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Das Geheimnis des Zuni

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Textdaten
Autor: William Käbler
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Titel: Das Geheimnis des Zuni
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Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ein Roman aus dem Wilden Westen.
Band 19 der Romanreihe Felsenherz, der Trapper.
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[1]

Felsenherz der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.



Das Geheimnis des Zuni.


[2]
Nachdruck verboten. – Alle Rechte. einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1922 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.


Felsenherz der Trapper

Zu beziehen durch alle Buch- und Schreibwarenhandlungen, sowie vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26
Elisabeth-Ufer 44.



Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

[3]
1. Kapitel.
Als die Präriewölfe heulten.

Die Sonne versank in rötliche Dunstschleier gehüllt im Westen hinter den zackigen Uferbergen des Rio Grande del Norte, des Grenzflusses zwischen Mexiko und Texas.

Ein seltsam fahles, gelbrotes Licht lag über den weiten, welligen Prärien die sich zwischen diesem Strome und dem Rio Pecos, oft unterbrochen von kahlen, romantischen Höhenzügen, hinziehen. Diese Abendbeleuchtung hatte geradezu etwas Unheimliches an sich, zumal in der Luft sich die drückende Stille und Schwüle eines nahenden Gewitters bemerkbar machte.

Um diese Abendstunde näherte sich ein vom Rio Grande kommender Wagenzug einem der Höhenzüge, deren tiefe Schluchten und Täler selbst für eine größere Anzahl von Menschen und Tieren gute Verstecke boten.

Der Zug bestand aus fünf großen, mit Leinwanddächern versehenen Auswandererwagen. Vor jeden [4] Wagen waren acht indianische Mustangs gespannt. Als Begleiter ritten neben dem Zuge neun gutbewaffnete Männer her, von denen jedoch nur sieben Ansiedler zu sein schienen. Die beiden anderen machen den Eindruck echter Westläufer. Ihr Beruf ging schon aus den eisernen Biberfallen hervor, die ihre starkknochigen Gäule außer den Reitern tragen mußten.

Es waren dies wirklich zwei der bekanntesten Pelzjäger des wilden Westens, stets John Box und Old Staked genannt.

Der kleine, dicke Box, dessen rundes Kürbisgesicht mit dem vorgebauten Unterkiefer in der Tat etwas an einen Boxer, einen Hund, erinnerte, hatte soeben zu dem Anführer der Auswanderer, einem älteren Engländer namens Smitson, gesagt:

„In zwei Stunden wird sich ein Gewitter zusammenziehen. Inzwischen werden wir aber wohl dort in den Hügeln einen sicheren Lagerplatz gefunden haben. – Ah – dort kehrt ja schon Euer Junge zurück, Smitson, den Felsenherz und der Komanchenhäuptling, der schwarze Panther, mit voraus genommen hatten. Er bringt uns ohne Zweifel irgend einen Befehl des berühmten Trappers.“

Der vierzehnjährige kräftige Edward Smitson jagte in gestrecktem Galopp herbei, zügelte dicht vor den Männern seinen flinken Mustang und rief dann:

„Wir sollen uns mit den Wagen weiter nördlich halten. Dort, wo die eine dünne Bergkuppe zu sehen ist, gibt es einen passenden Lagerplatz, läßt Felsenherz bestellen. Ihr sollt Euch aber beeilen. Ihm erscheint die Gegend nicht mehr ganz sicher.“

Der alte Smitson stieß eine Verwünschung aus.

„Wie – sind etwa schon wieder Apachen in der Nähe?!“ meinte er. „Von dem Gesindel habe ich genug! Ihretwegen haben wir unsere erste Ansiedlung [5] am Charikahua See im Westen verlassen müssen! Sollen wir uns abermals mit der blutgierigen Bande herumschlagen!“

Auch Old Staked, ein dürrer, überlanger Mensch, war neugierig geworden.

„Woraus schließt Felsenherz denn, daß es hier nicht mehr geheuer ist?“ fragte er den Knaben.

„Oh – wir haben drüben nach Norden zu aus der Prärie verschiedene Aasgeier aufsteigen sehen, ebenso Krähenschwärme. Felsenherz meinte, es müßten sich in jener Richtung also Leute befinden, und wir täten gut, recht schnell aus der offenen Savanne zu verschwinden, wo wir doch viel leichter anzugreifen sind als in einer Schlucht mit nur einem schmalen Zugang. – Ich soll sofort wieder zu den beiden Westmännern zurückkehren,“ fügte er hinzu, gab seinem Mustang die Hacken und galoppierte in der rasch zunehmenden Abenddämmerung wieder den etwa eine Viertelmeile entfernten Felsanhöhen zu.

Auch die Wagen setzten sich in Trab. Auf dem weichen Grasboden der Prärie durfte man ohne Gefahr auch mit den schwerfälligen Fahrzeugen ein rascheres Tempo einschlagen.

Die beiden Biberjäger ritten ja auch stets einige zwanzig Meter voraus und suchten den besten Weg aus. Jedenfalls kam man den Hügeln schnell näher.

Inzwischen war Edward Smitson, der dem Leser noch aus dem 17. Band, Rote Piraten[WS 1], bekannt sein dürfte, wieder auf jener Anhöhe angelangt, von der aus Felsenherz ihn vorhin nach dem Wagenzuge geschickt hatte.

Umsonst schaute der Knabe sich hier jedoch nach den beiden Jägern um. Weit und breit war von ihnen nichts mehr zu bemerken.

Dieser Hügel erhob sich nun dicht vor jener [6] Schlucht, die Felsenherz als Lagerplatz ausgesucht hatte.

Edward, ein heller Kopf und durch das Ansiedlerleben und durch die Gesellschaft der beiden berühmten Westmänner selbst schon so etwas wie ein kleiner Fährtensucher geworden, tat jetzt denn auch das einzig Richtige, um sich mit ihnen wieder zu vereinen.

Er sprang aus dem Sattel und fand auch bald die Fährten der beiden Reiter, die nach der Weite der Spuren zu schließen im Galopp nach Norden gesprengt waren.

Der Knabe folgte ihnen. Die Spuren führten um einen steinigen, flachen Berg herum und auf ein kleines Wäldchen zu.

Als Edward Smitson die ersten Bäume dicht vor sich hatte, glitt er aus dem Sattel, nahm den Zügel seines Pferdes um den linken Arm und den kurzen Stutzen (eine Büchse mit kurzem Lauf) in die rechte Hand.

So drang er in das Wäldchen ein. Auf der anderen Seite stieß er dann auf Felsenherz und den Komanchenhäuptling, die im Schutz eines Busches standen und in die halbdunkle Prärie hinauszulauschen schienen.

