ADB:Bodmer, Johann Jakob
Haller und B., an der Spitze der wiedererwachten deutschen Litteratur stehen. Im letzten Religionskriege des Abendlandes (1712) sprengten die Evangelischen der Schweiz die drückenden Fesseln, durch welche die katholischen Orte das staatliche und bürgerliche Leben der Eidgenossenschaft zwei Jahrhunderte lang eingezwängt hatten. In freudiger Kraft erhoben sich nun die evangelischen Städte und strebten nach freier, vielseitiger Entwicklung. Ein edles Vaterlandsgefühl schwellte die Brust ihrer Söhne und führte sie auf neue Bahnen. B. ist so recht der Repräsentant Zürichs: denn mit der Gründlichkeit classischer Bildung und der Freimüthigkeit kritischen Urtheils verbindet er eine große Vielseitigkeit und eine unermüdliche Betriebsamkeit. Seinem Bildungsgange nach halb Gelehrter und halb Kaufmann, indem er als Jüngling einige Jahre in Italien der Handlung sich beflissen, kehrte er mit dem Entschluß in die Heimath zurück, für Verbesserung der Sitten und des Geschmacks thätig zu sein und die deutsche Litteratur gegenüber dem Einfluß der Franzosen zu befördern. Zu diesem Behufe begann er, hauptsächlich von seinem Freunde J. Jakob Breitinger unterstützt, 1721 die Herausgabe der „Discurse der Maler“. So unbeholfen und durch die Censur beschränkt diese Versuche waren, so haben sie doch durch die Entwicklung einer tiefern Ansicht über die Poesie und durch richtiges Urtheil über die deutschen Dichter jener Zeit historischen Werth. Damit aber wußte der thätige B. die Stimmen des Philosophen Christian Wolf und der Dichter Ulr. König und B. H. Brockes für die Discurse zu gewinnen. Zugleich war er beflissen, in Milton das Ideal eines Dichters hervorzuheben, welcher als phantasievoller Maler, als Verehrer der heiligen Urwelt und als kühner Republikaner seine Seele erfüllte: 1732 Uebersetzung von Milton’s „Verlornem Paradies“. Seinen Anforderungen an die Poesie kamen die gleichzeitig herausgekommenen Gedichte seines Landsmannes Haller trefflich zu statten. Und so viel B. zum Dichter fehlte, so enthielt doch in seinen eigenen Gedichten der „Charakter der deutschen Gedichte“ eine durch treffende Eigenthümlichkeit und Freimüthigkeit Aufsehen erregende Zeichnung der bisherigen deutschen Dichter. Lange hatten die Schweizer und Gottsched sich gegenseitig anerkennend und rücksichtsvoll gezeigt. Dieser war ein durch große Thätigkeit und durch Popularisirung der Dichtkunst verdienter und angesehener Mann; aber [20] mit seiner hausbackenen, pedantischen und servilen Auffassung und Handhabung der Poesie mußte er allmählich Bodmer’s Zorn und Spott herausfordern. Denn dieser lebhafte und streitfertige litterarische Agitator, welcher ganz richtig im Aufschwung einer erhabenen Dichtung das Mittel zu Deutschlands geistiger Wiedergeburt erkannte, und im Stolz des freien Mannes die Würde des Dichters zu einer in jener Zeit unbekannten Stufe erhob, mußte scharf mit dem Schulmeister zusammentreffen, welcher „die Poesie allezeit für eine brotlose Kunst gehalten und sie auch nur als ein Nebenwerk getrieben“. Damit aber der Sieg ein würdiger und durchgreifender werde, arbeiteten B. und Breitinger in aller Stille an für die Poesie grundlegenden Werken, unter denen zunächst Bodmer’s „Abhandlung vom Wunderbaren in der Poesie“, und Breitinger’s „Kritische Dichtkunst“ (beide von 1740) zu nennen sind; letztere der erste Versuch einer deutschen Aesthetik: was die philosophische Ausarbeitung betrifft, Breitinger’s Verdienst, jedoch aufgebaut auf Bodmer’s Grundgedanken, eine Arbeit, deren Werth Lessing anerkannte, und welche Winckelmann in seinen Ansichten über Kunst zum Leitfaden diente. Durch platte Geringschätzung und kleinliche Nergeleien von Seite Gottsched’s und seiner Schüler gegen die Grundsätze der Schweizer wurden diese herausgefordert, die Waffen der Satire zu schwingen, was mit solchem