RE:Ketos 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sternbild der südlichen Hemisphäre, Walfisch
Band XI,1 (1921) S. 364372
Walfisch (Sternbild) in der Wikipedia
GND: 4147517-3
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Ketos. 1) Sternbild der südlichen Hemisphäre, das in der modernen Astronomie gewöhnlich als Walfisch bezeichnet wird; es liegt unter dem Widder und den Fischen, zwischen dem Eridanus, dem südlichen Fisch und dem Ausguß des Wassermanns. Die übliche Bezeichnung ist τὸ κῆτος, cetus (meist n. g., seltener m. g., z. B. Manil. I 433) und cetum (Manil. V 15, dazu, Moeller Stud. Manil., Diss. Marb. 1901, 5 adn. 4); später coetus (Anon. sangall. p. 600, 36 M.), caetus (Anon. II p. 119, 12 M. u. ö., vgl. auch caytoz in italienischen Hss. Saxl S.-Ber. Akad. Heidelb. 1915, 6 p. 97, 67), arab. kaitos, al kaitos (Riccioli Almag. nov. I 407. Ideler Unters. üb. d. Urspr. u. d. Bedeutg. d. Sternnamen 207. 211). Cicero, Germanicus, Manilius, Avienus und Hyginus gebrauchen dafür auch pistrix, pistris oder pristis, die entsprechende griechische Bezeichnung wird auf das Sternbild nicht angewandt. Gelegentlich nennen die Römer das Sternbild auch belua, Germ. 367. 383. Avien. II 772. 828. 839. Firm. Mat. VIII 17, 5. In den Sternkatalogen wird als weiterer Name ὀρφός, ὀρφώς, ὀρφών angegeben (Riccioli a. O. La Lande Astron. I 224. Ideler a. O., vgl. auch Scaliger in den Anm. zu Manil. ed. 1655 p. 422. Windisch De Perseo eiusque familia inter astra collocatis, Diss. Leipz. 1902, 47. 56. 66); diese Angaben gehen sämtlich auf den Text von Firm. Mat. VIII 17, 5 der in der Prucknerschen Ausgabe vom J. 1533 S. 222 statt des üblichen κ. diesen Namen gibt. Die Handschriften bieten aber dieses Wort nicht (S. 313, 9 Kr. et Sk.), somit fallen die einzelnen Erörterungen hierüber, sowie die Vermutung Windischs, daß dies die ursprüngliche Bezeichnung des Sternbildes gewesen sei. Riccioli und La Lande erwähnen a. O. als weitere Namen: balaena, leo vel ursus marinus, draco, canis Tritonis, diese werden aber, soviel ich sehe, von den antiken Schriftstellern für das Sternbild nicht gebraucht (cetus balena wird einmal in dem späten cod. Pal. 1370 gesagt, Saxl 25).

Daa Sternbild ist wohl schon im 6. Jhdt. von den Griechen benannt worden. Mit dem ganzen Andromedazyklus ließ Buttmann Abh. Akad. Berl. 1826, 53f. auch das K. nach orientalischen Vorbildern umgeformt sein. Und zwar soll der [365] ganze Mythenkomplex vom Sterne Algol = Medusenhaupt im Perseus ausgegangen sein; Parallelen gibt er allerdings keine aus dem orientalischen Himmelsbild, die seine Ansicht beweisen könnten. Rein griechischen Ursprung nehmen Robert Eratosth. catast. rell. 246. Bethe Rh. Mus. LV 433 und Windisch 66ff. an; nach ihrer Meinung ist der Ausgangspunkt für diese