BLKÖ:Schwarzenberg, Felix Fürst
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 33 (1877), ab Seite: 41. (Quelle) | |||
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Joseph Johann Nepomuk [S. 86], Chefs der älteren Linie des Fürstenhauses, und jener schönen, geistvollen und gefühlsinnigen Fürstin Pauline, gebornen Prinzessin Arenberg [S. 118], welche den Opfermuth der Mutterliebe am 1. Juli 1810 auf dem Pariser Ballfeste des österreichischen Botschafters mit dem Flammentode bezahlte. Merkwürdig ist das anläßlich seiner Geburt und mit dem Hinblicke auf seinen Taufnamen Felix verfaßte Chronogramm: „CresCe Deo et hoMInI VIVeqVe feLIX tV Vera spes fVtVrI“ welches den Neugebornen als „die wahre Hoffnung der Zukunft“ bezeichnete. Seine Jugend fiel in eine bewegte Zeit und der Fürst zählte 13 Jahre, als sein Oheim, Fürst Karl, bei Leipzig den Imperator der Neuzeit, den bis dahin nur von den Elementen Besiegten, nun auch mit dem Schwerte für alle Zeit vernichtete. Ueber diese Jünglingsjahre, über des jugendlichen Prinzen Theilnahme für diese wuchtigen Ereignisse liegen wenig Nachrichten vor. Nach dem erschütternden Tode seiner Mutter vertrat seine Tante Eleonore Sophie Therese, welche nach dem Tode ihrer Schwägerin [42] die Leitung des Hauswesens übernommen, Mutterstelle an Felix und seinen Geschwistern. Der erste Lehrer des Prinzen war der durch seine österreichischen Schulausgaben bekannte Emerich Thomas Hohler [Bd. IX, S. 218], ein in seiner Art tüchtiger Erzieher, der ebenso durch seinen Berufseifer und seine Kenntnisse, wie durch seine hingebende Treue zum Fürstenhause in demselben sich allseitiger Achtung erfreute. Als nicht minder tüchtig wird ein späterer Mentor des Fürsten bezeichnet, der demselben in seinen Jünglingsjahren treu zur Seite stand. Den Traditionen des Hauses gemäß sollte sich Fürst Felix dem Waffenhandwerke sich widmen und wurde noch vor Eintritt in diese Laufbahn daheim dafür vorbereitet. Uebertragungen des Flavius Eutropius und eine von dem Fürsten Felix im Alter von 17 Jahren selbstgeschriebene Art de tactique sind interessante Belege seiner vorherrschenden kriegerischen Geistesrichtung. Nach kaum vollendetem 18. Lebensjahre, am 22. März 1818, trat Fürst Felix als Cadet in das k. k. Kürassier-Regiment Großfürst Constantin Nr. 8, dessen Oberst seit Ende 1813 der Gemal Maria Eleonorens, der älteren Schwester des Prinzen, der Fürst Alfred Windisch-Grätz war. Die beiden Charaktere, meint Baron Helfert, passen schwer zu einander. Windisch-Grätz, in seinem Gebaren stolz und streng, ein Mann der Zucht und der Grundsätze, muß als Oberst und als Verwandter dem brausenden, lebensfrohen, mitunter lockeren, fürstlichen Cadeten manch wohlmeinende Mahnung zukommen lassen, die in Letzterem für dessen Lebenszeit das Gefühl einer gewissen, rückhaltenden Scheu vor dem ernsten Schwager zurückläßt. Im nämlichen Regimente 1819 zum Lieutenant befördert, wird der Fürst am 15. Juni 1821 in gleicher Eigenschaft zu dem Huszaren-Regimente Kaiser Franz Nr. 4 übersetzt, avancirte aber noch Tags darauf zum Oberlieutenant und wurde, ehe er in dasselbe einrückte, am 1. Juli d. J. zu Großfürst Constantin zurücktransferirt. So hatte der Fürst nur auf dem Papiere, nie in Wirklichkeit bei den Huszaren gedient. Von den Kürassieren kam der Fürst mit Beförderung zum zweiten Rittmeister am 1. December 1822 zu Fürst Schwarzenberg-Uhlanen Nr. 2, das für ewige Zeiten den Namen seines ruhmgekrönten Oheims, des Fürsten Karl, führt. Zwei Jahre nach seinem Eintritte in das genannte Uhlanen-Regiment, am 16. Jänner 1824, wurde der Fürst zum ersten Rittmeister und Escadronscommandanten befördert. Als Cavallerie-Officier war der Fürst gastfrei gegen seine Kameraden und ein Kriegskamerad seiner Leute, auf deren Aeußeres er besonders schaute, denn seine Uhlanen waren – auf seine Kosten – wie man zu sagen pflegt, herausstaffirt, „wie aus der Schachtel“. Er lebte nichts weniger als sorglos in Saus und Braus dahin, er wußte die Muße seines Berufes mit Lectüre und ernstem Studium ausfüllen. Auch liebte er die Musik, besonders den Gesang und – merkwürdig, der schöne Uhlanen-Rittmeister – vor Allem den Kirchengesang, und noch erinnert man sich, wie er mit seinen Schwestern im Dorfe Koschausk in der kleinen Dorfkirche auf dem Chore mitsang und einmal ganz ernstlich bei einer Missa solennis mitwirkte. Das Jahr 1824 brachte eine bleibende Veränderung in die Lebensstellung des Fürsten. Schon seit 1822 k. k. Kämmerer, war damit ein besonderes Dienstverhältniß zum kaiserlichen Hofe angebahnt; im Jahre 1823 [43] stand er mit Baron Hügel im freundschaftlichen Verkehre und kam durch diesen in öftere Berührung mit dem Staatskanzler Fürsten Metternich, dessen Scharfblick die diplomatischen Talente des jungen Fürsten bald durchschaute und denselben zum Eintritte in die diplomatische Carrière veranlaßte, was um so leichter geschah, als er dem militärischen Charakter dabei nicht zu entsagen brauchte und somit im stetigen Verkehre mit dem kaiserlichen Heere blieb. Dieß Alles hatte sich rasch und ohne Zuthun seiner Angehörigen vollzogen, so daß, als sich der Fürst eines schönen Tages seinem eigenen Vater als Rittmeister und Diplomat in einer und derselben Person vorstellte, der Vater kaum seinen eigenen Ohren traute. Und nun begannen die politischen Weltfahrten des jungen Rittmeisters und Gesandtschafts-Attaché’s. Bereits im Frühlinge 1824 erfolgte die Ernennung des Fürsten zum Gesandtschafts-Attaché in St. Petersburg, wohin er sich über Dresden und Berlin sofort begab. Am 24. Juni dort angelangt, überreichte er seine Depeschen dem kais. österr. Gesandten Grafen von Lebzeltern. Der Empfang, der dem Fürsten am kais. Hofe zu Theil wurde, war der huldvollste und der Fürst-Attaché soll sogar durch einen persönlichen Besuch des Kaisers Alexander in seinem Logis ausgezeichnet worden sein. Bald war der Fürst in den gewähltesten Kreisen der Czarenstadt heimisch, und zu den Persönlichkeiten, welche sich dem lebensfrohen, jungen Fürsten in vertraulichster Weise näherten, gehörte auch Fürst Sergius Trubetzkoj. Die Zeit seines Aufenthaltes in der Czarenstadt benützte der Fürst zu wiederholten Ausflügen in’s Innere des Landes, so unternahm er eine mehrwöchentliche Reise nach Astrachan, anläßlich der Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus nach Moskau und dann in Gemeinschaft mit den Grafen Gyulay, Stadion und Franz Fürsten Liechtenstein nach Nischneinowgorod. Da brachte ihn die anläßlich des russischen Thronwechsels im Jahre 1825 aufgebrochene Militär-Revolte in eine schlimme Situation. Der obenerwähnte Fürst Trubetzkoj, eines der Häupter der Verschwörung, mit dem Fürsten Felix befreundet, soll, nachdem Alles entdeckt war, in der Wohnung des Fürsten ein Asyl gesucht haben und auch daselbst festgenommen worden sein. Nach Anderen hätte die Sache sich anders verhalten. An dem Allen ist nichts gelegen, weil kein Mensch und so auch der Fürst nichts dafür kann, wenn sein Bekannter, der zufällig aber auch ein Verschwörer ist, in seiner Wohnung eine Zuflucht sucht. Ebenso gleichgiltig ist es, ob die Ende 1826 erfolgte Abberufung des Fürsten in Folge dieses Umstandes oder aus dem natürlichen Motive eintrat, weil ihm nach zweijähriger Thätigkeit am Czarenhofe ein anderer Wirkungskreis zugedacht war. Kurz, Ende October 1826 verließ der Fürst, von Kaiser Nikolaus mit dem Wladimir-Orden ausgezeichnet, St. Petersburg, reiste über Lemberg nach Wien, wo er schon am 8. November mit