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ADB:Johann (Erzherzog von Österreich)

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Artikel „Johann, Erzherzog von Oesterreich“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 281–305, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_(Erzherzog_von_%C3%96sterreich)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 19:49 Uhr UTC)
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Johann, Erzherzog von Oesterreich, deutscher Reichsverweser vom 29. Juni 1848 bis 10. December 1849, wurde am 20. Januar 1782 als neunter Sohn des Großherzogs Peter Leopold von Toscana und der Maria Ludovica, Tochter des Königs Karl III. von Spanien, zu Florenz im Palaste Pitti geboren. Der Großherzog Leopold hatte außer dem Prinzen J. noch 15 Kinder, von denen hier als des Prinzen ältere Geschwister Franz, der nachmalige Kaiser von Oesterreich und der letzte römisch-deutsche Kaiser, Ferdinand, und Karl, der ruhmvolle Sieger von Aspern, und als jüngere die Prinzen Rainer, Ludwig und Rudolf angeführt seien. Großherzog Peter Leopold, Johanns Vater, ist durch die großartigen echt humanen Reformen, welche er in seinem Staate vollzog, ein Regenerator des gesammten politischen, socialen und kulturellen Lebens daselbst im besten Sinne des Wortes geworden. Als Sohn des Großherzogs Franz Stephan von Toscana und der Kaiserin Maria Theresia, hatte er 1763 die Regierung des Großherzogthums übernommen und bis zum Ende derselben aufs segensreichste im Lande gewaltet. Hatte Erzherzog J. auf diese Weise von väterlicher Seite das edelste Vorbild, so war die Großherzogin Maria Ludovica zugleich die beste Mutter ihrer zahlreichen Familie, Vorzüge des Geistes paarten sich in ihr mit der innigsten Liebe zu ihren Kindern, deren Erziehung sie selbst leitete und bestimmte, sie war nach den Worten ihres Sohnes J. „ein Muster weiblicher Tugenden“. Der Prinz wurde in Florenz in Gemeinschaft mit dem älteren Bruder Anton und mit der ebenfalls älteren Schwester Amalie erzogen und zwar war meistens weiblichen Händen die Erziehung anvertraut. [282] Seine Muttersprache war die italienische, später kam dazu etwas Französisch; als er fünf Jahre erreicht hatte, wurden ihm von einer deutschen Kammerfrau aus einem angesehenen Bürgerhause Nürnbergs auch Kenntnisse im Deutschen beigebracht, Geographie und Geschichte waren die ersten Wissenschaften, aus denen er bald darauf die Anfangsgründe kennen lernte; die Naturwissenschaften erregten ebenfalls die Aufmerksamkeit des Knaben, zumal sich sein Vater viel mit Chemie beschäftigte, ein eigenes Laboratorium besaß und der Prinz sich nicht selten darin in Gesellschaft desselben befand. Als J. sechs Jahre alt war, übernahm die Erziehung als Obersthofmeister der willensstarke Marquis Manfredini, ein Italiener. Er unterrichtete den Prinzen in den classischen Sprachen, ein Deutscher setzte den Unterricht in den humanistischen und exacten Wissenschaften fort. Bald darauf im Jahre 1790 starb Kaiser Josef II. kinderlos und sein Bruder Leopold wurde berufen, an seine Stelle zu treten. Leopolds Familie übersiedelte jetzt nach Wien und mit ihr langte J. am 13. Mai 1790 in der österreichischen Hauptstadt an. Noch wohnte J. am 6. October desselben Jahres der Krönung seines Vaters zum römischen Kaiser in Frankfurt a. M. und den Krönungen desselben in Preßburg und Prag bei, allein bald darauf verlor er Vater und Mutter in einem Jahre, am 1. März 1792 starb Leopold, am 15. Mai die Kaiserin Ludovica. Johanns ältester Bruder gelangte jetzt als Kaiser Franz I. zur Regierung und setzte die Erziehung der jüngeren Erzherzoge fort, die von nun an in ihm das Familienoberhaupt ehrten; die Oberaufsicht über diese Erziehung führte der General Freiherr v. Hager, ein bewährter Held aus den Türken- und Preußenkriegen, demgemäß aber auch ein streng militärischer Charakter, der auf die militärische Ausbildung der Prinzen, wie es auch des Kaisers Wunsch war, großes Gewicht legte; es wurde sechs Stunden lang am Tage exercirt und J., wie die übrigen Brüder mußten sich zur größten Einfachheit bequemen, diese wurde ebenso in der Kleidung bewahrt, wie in der Nahrung. Auch andere Lehrgegenstände mußten jedoch neben den militärischen gepflegt werden, die classischen Sprachen und die modernen Weltsprachen traten unter diesen in den Vordergrund, weniger berücksichtigte man die historischen Studien und die Naturwissenschaften, gerade für diese Disciplinen aber legte der jugendliche Prinz großes Interesse an den Tag und verwendete, soweit ihm dies möglich war, seine karg zugemessenen freien Stunden zu ihrer Pflege. Inzwischen war der Krieg mit Frankreich ausgebrochen, er drohte immer größere Dimensionen anzunehmen, die Niederlande und Italien wurden zum Schauplatze desselben. Napoleon Bonaparte tauchte auf und begann eine Rolle zu spielen. Erzherzog Karl, Johanns Bruder, bewirkte allerdings im J. 1796 den Rückzug der republikanischen Armeen über den Rhein, aber schon im nächsten Jahre mußte auch dieser Held vor dem neuen Kriegsglück der Franzosen zurückweichen, es kam nach dem Präliminarvertrag von Leoben am 17. October 1797 zu dem Frieden von Campo Formio. J. hatte noch keine thätige Antheilnahme an diesen Kämpfen aufzuweisen, seine Erziehung wurde im gleichen Sinne, wie eben erwähnt worden, fortgesetzt. Er machte im J. 1796 eine Reise in die österreichische Gebirgswelt, wobei er auch Steiermark berührte, und lernte später einige Männer kennen, mit welchen er mehr verkehren durfte, ein Verkehr, der für seine Ansichten und seine ganze Geistesrichtung in der Folge wichtig geworden ist. Zu diesen Männern gehörte der Schweizer Schultheiß Steiger und der Geschichtschreiber Johannes v. Müller, welch’ letzterem der Prinz dem eigenen Geständnisse nach die Entwickelung seines Herzens und seines Geistes zumeist zu verdanken hatte. Joh. v. Müller stand seit 1792 als Hofrath der Staatskanzlei in österreichischen Diensten. Seine nähere Bekanntschaft dürfte der Erzherzog wol im J. 1798 gemacht haben; er kam seitdem häufig mit Müller [283] zusammen, erhielt von ihm Andeutungen, welche Bücher er lesen und wie er sich auf historischem Gebiete weiter ausbilden solle. J. seinerseits theilte dem Gelehrten eigene Arbeiten und Versuche zur Begutachtung mit und holte in allen Dingen seinen Rath ein. Müller liebte, wie er in einem Briefe an Bonstetten vom J. 1799 schreibt, „den vortrefflichen Jüngling achtungsvoll aufs zärtlichste“; er fügt in diesem Briefe bei: „nichts Schönes, Wahres, Edles ist ihm fremd, und er hat ein Herz und einen Muth, wie ich sie zum Glück der Völker allen Königen wünsche“. Trotz dieser edlen Gesinnungen des Geschichtschreibers, war dem Erzherzog der Verkehr mit ihm überaus erschwert, der Prinz selbst beklagt sich über die ununterbrochene Beaufsichtigung, die ihm zu Theil ward und die ein Ausfluß der argwöhnischen Regierungsweise Thuguts war; es gab Leute in der Umgebung Johanns, „die jedes Wort benutzten, um ihn anzuschwärzen und ihm Verdrießlichkeiten zu bereiten“, so daß J. selbst verschlossener und rückhaltsvoller auftreten mußte, als dies in seinem offenen geraden Naturell lag. Wie rege des Prinzen Verkehr mit Müller trotzdem war, weist eine interessante Publication nach, welche schon in den Ausgaben von Müller’s Werken erschienen ist, neuerlich aber im J. 1848, als sich die allgemeine Aufmerksamkeit dem Erzherzog wieder zuwendete, zum Wiederabdruck gelangte, nämlich die „Achtundvierzig Briefe … des Herrn Erzherzogs J. von Oesterreich an Johann v. Müller“ (Schaffhausen 1848). Diese Sammlung von Briefen, zumeist in französischer Sprache, zeigt das Zutrauen, die warme Hinneigung des Prinzen zu seinem gelehrten Freunde, alle diese Briefe athmen eine Hingebung zu demselben, eine Hochachtung vor dem scharfen durchdringenden Geiste, der schon den Jüngling mit Bewunderung erfüllte. In diesen Briefen tritt auch zuerst das große Interesse an den Alpenländern und Alpenvölkern hervor, welches für des Prinzen Charakter späterhin so bezeichnend geworden ist. Insbesondere ist es die Schweiz, für welche er die wärmsten Sympathien hegt und für J., den eigentlichen Gründer der Landwehr in Oesterreich, klingen die Worte prophetisch, welche er nach einer Aufführung der „Johanna v. Montfaucon“ mit Bezug auf den Inhalt des Stückes an Müller schreibt: „Il y a aussi une bataille, ou des paysans battent les soldats organisés. J’aurois voulu que cela n’eût pas été une comédie!“. In einem Briefe vom J. 1800 schildert der Prinz seine erste Reise nach Tirol und die vortheilhaften Eindrücke, welche dieselbe in ihm zurückgelassen. Seine Vorschläge, Ansichten und Meinungen über die Kriegsereignisse in den späteren Briefen sind überaus gereift und voll Einsicht, die Briefreihe beginnt mit dem J. 1799 und schließt mit dem J. 1806. Hier und da zeigt sich in diesen Briefen auch die Trauer darüber, daß es ihm, dem Prinzen des österreichischen Hauses, in Folge der Aengstlichkeit der befolgten Politik nicht vergönnt sei, aktiv in irgend einer Angelegenheit einzugreifen, dabei gipfelt aber das patriotische Gefühl des Erzherzogs in dem im J. 1805 niedergeschriebenen Satze: „Stets habe ich nur einen Zweck, auf diesen gründet sich mein gemachter Lebensplan, nämlich für den Staat und meinen Fürsten ganz zu sein, zu leben und zu sterben!“ Johannes v. Müller kam im J. 1804 mit dem Titel eines geheimen Kriegsrathes nach Berlin, da seine protestantische Religion ihm in Oesterreich schon eine schwierige Stellung zu bereiten begann. Wie angedeutet, stand er mit dem Prinzen noch bis 1806 in Correspondenz.

Der Wunsch des Erzherzogs, activ und selbständig, womöglich im Felde, auftreten zu können, sollte bald genug befriedigt werden, wenn auch in anderer Art, als er erwartet hatte. Im J. 1795 Inhaber des Dragonerregiments Nr. 1 geworden, das zumeist aus Steiermärkern bestand, wurde J. nämlich im September 1800 plötzlich zum Heere nach Baiern berufen und zum Armeecommandanten [284] ernannt, gleichzeitig aber wurde General v. Lauer dem jugendlichen Feldherrn beigegeben, dessen Anordnungen der letztere auf eine strenge Weisung hin seine Unterschrift nie zu verweigern hatte. Um die Lage des Prinzen beurtheilen zu können, genügen einige Blicke auf den Stand der kriegerischen Angelegenheiten. Nach dem Frieden zu Campo Formio trübte sich schnell wieder der politische Horizont. Bald hatte sich eine neue Coalition Englands und Rußlands, Neapels und Oesterreichs gegen Frankreich gebildet und nach dem Einrücken russischer Truppen in Mähren und Galizien wurde im März 1799 von Frankreich an Oesterreich der Krieg erklärt. Oesterreich war allerdings im Anfange Sieger, Erzherzog Karls Feldherrngenie und die Tapferkeit seiner Armee überwandten alle Schwierigkeiten, die Russen erfochten nicht minder Vortheile über die französischen Waffen, aber das Kriegsglück schlug nicht lange darauf um, Bonaparte errang den großen Sieg bei Marengo am 14. Juni 1800. Im südlichen Deutschland stand das österreichische Heer unter dem General Paul Frhrn. v. Kray, der von den Franzosen unter Moreau ebenfalls wiederholt geschlagen worden war. Ein Waffenstillstand erschien nothwendig, er war nebst einem Präliminarfriedensvertrage auch schon unterzeichnet, aber Oesterreich hatte den Subsidienvertrag mit England erneuert und der scheinbar so nahe Friede wurde wieder in die Ferne gerückt. Unter solchen Umständen ward Erzherzog J. zum österreichischen Heere nach Süddeutschland als Oberbefehlshaber berufen, im ungünstigsten Momente, denn das Heer war entmuthigt und J. hatte die undankbare Aufgabe, einem sieggewohnten Feldherrn gegenüber aufzutreten. Nicht zu verkennen war in dieser ganzen Anordnung der Einfluß Thugut’s, dem wol auch die unselbständige Stellung zur Last fällt, welche Erzherzog J. trotz seines Obercommandos durch die oben erwähnte Verfügung einnahm. Der jugendliche Feldherr zog über den Inn, errang allerdings am 1. December 1800 einen Vortheil, wurde aber am 3. December trotz aller Anstrengungen bei Hohenlinden geschlagen. Das Hauptcorps der Oesterreicher und Baiern, das unter heftigem Schneegestöber auf grundlosen Wegen, zum Theil durch waldige Gegend vorrücken mußte, war schon hierdurch im Nachtheile und wurde bald zum Wanken und Fliehen gebracht. An ein Verfolgen der Geschlagenen war freilich bei dem schlechten Zustande des Terrains nicht zu denken. Der Verlust der Oesterreicher betrug damals 8000 Mann, derjenige der Franzosen 5000 Mann an Todten und Verwundeten. Allerdings schadete dieses Unglück dem Ansehen des jugendlichen Feldherrn bei der Armee nichts. „Die Unerschrockenheit, Festigkeit und Ruhe des Geistes, die ihn mitten in den dringendsten Gefahren nie verließ, erwarb ihm die allgemeine Bewunderung und diese Vorzüge vereint mit Leutseligkeit, Freundlichkeit und echter Herzensgüte bewahrten ihm trotz allem Mißgeschicke die begeisterte Liebe der Truppen. Von opferfreudigem Muthe beseelt, leisteten sie, schon auf dem Rückzuge begriffen, selbst im Zustande der größten Erschöpfung dem siegreichen Heere Lecourbe’s bei Salzburg noch einmal ruhmwürdigen Widerstand“. Bald darauf übernahm Erzherzog Karl wieder das Obercommando und der Friede von Luneville am 9. Februar 1801 machte vorläufig den weiteren Feindseligkeiten ein Ende.