Sternbilder, also auch für K. ebenfalls Perseus gewesen. Dagegen suchte Thiele Antike Himmelsbilder 5 und 7 nachzuweisen, daß zuerst K. am Himmel gesehen wurde, und zwar soll es mit der Argo und dem Eridanos von dem Verfasser eines alten Argonautengedichtes erfunden worden sein (dazu Boll Sphaera 176). Und zu dem K. sei dann in einem astronomischen Lehrgedicht etwa, das von Euripides abhängig war, die ganze Gruppe vollendet worden. Auch mir erscheint es sehr wahrscheinlich, daß das K. die ursprüngliche Veranlassung der ganzen Andromedagruppe war. Allerdings glaube ich nicht an griechische, sondern orientalische Herkunft des Sternbildes. Nach den sehr ansprechenden Ausführungen Kuglers Sternk. u. Sternd. in Babel I 32f. und 260 belebte neben den übrigen Wassertieren, den Fischen, dem Wassermann und dem Ziegenfisch ein Seeungeheuer die Wasserregion des babylonischen Himmels. Und zwar ist es das später als Widder umgedeutete Sternbild Kusarikku, womit wahrscheinlich Sterne von K. und Aries bezeichnet wurden. Nach Kugler dürfte es ursprünglich ein widderähnlicher, besonders starker Schwertfisch (Orca gladiator) gewesen sein. Leider geben die übrigen Namen Dil - Gam und Iku, mit denen z. T. auch aquarius + aries + cetus, z. T. aries + cetus + piscis oder auch cetus allein als ein Sternbild umspannt wurden, keine weiteren Aufschlüsse, soweit ich die zugängige Literatur überschauen kann (C. Bezold S.-Ber. Akad. Münch. XXX (1918) 128. Weidner Handb. babyl. Astron. 69. 79 u. ö.; Alter und Bedeutg. d. babyl. Astron. 19, 3. 45f. Jeremias in Roschers Myth. Lex. IV 1448, 1466 u. 1486. Kugler I 263. Jastrow Rel. Babyl. u. Assyr. II 616. 682; gegen die Deutung Kuglers spricht sich Bezold aus S.-Ber. Akad. Heidelb. 1911 Abh. 2, 42 und 1913 Abh. 11, 47, dagegen vgl. Weidner Alter u. Bedeutung d. babylonischen Astronomie 46 und Jastrow a. O. 492, 14 und 500, 7. über die Erklärung des Wortes rahab Hiob 9, 13 und 26, 12 als Sternbild des Walfisches Schiaparelli Die Astron. im Alten Test., übers, v. Lüdtke 66f.). Aber wenn Kuglers Deutung richtig ist, scheint es mir durchaus wahrscheinlich, daß das als walfischartiges Seeungeheuer oder als Schwertfisch gedeutete K. aus dem Orient übernommen ist. Ob dieses Sternbild bereits mit den orientalischen Mythen, wie sie z. B. von Bul im alten babylonischen Epos erzählt wurden (s. Keller o. Bd. VII S. 596), vor der Übernahme an den griechischen Himmel verbunden war, ist nicht zu ermitteln. Immerhin wäre auch dies denkbar, so daß also Sternbild und Mythos gleichzeitig von den Griechen übernommen sein könnten. Eine Beziehung zu dem Andromedamythus, wie sie die Tragödien des Sophokles und Euripides bieten, war leicht herzustellen; vgl. zu der ganzen [366] Frage Kuhnert Roschers Myth. Lex. III 2020ff. und Tümpel ebd. II 988ff.

