Die deutsche Arbeiterversicherung

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Autor: Fritz Stier-Somlo
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Titel: Die deutsche Arbeiterversicherung
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aus: Handbuch der Politik Dritter Band: Die Aufgaben der Politik, Dreizehntes Hauptstück: Selbsthilfe und Sozialschutz, 68. Abschnitt, S. 28−52
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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68. Abschnitt.


Die deutsche Arbeiterversicherung.
Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911.
Von
Hochschul-Professor Dr. Fritz Stier-Somlo in Cöln a. Rh.


Literatur:[Bearbeiten]

Zusammenfassende systematische Werke:
Stier-Somlo, Studien zum sozialen Recht 1912. –
Kaskel-Sitzler, Grundriss des sozialen Versicherungsrechts 1912. –
Kommentare zur Reichsversicherungsordnung:
Hanow - Hoffmann - Lehmann - Moesle - Rabeling Bd. I (1911). II, IV (1912). III (1913);
Düllmann - Appelius - Brunn - v. Frankenberg - Meinel - Saucke und Seelmann Bd. I–IV (1912);
Olshausen, Krankenversicherung 1912;
Wissel - Müller, Die Unfallversicherung in der R.V.O. 1912;
Schauseil, Die Seeunfallversicherung 1912;
Weymann, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung 1912;
Stier-Somlo Bd. I (1912). –
Handausgaben mit eingehenden Erläuterungen von:
v. Köhler - Biesenberger - Schäffer - Schall 7 Teile (1911, 1912);
Stier-Somlo 1912;
Manes - Mentzel - Schultz, 4 Bde. 1912.
Hahn, Handbuch der Krankenversicherung 1912/13. –
Handausgaben und Texte mit kurzen Erläuterungen:
Rudolf Köhler - Gresbeck - Reger 3 Bde. 1911;
Düttmannn u. a. 1911, 1912;
Stiegler und Leiprecht 1911 (3 Bde.)
Volkstümliche Darstellung:
Funke, Die Reichsversicherungsordnung, 4. Aufl. 1911. –
Aus der Reformliteratur:
Stier-Somlo, Die Reichsversicherungsordnung 1911.
Derselbe, Die Aerztefrage und der Staat 1909.
Aus der Literatur der bisherigen Arbeiterversicherung:
Rosin, Recht der Arbeiterversicherung Bd. I. (1890), II. Bd. (1905).
Stier-Somlo, Deutsche Sozialgesetzgebung 1906. –
Zeitschriften:
Arbeiterversorgung (Troschel), 1913: 31. Jahrgang;
Zentralblatt der Reichsversicherung (Stier-Somlo) 1911: 10. Jahrgang.

I. Zur Einführung.[Bearbeiten]

Mit dem am 1. August 1911 veröffentlichten grossen Gesetze von 1805 Paragraphen (denen noch 104 des Einführungsgesetzes hinzutreten) hat das Deutsche Reich eine Kodifikation des sozialen [29] Rechtes in die Wege geleitet, wie sie ihres gleichen in keinem Kulturstaate der Welt findet. Zwar sind die Hoffnungen, welche manche Kreise auf die Vereinheitlichung aller Versicherungszweige gesetzt hatten, nicht erfüllt worden. Doch kann dies nicht als ein Schaden angesehen werden. Jene Reformer übersahen, dass es sich nicht bloss um eine zeitliche Aufeinanderfolge der bisherigen Arbeiterversicherungsgesetze handelt, welche eine innerlich zusammenhängende Gesamt-Gesetzgebung gehindert hatten; vielmehr lag das Hindernis an der inneren Verschiedenartigkeit der bisherigen Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung. Bei der ersteren handelte es sich um relativ kurze, aber nicht unerhebliche Unterstützungsbeträge, bei der Unfall- und Invalidenversicherung dagegen um solche Leistungen, die viele Jahre, möglicherweise auch das ganze Leben hindurch zu zahlen sind, und deren kapitalisierter Wert ganz ausserordentlich hoch ist. Wenn demnach bei der Krankenversicherung nur vorübergehende Unterstützungsfälle in Betracht kommen sollen, so bei der Unfall- und Invalidenversicherung grundsätzlich längere Zeit dauernde. Auch die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Zweige weist auf innere. Verschiedenheiten hin. Die Unfallversicherung ist aus der Notwendigkeit des genossenschaftlichen Zusammenschlusses der Unternehmer hervorgegangen, die ihrerseits haftpflichtig waren und in ihrer Verbindung das Risiko auf einen grösseren Kreis abwälzten. Die Berufsgenossenschaft ist also die Vereinigung der sich rückversichernden Unternehmer. Dagegen sind die Mitglieder der Kassen ausschliesslich die Arbeiter; der Unternehmer ist nur beitragspflichtig und hat einen gewissen Anteil an der Verwaltung. Bei der Alters- und Invalidenversicherung sind wieder ganz anders geartete Entstehungsgründe vorhanden, die von denen der Kranken- und Unfallversicherung abweichen. Ein weiterer innerer Scheidungsgrund zwischen den Versicherungszweigen besteht darin, dass die Vermögensmassen gänzlich voneinander abweichen; während die Krankenkassen kein nennenswertes Vermögen aufzuweisen haben, sind die Berufsgenossenschaften und die Invalidenversicherungsanstalten sehr kapitalkräftig und verwenden ihre grossen Bestände z. T. auf Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen.

Wenn hiernach sowohl die geschichtliche Aufeinanderfolge der Gesetze, als auch die innere Verschiedenheit der Versicherungszweige einer vollkommenen Verschmelzung entgegenstanden, so hat die R.V.O. wenigstens eine Annäherung auf dem Gebiete versucht, das als das formale bezeichnet werden kann. In organisatorischer Hinsicht fehlte es nämlich an einer unteren Verwaltungsstelle, die gemeinsam alle Angelegenheiten des Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherungsrechtes bearbeitet hätte. Nur auf dem Gebiete der Invalidenversicherung waren sog. Rentenstellen geschaffen worden, während die Krankenkassen auch unter dem Zustande litten, dass die Entscheidungen in Krankenversicherungssachen je nach Lage der Dinge an zahlreiche Instanzen gingen. Durch die Einführung des Versicherungsamtes durch die Reichsversicherungsordnung (R.V.O.) hat sich dies vollkommen geändert. Zwar ist dieses Amt kein selbständiges im eigentlichen Sinne, sondern angegliedert an die untere Verwaltungsbehörde (auf dem Lande an das Landratsamt, in den Städten an das Bürgermeisteramt), aber es ist doch der soziale Unterbau der ganzen Reichsversicherung geworden. Das Versicherungsamt ist auch Aufsichtsbehörde erster Instanz in Krankenversicherungsachen; es gibt Rechtsauskunft und bietet den Berufsgenossenschaften und Versicherungsanstalten eine ganze Reihe von Hilfsleistungen, kurz, es ist die örtliche Grundlage des ganzen Gebäudes. Auf ihr hebt sich dann empor das Oberversicherungsamt, das sein Vorbild in den bisherigen Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung findet, und darüber steht krönend das Reichsversicherungsamt, in dem, wie bisher, eine verwaltende und eine richterliche Tätigkeit nebeneinander hergehen.

Neben der organisatorischem Reform ist auch eine materielle in einem nicht zu unterschätzende Umfange vor sich gegangen. Zum erstenmal ist in der ganzen Kulturwelt der Versuch einer Hinterbliebenenversicherung gemacht worden. Witwen und Waisen werden versichert, nicht bloss mit Almosen versehen, wie bisher. Zwar kann man das, was diese Versicherung gewährleistet hat, nicht für ausreichend erachten, soweit es sich um die Höhe der Leistungen handelt. Aber derartige Gesetzeswerke tragen den Keim der Entwicklung in sich, und es ist kein Zweifel, dass über kurz oder lang auch hier die Renten und sonstigen Gewährungen weit über das Mass der Armenpflege hinausgehen werden. Auch die Invalidenversicherung ist nicht unverändert geblieben. Bemerkenswert ist insbesondere [30] eine Zusatzversicherung, die gegen Zahlung einer besonderen Zusatzmarke geeignet ist, den freiwillig höhere Aufwendungen machenden Arbeitern eine Rente zu sichern, deren Höhe weit über derjenigen stehen kann, die auf Grund obligatorischer Leistungen zu erzielen ist. Aber auch sonst ist auf dem Boden der Invalidenversicherung, wie wir sehen werden, mancherlei Neues geschaffen worden.

Vielleicht am wenigsten ist von der Reform – obwohl auch hier die einzelnen Verbesserungen nicht zu unterschätzen sind – die Unfallversicherung berührt worden. Auf sie wird ebenfalls zurückzukommen sein.

Den Kernpunkt der ganzen Reform aber bildet die Krankenversicherung. Es ist gänzlich neu, dass obligatorisch einbezogen werden die häuslichen Dienstboten. Diese hatten bisher eine völlig unzureichende sozialpolitische Fürsorge erhalten durch die Gesindeordnungen, welche nicht bloss in den einzelnen Staaten Deutschlands, sondern auch in den einzelnen Provinzen unter sich sehr verschieden und auf alle Fälle unzulänglich waren. Von grosser Wichtigkeit ist sodann die Hereinbeziehung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter, die bisher nur fakultativ durch Landesgesetz oder Statut versichert werden konnten. Tatsächlich ist von diesen Ermächtigungen nur ein ganz geringer Gebrauch gemacht worden. Es ist auch politisch nunmehr von der grössten Bedeutung, dass die landwirtschaftlichen Arbeiter organisiert werden. Mag diese Organisation auch eine zunächst mangelhafte sein, so wird sie doch politisch auszuwirken nicht verfehlen. Sodann kommen als versicherungspflichtig noch hinzu die sog. unständigen Arbeiter, welche der Natur der Sache nach oder auf Grund eines Vertrages kürzere Zeit als eine Woche beschäftigt sind, dann diejenigen, die im Wandergewerbe tätig werden. Nicht zuletzt ist aber noch wichtig, dass auch die Hausgewerbetreibenden mit einbezogen sind, d. h. diejenigen Personen, welche zwar nach der juristischen Kategorie Arbeitgeber, nach der wirtschaftlichen aber kaum mehr als Arbeiter sind. So erweitert sich der Kreis der gegen Krankheit Versicherten ganz enorm, die sozialpolitischen Lasten werden erhöht, aber auch die Segnungen vertieft und erweitert.

Nicht minder gehört zu der Reform der Krankenversicherung, dass der Versuch gemacht worden ist, einer parteipolitischen Ausbeutung der Kasseneinrichtungen entgegenzutreten. Die Arbeitgeber haben eine etwas grössere Macht erhalten, doch ist andererseits dafür gesorgt, dass die sozialpolitischen Leistungen nicht geschmälert werden.

Die Vielheit der Kassenarten ist geblieben; allerdings wurde die Gemeindekrankenversicherung beseitigt. Es war dies eine Organisationsform, die die Gemeinde als Inhaberin der Kassenrechte und -Verpflichtungen erscheinen liess, aber die geringsten Leistungen gewährte und auch Zuschüsse von der Gemeinde nötig machte. Anstelle dieser Kassenart sind aber die Landkrankenkassen eingefügt worden, in welche aufgenommen werden die in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, im Wandergewerbe, in der Hausindustrie usw. beschäftigten Personen. Das Selbstverwaltungsrecht ist in der Landkrankenkasse über Gebühr eingeschränkt worden. Man kann hier nicht von einer besonders glücklichen Lösung des Problems reden.

Als der Haupttypus wird die Ortskrankenkasse anzusehen sein, während die Betriebskrankenkasse vom Gesetz zwar geschont worden ist, aber dennoch nur als eine sekundäre Einrichtung in Betracht kommt. Die Baukrankenkassen sind als solche beseitigt und bilden nur eine Abart der Betriebskrankenkassen. Doch blieben noch ferner erhalten die Knappschafts- und Innungskrankenkassen, während die freien Hilfskassen als solche mit dem 1. Juni 1912 aufgehoben wurden und nur als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nach Massgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes v. 12. Mai 1901 weiterbestehen können. Damit haben sie eine Unterstellung unter die Aufsicht des Reiches erfahren. Vielfach vorhandenen schwindelhaften Unternehmungen wird damit entgegengewirkt. Als Ersatzkassen müssen die Versicherungsvereine bestimmten Voraussetzungen (§§ 503 ff.) genügen. Die Mannigfaltigkeit der Organisation ist auf die historische Entwicklung und darauf zurückzuführen, dass den verschiedensten Formen der Arbeiterorganisationen Genüge geschehen sollte. Von weiteren Reformen des Krankenversicherungsrechtes wird weiter unten zu reden sein.

[31] Als eine sehr wichtige Neuerung muss bezeichnet werden die Zusammenfassung aller das Verfahren betreffenden Vorschriften in einem besonderen Buche der R.V.O. Die vielfach zerstreuten Vorschriften sind nunmehr auf eine einheitliche Grundlage gebracht, und es ist kein Zweifel, dass sie sich um so eher bewähren werden; je mehr man der Tendenz des Gesetzgebers entgegenkommt, hier einen gänzlich neuen Prozess in seiner Eigenart zu begreifen und auszubauen. Neben den Zivil- und Strafprozess trat schon seit geraumer Zeit ein besonderer Verwaltungsprozess; eine Spezialität des Verwaltungsprozesses ist der in der R.V.O. eingeführte.

Endlich sei in dieser überschauenden Betrachtung nur noch darauf hingewiesen, dass auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Versicherungsarten engere geworden sind, und dass darauf Bedacht genommen wurde, die Leistungen dort, wo sie zeitlich sich aneinander schliessen, auch sachlich in engere Verbindung zu bringen. So leitet z.B. die Krankenhilfe über in die Unterstützung seitens der Berufsgenossenschaft, wenn es sich um einen Unfallverletzten handelt. Ein weitgehendes Heilverfahren sichert eine vorbeugende Fürsorge in all denjenigen Fällen, bei denen eine Unterlassung zu starker Belastung der Zukunft in finanzieller Beziehung führen müsste.

Betrachtet man zunächst in allgemeinen Umrissen das vorliegende Ergebnis, so wird man ohne Übertreibung sagen können, dass ein grosses Gesetzgebungswerk geschaffen worden ist. Mancher berechtigte Wunsch ist nicht erfüllt worden; manches wird sich aber noch im Laufe der Zeit trotz der Kodifikation durchringen. Die Gelegenheit zu Besserungen ist in mehr als einem Punkte verabsäumt worden, und sozialpolitisch vorgeschrittene Kreise bedauern lebhaft die eine oder die andere Massregel. Aber im ganzen ist das Gesetzeswerk von nicht zu unterschätzender Tragweite und wird auch zweifellos für die Weiterbildung des sozialen Rechtes in anderen Staaten Gegenstand von Vergleichen, z. T. wohl auch der Nachahmung sein.

Die weiteren Betrachtungen führen uns zunächst auf die

II. Reform der Krankenversicherung[Bearbeiten]

im besonderen.