Der richtige Blick, welchen Erzherzog J. bei allem Mißgeschicke in seinen Operationen und Anordnungen bewährt hatte, war dem Erzherzog Karl aufgefallen und sein kaiserlicher Bruder ernannte ihn daher auf Karls Vorschlag, zumal J. das Land und Terrain in Oesterreich genau kannte, zum Generaldirector des Genie- und Fortificationswesens. In dieser Eigenschaft besuchte J. denn auch im September 1800 Tirol und betrat dabei dieses Land, an das ihn später so wichtige Beziehungen knüpfen sollten, zum ersten Male. „Mon voyage en Tyrol“, schrieb er damals an Müller, „m’a infiniment satisfait. J’ai trouvé [285] un pays entouré de hautes montagnes, contenant de larges et belles vallées et de superbes Alpes“. – „Le peuple excellent, les états tout de même“ etc. So war der erste Eindruck, den das großartige Gebirgsland auf den Prinzen machte, ein gewaltiger und unauslöschlicher. Er besichtigte das Land genau und eingehend, insbesondere wegen der militärischen Wichtigkeit, welche das gebirgige Terrain zweifellos erlangen sollte und wirklich erlangte, wie die Folge auswies. In Tirol lernte der Prinz den General Marquis Chasteler kennen und den damals noch jugendlichen Josef v. Hormayr, welch’ letzteren schon Briefe Johannes v. Müller’s dem Erzherzog auf das wärmste empfohlen hatten. Beide Männer machten den Prinzen auf die zu Befestigungen wie geschaffene Natur des Landes aufmerksam, Chasteler bezeichnete sogar die einzelnen wichtigen Punkte und schon im folgenden Jahre bereiste J. nochmals eingehend das Alpenland und entwarf jenes Befestigungssystem, welches leider erst viel später zur Ausführung kommen sollte, da man seine Inangriffnahme damals nicht für nothwendig hielt. Auch auf die übrigen Alpenländer dehnte J. seine militärischen Bereisungen aus, erkannte mit scharfem Blicke an vielen Punkten die Nothwendigkeit vorzunehmender Fortificationen und veranlaßte allerorts genaue Aufnahmen. So besuchte er Salzburg, die Gebirgsgegenden[WS 1] Steiermarks, Ober- und Niederösterreichs und das Resultat dieser militärwissenschaftlichen Reisen war ein ausführlicher, genau entworfener Plan, nach welchem die österreichischen Alpenländer, an und für sich schon durch ihre Lage und Bodenbeschaffenheit geschützt, gegen jedes Eindringen von Feinden sicher gestellt werden sollten, Tirol selbst war bestimmt, eine Art von Grenzwall zu bilden, dem Befestigungen an verschiedenen Punkten die höchstmögliche Sicherheit gewähren sollten. Dieser Plan wurde freilich leider vom Hofkriegsrathe verworfen, trotzdem er überaus durchdacht, die vorzüglichsten Bürgschaften zum Schutze des Reiches bot. Der Erzherzog sollte – ebenfalls nach des Hofkriegsraths Bestimmung – nur eine Landwehr in Tirol errichten und wurde in Bezug darauf mit weitergehenden Vollmachten ausgestattet. In diese Zeit ungefähr fällt auch der Verkehr des Prinzen mit dem hochbegabten, aber in seinem Charakter und in seinen Ansichten so sehr schwankenden und schwachen Staatsmann Friedrich v. Gentz, der von Berlin nach Wien berufen in der Hofkanzlei als Hofrath überaus einflußreich und thätig war. Gentz war es, der den Erzherzog bezeichnete als „voll großer und wahrhaft königlicher Gesinnungen, so fest, so klar, so besonnen“, daß er ihn nicht genug bewundern könne. Die Politik, welche Gentz verfolgte, war auf einen neuen Krieg mit Frankreich gerichtet; seit dem Kaiserthume Napoleons I. glaubte Gentz, daß um jeden Preis der für Oesterreich überaus drohenden Lage der Dinge ein Ende gemacht werden müsse, und suchte nach einer Persönlichkeit, welche den Monarchen selbst, der friedliebend jeden neuerlichen Zusammenstoß vermeiden wollte, beeinflussen konnte. Diese Persönlichkeit glaubte Gentz in Erzherzog J. gefunden zu haben, der Erzherzog selbst theilte im Princip die Ansichten des Staatsmannes, insbesondere aber die Antipathie gegen das Regime des Gewalthabers auf dem französischen Kaiserthrone. Ihm überreichte daher Gentz jene genial gearbeitete Denkschrift, welche vom 4. September 1804 datirt, eine Uebersicht der gesammten politischen Weltlage und eine scharfe Kritik des Vorgehens und politischen Verhaltens der einzelnen Regierungen Frankreich gegenüber enthielt (vollständig abgedruckt bei A. Fournier, „Gentz und Cobenzl. Geschichte der österreichischen Diplomatie in den J. 1801–1805“). Die Schrift gipfelt in dem Gedanken des Zusammengehens Oesterreichs mit Preußen oder, falls dies nicht ermöglicht würde, mit Rußland und England, in letzter Linie mit Frankreich, „ein Bündniß mit Napoleon wäre freilich ohne Aufgeben der eigenen Selbständigkeit nicht möglich“ und „es wäre das Todesurtheil der anderen [286] deutschen Hauptmacht und damit die selbstmörderische Vernichtung jener letzten Hoffnung auf eine Gesammterhebung Deutschlands“. – Erzherzog J. faßte den Gedanken einer Allianz zwischen Oesterreich und Preußen, der ja längst auch in ihm geschlummert hatte, sofort auf, er sah in dieser Vereinigung eine Nothwendigkeit und erhoffte dies Ziel „von einer persönlichen Verständigung der beiden Monarchen“. Die „Kriegsparthei“ ward nun immer größer und einflußreicher und es dauerte in der That, nachdem Gentz’ Memoire schon in die Hände der Staatsmänner gelangt war, nicht lange mehr, daß sie nach dem Sturze des Ministers Cobenzl ihre Absichten durchsetzte, allerdings noch nicht ganz in dem Sinne, welcher aus der Denkschrift Gentz’ sprach. Es kam zur Coalition Rußlands und Englands, der Oesterreich seit dem 9. August 1805 beigetreten war und der Krieg erschien somit entschieden. Die Regierung war darauf bedacht, die Erzherzoge Karl und J., welche Graf Cobenzl fürchtete, aus Wien zu entfernen. Erzherzog Karl erhielt den Befehl über die Südarmee in Italien, Erzherzog J. sollte in Tirol das Commando führen. Als er aber in Tirol anlangte, wurde er ohne Vollmachten gelassen. Er selbst schreibt darüber: „Ungeachtet meiner dringenden Bitten, Briefe und Beschwerden erhielt ich sie erst dann, als der Feind vor Ulm stand“. In Ulm aber wurde am 14. Oct. 1805 der Theil der österreichischen Armee, welchen General Mack befehligte, von den Franzosen eingeschlossen und mußte am 20. October die Waffen strecken. Im Süden dagegen war das Kriegsglück den Oesterreichern hold, die freilich ein Feldherr, wie Erzherzog Karl, zum Siege führte. Bei Caldiero kam es zum Zusammenstoße, der mit dem Rückzug der Franzosen endete. Erzherzog J. hatte in Innsbruck das Obercommando übernommen und, nachdem man nun an dem Vorrücken der Franzosen nicht mehr zweifeln konnte, sofort die Pässe des Landes in Vertheidigungszustand versetzt. Allein zu rasch drang das französische Heer ins Land, die Pässe gegen Salzburg zu waren zum Theil durch Verrath schon bewältigt und genommen worden und sogar den wichtigen Paß Scharnitz hatte seine Besatzung vor den Franzosen geräumt. Die ungünstigen Vorgänge im Norden zwangen auch Erzherzog Karl im Süden zum Rückzuge, Erzherzog J. verblieb vorläufig im Herzen Tirols, er wollte auf dem Brenner seine ganze Macht zusammenziehen und also concentrirt bis gegen das feindliche Hauptquartier die Vorposten rücken lassen, ferner sich noch mit einzelnen im Lande befindlichen Corps vereinigen. In Innsbruck war inzwischen General Ney eingerückt; ihn beabsichtigte J. anzugreifen und womöglich zurückzuwerfen. Diesem Plane traten aber bald die Befehle des Generalissimus Erzherzog Karl entgegen und der Prinz mußte sich mit seinen Truppen über den Brenner und durch das Pusterthal zurückziehen, um so rasch als möglich mit Karl zusammenzutreffen. Ebenso mußte sich General Hiller, dessen Corps in Südtirol gestanden hatte, den Truppen Johanns anschließen. Schweren Herzens verließ J. das Land, welches er dem sicheren Verderben preisgegeben sah. Zu Bruneck im Pusterthale und schon zuvor in Sterzing hatte er von „seinen Tirolern“ den letzten Abschied genommen. „Herzzerreißend“, schreibt Hormayr in seiner „Geschichte Andreas Hofers“, „war in der herben Trennungsstunde zu Sterzing, zu Brunecken der Schmerz. Unter denen, die ihm – dem Erzherzoge – als Abgeordnete ihrer Gemeinde den Handschlag gaben, für die Wiedervereinigung Tirols mit Oesterreich dereinst wieder Alles zu wagen, befand sich auch der Sandwirth Andreas Hofer“. Und der Artikel 8 des am 27. December 1805 geschlossenen Preßburger Friedens gab denn auch Tirol und Vorarlberg an das mit Frankreich verbündete Baiern, welchem Staate es freilich nicht lange angehören sollte. Der Prinz zog nun durch das Pusterthal weiter, erreichte, lange noch von General Ney verfolgt, Villach und Klagenfurt, durchzog das Drauthal und überstieg dann den gewaltigen [287] Loibel, der die Grenze zwischen Kärnthen und Krain bildet und der kalten Witterung, sowie der starken Schneefälle wegen, welche Weg und Steg beinahe unpassirbar machten, ein sehr schweres Hinderniß bei der Fortsetzung des Zuges bot. Erzherzog Karl war inzwischen seinerseits in Laibach eingetroffen, woselbst sich die beiden Armeecorps vereinigten, und die Erzherzoge beschlossen, gegen Wien in möglichster Schnelligkeit vorzurücken. Der Marsch erfolgte über Marburg, aber man war noch einige Tagemärsche von der Residenz entfernt, als schon die Nachricht von der am 2. December geschlagenen Schlacht bei Austerlitz eintraf, welche den eben erwähnten Friedensschluß zur Folge hatte. –

Es ist bekannt, daß die Ruhe, welche der Preßburger Friede gebracht, nur eine scheinbare war; ganz Europa erschien in Gährung begriffen und Jedermann ahnte, daß der letzte Kampf noch lange nicht gekämpft sei, wenn auch vor dem nun herrschenden Willen Napoleons die Staatsmänner und selbst die Monarchen sich beugen mußten. Der Erzherzog J. hatte in den vorhergegangenen Kriegen sein Bestes gethan, selten aber war ihm, wie sich gezeigt, Gelegenheit geboten, seine eigenen Pläne und Absichten durchzusetzen. Um die Verdienste jedoch anzuerkennen, welche er sich insbesondere bei der Organisirung der Miliz und bei der ganzen Führung des Kampfes, soweit sie ihm überlassen war, ohne Frage erworben hatte, wurde dem Prinzen das Commandeurkreuz des militärischen Maria Theresienordens verliehen. Mißmuthig und traurig wegen des Zustandes der Erniedrigung, in dem sich sein Vaterland befand, kehrte J. nach Wien zurück. Er blieb nicht unthätig, sondern verfaßte ein Memoire über das weitere Vorgehen Oesterreichs und überreichte dasselbe zu Anfang des J. 1806, aber auch diesmal, ohne daß seinen Ausführungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Unthätig blieb er jedoch darum nicht. Er verfolgte mit scharfem Blicke alle Weltvorgänge, er correspondirte aus dem durch seinen Aufenthalt daselbst historisch merkwürdig gewordenen Tiroler Hause in Schönbrunn mit hervorragenden Geistern Deutschlands, insbesondere auch tauschte er mit Johannes v. Müller seine politischen Ansichten aus. Diese gipfelten immer in dem Hinweise auf die Wichtigkeit des Zusammengehens Oesterreichs, Preußens und Rußlands; mit warmer inniger Vaterlandsliebe setzte er Müller’n seine Projecte auseinander. Dabei beschäftigte er sich mit geisterhebender Lectüre, Müller’s Schweizergeschichte, Herder’s Cid waren seine Lieblingsbücher. Er wandte insbesondere auch in dieser Periode sein Augenmerk auf jene Alpenländer Oesterreichs, für die er immer eine besondere Vorliebe empfunden hatte. Sein Lieblingsland Tirol, zu seinem tiefen Schmerze in feindlichen Händen, war ihm verschlossen; aber er studirte die übrigen von den norischen Alpen durchzogenen Gebiete, unternahm Reisen und Bergbesteigungen daselbst und beschäftigte sich neben den militärischen Beobachtungen und Aufzeichnungen hierbei auch noch mit anderen wissenschaftlichen Untersuchungen mineralogischer oder botanischer Art. Der Erzherzog veranlaßte auch Maler, Geschichts- und Naturforscher, mit denen er in ununterbrochenem Verkehre stand, ihre Aufmerksamkeit ebenfalls diesen Gebieten zuzuwenden, und dem hierdurch entstandenen regen Forschungsleben verdankt die Wissenschaft manche werthvolle Bereicherung, die Kunst manche großartige Schöpfung. Von jenem Zeitpunkte an lenkte der Erzherzog auch zuerst seine Blicke eingehender auf Innerösterreich, nämlich auf die Provinzen Kärnthen, Krain und Steiermark, für welch’ letzteres er in der Folge von so großer geradezu epochemachender Bedeutung, freilich nicht auf dem blutigen Gebiete des Krieges werden sollte. Was Tirol anbelangt, so bereitete sich langsam aber desto sicherer die allgemeine Erhebung daselbst vor, der Erzherzog galt, obgleich dem Lande ferne, als der oberste Schützer derselben, die Tiroler Abgesandten [288] verkehrten in Wien vielfach mit ihm und in seinem Namen wurden die geheimen Befehle und Verordnungen erlassen, welchen nachzukommen sich Niemand weigerte. Auch Andreas Hofer befand sich unter diesen Abgesandten des im Herzen dem alten Kaiserhause treugebliebenen Volkes und besprach mit dem Prinzen die Vorkehrungen für ein offenes Auftreten gegen das mißliebige Regiment.