diplomatischen Aufträgen den beiden Weltstädten an der Seine und an der Themse zueilte, um sich in letzterer der außerordentlichen Sendung nach Rio Janeiro anzuschließen, mit welcher damals Baron Neumann von London aus betraut worden. Am 21. December 1826 schiffte sich die Mission in Portsmouth ein, langte am 30. December in Madeira an, passirte am 22. Jänner 1827 den Aequator und lief am 7. Februar im Hafen von Rio Janeiro ein. Der Aufenthalt in Brasiliens Hauptstadt [44] währte nur zehn Tage. Auf einem englischen Postdampfer kehrte der Fürst nach Europa zurück, verweilte im Auftrage seines Chefs längere Zeit in Madrid und Lissabon, wo er die Ankunft Don Miguel’s[WS 1] abwarten sollte, den der Staatskanzler Metternich für den Thron Portugals ausersehen hatte. In Lissabon erfuhr der Fürst den Haß jener Partei, welche sich den Prinzen Don Miguel nicht aufdringen lassen wollte; er machte sich nach Pöbelsitte in Steinwürfen Luft, die glücklicherweise nicht trafen. Endlich traf Don Miguel am 22. Februar 1828 in Lissabon ein und legte am 26. Februar d. J. den Eid auf die Verfassung vor den versammelten Cortes ab. Mit diesem Staatsacte hatte die Mission des Fürsten Felix ihr Ende erreicht. Er hatte nun seine Bestimmung als Gesandtschafts-Cavalier bei der kais. Gesandtschaft am Hofe von St. James erhalten, wohin ihn eine englische Fregatte noch im März g. J. brachte. Seinen Aufenthalt in London bezeichnet sein Biograph als den eigentlichen Beginn der praktischen Studien des angehenden Staatsmannes, als den Moment der tieferen Einweihung in die Mysterien der höheren europäischen Politik. Gewiß war auch England die geeignete Stätte, den Werth und inneren Gehalt freiheitlicher Institutionen zu prüfen, geschichtliche Probleme der Gegenwart und Zukunft ernstem Nachdenken zu unterziehen, vor allem Anderen aber eine ohne Beispiel dastehende Erscheinung in’s Auge zu fassen, nämlich die glückliche Vereinigung von Revolution und Verjährung, Fortschritt und Stabilität, Energie der Jugend und Majestät des unvordenklichen Alterthums. Auch war der Fürst zu einer Zeit nach England gekommen, in welcher im britischen Verfassungsleben wichtige Dinge vorgingen, es bereitete sich nämlich jener Uebergang von der seit den Achtziger-Jahren vorwaltenden torystischen Starrheit zu den von Wighs begünstigten Reformen-Ideen der Neuzeit vor, deren erster Sieg die Emancipation der irischen Katholiken war. In der Zeit seines Londoner Aufenthaltes spielt sich ein Ereigniß ab, das uns einen tiefen Blick in die Seele des Fürsten thun läßt und das für die schönste Zeit seines Lebens einen nachhaltigen und fast düsteren Eindruck geübt hat. Der Fürst, bisher in seinen Beziehungen zu der Frauenwelt, wie Baron Helfert treffend bemerkt, durch eine gewisse Freigeisterei der Leidenschaft gekennzeichnet, hatte sich mit immer stärkeren Banden in ein ernstes Verhältniß verwickelt, das eine Zeit hindurch das Glück, aber nur zu bald das Unglück seiner schönsten Lebensjahre werden sollte. Von dem Geiste und der Anmuth einer der schönsten damaligen Frauen Albions, von Lady Ellenborough[WS 2], einer Tochter des Admirals Digby, hingerissen, blieb die Neigung des Fürsten von Seite der Dame, die sich an der Seite ihres Gemals nichts weniger denn glücklich fühlte, nicht unerwiedert, und schlug endlich in Letzterer zu so lohen Flammen auf, daß, als der Fürst im Herbste 1829 seine bisherige Stellung bei der Londoner Botschaft mit einer am Hofe von Versailles vertauschte, ihm die Lady auf das Festland nachfolgte. Die Sache machte begreiflicher Weise nicht nur in den Kreisen der highe life, sondern im Publicum überhaupt großes Aufsehen und wurde, als gar noch die Hilfe der Gerichte aufgeboten wurde, geradezu peinlich. Der Vorgang traf den Fürsten zutiefst in’s Herz. Sein damaliger Zustand und selbst der in den nächstfolgenden Jahren war ein bedauerlicher und, wie Personen aus [45] des Fürsten unmittelbarer Umgebung behaupten, beängstigender. Sein Biograph schildert die Folgen dieser Liebe in nachstehender Weise: Es war vielleicht die einzige wahre Leidenschaft in des Fürsten Leben, von der er sich gewaltsam hatte lossagen müssen, und die zärtliche, in den schonendsten Formen gehaltene Sorgfalt für das Kind, das jener Verbindung entsprossen – diese Tochter lebt noch glücklich und angesehen verheirathet in Böhmen – sprach für die Nachhaltigkeit einer Neigung, die ihm unter günstigeren Verhältnissen ein beglückendes Familienleben begründet hätte. Er hat an ein solches später nie wieder gedacht. Die Zeit, die Alles heilt, goß auch über diesen heftigen Schmerz ihren allmälig lindernden Balsam, mit den Jahren kehrte sein früherer Hang zu wechselvollem Treiben zurück, er hat bis an sein Lebensende nicht davon abgelassen, mit schönen, geistreichen Frauen zu tändeln, er hat nie umsonst sein Glück bei ihnen versucht; allein, er hat wohl nie wieder ernst geliebt. Auch in anderen Richtungen blieb jene Katastrophe nicht ohne ernste Folgen. Der lebensfrohe, eigenwillige, von glücklichen Verhältnissen und entgegenkommenden Neigungen launenhaft verzogene Jüngling hatte nie eine eigentlich wissenschaftliche Grundlage seiner Bildung empfangen, und auch in dieser Hinsicht scheint es die Zeit seines tiefen Seelenschmerzes gewesen zu sein, wo er nachholte, was früher versäumt worden war; wo er sich ernsterer Lectüre hingab, wo er insbesondere die Kenntniß des Lateinischen, die ihm aus seinen Knabenjahren geblieben war, auffrischte und zu classischen Studien benützte, die bald eine reichere Nahrung finden sollten. Andererseits aber war es ein tief religiöser Zug, der seiner scheinbaren Frivolität unbemerkt zur Seite ging und gewiß die wenigsten, die ihn nur vom Salon her kannten, hatten eine Ahnung davon, daß der gewinnende Weltmann keinen Sonn- und Feiertag verabsäumte, meist in früher Morgenstunde in irgendeiner abgelegenen Kirche andächtig seine Messe zu hören, und gewiß ist es bezeichnend, daß sein Secretär ein für alle Mal den Auftrag hatte, zu seinen Sachen, so oft er auf Reisen ging, zwei Bücher zu packen, einen lateinischen Classiker, Horaz oder Virgil, und Thomas a Kempis’ „De imitatione Christi“. Wie bemerkt, vertauschte der Fürst im Herbste 1829 das Feld seiner bisherigen Thätigkeit, London, mit Paris. Bei seiner Ankunft daselbst fand der Fürst Frankreich am Vorabende der Revolution. Nun lebte der Fürst eine ereignißreiche Zeit, denn er sah noch die Anfänge des Bürgerkönigthums, die Ministerwechsel von August und November, Lafayette’s Abdankung, die Straßentumulte von Paris, begleitet von dem Verlangen der Massen nach den Köpfen der verhafteten Minister Karl’s X., das Walten des Ministeriums Kasimir Perier; im Laufe des Jahres 1831 wurde er aber nach Wien abberufen. Ohne seiner militärischen Laufbahn zu entsagen, fühlte sich der Fürst in der Diplomatie in seinem rechten Fahrwasser. Die Mitglieder ausgezeichneter Familien besaßen eben damals das Vorrecht, zweien Diensteskategorien zugleich angehören zu können, nämlich der Diplomatie und dem Heere, konnten in beiden gleichzeitig vorrücken, an demselben Tage einen höheren Dienstrang und höheren Militärgrad erlangen, die höchsten auswärtigen Posten vertreten und daheim die höchsten Truppencommando’s bekleiden. So rückte der Fürst Felix am 9. September 1831 zum [46] Major im Uhlanen-Regimente Kaiser Franz und bald darauf auch zum Legationsrathe bei der k. k. Gesandtschaft in Berlin vor. Bis 1832 blieb der Fürst auf diesem Posten. In die Zwischenzeit fällt der Tod