RE:Fetiales
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
römisches Priesterkollegium mit den sakralen Formen im Völkerrecht | |||
Band VI,2 (1909) S. 2259–2265 | |||
Fetialen in der Wikipedia | |||
Fetiale in Wikidata | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register VI,2 | Alle Register | ||
|
Fetiales, römisches Priesterkollegium. Die Herleitung des Namens ist unsicher. Die römischen Grammatiker bringen es mit foedus (Serv. Aen. I 62. IV 242. X 14) oder fides (Varro de l. l. V 86) oder ferire (Paul. p. 91) zusammen, Lange Röm. Altert. I³ 323 leitet es von einem veralteten Substantiv fētis ab, das mit fateri, fari, fas, oskisch fatium zusammenhänge, A. Weiss (Le droit fétial 5; Daremberg-Saglio Dict. II 1095) vermutet, daß der Name (fetiales, feriales) mit Iuppiter Feretrius zusammenhänge. Auch außerhalb Roms gab es in Italien F., so bei den Latinern (Liv. I 32, 11), in Ardea (Dionys. II 72. Serv. Aen. X 14), bei den Aequiculern (Dionys. a. a. O.), bei den Albanern (Liv. I 24, 4), den Laurentern (CIL X 797,[1] wo in einer zur Zeit des Claudius abgefaßten Inschrift ein Römer, der u. a. praef. iur. dicundo in Lavinium gewesen ist, als pater patratus [s. u.] populi Laurentis foederis ex libris Sibyll. percutiendi cum pop. Rom. bezeichnet wird, vgl. Dessau CIL XIV p. 187[2] und Art. Laurentes Lavinates), bei den Samniten (Liv. VIII 39, 14).
Der Überlieferung nach sind die römischen F. von Numa (Dionys. II 72. Plut. Numa 12) oder Tullus Hostilius (Cic. de rep. II 31) oder Ancus Marcius (Serv. Aen. X 14. Liv. I 32, 5. Aurel. Vict. de vir. ill. 5, 4) eingesetzt und aus Ardea (Dionys. a. a. O.) oder von den Faliskern (Serv. Aen. VII 695) oder von den Aequiculern (Serv. Dionys. Liv. Aurel. Vict. a. a. O.) entlehnt, deren König Fertor Resius als Erfinder des ius fetiale bezeichnet wird (CIL I2 p. 202[3] el. XLI = VI 1302. Auct. de praen. 1, im Val. Max. ed. Kaempf p. 588. Aurel. Vict. a. a. O.), Nachrichten, die natürlich keinerlei historischen Wert haben. Jedenfalls gehören die F. zu den ältesten römischen Priesterkollegien, wie auch schon die Verwendung des Steines (silex, s. weiter u.) bei der Tötung des Opfertiers im Fetialritus zeigt. Im Range stehen sie den großen Kollegien der pontifices, augures, XVviri s. f., septemviri epulones am nächsten: Cic. de leg. II 21 erwähnt außer den drei zuerst genannten Kollegien nur die F.; im J. 22 n. Chr. wird der vergebliche Versuch gemacht, sie den vier erwähnten Kollegien und den Augustales gleichzustellen (Tac. ann. III 64). Das Kollegium (Liv. XXXVI 3, 7) der F. besteht aus 20 Mitgliedern (Varro bei Non. p. 529, 21), die – wie alle Priester durch Kooptation (Wissowa Religion der Römer 417) – auf Lebenszeit gewählt werden (Dionys. II 72). Sie mußten ursprünglich Patrizier sein (Dionys. a. a. O.; daß die Fetialwürde auch später – [2260] nach der Lex Ogulnia – nur Patriziern zugänglich gewesen sei, nimmt A. Weiss bei Daremberg-Saglio II 1096 ohne zureichenden Grund an) und nahmen stets eine hohe Stelle ein: der bei Liv. IX 10, 8 (im J. 320 v. Chr.) erwähnte F. z. B. ist zwei Jahre vorher Dictator gewesen; auch in der Kaiserzeit werden hochgestellte Männer F. (vgl. z. B. CIL VI 913.[4] 1497. VIII 6987. IX 2845. Marquardt Staatsverw. III 418, 1). Zusammenstellung der inschriftlich bezeugten F. bei Ruggiero Diz. epigr. III 67ff. und Fusinato Memorie della R. Accad. d. Lincei XIII 588. Auch Augustus ist F. gewesen (Mon. Ancyr. gr. 4, 7), ebenso die späteren Kaiser (Suet. Claud. 25. Cass. Dio LXXI 33, 3; vgl. v. Domaszewski Österr. Jahresh. II 188, 89).
