ADB:Lichtenstein, Hermann

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Artikel „Lichtenstein, Hermann“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 550–553, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lichtenstein,_Hermann&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:53 Uhr UTC)
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Lichtenstein: Hermann L. (Levilapis), deutscher Buchdrucker und Buchhändler zu Venedig im 15. Jahrh. Ueber die Geburtszeit dieses bedeutenden Buchdruckers bürgerlicher Abkunft sowie über seinen äußeren Lebensgang fehlen alle Nachrichten, daß aber Köln a. Rh. seine Vaterstadt, geht aus seiner eigenen Bezeichnung „de Colonia“, „Coloniensis agrippine colonie“ hervor. Seine Kunst hatte er vermuthlich zu Köln selbst in der Officin des Zell, Kölhoff oder Therhörnen gelernt und wanderte sodann, dem Beispiele so vieler anderer seiner nieder- und oberdeutschen Landsleute folgend, zuerst nach Italien. Hier ließ er sich 1475 in Vicenza nieder, woselbst schon 1473 Johannes de Rheno und 1474 Leonardus Achates von Basel eingetroffen waren und denen noch drei weitere Deutsche: Johannes de Vienna 1476, Peter de Harlem 1477 und Stephan Koblinger aus Wien nachfolgten. In dieser Stadt ließ L. bis 1480 zwölf Werke in lateinischer und eines in italienischer Sprache ausgehen, deren zwei er in Verbindung mit Peter von Harlem druckte. Hierauf siedelte er 1482 nach Venedig über, hatte aber inzwischen (1477) auch zu Treviso, wo gleichfalls die Pressen zweier Deutschen, des Gerhard von Lisa und des Bernhard von Köln, thätig waren, zwei Werke ausgehen lassen. In Venedig aber, der italienischen Centralstelle der deutschen Typographen des 15. Jahrhunderts verweilte er von nun an dauernd und seine dortige Officin verließ bis 1494 eine nach Inhalt, Zahl und Form sehr bedeutende Menge lateinischer Werke, bei deren erstem (1482) Joh. Hamman von Speyer sein Socius, Aeneas Vulpes aber sein Corrector war. L. starb zwischen dem 15. Mai und 5. Septbr. 1494 noch vor Vollendung des vierten und letzten Theiles seines großen Werkes, des Speculum von Vincentius Bellovacensis, dessen dritter Theil „Idibus maij“ erschienen war, während der Druck des vierten „nonis septembris“ abgeschlossen wurde. Für dieses sein Hauptwerk, dessen ersten Theil (Speculum morale) er 1493 herausgegeben hatte, hatte die venetianische Regierung den Erben ein Privilegium auf zehn Jahre bewilligt „hermanni bonae memoriae heredibus … concessit, ut nemo alius per decennium id quoad ejus quattuor [551] videlicet Naturale doctrinale morale et historiale imprimere aut imprimi facere audeat …“ Nach seinem Tode ließen die Relicten noch 1497 unter seinem Namen „ingenio ac impensa Hermanni L. coloniensis“ ausgehen: „Thomae Aquinatis opuscula LXXII“. Von anderen seiner Erzeugnisse erwähnen wir noch seine „L’Eneide de Virgilio tradotta in prosa Italiana da Atanagio Greco“, Vicencia 1476, 4°, sie ist die erste Ausgabe eines Werkes, das keine eigentliche Uebersetzung, sondern mehr eine freie prosaische Bearbeitung der Aeneide ist; „P. Ovidii Nasonis … Opera“, Vincent. 1480. Fol. und „Tractatus de potestate imperatoris“, Venet. 