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Die Herrlichkeit des apostolischen Glaubensbekenntnisses

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Textdaten
Autor: Hermann von Bezzel
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Titel: Die Herrlichkeit des apostolischen Glaubensbekenntnisses
Untertitel: Vortrag, gehalten in Gunzenhausen am 19. Juli 1893
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Auflage: 2
Entstehungsdatum: 1893
Erscheinungsdatum: 1929
Verlag: Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau
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Erscheinungsort: Neuendettelsau
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Die Herrlichkeit des
apostolischen Glaubens-
bekenntnisses


*
Von D. Dr. H. von Bezzel
Vortrag, gehalten in Gunzenhausen am 19. Juli 1893
2. Auflage. 1929





Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Mfr.


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   Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; Ich war tot, und siehe, Ich bin lebendig und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.

In dem Herrn Geliebte! Wenn in euren Gemeinden hin und her allsonntäglich der „gemeinsame“ christliche Glaube, wie er uns von den Kinderjahren her vertraut ist, bekannt wird, so wissen wohl nicht viele, daß dieses Kleinod der christlichen Kirche in diesen Tagen so entwertet worden ist, sein Glanz als irreführender Flimmer nachgewiesen und dargestellt war, ja daß man von „berufenster“ Seite nichts Geringeres anrät, als das apostolische Glaubensbekenntnis abzuschaffen oder wenigstens nur „erzählend“ im Gottesdienst zu bekennen, ohne daß man mit seiner Person, seinem Glauben hinter solchem Bekennen stehen müsse. Das Bekenntnis eines Glaubens, den man nicht hat!