Edward meldete, daß er Felsenherz Auftrag dem Vater ausgerichtet habe.

Der blondbärtige, stattliche Jäger nickte und sagte dann leise:

„Hörst Du etwas, mein Junge?“

„Ja. Ich höre die Coyoten lauter als sonst heulen.“

Da erklärte der stolze, edle Komanche freundlich:

„Das kleine Blaßgesicht hat noch viel zu lernen. Die Wildnis redet ihre eigene Sprache. Horche genauer auf das Heulen und Kläffen der Präriewölfe [7] hin, dann werden die Töne Dir mehr erzählen.“

Eine ganze Weile lauschte der Knabe angestrengt.

Ohne Zweifel kam das Geheul und das heisere Kläffen näher.

„Es müssen sehr viele Coyoten sein, mehrere Rudel,“ sagte er dann.

Der Komanche fügte hinzu:

„Und sie hetzen ein größeres, verwundetes Wild, das sich nur noch mühsam fortbewegt. Die Coyoten sind feige wie die stinkenden Kröten der Apachen. Sie wagen sich nur an kranke Hirsche oder Büffel heran oder an ein Büffelkalb, das von der Herde abgekommen ist.“

Mittlerweile war es noch dunkler geworden.

„Wir wissen jetzt, weshalb die Geier und Krähen aufgestiegen sind,“ sagte Felsenherz nach einigen Minuten. „Die Coyoten haben sie aufgescheucht. Kehren wir um.“

Im selben Moment drang von Norden her, das Heulen der kleinen Wölfe übertönend, ein gellender Schrei aus der dunklen Savanne hervor – der Schrei eines Menschen, der sich in höchster Todesnot befindet.

Die Stimmen der Raubtiere verstummten für ein paar Sekunden.

Dann ein noch schrillerer Schrei.

Schon hatte Felsenherz sich auf seinen hochbeinigen Fuchs geworfen und jagte der Stelle zu, wo die Coyoten jetzt untereinander in einen hitzigen Streit um die Beute geraten zu sein schienen.

Auch der Häuptling und der Knabe hatten ihre Pferde bestiegen und folgten dem blonden Trapper, der bereits in der Dunkelheit untergetaucht war.

Schon nach fünf Minuten konnte Edward Smitson [8] ein geradezu grauenhaftes Bild beim letzten Schimmer des Tageslichtes unterscheiden.

Dort lag ein Mustang auf der Seite, dem die Coyoten bereits die Kehle durchgebissen und ebenso den Leib und die Beine mit scharfen Zähnen zerfetzt hatten.

Auf dem Rücken des Pferdes, das in den letzten Zuckungen wild mit den Beinen in der Luft herumfocht, war ein Indianer festgebunden, ein schon älterer, grauhaariger Krieger, das Gesicht nach oben, die Arme um den Hals des Mustangs geschlungen.

Auch ihm hatten die hungrigen kleinen Bestien bereits Stücke Fleisch aus den Schenkeln herausgerissen. Beim Erscheinen des blonden Jägers war die ganze feige Brut, wohl an fünfzig Stück, eilends davongerannt.

Felsenherz, der rasch auf die Erde gesprungen war, schnitt den alten Indianer los und legte ihn in das Gras, verband die Wunden mit ein paar Streifen Leinwand und flößte dem völlig Erschöpften einige Schlucke Wasser ein.

Chokariga hatte sich ebenfalls neben dem im letzten Augenblick einem furchtbaren Tode Entronnenen niedergekniet und sagte nun zu Felsenherz:

„Es ist ein Zuni[WS 2], ein Krieger dieses Unterstammes der Navajo-Nation.“

Der Zuni hatte sich ein wenig erholt und flüsterte:

„Guazava, der Medizinmann der Zunis, hat den Oberhäuptling der Komanchen noch nie gesehen. Aber er weiß, daß der berühmte schwarze Panther stets in Gesellschaft des Trappers Felsenherz zu finden ist. Und Felsenherz’ lange Doppelbüchse mit dem mit Goldblättchen verzierten Kolben kennt jeder. Der blonde Jäger, der mich soeben gerettet hat, legte diese Büchse neben sich. Also muß es Felsenherz sein. [9] Guazava, der fliegende Pfeil, dankt den beiden berühmten Kriegern sein Leben.“

Er schwieg vor Erschöpfung, schloß die Augen und fiel in eine tiefe Ohnmacht.




2. Kapitel.
Apachen auf der Büffeljagd.

Felsenherz legte ihn auf seinen Fuchs, stieg in den Sattel und ritt, neben sich den Komanchen und den Knaben, im Schritt jener Schlucht zu, die die Auswanderer inzwischen schon erreicht hatten.

Als die beiden Westmänner und Edward mit dem bewußtlosen Zuni bei den Wagen angelangt waren, wurden ein paar Feuer angezündet, da man jetzt wußte, daß kaum irgendwelche feindlichen Rothäute in der Nähe waren.

Frau Smitson reichte aus einem der Wagen Verbandzeug heraus, und Chokariga erneuerte nun die Verbände, legte auf die Wunden zerquetschte heilkräftige Kräuter und mischte auch einen Trank, um das Wundfieber niederzuhalten.

Die Rettung des Zuni bildete dann an den Lagerfeuern der Reisenden das allgemeine Gesprächsthema. Selbst Felsenherz und der Komanche konnten sich nicht erklären, wer den Medizinmann in so grausamer Weise hatte töten wollen und wie dieser, da doch die Zunis weit nördlich an den Quellflüssen des Colorado ihre Dörfer hatten, so weit nach Süden mitten in das Gebiet der Apachen gelangt sein könnte.

[10] Als der Zuni gegen elf Uhr abends erwachte, waren die Auswanderer bereits zur Ruhe gegangen. Die beiden Biberjäger und der alte Smitson hatten die erste Wache bis Mitternacht übernommen und patrouillierten vor dem Lager und vor der Schlucht auf und ab.

Felsenherz und der schwarze Panther waren als einzige noch an ihrem kleinen Feuer sitzen geblieben, neben dem sie dem Medizinmann ein weiches Moosbett hergerichtet hatten.

Der Zuni regte sich und schlug die Augen auf, die im Feuer eines heftigen Wundfiebers übergroß erglänzten.

„Wasser!“ stöhnte er. „Wasser!“

Felsenherz gab ihm zu trinken.

Eine Weile lag der Medizinmann still da und stierte zum düsteren, gewitterschweren Nachthimmel empor.