1. Die Grundfrage der Versicherungspflicht hat eine juristisch bemerkenswerte Änderung erfahren. Zu ihren Merkmalen gehörte erstens eine Reihe von subjektiven Momenten: es mussten Arbeiterpersonen in Betracht kommen, Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge oder ungelernte Arbeiter, aber auch die den Arbeitern in wirtschaftlicher Beziehung nahestehenden Personen, wie Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker jeglichen Geschlechts; all diese mussten in einem gesetzlich erlaubten Betriebe freiwillig beschäftigt sein; es musste ein Beschäftigungsverhältnis vorliegen, dauernd und mit Gehalt oder Lohn verbunden. Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker unterlagen der Versicherungspflicht nur dann, wenn ihr jährliches Arbeitsverdienst 2000 Mk. nicht überstieg. Zu diesen subjektiven Momenten trat noch ein objektives Moment: es musste die Beschäftigung in einem versicherungspflichtigen Betriebe erfolgt sein. Die R.V.O. bringt in dieser letzteren Beziehung eine Änderung. Es werden nach § 165 für den Fall der Krankheit Gruppen von Personen versichert ganz ohne Rücksicht auf einen bestimmten Betrieb. Indem man den Grundsatz des § 1 K.V.G., der die Versicherungspflicht von der Zugehörigkeit zu bestimmten Betrieben abhängig macht, verlässt und die Versicherung allgemein auf alle Personenkategorien erstreckt, die im § 165 angegeben sind, wird man auch zur Durchführung dieser Neuerung die Person des Versicherten selbst in starkem Grade zur Mitwirkung bei den Aufgaben heranziehen müssen, die seine Versicherung mit sich bringt. Es muss freudig begrüsst werden, dass man dem Arbeiter selbst für mündig erklärt, dass man den Grundsatz wenigstens durchbrechen will, dass an sich der Arbeitgeber zur Übernahme und Erfüllung der Anmelde- und Einzahlungspflicht geeigneter ist als der Versicherte. Die R.V.O. will für grosse Gruppen von Arbeitern, insbesondere für alle unständigen Arbeiter, die Anmeldung durch sie selbst bewirkt wissen, aber, falls sie ihrer Pflicht nicht genügen, soll dafür gesorgt sein, dass sie gleichwohl von der Versicherung erfasst werden (§§ 442ff.) Immerhin wird der Beginn der Unterstützungspflicht für diese Art der Versicherung geknüpft an die Tatsache der Eintragung in ein Mitgliederverzeichnis, nicht mehr an die des Beginns des Beschäftigungsverhältnisses.

[32] Was die erwähnten subjektiven Merkmale der Versicherungspflicht betrifft, so werden (Ziff. 1 des § 165 R.V.O.) für versicherungspflichtig erklärt Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten. In der 2. Ziffer werden als versicherungspflichtig bezeichnet Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, wenn sie im Hauptberufe beschäftigt werden. Es kann im einzelnen sehr zweifelhaft sein, was unter einer „ähnlich gehobenen Stellung im Hauptberufe“ zu verstehen ist. Dem freien Ermessen bei der Rechtsanwendung ist ein um so grösserer Spielraum gelassen, als bei der Verschiebung der Berufstätigkeiten und der Differenzierung der Beschäftigungsarten das Wesen einer gehobenen Tätigkeit für den entscheidenden Richter oder Verwaltungsbeamten selbst äusserst zweifelhaft sein kann. In einer 3. Ziffer werden Handlungsgehilfen und Lehrlinge, aber auch die bisher (in Ziffer 3 § 1 K.V.G.) ausgenommenen Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken für krankenversicherungspflichtig erklärt. Einer häufig erhobenen Forderung entspricht die 4. Gruppe, die auch Personen, die als Bühnen- und Orchestermitglieder beschäftigt werden, in die Versicherungspflicht einbezieht, und zwar ohne Rücksicht auf den Kunstwert ihrer Leistungen. Das subjektive Merkmal des Bezuges von Entgelt gilt für alle bezeichneten Gruppen mit Ausnahme der Hausgewerbetreibenden und der „Lehrlinge aller Art“. Während für die Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten keine Einkommensgrenzen gezogen sind, besteht eine solche (mit Ausnahme der Hausgewerbetreibenden) für alle übrigen Personen nur dann, wenn ihr regelmässiger Jahresarbeitsverdienst 2500 Mk. nicht übersteigt. Ist gegen die Forderung der entgeltlichen Beschäftigung nichts einzuwenden, so auch wenig gegen die Festlegung dieser Verdienstgrenze. War 2000 Mark vor mehr als einem Vierteljahrhundert angemessen, so ist dies ganz gewiss jetzt nicht mehr der Fall. Nicht nur spricht für die Erhöhung der gesunkene Wert des Geldes, sondern auch das Steigen des durchschnittlichen Lohnes und das Wachsen derjenigen Gruppe von Arbeitnehmern, die über 2000 Mk. verdienen.

2. Die Leistungen der Krankenversicherung bleiben im wesentlichen dieselben, wie die des K.V.G.: Krankenhilfe bis zu 26 Wochen nach Beginn der Krankheit oder des Krankengeldbezuges; sie besteht aus ärztlicher Behandlung, Arznei und kleinen Heilmitteln, sowie aus einem Krankengelde (½ des täglichen Grundlohnes) ev. Krankenhauspflege anstelle der bezeichneten Leistungen. In solchem Falle empfangen die vom Kranken sonst unterhaltenen Angehörigen die Hälfte des Krankengeldes (jetzt Hausgeld genannt). Neu ist die Hauspflege durch Krankenwärter, Schwestern usw. Der alte Wunsch, dass die Karenzzeit bei Zahlung des Krankengeldes wegfallen soll, ist nicht erfüllt worden. Dabei hat die Praxis der Kassen, die in der Satzung den Wegfall der Karenzzeit ausgesprochen haben, gezeigt, dass es sich bei Einführung dieser Begünstigung nicht um eine Mehrbelastung der Kasse handelt. Das rechtzeitige Eingreifen der Krankenunterstützung dient zur schnelleren Heilung. Neu ist die Festsetzung des Begriffes der ärztlichen Behandlung in den §§ 122, 123. Sie umfasst in Zukunft Hilfeleistungen anderer Personen, wie Bader, Hebammen, Heildiener, Heilgehilfen, Krankenwärter, Masseure und dergl. sowie Zahntechniker nur dann, wenn die Hilfeleistung vom Arzte (Zahnarzte) angeordnet ist, oder wenn sie in dringenden Fällen gewährt wird, in denen die Zuziehung eines approbierten Arztes (Zahnarztes) nicht angängig ist. Immerhin soll, besonders hinsichtlich der Zahnärzte, die Vorschrift nicht allzu streng genommen werden. Denn nach § 123 kann bei Zahnkrankheiten, mit Ausschluss von Mund- und Kieferkrankheiten, die Hilfeleistung auch in anderen, als den genannten Fällen durch geeignete Zahntechniker gewährt werden. Die Landeszentralbehörde, die nach der Bestimmung des § 123 Einzelvorschriften erlassen kann, wird hier nur dann zweckmässig wirken, wenn Übereinstimmung zwischen allen Landeszentralbehörden des Reiches herbeigeführt wird.

Neben der Krankenunterstützung ist noch die Wöchnerinnenunterstützung, jetzt Wochenhilfe genannt, auch für nicht verheiratete Frauen, vorgesehen. Der Betrag des Krankengeldes als Wöchnerinnenunterstützung ist auf die Dauer von im ganzen 8 (bisher 6) Wochen vor und nach der Niederkunft der Wöchnerin zu gewähren. Von diesen 8 Wochen müssen mindestens 6 auf die Zeit nach der Niederkunft fallen. Leider ist für Mitglieder der Landkrankenkassen bestimmt, dass evtl. schon 4 Wochen ausreichen § 195 Abs. 2. Das Sterbegeld beträgt das Zwanzigfache des Grundlohns.

[33] Neben diesen Mindest- oder Regelleistungen gibt es satzungsmässige Mehrleistungen. Die Satzung kann weiblichen Versicherten, die mindestens sechs Monate der Kasse angehören, wegen einer durch Schwangerschaft verursachten Arbeitsunfähigkeit als Unterstützung den Betrag des Krankengeldes bis zur Gesamtdauer von sechs Wochen zubilligen (Schwangerengeld). Sie kann auch bestimmen, dass die Dauer dieser Schwangerschaftsunterstützung um die Zeit verkürzt wird, während deren Wochengeld vor der Niederkunft gewährt wird. Die Satzung kann endlich bestimmen, dass die erforderlichen Hebammendienste und ärztliche Behandlung der Schwangerschaftsbeschwerden drei Wochen lang zu gewähren sind. Man hat die viel weitergehende Forderung aufgestellt, dass Schwangerschaftsunterstützung zu gewähren sei sechs Wochen vor der Geburt und Wöchnerinnenunterstützung 6 Wochen nach der Geburt in voller Höhe des Krankengeldes und freie Gewährung der Hebammendienste und ärztlicher Hülfe bei Schwangerschaftsbeschwerden in obligatorischer Weise, nicht nur bei satzungsmässiger Festsetzung. Eine derartige Forderung musste aber an den finanziellen Verhältnissen der Kassen vorläufig ein Hemmnis finden.

Eine weitere Mehrleistung stellt die Familienhilfe dar. Familienmitglieder, die nicht versicherungspflichtig sind, können Krankenpflege, Ehefrauen Wöchnerinnenhülfe erhalten. Sterbegeld kann zu bis ⅔ des Mitgliedersterbegeldes an Ehegatten und bis zu ½ an Kinder gewährt werden. Vor allem aber: die Krankenhilfe kann, wie auch bisher, ein volles Jahr dauern; das Krankengeld kann bis zu ¾ des Grundlohnes betragen, auch an Sonn- und Feiertagen, selbst während der Karenztage gezahlt werden; das Hausgeld darf erhöht, Genesende können ein Jahr lang in einem besonderen Heim untergebracht werden. Auch grössere Heilmittel sind vorgesehen – doch alles nur, wenn die Satzung es bestimmt.

„Gemeinsame Vorschriften“, die sich auf den Beginn, das Ruhen usw. der Versicherung beziehen, sind in den §§ 206 bis 224 gruppiert. Es handelt sich hier um eine systematische Zusammenfassung schon bisher geltender Vorschriften des K.V.G., die bisher in diesem allzusehr zerstreut waren. Neu ist aber die Bestimmung des § 212, dass, wenn während der Dauer einer Krankheit das Kassenmitglied zu einer anderen Kasse übertritt, diese die weitere Leistung in dem für ihre Mitglieder durch die Satzung bestimmten Umfang zu übernehmen hat. Auf die Gesamtdauer der Unterstützung ist die Zeit der bereits genossenen Leistungen anzurechnen. Durch diese Vorschrift wird eine leidige Streitfrage über sogen. schwebende Unterstützungsansprüche ein für allemal ausgeräumt. Auch Abs. 2 des § 214 erledigt einen Streitpunkt. Jetzt ist nämlich Sterbegeld auch dann zu gewähren, wenn der Tod nach Ablauf der drei auf den Austritt aus der Kasse folgenden arbeitslosen Wochen eintritt, wenn die Krankenhilfe bis zum Tode geleistet worden ist. Endlich ist auch noch eine Neuregelung des Ruhens des Rechts auf Bezug der Krankenunterstützung hervorzuheben (§ 216). Solange der Berechtigte eine Freiheitsstrafe verbüsst oder in einem Arbeitshause oder in einer Besserungsanstalt untergebracht ist; solange der Berechtigte ohne Zustimmung des Kassenvorstandes im Auslande sich aufhält und diese Vorschrift nicht durch Beschluss des Bundesrats für bestimmte Grenzgebiete ausser Kraft gesetzt ist; solange der berechtigte Ausländer wegen Verurteilung in einem Strafverfahren aus dem Reich ausgewiesen ist, ruht das Recht auf Krankenhilfe.

3. Die äussere Verfassung der Krankenversicherung prägt sich darin aus, dass nur vier, nämlich die Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen als Kassenformen hervorgehoben werden. Die knappschaftlichen Krankenkassen finden nur dadurch Erwähnung, dass der § 225 bestimmt, ihre Mitglieder seien nicht verpflichtet einer der bezeichneten Krankenkassen als Mitglieder anzugehören. Statt der Hilfskassen erfahren Ersatzkassen eine besondere Behandlung (§§ 503 bis 525). Man kann diese Materie nur im Zusammenhang mit dem Bestreben nach einer Zentralisation des Kassenwesens erörtern. Über die Zersplitterung, die heute herrscht, kann eine Meinungsverschiedenheit nicht bestehen. Die Durchführung der Krankenversicherung auf beruflicher Grundlage hat sich nicht bewährt. Man war davon ausgegangen, dass die verhältnismässige Gleichheit der Krankheitsgefahr und die leichtere Durchführbarkeit der Selbstverwaltung bei den nahen gegenseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen Kassenmitgliedern und die zur Bekämpfung der Simulation unentbehrliche Kontrolle auf jene berufliche Grundlage hinweisen. Man kann der Begründung zur R.V.O. gerne zugeben, dass die damalige Organisation an sich wohl berechtigt war, dass erst die Erfahrung der späteren Zeit die Überspannung des richtigen [34] Grundsatzes dargetan hat. Es ist ein geradezu unbegreiflicher Zustand, dass sich als Träger der reichsgesetzlichen Krankenversicherung im Reiche nach der im Kaiserlichen Statistischen Amte bearbeiteten Statistik für 1909 ausser den Knappschaftskassen nicht weniger als 23 279 Gebilde verschiedener Art, Gemeindekrankenversicherungen, Orts-, Betriebs- (Fabrik-), Bau- und Innungskrankenkassen, zugelassene freie Hilfskassen und landesrechtliche Hilfskassen befanden. Dabei ist die Mitgliederzahl ganz ausserordentlich verschieden. Neben Kassen, die Zehntausende von Mitgliedern aufweisen, finden sich zahlreiche Kassen mittlerer Grösse, daneben aber auch in unverhältnismässig grosser Zahl Zwergkassen von weniger als 100 Mitgliedern. So besassen im Jahre 1903 von je 100 aller Kassen einschliesslich der Gemeindekrankenversicherung 44,6 weniger als 100 und 92,1 weniger als 1000 Mitglieder, nur 1,1 Prozent dieser Kasseneinrichtungen zählten mehr als 5000 Mitglieder. Es gibt noch Zwergkassen, die noch lange nicht 100 Mitglieder zählen. Unter der übermässigen Zersplitterung leidet die Leistungsfähigkeit der Kassen, leiden die Versicherten selbst.

Eine der wichtigsten Fragen betrifft die Berechtigung der Erhaltung der Betriebskrankenkassen. Über ihre Vor- und Nachteile ist sehr viel gestritten worden (vgl. meine Aufsätze in Reformblatt der Reichsversicherung 1907 S. 127ff., 144ff., 217ff.). Alles in allem wird man Vorteile und Nachteile der Betriebskrankenkassen im Gleichgewicht finden können. Individuelle Erfahrungen mit der einen oder anderen Betriebskrankenkasse, werden je nach ihrem günstigen oder ungünstigen Befunde Urteile der Interessenten leicht zu bestimmen geeignet sein. Jedoch kommt es auch hier auf den Durchschnitt an und es ist für die Allgemeinheit nur wichtig, was im grossen und ganzen als Vorzug oder Nachteil der Betriebskrankenkassen angesehen werden muss. Ich für meinen Teil bin auf Grund der obigen Erwägungen und Feststellungen, sowie infolge meiner Kenntnis einer grossen Zahl von wichtigen Betriebskrankenkassen durchaus dafür, diese Krankenkassenform auch in Zukunft zu erhalten. Es war gerechtfertigt, dass die R.V.O. sie beibehielt.

Die Beibehaltung der Innungskrankenkassen war eine Frage der Opportunität. Das Gesetz hat festgelegt, dass die von den Innungskrankenkassen zu gewährenden Leistungen denjenigen entsprechen müssen, welche die das meiste leistende Ortskrankenkasse an dem betreffenden Orte gewährt. Die R.V.O. hat hinsichtlich der Zentralisation die Innungskrankenkassen ebenso behandelt, wie die Betriebskrankenkassen. (Vgl. §§ 250–254, 256, 257 R.V.O.; Art. 17, 18, 23 E.G.)

Die knappschaftlichen Krankenkassen stellen eine Versicherungsform dar, die den besonderen Verhältnissen des Bergbaues und der Bergarbeiter entspricht. Hieran konnte wenig geändert werden (§§ 495ff.). Zu wünschen wäre nur ein Reichsberggesetz, aber auch dieses könnte in der hier fraglichen Beziehung wohl kaum etwas anderes bringen, als das preussische Knappschaftsgesetz vom 17. Juni 1912. Die meisten deutschen Einzelstaaten haben sich ja ohnedies dem Vorbild des preussischen Berggesetzes angeschlossen.