Die Aufgabe der F. ist die Wahrung des ius fetiale (Cic. de off. I 36. Liv. IX 9, 3. Arnob. II 67. CIL I2 p. 202[3] el. XLI), d. h. der im völkerrechtlichen Verkehr in Betracht kommenden sakralen Formen. Aus dieser Aufgabe gehen verschiedene Arten ihrer Wirksamkeit hervor (Dionys. II 73. Cic. de leg. II 21). Auf Befragen des Senats oder des Magistrats hat das Kollegium der F. Gutachten über die zu beobachtenden völkerrechtlichen Formen zu erteilen, so über die Form der Kriegserklärung (Liv. XXXI 8, 3. XXXVI 3, 7) oder die Auslieferung eines Schuldigen (nach Varro bei Non. p. 529, 21 könnte es scheinen, als ob den F. selbst eine Art Gerichtsbarkeit, ein Strafrecht über diejenigen, die Gesandte verletzt haben, zustände, nach Plut. Numa 12; Camill. 18. erteilen die F. nur dem Senat den Rat, den Schuldigen [Fabius Ambustus, der für die Clusiner gegen die Gallier gekämpft hat] auszuliefern, vgl. auch Val. Max. VI 6, 3). In allen übrigen Fällen tritt nicht das gesamte Kollegium in Funktion (Varro de l. l. V 86 ex his mittebantur), sondern es werden zwei bis vier Mitglieder bestimmt, die als Gesandte abgeschickt werden. Sicher bezeugt ist die Zweizahl für den Abschluß eines Bündnisses (Liv. I 24, 6. IX 5, 3), dagegen gibt Varro bei Nonius p. 529, 27 an, daß vier F., die auch oratores genannt werden, res repetitum, d. h. um Genugtuung zu fordern (s. u.), abgesandt werden. Möglicherweise war die Zahl beim Bündnisse geringer als bei anderen Fällen (vgl. aber Liv. I 24, 5, wo auch bei Bündnissen von comites die Rede ist). Wissowa (Relig. d. Römer 476, 8) vermutet, daß später die Zahl der diensttuenden F. verdoppelt wurde in der Weise, daß zwei verbenarii und zwei patres patrati (über diese Bezeichnungen vgl. weiter unten) auszogen, wofür die Angabe bei Livius XXX 43, 9 spreche ut privos (= singulos) lapides silices (s. u.) privasque verbenas secum ferrent (d. h. jeder verbenarius und jeder pater patratus sollte seine eigene Ausrüstung erhalten). Da indes der pater patratus der Wortführer ist (s. u.), so ist es kaum anzunehmen, daß zwei solche gleichzeitig fungieren konnten. Der verbenarius (Plin. n. h. XXII 5. Varro bei Non. p. 528, 18) trägt die heiligen, auf der Burg gepflückten Kräuter (herba pura, verbenae, sagmina. Liv. I 24, 5. XXX 43, 9. Plin. XXII 5. Fest. p. 321 a, 21, wo Wissowa [Religion der Römer 472, 2] für das überlieferte ex loco sancto arcebantur wohl mit Recht ex loco sancto arcis carpebantur liest; [2261] ungenau Serv. Aen. XII 120 de loco sacro Capitolii. Plin. XXV 105), die das Abzeichen der Sendung der F. sind und sie im fremden Lande als unverletzlich