Dann verwirrte das Fieber seine Sinne, und in halben Sätzen begann er allerlei Erinnerungen an seine letzten grauenvollen Erlebnisse vor sich hin zu murmeln.

Schweigend und regungslos hörten die beiden Jäger zu.

„Bill Jeffries ist ein Verräter,“ lispelte der Fiebernde jetzt mit verzerrtem Gesicht. „Ich schenkte ihm Vertrauen. Er wollte mit mir den Berg der Schlangen besuchen. Dann hat er zusammen mit seinem Freunde Jonny mich niedergeschlagen, als ich mich weigerte, ihnen alles zu verraten. Sie haben mich gemartert, haben mich dann auf meinen Mustang gefesselt. Alle Blaßgesichter sind Verräter. – Wie die Coyoten hinter mir hertraben – wie sie heulen und an dem Mustang hochspringen. Jeffries soll sterben. Mein Messer wird ihn fressen –“

[11] Dann schnellte er hoch, blickte wild um sich, starrte Felsenherz mit wutverzerrtem Gesicht an und röchelte:

„Bill Jeffries, Du bist ein Schurke! Stirb – stirb –!“

Er wollte den Trapper, den er mit seinem Feinde verwechselte, packen.

Nur mit Mühe konnte Chokariga ihn auf das Mooslager zurückdrücken.

Das Fieber steigerte sich. Vergebens erneuerte der Komanche nochmals die Verbände. Gerade als die ersten krachenden Donnerschläge des nahenden Gewitters in vielfachem Echo in den Schluchten widerhallten, starb der Zuni. Wenige Sekunden, bevor er seinen Geist aufgab, kehrte ihm die klare Besinnung zurück.

Dankbar drückte er mit letzter Kraft dem blonden Trapper die Hand und flüsterte, nur für Felsenherz verständlich:

„Der berühmte Jäger mag nach dem Berge der Schlangen am Rio Pecos reiten. Dort steht am Ostabhang eine uralte Eiche. Wenn Felsenherz sie erklettert, kann er –“

Dann verließen ihn seine Kräfte. Er konnte den begonnenen Satz nicht vollenden. So starb er, nachdem er seinem Retter sein Geheimnis nur halb anvertraut hatte. –

Am Morgen begrub man ihn in der Schlucht in sitzender Stellung, das Gesicht nach Osten gewendet, schichtete einen Hügel von schweren Steinen um die Leiche auf und bedeckte den Hügel mit mehreren Felsplatten.

Nun setzte sich der Wagenzug wieder in Bewegung. Abermals ritten Felsenherz, der Komanche und Edward Smitson als Späher weit voraus.

[12] Bisher hatten die beiden Westmänner über Guazavas Geheimnis noch nicht ihre Ansichten ausgetauscht. Jetzt sagte Chokariga unvermittelt:

„Wenn wir eine etwas nördlichere Richtung einschlagen, werden wir auf den Berg der Schlangen stoßen.“

Felsenherz, der soeben in weiter Ferne eine Büffelherde beobachtet hatte, die plötzlich im Galopp nach Osten davonjagte, fragte zerstreut:

„Mein roter Bruder kennt den Berg der Schlangen?“

Chokariga war zweimal dort. Es ist ein kahler Felskegel, steil und unzugänglich, mit zahlreichen Spalten und Rissen, kleinen Höhlen und Löchern. Es hausen dort ungezählte Klapperschlangen, die nur nachts in die Prärie hinabkriechen und den Wühlmäusen nachstellen. Die Apachen nennen den Berg anders: Pawa Katschi, heißen Berg, weil es dort auch drei heiße Quellen gibt, deren Wasser in den Pecos abfließt.“

Felsenherz hatte auf die letzten Worte kaum hingehört.

Er riß jetzt seinen Fuchs zurück, rief gleichzeitig:

„Schnell – hinab in das Tal! Apachen auf der Büffeljagd!“

Auch der Komanche bemerkte jetzt eine lange Kette dunkler, beweglicher Punkte drüben im Nordosten.

Es konnten nur Apachen sein, und da sie in einer so weit auseinandergezogenen Linie ritten, waren sie fraglos auf der Büffeljagd und suchten eine Herde nach einem bestimmten Punkte hinzudrängen.

Im Moment waren nun die beiden Westmänner und der Knabe in das nächste Tal hinabgesprengt, wo sie nicht gesehen werden konnten. Im Galopp [13] jagten sie nach dem Wagenzuge zurück, den John Box bereits ebenfalls in eine flache Mulde hineingelenkt hatte, da das Verhalten der beiden Jäger ihn irgend eine Gefahr hatte vorausahnen lassen.

Die Wagen werden rasch zum Viereck zusammengeschoben, nachdem man die Deichseln herausgenommen hatte. In der Mitte der Wagenburg brachte man die Pferde unter.

Alles kam jetzt darauf an, daß die Apachen die Auswanderer nicht gewahr wurden. Um sie nach Möglichkeit von der Talmulde fernzuhalten, erboten Felsenherz und Chokariga sich, den Apachen im Bogen von Osten her entgegenzureiten. Sie durften dies im Vertrauen auf die Schnelligkeit ihrer Pferde getrost wagen, denn mit des blonden Trappers Fuchs und des Häuptlings Rappen nahm es kein Indianermustang auf.

Für alle Fälle vereinbarten die beiden Westmänner mit den Biberjägern noch ganz genau, wie die Auswanderer nachher ihren Weg fortsetzen sollten und wo man sich treffen wollte.

Dann bestiegen sie ihre Pferde und trabten nach kurzem Abschied nach Osten zu die Talmulde entlang, bogen in das nächste Tal ein, gelangten an ein paar kahle Hügel, die ihnen Deckung gegen Sicht boten, und verfolgten nun ein steiniges, ausgetrocknetes Flußbett, in dem sie ihren Tieren die ledernen Hufschuhe unterschnallten, um keine Fährten zurückzulassen.

Als sie nach einer Viertelstunde den Pferden diese ledernen Hüllen wieder abnahmen und nun in die offene Prärie hinausritten, war selbst von der Spitze des nächsten Hügels aus von den Apachen nichts mehr zu sehen.

Die Freunde mochten hier von der Wagenburg [14] der Auswanderer etwa eine Meile entfernt sein. Da die Jagd sich vorhin offenbar in südöstlicher Richtung hingezogen hatte, konnte man kaum annehmen, daß die Rothäute auf die Nähe der Reisenden bereits aufmerksam geworden sein sollten.

Das Verschwinden der Apachen fand dann eine ebenso plötzliche wie überraschende Aufklärung.

Der von Norden kommende Wind trug den beiden Jägern mit einem Male den Knall mehrerer Schüsse zu.