Keine Zweifel bestanden hinsichtlich der Aufhebung der Gemeindekrankenversicherung. Sie hatte die geringsten Leistungen und wies den Mangel an Selbstverwaltung auf. Immer müsste man die Gemeindekrankenversicherung als Grundbeispiel dafür aufzeigen, wie wenig entwicklungsfähig eine Krankenkasseneinrichtung ist, die der selbstgewollten Tätigkeit der Versicherten entbehrt.

Das Gesetzbuch schuf neu die Landkrankenkassen. Die R.V.O. zeigt hierbei den Fehler, dass die Selbstverwaltung nicht voll gewährt ist (§§ 226ff., 235, 327ff.). Der Name wurde mit Rücksicht darauf gewählt, dass der Hauptbestandteil der Mitglieder der neuen Kasse aus landwirtschaftlichen Arbeitern bestehen soll. Es kann die Landesgesetzgebung allerdings bestimmen, dass für das Gebiet oder Gebietsteile des Bundesstaats keine Landkrankenkassen neben den allgemeinen Ortskrankenkassen errichtet werden (§ 227; vgl. auch §§ 228–232).

Die Hauptform der Kassen bleibt die Ortskrankenkasse. Sie soll für örtliche Bezirke (eine grössere Stadt oder ein grösserer Kreis, wie Amtshauptmannschaft, Oberamt) errichtet werden. Sie ist, wie auch die Landkrankenkasse, in der Regel innerhalb des Versicherungsamtsbezirks zu errichten. Im übrigen geht das Gesetz nicht radikal genug vor, indem es die vollständige Aufhebung der auf der Berufsgemeinschaft beruhenden Ortskrankenkassen nicht vorsieht. Doch sind die örtlich abgegrenzten Kassen als Grundpfeiler der Gesamtorganisation des Krankenkassenwesens [35] gedacht. Besonders Ortskrankenkassen sind für einzelne oder mehrere Gewerbszweige oder Betriebsarten oder allein für Versicherte eines Geschlechts vorgesehen (§§ 239 bis 244). Die Mindestzahl der Mitglieder ist auf 250 festgesetzt. Die Gleichwertigkeit der Leistungen mit denen der massgebenden Ortskrankenkasse muss gesichert sein, ebenso die dauernde Leistungsfähigkeit und der Ausschluss der Gefährdung der allgemeinen Orts- und Landkrankenkasse.

Die Bestimmungen über die Vereinigung, Ausscheidung, Auflösung und Schliessung der Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, sowie das Verfahren sind in teilweiser Anlehnung an bisherige Vorschriften des K.V.G., aber doch mit einem erheblichen Einschlag neuer durch die dargelegten Grundprinzipien der äusseren Organisation bedingten Ideen geregelt (§§ 264 bis 305).

4. Von erheblicher politischer Bedeutung ist die Frage der inneren Verfassung der Krankenkassen. Es hängt dies eng zusammen mit der Frage der Selbstverwaltung. Sie ist in reinster Form bei den Krankenkassen ausgebildet und trat bei den bisherigen politischen Erörterungen am meisten in den Vordergrund.

Die Gefahr, dass die Halbierung der Stimmen und Beiträge im Gegensätze zum bisherigen Verhältnisse: ⅔ bei Arbeitern und ⅓ bei Arbeitgebern, durchgeführt werde, wie es die Regierungsentwürfe vorschlugen, ist beseitigt. Was war die Absicht der Vorlage? Warum konnte man von einer Gefahr sprechen?

Die Absicht des Entwurfes zur R.V.O. war, durch Gleichstellung der Rechte und Pflichten zwischen den Arbeitgebern und Versicherten ein paritätisches Verhältnis herzustellen, das aber, bei Licht besehen, weder von den Arbeitgebern, deren Beiträge dadurch finanziell erheblich erhöht werden, gewünscht, noch auch für ein friedlicheres Funktionieren des Kassenwesens geeignet ist. Die Praxis der Dinge zeigt seit einem Vierteljahrhundert, dass die Arbeitgeber, von den Betriebskrankenkassen abgesehen, keinen allzu dringenden Wunsch zu einer Beteiligung an der Verwaltung geäussert haben, sie vielmehr meist als eine lästige Pflicht erachteten. Es haben eben die Arbeitgeber instinktiv richtig gehandelt, indem sie die Verwaltung der Kassen denen überliessen, für die sie bestimmt waren, den Arbeitern. Ohne die Leistungen der Arbeiter-, insbesondere Krankenversicherung würden die Löhne um denjenigen Betrag höher sein, der zur Krankenfürsorge unentbehrlich ist. Diesen höheren Lohnbetrag hätten aber selbstverständlich die Arbeiter ohne Mitwirkung des Arbeitgebers zu verwenden. Die Regierung wollte durch die Halbierung der Beiträge und Stimmen gleichzeitig ein Mittel finden zur Fernhaltung unberechtigter äusserer Einflüsse. Es ist aber nicht der Beweis erbracht, dass diese parteipolitische Ausnutzung, insbesondere, zu Gunsten der Sozialdemokratie, einen derartigen Umfang angenommen hätte, dass man zu einem so radikalen Mittel, wie der Halbierung der Beiträge und Stimmen und, wie davon untrennbar, der Bestellung eines bureaukratischen Vorsitzenden hätte greifen müssen. Gerade seitdem die Klagen in dieser Richtung in die Öffentlichkeit gelangt sind, bemühen sich, wie jeder Sachverständige weiss, die meisten Kassen, ihre Verwaltung rein sachlich im Sinne der sozialpolitischen Gesetze zu führen, und parteipolitischem Einfluss keinen Zugang zu gestatten. Ob die Bemühungen zu radikalem Ausschalten der „unberechtigten äusseren Einflüsse“ geführt haben, kann man schwer beweisen. Allein wenn, wie ich annehmen muss, der parteipolitische Missbrauch in den Krankenkassen nur Ausnahme, nicht Regel ist, dann darf man nur zu Mitteln greifen, die ihm Vorbeugen oder ihn bekämpfen, nicht aber zu solchen, die das Selbstverwaltungsrecht auf das äusserste gefährden. Hoffentlich werden die Versuche, den jetzt durch § 332 R.V.O. bestätigten Rechtszustand – der Ausschuss besteht zu ⅓ aus Vertretern der Arbeitgeber, zu ⅔ der Versicherten – zu ändern, nicht immer wieder unternommen werden.

5. Hinsichtlich der Verwendung der Kassenmittel ist der Grundsatz des § 29 Abs. 2 K.V.G. (§ 363) wiederholt, dass jene Mittel nur verwendet werden dürfen für die satzungsmässigen Leistungen, zur Füllung der Rücklage, für die Deckung der Verwaltungskosten und für Massnahmen allgemeiner Art zur Verhütung von Krankheiten der Kassenmitglieder. Neu ist, dass Aufwendungen aus Kassenmitteln zulässig sind für die Teilnahme an Versammlungen, die zur Förderung der gesetzlichen Zwecke der Krankenversicherung bestimmt sind (§ 363 Abs. 2). Dass [36] aber hier die Landeszentralbehörde bestimmen soll, was zur Förderung sich eignet, scheint nicht unbedenklich, weil hier vielleicht eine rücksichtslose Behandlung bezüglich der als parteipolitisch angesehenen Kongresse denkbar ist.

6. Die Ärztefrage bedarf besonderen Eingehens. Der Kampf um die Arztsysteme ist alt. Als im Jahre 1883 das Krankenversicherungsgesetz eingeführt wurde, dachte niemand an die grosse Entwicklung, die das Krankenkassenwesen sehr bald nehmen würde und genommen hatte. Es war zur Zeit der Entstehung des Krankenversicherungsgesetzes von keiner, auch nicht von ärztlicher Seite das Prinzip der freien Arztwahl als das allein oder hauptsächlich mögliche oder notwendige betont worden. Nachdem man jedoch seine Erfahrungen mit diesem System, insbesondere in finanzieller Beziehung, zum Schaden der Kassen gemacht hatte, hat die Novelle vom 10. April 1892 eine Vorschrift in das Krankenversicherungsgesetz gebracht, wonach die Kasse beschliessen kann, dass ärztliche Behandlung nur durch bestimmte Ärzte zu gewähren ist, und die Bezahlung der durch Inanspruchnahme anderer Ärzte entstandenen Kosten, von dringenden Fällen abgesehen, abgelehnt werden kann (§§6a Abs. 1 Z. 6, 26a, Abs. 2 Z. 2b K.V.G.). Auf diese Weise war es möglich, das Kassenarztsystem einzuführen. Es ist jedoch dafür gesorgt worden, dass die Kasse nicht in der Lage ist, zum Nachteil der Versicherten die ärztliche Hilfeleistung etwa durch eine geringe Zahl oder durch ungeeignete Ärzte einzuschränken. Zu den gesetzlichen und statutenmässigen Obliegenheiten gehört auch die ärztliche Versorgung und die Aufsichtsbehörde überwachte nach § 45 K.V.G. die Befolgung dieser Vorschriften nicht nur, sondern sie konnte, wenn die Kasse die Erfüllung ihrer gesetzlichen oder statutenmässigen Einrichtungen verweigert, die Befugnisse und Pflichten der Kassenorgane selbst wahmehmen. Dass diese Übernahme der Organfunktionen, also die zeitweilige Ausschaltung des Selbstverwaltungsrechtes der Kassen, mehrfach zur Wirklichkeit geworden ist, dürfte als bekannt vorausgesetzt werden. Aber auch sonst hat die Aufsichtsbehörde eine weitgehende Befugnis und Möglichkeit, in die Fragen der ärztlichen Versorgung auch schon nach bisherigem Rechte einzugreifen. Insbesondere ist in § 56a K.V.G. bestimmt gewesen, dass auf Antrag von mindestens 30 beteiligten Versicherten die höhere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Kasse und der Aufsichtsbehörde die Gewährung der ärztlichen Leistungen durch weitere, als von der Kasse bestimmte Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser verfügen kann, wenn durch die von der Kasse getroffenen Anordnungen eine den berechtigten Anforderungen der Versicherten entsprechende Gewährung jener Leistungen nicht gesichert ist. Wird einer solchen Verfügung nicht binnen der gesetzten Frist Folge geleistet, so kann die höhere Verwaltungsbehörde die erforderlichen Anordnungen statt der zuständigen Kassenorgane mit verbindlicher Wirkung für die Kasse treffen.

Der Entwurf von 1910 bot, neben einer sorgfältigen Wahrung der Parität in bezug auf das Recht der Kassenvorstände, allgemeine oder besondere Verträge zu schliessen, durch Zulassung eines weitgehenden Arbeitstarifvertrages den Ärzten einen bedeutenden Vorteil. Die geradezu ängstlich zu nennenden Vorsichtsmassregeln, welche der Entwurf bezüglich der Herstellung eines allgemeinen Arztvertrages brachte und alle die Bestimmungen, welche die Einsetzung und die Aufgaben des Vertragsausschusses betrafen, zeigten das weitgehende Entgegenkommen und den überaus friedfertigen Charakter dieser Bestimmungen. Auch das, was über die Regelung von Streitigkeiten verordnet war, konnte nur als ein Zeichen des versöhnlichen Charakters dieser Vorschriften gelten. Sicherlich hatten die Krankenkassen weniger Anlass zur Befriedigung über diese Bestimmungen, als die Ärzte. Aus allen Anläufen zur Reform ist aber in bezug auf die Ärztefrage recht wenig geworden. Der Begriff der „ärztlichen Behandlung“ ist festgelegt, die Systeme der Kassenärzte und der freien Ärztewahl sind als gleichberechtigt anerkannt, auch im übrigen der bisherige Rechtszustand beibehalten worden, soweit nicht aus dem Folgenden sich Neues ergibt.

Wird bei einer Krankenkasse die ärztliche Versorgung dadurch ernstlich gefährdet, dass diese Kasse keinen Vertrag zu angemessenen Bedingungen mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schliessen kann, oder dass die Ärzte den Vertrag nicht einhalten, so ermächtigt das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) die Kasse auf ihren Antrag widerruflich, statt der Krankenpflege oder sonst erforderlichen ärztlichen Behandlung eine bare Leistung bis zu zwei Dritteln des Durchschnittsbetrages ihres gesetzlichen Krankengeldes zu gewähren.

[37] Das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) kann zugleich bestimmen

1. wie der Zustand dessen, der die Leistungen erhalten soll, anders als durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen werden darf,
2. dass die Kasse ihre Leistungen solange einstellen oder zurückbehalten darf, bis ein ausreichender Nachweis erbracht ist,
3. dass die Leistungspflicht der Kasse erlischt, wenn binnen einem Jahre nach Fälligkeit des Anspruchs kein ausreichender Nachweis erbracht ist (§ 370 R.V.O.).

Der Grundsatz der Gleichstellung von Ärzten und Kassen wird ausdrücklich festgestellt Die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten werden durch schriftlichen Vertrag geregelt; die Bezahlung anderer Ärzte kann die Kasse, von dringenden Fällen abgesehen, ablehnen. Dem Verlangen nach dem Arzte des Vertrauens trägt § 369 Rechnung: Soweit es die Kasse nicht erheblich mehr belastet, soll sie ihren Mitgliedern die Auswahl zwischen mindestens zwei Ärzten freilassen. Wenn der Versicherte die Mehrkosten selbst übernimmt, steht ihm die Auswahl unter den von der Kasse bestellten Ärzten frei. Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass der Behandelte während desselben Versicherungsfalles oder Geschäftsjahres den Arzt nur mit Zustimmung des Vorstandes wechseln darf.

Es entspricht dem bisherigen Rechte, wenn bestimmt ist, dass die Satzung den Vorstand ermächtigen kann, die Krankenhausbehandlung nur durch bestimmte Krankenhäuser zu gewähren und die Bezahlung anderer Krankenhäuser, von dringenden Fällen abgesehen, abzulehnen. Neu dagegen ist die Vorschrift, dass dabei Krankenhäuser, die lediglich zu wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken bestimmt oder von öffentlichen Verbänden oder Körperschaften errichtet, und die bereit sind, die Krankenhauspflege zu den gleichen Bedingungen zu leisten, nur aus einem wichtigen Grunde mit Zustimmung des Oberversicherungsamts ausgeschlossen werden dürfen.

Bisherigem Recht entsprechen die jetzt besser formulierten §§ 372, 373: „Genügt bei einer Krankenkasse die ärztliche Behandlung oder Krankenhauspflege nicht den berechtigten Anforderungen der Erkrankten, so kann, vorbehaltlich des § 370, das Oberversicherungsamt nach Anhören der Kasse jederzeit anordnen, dass diese Leistungen noch durch andere Ärzte oder Krankenhäuser zu gewähren sind.

Diese Anordnung soll nur auf solange getroffen werden, wie es ihr Zweck fordert, und bedarf, wenn sie über ein Jahr gelten soll, der Genehmigung der obersten Verwaltungsbehörde.“ (§ 372 R.V.O.)

„Wird die Anordnung nicht binnen der gesetzten Frist befolgt, so kann das Oberversicherungsamt selbst das Erforderliche auf Kosten der Kasse veranlassen. Verträge, welche die Kasse mit Ärzten oder Krankenhäusern bereits geschlossen hat, bleiben unberührt.

Die Kasse hat gegen diese Anordnungen und Massnahmen binnen einer Woche die Beschwerde bei der obersten Verwaltungsbehörde.“ (§ 373 R.V.O.).

Für die Zukunft muss das Streben auf Herstellung wirksamer staatlicher Schiedsinstanzen gerichtet sein. Es muss jede Garantie geschaffen werden, dass die Ärzte eine ihrer Stellung und ihrem Berufe entsprechende Behandlung in den Kassen erfahren, dass ihnen eine angemessene, nur durch den Stand der Kassenfinanzen begrenzte Honorierung zu teil wird, dass sie mit Freude und nicht mit Missbehagen an der Durchführung der Sozialversicherung beteiligt werden.