Der Verlauf der heldenmüthigen Kämpfe in Tirol ist bekannt. Als nach dem Schönbrunner Frieden des Erzherzogs Aufforderung an die Tiroler, den Krieg nicht weiter fortzusetzen, erschien, und als Hofer in Mantua unter den Kugeln seiner Schergen sank, war der Kampfesmuth der Tiroler freilich gebrochen. – Das J. 1809 aber war für den Prinzen, der nun wieder in die Action treten sollte, ein viel bedeutendes. Der Krieg gegen Frankreich brach wieder aus und das denkwürdige Manifest vom 15. April 1809 enthielt die bedeutsamen Worte: „Unsere Sache ist die Sache Deutschlands“. Graf Philipp Stadion erschien nun als Leiter der österreichischen Politik, ihm war auch die Kräftigung des gesammten Volksgeistes zu verdanken, welche sich schon vor Ausbruch des Krieges bemerkbar machte. An der Spitze der Militärverwaltung stand Erzherzog Karl schon seit einigen Jahren, dem Erzherzog J. beigegeben war. Durch diesen waren inzwischen auch die Landwehren der übrigen Provinzen des Reiches organisirt worden, wie überhaupt das Landwehrinstitut seiner ganzen Anlage nach bis in die kleinsten Details in Oesterreich eine Schöpfung Johanns genannt werden muß, welche für die Folge von der größten Wichtigkeit geworden ist. Bei dem nun ausgebrochenen Kampfe hatte Oesterreich über 300 000 Streiter aufgestellt. Dem Erzherzog J. war der Oberbefehl über die etwa 80 000 Mann starke Südarmee, welche gegen den Vicekönig Eugen Beauharnais operiren sollte, übertragen. Erzherzog Karl befehligte das Hauptheer in der Stärke von 200 000 Mann, welches Napoleon direct entgegenzutreten bestimmt war. Sein unglaubliches Kriegsglück blieb dem Franzosenkaiser treu und Erzherzog Karl konnte keine feste Stellung gewinnen, wurde vielmehr immer weiter zurückgedrängt. Anfangs März zog J. nach Süden, am 7. April traf er zu Villach in Kärnthen ein und stellte sich an die Spitze seiner Truppen. Er hatte seine Ansichten über die Führung des Kampfes schon einige Tage vor seiner Abreise von Wien in einem Vortrage ausgesprochen, in dem es u. A. hieß: „Italien ist der Zweck, der vorgesetzt ist. Tirol hängt damit zusammen. Wohin die ersten Schläge geschehen müssen, ob nach Tirol oder Italien, wird die Stellung der feindlichen Hauptstärke bestimmen; denn dieser zuerst entgegenzutreten, um durch einen ihr beigebrachten Streich sich den Weg zu bahnen, ist nothwendig …. In Kärnthen werden die Streitkräfte sich sammeln, gleich fähig nach Tirol durch das Drau- und Geilthal oder nach Italien durch die Pontebba und den Predil auszubrechen, je nachdem des Feindes Kraft in einem oder dem anderen dieser Länder steht“. In diesem Sinne begann der Erzherzog von Villach aus auch seine Operationen. Feldmarschalllieutenant Chasteler wurde mit Hormayr, der ihm als Intendant beigegeben wurde, nach Tirol entsendet. Der Erzherzog selbst wandte sich gegen Italien, da hier die Hauptmacht des Vicekönigs sich befand. Hormayr und Erzherzog J. selbst haben anonym eine genaue fachgemäße Schilderung des ganzen nun folgenden Feldzugs veröffentlicht, eines der interessantesten Werke der zeitgenössischen Kriegsgeschichte. Das Buch erschien im J. 1817 bei Brockhaus in Leipzig unter dem Titel: „Das Heer von Inneröstreich unter den Befehlen des Erzherzogs Johann im Kriege von 1809 in Italien, Tyrol und Ungarn. Von einem Stabsoffizier des k. k. Generalquartiermeister-Stabes eben dieser Armee“. Die „Armee von Innerösterreich“ bestand anfangs April aus dem 8. und 9. Corps, etwa 73 000 [289] Mann umfassend. Während Chasteler nach Tirol vorrückte, wählte der Erzherzog mit der Hauptarmee den Weg über den Predil an der kärnthner Grenze nach Cividale, weil dieser als der kürzeste, am wenigsten Schwierigkeiten darbietende Weg erschien und man annehmen konnte, der Feind werde eine andere Angriffslinie erwarten. Der Zug über den Predil bot freilich außerordentliche Schwierigkeiten dar. Es hatte 8 Tage lang ununterbrochen geschneit, alle Wege waren mehr als mannshoch mit Schnee bedeckt, ein heftiger Sturmwind wehte. Aber die ärgsten Schwierigkeiten wurden überwunden, Geschütz, Munition, kurz Alles wurde herübergebracht, bloß einige Wagen stürzten in die Abgründe des zerklüfteten Gebirges. Nach 16stündigem Marsche stand man am 10. April Abends bei Karfreit, im Regen und Schnee wurde die Nacht zugebracht. Dem Obersten Volkmann war die Weisung ertheilt worden, um die Bewegung der Hauptarmee zu markiren, über Pontebba hinaus vorzurücken, dem General Gavasini aus demselben Grunde, den Isonzo zu überschreiten. Vom 10. auf den 11. war der Fluß überschritten und der Feind überrumpelt. Volkmann drang gegen Venzone im Thal des Tagliamento vor, nahm den vom Feinde besetzten Ort und stand nun dem französischen General Broussier gegenüber, der eine bedeutend stärkere Macht entwickelte. Aber Volkmann wußte das Terrain zur Deckung der Seinen zu benützen, so daß nach neunstündigem Gefechte die Franzosen sich zurückzogen. Der Vicekönig richtete nun sein ganzes Augenmerk auf das Tagliamentothal. Inzwischen war der Erzherzog mit seiner Hauptmacht durch das Natisonethal nach Cividale vorgedrungen, schon am 12. war er in Udine. Am 15. April stieß man bei Pordenone auf die Vorhut des Feindes, wobei nur die Tapferkeit der Seinen den Erzherzog, der sich zu weit vorgewagt, vor der Gefahr der Gefangenschaft errettete, das Treffen daselbst, zu dem es nun gekommen, brachte dem Feinde große Verluste an Todten und Gefangenen, etwa 3000 Mann, bei. Die Hauptmacht des Feindes aber stand bei Sacile und es war vorauszusehen, daß es hier zu einem heftigen Zusammenstoße kommen würde. Die Franzosen zählten 42 Bataillons und drei starke Brigaden Reiterei, die österreichischen Truppen bestanden in etwa 36 000 Mann. Als die Meldung eintraf, die Dörfer Porcia und Talponedo seien vom Feinde besetzt, die Vorhut, welche unter General Frimont stand, könne sich nicht mehr halten, beorderte der Erzherzog den Grafen Colloredo mit seiner Brigade zum Vorrücken. Das Regiment St. Julien kam zuerst zum Angriff. Colloredo vertrieb den Feind aus Talponedo, hinter Porcia wurde eine Brigade Batterie aufgeführt. Trotz des wüthendsten Angriffes von Seite des Feindes behielten die Oesterreicher diese Stellungen bei, ein langwieriges und mörderisches Gefecht entspann sich. Dreimal gelang es dem Feinde, seine Uebermacht nach Porcia zu werfen, dreimal wurde er daraus vertrieben. Inzwischen rückte der feindliche General Grenier gegen Porcia vor und stellte seine Truppen bei Ronche, Villadolt und Fontanafredda auf, beim letzteren Orte schloß sich General Brussier zur Linken Grenier’s an. Aber die Hauptmacht der Oesterreicher war bisher noch gar nicht ins Treffen gekommen. General Gajoli vereinigte sich nun mit Volkmann und Frimont, die Brigaden Kalmaffy, Gavasini und Marziani und die Dragonerregimenter wurden entsendet, um die Zugänge nach Sacile zu sperren. Es rückten nun drei Bataillons unter Volkmann’s Commando gegen Villadolt und Fontanafredda, nach mehrmaligem Vordringen und Zurückweichen wurden Ronche und Villadolt genommen. Mit den Franzosen zugleich drangen die Oesterreicher in Fontanafredda ein, verdrängten den Feind aber rasch und behaupteten den Ort. Vor diesem war jetzt dessen ganze Streitmacht versammelt, aber die Oesterreicher waren nicht zum Wanken zu bringen. Der Versuch von Seite des Feindes, mit vier Bataillons und starker Reiterei die Oesterreicher zu umgehen, [290] mißlang ebenfalls, da General Wolfskehl mit den Dragonerregimentern Savoyen und Hohenlohe die feindliche Abtheilung umzingelte und nach lebhafter Gegenwehr in die Flucht trieb, welche bald allgemein wurde und sich gegen Sacile zu wandte. So wurde der Feind auf allen Punkten geworfen, Nachmittags traf eine Abtheilung noch feindliche Truppen bei St. Giovanni del Tempio, welche in gänzlicher Unordnung nur schwach Widerstand leisteten. Man bemächtigte sich nun Saciles, welche Stadt noch spät Abends erstürmt wurde. „So glorreich endete die hartnäckige Schlacht“, berichtet der Geschichtschreiber, „in der fast ein Dritttheil des österreichischen Heeres gar nicht in das Gefecht kam, und der kämpfende Soldat desselben sich mit dem höchsten Ruhme bedeckte.“ – Während die Truppen des Erzherzogs in der schon angegebenen geringen Anzahl zum Theile aus wenig geschulter Landwehr bestanden, war das Heer des Vicekönigs in wohlgeübter Mannschaft und in einer Zahl von etwa 70 000 Mann, davon gegen 8000 Mann Cavallerie besiegt worden, was jedenfalls zum Ruhme der Oesterreicher nicht wenig beiträgt. Es wurden von letzteren 6000 Gefangene an dem Tage von Sacile gemacht, 15 Kanonen, 23 Zeugwagen, 3 Adler wurden erbeutet. Das österreichische Heer zählte 570 Todte, 2265 Verwundete und wenig Gefangene, unter denen sich einige Offiziere befanden. Der Feind zog sich rasch zurück, vernichtete alle Brücken und Uebergangsmittel hinter sich und eilte gegen Consegliano. Das österreichische erschöpfte Heer aber rückte ins Lager nach Sacile. Dieser schöne Sieg des Erzherzogs wäre von großer nachhaltiger Wirkung gewesen, wenn nicht die anhaltend schlechte Witterung die weitere Verfolgung des geschlagenen Feindes unmöglich gemacht hätte, heftiger Gußregen schwellte die Waldströme, die Straßen und die ganze Gegend wurden überschwemmt. Erst am 20. April war das Wasser gefallen, aber die Wege erschienen grundlos und zerrissen. So konnte der Feind seine Kräfte sammeln und weitere Hindernisse entgegensetzen. Ueberdies war die Nachricht von den Unglücksfällen eingetroffen, welche die Armee in Deutschland erlitten, Erzherzog Karl war nach dem Tage von Eckmühl nach Böhmen zurückgedrängt worden und Napoleon marschirte gegen Wien. Es erschien nothwendig, zur Rettung von Oesterreichs Land und Volk der Hauptarmee im Norden zu Hülfe zu eilen. Am 30. April Abends erging an alle Generale der Befehl und die Disposition zum Rückzug, ein Armeebefehl des Erzherzogs J. gab diese Disposition den Soldaten kund, nicht ohne seinen Dank der ganzen Armee feierlich zu erkennen zu geben, nicht ohne für die Weiterführung des Feldzuges zu betheuern: „Ich will mit Euch, Soldaten, Mühe, Sorge, Noth, kurz Glück und Unglück theilen“. Das Heer brach nun am 1. Mai auf und rückte von Montechio durch Vicenza in ein Lager vor Cittadella hinter der Brenta. Schon von Montechio hatte der Erzherzog einen Courier an den Kaiser abgesendet, worin er diesen in Kenntniß von seinen Bewegungen setzte und auch nachwies, daß er vor dem 18. Mai nicht in Klagenfurt sein könne. Bald kam von Wien aus die Nachricht, der Erzherzog möge sich im schlimmsten Falle gegen Ungarn wenden und sich an die ungarische Insurrection anschließen, welche sich an der Leitha und Raab sammle. Unter Kämpfen mit dem nun schon gekräftigten Feinde rückte der Prinz über die Piave und konnte auch den nachrückenden Franzosen den Uebergang nicht wehren, den diese in der Nacht des 7. Mai bewerkstelligten. Es entspann sich vielmehr am 8. Mai in der Nähe des Flusses ein Treffen, wobei es sogar zum wüthenden Handgemenge kam und General Wolfskehl von einer feindlichen Lanze durchstochen wurde. Der Rückzug mußte erfolgen und man gelangte auf demselben wieder bis Sacile. Von dort zog die Armee nach St. Daniele, nachdem bei Dignano oder Spilimbergo eine Schiffbrücke über den Tagliamento den Uebergang [291] ermöglicht hatte; sie kam am 12. Mai nach Rocolana und Pontafel, von wo wieder Nachrichten an den Kaiser abgingen, und am 13. Mai nach Tarvis und Saifnitz. Die Sperrpunkte am Predil und bei Malborghetto wurden besetzt und im ersteren Hauptmann Hermann, im letzteren Hauptmann Hensel mit der Vertheidigung betraut, beide starben dort nach wahrhaft löwenmuthiger Vertheidigung mit Vielen der ihrigen den Heldentod, an den heute noch Gedenktafeln an jenen Stellen erinnern. Auch Villach fiel in die Gewalt des Feindes, der Erzherzog aber traf in Klagenfurt ein und marschirte sodann von Völkermarkt nach Graz, wo er am 24. Mai anlangte, er hoffte nach den Bewegungen des Feindes gegen das obere Murthal, durch die Abtheilung des Generals Jellachich verstärkt, im Stande zu sein, wieder zu offensiven Operationen zu schreiten, allein Jellachich erlitt am 25. Mai bei St. Michael in der Nähe von Leoben von den Truppen des Vicekönigs eine schwere Niederlage, die das ganze Corps versprengte. Am 27. erhielt der Erzherzog die Nachricht von der durch seinen Bruder so ruhmvoll gewonnenen Schlacht bei Aspern.