Erfolg geschah, daß der scharfsinnige Liscow und der boshafte Rost nebst den jungen Hallensern Pyra und Lange sich auf Bodmer’s Seite stellten. Ferner gelang es den Schweizern, die besten Lorbeeren Gottsched’s, die er auf dem dramatischen Felde gesammelt, durch die „Kritischen Betrachtungen über die deutsche Schaubühne“ zu zerreißen, so daß die vorzüglichsten Schauspieldichter jener Zeit, Elias und Adolf Schlegel, von Gottsched zu B. übergingen. Noch wichtiger war für diesen der Gewinn der beiden damals populärsten Dichter, Hagedorn’s des feinen Weltmannes und des heitern Gleim. Hagedorn machte B. mit den Herausgebern der Bremischen neuen Beiträge bekannt, zu denen Rabener und Gellert gehörten, und endlich Klopstock, der jüngste im schönen Dichterbunde. So war es B. in der Mitte der vierziger Jahre gelungen, daß er die besten Köpfe Deutschlands zu Freunden gewonnen hatte, ungeachtet sie seine litterarische Streitsucht mißbilligten; allein sie ehrten seine Kenntnisse, seine Gesinnung und seinen Muth. B. sah indessen wohl ein, daß es nicht genug sei, die wichtigsten Regeln der Dichtkunst aufgestellt zu haben, sondern daß durch dieselben auch entsprechende Werke geschaffen werden sollten. Unterdessen veranstaltete er zur Ermunterung und Nacheiferung die Herausgabe der mustergültigen Dichter Opitz, Canitz und Wernicke, und entwarf zugleich für seine jungen Freunde „der deutschen Gesellschaft“ in Zürich den „Grundriß eines epischen Gedichtes von dem geretteten Noah“. Während B. umsonst auf den Dichter wartete, der diesen Gegenstand beseelen sollte, erhielt er durch Gärtner die ersten Gesänge des „Messias“, nebst der Bitte um Protection für den entmuthigten jungen Dichter. B. geräth über diese Probe ins höchste Entzücken und theilt seinen Freunden den Triumph mit, daß „ein Dichter lebe, auf dem Milton’s Geist ruhe“. Er erkennt auf den ersten Blick die bedeutsame Größe des Dichters, und betrachtet nun die Ermuthigung und Förderung desselben als die schönste Aufgabe. Klopstock folgt der Einladung seines Gönners nach Zürich 1751. Der Alte und der Junge hatten sich in pathetischer Verehrung und Bewunderung gegenseitig so gesteigert und überboten, daß, als der stolze und feurige Dichterjüngling und der in eine ehrbar beschränkte Häuslichkeit eingeengte Gelehrte sich begrüßten, der Gegensatz sich alsbald geltend machte und sich vermehrte, als Klopstock ohne Rücksicht auf seinen Gastfreund, der in ihm den seraphischen Sänger verehren wollte, in fröhlichem Jugendmuth und in stürmischer Genialität mit den ihn umdrängenden jungen Zürichern des freien Lebens genoß. Welch ein Schmerz für den gekränkten B., daß der Sänger des [21] Messias über der fröhlichen Gesellschaft mit schönen Mädchen seiner Aufgabe zu vergessen schien, so daß der Messias unter dem Dache des Patriarchen nichts gewann. Doch Klopstock’s Aufenthalt in der freien Schweiz entfaltete den bisher träumerischen Jüngling zum entschlossenen Manne, so daß er von sich selbst sagt, „vorher sei er nur auf den Schulen gewesen, erst in Zürich sei er in die Welt gekommen“. – Unterdessen war B. aus einem Beschützer Klopstock’s zugleich dessen Schüler geworden. In aller Stille machte er sich selbst an die poetische Gestaltung des „Noah“, sich sogar schmeichelnd, mit seiner Arbeit dem Messias die Bahn zu brechen, indem der Noah „menschlicher und gewissermaßen lustiger sei“. Schon war das ganze Epos beendigt, als Klopstock unter sein Dach einzog; aber B. setzte große Hoffnungen auf die Vervollkommnung seines Gedichtes durch die Unterredungen mit dem Freunde. Allein als jener Proben aus dem Gedichte vorlas, beobachtete dieser ein bedenkliches Schweigen. Diese Theilnahmlosigkeit gab dem gegenseitigen Verhältniß vollends den Stoß. Aber B. war vom guten Griff in seiner Unternehmung so überzeugt, daß er, während Klopstock in Zürich