7. Die Kosten der Krankenversicherung werden durch die Beiträge gedeckt. Leisten muss sie in der Regel der Arbeitgeber, der den Anteil des Pflicht-Versicherten vom Lohn der nächsten und übernächsten, nicht aber bei einer späteren Lohnzahlung abziehen darf. Ausnahmsweise werden die Mittel bei den Hausgewerbetreibenden teils durch Auftraggeberzuschüsse, teils von den ersteren selbst und ihren hausgewerblich Beschäftigten aufgebracht. Die unständigen Arbeiter haben ihren Beitragsteil selbst einzuzahlen (§§ 449, 450). Das Verhältnis von zwei Drittel der Versicherungspflichtigen zu einem Drittel der Arbeitgeber wird z. T. durchbrochen, so satzungsgemäss bei den Innungskrankenkassen, wo beide Teile je die Hälfte tragen können (§ 381). Höhe und Abstufung der Beiträge wird eingehend bestimmt (§§ 384 ff.).

[38] 8. Kassenangestellte und Beamte sind nach bisherigem Rechte lediglich auf Grund privatrechtlicher Verträge bei den Kassen angestellt worden. (Vgl. Karl Dahmen, Das Recht der Kassenangestellten 1913.) Das war eine Folge der Selbstverwaltung. Sie ist jetzt, nicht ohne guten Gründe, eingeengt worden (§§ 349ff). Für Angestellte, die nur auf Probe, zu vorübergehender Dienstleistung oder zur Vorbereitung beschäftigt werden, oder die das Amt nebenher oder ohne Entgelt ausüben, gilt die Dienstordnung nur, soweit sie es ausdrücklich vorsieht. Die Pflicht zur Aufstellung einer Dienstordnung besteht darüber hinaus: a) für die von den Krankenkassen besoldeten Angestellten, die nicht staatliche oder gemeindliche Beamte sind, b) die nach Landesrecht deren Rechte und Pflichten haben (§§ 351 Abs. 1, 359). Diese Dienstordnung regelt die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten, insbesondere den Nachweis ihrer fachlichen Befähigung, ihre Zahl, die Art der Anstellung, die Kündigung oder Entlassung und die. Festsetzung von Strafen. Die sachliche Befähigung muss auch in anderer Weise als durch die Zurücklegung eines vorgeschriebenen Bildungsganges nachgewiesen werden können (§ 352).

Die Dienstordnung enthält einen Besoldungsplan. Dabei regelt sie: 1. wieweit bei unverschuldeter .Arbeitsbehinderung das Gehalt fortbezahlt wird; 2. in welchen Fristen Dienstalterszulagen gewährt werden; 3. unter welchen Bedingungen Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge gewährt werden. Sie regelt ferner, unter welchen Voraussetzungen Beförderung stattfindet (§ 353). Übrigens muss Pensionierung nicht vorgesehen sein.

Vor Aufstellung der Dienstordnung hat der Vorstand die volljährigen Angestellten zu hören. Sowohl im Vorstand als auch im Ausschuss beschliessen über die Dienstordnung die Arbeitgeber und die Versicherten getrennt.

Die Dienstordnung bedarf der Genehmigung des Oberversicherungsamts. Der Vorstand hat dem Oberversicherungsamte diejenigen Bestimmungen der Dienstordnung, über welche sich die beiden Gruppen im Vorstand oder im Ausschuss nicht geeinigt haben, unter Angabe des Stimmverhältnisses zu bezeichnen. Über diese Bestimmungen entscheidet das Oberversicherungsamt; im übrigen darf es der Dienstordnung die Genehmigung nur versagen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere, wenn Zahl oder Besoldung der Angestellten in auffälligem Missverhältnisse zu ihren Aufgaben steht.

Wird die Genehmigung versagt, so entscheidet auf Beschwerde die oberste Verwaltungsbehörde. Das Gleiche gilt für Änderungen der Dienstordnung. (§ 355). Reicht eine Kasse trotz Aufforderung in der gesetzten Frist keine Dienstordnung ein, so stellt das Oberversicherungsamt die Dienstordnung rechtsverbindlich fest. Das Gleiche gilt für angeordnete Änderungen und Ergänzungen (§ 356).

Wer stellt an bei den Krankenkassen? Der Vorstand, aber nur den, für den die Dienstordnung gilt und nur dann, wenn sowohl die Gruppe der Arbeitgeber wie die der Versicherten dies für sich bestimmt hat. Einigen sich die Gruppen nicht, so wird die Beschlussfassung auf einen anderen Tag anberaumt. Wird auch dann keine Einigung erzielt, so kann die Anstellung beschlossen werden, wenn mehr als zwei Drittel der Anwesenden dafür stimmen; ein solcher Beschluss bedarf der Bestätigung durch das Versicherungsamt. Sie darf nur auf Grund von Tatsachen versagt werden, die darauf schliessen lassen, dass dem Vorgeschlagenen die erforderliche Zuverlässigkeit, insbesondere für eine unparteiische Wahrnehmung seiner Dienstgeschäfte, oder die Fähigkeit hierzu fehlt.

Kommt kein Anstellungsbeschluss zustande oder wird die Bestätigung endgültig versagt, so bestellt das Versicherungsamt auf Kosten der Kasse widerruflich die für die Geschäfte der Stelle erforderlichen Personen. Haben die Bestellten die Geschäfte ein Jahr lang geführt, so kann ihnen das Versicherungsamt mit Genehmigung des Oberversicherungsamts die Stelle endgültig übertragen, falls nicht inzwischen ein gültiger Anstellungsbeschluss gefasst worden ist. Die Lage der Angestellten ist einigermassen gesichert.

Wer der Dienstordnung unterstehen soll, wird durch schriftlichen Vertrag angestellt. Die Kündigung oder Entlassung solcher Angestellten darf regelmässig nur auf übereinstimmenden Beschluss der Arbeitgeber und der Versicherten im Vorstand, kommt aber ein solcher Beschluss nicht [39] zustande, auf Beschluss der Vorstandsmehrheit mit Zustimmung des Vorsitzenden des Versicherungsamts ausgesprochen werden; nach zehnjähriger Beschäftigung darf sie nur aus einem wichtigen Grunde stattfinden. Die Vereinbarungen über das Kündigungsrecht der Kasse dürfen den Angestellten nicht schlechter stellen, als er mangels einer Vereinbarung nach bürgerlichem Becht gestellt sein würde. Kündigung oder Entlassung darf für Fälle nicht ausgeschlossen werden, in denen ein wichtiger Grund vorliegt. Geldstrafe darf nur bis zum Betrag eines einmonatigen Diensteinkommens vorgesehen werden (§ 354 Abs. 1–5). In Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse der Angestellten, die der Dienstordnung unterstehen, entscheidet das Versicherungsamt (Beschlussausschuss). Auf Beschwerde entscheidet das Oberversicherungsamt endgültig (§ 358 Abs. 1 Satz 1 und 2). Missbrauch des Amtes zu verhüten ist die Vorschrift bestimmt, dass Angestellte, die ihre dienstliche Stellung oder ihre Dienstgeschäfte zu einer religiösen oder politischen Betätigung missbrauchen, der Vorsitzende des Vorstandes zu verwarnen und bei Wiederholung, nachdem ihnen Gelegenheit zur Äusserung gegeben worden ist, sofort zu entlassen hat; die Entlassung bedarf der Genehmigung durch den Vorsitzenden des Versicherungsamts. Eine religiöse oder politische Betätigung ausserhalb der Dienstgeschäfte und die Ausübung des Vereinigungsrechts dürfen, soweit sie nicht gegen die Gesetze verstossen, nicht gehindert werden und gelten an sich nicht als Gründe zur Kündigung oder Entlassung (§ 354 Abs. 6).

Auch die Organe der Kassen können auf falsche Wege geraten. Deshalb hat der Vorsitzende Beschlüsse des Vorstandes oder Ausschusses, die gegen die Dienstordnung verstossen, durch Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu beanstanden; die Beschwerde bewirkt Aufschub. Macht der Vorstand oder sein Vorsitzender, obgleich ein wichtiger Grund dafür vorliegt, gegen einen Angestellten von seinem Kündigungs- oder Entlassungsrechte keinen Gebrauch, so kann ihn das Versicherungsamt dazu anhalten. Über die Anordnung entscheidet auf Beschwerde des Vorstandes das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) endgültig. Läuft eine Bestimmung des Anstellungsvertrags der Dienstordnung zuwider, so ist sie nichtig (§ 357). Da die Eigenschaft als Staatsbeamter mit der Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie unvereinbar ist, gewinnt § 359 besondere Bedeutung auch im Hinblick auf die Frage des Missbrauchs der Kassenverwaltung.

Der Vorstand einer Orts-, Land- oder Innungs-Krankenkasse kann mit Genehmigung des Oberversicherungsamts Beamte auf Lebenszeit oder nach Landesrecht unwiderruflich oder mit Anrecht auf Ruhegehalt anstellen. Für Orts-, Land- und Innungskrankenkassen mit mehr als zehntausend Versicherten kann das Oberversicherungsamt nach Anhören des Kassenvorstandes anordnen, dass mindestens die Geschäftsleiter in dieser Weise angestellt werden. Der Vorstand hat dagegen die Beschwerde an die oberste Verwaltungsbehörde. Den Beamten, die in dieser Weise angestellt sind, kann die Landesregierung die Rechte und Pflichten der staatlichen oder gemeindlichen Beamten übertragen (§ 359 Abs. 1–4). Einen Widerwillen scheint man gegen Militäranwärter gehabt zu haben, denn nach § 359 Abs. 6 darf für Inhaber des Zivilversorgungsscheins (Militäranwärter) kein Vorrecht bei der Stellenbesetzung vorgeschrieben werden. Bei den Betriebskrankenkassen bestellt der Arbeitgeber auf seine Kosten und Verantwortung die für die Geschäfte erforderlichen Personen. Angestellten der Betriebskrankenkassen, die ihre dienstliche Stellung oder ihre Dienstgeschäfte zu einer religiösen oder politischen Betätigung missbrauchen, hat der Vorsitzende des Vorstandes zu verwarnen und bei Wiederholung, nachdem ihnen Gelegenheit zur Äusserung gegeben worden ist, sofort zu entlassen.

Der Gesetzgeber hat endlich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewährleistet. Jetzt entscheidet über alle Streitigkeiten erster Instanz in Krankenversicherungssachen das Versicherungsamt, während nach bisherigem Recht eine bunte schwer übersehbare Mannigfaltigkeit der Instanzen lähmend und verwirrend wirkte. Bald hatte die Aufsichtsbehörde und zwar allein, bald mit nachfolgender Anfechtung durch Klage im ordentlichen Rechtswege eventl. nach Landesrecht im Verwaltungsstreitverfahren, bald nur das Verwaltungsgericht, das Gewerbegericht usw. zu entscheiden gehabt. Der Mangel einer einheitlichen Stelle für Rechtsstreitigkeiten erster Instanz ist beseitigt.

[40] Welche Bedeutung dem Krankenversicherungsrechte zukommt, sei an einigen Zahlen illustriert. Schon 1909 betrugen die Leistungen der Krankenkassen ohne die Knappschaftskassen 305 710 294 M. Im Jahre 1909 gab es im Deutschen Reiche. 23 279 Kassen mit 12 519 785 Mitgliedern. Andere zählen 13,4 Millionen Versicherte. Die Zahl der Kassen wird nach Inkrafttreten der R.V.O. infolge der Zentralisation sinken – ich rechne etwa 10 000 – die Zahl der Mitglieder der Kassen erhöht sich aber auf 20 Millionen. Für fast ein Drittel des Deutschen Volkes gilt das Recht der Krankenversicherung.

III. Die Reformen im Unfallversicherungsrecht.[Bearbeiten]

     Ausdehnung des Kreises der Versicherungspflichtigen.

Hervorgehoben seien die gewerbsmässigen Fahr-, Reittier- und Stallhaltungsbetriebe, sowie das Halten von anderen Fahrzeugen als Wasserfahrzeugen, wenn sie durch elementare oder tierische Kräfte bewegt werden sowie das nicht gewerbsmässige Halten von Reittieren. Man denke an Privatkraftwagen, Segel- und Motorboote, an Reit-, Renn- und Fahrbahnen, Reit- und Fahrschulen, an den Betrieb von Zirkusbesitzern, aber auch an Luftschiffer jeder Art. Sodann werden auch die Betriebe unfallversicherungspflichtig gemacht, die der Behandlung und Handhabung der Ware dienen. Nicht nur die „Lagerungsbetriebe“ sind hierunter begriffen, sondern auch Verrichtungen, die dem technischen Teile des Betriebes angehören, zu der unversicherten Verkaufstätigkeit in näherer Beziehung stehen, wie das Herbeiholen der Waren aus dem Lager, das Vorlegen und Vorzeigen der Ware zum Zwecke des Verkaufes, das Hantieren mit der Ware während der Verkaufsverhandlungen, das Abmessen, Abwägen, Verpacken oder Bereitstellen der Ware zum Zwecke des Verpackens, die Übergabe der Ware an den Käufer, das Zurücklegen der unverkauften oder nicht passenden Ware in das Lager usw. Die Unfallgefahr ist erfahrungsgemäss bei diesen nicht als ausgeschlossen anzusehen und dem Lagerungsbetriebe nahe verwandt. Dass jedoch die R.V.O. die Ausdehnung der Versicherungspflicht nur bei Unternehmungen ausgesprochen hat, die über den Umfang des Kleinbetriebes hinausgehen, halte ich für einen Fehler. Denn auch im Kleinbetriebe kann sich bei einer der angegebenen Tätigkeiten der Unfall ereignen. Dass auch die mit Lagerung von Waren verbundenen Konsumgenossenschaften ihre Arbeiter versichern müssen, scheint danach zweifellos. Das war bisher nicht der Fall, weil die Genossenschaften nicht im Handelsregister, sondern im Genossenschaftsregister eingetragen werden. Es sind ferner in Zukunft nicht nur die eigentlichen Lagerungsarbeiten, sondern auch ähnliche Arbeiten in kaufmännischen Unternehmungen mitbetroffen, jedoch bleibt unversichert die Kontor-, Kassen- oder Reisetätigkeit. Neu ist auch die Bestimmung, dass der Versicherung Binnenschiffahrts-, Flösserei-, Prahm- und Fährbetriebe nicht nur unterliegen sollen, sofern sie gewerbsmässig betrieben, sondern auch, soweit sie vom Reich, einem Bundesstaate, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen öffentlichen Körperschaft verwaltet werden. Neu aufgenommen ist als versicherungspflichtig ferner noch die gewerbsmässige Fischzucht, Teichwirtschaft und Eisgewinnung sowie das Halten von Fahrzeugen auf Binnengewässern. Es wurde schliesslich die Binnenschiffahrt versicherungspflichtig gemacht, der Speditions-, Speicher-, Lagerei- und Kellereibetrieb auch dann, wenn er nicht gewerbsmässig betrieben wird.