seines Vaters (19. December 1833), aus welchem Anlasse er einen Urlaub nahm, den er zu einer Reise nach Rom benützte, wo seit Jahren eine seiner jüngeren Schwestern, Prinzessin Mathilde, weilte, eine Dame, deren klarer Geist und frauenhafte Gemüthsruhe sie so ganz eigneten, ihm als treue, uneigennützige Freundin und Gefährtin zur Seite zu stehen, was sie ihm von da an mit kurzen Unterbrechungen bis an das Ende seiner Tage blieb. In Rom, wo er am 2. Jänner 1834 eintraf, verweilte Fürst Felix vier Monate und während dieser Zeit studirte er unter Anleitung, wenn ich nicht irre, des berühmten Archäologen Braun, an den Denkmälern und Erinnerungen einer großen Vergangenheit die Antike. Ueberhaupt zog es den Fürsten während den Pausen seines diplomatischen Berufes und auch mitten in demselben immer wieder zu ernsten Studien, die er dann mit einem Eifer betrieb, als gelte es eben nur die Aneignung und Bewältigung dieses einen Gegenstandes: so hörte er auch ein andermal längere Zeit die anatomischen Vorträge des berühmten Professors Hyrtl, damals Prosectors an der anatomischen Lehrkanzel in Wien. Von Rom kehrte der Fürst auf seinen Berliner Posten zurück. In der Zwischenzeit war er zum Oberstlieutenant im 1. Uhlanen-Regimente Herzog von Sachsen-Coburg vorgerückt, am 22. August 1835 ernannte ihn der Kaiser „zum Beweise des höchsten Vertrauens zu seinen Einsichten und Diensterfahrungen“ zum Oberst im genannten Regimente. Den Berliner Posten verließ der Fürst 1838, um nun die erste selbstständige Stellung als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister an den Höfen von Turin und Parma einzunehmen. Die Stellung am Turiner Hofe, der den alten Traditionen des Hauses Savoyen getreu die Verlegenheiten des Hauses Oesterreich stets zu benützen und sich auf Kosten desselben in der Lombardie zu bereichern suchte, war eine höchst delicate und stete Vorsicht erheischende. Er repräsentirte, schreibt sein Biograph, am Hofe von Turin, aber er konnte Monate hindurch in der glanzvolleren, rauschenderen Hauptstadt der Lombardie zubringen, von wo er nur etwa alle vierzehn Tage einmal, um bei der Cour zu erscheinen, nach Turin kam. Wie leichtlebig nach außen, in seinem Hause sah er auf den strengsten Anstand, die Ehre seines home durfte nicht wieder berührt werden. Er hatte aus der Londoner Geschichte eine Lehre für’s Leben gewonnen. Wenn er in Turin war, hielt er gastfreien Tisch, zu seinen nächsten italienischen Bekannten gehörte La Marmora der damals den militärischen Unterricht des Herzogs von Genua leitete, für den immer ein Gedeck an Schwarzenberg’s Tafel in Bereitschaft stand, und erst, als von hoher Stelle dem Fürsten bedeutet wurde, daß es nicht wohl angehe, daß ein Militär der piemontesischen Armee im kaiserlichen Gesandtschaftshotel so vertraut ein- und ausgehe, trat darin eine Aenderung ein. Während der achtjährigen Thätigkeit des Fürsten an einem Hofe, von dem sich Oesterreich trotz der engen Familienbande, welche beide Höfe aneinander knüpften, nichts Gutes zu versehen hatte, bewies der Fürst einen diplomatischen Tact, wie sich ihm, solchen zu zeigen, später am neapolitanischen Hofe kaum ähnliche Gelegenheit darbot. Man [47] muß nur das historisch-politische Memorandum des Grafen Solaro della Margarita, der zu des Fürsten Schwarzenberg Zeit als kön. sardinischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten fungirte, einsehen, um zu erkennen, wie sich der Fürst an dem heuchlerischen Hofe Geltung, Ansehen und Achtung zu verschaffen wußte. Der Graf war in geselligen Kreisen sehr beliebt, weniger bei Hofe, wo der König ihn sogar fürchtete, denn jede Miene des Fürsten gab dem Könige in den gewährten Audienzen zu verstehen, daß er Worte und Höflichkeiten nach ihrem wahren Werthe zu schätzen wisse. Was die Arbeiten im Gesandtschaftshotel betrifft, so befaßte er sich nur in außerordentlichen Fällen unmittelbar mit denselben, und wenn es noththat, verstand er es ganz trefflich, sein soldatisches Wesen hervorzukehren, wie dieß z. B. in der Angelegenheit des österreichisch-schweizerischen Salzhandels der Fall war, hinsichtlich dessen Piemont, wie Schwarzenberg dem Turiner Hofe offen vorwarf, die Beziehungen zu einem altbefreundeten und verbündeten Hofe zu Gunsten „des gens de sac et de corde“, die gegenwärtig Tessin beherrschten, hintansetzte. Ein anderes Mal schrieb der Fürst in eben dieser Salzangelegenheit an den Grafen Solaro della Margarita: „Je Vous adresse une note sur l’affaire de sels et Vous trouverez qu’elle est bien salée“ (ich richte an Sie eine Zuschrift in der Salzsache und sie werden finden, daß sie sehr gesalzen ist). Trotz dieser Differenzen und trotz seines offenen, zur Schau getragenen Mißtrauens stand doch der Fürst mit dem Könige und dem Minister auf bestem Fuße, und bezüglich einer Stelle in Springer’s „Geschichte Oesterreichs“ (Bd. II, S. 592), welche lautet, „daß Schwarzenberg auch in Turin durch sein persönliches Auftreten sich bald unmöglich gemacht habe“, bemerkt Baron Helfert treffend, „daß, abgesehen von der vollständigen Unrichtigkeit dieser Behauptung, wir offen bekennen müssen, daß wir uns an allen europäischen Höfen und vorzüglich im Gebäude am Ballplatze lauter österreichische Diplomaten wünschen, die sich in gleichem Sinne unmöglich machen, wie Felix Schwarzenberg in Turin“. Der Fürst wurde im Jahre 1842 zum General-Major und in „großmüthiger Erwägung der mehrfältigen, treueifrigen und ersprießlichen Dienste, die der Fürst in verschiedenen Beziehungen dem Staate geleistet“, mit Decret vom 20. Juli 1842 zum wirklichen geheimen Rathe ernannt. Noch zwei Jahre verweilte er am Turiner Hofe, als zu Ende des Jahres 1844 in gleicher Eigenschaft seine Berufung an den Hof von Neapel erfolgte. Noch nach Jahren wurde in den Turiner Gesellschaftskreisen seine Gegenwart stark vermißt und noch lange nachher das Bedauern gefühlt, den „unvergleichlichen“ Gesellschafter nicht mehr zu besitzen, der die Abende so köstlich zu würzen und die geselligen Kreise geistig zu elektrisiren verstand. In Neapel, von wo aus er häufige Ausflüge nach Rom unternahm, verlebte der Fürst, wie er, später oft, wenn er, von den Geschäften der Staatskanzlei erschöpft, sich nach Ruhe sehnte, aussprach, seine schönste Zeit, und dort wollte er, wenn es die Geschäfte gestatteten, wieder in Ruhe neue Kräfte sammeln und in den Reizen des Südens sich erholen. Es sollte ihm nicht gegönnt sein. In Neapel gingen die ersten Jahre unbedenklich vorüber, der Fürst selbst galt im Volke, welches damals bereits gegen Oesterreich aufgestachelt wurde, als einer der einflußreichsten [48] Rathgeber, welche den König abhielten, seinem Volke die gewünschten Concessionen zu machen, und so bildete sich im Ganzen eine Abneigung gegen ihn, wozu er persönlich keine Veranlassung gegeben. Daselbst traf er auch mit dem Kaiser Nikolaus zusammen, als derselbe im Winter 1846 auf Besuch seiner Gemalin dahin kam, da diese auf Rath der Aerzte längere Zeit im milden Klima des Südens zubringen mußte. Der Kaiser hatte, so sagte man, anläßlich des Vorfalles im J. 1826 mit Trubetzkoj, in den Fürst S. ohne alles eigene Verschulden verwickelt worden war, ein Vorurtheil gegen den Fürsten bewahrt, das nun, als er in nähere, so zu sagen freundschaftliche Beziehungen zu dem Fürsten trat, vollends wich. Da erfolgte die Erhebung des Cardinals Mastai Ferretti auf den päpstlichen Stuhl, und nun wurde Schwarzenberg’s Stellung in Neapel immer unerquicklicher. Im Herbste 1846 war er nach Wien