1487. Fol. Eines Buchdruckerzeichens hatte sich L. nicht bedient und was seinen lateinischen Namen „Levilapis“ (licht = leicht, vgl. Bd. VIII, 350) betrifft, dessen er sich jedoch eben so wie sein Nachfolger zu Venedig niemals bediente, so ist bekannt, daß, wie die Gelehrten so auch die Buchdrucker des 15. und 16. Jahrhunderts ihre Namen oft in das Lateinische oder Griechische übersetzten. Der Drucker Peter Schöffer nannte sich „Opilio“. Han „Gallus“ Silber „Argyrius“ oder „Argenteus“, Flach „Simus“, Cleyn „Parvus“ oder „Le Petit“, Thanner „Abiegnus“, Herbst „Oporinus“ u. dgl. m., wobei es allerdings älteren Bibliographen nicht selten begegnete, daß sie bei solchen Namen die ärgsten Schnitzer begingen; so nennt (Denis, Bücherkunde I. 148) P. Orlandi den erstgenannten Drucker gar Pietro Opilione Schöffer und (Schelhorn, Amoen. VI, 606) Erasm. Schmid in seinen Anmerkungen zum N. T. glaubt, es läge in den Worten der Unterschrift der Officia Ciceronis von 1465 „Petri manu pueri mei“ ein Peter „Faust“ verborgen. Daß französische Bibliographen unsern Landsmann Ulrich Han sich als den ihrigen vindicirten und ihn als „Le Coq“ aufführten, läßt sich entschuldigen, weil in ihrer späteren Typographengeschichte ein wirklicher Le Coq sich befindet, aber lächerlich und unverzeihlich ist es, wenn Maittaire (Denis, Suppl. S. 770) ein Buch des deutschen Druckers zu Paris Mittelhus als gedruckt „per Mittelhum“ verzeichnet, und eben so sagt derselbe Bibliograph einmal von Philipp Melanchthon: „le vray surnom Aleman de Ph. M. était Schwarzer“. – Nachdem L. gestorben war, übernahmen zuerst die Erben, dann seit 1497 Peter L., vermuthlich ein Sohn oder Verwandter des vorigen, die Officin und dieser erscheint von 1497–1499 sowohl als Drucker wie Verleger. In beider Eigenschaft zeichnete er sich besonders durch sein Werk aus: (Regiomontani) „Ephemerides siue Almanach Perpetuus“, welches der gelehrte Buchdrucker und lateinische Dichter Joh. Lucilius Santritter de Fonte salutis = Heilbronn (Panzer III, 157. 262. 263) 1498 herausgab und mit einer Vorrede begleitete, sein „Catholicon“ dagegen ließ er durch Joh. Hamann von Landau dictus Hertzog drucken. Peter L. beschäftigte sich in späteren Jahren fast ausschließlich mit dem Drucke kirchlicher Schriften, für welche die damals bedeutenden Verleger Joh. Rynmann zu Augsburg (vgl. den Art.) und die Brüder Leonhard und Lukas Alantsee zu Wien (Bd. I, 170) seine Pressen in Thätigkeit setzten, besonders für die Herstellung von Diurnalien und Breviarien, und von solchen erschien u. a. 1502: „Diurnale sec. usum eccles. Saltzburgensis“, Fol.; „Breviar. sec. chor. Patav. eccles.“, 1515. 8°; „Vigiliae et officium mortuorum“, 1518; „Diurnale dioec. Pataviensis“, 1522. 4°. Um das J. 1547 war Peter L. noch am Leben und seine Officin war beschildet „ad Signum Agnus Dei“ und sein Wappen (Rothscholtz, Insignia Nr. 446 und 487) stellt wie für das J. 1522 so noch für 1547 ein Lamm dar, welches eine Fahne trägt. In den ersten Jahren der Thätigkeit Lichtenstein’s hatte dieser unter seinen vielen deutschen Landsleuten und Geschäftsgenossen zu Venedig auch einen solchen, dem wir aus einem besonderen Grunde einige episodische Worte schenken wollen. Es war dies der Buchdrucker Johannes Emerich, der, man weiß nicht aus welchem Grunde, bald Speyer und bald Udenheim [552] (jetzt Philippsburg in Baden) als seine Heimath bezeichnet. Unter mehreren von ihm veröffentlichten