Was unter den der Versicherung unterliegenden Fabriken zu verstehen ist, hat schon das gewerbliche U.V.G. (§ 2) in seiner zuletzt geltenden Fassung festzustellen unternommen. In teilweiser Herübernahme dieser Normen, aber vor allem in zweckmässiger Erweiterung wird in der R.V.O. bestimmt, dass als Fabriken gelten Betriebe, die erstens gewerbsmässig Gegenstände verarbeiten oder bearbeiten und hierzu mindestens 10 Arbeiter regelmässig beschäftigen, zweitens gewerbsmässig Sprengstoffe oder explodierende Gegenstände erzeugen oder verarbeiten oder elektrische Kraft erzeugen oder weitergeben, drittens nicht bloss vorübergehende Dampfkessel oder von elementarer oder tierischer Kraft bewegte Triebwerke verwenden, viertens vom Reichsversicherungsamte den Fabriken gleichgestellt werden (§ 538). Der Versicherung unterliegen auch [41] andere Betriebe, wenn sie wesentliche Bestandteile oder Nebenbetriebe der versicherungspflichtigen Betriebe sind. § 539 bestimmt einige Ausnahmen für die Landwirtschaft und für die Seeschiffahrt. Der gewerblichen Unfallversicherung unterliegen Seeschiffahrt und andere seeunfallversicherungspflichtige Betriebe, die Nebenbetriebe sind, nicht (§§ 539 bis 541, 1046, 1049). Die Kommission hat die Seeschiffahrt, soweit sie Nebenbetrieb eines gewerblichen Betriebes ist, der Seeunfall-Berufsgenossenschaft zugewiesen.

Auf dem Gebiete der freiwilligen Versicherung kann nach § 553 die Satzung bestimmen, dass sie ausser Kraft tritt, wenn der Beitrag trotz Mahnung nicht bezahlt worden ist, und dass eine Neuanmeldung solange unwirksam bleibt, bis der rückständige Beitrag entrichtet worden ist. Diese zum Schutze der Versicherungsträger gedachte Vorschrift kann man wohl billigen. Für die höher gelohnten Schichten ist im Gesetz besondere Fürsorge getroffen. Es erstreckt sich die Versicherung auf häusliche, und andere Dienste, zu denen Versicherte, die hauptsächlich im Betriebe oder bei versicherten Tätigkeiten beschäftigt sind, von dem Unternehmer oder dessen Beauftragten herangezogen werden (§ 546). Ja, es können sich Unternehmer, d. h. diejenigen Personen, für deren Rechnung der Betrieb geht, sowie Binnenlotsen, die ihr Gewerbe für eigene Rechnung betreiben, gegen die Folgen von Betriebsunfällen selbst versichern, wenn sie nicht mehr als 3000 M Jahresarbeitsverdienst haben oder wenn sie regelmässig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen. Die Satzung kann sie zur Selbstversicherung aber auch dann zulassen, wenn sie mehr als 3000 Mark Jahresarbeitsverdienst haben oder regelmässig wenigstens drei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen (§ 550). Bemerkenswert ist auch, dass die freiwillige Selbstversicherung unter gewissen Voraussetzungen gestattet ist für den im Betriebe tätigen Ehegatten. Es wird also hier der Ehegatte als Mitunternehmer angesehen (§ 551 R.V.O.).

Gegenstand der Versicherung ist der Ersatz des Schadens, der durch Körperverletzung oder Tötung entsteht. Dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen steht kein Anspruch zu, wenn sie den Unfall vorsätzlich herbeigeführt haben (§§ 555, 556). Das ist selbstverständlich. Aber die Kommission hat besonders hinzugefügt, dass Fahrlässigkeit selbst grober Art oder verbotswidriges Handeln den Ersatz des Schadens nicht ausschliessen soll. Die Verletzung der bergpolizeilichen Verordnungen soll auch nicht als Vergehen im Sinne des Gesetzes, sodass Schadensersatz ganz oder teilweise versagt werden könnte, gelten. Eine entsprechende Bestimmung wurde auch in das nächste, vierte Buch eingefügt. Im § 544 Abs. 2 steht jetzt, dass verbotwidriges Handeln die Annahme eines Betriebsunfalls nicht ausschliesst, im § 557, dass dem Verletzten der Schadensersatz ganz oder teilweise versagt werden kann, wenn er sich den Unfall bei Begehung einer Handlung zugezogen hat, die nach strafgerichtlichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist, dass als ein solches aber die Verletzung bergpolizeilicher Verordnungen nicht gilt. Die Stellungnahme zu diesen Neuerungen ist nicht leicht. Sie gehen sozialpolitisch sehr weit. Man verfolgte offenbar die Absicht, einer dem Versicherten ungünstigen Entscheidung vorzubeugen, die sich auf Fahrlässigkeit stützen würde. Da hat man denn selbst grobe Fahrlässigkeit nicht als einen Grund zum Ausschlusse von den Wohltaten des Gesetzes angesehen. Ganz ohne Bedenken ist dies ebensowenig, wie die Unschädlichkeit des verbotswidrigen Handelns. Geht doch dieses Verbot von dem Arbeitgeber aus, der Mitglied der die Lasten tragenden Berufsgenossenschaft ist, und der demnach die Kosten des Unfalles auch dann tragen muss, wenn sich der Arbeiter gegen seine oder seines Vertreters Befehle auflehnt und sich hierbei verletzt hat. Doch ist dies schliesslich keine Rechtsfrage, sondern eine solche der sozialpolitischen grösseren oder geringeren Weitherzigkeit. Unter den Gewährungen bietet die Rente die wichtigste. Sie wird nach dem Entgelt berechnet, den der Verletzte während des letzten Jahres im Betriebe bezogen hat. Soweit der Jahresarbeitsverdienst über 1800 Mark steigt, kommt er nur mit ⅓ zur Anrechnung (§ 563).

Eine wichtige. Vorschrift betrifft die Erweiterung des bisherigen § 12 Abs. 1 Satz 2 G.U.V.G., den sog. Krankengeldzuschuss. Diesen hat, sofern dem Verletzten über die 13. Woche hinaus eine Entschädigung zu leisten ist, die Berufsgenossenschaft, andernfalls der Unternehmer zu ersetzen. Die Genossenschaftssatzung kann bestimmen, dass die Berufsgenossenschaft den Krankengeldzuschuss in allen Fällen zu ersetzen hat. Entsprechend gilt diese Vorschrift, soweit dem Verletzten, der gegen Krankheit versichert ist, ein Anspruch auf Krankenunterstützung nicht [42] zusteht. Die Wirkung dieser Bestimmung (§ 576) auf die Haftpflichtversicherungsgesellschaften dürfte nicht gering sein. Insbesondere wird von berufsgenossenschaftlicher Seite die Übertragung der Erstattungspflicht von dem Unternehmer auf die Berufsgenossenschaft getadelt, obwohl diese Bestimmung den Wünschen einzelner Unfallversicherungsträger entspricht. Man weist aber darauf hin, dass bei der weit überwiegenden Zahl der Berufsgenossenschaften keine Entlastung der privaten Haftpflichtversicherungsgesellschaften gegenübersteht. Diese gewähren neuerdings fast durchweg den haftpflichtversicherten Unternehmern auch Deckung gegen die Folgen des bisherigen § 12 G.U.V.G., jetzt § 576, sie erstatten also dem Unternehmer den von ihm gezahlten Krankengeldzuschuss. Die Reichstagskommission hat nun auch die Vorschriften über den sogen. Krankengeldzuschuss und die sonstigen Leistungen während der Wartezeit genauer ausgebildet. Die Leistung wird den einzelnen Unternehmern abgenommen und auf die Berufsgenossenschaften übertragen für die Fälle, in denen der Unfall überhaupt eine Entschädigungspflicht für die Zeit nach Ablauf der Wartezeit begründet. Für die übrigen Fälle kann eine solche Übernahme der Last auf die Berufsgenossenschaften durch die Satzung bestimmt werden (vgl. §§ 579 ff.). Weiter sieht die R.V.O. eine Rente vor für voreheliche oder aus einer früheren Ehe stammenden Kinder einer weiblichen Versicherten im Falle ihres Todes auch dann, wenn die Verstorbene Ehefrau war. Bisher hatten die Kinder nur dann einen Rentenanspruch, wenn die Mutter allein dastand. Die Renten der Kinder einer alleinstehenden Person sind auch dann zu zahlen, wenn die Witwe im Falle ihrer Wiederverheiratung ¾ des Jahresarbeitsverdienstes als Abfindung erhält (§§ 588, 589). Das ist entschieden eine sehr weitherzige Massnahme. Die Gewährung der Hinterbliebenenrente nach § 588 Abs. 2 auch an voreheliche Kinder oder Kinder aus früherer Ehe einer durch Unfall getöteten weiblichen Person ist nur durchaus zu billigen. Tatsächlich werden ja auch derartige Kinder von dem hinterbliebenen Ehemann in derselben Weise wie seine ehelichen Kinder unterhalten.

Eine Belassung der Abfindung in der Höhe von des Jahresarbeitsverdienstes für eine Witwe eines tödlich Verunglückten im Falle ihrer Wiederverheiratung ist zu loben (§ 589). Allerdings laufen ja die Kinderrenten weiter, und es bleibt beim Vorhandensein von 3 oder mehr Kindern die gesamte Hinterbliebenenrente zunächst unverändert. Wenn nun vorgeschlagen wurde, diese Entschädigung zu vermindern und zu einer niedrigeren Abfindung zu kommen, so spricht das nicht gerade für den sozialen Geist des Vorschlages. Wenn in Wirklichkeit die Witwen tödlich Verunglückter als „gute Partien“ gelten, so muss eine so groteske Erscheinung von dem Gesetzgeber ruhig unbeachtet bleiben. Die bisherigen Vorschriften über die Gewährung der Rente von Verwandten aufsteigender Linie des Verstorbenen, wie sie im § 18 und § 20 Abs. 2 G.U.V.G. geregelt waren, bleiben aufrechterhalten. Sie betragen des Jahresarbeitsverdienstes, werden aber nur bis zum Wegfall der Bedürftigkeit gezahlt (§ 593 Abs. 1). Man hat in der Praxis die Schwierigkeit des Nachweises betont, die Bedürftigkeit im einzelnen Falle festzustellen, doch wird man hier wegen der Geringfügigkeit dieser Rente keine allzugrosse Strenge walten lassen dürfen. Sind aus der aufsteigenden Linie Verwandte verschiedenen Grades vorhanden, so wird die Rente den Eltern vor den Grosseltern gewährt. Neu ist die Vorschrift, dass beim Ausscheiden eines Hinterbliebenen die Renten der übrigen bis zum zulässigen Höchstbetrage zu erhöhen sind (§§ 593 Abs. 2, 595 Abs. 2).

Die Bestimmungen über die Heilanstaltspflege sind erweitert worden. Hat der Verletzte eine eigene Haushaltung, oder ist er Mitglied der Haushaltung seiner Familie, so bedarf es seiner Zustimmung. Diese ist jedoch nicht erforderlich, wenn 1. die Art der Verletzung Anforderungen an die Behandlung oder Verpflegung stellt, denen in der Familie des Verletzten nicht genügt werden kann, oder 2. die Krankheit ansteckend ist, oder 3. der Verletzte wiederholt den Anforderungen des behandelnden Arztes zuwidergehandelt hat oder 4. der Zustand oder das Verhalten des Verletzten eine fortgesetzte Beobachtung erfordert. Bei einem Minderjährigen über 16 Jahre genügt seine persönliche Zustimmung (§ 597). Zu 1 wäre ein Zusatz, dass es der Zustimmung nicht bedürfe in den Fällen, wenn nur unter Gefährdung oder Beeinträchtigung des Heilerfolges den Anforderungen an die Behandlung oder Verpflegung in der Familie genügt werden kann, recht nützlich gewesen. Neu ist die Vorschrift, dass nach § 604 neben dem Verletzten auch die Krankenkasse, der er angehört, die Wiederaufnahme des Heilverfahrens beantragen kann. Haben Krankenkassen, knappschaftliche Krankenkassen, Ersatzkassen oder Träger der Unfallversicherung einen Verletzten in [43] einer Heilanstalt untergebracht, so darf er während des Heilverfahrens in eine andere Heilanstalt nur mit seiner Zustimmung übergeführt werden (§ 605). Der entsprechende Absatz des § 11 G.U.V.G. sagte dasselbe, und ein Kampf der Berufsgenossenschaften gegen diese Bestimmung ist deshalb nicht recht verständlich. Immerhin hätte man den Krankenkassen die Verpflichtung auferlegen können, die Überführung in eine die Wiederherstellung besser gewährleistende Anstalt zu bewirken. Das Versicherungsamt des Aufenthaltsortes kann übrigens die fehlende Zustimmung ergänzen, wie sie bis jetzt durch die untere Verwaltungsbehörde des Aufenthaltsortes ergänzt werden konnte (§ 605 Abs. 2).

Ein schwer zu lösendes Problem bildete schon im bisherigen Rechte die Zahlung der kleinen Renten, die an sich zu dem Lebensunterhalte einen ganz minimalen Betrag gewähren, demnach materiell von keiner nennenswerten Bedeutung für die Bezieher sind, von diesen aber meist zum Anlass genommen werden, um die völlige Arbeitsfähigkeit hinauszuschieben. Die berühmten Rentenhysterie ist auch hier im Spiele. Der Entwurf hatte vorgeschlagen, dass Renten bis zu 20% im voraus auf bestimmte Zeit gewährt werden können. Dabei sollte die voraussichtlich Dauer der Einbusse an Erwerbsfähigkeit massgebend sein. Diese, zeitliche Beschränkung sei mit einem Rechtsmittel nicht anfechtbar. Wenn aber in der vorausbestimmten Zeit die durch den Unfall herbeigeführte Erwerbseinbusse fortbesteht, so kann der Verletzte eine neue Feststellung der Rente verlangen. Die Reichstagskommission billigte es, dass den Absichten auf Abschaffung dieser kleinen Renten – unschönerweise „Schnapsrenten“ genannt – in dem Entwürfe keine Folge gegeben worden ist. Sie will die kleinen Renten ganz ebenso behandelt wissen wie alle andern. Aber sie ging noch weiter. Man hatte ausserhalb des Reichstags behauptet, dass der Zweck der gedachten Bestimmungen die Entlastung der Berufsgenossenschaften wäre zu Ungunsten der Versicherten. Wenn diese Wirkung beabsichtigt wäre, müsste man jenen Vorschriften widersprechen und Kautelen dafür schaffen, dass in einem abgekürzten Rentenfeststellungsverfahren vorgegangen werden könne, damit nicht gerade wegen der kleinen Renten eine noch grössere Unzufriedenheit der beteiligten Kreise entstehe, die sich gegen das sogen. Rentenquetschen wenden. Schliesslich hat die Reichstagskommission einfach die Paragraphen, welche die Möglichkeit boten, kleine Renten auf Zeit zu bewilligen, ohne dass die zeitliche Beschränkung anfechtbar sein sollte, gestrichen, weil die Beschränkung zum Schaden der Arbeiter angewendet werden oder doch dadurch Misstrauen entstehen könnte. Es gilt jetzt der Satz: Beträgt die Rente eines Verletzten der Vollrente oder weniger, so kann ihn die Genossenschaft mit seiner Zustimmung nach Anhören des Versicherungsamtes mit einem dem Werte einer Jahresrente entsprechenden Kapital abfinden (§ 616).

Als Träger der Versicherung besteht nach wie vor die Berufsgenossenschaft. Sie umfasst die Unternehmer der versicherten Betriebe. In den Vorstand kann gewählt werden, wer ihr als Mitglied angehört (§ 623). Mit der Struktur der Unfallversicherung hängt zusammen die Frage der Beitragsleistung und auch des Rentenfeststellungsverfahrens. Wenn die Leistungen der Unfallversicherung einzig und allein durch die Berufsgenossenschaften aufgebracht werden müssen, so haben die Arbeiter und sonstigen Versicherten einen Anspruch auf Mitverwaltung nicht, und sie haben auch nur normwidrig einen Einfluss auf die Rechtsprechung. Nun ist aber darauf hingewiesen worden, dass in Wirklichkeit die Krankenkassen einen Teil der Lasten der Berufsgenossenschaften tragen insofern, als sie in den ersten 13 und häufig schwersten Wochen aus ihren eigenen Mitteln für die Unfallverletzten aufzukommen haben. Deshalb musste entweder den Versicherten ein vom Gesetz noch näher zu bestimmendes Mass an Mitwirkung gewährt werden, wobei die Frage der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften bis zu einem gewissen Grade in Mitleidenschaft gezogen werden musste, oder aber es hätten die Berufsgenossenschaften vom Tage des Unfalls ab die Unfallasten zu tragen. Eine andere Frage ist die, ob nicht auch die Berufsgenossenschaften oder ein Teil von ihnen selbst eine Beschränkung seiner Befugnisse dann gern ertrüge, wenn damit eine Verringerung seiner finanziellen Lasten verbunden wäre. Die Begründung der R.V.O. meint zwar, dass die Leistungsfähigkeit der Versicherungsträger, soweit Unfall- und Invalidenversicherung in Frage kommt, unbedingt verbürgt sei. Es gibt aber doch Industrien, in denen Betriebe mittleren und kleineren Umfanges überwiegen und die [44] nicht nur über die ihnen auf erlegten Lasten bitter klagen, sondern auch die Schwierigkeiten der Einziehung der Beträge betonen und auf die Zahl der gestellten Zwangseinziehungsanträge hinweisen.