gereist, um Metternich persönlich Bericht zu erstatten über den Stand der Dinge im Süden. Kurz zuvor hatte er noch den für Oesterreich so günstigen, am 4. Juli 1846 abgeschlossenen Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Sicilien zu Stande gebracht. Im Winter 1847 kehrte er auf seinen Posten nach Neapel zurück. Dort wurde ihm der Verkehr mit dem Fürsten Scilla, welcher die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten über sich hatte, nach und nach so peinlich, daß der Fürst dem Könige rundweg erklärte: „Se. Majestät geruhe entweder zu gestatten, daß er, Schwarzenberg, unmittelbar allerhöchst ihm, so oft es die Geschäfte mit sich brächten, Vortrag erstatte oder für diesen Zweck irgend einen anderen Mittelsmann zu bestimmen“. So standen die Dinge, als der Mailänder Cigarrenkrawall den Reigen der Bewegungen in Italien eröffnete, die allmälig in eine vollständige Revolution aufloderten. Auch in Neapel hatte die Fortschrittspartei ihre Action begonnen und der Fürst Felix, der längst als Gegner aller freiheitlichen Institutionen galt, mußte nur zu bald die Stimmung erfahren, die gegen ihn die herrschende war. Am 25. März 1848 zogen mehrere Tausend junge Leute, ohne daß die Nationalgarde und anderes Militär sie an diesem lange voraus verkündeten Vorhaben hinderten, vor das österreichische Gesandtschaftshotel, rissen das österreichische Wappen herunter, schleppten es auf den Largo Santa Catarina, wo Reisigbündel aufgehäuft waren, und verbrannten den Doppeladler, dem sie die Köpfe abgehauen hatten, unter lautem Jubel. Die Adlerköpfe wurden der lombardischen Fürstin Belgiojoso von einer Deputation überreicht und unter Absingung von Freiheitsliedern von der im Salon der Fürstin befindlichen Gesellschaft verbrannt. Das österreichische Consulatswappen wurde gleichfalls beschimpft und bis zur Unkenntlichkeit zerkratzt. Noch an demselben Abend reichte der Fürst eine, am folgenden Morgen eine zweite Beschwerdeschrift ein, Genugthuung für diese Verletzung des Völkerrechts verlangend. Der Ton dieser Noten, von einer Schärfe und Entschiedenheit, wie sie durch den Anlaß geboten waren, hatte zunächst die Aufmerksamkeit bei der Wahl des rechten Mannes im entscheidenden Augenblicke auf den energischen Staatsmann gelenkt. Der Minister-Staatssecretär Fürst Carioti beantwortete das Schreiben des Fürsten am 27. März, sprach die tiefste Mißbilligung der Regierung über den unseligen Vorgang aus und versprach, „mit Vergnügen jede sich darbietende Gelegenheit [49] ergreifen zu wollen, um denselben wieder gut zu machen, so viel es die schwierigen Zeitumstände erlaubten“. Der Fürst erklärte sich im Namen der Regierung, welche er vertrete, durchaus nicht für befriedigt, sondern verlangte entschieden, daß das österreichische Wappen auf Befehl der neapolitanischen Regierung und in Gegenwart eines Beamten derselben wieder an seinem früheren Platze befestigt, ferner daß eine officielle Erklärung schleunigst im „Giornale delle due Sicilie“ mit den Ausdrücken der Mißbilligung aus der Note des Ministers veröffentlicht werde. Zur Ausführung dieser Anforderungen stellte der Fürst eine Frist von 24 Stunden. Als nun am folgenden Tage statt der verlangten Note eine im Namen des Ministeriums des Innern abgefaßte Proclamation an den Ecken der Straßen angeschlagen wurde, welche den Charakter eines Aufrufes zur Bildung von Freicorps in Oberitalien trug, denen die Regierung Bewaffnung und Dampfschiffe zur Ueberfahrt zusicherte, so veranlaßte dieß den Fürsten zu einer neuen Note, worin er um Angabe des Zweckes dieses Freicorps binnen 24 Stunden ersucht. Die Antwort des Fürsten Carioti auf beide Schreiben war ausweichend, und da mittlerweile das Ministerium entlassen war, eine endgiltige Antwort erst nach Berathung mit dem neuen Ministerium in Aussicht gestellt. Der Fürst Felix, der nicht annehmen konnte, daß die neuen Minister für eine Genugthuung sich bereitwilliger zeigen würden, als die abgehenden, konnte nichts thun, als, wie er an seine Regierung berichtet, „noch an demselben Tage das Land verlassen, wo seine officiellen Beziehungen durch eine grobe Verletzung des Völkerrechts unterbrochen worden waren, und wo sein längeres Verweilen keinen Nutzen mehr gewährt, sondern nur die Ehre und die Würde des Kaiserhofes bloßgestellt haben würde“. Er nahm den Weg zur See über Triest, wo er mit seinen späteren Amtsgenossen im Ministerium, Freiherrn von Bruck und Grafen Stadion, zusammentraf. Er war nun nach Wien geeilt, und da nun wieder der Zeitpunct eingetreten war, in welchem an Stelle der Diplomatie das Heer trat und seine Depeschen auf der Wahlstatt mit blutiger Schrift schrieb, wünschte der Fürst zu seiner ursprünglichen Thätigkeit im kaiserlichen Heere zurückkehren zu dürfen. Seine Bitte wurde ihm gewährt. Als Episode seines damaligen Aufenthaltes in Wien sei seine wenig bekannte Controverse mit Castelli erwähnt, als dieser in Nr. 97 der „Wiener Zeitung“ den Wunsch zunächst auf die Vereinigung des Adels und Bürgerstandes aussprach. Castelli meinte die bereits Flußbett und Ufer überfluthende Bewegung u. a. durch dieses Mittel in das rechte Fahrwasser einzudämmen. Da war es der damals in Wien sich aufhaltende Fürst, der, ohne sich zu nennen, sondern einfach: „Ein Adeliger“ unterschrieben, in der „Wiener Zeitung“ vom 9. April 1848, Nr. 100, Castelli antwortete. In dieser Antwort erscheint aber bereits jenes Programm, dessen Erfüllung sich in der Folge der Fürst zur Aufgabe gestellt: „Ein einiges, großes und mächtiges Oesterreich“. Obwohl die diplomatischen Generale bei der Armee zu keiner Zeit beliebt waren, denn in der Diplomatie spielten sie meist die Soldaten und in der Armee gewöhnlich die Diplomaten, so verhielt es sich mit Schwarzenberg, dessen schneidige Weise längst bekannt war, anders; er übernahm zuerst eine Brigade bei dem Corps des Feldzeugmeisters Grafen Nugent [50] und trat, in Gradisca eingetroffen, sofort in Thätigkeit. Am 17. April führte er die Vorhut des Nugent’schen Armeecorps über den Isonzo und bestand bei dem Vordringen gegen Palmanuova sein erstes siegreiches Gefecht. Rasch hatte er das Vertrauen der Officiere und des gemeinen Mannes gewonnen, wo er sich zeigte, begrüßte ihn jubelnder Zuruf der Truppen. Am 24. Mai leitete er beim Angriffe auf Vicenza die Beschießung der Stadt und am 29. nahm er als Qua-Divisionär mit den Brigaden Benedek und Wohlgemuth Theil an der Erstürmung der Schanzen von Curtatone und führte zu Fuß die tapferen Colonnen dreimal zum Sturme. Am folgenden Tage wurde er bei einem Angriffe auf das stark besetzte Goito von einer Kugel in den Arm getroffen, so daß er auf den Verbandplatz gebracht werden mußte. Der Fürst wurde später für sein ausgezeichnetes Verhalten in der 153. Promotion (vom 29. Juli 1849) mit dem Ritterkreuze des Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet. Noch von seiner Wunde nicht hergestellt und genöthigt, einige Zeit seiner vollkommenen Herstellung zu widmen, gab ihm Radetzky den Auftrag, auf seiner Durchreise durch Innsbruck bei dem damals dort anwesenden Hofe dahin zu wirken, daß man auf das kurz zuvor aufgetauchte Humelauer’sche Project einer Abtretung der Lombardie, nicht eingehe; „der Zumuthung, ihre Action, damit jene Verhandlungen nicht gestört würden, zu, sistiren, vermöge die italienische Armee des Kaisers nicht nachzukommen, dieselbe fühle sich stark genug, das Land zurückzuerobern“. Es mag, schreibt des Fürsten Biograph, für den stolzen, selbstbewußten Fürsten ein schwerer Schritt