In den Dispositionen war aber keine Aenderung getroffen, J. überschritt die ungarische Grenze und erreichte am 1. Juni Körmönd, woselbst die Truppen ein Lager am rechten Raabufer bezogen, am 2. Juni schon kam der Befehl des Generalissimus Erzherzog Karl, in die Insel Schütt und nach Preßburg zu rücken. Mehrfache Einwendungen, die J. hiegegen vorbrachte, wurden nicht berücksichtigt, auch traf keine Entscheidung des Kaisers[WS 2]ein, welcher an den der Generalissimus seinen Bruder diesbezüglich gewiesen hatte. Letzterer zog also gegen Preßburg und vereinigte sich mit dem Insurrectionscorps des Palatins Erzherzog Josef, nachdem er am 13. Juni in Raab eingetroffen war. Diese Vereinigung wurde im Hauptquartier vollkommen gebilligt, der Befehl, in dem dies geschah, enthielt eine Reihe von Verhaltungsmaßregeln, deren Befolgung zum Theile freilich nicht leicht ermöglicht werden konnte. Auch der Vicekönig war mit 35 000 Mann bis Raab vorgedrungen. Dort beim Meierhofe Kismegyer, woselbst sich ein steinerner mehrere Stockwerke hoher Schüttkasten befand, kam es am 14. Juni zum Zusammenstoße. Diesen Meierhof hatte das zweite Grazer Landwehrbataillon unter dem Obristlieutenant Hummel besetzt und entwickelte von dort ein mörderisches Feuer auf den Feind. Leider entblößte die ungarische Cavallerie, welche nicht Stand hielt, den rechten Flügel und die bewunderungswürdige Tapferkeit der steierischen Landwehr war vergebens. In der Gefahr, die Verbindung nach Komorn zu verlieren, wohin man den Feind sich bewegen sah, und von Reiterei ganz entblößt, befahl J. schmerzvoll den Rückzug und bezog das Lager bei Komorn. Erzherzog Karl ertheilte inzwischen weitere Befehle, J. hatte den General Bianchi in Preßburg abzulösen und traf am 23. Juni daselbst ein. Raab hatte unterdessen capitulirt und am 26. Juni begann auch die Belagerung von Preßburg. Die Verbindung mit dem Hauptquartier blieb jedoch hergestellt und am 3. Juli früh erhielt der Erzherzog die Weisung: es sei wesentlich, des Feindes Kräfte zu theilen, da es nächstens zu einer großen entscheidenden Schlacht kommen werde, wie sich aus der Concentrirung der feindlichen Truppen ersehen lasse. Erzherzog J. ließ daraufhin eine schon lange vorbereitete Schiffbrücke über die Donau schlagen und beschloß einen Ausfall; die Brücke war am 4. Juli vollendet, eines heftigen Sturmes wegen mußte der Uebergang aber noch verschoben werden. Da erhielt J. am 5. Juli Morgens um 5 Uhr einen neuerlichen Befehl aus dem Hauptquartier[WS 3]: da der Feind alle Kräfte gegen die Lobau zusammenziehe, sich möglichst rasch nach Marchegg auf das rechte Ufer der March in Marsch zu setzen, um dem Feind in die Flanke zu fallen. Denselben Tag, Nachmittags um 6 Uhr, kam ein zweiter Befehl, gemäß welchem sich Erzherzog J. mit dem linken Flügel der [292] Armee in eine enge Verbindung setzen sollte. Dieser meldete sofort, daß er den ersten Befehl um 5 Uhr früh erhalten habe und um 1 Uhr Nachts nach Marchegg aufbreche, früher sei dies nicht möglich, da der größte Theil des Geschützes und der Truppen sich in den Verschanzungen befinde. Diese Truppen wurden nun zusammengezogen, sie bedurften, da sie 24 Stunden lang keine Nahrung erhalten hatten und ganz erschöpft waren, eine kurze Erholungsfrist. Schon um Mitternacht erfolgte trotzdem der Abmarsch und eine inzwischen eingetroffene Weisung des Generalissimus lautete dahin, der Erzherzog möge gegen Siebenbrunn vorrücken. Am 6. Juli, um 10 Uhr früh, langte die Tête Johanns in Marchegg an. Der Prinz erhielt dort wieder eine Nachricht vom Generalissimus, daß der Feind angegriffen worden sei, er möge also nicht rasten, sondern rasch weiter marschiren, um gegen den rechten Flügel des Feindes zu wirken. J. wartete noch sein Geschütz ab und zwischen 12 und 1 Uhr brach wieder Alles auf, um 2 Uhr langte man in Schönfeld an. Der Erzherzog hätte sich an den General Fürst Rosenberg anschließen sollen, allein, trotzdem seine Truppen 7 Meilen in 13 Stunden zurückgelegt hatten, war es doch schon zu spät. Man bemerkte deutlich, wie das Feuer zurückging und als J. dennoch vorrückte, in die Gegend von Ober-Siebenbrunn kam und in gleicher Höhe mit Leopoldsdorf sich befand, war es 5 Uhr, das Feuer hatte abgenommen, man sah nur Rauchsäulen und brennende Dörfer, das Feld war voll Todter und Verwundeter, die Schlacht bei Wagram war verloren. Es wurden noch mehrere Gefangene gemacht und einige Kanonen genommen, ein gefangener französischer Artilleriemajor erklärte dem Erzherzog Napoleons Operation und wie er, indem er seine Bewegung gegen den linken Flügel maskirte, am 5. von Macdonald die Fronte der Stellung angreifen ließ, so daß dadurch schon an demselben Tage die Sache entschieden, am 6. aber blos durch Geschütz und Reiterei gewirkt worden sei. In der Schlacht bei Wagram standen nicht ganz 100 000 Oesterreicher einer Zahl von 180 000 Feinden gegenüber, es war also eine Ueberzahl von mindestens 80 000 auf feindlicher Seite. Ob die Ankunft des Erzherzogs J. mit etwa 12 000 erschöpften Streitern, falls das rechtzeitige Eintreffen überhaupt möglich war, hier den Ausschlag gegeben hätte, ist eine bedeutsame Frage, welche nach den jüngsten Forschungen des Majors Angeli in den „Mittheilungen des k. k. Kriegsarchives“ (Wien, 1881) beinahe ganz bestimmt mit Nein beantwortet werden kann. Gewiß ist, daß der Prinz schmerzlich berührt war, als er das Unglück der österreichischen Waffen in seiner ganzen Größe erfuhr und übersah. Am 7. Juli zog er nach Blanuna und erstattete dem Kaiser Bericht über alle Vorfälle, am 8. Juli traf die Nachricht ein, er möge an der March den Feind beobachten; aber der mit einer gewaltigen Heeresmasse heranziehende Vicekönig zwang ihn, sich nach Komorn zurückzuziehen, wo er schon am 11. Juli die Nachricht von dem Waffenstillstande erhielt. Der Erzherzog war keineswegs auf Seite der „Friedenspartei“, als Metternich und Nugent mit Champagny in Friedensunterhandlungen traten, und der Kaiser war sogar entschlossen, sich selbst an die Spitze der Armee zu stellen, die Rüstungen wurden trotz der Friedensunterhandlungen fortgesetzt. Erzherzog J. und Fürst Karl Liechtenstein hatten im Kriegsrathe des Kaisers hervorragende Stimmen und waren gegen einen Frieden, den Erzherzog Karl für unerläßlich erklärte. Aber die Friedenspartei drang endlich durch, und am 17. October 1809 kam es zu dem Wien-Schönbrunner Frieden, der so ungeheure Opfer kostete.

Damit endet die kriegerische Thätigkeit des Erzherzogs J., der nur noch einmal zu einer Action kommen sollte, die jedoch von mehr untergeordneter Bedeutung ist. Für seine Siege in Italien ward der Prinz mit dem Großkreuze des militärischen Maria Theresienordens ausgezeichnet. Er lebte von nun an den Künsten und Wissenschaften, der Pflege der Landwirthschaft und Forstkultur, [293] meistens abseits von der großen Welt, von der er sich traurig über das Unglück seines Vaterlandes und die Demüthigung, welche demselben zu Theil geworden war, ganz zurückgezogen hatte. Bald aber sollten die Tage kommen, welche den Fürsten wieder freudiger blicken ließen, die ruhmvollen Tage des J. 1813. Der neue Staatsminister Graf Metternich wußte behutsam aber sicher die Politik Oesterreichs dem Besseren zuzuführen, Napoleons Glück begann zu schwinden. Erzherzog J. hatte die Genugthuung, daß sein eigenes Dragonerregiment Nr. 1, allerdings in Abwesenheit des nicht beim Kampfe betheiligten Inhabers, das Treffen bei Kulm gegen Vandamme am 30. August 1813 entschied, und als im October die Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen war, schrieb der Prinz begeistert die Worte nieder: „Das Schicksal Deutschlands ist entschieden. Frei athmet das Volk seit der Schlacht bei Leipzig, ich hoffe, Napolon wird wenig über den Rhein bringen … und es erfolgt ein langer dauernder Friede, was jeder wünschen muß“. Am 30. Mai 1814 wurde denn auch der Pariser Friede zum Abschlusse gebracht. Nach einer Huldigungsreise, welche der Erzherzog im April und Mai 1815 in das neugewonnene lombardisch-venetianische Königreich an des Kaisers Statt unternahm, wurde ihm die oben angedeutete kriegerische Action zugewiesen. Noch befanden sich nämlich Festungen des oberen Elsaß in feindlichen Händen und J. hatte die Aufgabe, diese einzuschließen, insbesondere die kleine Festung Hüningen gegenüber von Basel, deren Besatzung unter dem französischen General Barbanegre stand, zu entsetzen. Für die Bewohner Basels war die Festung, da die Stadt von ihr aus beschossen wurde, besonders gefährlich. Die eidgenössischen Truppen waren daher auch mit den Verbündeten, welche unter dem Erzherzog J. standen, vereinigt. Am 3. Juli 1815 forderte dieser den Commandanten zur Uebergabe auf, allein vergeblich, wegen des Mangels an Belagerungsgeschütz wurde die eigentliche Belagerung noch nicht in Angriff genommen, der Erzherzog verblieb in Basel nicht ohne Gefahr, da Kugeln aus der Festung sogar in seinen Speisesaal gedrungen sein sollen. Die Belagerungstruppen hatten eine Stärke von 12 000 Mann. Am 17. August wurden die Laufgräben eröffnet, das Geschütz war eingetroffen und die Beschießung begann mit einer Heftigkeit, daß Barbanegre einen Waffenstillstand begehrte, der ihm aber abgeschlagen wurde. Elf Batterien mit 40 Geschützen eröffneten ihr Feuer gegen Hüningen, das Blockhaus daselbst war bald in die Luft geflogen, am 24. August zeigte sich als Zeichen der Kapitulation die weiße Fahne und am 26. August wurde bereits der Kapitulationsakt abgeschlossen und Hüningen dem Kaiser von Oesterreich mit allen Kriegs- und Mundvorräthen übergeben, am 28. August zog die Besatzung aus, welche die Waffen niederlegen mußte. Basels Bevölkerung war über Hüningens Einnahme hoch erfreut, dem Erzherzog zu Ehren wurden Feste aller Art veranstaltet und die eidgenössische Tagsatzung überreichte ihm ein Dokument mit ihrem Danke, in dem sie aussprach: „Künftig bleiben in unserer Geschichte das Jahr 1815, das Schweizer Vaterland und Erzherzog J. von Oesterreich für alle wahren Eidgenossen unzertrennlich“.