Werken (Panzer, A. t. V, 520) hat sich dieser Typograph dadurch einen großen Ruf und Ehre erworben, daß er, und es ist dies für seine Zeit sehr bemerkenswerth, einen Druck in dem allerkleinsten denkbaren Formate herstellte. Bekanntlich führen die zwei kleinsten Formate die technischen Nummern 64 und 128, und in dem ersteren, dem zweitkleinsten, erschien auch 1862 bei Heinrich Matthes in Leipzig „Die Sprichwörter der Deutschen“ (36 Bl.), ein Büchelchen, welches in der Höhe 5 und in der Breite nicht ganz 3 cm mißt. Emerich dagegen stellte schon 1499, einen, wie es scheint, „allen Bibliographen (auch Panzer, Hain und Weller) bis jetzt unbekannten Druck her, der, ein Unicum seiner Art, in seiner Kleinheit bis jetzt nur einmal vorgekommen ist. Er ist betitelt und findet sich auf der königl. Staatsbibliothek in München: „Officium beate virginis“, am Ende: „Impressum Venetiis … Arte … Joanis emerici de Spira alemani. M.CCCCXC. XII. Kl’ Junii“. Die Höhe des Textes einer ganzen Seite, die Blattzahlen und die Signaturen mit eingeschlossen, mißt 20 Linien oder 1 Zoll 8 Linien nach altem bairischem Maße. Mißt man aber den ganzen oberen und unteren weißen Rand hinzu, so beträgt die ganze Höhe doch nicht mehr als 22½ Linien, und die Breite des Textes, eigentlich die Länge einer Zeile 13 Linien.

L. gehört zu der großen Zahl deutscher Drucker, welche im 15. Jahrhundert ihre Kunst in fremde Länder und vorzüglich nach Italien getragen haben. Wenn aber unseren Landsleuten unbestritten die Ehre gebührt, die Buchdruckerkunst auf italienischen Boden verpflanzt zu haben, so haben doch im 15. Jahrhundert die Italiener in eifriger Verbreitung derselben das Vaterland der Kunst selbst übertroffen. Denn schon 1480, wo wir in Deutschland erst 23 Städte im Besitze von Pressen finden, zählt Italien in 40 Orten thätige Werkstätten, welche aber zum größten Theile eingewanderten Deutschen ihre Entstehung verdankten. In Venedig hatten bis 1500 gegen 200 Officinen ihren Fleiß entwickelt und die Zahl der bis dahin erschienenen Werke beträgt weit über 3000 (Panzer führt deren 2835 auf); in der Hermannstädter Kapellenbibliothek allein befinden sich (Archiv f. d. Gesch. d. deutsch. Buchhandels IV, 19) nicht weniger als 114 Bände, die im 15. Jahrhundert in Venedig gedruckt wurden und 56 verschiedene Drucker meistens deutscher Nationalität aufweisen, und so dürfen denn auch die berühmten gleichzeitigen Verse Sannazar’s zum Lobe Venedigs und seiner Typographie kaum noch wie früher der Uebertreibung geziehen werden. Waren aber die Italiener im 15. Jahrhundert unseren Landsleuten in der Ausdehnung der Buchdruckerkunst überlegen, so wurden sie doch, wenn wir den einzigen Aldus Manutius ausnehmen, in der Ausübung der Kunst selbst, der verhältnißmäßigen Schönheit der Typen und ganz besonders der Correctheit des Drucks durch die eingewanderten Deutschen weit überflügelt. Eine vollständige Aufzählung aller deutscher Drucker in Italien in dem gedachten Jahrhundert ist jedoch, so interessant dieselbe im Allgemeinen und so ehrenvoll im Besonderen für unser Vaterland wäre, schon aus räumlichen Rücksichten hier unstatthaft und wir beschränken uns auf die summarische Angabe der Zahl aller deutschen Drucker, welche nicht nur in Italien sondern auch in anderen europäischen Ländern