Gewöhnlich wird K. unter den südlichen Sternbildern aufgezählt und zwar zwischen s. Fisch und Orion, statt dessen eigentlich richtig Eridanus zu stehen hätte (Hipparch III 1, 7ff. p. 224 Man. Boll Bibl. Math. II 187, 13. Rehm Herm. XXXIV 256. 258. Ptolem. synt. VIII 1 p. 128 Heib. Anon. II p. 138, M.); Arat v. 519 und Ps.-Eratosth. catast. cap. 35f. stellen ihn zwischen Argo und Fluß, vgl. auch Beda p. 591 M. Als Merkgestirne werden Widder und Fische genannt, unter denen er liegt Eudox. bei Hipparch. I 8, 6 p. 76, 14 Man. Arat. 357f. Cic. Arat. 143. German. 360f. Avien. II 773. Anon. Sphaera v. 73 p. 160 M. Schol. Arat. p. 412 M. Arat. lat. 357 p. 257 M. Vitruv. IX 5, 3; der südliche Fisch hebt sich zu ihm empor: Arat. 387. Cic. Arat. 169. Avien. II 825. Als Merkstern für den Schwanz wird der eine der beiden Sterne im Ausgusse des Wassermanns genannt: Arat. 398. German. 390. Avien. II 839, für die Rückenflosse der Knoten (α) im Band der Fische, dieser steht direkt über der ersteren Hipp. I 11, 20 p. 120, 11 Man. Arat. 364, Cic. Arat. 153. German. 370. Vitruv. IX 5, 3. Zwischen K. und dem Steuer der Argo liegen nach Arat. 368 und seinen Übersetzern eine Anzahl unbenannter Sterne, vgl. dazu die Auseinandersetzungen des Attalos und Hipparchs (I 8, 2f. p. 74, 23 und p. 78ff. Man.). Nach Eudoxus lag der Schwanz auf dem Wendekreis des Steinbocks Hipp. I 2, 20 p. 22, 3 Man. Arat. 502. Cic. Arat. 275. Avien. II 981. Hygin. IV 4 p. 103, 27. Mart. Cap. VIII 830, der Kopf auf dem Kolur der Tag- und Nachtgleiche Hipp. I 11, 17 p. 118, 22; nach Hipparch stand aber der Kopf etwas östlich desselben I 11, 20 p. 120, 11 Man., dazu Martian. Cap. VIII 832 und Manil. I 614, der den Kolur durch den Rücken gehen läßt. Unrichtig ist die Angabe des Manilius I 433, daß K. neben dem Altar liegt, und die Verteilung des K. auf beide Hemisphären bei Anon. II p. 138 M. Astrothetisch ungenau ist es auch, wenn Arat. v. 354ff. und seine Übersetzer K. die Andromeda schrecken oder nach ihr schnappen lassen (z. B. Avien. II 769. 778, ähnlich Manil. I 436), da beide durch den Widder, das Dreieck und einige Sterne der Fische getrennt sind.

Nach den Katasterismen besteht K. aus 13 Sternen (Ps.-Erat. p. 176 R. mit den übrigen Belegen, dazu Arat. lat. p. 257 M.), dagegen nennt der Katalog des Hipparch 14 Sterne, Boll a. O. 187, ebenso Schol. Germ. G. p. 237, 22 Br. und Beda p. 541 M. 2 Sterne stehen demnach am Schwanze, 5 (bezw. 6) zwischen Schwanz bis zu der Krümmung im Bauche, 6 unter dem Bauche. Windisch a. O. 43 weist mit Recht darauf, daß dies nicht die ursprüngliche Sternzahl sein kann, da die Sterne im Kopf nicht genannt sind, die Korruptel muß bereits auf den Archetypus der Katasterismen zurückgehen; vgl. auch Rehm o. Bd. VIII S. 283. Tatsächlich gibt Hipparch in dem Kommentar zu Arat weit mehr Sterne. Wie Eudoxus hebt er besonders den Kopf, die Rückenflosse und den Schwanz des K. hervor (Hipp. I 11, 17 p. 118, 22. II 2, 46 p. 158, 20. 3, 33 p. 180, 21 Man.) Es werden genannt: der nachfolgende [367] in der nördlichen Kopfwölbung (λ), es ist anzunehmen, daß Hipparch dazu einen vorangehenden, etwa μ oder ν, gekannt hat; der vorangehende in der nördlichen Kinnlade (ξ1 es fehlt der nachfolgende = ξ2 oder auch μ), 3 in der südlichen Kinnlade, genannt werden α und δ, es fehlt γ, 1 in der Bückenflosse (o = Mira), das Viereck im Walfisch (θ η τ, es fehlt ζ der nördliche der nachfolgenden), das Parallelogramm in der Nähe des K., hiervon wird nur ρ der vorangehende der nördlichen Sterne erwähnt, es fehlen ε π σ, der Stern südlich vom Viereck gegen die Mitte des Leibes, nach Manitius x*, es kann aber auch υ gemeint sein, 4 im Schwanze, davon nennt er φ³ und φ⁴, φ¹ und φ² fehlen, und endlich die 2 hellen im Schwanze ι β (die einzelnen Belege im astronomischen Index bei Manitius). Hipparch muß