In den friedlichen Jahrzehnten, welche nun folgten, lebte J. ganz den Wissenschaften und ihrer Pflege durch praktische Uebung und Studien. In den Jahren 1815 und 1816 unternahm er eine Reise nach Paris, nach England und Schottland, begleitet von dem jüngeren Bruder Erzherzog Ludwig, und kehrte über Brügge, Gent, Brüssel, Köln, Mainz, Frankfurt a. M. nach einer Abwesenheit von fast fünf Monaten zurück. Auch hier waren es wissenschaftliche Institute, Fabriken und Industrieetablissements zumeist, welche sein Interesse in Anspruch nahmen, er verfaßte und veranlaßte Aufzeichnungen des Wichtigsten, um auch im Heimathlande davon Nutzen ziehen zu können. In Edinburgh wurde der Prinz, dessen Name schon in alle gelehrten Kreise gedrungen war, [294] zum Ehrendoctor der Universität ernannt und überhaupt überall mit dem größten Enthusiasmus empfangen. Die darauf folgende Zeit verbrachte er zurückgezogen, aber ununterbrochen an einem großen Friedeswerke arbeitend, nämlich an der culturellen Hebung der österreichischen Gebirgsländer, insbesondere Steiermarks, dem er seine ganz besondere Aufmerksamkeit zuwendete. Mit Herz und Seele war er diesen Ländern und ihren Bewohnern zugethan. „Nichts,“ schrieb er von seiner Reise im J. 1815, „könnte mich in meiner Vorliebe für die Berge und ihre Bewohner wanken machen, nicht das schöne Italien, nicht Frankreich, nicht England, unsere Alpen haben das, was ich bedarf, sie haben ein unverdorbenes Volk, welches Gott so erhalten möge.“ Im J. 1807 kaufte J. das romantisch gelegene Schloß Thernberg, das in der Nähe von Wiener Neustadt in Niederösterreich gelegen ist. Dies blieb nun wenigstens in der schöneren Jahreszeit der Mittelpunkt seiner örtlichen segensreichen Wirksamkeit. Hier pflegte der Prinz praktisch die Landwirthschaft, auf deren Gebiete er eingehende Studien betrieb, hier beschäftigte er sich aber auch mit dem Studium der Geschichte und der Naturwissenschaften. Auch die Pflege der Kunst wurde nicht vernachlässigt, die hervorragendsten der damaligen Künstler Oesterreichs: Karl Ruß, Petter, Berger, Krafft, Jacob Gauermann erhielten Aufträge und beschäftigten sich theils mit der Darstellung patriotischer Stoffe, von Hormayr, der nach wie vor dem Erzherzog treu anhing, insbesondere in dem von diesem herausgegebenen „Archiv für Geschichte etc.“ hierzu angeregt. Alle diese Gemälde wurden zur Ausschmückung der Zimmer, Säle und der Hauskapelle in Thernberg bestimmt. Bezüglich der dargestellten Stoffe aus der österreichischen Geschichte lenkte aber hierdurch der Erzherzog die Kunst im Lande geradezu darauf hin, wie die schönen Erfolge späterer Jahre aufs deutlichste darlegten. Die Maler Ruß, Gauermann, Ender begleiteten ihn vielfach auf Ausflügen und Reisen in die Gebirgswelt. Aus der Zeit seines Thernberger Aufenthaltes rührt auch die Betheiligung des Erzherzogs an einem geselligen Vereine her, dem man vielfach politische Motive unterschieben wollte und der die Polizeiwelt Wiens in nicht geringe Bewegung versetzte, es war dies die „Wildensteiner Ritterschaft zur blauen Erde“, eine Vereinigung verschiedener zumeist sehr angesehener Persönlichkeiten, welche im Geschmack der damaligen Zeit, die so gern das „Romantische“ pflegte, Zusammenkünfte und Gastmähler in Rittertracht abhielt, ritterlichen Sitten huldigte, und dabei Wohlthätigkeitszwecke verfolgte. Die harmlosen Zusammenkünfte fanden auf der Veste Sebenstein (dem früheren Wildenstein) nahe bei Thernberg statt. Zu bemerken wäre noch, daß sich unter den Ehrenrittern der Erzherzog Anton, der Großherzog Karl August von Weimar, der Prinz Wilhelm von Preußen, der Prinz Leopold von Sachsen-Koburg und andere hohe Persönlichkeiten befanden; sogar der Kaiser Franz besuchte einmal die Burg. Erzherzog J. trat diesem harmlosen Bunde bei und erhielt den Titel eines Hoch- und Großmeisters unter dem Namen: „Hans von Oesterreich, der Thernberger“. Der Bund wurde im J. 1823 als mißliebig von der Behörde aufgelöst und trat seitdem nie wieder zusammen. Der ängstliche Argwohn des Fürsten Metternich hatte auch hier grundlos Arges gewittert. Nähere interessante Daten über die Geschichte der „Wildensteiner“ nebst zahlreichen Beilagen von Liedern, die von denselben gesungen wurden und von verschiedenen charakteristischen Actenstücken enthält K. A. Schimmer’s „Geschichte der Wildensteiner Ritterschaft zur blauen Erde auf Burg Sebenstein. Aus Original-Urkunden und -Dokumenten“ (Wien 1851). Eingehender muß jedoch das friedliche Wirken des Prinzen betrachtet werden, welches sich insbesondere auf wissenschaftlichem Gebiete geltend machte. Allerdings beschränkte sich dieses Wirken zumeist nur auf die Alpenländer, insbesondere später auf Oesterreich ob d. Enns, Kärnthen, Salzburg und Steiermark, dort [295] war es aber auch überaus ersprießlich und sichert dem Erzherzog die ewige Dankbarkeit jener Völker. Daß Tirol vor Allem sich seiner besonderen Sympathie erfreute, geht aus der bisherigen Darstellung hervor. Schon im J. 1800 nahm er die Ernennung zum Rector magnificentissimus der Universität Innsbruck an, welche Anstalt voll Dank dafür, daß er dem Lande Tirol seine besondere Aufmerksamkeit zugewendet, zugleich voll Erwartung auf sein weiteres Wirken für das Land und den Zustand der Wissenschaften in demselben blickte. Leider vergebens, denn Tirol ging für Oesterreich verloren und blieb es längere Zeit hindurch. Auf dem Gebiete der Naturwissenschaften hatte J. viel gesammelt und auch von anderen Fachmännern viel sammeln lassen, mineralogische und botanische Sammlungen von hohem Werth entstanden auf diese Art, ebenso übersah er es nicht, auf dem Felde der Geschichte alte Quellenwerke und andere werthvolle Drucke anzuschaffen, selbst Archivalien in seinen Besitz zu bringen, ordnen, sichten und registriren zu lassen. Diese Sammlungen wollte er nach den argen Kriegszeiten der Jahre 1805 und 1809 zur allgemeinen Benützung einem Lande schenken, welches davon bis in die fernsten Zeiten hin wohlthätigen Gebrauch machen konnte. Dieses Land sollte ursprünglich Tirol sein, aber es war nicht mehr in Oesterreichs Besitz. Somit wendete der Erzherzog die ganze reiche Schenkung dem Lande Steiermark zu und begründete damit jene wissenschaftliche Anstalt, welche unter dem Namen des „Joanneums“ in Graz heute allüberall bekannt ist und so viel zur Bildung und Förderung der geistigen Cultur beigetragen hat. Eine Schenkungsurkunde, datirt vom 16. Juli 1811, übertrug das aus seinen Sammlungen bestehende Museum des Erzherzogs in das unwiderrufliche Eigenthum der Stände Steiermarks mit der Verpflichtung, es immer zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden. Das Gebäude des Instituts, in dem dieses Museum untergebracht wurde, erkauften die Stände, es wurde nach den Statuten, die der Erzherzog selbst entworfen hatte, eine wissenschaftliche Lehranstalt, eine Bibliothek, ein Leseverein für wissenschaftliche Zwecke damit verbunden und sollte sich der Bereich der neuen Anstalt auf alle Wissenszweige, insbesondere auf Geschichte, Statistik, Politik, Mathematik, Naturgeschichte, Chemie, Landwirthschaft und Technologie erstrecken. Drei Curatoren führten die jeweilige Beaufsichtigung des Institutes, dessen Oberaufsicht der Erzherzog sich selbst vorbehielt und das in wenigen Jahren vortreffliche Gelehrte unter seine Lehrer zählte. Das culturfördernde Streben des Prinzen ging aber noch viel weiter. Er hatte selbst den Brandhof, eine große Bauernwirthschaft am Seeberg im Hochschwabgebiete von Obersteiermark angekauft und zu einer Musterwirthschaft einrichten lassen, dann begründete er die allgemeine Landwirthschaftsgesellschaft, die sich nicht nur auf die Förderung der Landwirthschaft im engsten Sinne, sondern überhaupt auf die Pflege jener Wissenschaften bezog, welche zur Verbreitung oder zur Pflege derselben gehören. Die Statuten auch dieser Gesellschaft hat J. selbst entworfen. Der Hebung des Bergbaues im Lande gewährte der Prinz ebenfalls jede nur mögliche Unterstützung, er brachte ein sogenanntes Radwerk in Vordernberg an sich, wodurch er an den Werken selbst mit betheiligt war und sorgte dafür, daß die besten Maschinen eingeführt wurden und der rationellste Betrieb des Werkes in Eisenerz und Vordernberg beachtet wurde. Dasselbe Interesse zeigte er für Kärntens Eisenindustrie und wußte auch hier aus seinen eigenen Erfahrungen Verbesserungen und wichtige Neuerungen einzuführen. In Untersteiermark war es ferner die Rebenpflege, welche dem Erzherzog sehr viele Verbesserungen zu verdanken hatte, auch in dieser Richtung ging er mit persönlichem guten Beispiel voran, kaufte im J. 1822 einen Weingarten bei Pickern, in der besten Weingegend des Landes und ließ sich die Veredlung des Weins und die Cultur der Reben aufs Beste angelegen sein, er verpflanzte [296] auch Reben vom Rhein und der Name des steirischen „Johannisbergers“ erinnert heute noch an den Ursprung desselben, sowol was seinen Heimathsort als auch was seinen Pflanzer betrifft. Ueberall suchte der Erzherzog die Industrie und den Gewerbefleiß zu unterstützen. Ein Theil des Erzherzogthums ob der Enns schloß sich auf seine Veranlassung dem unter des Prinzen Protectorate stehenden niederösterreichischen Verein zur Unterstützung und Beförderung der Industrie und der Gewerbe an und im J. 1845 entstand wieder durch ihn der große Landwirtschaftsverein in Linz, einen geognostisch-montanistischen Verein verdankte ebenfalls ihm ganz Innerösterreich schon lange. Ebenso erfreuten sich Landwirthschaft und Viehzucht, Forst- und Jagdwesen in Salzburg der eifrigen Förderung des Erzherzogs, der sich im J. 1828 im Wildbade Gastein ankaufte. Eine Tochter der Steiermark ist auch des Erzherzogs Gattin geworden; im J. 1819 lernte er sie als Tochter des Postmeisters Plochl in dem herrlichen Aussee kennen und im J. 1828 fand die Trauung statt, nachdem des Prinzen eiserner Wille und treue Liebe alle Bedenken des Hofes besiegt hatte. Heute führt seine Wittwe den Titel einer Gräfin und der einzige Sohn Franz desselben den eines Grafen von Meran. Es kann nicht unerwähnt bleiben, daß der Erzherzog in Steiermark auch auf das Jagdwesen, seit er in der Nähe des Brandhofes in den schönen Thälern der Gebirge rings umher eigene Reviere besaß, regenerirend einwirkte und insbesondere den Gemsenwildstand, der schon sehr herabgekommen war, hob und reichhaltig machte. Außerdem war es J., der durch seine rastlosen Bergwanderungen, durch seine zahlreichen Besteigungen der großartigsten Gebirge des österreichischen Alpenlandes, wie des Hochschwab, Großglockner, Großvenediger, Hochgolling, der Hochwildstelle und anderer zuerst die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf den Werth solcher Bergbesteigungen für die Wissenschaft aufmerksam gemacht hat. Daß Kunst und Literatur in J. einen Förderer fanden, wurde schon angedeutet, er stand selbst mit den bedeutendsten Schriftstellern in und außer Oesterreich in Correspondenz und verkehrte mit Männern der Wissenschaft jedes Faches. Wie er sich schon in frühester Jugend der Geschichte und den Naturwissenschaften zugewandt, so verfolgte er auch jetzt aufs Eifrigste historische Detailfragen, welche die Geschichte der Länder Oesterreichs, insbesondere der südlicher gelegenen betrafen. Speciell das Geschichtsleben Innerösterreichs hat seiner Einwirkung zahlreiche Aufklärungen zu verdanken. Er stellte und dotirte schon im J. 1810 jene Preisfrage, welche die älteste Geschichte des genannten Gebietes betraf. Die eingelaufenen Arbeiten erschienen später, wieder auf seine Veranlassung, gesammelt in den „Beyträgen zur Lösung der Preisfrage des durchl. Erzherzogs Johann für Geographie und Historie Innerösterreichs im Mittelalter“ (Wien 1819, 2 Hefte,), die von dem Prinzen unentgeldlich vertheilt wurden. In Kärnten, Oberösterreich und Steiermark suchte er auf die Gründung historischer Vereine und dadurch auf die Fortbildung, Förderung und Verallgemeinerung der Geschichtswissenschaft einzuwirken. – Was die Naturwissenschaften anbelangt, so stand er mit den ersten Gelehrten auf diesen Gebieten ebenfalls in Briefwechsel, insbesondere mit Gelehrten Deutschlands, Englands und Frankreichs, die für die Weiterverfolgung jeder wissenschaftlichen Frage auf praktischem Gebiete in ihm einen unermüdlichen Förderer fanden, schon im J. 1815 hatte ihn die kaiserliche Gesellschaft der Naturforscher in Moskau und im J. 1817 die Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt. Bereitwilligst übernahm der Erzherzog überhaupt das Protectorat über jeden wissenschaftlichen und humanen Verein, von dessen Nützlichkeit für das Gemeinwohl er überzeugt war. Es würde zu weit führen, hier auch nur eine Skizze davon zu geben, wie er in Steiermark auf alle Gebiete des culturellen Lebens seine Blicke lenkte, wie er genaue statistische Aufzeichnungen in jedem Kreise des [297] Landes veranlaßte und selbst prüfte, wie er für die Kenntniß der Mundart, des Volksgesanges und selbst der volksthümlichen Musik alle Daten durch die berufensten Männer im Lande sammeln ließ, Sammlungen, welche heute noch vorhanden die reichhaltigste Quelle in Bezug auf die Landes- und Volkskenntniß der Steiermark bilden.

