. VII 296 B, s. o.).

Wirklich sichere Darstellungen des G., von dessen Mischgestalt die literarischen Quellen übereinstimmend sprechen (Aischyl. frg. 26. Strab. IX 405. Philostrat. Imag. II 5. Vell. Pat. II 83. Claud. de rapt. Pros. III 12, außerdem die Stellen über seine Verwandlung), sind noch nicht nachgewiesen, wenn auch viel dafür spricht. G. in dem dreizackschwingenden, schlangenschwänzigen Gott der Münzen von Itanus auf Kreta, Brit. Mus. Cat. of greec coins, Crete Taf. 12, 6–8. 13, 1–4 u. a., oder in manchen der schlangenfüßigen Mischwesen [1412] korinthischer und böotischer Vasen, s. auch Neapel 2638 Mon. d. Inst. I 37, zu erkennen. Auch die Deutung der schönen Herme eines Meergottes im Vatikan, Brunn-Bruckmann 136, auf G. ist nicht gesichert. Das Wandgemälde Mon. d. Inst. III 52, 6 ist eine Fälschung.