Gleich darauf tauchten kaum zweitausend Meter vor ihnen zwei Reiter auf, die in voller Karriere den fernen Uferbergen des Rio Pecos[1] zusprengten.

Felsenherz und der schwarze Panther waren sofort aus dem Sattel geglitten, hatten ihre Pferde, die indianische Dressur besaßen, sich niederlegen lassen und warfen sich neben den Tieren in das hohe Gras, das sie völlig verbarg.

Dann erschienen auch die Apachen, gegen siebzig Krieger, die am besten Berittenen ein Stück voraus.

Die beiden Flüchtlinge waren Europäer und trugen die üblichen Lederanzüge der Fallensteller, hatten ihre Büchsen quer über den Sattel gelegt und saßen weit vorgebeugt im Sattel, um ihren fraglos schon recht ermüdeten Tieren die Last erleichtern.

Die Jagd zog sich unweit des Verstecks der Freunde nach Osten zu hin. Weder die Verfolgten noch die Verfolger ahnten, daß sie beobachtet wurden.

Jetzt verschwanden die Flüchtlinge hinter einer Anhöhe.

Die in blindem Eifer nachsetzenden Apachen sollten nur zu bald belehrt werden, daß sie es hier mit erfahrenen Savannenläufern zu tun hatten.

Plötzlich zwei Schüsse – abermals zwei Schüsse.

[15] Die ersten vier Apachen sanken aus dem Sattel.

Die Verfolgten hatten kehrt gemacht, sich auf die Anhöhe geschlichen und die Rothäute mit Kugeln empfangen.

Die Apachen fluteten zurück, berieten sich kurz, teilten sich und umritten die Anhöhe.

Inzwischen hatten die beiden Fallensteller sich schon wieder auf ihre Pferde geworfen, waren weiter geritten und gewannen so einen Vorsprung, der ihnen vielleicht das Entrinnen ermöglicht hätte, wenn ihre Pferde frischer gewesen wären.

Mit ihren bereits stark abgehetzten Tieren konnten sie den Vorsprung jedoch nicht einhalten.

Felsenherz, der sich halb aufgerichtet, erkannt sehr bald, daß die Apachen den Flüchtlingen wieder näher rückten.

„Wir müssen hinter ihnen drein,“ sagte er hastig zu dem Komanchen. „Die beiden Männer sind verloren, wenn wir ihnen nicht Hilfe bringen.“

Der Häuptling erhob sich gleichfalls.

„Mein weißer Bruder mag an den Medizinmann der Zunis denken,“ meinte er. „Zwei Blaßgesichter handelten wie Verräter an ihm, und der Berg der Schlangen ist in der Nähe.“

„Ah – Chokariga glaubt, die beiden Verfolgten könnten jener Jeffries und jener Jonny sein, von denen der Zuni in seinen Fieberphantasien sprach?“

„Der schwarze Panther hat ihre Gesichter nur flüchtig gesehen. Es waren keine guten Gesichter. Wir werden die Männer trotzdem schützen und sie dann heimlich ausforschen.“

Er schwang sich in den Sattel. Auch Felsenherz sprang auf, und im Galopp ging es den Apachen nach.




[16]
3. Kapitel.
Parker und Smith.

Die Flüchtlinge hatten inzwischen eingesehen, daß sie auf diese Weise den Apachen nicht entgehen würden. Als sie daher jetzt ein paar einzelne, aus der Prärie jäh aufsteigende Felsen erreicht hatten, machten sie halt, führten ihre Tiere zwischen die Steinblöcke und erkletterten einen der Felsen, von dessen Spitze sie die Rothäute bequem beschießen konnten.

Die vorsichtig gewordenen Apachen näherten sich den Felsblöcken jedoch nicht einmal auf Schußweite, schlossen die Verfolgten in weitem Kreise ein, stellten Wachen aus und gedachten die Fallensteller durch eine Belagerung auszuhungern. Ihr Anführer, der Unterhäuptling Tralua, der schleichende Fuchs, hatte bereits sein Jagdzelt aufrichten lassen, als eine der Wachen durch laute Rufe die Aufmerksamkeit auf zwei andere Reiter lenkte, die von Westen her herantrabten.

Traluas scharfe Augen hatten sofort die beiden Todfeinde der Apachen, den Trapper Felsenherz und den schwarzen Panther, in diesen Reitern erkannt.

Im Umsehen saß der ganze Apachentrupp wieder zu Pferde. Der Unterhäuptling ließ nur zwanzig Krieger zur Beobachtung der Umzingelten zurück. Mit der Hauptmacht nahm er die Verfolgung der beiden Westmänner auf, die jetzt nach Nordost abgebogen waren.

Felsenherz und Chokariga ritten absichtlich so, als ob auch ihre Pferde bereits erschöpft wären. So gelang es ihnen, die fünfzig Apachen immer weiter [17] in die Prärie hineinzulocken. Erst nach einer Stunde, als sie in einen schmalen Wald einlenkten, der sich am Rande einer steinigen Bergkette hinzog[2], gaben sie ihren Tieren die Zügel frei, befanden sich bald inmitten der kahlen, felsigen Anhöhen, banden ihren Pferden die Hufschuhe abermals unter und schwenkten nach Süden ab.

Die Apachen hatten sie jetzt aus dem Gesicht verloren. Und wieder eine halbe Stunde drauf bemerkten die eingeschlossenen Fallensteller, daß Hilfe nahte. Der blonde Trapper und der Komanchenhäuptling hatten die Verfolger abschüttelt und sprengten nun von Südost auf die Steinblöcke zu.

Die zum Teil mit schlechten Steinschloßflinten, sonst nur mit Bogen und Pfeilen bewaffneten zwanzig Apachen sahen sich so vier Doppelbüchsen gegenüber und ließen es gar nicht zum Kampfe kommen, sondern flüchteten eilends nach Westen.

„Hallo, Boys, habt Dank für Eure Hilfe!“ begrüßte einer der Fallensteller, ein stiernackiger, rotbärtiger Mann, die beiden Westmänner.

„Nichts zu danken,“ meinte Felsenherz kurz. „Nehmt Eure Pferde und dann weiter! Die anderen Apachen dürften sich sehr bald wieder einfinden.“

Zu einer Unterhaltung war jetzt keine Zeit.

Die vier Reiter trabten nach Süden davon, und erst nach gut anderthalb Stunden, als sie ihre Pferde in einem Bach entlangführten, um jede Spur zu verwischen, fragte Felsenherz die Fallensteller, woher sie kämen.

Diese hatten längst gemerkt, mit wem sie es zu tun hatten.