kennzeichnen (Marcian. Dig. I 8, 8, 1). Der eigentliche Bevollmächtigte und Wortführer ist der pater patratus, der aber nicht der Vorsitzende des Kollegiums ist, sondern für den einzelnen Fall bestimmt wird. Über die Zeremonie seiner Weihung s. u. Die Bedeutung des Titels ist nicht klar (Plut. quaest. R. 62 verwechselt pater patratus und pater patrimus, Fest. p. 234), Wissowa (Religion der Römer 477, 3) meint, wohl mit Recht, die Gegenüberstellung von pater patratus dedidit und pater suus populusve vendidit bei Cic. pro Caec. 98 und de orat. I 181 spreche dafür, im pater patratus eine künstlich geschaffene Analogie zum pater familias zu sehen, also patrare als zum Vater machen aufzufassen. Der pater trägt Priestergewand (Dionys. II 72, 6), seine Kleider, wie überhaupt die der fungierenden F., dürfen nicht von Linnen sein (Serv. Aen. XII 120); wie der Flamen hat er seinen Kopf mit einem Wollfaden umwunden (Liv. I 32, 6, vgl. Art. Flamines und Samter Familienfeste der Griechen u. Römer 44). Während der verbenarius die heiligen Kräuter trägt, führt er das Szepter, bei dem der Eid (s. u.) geleistet wird (Serv. Aen. XII 206), und den zum Töten des Opfertiers verwendeten Feuerstein (lapis silex), die beide im Tempel des Iuppiter Feretrius aufbewahrt werden (Paul. p. 92, 1. 115, 4. Augustin. de civ. Dei II 29); s. Iuppiter Feretrius (o. S. 2209f.) und Lapis.
Soll eine Deputation der F. ihr Amt ausüben, so erbittet der als verbenarius fungierende F. – wie dieser bestimmt wird, ist nicht überliefert – zunächst vom Magistrate den Auftrag zur Vornahme der erforderlichen Handlung, z. B. eines Bündnisabschlusses mit den Worten: iubesne me cum patre patrato populi Albani foedus facere? (Liv. I 24, 4ff.), dann fordert er die Erlaubnis zur Übernahme der sagmina (sagmina te posco, vgl. XXX 43, 9). Der Magistrat erteilt diese mit der Formel puram tollito. Nachdem der F. darauf das Kraut von der Burg geholt, erbittet er die Ernennung zum Gesandten mit den Worten: facisne me tu nuntium populi Romani Quiritium vasa comitesque meos? (in den vasa wurden jedenfalls die sagmina und der silex aufbewahrt). Nachdem der Magistrat diese Bitte mit den Worten: quod sine, fraude mea populique Romani Quiritium fiat, facio erfüllt hat, macht der F. einen anderen F. (Dionys. II 72, 6 ὃν οἱ λοιποὶ προχειρίσαιντο) zum pater patratus, indem er mit den sagmina, seinen Kopf und seine Haare berührt. Livius schildert a. a. O. diese Einsetzung der F.-Deputation bei Gelegenheit des Abschlusses eines Bündnisses, vermutlich fand sie aber auch in anderen Fällen in der gleichen oder doch in einer ähnlichen Form statt.