demnach im ganzen 18 Sterne zum Sternbild herangezogen haben, nämlich 2 in der Kopfwölbung, 2 in der nördlichen Kinnlade, 3 in der südlichen Kinnlade, 1 in der Rückenflosse, 4 im Leibe, 4 im Ansatz des Schwanzes und 2 in den Schwanzenden; dazu kommen noch die 4 im Parallelogramm außerhalb desselben und 1 südlich vom Viereck gegen die Mitte des Leibes. Ptolemaios synt. VIII 1 p. 130 Heib. zieht das bei Hipparch abseits stehende Parallelogramm in das Sternbild herein als Viereck an der Brust; statt des Vierecks im Leibe nennt er 5 Sterne und zwar mit dem Stern υ (= x* Man.), der bei Hipparch gegen die Mitte des Leibes, also doch wohl außerhalb liegt. Im Kopfe zählt er, wie auch Hipparch, 7 Sterne: 3 an der Schnauze α γ δ und je einer steht an der Nüster, dem Auge, dem Stirnhaar und der Mähne λ ν μ ξ¹, im ganzen nennt er 22 Sterne. Die Aufzählung der verschiedenen Sterngruppen zeigt deutlich, daß wir es mit einem künstlichen Sternbild zu tun haben, „das erfunden ist, um viele wenig deutliche und unregelmäßig über einen großen Himmelsstrich zerstreute Sterne zu einem Ganzen zu vereinigen“ (Schiaparelli a. O. 66). In den Einzelbildern ist auf die Sternzahl wenig Rücksicht genommen; 13 Sterne ohne genaue Astrothesie (7 im Schwanze und 6 unter dem Leibe) zeigt die Abbildung bei Saxl a. O. Taf. XXI, 21 Sterne sind im codex Vossianus verwendet: Thiele 124, ebenso auf einem arabischen Globus des 11. Jhdts.: Meucci Pubblic. del istit. Firenz., scienze fisiche 1878 Taf. 1. 27 Sterne enthält K. in Bayers Uranometria, die modernen populären Sternkarten verzeichnen meist nur 9 Sterne oder die 22 des Ptolemaios (z. B. Littrow Atlas d. gest. Himmels Blatt 12), dagegen zählt z. B. der Katalog von Heis 162 Sterne, die mit bloßem Auge im Sternbild gesichtet werden können.

Nach Ptolemaios enthält das Sternbild 10 Sterne III. (ι = 3,4), 8 Sterne IV. und 4 Sterne V. Größe (φ¹ und φ² = 5,4). Hipparch bezeichnet als helle Sterne (λαμπροί): ι β = die 2 hellen im Schwanze II 2, 49 p. 160, 8 Man. (Hygin astr. III 30 p. 94 Bu. und Schol. Germ. B. p. 287, 22 Br. nennen sie dagegen falsch obscuras), τ ζ θ ἡ = die hellen im Viereck III 1, 8 p. 224, 27 Man., υ (x*) = der südlich vom Viereck stehende unbenannte helle II 6, 3 p. 202, 22 Man. α γ δ = die drei hellen in der südlichen Kinnlade II 6. 12 p. 212, 8 Man., also ebenfalls im ganzen 10 helle Sterne, d. h. [368] nach Ptolemaios III. Größe (Manitius p. 293, 1 vermerkt nur 8 Sterne). Nach den modernen Katalogen von Heis und Ambronn sind β (Deneb Kaitos) und α (= Menkab) II. Größe (α = 2,9, β = 2,4; Heis Catal. 178, 33. Ambronn Sternverzeichnis nr. 164 u. 817), die Farbe dieser Sterne ist heute gelb. Auf die Farbe und das Licht des Sternbildes oder einzelner Sterne wird sehr selten angespielt, Arat. 398 nennt das K. κυανέον: Cicero Arat. 275 spricht von der caerulea cauda pistricis und betont 154 die spina evalida cum luce refulgens, ebenso spricht Avien. II 981 von der caerulea pistris; damit kann nicht eine bläuliche Farbe der Sterne gemeint sein, sondern die Farbe des Himmels, die die immerhin ziemlich spärlichen und lichtschwachen Sterne des großen Sternbildes abstumpft (so mit Boll Abh. Akad. Münch. XXX 18; anders Windisch 42, 1). Avienus II 775 behauptet: rutilat pistrix, das bedeutet aber, wie Boll a. O. nachweist, nicht die rötliche Farbe seiner Sterne, sondern es ist nur eine von Avienus oft angewandte Umschreibung für den Glanz der Sterne allgemein. Ptolemaios tetrab. I 9 stellt das ganze Sternbild zu Saturn; wie Boll a. O. 44. 56f. und 63 beweist, ist damit nach babylonischer Vorlage ursprünglich die Farbe der einzelnen hellen Sterne bezeichnet worden, die den modernen Farbenwerten bei K. ziemlich entspricht. Denn 7 Sterne des Bildes kommen der Farbe Saturns nahe, wie Boll durch reiche Beobachtungen moderner Astronomen erweist.