Auch auf politischem Gebiete hatte sich der Erzherzog einen überaus richtigen Blick angeeignet. Das Wohl Oesterreichs war immer sein einziger, sein heißester Wunsch, aber er verkannte nicht die Mängel, welche sich im Reiche zeigten; er erkannte Vieles, was oft gewiegten Staatsmännern entging, so zeichnet er schon im J. 1804 in seinen Denkwürdigkeiten auf: „Oesterreich ist gewiß einer der mächtigsten, mit inneren Hilfsquellen begabten Staaten, allein, obgleich in Folge der Kriege gesunken, leicht durch zweckmäßige Maßregeln emporzubringen. Jetzt liegt es darnieder durch eine Staatsverwaltung mit großen Mängeln. Die Geschäfte des Innern werden durch Männer geleitet, welche theils dem Geschäfte nicht gewachsen sind, theils in Ansehung ihrer Kenntniß manchen Zweifeln unterliegen. Durch einen langsamen Geschäftsgang werden die Länder verwaltet, nichts verbessert, nichts erfunden. Die verschiedenen Departementschefs, meist Leute von grober Unwissenheit, daher auch mit allen jenen schädlichen Eigenschaften begabt, die diese mit sich führt, stemmen sich gegen Alles, was Neuerung ist. Sie gehen ihre alten gewohnten Wege und diese oft sehr unrichtig … Alle diese halten fest zusammen und bilden eine mächtige Opposition gegen jeden talentvollen Mann. Sobald Einer durch seinen Verstand sich auszeichnet und ihnen Verdacht giebt, jemals mit ihnen in die Schranken treten zu können, wird er unterdrückt, und dadurch aller Reiz zum Dienst und alle guten Talente abgestumpft und abgeschreckt …. Wie kann man bei uns gute Köpfe gewinnen? Die Schuld liegt im Verfall der Bildungsanstalten. Unsere Schulen sind weit zurück, die Universitäten von Hilfsmitteln entblößt, keine gelehrten Gesellschaften blühen unter dem Schutze der Regierung, keine talentvollen Jünglinge werden auf Reisen gesendet, um ihre Ansichten zu erweitern, vielmehr werden solche nicht beachtet, ja selbst überwacht. Die Censur handelt mit einer Strenge gegen gar manches gute Buch und wacht so wenig über elende, ja sittenlose Geistesproducte. Ein Grund des Mangels an Köpfen, auch bei dem Adel, liegt darin, daß das Sittenverderbniß täglich zunimmt, Egoismus, Hang zum Sinnlichen, zur Zerstreuung, Gleichgiltigkeit und eine gewisse Rohheit, die durch den Mangel der Ausbildung des Herzens und Verstandes entsteht, die Charakterzüge jener Classe von Menschen sind, welche sich zu der gebildeten Welt zählen.“ (Fournier a. a. O.) Diese Worte zeigen wie im Spiegel die Mißstände, welche zu jener Zeit herrschten und welche der Prinz, beinahe noch ein Jüngling, so richtig erkannt hatte. Er that Alles, was in seiner Macht stand, um ihnen entgegenzutreten, leider war diese Macht nur beschränkt und wurde es noch mehr durch mißtrauische Staatsmänner, welche den reinen edlen Handlungen des Erzherzogs Motive unterschoben, die mit seiner Person in Beziehung zu bringen schon eine der höchsten Beleidigungen war, wie z. B. jenes alberne Märchen vom König von Rhätien, das eine Zeit lang in den Kreisen der Wiener Staatsmänner wirklich geglaubt wurde. Daß den Erzherzog in Folge solcher Zustände große Trauer erfaßte, ist begreiflich und zeigt sich in allen Briefen und Memorabilien, die er hinterlassen hat, erst viele Jahre später wich diese Trauer einer heiterern Lebensanschauung.

Die letzten Decennien seines Lebens brachte J. in Graz inmitten seiner treugesinnten Steiermark zu, wo er vom politischen Leben zurückgezogen ruhig den Wissenschaften und der Humanität lebte. Nach dem Tode des Kaisers Franz (im J. 1835) und dem Antritt der Regierung durch Ferdinand wurde zwar der [298] Prinz noch mit einigen politischen Missionen betraut, die aber keine besondere Wichtigkeit hatten. Er begrüßte im J. 1835 bei Liegnitz und Kapsdorf die Monarchen von Rußland und Preußen, wohnte im J. 1837 den vom Kaiser Nikolaus veranstalteten großen Manövern bei Wosnessensk bei und reiste in demselben Jahre über Odessa und Sebastopol durch die Krim nach Konstantinopel und über Griechenland und Triest wieder zurück. Im Herbste des J. 1842 nahm J. an dem Uebungslager Theil, welches am Rhein zusammengezogen worden war und begab sich nach Düsseldorf; nachdem er am 4. Sept. noch der feierlichen Grundsteinlegung zum Neubau des Kölner Doms beigewohnt und zum Chef des 16. preußischen Infanterie-Regimentes ernannt worden war, befand er sich auch als Gast des Königs Friedrich Wilhelm von Preußen auf dem Schlosse Brühl, wo er einen Toast des Königs, der des Erzherzogs Person betraf, seinerseits mit jenem Trinkspruch erwiderte, der gewissermaßen politische Bedeutung gewann, damals durch ganz Deutschland die Runde machte und die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, aber auch vielfach entstellt wiedergegeben wurde. Derselbe lautete: „Der Kaiser, mein Herr, hat mich hergesandt in dieses Lager. Daß Eure königliche Majestät mir ein Regiment zu verleihen geruht, ist mir eine große Freude gewesen; denn ich bin dadurch Mitglied eines Heeres geworden, welches in der Zeit der Noth unerschütterlich dagestanden und Großes geleistet hat. Vereint haben wir damals den großen Freiheitskampf siegreich bestanden. So lange Preußen und Oesterreich, so lange das übrige Deutschland, so weit die deutsche Zunge klingt, einig sind, werden wir unerschütterlich dastehen, wie die Felsen unserer Berge. Gott erhalte Eure Majestät!“ – Eine große wissenschaftliche Unternehmung beschäftigte den Erzherzog in den späteren Jahren. Es war dies die Errichtung einer Akademie der Wissenschaften zu Wien, über welche er lange und eingehende Correspondenzen mit dem Fürsten Metternich, mit Pratobevera und Hammer-Purgstall pflegte, bis das Institut wirklich zu Stande kam und die kaiserliche Sanction erhielt. Um dieses Zustandekommen hatte sich der Erzherzog J. die wesentlichsten Verdienste errungen. Er wurde auch zum ersten Curator der neugegründeten Akademie ernannt, deren erste Sitzung am 2. Februar 1848 er durch eine Ansprache eröffnete.

Aus seinem stillen Wirkungskreise in Steiermark wurde J. abgerufen durch die Ereignisse von 1848. Von seinem populären Namen wurde viel erwartet zur Vermittlung und zur Versöhnung der aufgeregten politischen Elemente, zunächst in Oesterreich, dann im Deutschen Bunde. In Folge der am 13. März zu Wien entstandenen Volksbewegung bewirkte er die Entlassung des Staatskanzlers Fürsten v. Metternich aus seiner Stellung, und nachdem in Folge der Wiener Bewegung vom 15. Mai dem berufenen Reichstage die Eigenschaft eines constituirenden beigelegt worden, Kaiser Ferdinand aber seine Regierung nach Innsbruck verlegt hatte, wurde J. am 16. Juni von letzterem zu seinem Stellvertreter ernannt. In dieser am 25. Juni angetretenen Stellung trug er vermöge der Popularität, welche er wegen seiner Persönlichkeit wie als Gegner der früheren Metternich’schen Politik genoß, wesentlich zur Beschwichtigung der Gemüther bei. Obwohl er in dieser Stellung vorläufig unentbehrlich erschien, erging an ihn der Ruf zu einer anderweitigen gleichwichtigen Aufgabe. Seine Wahl zum deutschen Reichsverweser erschien den Politikern, welche seit Mitte April in Frankfurt a. M. die deutsche Reform in Angriff genommen, nach Lage der Dinge als die einzige allseits befriedigende Lösung der Frage über die Gestaltung der provisorischen deutschen Centralgewalt. Deren baldige Schaffung hatte schon den 50-Ausschuß des Vorparlaments in Verbindung mit den dem Bundestage beigegebenen siebzehn Männern des öffentlichen Vertrauens beschäftigt, [299] denn im Hinblick auf die voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmenden schwierigen Erwägungen über Gründung einer über beiden deutschen Großmächten stehenden endgiltigen Centralgewalt kam es allen Gemäßigten darauf an, daß baldmöglichst eine vollziehende Gewalt gebildet werde, welche für Erhaltung des ohnehin schon durch Hecker in Baden wieder gestörten inneren Friedens sorge. Nachdem sich jene Körperschaften über einen Vorschlag von Triumvirn nicht hatten einigen können und auch der Vorschlag eines Bundesdirectoriums nicht recht Anklang gefunden hatte, welchen eine kleine Mehrheit des von der deutschen Nationalversammlung schon am 3. Juni eingesetzten Ausschusses gemacht, bewegten sich die Verhandlungen der letzteren vom 20. bis 27. Juni im Wesentlichen um die Frage, ob die Wahl durch die Versammlung oder im Einverständniß mit den Bundesregierungen erfolgen solle. Die Gründe H. v. Gagern’s, welcher durch seinen „kühnen Griff“ die Entscheidung für ersteren Fall herbeiführte, bestanden hauptsächlich darin, daß die Gewalt rasch geschaffen werden müsse und daß die Bundesregierungen dadurch einer großen Verlegenheit überhoben würden, so daß auf ihre nachträgliche Zustimmung zu rechnen sei. Hiermit stand in engstem Zusammenhange die Entscheidung für einen Fürsten. Als solcher kam aber in Frankfurt kein anderer in Betracht als J., da gerade durch seine Wahl die Bedenken aller Extremen als beseitigt galten. Denn in weiten Kreisen Deutschlands stand in guter Erinnerung, daß er sich oft in warmer Liebe zum deutschen Vaterlande geäußert. Schon 1804 hatte er sich in Briefen an Joh. v. Müller für ein einiges Deutschland im Sinne einer aufrichtigen, engen und dauernden Verbindung Oesterreichs und Preußens als eines festen Bollwerks gegen Frankreich ausgesprochen. Vor Allem aber war ihm in Deutschland der oben erwähnte Trinkspruch bei Gelegenheit der Grundlegung des Kölner Dombaues im J. 1842 unvergessen. Auch noch 1846 hatte J. als Vorsitzender der Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe in Graz erhebende Worte für die Einheit Deutschlands ausgesprochen. Sobald daher, sagt Haym (Die d. Nat.-Vers. Frkf. 1848. I, S. 25), das Wort gesprochen war, daß ein Fürst der Gewählte sein solle, „so lag auch schon der Name dieses Einen uns auf der Zunge. Der Gedanke an die Einigung und die Erinnerung an jenen deutschgesinnten Prinzen begegneten sich. Lockte der Gedanke den Namen oder zog der Name den Gedanken an: genug, drei Tage vor dem Schluß der Debatte stand bei der Mehrheit der Versammlung der Entschluß fest: wir werden Einen Reichsverweser haben und dieser wird kein anderer sein als Erzherzog Johann.“ Somit konnte Gagern dreist wagen, die Linke durch die Worte „nicht weil, sondern obgleich er ein Fürst ist“ zu gewinnen. Es ist wohl die Frage aufgeworfen, ob auch Rücksichten bezüglich der endgiltigen Oberhauptsfrage bei Johann’s Wahl maßgebend gewesen seien. Jürgens (Zur Geschichte des d. Verfassungswerks, Bd. 1, Braunschw. 1850, S. 144) sagt: „Einige richteten, da der König von Preußen discreditirt war, ihr Augenmerk auf J. als künftiges definitives Oberhaupt.“ Jürgens selbst ist (I, S. 145) der Meinung, es sei „kein ungereimter Verdacht, wenn gesagt wurde, man habe mit der Wahl Johann’s Oesterreich abfinden wollen, um bei Schaffung der definitiven Reichsgewalt desto sicherer Preußen an die Spitze zu bringen.“ Dagegen weist Biedermann (Erinn. a. d. Paulsk. S. 77) die Anschuldigung zurück, als sei Johann’s Wahl „durch eine preußische Intrigue bewirkt, deren Haupt Gagern war.