gewesen sein, als er, den Arm in der Binde, mit ehrerbietiger Reverenz vor einem der damaligen Machthaber erschien, ihm das dringende Anliegen seines Feldherrn vorzutragen. Aber noch bitterer mußte es für ihn sein, als ihn Doblhoff in kurzer Audienz mit dem Bescheide entließ: „in der Sache lasse sich nichts weiter thun, sie sei abgemacht“. Dennoch scheint das Auftreten des Fürsten in dieser Angelegenheit nicht ganz ohne Folgen geblieben zu sein: mindestens beeilte man sich in Innsbruck nicht, den Vorschlag Humelauer’s endgiltig anzunehmen; in der That wurde er auch bald darauf in den Papierkorb geworfen und seitdem von österreichischer Seite nie als amtlich gemacht und behandelt angesehen. Der Fürst verließ nun Innsbruck und begab sich in seine Heimat, um dort im Frieden und in der Ruhe der Natur sich zu erholen. Aber unthätig blieb der Fürst auch in jenen Tagen nicht. Als die Wahlen in den constituirenden Reichstag ausgeschrieben wurden, candidirte auch der Fürst ungeachtet der Gegenvorstellungen eines fürstlichen Oberbeamten, „daß der Fürst sich vor der Menge nur compromittiren werde“. Der Fürst erwiederte dem Rathgeber: „An das Compromittiren vor der Menge müssen wir uns jetzt in dem constitutionellen Staate gewöhnen. Denken Sie nur an manche ausgezeichnete und hochgestellte Männer in England; wie werden sie oft von Schuften compromittirt und dennoch ermüden sie nicht, für das allgemeine Beste zu wirken. Ich bin morgen auf dieses Compromittiren gefaßt und mein Entschluß bleibt unverändert“. In der That war der Fürst bei der Wahl durchgefallen, aber nicht er, sondern die Wähler hatten sich compromittirt, als sie an seine Stelle einen ungeschlachten, versoffenen Bauer, Johann Kaim aus Meiselschlag, in den Reichstag [51] schickten, der später noch wegen Majestätsbeleidigung in Criminaluntersuchung kam. Soweit sich kräftig fühlend, um wieder in die Reihen der kaiserlichen Armee eintreten und das Ungemach eines Feldzuges im Hochsommer ertragen zu können, kehrte er in der zweiten Hälfte des Monats Juli 1848 auf den Kriegsschauplatz nach Italien zurück; am 20. Juli g. J. wurde er zum Feldmarschall-Lieutenant befördert. Indessen war die siegreiche Schlacht bei Volta (26., 27. Juli) geschlagen worden und Karl Albert schickte zwei piemontesische Generale und den Artillerie-Oberst La Marmora in’s kaiserliche Lager, um mit Radetzky zu unterhandeln. Den Unterhandlungen wurde auch Fürst Schwarzenberg beigezogen. Denkwürdige Begegnung, als sich La Marmora, nachdem ihm die Binde herabgenommen worden, seinem ehemaligen Turiner Gastfreunde als bittender Gegner gegenüber befand. Der von Piemont in Vorschlag gebrachte Waffenstillstand wurde nicht gewährt und in unaufgehaltenem Siegeslaufe ging es bis Mailand, wo Radetzky am 6. August als Sieger einzog. Fürst Felix, mit italienischem Wesen und den Mailänder Verhältnissen vertraut, wurde zum Militär- und Civil-Gouverneur von Mailand ernannt und erhielt bald darauf den wichtigen Auftrag, zur Seite des Feldmarschalls ein diplomatisches Bureau einzurichten, dessen Leitung der Fürst Felix selbst übernehmen sollte. Indessen nöthigte ihn seine Wunde, von welcher er noch immer nicht hergestellt war, neuerdings Urlaub zu nehmen, und am 23. September 1848 traf der Fürst wieder in Wien ein, wo er den 6. October erlebte. Von diesem Tage an bis zu dem Momente, wo er mit den kaiserlichen Truppen in Wiens wieder eingenommenen Mauern einzog und das Reichstagslocal militärisch besetzen ließ und von da bis zum 21. November, dem Auferstehungstage des Ministeriums Schwarzenberg, und bis zur Publication des berühmten Programms dieses Ministeriums: welche Fülle von entscheidenden Ereignissen! welche bedeutsamen Uebergänge u. s. w., ruft Berger in des Fürsten Biographie aus. Ueber die meisten Details der damaligen Begebnisse und des unmittelbaren Antheils des Fürsten hat den Schleier Baron Helfert in seiner „Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener October-Aufstandes 1848“ gehoben. Herausgeber dieses Lexikons, in jenen Tagen an der Seite des Ministers Stadion arbeitend, war zur Zeit, als Baron Helfert an seinem Werke schrieb, durch schwere Krankheit verhindert, demselben Mittheilungen zu machen, die manchen bezeichnenden Strich mehr zu dem interessanten Gemälde geliefert hätten, das Baron Helfert entworfen hat. Am 24. November 1848 war das neue Ministerium, an dessen Spitze Fürst Felix als Minister-Präsident stand, gebildet. Es bestand aus Graf Stadion (Inneres), Kraus (Finanzen), Bach (Justiz), General-Major Baron Cordon (Krieg), Bruck (Handel), Thinnfeld (Landescultur und Bergwesen), drei Tage später, am 27. November, verkündete der Fürst dem in Kremsier versammelten Reichstage das ministerielle Programm, in welchem die Neubildung Oesterreichs zu einem großen einheitlichen Staatskörper verkündet wurde. Deutschland gegenüber hieß es darin: nicht in der Zerreißung der Monarchie liege die Größe, nicht in ihrer Schwächung die Kräftigung Deutschlands; Oesterreichs Fortbestand in staatlicher Einheit sei ein deutsches, wie ein [52] europäisches Bedürfniß. Erst, wenn das verjüngte Oesterreich und das verjüngte Deutschland zu neuen und festen Formen gelangt seien, werde es möglich sein, die gegenseitigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. Bis dahin werde Oesterreich fortfahren, seine Bundespflicht zu erfüllen“. Am 2. December 1848 fand im fürsterzbischöflichen Residenzschlosse in Olmütz die Thronentsagung des Kaisers Ferdinand zu Gunsten seines Neffen, des Erzherzogs Franz Joseph Statt .Mit der Thronbesteigung des jugendlichen Monarchen ging es nun an die Verwirklichung des kaiserlichen Wahlspruches: „Viribus unitis“ welchem sich die Devise des Ministeriums: „Entschieden, aber besonnen vorwärts“, zugesellte. Die Lage war eine kritische. Ungarn in vollem Aufstande, Italien zu neuem Angriffe heimlich rüstend, alle Verhältnisse in den Kronländern außer Rand und Band und der Reichstag in Kremsier Grundrechte der radicalsten Form berathend, wobei er sich als ein auf Staatskosten unterhaltener revolutionärer Club geberdete, während in Stadt und Land das einfache, schlichte Recht abhanden gekommen war. Die erste bezeichnende That des Ministeriums Schwarzenberg war der Schluß der Reichstags. Derselbe war eben zum Entschlusse gekommen, den Verfassungsentwurf en bloc anzunehmen, als in der Nacht vom 6./7. März 1849 der schon mit kaiserlichem Patente vom 4. März 1849 aufgelöste Reichstag geschlossen und zu gleicher Zeit die Staatsverfassung ertheilt, die Durchführung der Aufhebung des Unterthansverbandes und Entlastung des Grundes und Bodens angeordnet wurde. Bald darauf wurde der am 9. August 1848 geschlossene Waffenstillstand von den Piemontesen gekündet, aber die Schlachten bei Mortara (21. März) und Novara (23. März) lösten für den Augenblick die italienische Frage, bis der durch Minister Baron Bruck vermittelte Friedensschluß vom 6. August 1849 Oesterreich im Süden freien Spielraum gab. In Ungarn nahmen die Kämpfe eine solche Wendung, daß russische Hilfe herbeigerufen ward. Am 24. Juli trafen die Russen in Wien ein. Einen Monat später fiel Venedig. Was nun Oesterreichs Stellung mit den maßgebenden Mächten des Auslandes unter Schwarzenberg’s Ministerpräsidentschaft betrifft, so sind noch England, Frankreich und Deutschland in’s Auge zu fassen, denn Rußland war Oesterreichs Verbündeter und Italien blutete noch an den ihm von Radetzky geschlagenen Wunden. Mit England war unter der perfiden Politik