weilte, noch andere seiner Patriarchaden vom Stapel laufen ließ, und denselben (1753) die „Kolombona“ nachsandte. Diese „Sündfluth“ aus der Urwelt setzte die poetischen Freunde in nicht geringe Verlegenheit; doch an der Seite Klopstock’s fanden biblische Scenen im Gewande der Poesie beim damaligen Publicum keine ungünstige Aufnahme, und keine geringeren als Goethe und Herder bezeugten später noch Neigung für die Wahl solcher Gegenstände. Die vielfachen Schwächen dieser leicht hingeworfenen Heldengedichte hätten den Gottschedianern eine günstige Gelegenheit zum Spott dargeboten; aber da diese so ungeschickt waren, B. mit Klopstock und Haller in den gleichen Tigel zu werfen und im gleichen Tone zu mißhandeln, fielen die Schläge auf die albernen Gesellen zurück. – Was B. in dem Sänger des Messias mißglückt war, das bot sich ihm gleich im folgenden Jahre 1752 in Wieland dar, „ein neuer Klopstock, dem die Geheimnisse der Poesie alle bekannt sind“. Wieland war jünger, bescheidener, fügsamer, und in der That glücklich und dankbar für die väterliche Aufnahme in Bodmer’s Haus; dabei aber geistesgewandt und selbständig genug, um als Schriftsteller seine eigenen Wege zu gehen. Mit Unrecht wurden Bodmer’s Einfluß die ersten Schriften Wieland’s voll mystisch-phantastischer Frömmigkeit beigemessen, während jener vielmehr bei seinen Freunden solche Verstiegenheit belächelte. Aber der Umgang mit dem lauteren Ehrenmann war für den beweglichen, leichtentzündlichen Wieland eine wohlthätige Bewahrung. Namentlich verdankt Wieland B. und dessen Freunden die Anregung und Ausbildung jener freien Gedanken über Erziehung und Bildung, in Folge welcher er den Ruf nach Weimar erhielt. Im gleichen Jahre mit Wieland’s Niederlassung in Zürich ist auch Kleist über diese Stadt und dessen „gute und aufgeweckte Menschen“ entzückt, und bezeugt, „statt daß man im großen Berlin kaum drei bis vier Leute von Genie und Geschmack antrifft, findet man in dem kleinen Zürich mehr als zwanzig bis dreißig derselben“. Denn vom Jahre 1755 an hatte B. „jene fröhliche Bande“, welche sich um Klopstock geschaart und durch ihn ein freies und kräftiges Geistesleben gewonnen hatte, von neuem an sich gezogen und in freien Zusammenkünften oder auf Spaziergängen das ganze Gebiet der schönen Wissenschaften und des bürgerlichen Lebens besprochen, daher die bedeutendsten züricherischen Staatsmänner in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich Bodmer’s Schüler nannten. Dieser Umgang mit Jünglingen erhielt in B. jene jugendliche Lebhaftigkeit und Frische, so daß er, ungeachtet er „den Punkt der Mittagshöhe bereits überschritten“ hatte, immer noch neue Bahnen geistigen Schaffens eröffnete. – Der beste Beweis für Bodmer’s tiefes Gefühl und richtiges Urtheil in Sachen der Poesie ist seine Schätzung der Dichtungen des Mittelalters. Zwar gebührt Gottsched das Verdienst, zuerst auf [22] diese aufmerksam gemacht zu haben, allein mehr auf dem Wege gelehrter Notiz als in bestimmter Würdigung ihrer Vorzüge. Mit gründlicher Einsicht in die historischen Verhältnisse erkannte dagegen B. die Vortheile, welche im Aufschwunge des deutschen Volkes zur Zeit der Hohenstaufen für die Poesie lagen, daher er schon 1742 die Abhandlung „Von den günstigen Umständen für die Poesie unter den Kaisern aus dem schwäbischen Hause“ herausgab. Bodmer’s regsamer Eifer bot alle seine Freunde auf, Schätze der alten Litteratur für ihn aus verborgenen Schachten zu erheben, so daß ihm nicht nur die Handschriften von St. Gallen und Hohenems, sondern auch diejenigen der Bibliotheken von Paris, Florenz und Hamburg zu Gebote standen, daher er so glücklich war, schon 1753 den Parcival, 1757 die „Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger“, ohne noch den Namen seines Landsmannes Boner zu kennen, im gleichen Jahre „Fragmente aus den Nibelungen“, und 1758 