„Nicht wahr, Master, Ihr seid doch der berühmte Trapper Felsenherz.“ erwiderte der jetzt etwas bucklige Gefährte des Stiernackigen. „Und die Rothaut [18] ist der Komanchenhäuptling schwarzer Panther. Es stimmt doch? Nun also – in so vornehmer Gesellschaft sind wir beide noch nie gewesen. Wir sind bescheidene Pelzjäger, heißen“ – er überlegte etwas – „heißen Parker und Smith und kommen vom Rio [?][3] her, wo wir zumeist unsere Tellereisen und Schlagfallen aufstellen. Wir hatten noch ein mit Fellen beladenes Packpferd bei uns. Leider liefen wir den Apachen gerade in die Arme, mußten das Packpferd im Stiche lassen und sind jetzt heilfroh, mit dem Leben davongekommen zu sein.“

Felsenherz ahnte, daß dieser Mensch log. Auch der Komanche warf dem blonden Trapper heimlich einen besonderen Blick zu und sagte dann:

„Die beiden Blaßgesichter müssen, obwohl sie ein Packpferd mit sich führten, sehr scharf geritten sein. Ihre Tiere waren so müde, als hätten sie bereits eine lange Hetzjagd hinter sich gehabt.“

Da entgegnete der Rotbart zögernd:

„Der Häuptling hat ganz recht. Wir wollten schnellstens südwärts nach El Paso, der mexikanischen Grenzstadt. Es fehlt uns an Pulver und Blei.“

Der Komanche schwieg dazu.

Felsenherz bereits fest überzeugt, jenen Jeffries und Jonny vor sich zu haben, tat ebenfalls ganz harmlos.

Am Nachmittag erreichte man den Rio Pecos etwa einen Tagesritt südlich vom Berge der Schlangen.

Hier in den wild zerklüfteten Uferbergen des Rio Pecos suchte der Häuptling einen Lagerplatz in einer dicht bewachsenen Schlucht aus und erklärte dann den Fallenstellern, er würde mit Felsenherz [19] noch in ein größeres Nebental schleichen, um dort ein Wild für die Nachtmahlzeit zu erlegen.

Sie schritten denn auch mit ihren Büchsen davon, machten aber schon nach einer halben Stunde kehrt, um von der anderen Seite in die Schlucht einzudringen und die beiden Fallensteller zu belauschen, die, wie sie hofften, sich durch irgend eine Äußerung verraten würden.

Sie irrten sich jedoch. Parker und Smith sprachen nur von dem Verlust ihres Packpferdes. Trotzdem zweifelte weder Felsenherz noch der Komanche daran, mit denselben Schurken zusammengetroffen zu sein, die den Zuni auf den Mustang gefesselt hatten, weil er ihnen sein Geheimnis nicht verraten hatte.

Nachdem sie dann, freilich ohne Jagdbeute, nach dem Lagerplatz zurückgekehrt waren, begann Felsenherz nach einer Weile den beiden Fallenstellern so nebenher zu erzählen, daß er und Chokariga heute in aller Frühe zufällig einen toten Mustang gefunden hätten, neben dem ein bewußtloser Indianer, ein Zuni-Krieger, lag. Der Zuni sei nicht wieder zur Besinnung gekommen, und sie hätten die Leiche in der Prärie begraben.

Selbst diese halb erfundene Geschichte machte auf Parker und Smith nicht den geringsten Eindruck. Sie zeigten dafür nur gerade so viel Interesse, wie jeder Weltmann dafür bekundet hätte.

Jetzt wurde Felsenherz doch unsicher. Als Parker und Smith die erste Wache übernommen hatten und die beiden Eingänge der Schlucht bewachten, flüsterte der Trapper seinem Freunde zu:

„Mein roter Bruder kennt stets meine Gedanken. Was hält er von Parker und Smith?“

„Felsenherz glaubt, es mit ehrlichen Blaßgesichtern [20] zu tun zu haben,“ erwiderte der Häuptling und hob Parkers Pulverhorn hoch. „Das Horn ist fast leer. Vielleicht haben wir uns wirklich getäuscht. Wir wollen trotzdem wachsam sein.“

Dann hüllten sie sich in ihre Decken und schliefen auch sehr bald ein, da sie mehrere recht anstrengende Tage hinter sich hatten.




4. Kapitel.
Elende Verräter.

Felsenherz erwachte bloß halb durch einen furchtbaren Kolbenhieb, sank sofort wieder bewußtlos zurück.

Nur undeutlich erkannte er im Lichte des in die Schlucht hinabscheinenden Vollmondes den stiernackigen Smith mit der noch zum zweiten Schlage erhobenen Büchse im Arm. Dann schwand ihm die Besinnung.

Als er wieder zu sich kam, fühlte er sofort, daß er an Händen und Füssen gefesselt war. Allmählich rief er sich die letzten Vorgänge ins Gedächtnis zurück.

Kein Zweifel: die Schurken hatten ihn und Chokariga im Schlaf überfallen! Es waren doch Jeffries und Jonny gewesen!

Er richtete sich auf. In der Schlucht ringsum tiefste Dunkelheit. Dann eine leise Stimme neben ihm, die des Komanchenhäuptlings:

„Mein weißer Bruder mag sich auf das Gesicht [21] legen. Chokariga wird sich näher wälzen und ihm die Fesseln lösen.“

Gleich darauf waren sie frei, tasteten nun den Boden nach ihren Büchsen ab, fanden sie nicht, fanden auch ihre Pulverhörner und Kugelbeutel nicht.

Die beiden Verräter hatten ihnen nur die Tomahawks und die Jagdmesser gelassen! So hatten sie es ihnen gedankt, daß sie den Apachen glücklich entkommen waren! –

Kaum graute der Morgen, als die Freunde auch schon aufbrachen.

Die Fährten Jeffries und Jonnys führten zum Pecos hinab. Hier schienen die Schurken schwimmend über den Fluß gesetzt zu sein.

„Wir werden sie finden!“ sagte der Häuptling fast feierlich. Es klang wie ein drohender Schwur. Dann fügte er hinzu: „Ihre Pferde waren gestern so abgehetzt, weil sie nach dem Zuni gesucht haben. Sie hatten zu spät eingesehen, daß sie vorschnell den Medizinmann in den Tod geschickt hatten, von dem sie allein das Geheimnis erpressen konnten. Sie werden jetzt nach dem Berg der Schlangen zurückkehren und dort nochmals zu ergründen suchen, was sie wie wir nur halb wissen.“ –

Sie bestiegen ihre Pferde, schwammen durch den Fluß und wandten sich am Ostufer nach Norden.