Die R.V.O. hat von der letzteren Möglichkeit abgesehen, dagegen aber auch von einer nur mittelbaren Beeinflussung der Entscheidung der Berufsgenossenschaften in gewissen Fällen durch die versicherten Beisitzer im Versicherungsamt, wie sich das beim Zusammenwirken von Versicherungsamt und Versicherungsträger ergeben hatte.

Der Weg, auf dem die Erlangung der Rente erreicht wird, entspricht einigermassen dem jetzigen Rechtszustande. Den Beginn des Verfahrens bildet regelmässig die Unfallanzeige des Unternehmers. Hierauf folgt die polizeiliche Unfalluntersuchung, die nicht auf die Versicherungsämter übertragen wurde. Wohl aber kann der Berechtigte die Untersuchung bei dem Versicherungsamte beantragen. Festzustellen sind: 1. die Veranlassung, Zeit, Ort, Hergang und Art des Unfalles, 2. die getötete oder verletzte Person, 3. die Art der Verletzung, 4. der Verbleib des Verletzten, 5. die Hinterbliebenen des Getöteten und die Angehörigen des Verletzten, die eine Entschädigung gemäss der R.V.O. beanspruchen können, 6. die Höhe von Unterstützungen und Renten, die der Verletzte aus der Reichsversicherung bezieht. Der von anderer Seite gemachte Vorschlag ist nicht berücksichtigt worden, dass die untersuchende Polizeibehörde verpflichtet sein soll, Zeugen, die nicht in ihrem Bereich wohnen, ohne weiteres, d. h. ohne besonderen Antrag des Versicherungsträgers, durch Inanspruchnahme der Polizeibehörde ihres Wohnortes vernehmen zu lassen. Heute ist die Polizeibehörde hierzu in der Regel nicht zu bewegen. An der Unfalluntersuchung können teilnehmen oder sich dabei vertreten lassen: Der Verletzte oder seine Hinterbliebenen, der Träger der Unfall- und Krankenversicherung, der Betriebsunternehmer, das Versicherungsamt sowie bei Unfällen in Betrieben, die der Gewerbeaufsicht unterliegen, der staatliche Aufsichtsbeamte (§ 139 b Gew.O.). Diesen ist vom Zeitpunkte der Untersuchung rechtzeitig Kenntnis zu geben. Ist die beteiligte Genossenschaft in Sektionen geteilt, oder hat sie Vertrauensmänner bestellt, so erhält der Sektionsvorstand oder der Vertrauensmann Mitteilung von dem Zeitpunkte der Untersuchung. Zu dieser sollen auch die sonstigen Beteiligten hinzugezogen werden. Die Ortspolizeibehörde stellt den Sachverhalt fest. Sie kann Ermittelungen jeder Art anstellen. Die Ortspolizeibehörde hat die Untersuchungsverhandlungen nach dem Abschluss unverzüglich dem Versicherungsträger zu übersenden. Die Erteilung des Bescheides ist in Abweichung von dem Vorentwurfe (1909) in allen Fällen in die Hände des Versicherungsträgers gelegt . Damit will man die erhobenen Bedenken, wie Zersplitterung des Verfahrens, Erschwerung des Heilverfahrens, Verzögerungen, namentlich auch bei der Gewährung von Vorschüssen an die Verletzten und ihre Hinterbliebenen beseitigen. Über die Feststellung der Entschädigung wird von dem Versicherungsträger ein Bescheid erteilt, gegen den binnen einem Monat Einspruch stattfindet und der eine entsprechende Belehrung enthalten muss. Bei Einspruch wird der Verletzte im Falle der vorläufigen und ersten Dauerrente nach Wahl des Versicherungsträgers vor das Feststellungsorgan oder das V.A., im Falle der Veränderung einer Dauerrente vor das V.A. vorgeladen, erscheint der Verletzte nicht, so wird Endbescheid erteilt; erscheint er, so wird mit ihm verhandelt. Es können Ermittelungen angestellt werden. Der Versicherte kann – bei entsprechender Vorschussleistung – Anhörung eines von ihm bezeichneten Arztes verlangen. Bei vorläufiger und erster Dauerrente kann das V.A. sich bei Rückgabe der Akten an den Versicherungsträger zur Sache äussern, bei Veränderung von Dauerrenten muss es nach nicht öffentlicher mündlicher Verhandlung unter Mitwirkung je eines Vertreters der Arbeitgeber und der Versicherten ein Gutachten über das nach seiner Ansicht für die Entschliessung des Versicherungsträgers Bedeutsame abgeben, wobei etwaige abweichende Meinungen der Versicherungsvertreter zu vermerken sind. Erst dann wird vom Versicherungsträger – nötigenfalls nach weiterer Beweiserhebung – in freier Entschliessung Endbescheid erteilt. Dieser ist mit der Berufung, die Entscheidung des O.V.A. in gewissem Umfange mit dem Rekurs an das R.V.A. (L.V.A.) anfechtbar. Dabei ist aber die Zahl der Fälle, in denen noch Rekurs gegeben ist, wesentlich eingeschränkt. Denn der Rekurs ist jetzt ausgeschlossen, wenn es sich handelt um 1. Krankenbehandlung oder Hauspflege, 2. Renten für eine Erwerbsunfähigkeit, die zur Zeit der Entscheidung des Rekursgerichts oder nach rechtskräftiger Feststellung vorübergegangen ist, 3. Rententeile, die bei dauernder Erwerbsunfähigkeit für begrenzte und bereits [45] abgelaufene Zeiträume zu gewähren sind, 4. Heilanstaltspflege, 5. Angehörigenrente, 6. Sterbegeld, 7. vorläufige Renten, 8. Neufeststellung von Dauerrenten wegen Änderung der Verhältnisse, 9. Kapitalabfindung, 10. Kosten des Verfahrens. Damit ist allerdings eine wesentliche Entlastung des R.V.A. von sogen. kleinen Gradsachen herbeigeführt, und es sind Kräfte für die vielen, dem R.V.A. durch die R.V.O. neu erwachsenden Aufgaben freigestellt. (Monatsblätter für Arbeiterversicherung 1911 S. 98–99).

Eine besonders wichtige Neuerung trifft die Ansammlung des Reservefonds der Berufsgenossenschaft. Der § 34 G.U.V.G. war schon seit längerer Zeit Gegenstand berechtigter Anfechtung, sowohl vom speziellen Standpunkte der Träger der Unfallversicherung aus, wie von allgemein finanziellen Gesichtspunkten. Nach den Rechnungsergebnissen für das Jahr 1907 betrug die Gesamtsumme der Rücklagen der gewerblichen Berufsgenossenschaften (mit Ausnahme der Tiefbau- und der Schmiedeberufsgenossenschaft) 241 796 Mill Mark. Diese Summe würde nach den Vorschriften des § 34 G.U.V.G. bis zum Jahre 1921 erhöht werden müssen auf 585 084 Mill. Mark; somit würden der Industrie entzogen werden weitere 294 Mill. Mark, was, da die Industrie ihr werbend angelegtes Kapital durchschnittlich mit 6% verzinst, während die Anlegung von Staatspapieren nur zu 3½% stattfinden könnte, einen jährlichen Verlust von 7⅓ Mill. Mark bedeutet. Nach dem bisher geltenden Rechte sind vom Jahre 1901 ab dem jeweiligen Bestände des Reservefonds je 3 Jahre lang 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4% zuzuschlagen unter Einrechnung der Zinsen des Reservefonds. Vom Jahre 1921 sind aus den Zinsen des Reservefonds diejenigen Beträge zu entnehmen, die erforderlich sind, um eine weitere Steigerung des auf eine jede versicherte Person entfallenden Umlagebeitrages zu beseitigen. Der Rest der Zinsen ist dem Reservefonds ohne zeitliche Beschränkung weiter zuzuschlagen. Die Vorschriften des Entwurfs von 1909 wollen demgegenüber eine Verbesserung. Nach Ablauf der ersten elf Jahre und sofern das elfte Jahr beim Inkrafttreten des G.U.V.G schon überschritten war, vom Jahre 1901 sollen die Zuschläge für die Rücklagen so bemessen werden, dass in den folgenden 21 Jahren der Kapitalbestand das Dreifache der Entschädigungssumme erreicht , die in demjenigen Jahre zu zahlen ist, für welches der letzte Zuschlag erhoben wird. Man war also grundsätzlich abgegangen von der Idee einer Erhöhung des berufsgenossenschaftlichen Reservefonds zu dem Zwecke, um den durch Unfälle verletzten Arbeitern eine genügende Sicherheit hinsichtlich der zu gewährenden Entschädigung zu bieten, denn die grösste Garantie liegt in der Leistungsfähigkeit der Industrie in ihrer Gesamtheit, äusserstenfalls in der Bürgschaft des Reiches. Man begründete jetzt die Ansammlung starker Rücklagen lediglich damit, dass bis zum Eintritt des Beharrungszustandes infolge der alljährlich zunehmenden Zahl der Rentenempfänger auch die Höhe der von den Betriebsunternehmern zu zahlenden Umlagebeiträge stetig wachse und dass es deshalb im Interesse der Industrie selbst geboten sei, gegenwärtig grössere Kapitalien anzusammeln, um dann aus den Zinsen derselben Zuschüsse zu den Umlagebeiträgen zu leisten und deren weiteres Anwachsen zu verhindern.

Nach der Reichsversicherungsordnung haben die Berufsgenossenschaften auch in Zukunft Rücklagen anzusammeln. Sie werden gebildet durch Zuschläge zu den Entschädigungsbeträgen. Es werden erhoben bei der ersten Umlegung dreihundert, der zweiten zweihundert, der dritten einhundertfünfzig, der vierten einhundert, der fünften achtzig, der sechsten sechzig vom Hundert; bei der siebenten bis elften Umlegung werden dann jedesmal 10 vom Hundert weniger erhoben. Auch die Zinsen fliessen der Rücklage zu. Nach den ersten 11 Jahren, oder wenn diese Zeit beim Inkrafttreten des Gewerbeunfallversicherungsrechts schon abgelaufen war, vom Jahre 1901 an werden die Zuschläge so bemessen, dass in den folgenden 21 Jahren der Kapitalbestand das Dreifache der Entschädigungssumme erreicht, die in dem Jahre des letzten Zuschlags zu zahlen ist. Müsste eine Genossenschaft in den 21 Jahren unverhältnismässig hohe Zuschläge erheben, so kann das Reichsversicherungsamt die Frist um höchstens 10 Jahre verlängern. Es bestimmt die Höhe des Zuschlags, den die Genossenschaft zu erheben hat.

Die Zinsen der Rücklage, die in der Zwischenzeit (§ 743) erwachsen, können zur Deckung der laufenden Ausgaben verwendet werden. Aus den Zinsen nach Ablauf dieser Zeit sind die Beträge zu entnehmen, die erforderlich sind, um zu verhüten, dass die Umlegebeiträge, die nach den Erfahrungen künftig durchschnittlich auf je einhundert Mark des verdienten Entgelts fallen, weiter steigen. Der [46] Rest der Zinsen ist der Rücklage solange zuzuschlagen, bis diese der Hälfte des Deckungskapitals für die jeweiligen Entschädigungspflichten gleichkommt. In besonderen Fällen kann das Reichsversicherungsamt bestimmen, welcher Teil der Zinsen zur Minderung der Umlage zu verwenden und welcher der Rücklage zuzuführen ist. Es bestimmt auch, wie der Kapitalwert der Entschädigungspflichten zu ermitteln ist.

Die besondere Form der Bauunfallversicherung ist in der R.V.O. beseitigt. Man hat jene in die gewerbliche Unfallversicherung hineingearbeitet. Es sind deshalb für Bauarbeiten die sogen. Zweiganstalten vorgesehen (§§ 783ff.), übrigens auch für das Halten von Reittieren und Fahrzeugen (§§ 836ff.) Bei der Zweiganstalt, die einer Berufsgenossenschaft von Baugewerbetreibenden angeschlossen ist, sind die Personen versichert, die ein Unternehmer nicht gewerbemässiger Bauarbeiten im Bezirke der Genossenschaft bei solchen Arbeiten beschäftigt. Das gleiche gilt von den selbstversicherten Unternehmern solcher Bauarbeiten. In der Zweiganstalt werden versichert: Bauarbeiter 1. auf Kosten des Unternehmers gegen feste Prämien, nach einem Prämientarif, wenn für einzelne Arbeiten mehr als 6 Arbeitstage verwendet worden sind, (längere Bauarbeiten); 2. auf Kosten der Gemeinden oder gewisser Verbände, über deren Bezirke sich die Genossenschaft erstreckt, gegen Beiträge, die auf diese Gemeinden oder Verbände nach dem Bedarfe des abgelaufenen Geschäftsjahres jährlich umgelegt werden, wenn für die einzelne Arbeit höchstens 6 Arbeitstage verwendet werden (kurze Bauarbeiten). – Für die Versicherung von Personen, die bei nicht gewerbemässigem Halten von Reittieren und von Fahrzeugen beschäftigt werden sowie der freiwillig versicherten Unternehmer dieser Art sind Anstalten nötig, bei denen die Mittel zur Deckung der Unfallasten nach dem Prämienverfahren aufgebracht werden. Die neuen Zweiganstalten sollen mit den Berufsgenossenschaften für Fuhrwerk und Binnenschiffahrt verbunden werden. In der Zweiganstalt der Binnenschiffahrt-Berufsgenossenschaften werden alle zu Wasser sich bewegenden Fahrzeuge versichert, insbesondere alle privaten Motorboote. Für die Versicherung der Privatfuhrwerke, insbesondere der Automobile und der Luftschiffe, sowie des bei dem Halten von Reittieren seitens Privatpersonen beschäftigten Personals sollen dagegen eine oder mehrere Zweiganstalten bei der Feuerwerksberufsgenossenschaft errichtet werden. Den Berufsgenossenschaften ist die Möglichkeit gegeben, Einrichtungen zu treffen zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit für Unfallverletzte. Letzteres wird als berechtigt vielfach anzuerkennen sein. Die Klagen der teilweise Invaliden sind häufig berechtigt. Sie bekommen sehr schwer Arbeit. Nach den Beschlüssen der Kommission sollen diese Teilinvaliden nicht gezwungen sein, die ihnen nachgewiesene Arbeitsgelegenheit zu benützen. Machen sie keinen Gebrauch davon, so darf ihre Rente deshalb nicht gekürzt werden. Unter dem Titel „Weitere Einrichtungen“ sind in § 843 zugelassen: Die Schaffung von Rentenzuschuss- und Ruhegehaltskassen für Betriebsbeamte, Mitglieder der Genossenschaft, Versicherte, Genossenschaftsbeamte sowie für die Angehörigen dieser Personen. Auch bleibt den Berufsgenossenschaften belassen das Recht, eine Haftpflichtversicherung für die Unternehmer einzurichten. Die Vorlage hatte bestimmt, dass Haftpflichtansprüche aus der reichsgesetzlichen Unfallversicherung höchstens mit ⅔ gedeckt werden dürfen, die letztere Bestimmung hat die Kommission gestrichen.