u. 1759 die „Sammlung der Minnesinger“ herauszugeben, was alles nur durch seine unermüdliche Betriebsamkeit möglich wurde, indem, nach vergeblichen Bemühungen in Deutschland, eine Gesellschaft seiner Züricher Freunde ihm dazu die Mittel bot. Bodmer’s Leistungen für die mittelhochdeutsche Poesie fanden jedoch beim Publicum nicht den von ihm gehofften Anklang; aber Lessing und Herder erkannten sein Verdienst, und die romantische Schule war ihrem fleißigen Vorgänger dankbar. – Unterdessen war B. in das Greisenalter eingerückt, zwar immer gleich munter und thätig, aber äußerlich und innerlich der Bewegung der Geister zu fern, als daß er den in den sechziger Jahren beginnenden neuen Aufschwung der deutschen Litteratur hätte würdigen können. Er hatte daher auch nicht die Unbefangenheit, Lessing zu verstehen, von dem der Altmeister der Kritik mehrmals etwas unsanft berührt worden war. Nicht nur verging sich dieser in Parodien gegen Lessing’s Fabeln, sondern als dessen Schauspiele die deutsche Welt entzückten, vermaß sich der gute B. mit ihm auf dem dramatischen Felde um die Palme zu ringen. Daß diese Versuche noch kläglicher ausfielen als die Patriarchaden, daß nicht nur Deutschland, sondern auch die Schweiz und Zürich solche theils mit Spott, theils mit Verlegenheit aufnahmen, hinderte den Unermüdlichen nicht, zwanzig Jahre lang in allerlei Dramen fort zu sündigen, sich tröstend, daß wenn die Bühne seine Stücke nicht brauchen könne, er durch seine „politischen Schauspiele“ als kühner Vorkämpfer für die Volksrechte, für Freiheit in Staat und Kirche sich geltend mache. Wenn er in solcher Richtung seinem Ansehen als Schriftsteller Eintrag that, so zeigt sich dagegen der Greis durch sein Herz für das Volk und durch seinen republikanischen Muth als Bürger von einer vortheilhaften Seite. Denn B. als warmer Vaterlandsfreund und feuriger Republikaner hatte zum innern auch den äußern Beruf, von frühe an zur nothwendigen Verbesserung der bürgerlichen Zustände mitzuwirken. Er war nämlich Professor der vaterländischen Geschichte und Politik und schon 1737 Mitglied des Großen Rathes, indessen zu schüchtern, um als Redner aufzutreten. Er hatte jedoch von der Regierung den Auftrag erhalten, die Schweizergeschichte von Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an zu schreiben. Allein nachdem eine obrigkeitliche Commission von der begonnenen Arbeit Einsicht genommen, wurde er der Fortsetzung enthoben, ohne daß man ihm die ausgearbeitete Handschrift zurückstellte: denn B. war zu freimüthig und zu rücksichtslos, um im Sinne seiner Regierung zu schreiben. Er zog sich daher viele Jahre lang von der unmittelbaren Theilnahme an der Politik und vom Staatsdienste zurück. Allein in spätern Jahren erschloß sich sein Herz aufs neue, um für die Erziehung und Bildung seines Volkes thätig zu sein. Denn B. war ein eifriger Verehrer Rousseau’s und beflissen, dessen Erziehungsideen zu verwirklichen. Mit dem lebhaftesten Eifer wurde daher der Greis zum Jugendlehrer, und verfaßte eine Reihe von Schulschriften, um die im Anfang der siebziger Jahre durch den vortrefflichen [23] Bürgermeister Heidegger, Bodmer’s Zögling, betriebene Reorganisation des züricherischen Erziehungswesens nach Kräften zu unterstützen. Neben einer wissenschaftlich gehaltenen deutschen Grammatik unter dem Titel „Grundsätze der deutschen Sprache“ (1768) erschien eine kurze deutsche Formenlehre, welche sich in den schweizerischen Schulen gegen ein halbes Jahrhundert erhalten hat. Nicht weniger anerkennenswerth sind Bodmer’s Leistungen für die Geschichte. „Die historischen Erzählungen“ sind der erste Versuch, die vaterländische Geschichte als Lehrfach in die Schule einzuführen. Seine „Geschichte der Stadt Zürich“ ist wesentlich eine Culturgeschichte, zunächst für die neugegründete Kunst- (Real-) Schule seiner Vaterstadt bestimmt.