Ein foedus (s. d.) wird in Anwesenheit der Feldherren und Heere durch die patres patrati beider Völker abgeschlossen. Nachdem die Bestimmungen des Vertrags vorgelesen sind, beschwört der pater patratus, in der Hand das Szepter tragend (Serv. Aen. XII 206. Paul. p. 92, 1), das Bündnis (Liv. I 24, 6) und ruft in feierlicher, feststehender Formel (carmen Liv. I 24, 6; vetus [2262] praefatio fetialium Suet. Claud. 25; precatio Liv. IX 5, 3) die Anwesenden und vor allem Iuppiter, Mars, Quirinus (Polyb. III 25) zu Zeugen dafür an, daß sein Volk den Vertrag halten werde (Liv. I 24, 7 audi, Iuppiter, audi, pater patrate populi Albani, audi, tu populus Albanus: ut illa palam prima postrema ex illis tabulis cerave recitata sunt sine dolo malo, utique ea hic hodie rectissime intellecta sunt, illis legibus populus Romanus prior non deficiet). Darauf tötet er ein Ferkel mit dem heiligen silex (Varro de r. r. II 4, 9. Fest. p. 234 a 31. Interpol. Serv. Aen. VIII 641. Suet. Claud. 25; vgl. auch Liv. XXI 45, 8, wo römischer Ritus auf Karthago übertragen ist), indem er die Götter beschwört, im Falle des Bruchs des Vertrags durch das römische Volk dieses zu treffen, wie er selbst das Ferkel treffe (Liv. I 24, 8 si prior defexit publico consilio dolo malo, tum tu, ille Diespiter, populum Romanum sic ferito, ut ego hunc porcum hic hodie feriam, tantoque magis ferito, quanto magis potes pollesque; vgl. Liv. IX 5, 3). Nach dieser Tötung des Ferkels (ferire Liv. a. a. O. oder percutere, Liv. II 4, 8) wird der Abschluß des Bündnisses als foedus ferire (z. B. Paul. p. 92) oder percutere (CIL X 797)[1] bezeichnet. Nachdem das Opfer vollzogen ist, wirft der pater patratus den Stein fort, indem er die Formel spricht: si sciens fallo, tum me Diespiter salva urbe arceque bonis eiciat, ut ego hunc lapidem (Paul. p. 115, 4, vgl. Polyb. III 25). Die gleiche Zeremonie wird von dem pater patratus des andern Volks vollzogen (Liv. I 24, 9). Darauf wird von den beiden F. die Urkunde des Vertrags unterschrieben (Liv. IX 5, 4). Daß die Tötung des Opfertiers vermittels des silex spezifisch römisch oder wenigstens latinisch sei, schließt Wissowa (Religion der Römer 477, 7) daraus, daß auf oskischen Münzen mit der Darstellung des Bündnisschwures (Friedländer Die oskischen Münzen 81ff. nr. 9–12; 86f. nr. 18f.; 11 nr. 9; 16 nr. 2) 2 Krieger mit gezücktem Schwerte über dem von einem Knaben gehaltenen Ferkel schwören. Dieser Schluß ist jedoch deswegen nicht zutreffend, weil genau entsprechende Darstellungen sich auch auf römischen Münzen finden (Babelon Monnaies de la républ. Rom. II 535): die Münzbilder, oskische wie römische, stellen also entweder überhaupt nicht das Fetialenopfer dar oder sie geben den Vorgang ungenau wieder. Die Verwendung des silex statt des Opfermessers ist als ein Überrest aus der Steinzeit zu betrachten, wie sich ja im römischen Ritual verschiedentlich Reste aus weit zurückliegenden Entwicklungsperioden erhalten haben (Wissowa Religion der Römer 30). Helbig (Italiker in der Poebene 92) bestreitet diese Auffassung des silex mit der Begründung, daß, wenn sich ein derartiger Rest in F.-Ritus erhalten hätte, die Schriftsteller gewiß darauf hinweisen würden, – ein argumentum ex silentio, das nicht als beweiskräftig gelten darf. Helbig a. a. O. 93 betrachtet den lapis silex als ein Symbol des Blitze schleudernden Donnergottes, ebenso Aust in Roschers Lexikon II 675. Vgl. dagegen Hesselmeyer Sacrum silex und Verwandtes auf dem Gebiet der Sakralaltertümer (Korr.-Bl. f. die höheren Schulen Württembergs XIV 1907, 260ff. 295ff) , der S. 300 richtig hervorhebt, [2263] daß gegen diese Auffassung das Wegwerfen des Steines durch den F. spreche; vgl. Art. Iuppiter Lapis. Das Wegwerfen des Steines erinnert an das Wegwerfen des Beiles bei dem attischen Feste der Buphonia (s. o. Bd. III S. 1055), möglicherweise hat der F.-Ritus ursprünglich dieselbe Bedeutung gehabt, so daß die dabei ausgesprochene Verfluchung nur als nachträgliche Umdeutung aufzufassen wäre.