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist hinsichtlich des Kreises ihrer Berechtigten erweitert worden. Die Friedhofbetriebe, Gärtnerei, Park- und Gartenpflege sind einbezogen worden. Gegen Unfälle sind versichert: 1. Arbeiter, 2. Facharbeiter, 3. Betriebsbeamte, deren Jahresarbeitsverdienst 5000 Mark nicht übersteigt. Die Kommission hat den Begriff „Facharbeiter“ neu eingefügt. Im Unterschiede zu dem gewöhnlichen landwirtschaftlichen Arbeiter wird darunter derjenige verstanden, der für seine Stellung besonderer fachlicher Fertigkeiten bedarf, z. B. Förster, Gärtner, Gärtnereigehilfen, Müller, Ziegler, Stellmacher, Schmiede, Maurer, Zimmerer, Brenner, Maschinenführer, Heizer und andere. Für solche Arbeiten wird die Unfallrente nach dem tatsächlichen Arbeitsverdienste, nicht nach dem ortsüblichen Tagelohn berechnet. Im übrigen hat den durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst das Oberversicherungsamt nicht nur für Männer und Frauen getrennt festzustellen, sondern auch für Versicherte über und unter 10 Jahren, für solche von 10–21 Jahren und für diejenigen, die über 21 Jahre alt sind.

Der Massstab für die Aufbringung der Mittel ist der des Arbeitsbedarfes und der Gefahrenklassen, sowie des Steuerfusses (§§ 991 ff., 997ff.).

[47] Auf dem Gebiete der Seeunfallversicherung endlich wurden gegenüber dein jetzigen Rechtszustande nur geringfügige Verbesserungen beigefügt. Für den Kleinbetrieb der Seeschiffahrt sowie für Seefischerei mit Fahrzeugen, die der Bundesrat nicht schon als Hochseefischereidampfer oder Heringslogger der Unfallversicherung unterstellt hat, endlich für Fischerei mit Fahrzeugen, die auf Gewässern verkehren, welche mit der See verbunden sind, wird eine besondere Zweiganstalt vorgesehen. Die auf deutschen Seefahrzeugen, auf inländischen Kanälen und Flüssen beschäftigten Personen unterliegen in Zukunft nach den Kommissionsbeschlüssen dem See-U.V.G. Nach diesen soll auch jeder Flaggenwechsel dem Versicherten mitgeteilt werden. Die Bestimmungen über die Ausländer werden denjenigen in dem gewerblichen U.V.G. angepasst. Ferner können Ausländer mit dem dreifachen Betrage der Jahresrente abgefunden werden. Die Bestrafung eines Versicherten soll nicht erfolgen, wenn er in Ausführung eines Befehles seines Vorgesetzten den Vorschriften zuwidergehandelt hat.

IV. Invalidenversicherung.[Bearbeiten]

Auf dem Gebiete der Invalidenversicherung sind zunächst einige Neuerungen hinsichtlich der Ausdehnung des Kreises der Versicherten zu verzeichnen. Die Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken sollen ebenso wie bei der Krankenversicherung unter das Gesetz fallen, und auch das Bühnen- und Orchesterpersonal soll obligatorisch ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen einbezogen werden. Der in § 1 Nr. 2 I.V.G. gewählten Fassung steht die des § 1226 Nr. 2 R.V.O. gegenüber, jedoch unter Fortlassung des Wortes „Techniker“; dies bedeutet, dass sie nicht, wie bisher, unter allen Umständen, sondern nur dann versicherungspflichtig sind, wenn sie nicht zu den höheren Geistesarbeitern gehören. In dieser Richtung ist auch der § 1238 bemerkenswert, der die Befreiung von Personen mit Hochschulbildung (besonders der Diplomingenieure) auf Antrag vorsieht. Der § 1 I.V.G. spricht auch von „sonstigen Angestellten, deren dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet“. Die R.V.O. § 1226 Ziff. 2 hat eine neue Fassung: Andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, sind für versicherungspflichtig erklärt. Es handelt sich um Personen, die über dem gewöhnlichen Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrling und Dienstboten stehen, aber unter den Arbeitern mit höherer geistiger Beschäftigung. Dass aber die Beschäftigung den Hauptberuf bilden muss, bedeutet eine Verengung des Kreises der Versicherten. Nicht nur die dauernd, sondern auch die vorübergehend invaliden Personen, sind jetzt, wie sich aus § 1236 ergibt, versicherungsfrei. Verwiesen wird auf §§ 1255, 1258; in jenem ist Invalidität zum Erwerb einer Invaliden-, hier einer Witwenrente definiert. Als vorübergehend invalide galt nach bisherigem Recht, wer es ununterbrochen 26 Wochen lang gewesen ist. Jetzt auch, wer es nach Wegfall des Krankengeldes ist.

Die Zusatzversicherung ist die wichtigste, wenn auch bereits viel angefochtene Neuerung des Gesetzes. Zunächst ist es ihre Absicht, den Wünschen des Mittelstandes entgegenzukommen, durch freiwillige Weiterversicherung höhere Renten erwerben zu können. Eingeführt ist die Verwendbarkeit einer besonderen Zusatzmarke. Die einmalige Einzahlung für den Erwerb einer alljährlich bis zum Eintritte der Invalidität um denselben Betrag steigenden Rente ist in der hauptsächlich in Frage kommenden Altersjahren im allgemeinen beständig. Der Wert der Zusatzmarke beträgt 1 Mark. Für jede Zusatzmarke wird der Betrag von 2 Pfennig als Jahresbetrag der Zusatzrente soviel Mal gewährt, als beim Eintritt der Invalidität Jahre seit Verwendung der Zusatzmarken verflossen sind. Wenn z. B. ein Versicherter in den Altersjahren 25–55 allmonatlich einen Zusatzbeitrag von 1 Mark zahlt, so erhält er beim Eintritt der Invalidität eine Zusatzrente von jährlich 119,04 Mark, wofür er in den 31 Jahren insgesamt 372 Mark eingezahlt hat. Tritt Invalidität nicht bereits im Alter von 56 Jahren, sondern erst im Alter von 65 Jahren ein, so berechnet sich eine Zusatzrente für den Fall, dass er nach dem 56. Lebensjahre nicht noch weiter Zusatzbeiträge zahlt, auf 186 Mark. Zahlt er in den Jahren 56–64 weitere Zusatzbeiträge von monatlich 1 Mark, so berechnet sich der Anspruch auf 196,80 Mark.

[48] Die durch die Zusatzmarke erworbene Anwartschaft erlischt nicht. Die Zusatzrente wird gezahlt, solange die Invalidität dauert; sie wird voll ausgezahlt, entweder zusammen mit der Invalidenrente oder für sich. Beträgt die Zusatzrente nicht mehr als 60 Mark jährlich, so ist den Berechtigten auf ihren Antrag an Stelle der laufenden Zusatzrente eine einmalige Abfindung in Höhe des Kapitalwertes der Zusatzrente zu gewähren. Nach der Begründung bietet eine solche Zusatzversicherung jedem Handwerker usw. die Möglichkeit, seinen Rentenanspruch ohne finanziellen Nachteil für die Versicherungsträger und ohne Mehrbelastung des Reiches nach Bedarf zu erhöhen. Eine finanzielle Gefahr für den Versicherungsträger ist um deswillen ausgeschlossen, weil die Höhe der Rente um so geringer ausfällt, je früher die Invalidität eintritt. Die Bemessung der Höhe der Rente bietet einen Ausgleich des Invaliditätsrisikos. Bei der solchergestalt vorgenommenen Regelung ging man davon aus, dass es möglich ist, neue Lohnklassen der Invalidenversicherung anzufügen, ohne in finanzieller und versicherungstechnischer Beziehung Gefahr zu laufen. Nach § 1248 kann der Versicherte die Versicherung in einer höheren als der ihm nach dem Jahresarbeitsverdienst zukommenden Lohnklasse in Anspruch nehmen.

Gegenstand der Versicherung sind Invaliden- und Altersrenten. Invalidenrente erhält ohne Rücksicht auf das Lebensalter der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen dauernd invalide ist. Der Begriff der Invalidität ist in Übereinstimmung mit dem geltenden dahin formuliert, dass vorausgesetzt ist, jemand sei nicht mehr imstande, durch eine Tätigkeit die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann, ein Drittel dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art und ähnlicher Ausbildung, in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen. Altersrente erhält der Versicherte vom vollendeten 70. Lebensjahre an, auch wenn er noch nicht invalide ist. Der Wunsch, die zeitliche Grenze für den Bezug der Altersrente von 70 auf 65 oder weiter auf 60 Jahre herabzusetzen, hat den Reichstag viel beschäftigt; er war aber unerfüllbar. Die Regierung meinte, es werde bei diesem Wunsche zunächst von einer Überschätzung der Bedeutung der Altersrente ausgegangen. Die Altersrenten treten schon jetzt sehr wesentlich hinter den Invalidenrenten zurück, und ihre Bedeutung werde in der weiteren Entwicklung noch mehr abnehmen. Es wurde einwandfrei berechnet, dass bei Herabsetzung der Altersgrenze auf 65 Jahre die Zahl der Altersrentenempfänger sich um 176 655, bei Herabsetzung auf 60 Jahre um 495 936 erhöhen würden. Bei Zugrundelegung der durchschnittlichen Altersrente von 161.64 Mark ergäbe sich eine jährliche Mehrbelastung durch Herabsetzung der Altersgrenze auf 65 Jahre im Betrage von 28 554 514 Mark, auf 60 Jahre von 80 163 095 Mark. Immerhin enthält Art. 84 E.G. die Verpflichtung des Bundesrats, im Jahre 1915 dem Reichstage die gesetzlichen Vorschriften über die Altersrente zur erneuten Beschlussfassung vorzulegen.

Eine der wichtigsten Fragen ist die des Erlöschens der Anwartschaft. Dies sollte nach § 1266 eintreten, wenn während zweier Kalenderjahre weniger als 20 Wochenbeiträge auf Grund der Versicherungspflicht oder der Weiterversicherung entrichtet worden sind. Die Kommission hat die Bestimmung mit der Änderung angenommen, dass statt des Wortes Kalenderjahr gesetzt wird „Jahre nach dem auf der Quittungskarte bezeichneten Ausstellungstage“. Noch wichtiger ist die Frage des Auflebens der Anwartschaft. Sie war von der Vorlage dann zugelassen, wenn der Versicherte wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt und danach eine Wartezeit von 200 Beitragswochen zurücklegt. Im Reichstag ist der Gedanke durchgedrungen, dass auch durch freiwillige Beitragsleistung das Versicherungsverhältnis soll erneuert werden können. Jetzt gilt nach § 1269, dass, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr vollendet hat, die Anwartschaft nur auflebt, wenn er vor dem Erlöschen der Anwartschaft mindestens 1000 Beitragsmarken verwendet hatte. Hat der Versicherte das 40. Lebensjahr vollendet, so lebt die Anwartschaft durch freiwillige Beitragsleistung nur auf, wenn er vorher mindestens 100 Beitragsmarken verwendet hatte und danach eine Wartezeit von 500 Beitragswochen zurücklegt. Neu ist auch die sogen. Kinderzuschussrente: Hat der Empfänger der Invalidenrente Kinder unter 15 Jahren, so erhöht sich die Invalidenrente für jedes Kind um bis zu dem höchstens anderthalbfachen Betrage. Es ist dies wegen der finanziellen Tragweite ganz besonders wichtig.

[49] Die Entziehung der Rente ist in § 1292 vorgesehen, wenn der Empfänger einer Invaliden- oder Witwenrente infolge einer wesentlichen Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr invalide ist. Ist zu erwarten, dass ein Heilverfahren den Empfänger einer Invaliden-, Witwen- oder Witwerrente wieder erwerbsfähig macht, so kann es die Versicherungsanstalt einleiten. Entzieht sich ein Rentenempfänger ohne gesetzlichen und sonst triftigen Grund dem Heilverfahren und verhindert er dadurch die Beseitigung der Invalidität, so kann ihm die Rente auf Zeit ganz oder teilweise entzogen werden, wenn er auf diese Folge hingewiesen ist. Die Rente kann nach dem neuen Recht auch dann entzogen werden, wenn sich der Rentenempfänger ohne Grund einer Nachuntersuchung oder der Beobachtung im Krankenhause entzieht.

Als Träger der Versicherung gelten nach wie vor die Versicherungsanstalten. Sie haben einen Vorstand und einen Ausschuss. Jener hat die Eigenschaft einer öffentlichen Behörde. Seine Geschäfte führen einer oder mehrere Beamte des Gemeindeverbandes oder Bundesstaates, für den die Versicherungsanstalt errichtet ist. Es wurde in der Kommission bemängelt, dass im Vorstande der Anstalten die Beamten sehr oft das Übergewicht gegenüber den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeiter hätten. Deshalb wünschte die Kommission, dass die Beamten einer Versicherungsanstalt im Vorstande nicht mehr als die Hälfte der Stimmen haben. Irrtümlich geleistete Beiträge gelten als für die Selbstversicherung oder Weiterversicherung entrichtet, wenn das Recht dazu in der Zeit der Entrichtung bestanden hat. Der Versicherte kann die Beiträge binnen 10 Jahren nach der Entrichtung zurückfordern, wenn ihm nicht schon eine Rente rechtskräftig bewilligt worden ist (§ 1428). Bei Streit über die Beitragsleistung entscheidet, wenn er nicht bei der Rentenfestsetzung hervortritt, das Versicherungsamt und auf Beschwerde endgültig das Oberversicherungsamt, und diese Behörden sind an die grundsätzlichen Entscheidungen des R.V.A. gebunden.

Alles in allem genommen: Ausser der Zusatzversicherung findet sich nicht gerade viel Eigenes, Ursprüngliches; grosse Wirkungen werden von den sonstigen Neuerungen dieses vierten Buches der R.V.O. nicht zu erwarten sein.