Palmerston’s die Spannung auf’s Höchste gediehen. Kossuth hatte dort Zuflucht und einen willkommenen und gehörig benützten Schauplatz für seine Agitationen erlangt. Der nichtswürdige, eine freie Nation schändende Vorfall mit General Haynau hatte die Stimmung im auswärtigen Amte gegen England gesteigert und sie war nicht besser geworden, so lange der Fürst Felix lebte. Frankreich bereitete sich auf den Staatsstreich vor und sein Präsident hatte somit sein Augenmerk zunächst auf das Innere gerichtet. Dabei hatte Napoleon, als der Mann der rettenden That, als der Bewältiger der Revolution und Wiederhersteller der öffentlichen Ordnung, die Sympathien aller leitenden Staatsmänner jener Tage gewonnen, welche die Greuel der Revolution miterlebt hatten, und zu diesen gehörte auch Fürst Felix. Das wichtigste und inhaltvollste Moment in des Fürsten Wirksamkeit bilden nach der Wiederherstellung Oesterreichs die [53] deutschen Angelegenheiten. Diese hatten manche Wendung genommen, welche des Fürsten Proteste hervorriefen. Für einige Zeit beschäftigte den Fürsten die Idee einer Dreitheilung Deutschlands (Dreistaatenbund); als die Dinge in Frankfurt sich vollends Preußen zuwandten, berief Oesterreich seine Abgeordneten zurück. Indessen war ja unser nachbarlicher Freund in Deutschland nicht müßig geblieben und hatte während der österreichischen Krisis gründlich gewühlt. Doch waren diese Wühlereien, wie die fein gesponnenen demokratischen Intriguen, Oesterreich und Preußen auf einander zu hetzen, erfolglos geblieben, aber es mußte wenigstens vorderhand das Verhältniß zwischen Oesterreich, Preußen und Deutschland geregelt werden, und der erste Schritt aus dem Wirrsal der deutschen Conflicte war das in Wien zu Stande gekommene, von dem Fürsten Schwarzenberg und dem Grafen Bernstorff unterzeichnete „Interim“, welches den eigentlichen Ausdruck der Zeitlage: der entscheidenden Stellung eines Zusammenwirkens von Oesterreich und Preußen für Deutschland bildete. Aber nicht für die Dauer. Es kamen die Tage von Erfurt und Berlin, denen Oesterreich jene von Frankfurt und Bregenz entgegensetzte. Preußen erklärte den Frankfurter Bundestag nur für einen Sonderbund. Als nun von Seite des Bundestages an Preußen die Aufforderung zur unbehinderten Durchführung der Bundesbeschlüsse in Schleswig-Holstein und Kurhessen, dann wegen Räumung Hamburgs und Badens von Seite preußischer Truppen erging, da stand man am Vorabende eines entschiedenen Bruches. Während man in Warschau unter Vermittelung Rußlands verhandelte, rüstete man preußischerseits. Als nun gar der damalige preußische Minister des Aeußern, Herr von Radowitz, zu gleicher Zeit, als Herr von Bernstorff in Warschau versöhnliche Erklärungen abgab, Miene machte, die in Kurhessen angezettelte Revolution zu stützen und zugleich den österreichischen Gesandten versicherte: der Befehl zur Mobilmachung von neun Armeecorps der preußischen Armee sei gegeben, da trat auch Oesterreich geharnischt in die Schranken und beantwortete in raschem Entschlusse diese Drohung mit Aufstellung der k. k. Armee. Des Grafen Ficquelmont 1850 erschienene Schrift: „Deutschland, Oesterreich und Preußen“, gibt über die damalige Sachlage eine interessante, aufklärende Darstellung. So waren die Dinge auf die Spitze getrieben und ein brudermörderischer Kampf, wie er ein anderthalb Jahrzehend später eintrat, stand in Aussicht, wenn nicht zu rechter Zeit eingelenkt wurde. Und es geschah. Herr von Manteuffel eilte auf „positiven Befehl seines Königs“ nach Olmütz und ließ den Fürsten dringend um eine Unterredung bitten. Nachdem nun Preußens Minister, „ohne erst eine Antwort von Wien abzuwarten“, nach Olmütz gegangen war, „hielt es auch Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich für eine Pflicht, dem vom Könige so lebhaft ausgedrückten Wunsche entgegenzukommen, und Fürst Felix erhielt den Befehl, sich nach Olmütz zu begeben“. Aus diesen Worten der Circular-Depesche des Fürsten Schwarzenberg, vom 7. December 1850 an die österreichischen Gesandten bei mehreren der größten europäischen Höfe gewinnt man einen authentischen Anhaltspunct in Betreff der Initiative der Olmützer Verhandlungen. Diese Note des Fürsten hatte aber noch ein interessantes, nicht unwichtiges Nachspiel. Herr von Manteuffel, der nur den Befehl [54] seines Königs ausgeführt, als er nach Olmütz reiste, wurde von Freiherrn A. H. von Arnim und dem Redacteur der Berliner „Constitutionellen Zeitung“, Alf. Rich. von Bardeleben, in einer solchen Weise in der Presse angegriffen, daß die kön. preußische Staatsanwaltschaft von dem kön. Stadtgerichte in Berlin gegen die zwei genannten Herren den Proceß einleitete, welcher mit einer Verurtheilung derselben endigte, worauf Herr von Arnim durch Veröffentlichung der ganzen Proceßgeschichte über dieses Urtheil an die „Mit- und Nachwelt“ appellirte, um sie in den Stand zu setzen, „über Freund und Feind“ ein Urtheil zu fällen. Unter den Entscheidungsgründen wird als Milderungsumstand zu Gunsten des Herrn von Arnim bemerkt: daß derselbe (Herr v. Arnim) zu der im dritten Anklagepuncte (öffentliche verleumderische Beleidigung) aufgestellten Behauptung durch das Circular des Fürsten Schwarzenberg vom 7. December 1850 verleitet worden (!). Die drohende deutsche Angelegenheit war sohin vorderhand in unblutiger Weise beigelegt und die Olmützer Punctation, die preußische Denkschrift zu dieser, die Circular-Depesche des Fürsten vom 7. December sind die Actenstücke zur Beurtheilung des Verhaltens des Fürsten in der deutschen Frage. In Oesterreich selbst wurde dieser unblutige Sieg zu Olmütz mit lautem Jubel begrüßt. Aus allen Theilen der Monarchie – nicht wenige sogar aus Ungarn – gelangten Dank- und Beglückwünschungs-Adressen von ganzen Kronländern, Städten, Gemeinden, Landbezirken, Corporationen, Vereinen und selbst von einzelnen hervorragenden Personen oder besonders warmen Patrioten an den Fürsten und feierten denselben als den „Schutz- und Friedensengel Oesterreichs“, als Repräsentanten der Kraft, Weisheit und Mäßigung und als Erhalter des Friedens, dessen Segnungen und Glück verheißende Folgen mit dankbarer Freude begrüßt worden, und in den meisten derselben wird neben der freudigen Genugthuung über die Wahrung des Ansehens und der Achtung gebietenden Stellung Oesterreichs doch auch großes Gewicht auf die wiederhergestellte Eintracht mit Preußen und die in Aussicht gestellte glückliche Entwirrung der deutschen Verwicklungen gelegt. Mehrere der ersten Städte Oesterreichs, so neben Wien Prag, Olmütz, Pesth, Triest, sandten dem Fürsten in meist prachtvoller Ausstattung ihre Ehrenbürger-Diplome zu. Man hat hinterdrein im anderen Lager von einer perfiden, „überlistenden, eigensinnigen Politik Oesterreichs“ gesprochen. Mit welchem Rechte, mögen Jene beweisen, welche so schwere Beschuldigung aussprechen. Wie immer der Blick des Fürsten, als eines echten Staatmannes, auf das Wesentliche und Große gerichtet war, so auch in Olmütz, wo er in Allem, was nicht unmittelbar wesentlich war, sich sehr nachgiebig zeigte, und es auch die nächstfolgenden Wochen durch blieb, „wo auf das Unredlichste tergiversirt ward, um die Räumung Hessens hinauszuziehen“. Indessen wurde der Anspruch des Bundestages auf Entscheidung deutscher Fragen der Competenz einer neu einzusetzenden, Preußen und dessen Verbündeten mit einschließenden Commission übertragen. Der Austrag der kurhessischen und holsteinischen Angelegenheiten wurde gleichfalls der Gesammtheit der deutschen Regierungen