Bodmer: Johann Jakob B., geb. 1698, † 2. Jan. 1783, ist in einem ländlichen Pfarrhause des Cantons Zürich geboren, daher seine Liebe zur freien Natur und zur Einfalt der Sitten. Es ist nicht zufällig, daß die beiden Schweizer,Der arbeitselige B. hatte das Geschick, in den höchsten Jahren und zum Schlusse eines reichen Lebens, glückliche und seiner Kraft angemessene Griffe zu thun. Schon hatten seine Schüler, Steinbrüchel und Tobler, Waser und Schultheß, durch ihn ermuntert, Deutschland durch gelungene Uebersetzungen griechischer Classiker sich empfohlen, als er selbst, nach vorangegangenen anderen Bearbeitungen, in Vollendung einer jahrelangen Lieblingsaufgabe, mit einer Uebersetzung Homer’s (1778) hervortrat, welche Herder freundlich begrüßte und ihr neben derjenigen von Stollberg entschieden den Vorzug gab. Neben diesen Bestrebungen, den Griechen in der deutschen Litteratur Eingang zu eröffnen, war der vielseitige Mann zugleich bemüht, die von ihm ans Licht geförderten mittelhochdeutsche Schätze dem deutschen Publicum näher zu bringen, daher er eine Reihe kleiner romantischer Epen bearbeitete, wie „Konradin von Schwaben“, „Hedwig von Gleichen“, „Maria von Brabant“ etc., während er zugleich Tischbein veranlaßte, Gegenstände aus der Geschichte und Poesie des deutschen Volkes zu malen. Ein schöner Beweis von Bodmer’s tiefem Sinn für Poesie ist seine späteste Unternehmung, Deutschland mit den „altenglischen Balladen“ (von Percy) bekannt zu machen, welche er 1780 und 81 in 2 Bändchen herausgab. Hier endlich entledigte er sich seines Hexameters, griff zum lange verschmähten Reime und übertrug in „Eschilbach’s Versart“. Den englischen Balladen fügte er noch solche aus dem „altschwäbischen Zeitalter“ hinzu, wie Scenen aus den Nibelungen und Gemälde aus der Geschichte der Schweiz.
Zum Schlusse ist noch eine Wirksamkeit Bodmer’s hervorzuheben, welche tiefer gehend, länger anhaltend und darum auch noch werthvoller war, als die Leistungen und Anregungen des Schriftstellers. B. war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts das belebende Element, die Seele für die geistige Wiedergeburt der Schweiz, von ihm aus ging jenes allgemeine Streben für die Erziehung, Hebung und Veredlung des Volkes. Er hatte daher das Glück, daß eine Reihe ausgezeichneter Männer sich seine Schüler nannten, an Zahl und Bedeutung so vorzüglich, daß kaum ein anderer Mann als Lehrer und Tonangeber sich mit ihm messen kann. Um nur allgemein bekannte Namen zu nennen, so befinden sich unter denselben die Künstler und Kunstförderer Füßli, Geßner und Sulzer, die Menschenfreunde Hirzel und Iselin, die Volkslehrer Lavater und Pestalozzi, die Dichter Meyer v. Knonau und Martin Usteri, die Staatsmänner Heidegger und Blaarer.
Daß der Altvater der Litteratur auch auf diesem Felde lange über den Tod hinaus getreue Verehrer bewahrte, bewies die von Fr. Stäudlin herausgegebene Sammlung nachgelassener Gedichte „Bodmer’s Apollinarien“, und die von demselben und von Körte in verschiedenen Sammlungen veröffentlichten Briefe an und von B. – S. Bodmer’s Schriften und Wirken bei Jördens, Manso, Gervinus etc.; und Mörikofer, Die schweiz. Litt. des 18. Jahrh. Bodmer S. 72–247.