“ Das deutsche Reichsgesetz vom 28. Juni 1848 übertrug dem unverantwortlichen Reichsverweser und seinen Ministern die vollziehende Gewalt, ließ die Entscheidung über Krieg und Frieden sowie über Verträge mit auswärtigen Mächten durch ihn im Einverständniß mit der Nationalversammlung ausüben, schloß aber die Errichtung des Verfassungswerkes von der Wirksamkeit der Centralgewalt [300] aus. Die Uebernahme dieser Stellung hatte insofern große Bedenken, als die Grenzen der Centralgewalt nicht bestimmt, die Mittel zu ihrer wirksamen Ausübung nirgends angewiesen und das Verhältniß weder zur Nationalversammlung noch zu den Fürsten festgestellt war. Nachdem am 29. Juni die Wahl zum Reichsverweser mit 436 von 546 Stimmen auf J. gefallen war, verkündigte ihn der Präsident der Nationalversammlung, H. v. Gagern „zum Reichsverweser über Deutschland“ und fügte hinzu: „Er bewahre seine allezeit bewiesene Liebe zu unserem großen Vaterlande, er sei der Gründer unserer Einheit, der Bewahrer unserer Volksfreiheit, der Wiederhersteller von Ordnung und Vertrauen!“ Während Gagern die Souveränetät der Nation proclamirt, hatte sich der Bundestag unter Schmerling’s Vorsitze beeilt, J. in einer Weise, welche später von juristischer Bedeutung erschien, als der erste zu beglückwünschen. Es gereicht, so hieß es in dem Schreiben, „den Bevollmächtigten der deutschen Regierungen zur höchsten Genugthuung[WS 4], versichern zu dürfen, daß sie schon vor dem Schluß der Berathungen über die Bildung einer provisorischen Centralgewalt von ihren Regierungen ermächtigt gewesen, sich für die Wahl zu erklären.“ Stahr (Die Preuß. Revol. Oldenb. 1850, S. 361) behauptet, nach der Wahl seien von Berlin aus Schritte geschehen, um auf Ablehnung hinzuwirken. Dem steht aber entgegen, daß das preußische Ministerium gerade während seiner Berathung über die Frage, ob es sich das Recht der Genehmigung der Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung vorbehalten solle, von der erfolgten Zustimmung des Bundestags zu jener Wahl überrascht wurde, also die Zustimmung des preußischen Gesandten durch den König bewirkt sein muß. Das Ministerium Hansemann gab dann am 4. Juli der preußischen Nationalversammlung die Erklärung ab, daß „in der edlen und volksthümlichen Persönlichkeit des Erzherzogs die sichere Gewähr für das allgemeine Vertrauen der deutschen Regierungen und des deutschen Volks“ liege; in der Hoffnung, daß er annehmen werde, solle nichts gegen die ihm in Frankfurt beigelegten Attribute erinnert werden. Die Abordnung der deutschen Nationalversammlung wurde von J. am 5. Juli in Wien empfangen. In der Anrede, welche Heckscher Namens derselben hielt, betonte er stark, daß in dem Gesetze vom 28. Juni die Souveränetät der Nation ausgesprochen sei. Diesen Punkt ließ J. in seiner Antwort unberührt, erwähnte dagegen, daß der Bundestag ihm die Genehmigung seitens der Regierungen schon angezeigt habe. Er nahm an mit den Worten: „Möge mir Gott die nöthige Kraft geben, solcher Würde zum Wohle des deutschen Vaterlandes zu entsprechen!“ und behielt sich nur Rücksprache mit dem Kaiser über die Vereinbarkeit der beiden Stellungen vor. Diese waren jedoch unvereinbar. In Oesterreich gab es genug zu thun. Das Ministerium Pillersdorf war nach einer Bewegung der Nationalgarde und der akademischen Legion am 8. Juli zurückgetreten. J. gab Doblhoff Auftrag wegen Bildung eines Ministeriums und reiste desselben Tages vorläufig nach Frankfurt ab. Hier bei der Ankunft am 11. Juli von H. v. Gagern begrüßt, erwiderte er: „Wenn das Vaterland ruft, so ist es Pflicht, ihm selbst die letzte Kraft, die letzten Jahre zu weihen. Dies hat mich bewogen, Ihren Ruf anzunehmen. Da habt Ihr mich, ich gehöre zu Euch!“ Am 12. Juli gelobte J. in der deutschen Nationalversammlung, daß er das Gesetz vom 28. Juni „zum Ruhme und zur Wohlfahrt des deutschen Vaterlands“ handhaben werde. Dann begab er sich in die Bundesversammlung und löste sie auf, nachdem der Vorsitzende erklärt, daß sie die Ausübung ihrer Befugnisse und Pflichten in seine Hände lege. Zur Uebernahme des Amtes erließ J. eine Ansprache an die Deutschen, in welcher es hieß: „Nach Jahren des Drucks wird Euch die Freiheit voll und unverkürzt. Ihr verdient sie, denn Ihr habt sie muthig und beharrlich erstrebt. Sie wird Euch nimmer entzogen, denn Ihr werdet wissen, sie zu bewahren. [301] Eure Vertreter werden das Verfassungswerk für Deutschland vollenden. Erwartet es mit Vertrauen. Der Bau will mit Ernst, mit Besonnenheit, mit echter Vaterlandsliebe geführt werden. Dann aber wird er dauern fest wie Eure Berge!“ Hiernach ernannte er vorläufig Schmerling zum Minister des Aeußeren, Heckscher zum Justizminister. Bei der Wahl des Kriegsministers nahm er auf Preußen Rücksicht, als diejenige deutsche Macht, auf deren guten Willen er sich, zumal bei Oesterreichs vorläufiger Abziehung durch innere Angelegenheiten, zunächst angewiesen sah. Nachdem er den preußischen General v. Peucker zu dieser Stellung ernannt, begab er sich schleunigst nach Wien zurück. Er bestätigte hier am 18. Juli das in der Zwischenzeit von Doblhoff gebildete Ministerium und eröffnete am 22. Juli den constituirenden Reichstag zu Wien mit einer Rede, in welcher es hieß: „In der freien Verbrüderung aller Nationalitäten der österreichischen Monarchie, in der vollen Gleichberechtigung Aller, sowie in dem innigen Verbande mit Deutschland finden alle Interessen eine feste Grundlage.“ Ohne wegen der Dringlichkeit der Geschäfte in Frankfurt die Rückkehr des Kaisers Ferdinand nach Wien abzuwarten, trat J. am 3. Aug. seine Stellung in Frankfurt endgiltig an. Die Ergänzung des Reichsministeriums nahm ihn geraume Zeit in Anspruch wegen der Rücksichten, welche er auf die die Mehrheit des Parlaments bildenden Parteien, die Vertretung der größeren Staaten des Nordens und des Südens sowie darauf nahm, daß sich die Betreffenden, wie Duckwitz (Erinn. a. m. Leben, S. 80) sich ausdrückt, noch nicht als Minister oder Gesandte compromittirt hatten. Vielleicht wären manche spätere Schwierigkeiten verringert worden, wenn der am 20. Juni von der Stelle eines preußischen Ministerpräsidenten zurückgetretene L. Camphausen Johanns Antrag, sich an die Spitze zu stellen, angenommen hätte. Nun erhielt Fürst Leiningen den Vorsitz, Schmerling Inneres, Duckwitz Handel, Beckerath Finanzen, R. v. Mohl Justiz, Peucker behielt Krieg. Das Aeußere erhielt nach v. Stockmar’s Ablehnung Heckscher. J. war sich von vornherein bewußt, daß er, beim Mangel eigener materieller Macht, ohne die allseits aufrichtige Absicht, ein einiges Deutschland zu schaffen, in seiner höchst mangelhaft umgrenzten Stellung eine heilsame Wirksamkeit nicht entfalten könne. Anfangs erschien auch den deutschen Regierungen enger Anschluß an diesen Mittelpunkt zum Schutz gegen die Volksbewegungen geboten; Preußen stellte sogar alle seine in der Nähe Frankfurts liegenden, Baiern seine sämmtlichen Truppen zur Verfügung. Erneute Anerkennung lag darin, daß allseitig der Aufforderung zur Ernennung von Bevollmächtigten bei der Centralgewalt nachgekommen wurde. Auch gelang es J. am 10. Aug., in Folge Aufforderung des Parlaments die hannover’sche Regierung zu seiner unumwundenen Anerkennung zu bewegen. Diese sah, wie aus Wangenheim’s „Actenstücken zur neuesten Geschichte Deutschlands“ (Heft 1, Hann. 1848, S. 220) hervorgeht, erst durch Johann’s Annahme der Wahl die Bedenken beseitigt, welche sie gegen die einseitige, den Auftrag übersteigende Schaffung der Centralgewalt durch das Parlament ihren Ständen am 7. Juli ausgesprochen. Auch hatte König Ernst August brieflich den Wunsch, daß er annehmen möge, aussprechen lassen (Wangenheim S. 215). Andererseits lehnte J. mit großer Bestimmtheit am 30. Aug. den Vorschlag Preußens ab, die Bevollmächtigten bei ihm zu einem Rathe mit bestimmter Stimmenvertheilung zu vereinigen. Seine Stellung wäre dadurch allerdings überflüssig erschienen. Eine weitere Andeutung der heranwachsenden Opposition der Regierungen hatten die Aeußerungen des Königs von Preußen beim Dombaufeste zu Köln am 14. Aug. gegeben, welchem J. nebst einem Theile des Parlaments beiwohnte (Polit. Briefe u. Charakteristiken a. d. Gegenwart, Berl. 1849, Cap. 12: Der Reichsverweser nach Köln, S. 107–112). Schon bald fing die Lage für J. an schwierig zu werden. Trotz seiner Aufforderung [302] wurden Beschlüsse des Parlaments ungenau oder gar nicht befolgt; andererseits faßte letzteres Beschlüsse, welche J. auszuführen außer Stande war; andere Beschlüsse mußte er schon ihrer Natur nach unberücksichtigt lassen. Den ersten starken Stoß erlitt das Ansehen der Centralgewalt durch die unvollständige Befolgung ihrer Anordnung, daß die Bundestruppen am 6. Aug. J. huldigen sollten. Den übeln Eindruck vermochte selbst ein beschönigendes Schreiben Peucker’s nicht zu verwischen. Den zweiten starken Stoß erhielt Johann’s Stellung dadurch, daß Preußen den Namens der Reichsgewalt um Schleswig-Holstein geführten Krieg gegen Dänemark am 26. Aug. zu Malmö, ohne die Bedingungen von Johann’s Vollmacht einzuhalten, durch Waffenstillstand schloß. Nachdem dieser am 5. Sept. vom Parlamente verworfen, traten die Minister zurück und nachdem dieser Beschluß am 16. Sept. zurückgenommen war, setzte J. die bisherigen Minister, außer Fürst Leiningen und Heckscher, wieder ein. In Folge des nach dem Aufstande vom 18. Sept. über Frankfurt verhängten Belagerungszustandes erschien Johann’s Stellung sehr gekräftigt, doch war er selbst (nach Duckwitz, Erinn. S. 585) sehr auf Vermeidung von Blutvergießen bedacht. Seine zum Theil vom Parlament veranlaßten Versuche, im October und November 1848 durch Commissare in den österreichischen und den preußischen Wirren zu vermitteln, führten zu weiterer Aufdeckung seiner ohnmächtigen Stellung. Auch einige auswärtige Staaten wollten ihn nicht anerkennen; Präsident Cavaignac in Paris weigerte sich, seinen Bevollmächtigten zu empfangen. Ferner diente der am 21. Nov. von J. an die Preußen erlassene Aufruf mit der Versicherung, daß er die Vollziehung des Steuerverweigerungsbeschlusses der preußischen Nationalversammlung vom 15. Nov. „nicht dulden werde“, nicht zur Erhöhung seines Ansehens, denn in Berlin wollte man von solcher Unterstützung nichts wissen, und Würth erklärte im Parlament, gerade wegen dieses Aufrufs sei das Ministerium Brandenburg nicht entlassen (Verhandl. d. d. Nat.