vorbehalten und Preußen überall sein bundesmäßiger Antheil zugesichert, zudem die weitere Entwickelung der deutschen Verhältnisse zum Gegenstande freier (Ministerial-) [55] Conferenzen in Dresden gemacht. Die Auflösung des Erfurter Bündnisses war durch die Olmützer Punctation anerkannt. Die Dresdener Conferenzen führten aber zu – nichts, von preußischer Seite wurde das in Dresden zur Geltung gebrachte System als für Preußen und die deutsche Nation gleich gefährlich bezeichnet, und überhaupt hatte man oft genug Gelegenheit, Preußen und die deutsche Nation immer identificiren zu hören. Dieser negative Ausgang der Dresdener Conferenzen ward nicht von Oesterreich verschuldet. „Der Fürst hatte dieselben mit dem ehrlichsten Wunsche, für Deutschland in politischer und materieller Beziehung das Möglichste zu thun, eröffnet. Es sollte der Bundestag reformirt und für die nächsten Verkehrserleichterungen gesorgt werden. Preußen hatte zu Allem seine Zustimmung gegeben, sowie aber die Verhandlungen anfingen, immer entgegengewirkt, denn es wollte den Dualismus und trug sich damals schon mit seiner neuen Handelspolitik. Der Fürst schlug eine ausübende Behörde am Bunde von sieben Mitgliedern vor. Preußen verwarf dieselbe, brachte allerlei Projecte vor, über die sich zu einigen es selbst wieder hinderte, und erklärte zuletzt, es wolle nichts als den alten Bundestag. Das war wieder im Widerspruche mit Allem, was es durch zwei Jahre gesagt hatte; aber Oesterreich konnte annehmen, hatte es doch den Bundestag schon seit Mai in’s Leben gerufen. Preußen betrieb nun die Priorität der Stellung mit den kleinlichsten Mitteln, und da es hierin scheiterte, begann der geheime Krieg gegen den Bundestag. In Bezug der materiellen Interessen ging Preußens Streben dahin, Alles zu hindern und sich selbst an die Stelle des Bundes zu schieben, als allein berechtigt hinzustellen“. – Eine wichtige Rolle spielte der Fürst in der Zolleinigungsfrage, als deren Grundlagen die Denkschriften vom 30. December 1849 und 30. Mai 1850, dann die Depesche des kais. österr. Ministeriums des Aeußern vom 21. Juli 1850 anzusehen sind. Der Fürst hatte sich mit dem Minister von Bruck in der Durchführung solidarisch verbunden. Ganz Deutschland sollte Ein Zoll-und Handelsgebiet bilden, war schon in Frankfurt ausgesprochen worden. Bruck vervollständigte diese Idee, indem er sie auf Deutschland mit Oesterreich übertrug. Der Fürst aber griff diese Idee als eine Ergänzung der Bundesinstitution auf, als eine Garantie des inneren Friedens und der inneren Wohlfahrt, zugleich aber als eine Abwehr gegen die preußischen Ansprüche auf die Herrschaft in Deutschland. Kam ganz Deutschland handelspolitisch unter Preußen, so war der Bund verloren. Einigte sich aber Deutschland mit Gesammtösterreich, so war die Bundesgarantie für alle Einzelstaaten gewonnen. Wäre es Preußen um die materiellen Interessen zu thun gewesen, so würde es im Jänner (1852) nach Wien gekommen sein. Dadurch, daß es nicht kam, warf es über den September-Vertrag einen politischen Mantel und zwang die Staaten, die sich noch rühren könnten, zur Coalition in Darmstadt. Wiener Vorlagen und Darmstädter Uebereinkunft ruhen und zielen auf Erhaltung des Zollvereins. Preußen will aber den Zollverein nur dann, wenn es ihn als politisches Werkzeug, um sich an die Spitze Deutschlands zu bringen, brauchen kann.“ So lauten die Mittheilungen eines Staatsmannes über den damaligen Stand der Zollvereinsfrage. Dem Fürsten S. war es nicht mehr vergönnt, den Zolleinigungsplan in eine Phase gedeihlicherer [56] Entwicklung eintreten zu sehen, wie dieß ebenso wenig der Fall war mit der Einführung des dänisch-schleswig-holsteinischen Handels in das Stadium einer definitiven Schlichtung, in sofern das Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 – also etwa einen Monat nach des Fürsten plötzlichem Ableben – als das erste Moment jener Regelungsversuche angesehen wird. Im Vorstehenden sind die hauptsächlichsten Momente der staatsmännischen Wirksamkeit des Fürsten Felix S., soweit dieß mit der Aufgabe dieses Lexikons vereinbar, hingestellt. So zu sagen erst im Anfange der Lösung der Aufgaben, die er sich gestellt, wurde er plötzlich aus der Reihe der Lebenden abberufen. Die aufregenden Arbeiten seines Staatsamtes in einer politisch mächtig erregten Zeit, der beständige Kampf mit den mannigfachsten Elementen hatten die Nerven des Mannes, der nie aus den Momenten der Ruhe herauszutreten schien, also Alles nach innen verarbeitete, mächtig angegriffen. Warnende Symptome und bedenkliche Zufälle waren in den letzten Lebensjahren der Katastrophe vorangegangen. Er dachte oft an eine Erholungsreise und Neapel war immer das Ziel seiner Sehnsucht, unter dem schönen Himmel jenes Landes wollte er neue Kräfte zu dem Werke, das er durchführen wollte, „ein großes, einheitliches, mächtiges Oesterreich“, sammeln. In der Nacht vor seinem Tode bis zum frühen Morgen, 5. April 1852, hatte der Fürst gearbeitet, dann erst sich ein paar Stunden Ruhe gegönnt und Nachmittags wieder einem mehrstündigen Ministerrathe beigewohnt, in welchem über die Organisation Ungarns verhandelt wurde. Um fünf Uhr verließ er die Berathung mit der Erklärung, daß er für seine Person scheiden müsse, aber die Berathungen nicht zu unterbrechen bitte. Wenige Augenblicke, nachdem er seine Zimmer betreten hatte, stürzte er, im Wechsel des Anzuges begriffen, besinnungslos zu Boden. Aerztliche Hilfe war wohl schleunigst zur Stelle, aber der Fürst kam nicht wieder zu sich, ein Nervenschlag heftiger Art hatte ihn getroffen, und in weniger als einer Stunde hatte der Fürst vollendet. Der General-Adjutant Sr. Majestät, Graf Grünne, und der damalige Minister des Innern, Dr. Bach, standen an seinem Sterbebette, kurz nach sechs Uhr kam Se. Majestät und fand nur mehr die entseelte Hülle des Fürsten. Seine Charakteristik als Mensch, Fürst, Militär und Staatsmann haben Baron Helfert und der Historiograph des Hauses, Adolph Franz Berger, in erschöpfender Weise gegeben. Ihre Darstellungen waren vorherrschend auch für die vorstehende Skizze maßgebend. Was die äußere Erscheinung des Fürsten betrifft, so war er von hoher Gestalt, schlank und hager, von zartem Körperbau. Seine feinen Züge trugen ein ausgesprochen aristokratisches Gefüge und verriethen ein jüngeres Lebensalter, als man aus seinem vor der Zeit gebleichten Haare – das ihm nach einem 1847 überstandenen lebensgefährlichen Typhus geblieben war – vermuthen konnte. Im geschäftlichen Verkehre ernst, fast streng, und gegen seine Untergebenen wohlwollend, wenn auch in den Worten nicht eben wählerisch, wenn sie ihrer Aufgabe sich nicht gewachsen gezeigt, weil er selbst sich nicht schonte, auch seine Beamten nicht schonend, war er doch im gesellschaftlichen Verkehre durch seine liebenswürdigen Launen und seinen pikanten Witz ungemein beliebt, und selbst diesem letzteren, so scharf er manchmal sein mochte, benahm er durch die gutmüthige Weise seines Ausdrucks [57] den verwundenden Stachel. In seinem stolzen, aufrechten Auftreten war wohl der Soldat erkennbar, aber in diesem Aplomb und festen Tritte lag doch nichts Herrisches oder Steifes, aus seinem Gange war stets ersichtlich, daß dieser Fuß sein Lebelang auf dem glatten Boden des Parkets zu wandeln gewohnt war. In seinen Bedürfnissen ungemein einfach, jeden äußeren Prunk meidend, konnte er, wenn es eben galt, auch entbehren, ohne es eben als Mangel zu empfinden. Seine Verdienste nie voranstellend, ließ er anderes