Ein scharfer Ritt von sieben Stunden brachte sie gegen zwei Uhr nachmittags in die Nähe des Berges der Schlangen, der sich als einzelner Kegel am Westufer, schon von weitem erkennbar, erhob.

Die Ostseite des Berges fiel in kurzen Terrassen recht steil in den Pecos ab, dessen gurgelnde Wasser die Felswände umschäumten. Auf dieser Ostseite und zwar auf der zweiten Terrasse von oben stand[4] wirklich eine mächtige, seltsam gewachsene Eiche. Es [22] konnte dies nur der Baum sein, den der Zuni erwähnt hatte. Der Stamm war nur etwa drei Meter leidlich gerade gewachsen. Dann krümmte er sich fast rechtwinklig nach dem Flusse zu, so daß seine schräg liegende Krone über dem Wasser wie ein riesiger grüner Ball in etwa vierzig Meter Höhe hing[5].

Der Pecos war an dieser Stelle kaum fünfzig Meter breit und wand sich durch die steilen Felsenufer mit Tosen und Lärmen hindurch. Die für sein Strombett so bezeichnenden kleinen Felseneilande, zumeist einzelne Granitblöcke von enormer Größe, waren auch hier vorhanden. An diesen Hindernissen brach sich die jagende Strömung mit brausendem Getöse. Lange weiße Schaumstreifen entstanden hinter den Inselchen und verliehen dem dunklen Wasser ein merkwürdiges Aussehen. –

Felsenherz und der Komanche hatten ihr Pferde am Ostufer in einem sicheren Versteck untergebracht und standen jetzt, gedeckt durch ein paar von wildem Hopfen völlig umsponnene Tannen, auf der Uferhöhe und spähten nach dem Berge der Schlangen hinüber.

Nichts regte sich dort. Einsam und verlassen lag der Granitblock mit seinem spärlichen Baum- und Strauchwuchs da, und leise schwankte die Krone der krummen Eiche im frischen Nachmittagwinde.

Dann gewahrten die Freunde gleichzeitig in einem Gestrüpp neben der Eiche den Kopf eines Apachen. Deutlich war der geschorene Schädel mit der Skalplocke und den darin befestigten Adlerfedern zu erkennen.

„Ah – der Oberhäuptling, der schnelle Büffel!“ flüsterte der blonde Trapper überrascht.

Der Kopf der Rothaut verschwand wieder.

Nach kurzer Zeit erschienen auf derselben Terrasse [23] in gemächlichem Schritt zuerst der angebliche Parker, der Bucklige und dann auch Smith, der Rotbärtige – also Jeffries und Jonny.

Am Fuße der Eiche blieben sie stehen und sprachen sehr lebhaft miteinander, wobei sie immer wieder auf die Krone des Baumes deuteten.

Dann lehnte der Rotbart seine Büchse an den Stamm und ließ sich von seinem Gefährten hinaufhelfen, kletterte gewandt nach oben und weiter den schrägen Stamm entlang, bis er die äußerste Spitze der Krone erreicht hatte.

Mit atemloser Spannung beobachteten die beiden Westmänner diese Vorgänge. Jeffries und Jonny ahnten offenbar nicht das geringste von der furchtbaren Gefahr, in der sie schwebten.

Der Bucklige war jetzt bis an den Rand der Terrasse vorgetreten und rief dem Rotbart einige Worte zu, indem er die Hände vor dem Munde zum Schallrohr formte.

Im selben Moment glitten schlangengleich sechs Apachen aus dem Gestrüpp.

Drei stürzten sich auf den Buckligen, packten seine Arme, rissen ihn nieder.

Der gellende Schreckensruf des Rotbärtigen, der ohne seine Büchse oben in der Eichenkrone hockte, drang selbst bis zu den Freunden über den Fluß hinüber

Die drei anderen Apachen – einer von ihnen war der schnelle Büffel – hatten ihre einläufigen Flinten angelegt und zielten auf den wehrlosen Fallensteller, der vor Angst noch weiter nach der äußersten Spitze der Krone kroch.

Der schnelle Büffel befahl ihm, wieder herabzusteigen. Felsenherz merkte an den Handbewegungen des Apachenhäuptlings genau, was er von dem Rotbart [24] verlangte. Dieser zögerte. Er kannte sein Schicksal, wenn er den Apachen in die Hände fiel.

Abermals ein paar drohende Handbewegungen des schnellen Büffels. Der Fallensteller, dessen Gefährte längst gebunden am Boden lag, rutschte auf der Spitze eines Astes noch weiter. Der Ast bog sich unter dem Gewicht des schweren Mannes, der nun hoch über den schäumenden Wassern des Pecos hing.

Der Oberhäuptling schickte jetzt zwei Krieger auf den Baum. Sie nahmen Lassos mit. Sie wollten das Bleichgesicht lebend fangen.

Der Rotbart klammerte sich mit der linken Hand an den Ast und zog sein langes Bowiemesser. So erwartete er die beiden Apachen.

Der vorderste war nur noch drei Meter von ihm entfernt.

Da – holte der Fallensteller zum Wurfe aus. Das Messer sauste dem Apachen dicht am Kinn vorbei in den Hals. Der Apache kollerte über die Seitenäste hinweg in die Tiefe, fiel in den Fluß.

Der schnelle Büffel hatte seine einläufige Flinte hochgerissen. Ein Feuerstrahl brach aus dem Laufe hervor, und des Rotbarts rechter Arm, jetzt von einer Kugel dicht über dem Ellenbogengelenk zerschmettert, sank machtlos herab und ließ den Tomahawk, die letzte Waffe, den Fingern entgleiten.

Noch zwei Apachen erklommen die Eiche. Der Rotbart wurde an Lassos festgeseilt und nach unten gezerrt.

Dann verließen die Krieger mit den Gefangenen die Terrasse und entschwanden den Blicken der beiden Freunde.

„Wir müssen weiter oberhalb über den Fluß setzen,“ sagte der Komanche kurz. „Mein weißer Bruder soll Zeuge sein, wie der schnelle Büffel von [25] den Fallenstellern das Geständnis erpreßt, weshalb sie zum Berge der Schlangen gekommen sind.“

Der Abend brach bereits an, als Felsenherz und der schwarze Panther auf zwei zusammengebundenen Baumstämmen den Fluß überruderten und dann nach Süden zu durch Schluchten und Täler wieder dem Pawa Katschi, dem heißen Berge, zustrebten.