-Vers., Bd. 6, S. 4611). Die ganze Schwierigkeit von Johann’s Stellung trat aber erst hervor, als die Verfassungsberathung des Parlaments sich der Frage über das Verhältniß Oesterreichs zum neuen deutschen Reiche näherte. Der Artikel, wonach ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen nur durch die Person seines Fürsten solle verbunden sein dürfen, wurde nach M. Duncker (Zur Gesch. d. d. Reichsverf. in Frankf., Berl. 1849, S. 70) erst beschlossen, als man glaubte, daß auch das Volk in Johann’s Heimath keine Zerreißung Oesterreichs wolle. Des letzteren Antwort, das ministerielle Programm von Kremsier (27. Nov. 1848), hatte Schmerlings Rücktritt als Reichsminister zur Folge. Man hat es wohl auffällig gefunden (Jürgens 1, S. 508), daß J. das den vorläufigen Ausschluß Oesterreichs aus dem deutschen Bundesstaate enthaltende Programm des nunmehrigen Ministeriums Gagern gebilligt; allein gerade der darin gemachte Vorbehalt einer künftigen möglichst engen Verbindung „beider Zwillingsreiche“ paßte in den Rahmen des Plans, welcher J., nach allen seinen früheren patriotischen Aeußerungen (s. oben) seit lange vorgeschwebt. Als aber am 28. Dec. 1848 das Ministerium Schwarzenberg die Erläuterung gegeben hatte, daß Oesterreich auf seinen Eintritt in den deutschen Bundesstaat nicht verzichte, als andererseits das Parlament am 13. Jan. 1849 Gagern’s Programm dennoch genehmigt, als ferner in Folge von Oesterreichs am 4. Febr. gegen Gründung eines deutschen Bundesstaats erhobenen Einspruchs und in Folge von Oesterreichs am 9. März 1849 gestellten Verlangens, mit allen seinen durch die Verfassung vom 4. März geeinigten Ländern in den neuen Bund einzutreten, die Mehrheit des Parlaments ganz auf die Seite Preußens trat, die erbliche deutsche Kaiserwürde und am 28. März deren Uebertragung an den König von Preußen beschlossen hatte, erklärte J. in Gegenwart seiner Minister und des Bureaus des Parlaments, [303] daß er unter den obwaltenden Umständen seine Würde niederlege. Es ist Simson, dem Präsidenten des Parlaments, in der erbkaiserlichen Partei sehr verdacht, daß er, unter Hinweis auf die gefährdete Lage Deutschlands, J. beschwor, von seinem Entschlusse Abstand zu nehmen (Haym, D. d. Nat.-Vers., Bd. 3, S. 19). Dieser erwiderte, er würde sich auch dann so entschlossen haben, wenn die Kaiserwahl auf den Kaiser von Oesterreich gefallen wäre, bat sich aber Bedenkzeit aus und erklärte nach Besprechung mit Schmerling und Heckscher in einem Briefe an H. v. Gagern, er beharre zwar bei der Abdankung, werde sich jedoch der Pflichten des Amtes erst dann als enthoben ansehen können, wenn es ohne Nachtheil für die öffentliche Ruhe und Wohlfahrt Deutschlands geschehen könne. Diese Episode ist ausführlich behandelt bei Jürgens (Bd. 2, Abth. 1, S. 468 u. Abth. 2, S. 301). Bald hiernach, 7. April, hat sich J., nach Duckwitz (Erinn. S. 282), diesem gegenüber dahin ausgesprochen: „Die Fürsten werden’s bereuen, daß sie sich jetzt aufs hohe Pferd setzen; sie sind undankbar gegen die Centralgewalt, denn vorigen Sommer haben wir sie gerettet“ u. s. w. Nach Ablehnung der Krone seitens des Königs von Preußens kam J. in ein gespanntes Verhältniß sowol zum Parlament als auch zu Preußen. Indem dieses trotz jener Ablehnung sich am 11. April für Festhalten an der Verfassung entschied, überließ es deren Durchführung zunächst nicht J., sondern setzte zur Berathung der Mittel hierzu einen Ausschuß ein. Andererseits wünschte die preußische Regierung J. zu verdrängen. Da derselbe abgedankt, hieß es in der preußischen Note vom 28. April, wünsche der König die provisorische Centralgewalt zu übernehmen; allein J. hinderte dies thatsächlich im Interesse Oesterreichs durch einfaches Beharren in der wenn auch jetzt vollends nicht mehr von Macht umgebenen Stellung. Er ließ am 3. Mai der preußischen Regierung klar machen, daß die Centralgewalt noch da sei und ihre Rechte behaupte. Im Uebrigen wollte er „nur legale und persuasive Mittel“ angewandt wissen und sprach sich am 5. Mai den Ministern gegenüber also aus: „Sie sehen in mir einen gebrochenen Mann mit gebrochenem Herzen; ich habe gehofft, ein einiges Deutschland gründen zu helfen, jetzt haben wir ein zerrissenes. Ich habe es den Fürsten gesagt: macht ein Ende mit der Sache, erklärt Euch bestimmt, was Ihr wollt, als es noch Zeit war; nun haben sie die Folgen.“ (Duckwitz, Erinn. S. 313.) Aus Besorgniß, durch eigenes Vorgehen für die Reichsverfassung die republikanischen Elemente zu stärken, welche unter diesem Schilde sich schon in Baden, der Pfalz und Sachsen erhoben, forderte das Parlament nun doch J. immer dringender zur Durchführung der Verfassung auf. Dieser gerieth dadurch in Zwist mit seinen Ministern und genehmigte erst auf deren Entlassungsgesuch die Sendung von Commissaren zu jenem Zweck. Nach dem in dieser Lage entstandenen neuen Programm Gagern’s sollte J. sein ganzes Ansehen für Durchführung der Verfassung vermöge gesetzlicher Mittel einsetzen. Das war jedoch dem Erzherzog zu viel zugemuthet. Unmöglich konnte er zur Verdrängung Oesterreichs aus seiner alten Stellung durch Preußen die Hand bieten. Er lehnte das Programm nach einigem Zögern (Duckwitz, S. 315) ab und wurde nun vom Parlamente noch schroffer behandelt. Dessen Aufforderung zur Berufung eines zur Durchführung der Verfassung geeigneten Ministeriums hatte eine peinliche Scene zur Folge. Grävell, Präsident des zur Vermittlung der Anerkennung der Verfassung mit den Regierungen ernannten Ministeriums (16. Mai) erklärte auf das Mißtrauensvotum des Parlaments, die Minister und auch J. werde bleiben, bis er seine Macht in die Hände Derer niederlegen könne, welche sie ihm übertragen, wenn er auch das Amt der Versammlung, von der er es erhalten, zurückgeben werde. Wenn nun auch diese jetzt einen Reichsstatthalter ernennen zu wollen beschloß, war J. derselben doch nicht feindlich gesinnt. Er sagte am 17. Mai 1849 zu [304] Duckwitz (Erinn. S. 319): „Könnte ich doch vor die Nationalversammlung treten und ihr sagen, wie schändlich ich von den Großen hintergangen bin; man würde sich überzeugen, wie ich für die Einheit unseres Vaterlandes gestrebt habe. Ich kann viel ertragen, aber diese Perfidie der preußischen Clique dreht mir das Herz im Leibe um. Man muthet mir Dinge zu – aber so lange ich lebe, werde ich nicht dulden, daß man der Nationalversammlung ein Haar krümmt.“ Das war eine Anspielung auf die Sendung des Obersten Fischer, welcher am 16. April erschien, um J. Namens der preußischen Regierung zur Auflösung des Parlaments zu bewegen (Jürgens, Bd. 2, Abth. 1, S. 468), welches Ansinnen am 23. Mai noch stärker wiederholt wurde (Gegenwart, Bd. 9, Leipzig 1854, S. 207) und worauf J. erwiderte, daß eine Uebertragung der Centralgewalt nicht durch unberechtigte Handlungen ihres jetzigen Inhabers geschehen könne. Heftige Aeußerungen gegen J. waren im Parlament selten. Der Abgeordnete Wolff aus Breslau fand keinen Beifall, als er bei Berathung der Verlegung des Parlaments J. einen Volksverräther nannte, der für vogelfrei zu erklären sei. Die von letzterem am 6. Juni in Stuttgart eingesetzte Reichsregentschaft erklärte alsbald J. seines Amtes entsetzt, weil er, gegen seine Pflichten, sich beharrlich geweigert, die Verfassung durchzuführen, alle deshalbigen Parlamentsbeschlüsse unbeachtet gelassen und trotz mehrfacher Mahnung verabsäumt habe, die Erhebung des Volks für die Verfassung zu unterstützen und den renitenten Regierungen entgegen zu treten. Hiernach unternahm J. am 14. Juni noch einen Verständigungsversuch mit Preußen; das Ministerium Brandenburg aber erwiderte, daß es „das rechtliche Fortbestehen der Centralgewalt und die Möglichkeit selbständiger Wirksamkeit für dieselbe nicht anerkenne“. J. soll sich nun noch mit dem Gedanken der Berufung eines neuen Parlaments getragen haben (Gegenwart, Bd. 9, S. 208); allein Preußen und Oesterreich schlossen am 30. Sept. 1849 das sog. Interim, wonach diese Mächte Namens aller deutschen Regierungen „die Ausübung der Centralgewalt für den Deutschen Bund“ für die Zeit bis 1. Mai 1850 übernahmen. In die Hände der zu diesem Zweck am 20. Dec. 1849 in Frankfurt a. M. zusammentretenden Commission legte J. alsbald sein Amt nieder und verließ diese Stadt am 1. Jan. 1850. Damit endet seine politische Wirksamkeit. Das enge Verhältniß zwischen Oesterreich und Deutschland, wie er es, namentlich als Schutz gegen das von ihm einst bekämpfte Frankreich, im Sinne gehabt zu haben scheint, ist erst ein Menschenalter später, nach der großen Auseinandersetzung zwischen beiden Mächten, auf dauerhafteren Grundlagen anzustreben begonnen worden.

Die Reichsverweserschaft war das letzte bedeutende Auftreten des Erzherzogs, der sich nun ganz zurückzog und zu Graz im Kreise seiner Familie lebte, wie vorher für das Land Steiermark und dessen Wohl ununterbrochen bedacht. Insbesondere der Land- und Forstwirthschaft wendete er stets große Aufmerksamkeit zu, verkehrte auch wieder viel mit Künstlern und Gelehrten und förderte, wo er konnte, wissenschaftliche Bestrebungen. Am 11. Mai 1859 starb er zu Graz, seine Leiche wurde im J. 1869 in die inzwischen vollendete Familiengruft nach Schönna in Tirol überführt. Die Steiermark ehrte sein Andenken durch ein imposantes Brunnendenkmal zu Graz, das im Herbste des Jahres 1878 vollendet und enthüllt wurde.

Eine[WS 5] umfassende Biographie Erzherzog Johann’s giebt es bisher nicht. Die ausführlichste und beste ist dem Werke: „Ein treues Bild des Herzogthums Steiermark von Hlubek“ (Graz 1860) unter dem Titel: „Johann Baptist, kaiserlicher Prinz und Erzherzog von Oesterreich. Eine biographische Skizze von K. G. Ritt. v. Leitner“ einverleibt. Allerdings berücksichtigt dieselbe besonders Steiermark, die Daten sind jedoch zumeist des Erzherzogs eigenen Aufzeichnungen [305] entnommen. Weitere biographische Werke sind: C. A. Schimmer, „Das Leben und Wirken des Erzherzogs Johann von Oesterreich nach Originalquellen und Urkunden“ (Mainz 1849) und F. J. A. Schneidawind, „Das Leben des Erzh. Johann von Oesterreich“ (Schaffhausen 1849). – Wurzbach, Biogr. Lex. Bd. VI, bietet mit gewohntem Fleiße Vieles. An Briefsammlungen liegen vor: Die im Texte mehrerwähnten „48 Briefe des Erzh. Johann an Johann v. Müller“ (Schaffhausen 1848) und „Erzherzog Johann von Oesterreich und sein Einfluß auf das Culturleben der Steiermark. Originalbriefe des Erzh. aus den J. 1810–1825 herausgeg. von Anton Schlossar“ (Wien 1878), von letzterem auch die Biographie „Erzherz. Johann Baptist von Oesterreich“ (Wien, Hölder 1880). Johanns historisch-wissenschaftliche Thätigkeit beleuchtet der Aufsatz von E. Kümmel: „Erzherzog Johann und das Joanneumsarchiv“ in den Mitth. des hist. Ver. f. Steiermark, XXIX (1881). Höchst beachtenswerth durch Beiträge zur politischen Geschichte Johanns ist Fournier’s im Texte erwähntes Werk über Gentz und Cobenzl, sowie die trefflichen Arbeiten von C. Th. Perthes, „Politische Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der französ. Herrschaft“, Bd. II (Gotha 1869). Selbstverständlich ist das Buch „das Heer von Innerösterreich“, dessen Hauptverfasser der Prinz ist, für den Biographen wichtig und die Arbeiten Hormayr’s besonders in dessen „Taschenbüchern“ und im „Archiv“, welche die Geschichte Johanns betreffen, können ebenfalls nicht übergangen werden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gebirgsgenden
  2. Durchschuß fehlt
  3. Vorlage: Hauptquartirr
  4. Vorlage: Genugthung
  5. Vorlage: Ein