wirkliches Verdienst stets gelten, duldete aber nie die Winkelzüge der Protection, indem wahres Verdienst immer für sich selbst spricht. Gegen das weibliche Geschlecht war der Fürst von hinreißender Liebenswürdigkeit, daher auch Liebling der Damen. In seinem politischen Glauben war der Fürst Großösterreicher vom Wirbel bis zur Zehe. Der Gedanke der Reichseinheit fand in ihm einen ebenso umsichtigen, als energischen Vertreter. Nebendinge aber immer – ganz, wie es der wahre Staatsmann soll – nur nebensächlich behandelnd, besaß er die Gabe, mit Einem Blicke ein Ganzes zu erfassen, im rechten Momente den rechten Entschluß zu ergreifen, alle vorräthigen Hilfsmittel zu einem gegebenen Zwecke zu benützen, mit bedächtigem Muthe zu wagen, mit muthiger Geduld abzuwarten und mit zäher Beharrlichkeit anscheinende Schlappen in endliche Erfolge zu verwandeln. Seine politischen Gegner versuchten im Verdrusse über seine politischen Erfolge aus dem Fürsten einen „Mann von den größten, und zwar vornehm zurückhaltenden Manieren“ zu machen. Sie bestritten nicht, daß er ein energischer Staatsmann war, er war es aber, wie sie meinten, nicht durch einen eminenten Geist, sondern durch einen festen, unbeugsamen Charakter. Durch was er es war, ist gleichgiltig, uns genügt es, daß er es war. Das auswärtige Amt Oesterreichs erkennt in seinem, kaum vierthalbjährigen Regime die Zeit eines Glanzes, wie sie vor ihm keinem Chef desselben in verhältnißmäßig so kurzer Zeit beschieden gewesen. Von Oesterreich besaß der Fürst mit Ausnahme des goldenen Vließes, dessen er übrigens, wenn er noch länger gelebt hätte, wohl auch theilhaftig geworden wäre, alle Orden, des neugestifteten Franz Joseph-Ordens war er Kanzler; außerdem schmückten die Groß- und Ritterkreuze von 22 Orden, darunter des Alexander Newsky in Brillanten, des preußischen schwarzen und rothen Adler-Ordens, des kön. bayerischen St. Hubertus-, des sicilischen Januarius- und des dänischen Elephanten-Ordens seine Brust, er war wirklicher geheimer Rath, Feldmarschall-Lieutenant und Inhaber des Infanterie-Regiments Nr. 21, heute Reischach. Am 12. April fand mit militärischen Ehren die feierliche Beisetzung in der fürstlichen Familiengruft zu Wittingau Statt und ist diese in der außerordentlichen Beilage zum „Anzeiger aus dem südlichen Böhmen“ vom 14. April 1852 ausführlich beschrieben. Die Inschrift der schwarzen Marmortafel an seiner Ruhestätte lautet: „Ein Mann der Einsicht und der That | Der Tod, der ihn auf dem Schlachtfelde verschonte | Erreichte ihn am Rathstisch | Hier wie dort – auf dem Felde der Ehre | Hier wie dort – ein Held | Für seinen Kaiser, sein Vaterland | Seine Feinde mußten ihn loben | Alle Guten haben ihn beweint | Oesterreich wird ihn nie vergessen“. Diese Inschrift rührt von Grillparzer her.
Schwarzenberg, Felix Fürst (Staatsmann, k. k. Feldmarschall-Lieutenant und Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. zu Krumau in Böhmen 2. October 1800, gest. zu Wien 5. April 1852). Die Lebensgeschichte eines Staatsmannes, wie Felix Fürst Schwarzenberg, der in das Rad der Geschichte, die vor unseren eigenen Augen sich abspielte, mit eigener Hand hineingegriffen, läßt sich nicht auf wenigen Spalten zusammenfassen. Zudem liegen zwei Werke vor, deren eines mit begreiflicher Pietät und trotz des Parteistandpunctes des Verfassers mit wohlthuender Wärme und Begeisterung den großen und seltenen Mann schildert; während das zweite, unbefangener und mit sicherer Hand den historischen Griffel führend, den Staatsmann mit seinen Vorzügen und Fehlern in seinen Thaten darstellt, aus denen allen und selbst aus jenen, die die Geschichte verwirft, nur ein Refrain: „Oesterreich über Alles“, hindurchtönt. Hier können also nur festgestellte Lebensdaten folgen, im Uebrigen muß auf die Quellen verwiesen werden. Der Fürst Felix ist das vierte Kind und der zweite Sohn des Fürsten- Berger (Adolph Franz), Felix Fürst zu Schwarzenberg, K. K. Minister-Präsident. Ein biographisches [58] Denkmal (Leipzig 1853, Otto Spamer, 8°.) [Seite 1–150 enthält eine genealogische Darstellung des Fürstenhauses; S. 153–503 ist der Darstellung des Lebens des Fürsten Felix gewidmet. Gern setzen wir das Urtheil des Freiherrn von Helfert hieher, welcher über dieses Buch Berger’s schreibt: „Man wird das Verdienst dieser sorgfältigen Lebensbeschreibung um so höher anschlagen, wenn man weiß, in wie verhältnißmäßig kurzer Zeit nach dem Tode des Gefeierten sie zu Stande kam. Zu bedauern ist, daß die Veröffentlichung des dritten Theiles unterblieb, der eine kritische Zusammenstellung der unmittelbar nach dem Tode des Fürsten lautgewordenen Zeitstimmen enthalten sollte. Es thut unserer vollen Anerkennung des Werthes dieser Arbeit nicht den mindesten Abbruch, wenn wir nicht überall in der Auffassung oder auf Grund eigener Forschungen in der Erzählung selbst mit dem pietätvollen Verfasser übereinstimmen“.] – Fürst Schwarzenberg und die Aufgabe der Zeit (Berlin 1851, 8°.). – Familienbuch des österreichischen Lloyd (Triest, 4°.) 1853, S. 117: „Felix Fürst Schwarzenberg“. – Helfert (Jos. Alex. Freih. v.), Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener October-Aufstandes 1848 (Prag 1872, Tempsky, 8°.) III. „Die Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph I.“, S. 3 u. f. – Hirtenfeld (J. Dr.), Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, kl. 4°.) S. 1522 u. 1752. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt, Fol.) Jahrg. 1874, Nr. 3547 vom 12. Juli: „Radowitz und Felix Schwarzenberg“. – Oesterreichische militärische Zeitschrift. Herausg. von Streffleur (Wien, 8°.) IV. Jahrg. (1863), Bd. IV, S. 410. – Oesterreichischer Soldatenfreund. Zeitschrift für militärische Interessen. Herausg. von J. Hirtenfeld und Dr. Meynert (Wien, 4°.) II. Jahrg. (1849), Nr. 18; V. Jahrg. (1852), Nr. 43, 50, 53 u. 54. – Steger (Fr. Dr.), Ergänzungsblätter zu allen Conversations-Lexiken (Leipzig und Meißen 1850 u. f., gr. 8°.) Bd. VII, Nr. 362, S. 785. – Strack (Jos.), Die Generale der österreichischen Armee (Wien 1850, kl. 8°.) S. 486. – Theater-Zeitung. Herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1848, Nr. 277; 1852, Nr. 83: „Stimmen des Auslandes über den hingeschiedenen Minister-Präsidenten Fürsten Felix Schwarzenberg“; 1852, Nr. 84: „Noch Einiges über die letzten Momente des Fürsten Felix Schwarzenberg“. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann u. Campe, kl. 8°.) Bd. IX, S. 249 u. f. [mit absichtlichen Entstellungen, woran dieses verrufene Werk über und über reich ist]. – Porträte. 1) Nach Michael Stohl. Lithogr. von Frz. Heinrich (Wien, Höfelich, kl. Fol.); – 2) Kriehuber (lith.) 1854 (gedruckt bei J. Rauh in Wien, kl. Fol.); – 3) Facsimile des Namenszuges: F. Schwarzenberg [wir wissen nicht, um welche Zeit der Fürst diese Unterschrift gegeben, aber wahrhaftig, das war nicht die Hand des Lebens, die so unterschrieb]. Gez. von M. Stohl, gest. von L. Sichling. Druck der Kunstanst. des Oesterr. Lloyd (4°.); – 4) Unterschrift: Felix Reichsfürst von Schwarzenberg | k. k. Oest. Minister-Präsident etc. | Geb. 20. October 1800 zu Krumau | Gest. am 5. April 1852 zu Wien | Nrö IX. Um die Einfassung des Medaillons: Wilh. Kandler pinx. Beil. zu Klar Denks. (F. Merkel sc., Leipzig, gr. 4°.); – vergleiche übrigens den „Oesterreichischen Soldatenfreund“ 1852, S. 309, über des Fürsten Felix authentisches Porträt.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Michael I. (Portugal) (Wikipedia).
- ↑ Jane Digby (Wikipedia).