Mit äußerster Vorsicht wagten sie sich, nach Westen zu einen Bogen beschreibend, jener Stelle zu nähern, wo am Fuße des Felskolosses der Schein zahlreicher Feuer auf ein größeres Indianerlager hindeutete.

Die Apachen, jetzt etwa 280 Krieger, hatten in der offenen Prärie westwärts eine ausgedehnte Zeltstadt errichtet. Sowohl nach der Savanne als auch nach dem Flusse hin schützten Wachtposten das Lager. Trotzdem gelang es den Freunden, unbemerkt bis an die erste Zeltreihe zu kriechen und in einer schmalen, grasüberwucherten Regenrinne sich bis an das Beratungsfeuer vorzuschieben, neben dem Jeffries und Jonny aufrecht an zwei Pfähle gefesselt waren.

In dreifachem Kreise saßen die Apachen um das Beratungsfeuer herum. Soeben hatte sich einer der ältesten Krieger erhoben und mit folgender Ansprache begonnen:

„Der große Geist hat sein Antlitz für seine roten Kinder vom Stamme der Apachen verhüllt. Felsenherz und der langhaarige Hund von Komanche, der schwarze Panther, sind dem Unterhäuptling Tralua, dem schleichenden Fuchs, gestern abermals entschlüpft, nachdem sie jene beiden Blaßgesichter da befreit hatten, die nun der schnelle Büffel wieder ergriffen hat. Diese beiden Blaßgesichter haben fünf Apachen getötet, vier gestern mit der Büchse, heute den schleichenden Fuchs in der Krone der Eiche. Sie weigern [26] sich uns zu verraten, zu welchem Zweck sie hierher gekommen sind. Ihr Mund blieb stumm, obwohl sie schon den Tomahawk des schnellen Büffels über ihrem Kopfe kreisen sahen. Wir können hier nur noch kurze Zeit lagern, da soeben unsere Späher die Meldung gebracht haben, daß andere Blaßgesichter mit fünf Wagen, Frauen und Kindern weiter südlich am Pecos Bäume fällen, um ein Floß herzustellen und über den Fluß zu setzen. Wir werden die beiden Blaßgesichter daher nicht länger ausforschen, sondern sie einen Tod sterben lassen, der vielfach schlimmer als der am Marterpfahle ist –“




5. Kapitel.
Die Rache der Apachen.

Nur zu gern hätten Felsenherz und der Komanche die weiteren Sätze des alten Kriegers mitangehört. Sie mußten sich jetzt jedoch schleunigst in Sicherheit bringen, da ein paar struppige Indianerhunde offenbar ihre Witterung in die Nase bekommen hatten und suchend und knurrend umherliefen.

Schnell krochen sie die tiefe, schmale Regenrinne weiter hinab und gelangten so in ein dichtes Ginstergebüsch, das sich hier an der Westseite des Berges der Schlangen bis zur ersten Terrasse emporzog. Da der Ginster in voller Blüte stand, wurden die Freunde von dem gelben, scharf riechenden Blütenstaub kräftig bepudert, was den Vorteil hatte, daß ihre Witterung für die Indianerköter verloren ging.

Chokariga, der als erster in die Ginsterstauden [27] eingedrungen war, hatte noch rasch seinem weißen Bruder zugeflüstert, hier doch ja vorsichtig zu sein und an die giftigen Klapperschlangen zu denken. Felsenherz nahm daher ebenfalls sein Messer zur Hand. Die scheuen Reptile schienen sich aber sämtlich rechtzeitig aus dem Gestrüpp verzogen zu haben.

Ein gutes Versteck war bald auf einer der höheren Terrassen in Gestalt einer Spalte, die sich nach dem Indianerlager hin öffnete und sich leicht durch Steine unauffällig verschließen ließ, gefunden. Kaum hatten die beiden Jäger ihren Schlupfwinkel lautlos verbarrikadiert, als auch schon eine Anzahl Apachen mit Harzfackeln den Berg hinaufstürmte.

Durch die Ritzen der Steine konnten Felsenherz und der schwarze Panther das Treiben ihrer Feinde bequem beobachten. Ihre erste Befürchtung, man sei ihnen auf der Spur und suche nach ihnen, stellte sich bald als grundlos heraus. Scheinbar stellten die Apachen nur den Klapperschlangen nach, da sie lange, oben gespaltene Stöcke mitgebracht hatten und gelegentliche Zurufe verrieten, daß sie soeben wieder eine Schlange lebend erwischt hatten.

Die Apachen verschwanden dann wieder von dem Berge. Auch die Feuer in ihrem Lager erloschen langsam. Sie schienen also wirklich abrücken und die mit den Vorbereitungen zum Stromübergang beschäftigten Ansiedler angreifen zu wollen.

„Mein weißer Bruder oder Chokariga?“ fragte der Komanchenhäuptling da in seiner wortkargen Art.

Felsenherz verstand, was er meinte. „Mag der schwarze Panther den Apachen vorauseilen und unsere Freunde warnen,“ erwiderte er. „Ich will versuchen, ob ich Jeffries und Jonny noch irgendwie retten kann. Außerdem muß ich ja auch unsere [28] Büchsen wieder in unseren Besitz bringen, ebenso unsere Pulverhörner.“

Ohne jedes weitere Wort entfernte der Komanche ein paar Steine aus der Barrikade, schlüpfte ins Freie und huschte in das nächste Gestrüpp hinein.

Gleich darauf schwamm er in langen Stößen halb mit der Strömung über den Pecos.

Der blonde Trapper hatte das Loch in der Steinschutzwand nicht wieder aufgefüllt. Er wollte jetzt in die Prärie hinab und zusehen, ob er nicht während des Aufbruchs der Apachen etwas zur Befreiung der Fallensteller oder zur Wiedererlangung der Schußwaffen tun könnte.

Zunächst horchte er eine Weile, ob auch nicht Chokariga von einem Wachtposten bemerkt worden sei.

Alles blieb still. Dann verließ auch er das Versteck und kroch langsam jenem in die Tiefe gehenden Ginstergestrüpp zu.

Er hatte noch nicht die Hälfte der Entfernung bis dorthin zurückgelegt, als vom Lager her ein fast tierisches Gebrüll erscholl, dem ein wahrhaft satanisches Hohngeschrei der Apachen folgte.

Diese Töne hatten in ihrem schroffen Gegensatz von wahnwitzigster Angst und höhnischer Freude über diese Äußerungen höchster Furcht etwas Grauenvolles an sich.

Felsenherz ahnte, daß das letzte Stündlein der beiden Fallensteller geschlagen habe.