Genaue Positionsangaben für die Ausdehnung des Sternbildes und für die einzelnen Sterne gibt nur Ptolemaios; es liegt zwischen den Fischen 4° 20' (= ι) und Widder 17° 40' (λ und α); am weitesten nach Norden zu stand ξ = –4° 10', der südlichste war υ = –30° 50' von der Ekliptik (synt. VIII 1 p. 130ff. Heib.).

Im Kalender und den Parapegmen wird K. nicht erwähnt, es wird ihm auch sonst keinerlei Wert für die Einteilung landwirtschaftlicher Arbeiten oder irgendwelcher Einfluß auf die Witterung zugeschrieben. Eudoxus und mit ihm Arat lassen es mit dem Stier (Widder) und den Zwillingen aufgehen, und zwar gehen Rückenflosse und Schwanz mit dem Stier (Widder) auf, der Rest mit den Zwillingen (Arat. 720. 726. Hipparch. II 3, 33 und 37 p. 180, 21ff. Man.; vgl. auch Germ. 717. 721. Hygin. III 30 p. 94, 21. IV 12 p. 111, 6. 10, dazu Dittmann De Hygino Arati interpr., Leipz. 1900, 16. Anon. II p. 122. 17. 21 M. Mart. cap. VIII 843). Dagegen bemerkt Hipparch, daß es bereits mit den Fischen aufzugehen beginnt und mit dem Widder am Himmel sichtbar ist mit Ausnahme von α (II 3, 35 p. 182. 1ff. Man.). Der Aufgang selbst dauert 2 Stunden, gleichzeitig steigen mit auf Fische 20° bis Stier 7° (Hipparch. III 1, 8 p. 224, 22 Man.). Ungenauere Daten über den Aufgang des K. finden sich bei Manil. V 656 (mit den letzten Graden der Fische), in den Teukrostexten p. 16. 41 Boll. vgl. auch Cat. cod. astr. VII 195, bei Antiochos p. 57 Boll und Valens p. 67. 68 Boll, p. 6, 12. 7,2 Kr., weiteres bei Boll 133. Nach Abu Ma'šar setzte Ptolemaios in den 3. Dekan der Fische den Aufgang des Schwanzes, in den 2. und 3. Dekan des Widders den der Mitte, der Brust und des [369] Kopfes, in den 1. Dekan des Stieres den der beiden Kinnbacken (Boll Sphaera 539. 497ff.; Cat. cod. astr. V 1 p. 169, 10ff. 158, 21. 34). Nach Eudoxus und Arat geht der Schwanz bis zum Nacken unter beim Aufgang der Wage, ganz sinkt er unter den Horizont mit dem Aufgang des Skorpion (Arat. 630. 647. Hipparch. II 2, 46 p. 158, 20 Man. Cic. Arat. 413. 436. Germ. 640. 661. Avien. II 640. 1195). Hipparch korrigiert diese Angabe dahin, daß K. bereits mit dem Aufgang des Löwen unterzugehen beginnt, der Untergang dauert 37/8 Stunden, vom Aufgang des Löwen 261/2° bis zum Aufgang des Skorpions (II 2, 48 p. 160, 6. III 2, 8 p. 238, 1ff. Man., dazu Anon. II p. 116, 15, 118. 13. 26 M. Hygin. IV 12 p. 111, 5 Bu. Dittmann a. a. O. 16f.; nach Hygin. p. 110, 13 Bu. beginnt der Untergang bereits bei Aufgang des Krebses, dazu Dittmann 8 u. 17; ungenau ist auch die Angabe zum 2. Dekan der Jungfrau nach Ptolem. Cat. cod. astr. V 1 p. 163). Die Kulmination wird für verschiedene Sterne des K. von Hipparch gegeben (s. den Index bei Manitius), von andern Schriftstellern wird sie kaum berücksichtigt. In dem 2. Teukrostexte p. 43f. Boll und von Valens p. 68 Boll, p. 8, 7 Kr. wird die Kulmination des Schwanzes zu den Zwillingen erwähnt (dazu Boll 133); die untere Kulmination wird nirgends beachtet.