bis einschließlich 1500 theils als die ersten die neue Kunst einführten, theils später daselbst in ihr thätig gewesen sind. Nach Italien brachten die Buchdruckerkunst und arbeiteten seit 1464 124 Deutsche, darunter 4 Juden aus Deutschland und nebst diesen 11 zweifelhafte, d. h. deren deutsche Nationalität nicht sicher festzustellen ist, und zwar in Venedig allein 28 und in Rom 25; in Frankreich arbeiteten seit 1470 31 [553] (Lyon 18, Paris 13), in Ungarn seit 1473 1, in Spanien seit 1475[1] 25, in England seit 1481 7, in Schweden seit 1483 5, in Polen seit 1491 5, endlich in Portugal seit 1495 4, doch hatten in diesem Lande und zwar zu Lissabon mehrere Juden schon 10 Jahre früher die ersten hebräischen Bücher gedruckt. Fügen wir noch hinzu, daß auch ein Deutscher: Joh. Gottlieb Adler aus Leipzig es war, der (Gottsched, Gedächtnißrede auf d. Erf. d. Buchdruckerkunst) 1513 die erste Druckerei in Malabar zu Tranquebar anlegte. Von allen diesen deutschen Druckern im Auslande haben bereits ihre Besprechung gefunden für Italien: Leonhard Achates (Venedig, Vicenza, St. Urso, Padua) in Bd. I, 28, Joh. Hamann (Venedig) X, 479[WS 1], Ulrich Han (Rom) X, 495, Johann von Köln (Venedig) XIV, 461, Joh. und Wendelin von Speyer (Venedig) XIV, 474, der jüdische Drucker Joseph XIV, 569 und Paul Leenen (Rom) XVIII, 119. Was Joh. von Speyer anbelangt, so schalten wir hier als Ergänzung ein, daß nach Duthilloeul, Bibliographie Douaisienne p. 281 ein gleichnamiger, dem geistlichen Stande angehöriger Drucker um das Jahr 1643 zu Douay in Flandern in seiner Kunst sich auszeichnete. Einer Würdigung werden seiner Zeit unterzogen werden: Gerhard von Lisa (Treviso, Brescia, Vicenza, Cividale, Udine), Antonius Matthias (Mondovi), Nikolaus von Frankfurt (Venedig), Nikolaus von Harlem (Vicenza), Joh. Numeister (Foligno), Leonhard Pachel (Mailand). Johann und Nikolas Petri (Padua, Florenz, Vicenza), Stephan Planck (Rom), Vitus Puecher (Rom), Erhard Ratdolt (Venedig), Raynold von Nymwegen mit Theodorus von Rhynburg (Venedig), Sixtus Riessinger (Neapel, Rom), Eucharius Silber alias Franck (Rom), Konrad Sweynheim mit Arnold Pannartz (Subiaco, Rom), Christoph Waldarfer (Venedig, Mailand), Leonhard Wild (Venedig) u. a. m. Für Frankreich wurden besprochen und zwar für Paris: Thilemann Keruer, Peter Keysere und Martin Krantz mit Friburger und Gering und werden zur Besprechung gelangen für Lyon: Nikolaus Philippus Pistoris und Johannes Trechsel u. a. und für Spanien: Heinrich Maier (Tolosa und Sevilla). – Ueber einen Hamburger Buchdrucker Arnold L. in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vgl. M. H. C. Lichtenstein, Die Stammtafel der bürgerlichen Familie Lichtenstein, Berlin 1835. 4° und Lappenberg, Hamb. Buchdruckergesch. LXI.

Lesser, Typogr. jubilans § 51. Helmschrot, Druckdenkmale S. 41. 91. Geßner, Buchdruckerk. IV, 101. Panzer, A. t. III (Venetiae, und daselbst weitere Quellen) IV. V, 489–494. Hain 1886. 6924. 13019. 13045. 13357. 15569. Ebert 28769. Brunet V, 891. Gräße V, 305. VI, 177. Ledeboer, Notices bibliogr. p. 152. Kirchhoff, Gesch. d. d. Buchhandels I, 25 bis 87.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 553. Z. 1 v. o. l.: in Spanien seit 1473 (st. 1475). [Bd. 20, S. 748]


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 478