Er hätte sie, wenn es irgend in seiner Macht gelegen haben würde, gerettet, freilich nur aus dem Grunde, um von ihnen zu erfahren, was der Zuni-Medizinmann ihnen über sein Geheimnis mitgeteilt hatte. Im übrigen hatte er kaum Mitleid mit diesen hinterlistigen Schurken. Sie verdienten es auch nicht. [29] Trotzdem bedauerte er, sie nicht mehr befreien zu können. Er hatte sich halb aufgerichtet, hatte in die Prärie hinabgespäht und bemerkte nun einige zwanzig Apachen mit Fackeln, die auf den Berg der Schlangen zukamen. Ihnen folgten acht weitere, die zu je vier etwas wie zwei große, auf Stangen gelegte Säcke trugen. Dieser Zug erklomm den Berg und wandte sich dann nach der Ostseite hin.

Felsenherz lag in den Ginsterstauden und überlegte, was er tun solle. Er glaubte zu wissen, was die großen Ledersäcke enthielten: Jeffries und Jonny! Sie würden wahrscheinlich von den Apachen in den Pecos geworfen und ertränkt werden.

Es dauerte denn auch kaum fünf Minuten, bis die Apachen von der Ostseite des Berges wieder zurückkehrten und in die Prärie hinabstiegen. Jetzt erkannte der Trapper auch, daß sich unter ihnen die ältesten Krieger und der schnelle Büffel befanden.

Die gesamten Apachen brachen dann sofort auf. Die Zelte waren schon vorher abgebrochen worden. Der inzwischen am ausgestirnten Nachthimmel erschienenen Mond beleuchtete das phantastische Bild der in endloser Kette gen Süden durch die Prärie davonreitenden Rothäute.

Felsenherz wußte, daß er sich jetzt allein auf dem Berge der Schlangen befand. Hastig eilte er von Terrasse zu Terrasse nach der Ostseite zu der schiefen Eiche hin. Er wollte sich überzeugen, ob die Apachen die Ledersäcke wirklich in den Pecos geschleudert oder ob sie eine andere grausame Todesart für die Fallensteller erdacht hätten.

Da – ganz nahe gellte ihm jetzt dasselbe wahnwitzige Angstgebrüll in die Ohren.

Ganz nahe – von der Eiche.

Der Mond beschien dort an dem über den Fluß [30] hinwegragenden Teil des Stammes die beiden an Lassos festgebundenen Ledersäcke, die leicht hin und her pendelten. Die Säcke waren so zugeschnürt, daß nur die Köpfe Jeffries und Jonnys herausragten und – nach unten hingen.

Felsenherz gerann förmlich das Blut in den Adern, als der Rotbart, der ihn im Mondlicht bemerkt hatte, nun mit überschnappender Stimme schrie: „Um Gottes Barmherzigkeit willen – helft uns! Die roten Bestien haben uns zusammen mit je zehn lebenden Klapperschlangen in die Säcke eingebunden, und ich bin schon mehrfach gebissen worden! Jonny scheint entweder schon tot oder ohnmächtig zu sein.“

Der Trapper zögerte keinen Moment, den Todgeweihten beizuspringen. Seiner ungeheuren Körperstärke gelang es auch, die Ledersäcke auf die Terrasse zu schaffen. Doch Jonny war tatsächlich bereits verendet, und auch der rotbärtige Jeffries hatte nur noch so viel Kraft, Felsenherz das Versteck näher zu bezeichnen, wo die beiden Büchsen und Pulverhörner von ihm verborgen worden waren. Dann verschied er, ohne über das Geheimnis des Zunis noch ein einziges Wort äußern zu können.

Der berühmte Jäger begrub die beiden Toten in einer Felsspalte des Berges. Die Ledersäcke mit den Giftschlangen schleuderte er in den Fluß.

Kurz nach Mitternacht überquerte er auf einem Baumfloß den Pecos, holte sein Pferd und ritt im Galopp nach Süden. Als er nach Sonnenaufgang sich der Stelle näherte, wo die Auswanderer sich befinden mußten, traf er ganz überraschend auf den Wagenzug, den die beiden Biberjäger auf zwei Flößen verfrachtet und in einen sumpfigen Flußarm gelenkt hatten, wo man vor jedem feindlichen Späherblick sicher war.

[31] Die Apachen gaben die Verfolgung der Ansiedler denn auch bald auf, da sie glaubten, diese hätten sich flußabwärts der mexikanischen Grenze zugewandt. Vierzehn Tage später hatte der Wagenzug das Gebiet der Komanchen und die Auswanderer ihre neue Heimat inmitten eines friedlichen Indianerstammes erreicht.

Das Geheimnis des Zunis schien für alle Zeit, nachdem es drei Menschen das Leben gekostet hatte, ein Geheimnis bleiben zu sollen.

Was eigentlich hinter diesem Geheimnis steckte, brachte erst ein Zufall zu Tage. Dies soll im nächsten Band geschildert werden.


Nächster Band:

Der Felswürfel im Rio Pecos.


[Verlagswerbung] Die gewaltige Steigerung aller zur Herstellung der Felsenherz-Bücher benötigten Materialien zwingt uns, diese Ausgabe in der vorliegenden Ausstattung erscheinen zu lassen. Um den Preis möglichst niedrig zu halten, haben wir den Umfang auf 32 Seiten herabgesetzt.

Die bisher erschienenen Hefte 1 bis 16 führen die Titel:

Bd. 01: Die Felsenfarm.

Bd. 02: Das Geheimnis der Llano Estacado.

Bd. 03: Der Kundschafter von Fort Kavett.

Bd. 04: Das Blockhaus am Nugget-Bach.

Bd. 05: Die Buschklepper am Kolorado-Spring.

Bd. 06: Die Goldgräber der Icarilla-Berge.

Bd. 07: Die Mumie Matazumas.

Bd. 08: Der Schatz der Azteken.

Bd. 09: Die belagerte Hazienda.

Bd. 10: Das Geheimnis des Cambusino.

Bd. 11: Das Häuptlingsgrab am Juan-Fluß.

Bd. 12: Die beiden Trumms.

Bd. 13: Das Vermächtnis des Buschkleppers.

Bd. 14: Tom Brack, der schwarze Häuptling.

Bd. 15: Der Medizinmann Omakati.

Bd. 16: Die Büffeljäger.

Wir bitten unsere Leser, uns auch fernerhin treu zu bleiben und unsere Felsenherz-Hefte, die mit zu den billigsten und besten gehören, zu empfehlen.

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin SO. 26, Elisabeth-Ufer 44.



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Anmerkungen (Wikisource)

  1. Auf WS Band 17, Der kleine Kundschafter.
  2. Siehe auf Wikipedia: Zuñi.