Zur Erklärung des Bildes wurde aus der Andromedasage das Seeungeheuer herangezogen und das K. mit den Sternbildern dieser Gruppe in Beziehung gesetzt. Wer zuerst das K. mit diesem Sagenkreis in Verbindung brachte, ist kaum mit Gewißheit anzugeben. Arat setzt die Sternsage voraus, er nennt das K. v. 629 μέγα δεῖμα der Andromeda, läßt es v. 354 auf dieselbe eindringen, und v. 357 heißt es οἱ ἐχθρόν. Daraus schloß Voss in den Anmerkungen S. 68ff., daß Eudoxus das K. mit dem ganzen Fabelkreis eingeführt, ja vielleicht selbst zuerst diese noch namenlosen Gruppen im Sinne des Mythos zu Bildern geordnet habe. Wir dürfen mit dem Zeitansatze auf Grund der Angabe in Catast. cap. 36 zweifellos höher hinauf gehen. Hier wird ausdrücklich betont, daß Sophokles in der Andromeda die Verstirnung des K. und Perseus erzählt. Diese Bemerkung ist vielfach beanstandet worden (Welcker Griech. Trag. II 350, weitere Literatur bei Windisch 67); man hat die Unwahrscheinlichkeit dieser Nachricht, daß Sophokles den Katasterismus ausgesprochen habe, einmal mit dem Hinweis zu begründen gesucht, daß dieser Zusatz bei Hygin und den Scholien zu Germanicus fehlt (s. Catast. p. 176 Rob.), ferner mit der ungeschickten Abschrift eines Schreibers, der die Worte ἱστορεῖ δὲ ταῦτα einen Satz zu spät setzte; endlich hat man in der Erzählung einen Irrtum des Eratosthenes erkennen wollen (so Windisch 68). Sämtliche Gründe sind kaum stichhaltig. Wie Windisch selbst zugibt, nennt auch Arat. latin. als Quelle für den Katasterismus des K. Sophokles. Dann sehe ich den Grund nicht ein, warum man nun eigentlich den Katasterismus, der doch ausdrücklich bezeugt wird, dem Sophokles absprechen muß. Wir müssen annehmen, daß der gestirnte Himmel vom 6. Jhdt. an das Interesse der Griechen besonders wachgerufen und neben einer astronomisch [370] nüchternen Bildung und Benennung der Sternbilder eine mythische frühzeitig eingesetzt hat. Wenn Kuglers Deutung des babylonischen Widders (s. o.) richtig ist, dann scheint es mir durchaus glaubhaft, daß mit anderen Sternbildern auch das K. von den Griechen bereits im 6. Jhdt. entlehnt und benannt wurde; wahrscheinlich hat seine mythische Erklärung bereits vor Sophokles in einem astronomischen Lehrgedichte gestanden. Im einzelnen sei hingewiesen auf die Ausführungen von Robert 246. Rehm Mythogr. Unters. 43. Kuhnert Roschers Myth. Lex. III 1995. 1998. 2020.