Ist den Römern von einer auswärtigen Gemeinde ein Unrecht zugefügt worden, so werden zunächst auf Senatsbeschluß (Liv. VII 6, 7. 32, 1. X 45, 7) die F. abgesandt, um Genugtuung zu fordern (res repetere Liv. a. a. O. Varro de l. l. V 86; clarigatio, s. d.).
Der pater patratus geht an die Grenze des feindlichen Volkes und spricht dort die Formel (carmen Liv. I 32, 8): Audi Iuppiter, audite fines – hier wird der Name des Volkes genannt – audiat fas! ego sum publicus nuntius populi Romani, iuste pieque legatus venio verbisque meis fides sit (Liv. I 32, 6). Dann bringt er seine Forderungen vor, beschwört, daß sie gerecht seien (Dionys. II 72, 6. Liv. IV 30, 14 cum more patrum iurati repeterent res; vgl. Liv. I 32, 8 ius iurandum), ruft Iuppiter (Liv. I 32, 7) und die andern Götter (Dionys. II 72, 6) zu Zeugen an und beschwört Unheil über sich und Rom (Dionys. a. a. O.), wenn er nicht die Wahrheit spreche: Liv. a. a. O. § 7 si ego iniuste impieque illos homines illasque res dedier mihi exposco, tum patriae compotem me nunquam siris esse. Diese Formel wiederholt er nach Überschreitung der Grenze mit geringen Veränderungen gegenüber dem ersten, der ihm begegnet, dann am Stadttore und auf dem Markte (Liv. a. a. O. § 8. Dionys. II 72). Werden die Schuldigen ausgeliefert, so entfernt er sich mit ihnen als Freund (Dionys. II 72). Verlangen die Gegner Zeit zur Beratung, so gewährt er eine Frist von 30 Tagen mit Wiederholung der Forderung nach je zehn Tagen (Dionys. a. a. O. § 8; vgl. Liv. I 22, 5), nach deren Ablauf ruft er, wenn keine Genugtuung gewährt ist, die Götter zu Zeugen des begangenen Rechtsbruchs an mit der Formel: audi Iuppiter et tu Iane Quirine diique omnes caelestes vosque terrestres vosque inferni audite! ego vos testor populum illum iniustum esse neque ius persolvere, sed de istis rebus in patria maiores natu consulemus, quo pacto ius nostrum adipiscamur, (Liv. a. a. O. § 10). Nach Liv. a. a. O. § 9 und Serv. Aen. IX 52 erfolgt diese testatio erst am 33. Tage. Wie diese Differenz der Angaben zu erklären, ist nicht sicher. Fusinato a. a. O. 502f. nimmt an, daß nach 30 Tagen die testatio und nach weiteren drei Tagen die eigentliche Kriegserklärung folgte, also eine ungenaue Angabe bei Livius und Servius vorliegt. Nach der testatio kehrt der F. nach Rom zurück, auf seinen Bericht wird im Senat über die Kriegserklärung beraten, wobei die Verhandlung mit folgender Formel eingeleitet wird (Liv. I 32, 11): quarum rerum litium causa (so Madvig, Hss.: causarum) condixit (s. o. Bd. IV S. 847) pater patratus populi Romani Quiritium patri patrato Priscorum Latinorum hominibusque Priscis Latinis, quas res nec dederunt nec solverunt nec fecerunt, quas res dari fieri solvi oportuit (die [2264] Formel zeigt, daß, wie beim foedus auch bei der rerum repetitio die Verhandlung von pater patratus zu pater patratus stattfindet). Ist der Krieg im Senate beschlossen, so begibt sich der F. zur Grenze des feindlichen Gebietes und wirft in Gegenwart von mindestens drei Erwachsenen eine in Blut getauchte Lanze in das Feindesland (Serv. Aen. X 14. Gell. XVI 4, 1. Cass. Dio LXXI 33, 3. Ammian. Marc. XIX 2, 6), indem er dabei die Kriegserklärung ausspricht: quod populi Priscorum Latinorum hominesque Prisci Latini adversus populum Romanum Quiritium fecerunt deliquerunt, quod populus Romanus Quiritium bellum cum Priscis Latinis iussit esse senatusque populi Romani Quiritium censuit consensit conscivit, ut bellum cum Priscis Latinis fieret, ob eam rem ego populusquo Romanus populis Priscorum Latinorum hominibusque Priscis Latinis bellum indico facioque (Liv. I 32, 13; ähnlich Cincius bei Gall. XVI 4, 1). Nur ein in diesen Formen erklärter Krieg gilt als bellum pium (Liv. I 32, 12. Varro bei Non. p. 529, 25; vgl. Liv. III 25, 3. IX 8, 6. Cic. de rep. II 31).