V. Die Hinterbliebenenversicherung.[Bearbeiten]

Für diesen neuen Zweig der Sozialversicherung will die R.V.O. die Mittel durch Versicherte und deren Arbeitgeber zu gleichen Teilen aufbringen. Für die Lohnklassen I–V sind Erhöhungen von von 2, 4, 8, 10 und 12 Pfennigen gegenüber dem bisherigen Rechtszustande eingetreten (§ 1392). Die Beitragserstattung für weibliche Versicherte im Falle der Verheiratung und für Unfallrente sowie im Todesfall von Rentenantragsstellern vor der Rentenbewilligung sollen in Fortfall kommen und für die Zwecke der Hinterbliebenenversicherung verwendet werden. Für solche Beitragerstattungen wurden im Jahre 1907 aufgewendet 8 854 463 Mark. Die Hinterbliebenenversicherung ist mit der Invalidenversicherung derartig einheitlich verbunden, dass das gleiche Versicherungsverhältnis den Anspruch auf beide Versicherungen begründet. Für den einheitlichen Beitrag auf einheitlicher Quittungskarte wird neben dem Anspruche auf Invalidenrente auch für die Hinterbliebenen der Anspruch auf Witwen- und Waisenrente erworben. Eine der Grundfragen der neuen Hinterbliebenenversicherung war die, welche Art von Witwen berücksichtigt werden sollen. Es ist bei der Verschiedenheit des Alters der Erwerbsverhältnisse, der Gesundheit, der wirtschaftlichen Lage, der Familienzugehörigkeit usw. der Witwen überhaupt schlechterdings nicht möglich, alle gleich zu behandeln und auch nicht angemessen, wie ja z. B. eine Rente für eine junge, kräftige Witwe keinen Grund hätte. Auch die finanzielle Basis für die Versicherung aller Witwen wäre absolut nicht zu gewinnen. Die Witwenrente ist, genauer betrachtet, nur eine Witweninvalidenrente. Sie wird berechnet nach der Invalidenrente des verstorbenen Mannes, dessen Beiträge von bestimmendem Einflüsse auf ihre Höhe sind. Die Invalidenrente wird stets höher sein als die Witweninvalidenrente. Weibliche Versicherte also, die den Anspruch auf Invalidenrente erworben haben, erhalten keine Witwenrente beim Ableben ihres Mannes, doch wird ihnen ein Witwengeld in Höhe des Jahresbetrages einer Witwenrente und eine Waisenaussteuer für ihre Kinder bei deren 15. Lebensjahr in Höhe des 8monatlichen Betrages der Waisenrente ausgezahlt. Das Reich gewährt zu jedem Witwengeld einen einmaligen Zuschuss von 50 Mark und zu jeder Waisenaussteuer einen Zuschuss von 16⅔ Mark (§ 1285). Dagegen erhalten weibliche Versicherte, die keinen Anspruch auf Invalidenrente [50] erworben haben, die Witwenrente, wenn sie dauernd invalid geworden sind. Vorausgesetzt ist hierbei, dass sie nicht mehr durch eine ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit noch bis zu einem Drittel dessen erwerben können, was andere, körperlich und geistig gesunde Frauen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung, in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen. Man wird zugeben, dass dies sehr hart sein kann, insbesondere dort, wo der ortsübliche Tagelohn sehr gering ist, besonders wenn man keine Altersgrenze einführt. Witwenrente erhält auch die Witwe, die nicht dauernd invalide ist, aber während 26 Wochen ununterbrochen invalide gewesen ist, oder die nach Wegfall des Krankengeldes invalide ist, für die weitere Dauer der Invalidität (§ 1258 Abs.3). Die Witwenrente soll 30% der Invalidenrente betragen, dazu tritt der erwähnte Reichszuschuss in Höhe von 50 Mark. Waisenrente erhalten die hinterlassenen Kinder verstorbener Versicherter bis zum 15. Lebensjahre. Kinder weiblicher Versicherter erhalten die Waisenrente nur, wenn sie auch vaterlos sind. Witwerrente erhält nach dem Tode einer versicherten weiblichen Person, die den Lebensunterhalt ihrer Familie wegen Erwerbsunfähigkeit des Mannes ganz überwiegend aus ihrem Arbeitsverdienste bestritten hat, bis zum Wegfall der Bedürftigkeit der hinterlassene Witwer. Unter den gleichen Voraussetzungen erhalten ihre Kinder die Waisenrente. Endlich wird Kindern einer weiblichen Versicherten, deren Ehemann sich der häuslichen Gemeinschaft und der Unterhaltungspflicht ohne gesetzlichen Grund entzogen hat, Waisenrente bis zum 15. Lebensjahre in Aussicht gestellt. Die Waisenrente soll für ein Kind 15%, für jedes weitere 2½% der Invalidenversicherung betragen. Dazu kommt ein Reichszuschuss von 25 Mark für jede Waisenrente. Alle diese Bestimmungen sind ganz ausserordentlich scharf kritisiert worden. Dass die Leistungen alles in allem genommen nicht sehr hoch sind, ist wohl richtig. Allein das ist vielleicht der am wenigsten bedenklichste Punkt, denn die Sozialversicherung hat überall die Tendenz, die Leistungen zu erhöhen, und bei der absoluten Neuheit der Hinterbliebenenversicherung im deutschen, aber auch beim Fehlen im ausländischen Rechtssystem durfte man nicht allzu kühn vorgehen. Die finanziellen Folgen wären unabsehbar. Nur ist zu wünschen, dass die Leistungen der Hinterbliebenenversicherung diejenige der Armenpflege quantitativ übersteigen sollen.

VI. Allen Zweigen der Versicherung Gemeinsames.[Bearbeiten]

Alle Spezialregelungen überwölbt schliesslich das jetzt nicht mehr geringe Gemeinsame, das alle Versicherungszweige umschliesst. Besonders enthält das erste Buch der R.V.O. den Kern des Neuen, das für die ganze R.V.O. gilt. Das organisatorische Problem steht hier im Mittelpunkt. Fand keine Verschmelzung der jetzt selbständigen Versicherungszweige statt, so fragt er sich, was die R.V.O. sonst erstrebt. Sie bezeichnet ihr Ziel in der Begründung als „gegenseitige Annäherung“ jener Zweige und sieht als Mittel an die Schaffung eines ihnen allen gemeinsamen Bindegliedes und zwar an der Stelle, wo ein solches der Erfahrung gemäss am meisten not tut, d. h. in der unteren örtlichen Instanz.

Aber auch insofern wirkt die Idee der Vereinheitlichung aus, als in einer symmetrisch übereinander gestellten Weise die Spruchinstanzen sich aufbauen. Dem Versicherungsamt werden die Oberversicherungsämter übergeordnet, die bisher mit etwas veränderter Verfassung als Schiedsgerichte bekannt waren, und über diesen stehen dann das Reichsversicherungsamt und die Landesversicherungsämter, für deren Entlastung in weitgehendem Masse gesorgt sein soll. Soweit die R.V.O. sonst eine Vereinheitlichung vorsieht, ist sie lediglich formaler Natur: Es werden Bestimmungen, die in den verschiedenen Zweigen der Arbeiterversicherung zu finden waren, einheitlich formuliert und gemeinsam zusammengefasst; es trifft dies insbesondere zu auf die rechtliche Ausgestaltung der Beziehungen der Versicherungsträger zueinander und zu anderen Verpflichteten.

Die Versicherungsämter haben die Geschäfte der Reichsversicherung vorzunehmen und Auskunft zu erteilen. Ihnen obliegen aber für die einzelnen Zweige der Reichsversicherung die Aufgaben einer unteren Spruch-, Beschluss- und Aufsichtsbehörde. Diese überreiche Funktion ist es, gegen die Bedenken geltend gemacht worden sind. An sich ist gegen dieses soziale Unteramt nichts einzuwenden, besonders, soweit es die bisherigen Funktionen der unteren Verwaltungsbehörde in sich aufnimmt. Auf dem Versicherungsamt ruht aber nicht, wie man auf den ersten Blick annehmen [51] könnte, die Durchführung aller Arten der Reichsversicherung, vielmehr für jeden der Versicherungszweige auf den besonderen Versicherungsträgern. Nur dass in Zukunft spezielle Versicherungsbehörden die Tätigkeit vornehmen, an denen bisher Verwaltungsbehörden und Gerichte teilgenommen haben. Man kann es nicht hoch genug schätzen, dass die Erledigung der bisher von allgemeinen Verwaltungsbehörden besorgten Angelegenheiten in Zukunft durch Spezialbehörden der Reichsversicherung erfolgt. Soweit das Versicherungsamt daher Aufgaben einer örtlichen Stelle für die Versicherungsträger der Unfall-, Invaliden- und der Hinterbliebenenversicherung zu erfüllen hat, wird man wenig einzuwenden haben. Die Folge der Zuweisung staatlicher Hoheitsrechte an die Versicherungsämter ist die, dass sie nicht von den Versicherungsträgern eingerichtet werden könnten, vielmehr die Errichtung durch die Landeszentralbehörde das Angemessene ist, wodurch auch das einheitliche Zusammenwirken mit dem vorhandenen Behördenorganismus gesichert wird.

Das Versicherungsamt kann als selbständige Behörde errichtet werden in Bundesstaaten, in denen die Gestaltung der Landesbehörden die Errichtung der Versicherungsämter bei den unteren Verwaltungsbehörden nicht zulässt und nur ein Oberversicherungsamt besteht. Praktisch wird dies nur für Hamburg werden. Ist dagegen das Versicherungsamt an eine andere Behörde angegliedert, so ist deren Leiter zugleich der Vorsitzende des Versicherungsamtes. Als sein ständiger Stellvertreter ist dann ein Versicherungsamtmann zu bestellen. Wird in diesem Falle das Versicherungsamt an eine Kommunalbehörde angegliedert, so wird der Versicherungsamtmann durch den Kommunalverband bestellt, eventl. vom Oberversicherungsamt. Als Beisitzer des Versicherungsamts sollen Versicherungsvertreter beigezogen werden; ihre Zahl beträgt mindestens 12; es sind Arbeitgeber und Versicherte. Sie werden gewählt durch die Vorstandsmitglieder der beteiligten Krankenkassen, die im Bezirke des Versicherungsamts mindestens 50 Mitglieder haben und durch die Vorstandsmitglieder gewisser knappschaftlicher Krankenkassen, Ersatzkassen, Seemannskassen gewählt werden (§ 65). Bei jedem Versicherungsamt wird sodann ein Beschlussausschuss für die Angelegenheiten, die dem Beschlussverfahren überwiesen werden, gebildet. Er besteht aus dem Vorsitzenden des Versicherungsamtes und je einem Versicherungsvertreter der Arbeitgeber und der Versicherten. Auch können technische, Staats- und Kommunalbeamten, die in dem Bezirke des Versicherungsamtes tätig sind, als Beiräte zum Versicherungsamt für das Beschlussverfahren mit beratender Stimme vom Versicherungsamt zugezogen werden. Bei diesem wird auch ein Spruchausschuss errichtet für die Angelegenheiten des Spruchverfahrens.

Die Oberversicherungsämter zeichnen sich dadurch aus, dass sie völlig unabhängig gegenüber den Versicherungsträgern gedacht sind. So wie das Versicherungsamt Aufsichts-, Spruch- und Beschlussbehörde sein soll, so auch das Oberversicherungsamt, die zweite Instanz, der auch die Aufgaben zugewiesen werden, die jetzt der höheren Verwaltungsbehörde obliegen. Sie sind demnach Spruch-, Beschluss- und Aufsichtsbehörden. Hinsichtlich ihrer Errichtung und Zusammensetzung sind jedoch Abweichungen gegenüber den Schiedsgerichten vorgesehen. Das O.V.A. wird in der Regel für den Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde errichtet. Es besteht aus Mitgliedern und Beisitzern. Wie an der Spitze des Versicherungsamtes in der Regel der Versicherungsamtmann, so steht an der Spitze des Oberversicherungsamtes ein Direktor und sein Stellvertreter. Während der Direktor auf Lebenszeit ernannt ist, werden die Mitglieder aus der Zahl der öffentlichen Beamten ernannt, und während jenem zwar noch andere Dienstgeschäfte übertragen werden können, er aber doch als im Hauptberuf stehend anzusehen ist, kann die Landeszentralbehörde die übrigen Mitglieder des Amtes als nur im Nebenberuf tätig anstellen. Die Beisitzer des Oberversicherungsamtes sind je zur Hälfte aus Arbeitgebern und Versicherten zu wählen, sie dürfen nicht Mitglieder des Reichsversicherungsamtes oder eines Landesversicherungsamtes sein. Die Zahl der Beisitzer beträgt 40; die Landeszentralbehörde kann die Zahl erhöhen oder herabsetzen. Bei jedem Oberversicherungsamt wird eine Beschlusskammer für Angelegenheiten des Beschlussverfahrens gebildet. Sie besteht aus dem Direktor des Oberversicherungsamtes, einem Mitglied und zwei Beisitzern. Die Arbeitgeberbeisitzer und die Versicherungsbeisitzer beim Oberversicherungsamt wählen hierzu mindestens je einen Stellvertreter mit einfacher Stimmenmehrheit aus ihrer Mitte auf je 4 Jahre. Daneben bestehen Spruchkammern für [52] Sachen des Spruchverfahrens. Die Spruchkammer besteht aus einem Mitgliede des O.V.A. als Vorsitzenden und je 2 Beisitzern der Arbeitgeber und Versicherten.

Das Reichsversicherungsamt soll in seiner Organisation im wesentlichen unverändert bleiben. Es ist oberste Spruch-, Beschluss- und Aufsichtsbehörde. Die Zahl der nicht ständigen Mitglieder aus den Arbeitgebern und Versicherten beträgt 32. Davon: 8 vom Bundesrat ernannte, 12 Arbeitgeber und 12 Versicherte. Die Spruchsenate werden aus 7 Mitgliedern bestehen: Aus dem Vorsitzenden, einem vom Bundesrat gewählten, nicht ständigen, einem ständigen Mitglied, zwei hinzugezogenen richterlichen Beamten, einem Arbeitgeber und einem Versicherten. Ausser den Spruchsenaten werden Beschlusssenate mit 5 Mitgliedern gebildet werden, um den Aufbau des Reichsversicherungsamtes mit den unteren und mittleren Versicherungsbehörden gleichmässig zu gestalten, die im übrigen auch den Zweck erfüllen, dem Missstande abzuhelfen, wonach die Mitwirkung und der Einfluss der Bundesratsmitglieder und der Laienmitglieder bei Erledigung der Verwaltungsangelegenheiten erheblich zurückgetreten war. In den Beschlusssenaten wirken nicht wie in den Spruchsenaten richterliche Beamte mit, sondern es tritt an deren Stelle ein ständiges Mitglied des Reichsversicherungsamtes. Der verstärkte Senat der Abteilung für Invalidenversicherung (§ 22 der Kaiserl. Verordnung vom 10. Oktober 1900) fällt als entbehrlich ebenso weg, wie die kleinen Senate zur Zurückweisung von Rekursen, die bedeutungslos geblieben sind. Der bisherige erweiterte Senat soll auch künftig mit 11 Personen besetzt sein, und Grosser Senat heissen; es treten jedoch noch zwei ständige Mitglieder von Landesversicherungsämtern hinzu, wenn ein Landesversicherungsamt von einem veröffentlichten Rechtsgrundsatze des Reichsversicherungsamtes abweichen will. Das Landesversicherungsamt kann in den durch das Gesetz vorgeschriebenen Fällen an die Stelle des R.V.A. treten. Neue L.V.Ämter können aber nicht mehr errichtet werden; soweit sie bisher errichtet sind, können sie nur bestehen bleiben, solange zum Bereiche des einzelnen Amtes mindestens vier O.V.-Aemter gehören.

Der Wert der bezeichneten Neuregelungen liegt in der Aufrechterhaltung und Kontinuität des bisherigen Rechtszustandes; tiefgehende Umwälzungen werden vermieden, die Struktur der Arbeiterversicherung bleibt im wesentlichen dieselbe. Gleichwohl wird eine Reihe von Verbesserungen herbeigeführt, die ehedem nur von einer Verschmelzung der Versicherungszweige erwartet worden sind; es wird eine Kodifikation in die Wege geleitet, die Bahn bricht für ein innerlich geschlossenes deutsches Arbeiterrecht. Die nicht minder wichtige andere Hälfte wird nach und nach aus der Gew.O., deren Rahmen sie je länger je mehr sprengt, herausgehoben und verselbständigt werden müssen. Versicherungs- und Schutzrecht zusammen werden ein neues Arbeiterrecht schaffen das rechts- und sozialpolitisch mit der ganzen Stosskraft eines in sich geschlossenen, dem B.G.B. an Umfang und Bedeutung nicht nachstehenden Gesetzeswerkes, einen mächtigen Einschlag in das Kulturleben der Gegenwart bringen wird. Durch die staatsmännisch kluge Ablehnung der extremen Forderung einer Verschmelzung aller drei Versicherungszweige wird, ohne Schaden für die Versicherungsfrage, dem sozialen Frieden gedient, indem die den Trägern der Unfall- und Invalidenversicherung drohenden Ungerechtigkeiten in dieser Richtung vermieden werden. Einer in bezug auf die Erhöhung und Verbesserung der Leistungen segensreichen Entwickelung jedes einzelnen Versicherungszweiges für sich wird kein unnatürliches und gefährliches Hemmnis in den Weg gelegt. Durch die reichere Beteiligung des Laienelementes in den drei Stufen der Versicherungsämter, die nur bei einer Annäherung der verschiedenen Zweige möglich geworden ist, ist ein auch vom politischen Standpunkte aus wichtiger Fortschritt zu verzeichnen.