Die Sternsage des K. wird kaum variiert, andere Sagenkreise sind überhaupt nicht herangezogen worden. La Lande a. O. 225 behauptet, der Hesionemythos sei auch auf K. bezogen worden; den Beweis dafür ist er uns schuldig geblieben, er dürfte sich auch kaum beibringen lassen. Gewöhnlich wird die Sage so gegeben, wie sie in den Katasterismen nach Sophokles gelautet haben soll: Poseidon sandte dem Kepheus das K. zur Strafe dafür, daß Kassiopeia mit den Nereiden ob der Schönheit (ihrer Tochter Andromeda) zu streiten wagte. Perseus tötete es, und zum Andenken an dessen Tat wurde es an den Himmel gesetzt. Nach den Schol. Germ. B. P. p. 98 Br. verstirnte es Iuppiter; Hygin sagt, es sei propter immanitatem corporis et illius virtutem unter die Sterne gekommen (astr. III 31 p. 71, 6 Bu.). Im Schol. Arat. v. 179 p. 372 M. heißt es, die Nereiden selbst hätten das K. gesandt. Eine poetisch schöne Schilderung des heranschnaubenden Ungeheuers und des Kampfes mit Perseus gibt Manil. V 580ff. Nach Arats Vorbild sieht man das K. am Himmel hingezaubert, wie es auf Andromeda zuschießt, vgl. Cic. Arat. 414 horribilis epulas ... requirens, Germ. 640 insequitur metuentis virginis ora; besonders anschaulich malt das Sternbild Manil. I 433ff. convolvens squamea terga orbibus insurgit tortis et fluctuat alvo, intentans morsum, und Andromeda zeichnet er I 356 als vastos metuentem, pristis hiatus. Seine Größe und sein Aussehen wird durch zahlreiche Epitheta hervorgehoben, vgl. μέγα κῆτος Arat. 354; fera pistrix Cic. Arat. 140. 275. 413; funesta pistrix ebd. 414; maxima pristis Germ. 640; squamigera pristis Germ. 390; pistrix horrifica Avien. II 825; belua dira ebd. 772; squalentia monstri terga ebd. 778; auf die Sternsage spielt die Nereia pristis Germ. 356. Avien. II 735 und Neptunia pistrix Cic. Arat. 436 an.

Diese Schilderungen weisen darauf, daß Arat bereits eine Darstellung des K. als Fischungeheuer gekannt haben muß. Er hebt hervor den Schwanz, die Rückenflosse (λοφιή 632. 720) und das Rückgrat. Auch seine Übersetzer betonen diese Einzelteile; Hipparch erwähnt ebenfalls die Rückenflosse (s. o.). Aus dem Worte λοφιά (= crista) schloß Windisch 42f., daß bereits Arat das Sternbild als Meerdrache mit zwei Füßen und Flügeln vorgeschwebt habe, da beide Bezeichnungen von Fischen nicht angewandt würden. Die Begründung selbst ist hinfällig, da beide Worte die Rückenflosse des Delphins bezeichnen können (Diodor. III 41, 4. Sol. 32. 26. Ammian. XXII 15, 18). Vielmehr muß die [371] ältere Darstellung des Sternbildes ein haifischartiges Ungeheuer gewesen sein etwa in der Art, wie das K. auf der Hydria im Berliner Museum erscheint (Kuhnert Roschers Myth. Lex. III 2053 Fig. 11; zu dem Kampfe mit ähnlichen Fischungeheuern Keller Antike Tierwelt I 413f.). Darauf weist besonders der Umstand, daß Cicero u. a. das Sternbild pistrix, d. h. Schwertfisch und nicht etwa Meerdrache nennen. Und Manilius zeichnet deutlich ein walfischartiges Ungetüm, nicht aber einen Drachen V 580, vgl. dazu Keller a. O.; auch seine astrologischen Deutungen setzen wie die des Teukros das K. als einen Riesenfisch voraus. Ptolemaios synt. VIII 1 p. 130 Heib. schildert einen großen Raubfisch, nicht einen Drachen, wie Windisch behauptet. Diese vermutlich älteste Darstellung des Sternbildes findet sich im Monac. latin. 560 Thiele 158, im Vatican. 643 und Regin. 