Wie die F. von einem fremden Volke die Auslieferung derer fordern, die sich gegen ihr Volk vergangen haben, so liegt es ihnen auch ob, die Schuldigen aus dem eigenen Volke an das fremde auszuliefern (Liv. VIII 39, 14. Cic. pro Caec. 98; Auslieferung des Consuls, der ohne Zuziehung der F. einen Vertrag schließt, der nicht ratifiziert wird, Cic. de or. I 181. II 137. Liv. IX 10, 2ff. 8, 6; bei der Auslieferung gesprochene Formel Liv. IX 10, 9).
Von den verschiedenen Aufgaben der F. ist am frühesten die Sühneverhandlung vor der Kriegserklärung abgekommen, die auf legati (s. d.) überging (vgl. Mommsen St.-R. II3 689), während der Abschluß des Bündnisses durch die F. fortbestand, vgl. Varro de l. l. V 86, der von der ersten Tätigkeit im Imperfektum, von der letzteren im Praesens berichtet. Noch Claudius schloß als pater patratus Bündnisse mit auswärtigen Königen in Rom auf dem Forum nach dem alten Fetialritus (Suet. Claud. 25). Auch die Kriegserklärung lag den F. noch in später Zeit ob (Polyb. XIII 3, 7); Octavian erklärt im J. 32 nach Fetialritus den Krieg gegen Kleopatra (Cass. Dio L 4, 5), Marc Aurel ebenso 178 den Markomannenkrieg (Cass. Dio LXXI 33, 3), doch war der Akt zu einer symbolischen Handlung geworden, die nicht an der feindlichen Grenze, sondern in Rom vollzogen wurde. Zur Zeit des Tarentinerkriegs muß ein gefangener Soldat des Pyrrhus ein Stück Land beim Circus Flaminius kaufen, das ein für allemal als Feindesland betrachtet wird. In dieses wirft der pater patratus von einer hier – beim Tempel der Bellona – errichteten Grenzsäule (columna bellica) aus die Lanze (Ovid. fast. VI 205ff. Paul. p. 33. Serv. Aen. IX 52. Placid. p. 14, 2). Zuletzt erwähnt wird der F.-Ritus bei Ammian. Marc. XIX 2, 6. Vgl. Wissowa Religion u. Kultus der Römer 104. 325. 475ff. Marquardt St.-V. III 415ff. Preller-Jordan Röm. Mythol. I 245ff. Aust in Roschers Lex. II 674ff. 700ff. Mommsen St.-R. I3 250f. III3 1173. Lange Röm. Altertümer I3 322ff. André Weiss Le droit fétial [2265] (extrait de la France judiciaire) 1883; Daremberg-Saglio Dict. II 1095ff. Chauveau Le droit des gens dans les rapports de Rome avec les peuples de l’antiquité, Nouvelle Revue Historique 1891, 393ff. Fusinato Dei feziali e del diritto feziale, Atti della Acad. dei Lincei ser. III, memorie della classe di sc. morali stor. e filolog. XIII 451ff. Ruggiero Dizion. epigr. III 66ff. Zusammenstellung der älteren Literatur bei Fusinato a. a. O. 451f.