123 abgebildet bei Saxl Taf. VII; auch auf dem pergamenischen Altar ist nach Robert Hermes LVIX (1911) 242 das Sternbild mit Fischleib und großem Fischkopf, d. h. dem Kopfe eines K. zu sehen. Später muß dann auf Globen der Drachentypus entstanden sein, wie er z. B. auf dem Farnesischen Globus erscheint Thiele 20. 36. 124 Taf. IV. Hier ist K. mit Hunderachen dargestellt, geflügelt und mit zwei Vorderpranken; literarisch ist diese Auffassung des Sternbildes nicht zu belegen – die intorta cauda bei Germ. 497 spricht nicht unbedingt für den Drachentypus. Vorderfüße des K. werden von Ptolemaios in dem Texte des Abu Ma'šar zum 3. Dekan des Widders genannt p. 499 Boll, nach dem griechischen Texte cat. cod. astr. V 1, 158. 21 wird dagegen das Stirnhaar bezeichnet. Diese Abbildung muß sich aber großer Beliebtheit erfreut haben, vgl. die Ausführungen von Thiele a. O. Rehm S.-Ber. Akad. Münch. 1916, 3 S. 39 Fig. 3. Ferner die Darstellung auf arabischen Globen Meucci a. O. Winckler Der alte Orient III 2, 51; dazu Saxl a. a. O. Taf. XXI, wo das K. als Krokodil mit zwei Vorderfüßen und gewundenem Fischschwanz dargestellt ist.

Von den Astrologen wird K. wie auch die übrigen Sternbilder außerhalb des Tierkreises wenig zu Deutungen herangezogen. Asklepiades von Myrlea erwähnt es nicht. Was uns Teukros und Antiochos an astrologischen Ideen berichten, sind wohlfeile Kombinationen aus dem Namen und dem Mythos des Sternbildes. Nach Teukros bedeutet er im Aufgang Säufer und Fresser, Gefängniswärter, Räuber, Einsalzer, Magazinverwalter, Geizhälse und Siegelfälscher (p. 41 und 51 Boll). In der Kulmination ist seine Wirkung identisch mit der des Herakles oder des Schwans, er deutet hier auf Änderung alter Verträge, immer glückliche Athleten, Räuber, unbeständige Geister, die über ihre Verhältnisse leben (p. 43, 24ff. 44, 23ff. Boll). Etwas weiter spannt seine Folgen Manilius V 657ff. aus; im Aufgange bringt er Fischer hervor, die hauptsächlich dem Fang der Thunfische mit Schleppnetz obliegen oder diese mit Lanzen töten und sich mit der Konservierung und der Verarbeitung derselben zu kostbaren Saucen befassen. Weiter erzeugt er Leute, die sich mit der Gewinnung des Salzes und der [372] Anlage von Salzgärten, die von Manilius besonders beschrieben wird, zu schaffen machen. Firmicus erweitert den Beruf der Fischer: hi enim focas canes marinos xifias thynnos corcodillos capient, auch läßt er außerdem Salzhändler unter dem K. geboren werden (VIII 17, 5). Den Untergang erwähnt nur Firmicus; es sind dies die üblichen Todesprognosen, die er auch beim Untergange der anderen Sternbilder anzieht: der Neugeborene wird, wenn er im Flusse oder im Meere schwimmt, von Krokodilen, Haifischen oder anderen großen Fischen gefressen werden, wofern Mars im Horoskope steht (VIII 17, 5). – Seine Sterne sind nach Ptolemaios tetrab. I 9 saturninisch, d. h. sie haben dieselbe Kraft und das Temperament Saturns. Diese Gleichsetzung ist ebenso wie die Verteilung der übrigen Sternbilder an einzelne Planeten astrologisch nicht weiter ausgearbeitet worden; sie geht im Grunde auch nicht auf astrologische Ideen, sondern auf astronomische Beobachtungen der Farbe der einzelnen Sternbilder zurück (Boll Abh. Akad. Münch. a. O.). – Einige mäßige Notizen über die Wirkung des K., das in drei große Teile zerlegt wird, je nach der Konjunktion mit Mars, Venus oder Merkur, gibt Firmicus VIII 30, 12.