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 Zwar sind die Angriffe gegen alles Bekenntnis uralt: dem apostolischen, von Petrus im Namen seiner Mitjünger freudig bezeugten Glauben an „Christus, den Sohn des lebendigen Gottes“ (Matth. 16, 16) stellen sich die Widersacher entgegen, denen St. Johannes Erwähnung tut (1. Joh. 4, 1–3): sie bekennen nicht, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. In früher Zeit (um 170 nach Christi Geburt) hat ein gelehrter Heide, Celsus, in seinem „wahren Wort“ die Menschwerdung und Gottmenschlichkeit, folgerichtig auch die Auferstehung des Herrn bekämpft und bespöttelt. Im Mittelalter erschien am Hofe des Kaisers Friedrich II. von Hohenstaufen eine| Schrift „von den drei Betrügern“ (Mose, Christus, Mohammed), welche das Bekenntnis höhnte. – Und in unserm Jahrhundert sind von Gelehrten, die in ihrer Weisheit nicht wußten, daß eines not ist, wie von Ungelehrten allerlei schwächliche Versuche gemacht worden, das Glaubensbekenntnis zu verdrängen aus der Taufliturgie, der Konfirmation, der Ordination der jungen Amtsträger, kurz aus dem gesamten gottesdienstlichen Handeln. Die Berliner Generalsynode vom Jahre 1846 gab dem sonst frommen und persönlich von der Wahrheit des apostolischen Glaubens durchdrungenen Universitäts-Professor Karl Immanuel Nitzsch Anlaß, die übernatürliche Geburt Jesu (aus Maria, der Jungfrau), die Niederfahrt zur Hölle, die Wiederkunft zum Gericht aus dem 2. Glaubensartikel, die Auferstehung des Fleisches aus dem 3. Artikel zu streichen, weil diese Sätze entweder nicht hauptsächlich oder nicht biblisch „genügend begründet“ seien. Das Jahr 1848 hat dem Mann die Quittung ausgestellt und Geister aus dem Abgrund der Leugnung hervorsteigen lassen, die, so sehr sie es auch wünschten, diejenigen nicht loswurden, welche sie gerufen. – Denn es ist töricht, in unsrer Zeit an die Möglichkeit der Geheimhaltung von zweideutigen und irrigen Lehren zu glauben. Was heute in den Kammern der Gelehrten und Weisen ausgesonnen und oft auch ausgeklügelt wird, das predigen morgen die Unberufenen von den Dächern, und der Beifall der Menge ist ihnen gewiß. – Die Gründung der freireligiösen Gemeinden war das Werk des genannten Schreckensjahres. Freireligiös aber nannte man sich, nicht als ob man frei von Religion hätte sein wollen, sondern weil man eine freie Religion beliebte, ein Christentum ohne Kreuz, ein Sakrament ohne Inhalt, eine Nachfolge des Herrn ohne Selbstverleugnung, ein Haus ohne Grund und ohne Dach, unwirtlich und unwohnlich, aber sehr frei und zugig.
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|  Ende der 60er Jahre sind auch in hiesige Gegend die Apostel des neuen Christentums gekommen. Herr Karl Scholl hat hier seinem beschwerten Herzen wiederholt Erleichterung verschafft, bis der selige Herr Pfarrer Füller aus Merkendorf ihn in gründlichster Weise zum Schweigen brachte. Aber alle diese Angriffe waren doch nur Plänkeleien, leichte und schwächliche Versuche, dem Gegner zu schaden. Der nicht beneidenswerte Ruhm, die Hoheit des apostolischen Glaubens weiteren Kreisen fraglich gemacht zu haben, gebührt dem Professor der Gottesgelehrtheit und Dr. der Heiligen Schrift Otto Harnack (an der Universität Berlin), welcher im Juli 1892 den Studierenden der Theologie (!), als sie ihn fragten, ob sie um Abschaffung (!) des apostolischen Glaubensbekenntnisses (natürlich im Gottesdienste) einkommen sollten, den verhängnisvollen Rat gegeben hat, mit der „Abschaffung“ anzufangen, wenn sie einmal erst im Amte seien. – Studenten seien noch im Werden und deshalb nicht imstande, die einleitenden und ersten Schritte zu tun, aber junge Vikare und Pastoren (wahrscheinlich als Gewordene) dürften wissen, daß es „der evangelischen Kirche zieme“, das Apostolikum zu beseitigen oder freizugeben. Die Herren sollen sich bei der Einführung ins geistliche Amt auf das apostolische Bekenntnis verpflichten lassen, mit dem geheimen Vorbehalt freilich, mit dem in der Stille gegebenen Versprechen, bei günstiger Gelegenheit es abzuschaffen. Also steig auf den Baum und säge den Ast ab, auf den du zu sitzen Kommst, kehre ins Haus ein, an dem zu bauen und zu arbeiten du gelobt hast mit teuren Eiden, und dann unterwühle den Grund und stelle das Gebäude aus luftigen Triebsand menschlicher Meinung!
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 Es ziemt mir nicht, den Mann zu richten, der mit reichstem Wissen und staunenswerter Gelehrsamkeit persönliche Herzensfrömmigkeit verbinden soll. Das versichern| mich solche, die ihn kennen, – aber hinweisen möchte ich noch darauf, daß dieses unheimliche Vorgehen der letzte Schritt der gesamten Ritschlschen Bewegung zu sein scheint. Man hat sich nicht gescheut, Luther, den großen Zeugen, den „Engel mit dem ewigen Evangelium“, in Anspruch zu nehmen für solches Gebaren. Er habe auch das Glaubensbekenntnis abschaffen wollen, aber die Rücksicht auf Kaiser und Reich und die hochnotpeinliche Halsordnung Karls V. mit ihren auf Gotteslästerung gesetzten Strafen habe ihn davon abgehalten. Anstatt nun nach seinen Herzensgelüsten das apostolische Glaubensbekenntnis abzuschaffen, gab er ihm die herrliche Auslegung im Kleinen Katechismus! – Welcher Mut, solches zu glauben! Und das behauptet nicht etwa Janssen oder Majunke, die in Schmähung Luthers das Erreichbare geleistet, oder diejenigen, welche den trunksüchtigen und sittenlosen Mönch zum Selbstmörder gemacht haben, sondern das sagt der Professor der lutherischen (!) Theologie, Albrecht Ritschl †.
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 Was Ritschl mehr andeutete als ausführlich begründete, hat einer der Seinen, Professor Bender in Bonn, in der Lutherrede des Jahres 1883 mit dreister Offenheit aus gesprochen. Er will Luther zeigen nicht so, wie wir ihn Kennen, als den aus dem Schrecken der Sünde zum Glauben an frei geschenkte, ungeschuldete Gnade Gottes in Jesus Christus Vorgedrungenen, den nur die Frage bewegt: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ sondern als den „deutschen Reformator, der das gesamte Geistes und Staatsleben des Volkes auf eine neue sittlich-religiöse Grundlage gestellt hat“. Über diese nun redet Bender ein langes und breites; aber von „dem bewährten und köstlichen Eckstein und ewigen Grund“ (Jes. 28, 16) weiß er nichts zu sagen. Luthers Kirche ist ihm „ein Notbau, dessen Steine die Angst vor Schwarmgeisterei und Aufruhr| gebrochen und die kluge Rücksicht auf die Gesetze des heiligen Römischen Reichs zusammengefügt haben“. – Natürlich ist es dann Ehrenpflicht der rechten und wahren Lutheraner, diesen Notbau durch einen herrlichen, festgefügten zu ersetzen. Freilich darf solch ein Bau das Kreuz nimmer krönen; man macht eben „ein neues Dogma“ gemütlich auf der Studierstube, so wie man sich’s denkt; dieses Machwerk wird dann gemütlich oder auch ungemütlich durchgesprochen, und dann ist alles gut; der Bau der Zukunftskirche, deren Eckstein Ritschl ist, ist fertig. – Noch einfacher ist es, mit dem ersten Geistlichen einer kleinen lutherischen Landkirche (O. Dreyer in Meiningen) „undogmatisches“ Christentum als echt lutherisch anzupreisen, ein Christentum also ohne Bekenntnis, von fataler Ähnlichkeit mit dem bekannten Lichtenbergschen „Messer ohne Klinge, an dem das Heft fehlt“. – Die Rücksicht auf die Leser und Leserinnen des Blattes verbietet, den Ton wiederzugeben, den der Bonner Meister bei den großen Geheimnissen des christlichen Glaubens anschlägt: Wem Christus nur ein Lebensideal ist, der den Geist von Vorurteilen befreit und lichte, leichte, frohe Gedanken ihm vermittelt, der kennt Christus nicht. Und wer Luthers Lebensideal in der Weltbeherrschung, in der freien Lebensführung, in dem „munteren Bewegen aller Kräfte sieht“, der lasse die Hand von ihm! –

 Ritschl, Bender, Harnack: diese drei also ziehen gegen das Glaubensbekenntnis zu Felde; man läßt das Apostolikum nur noch so lange gelten, bis das neue Dogma „fertig“ ist, an dem in den theologischen Schmieden alles arbeitet. –

 Was sollen wir hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? (Röm. 8, 31 ff.) Zwar vermessen wir uns nicht, am wenigsten ich, da mitzureden, wo die Wissenschaft das letzte Wort zu sprechen hat:| Die Fragen über Entstehung des apostolischen Glaubensbekenntnisses und dessen Verbreitung und Erweiterung hat vor allem der selige Caspari († 1892), Professor der Theologie an der norwegischen Universität Christiania, ein Lutheraner ohne Falsch, der auch mit Neuendettelsau in Verbindung stand, durch ein langes Leben hindurch eifrigst behandelt, fast alle europäischen Klöster und Bibliotheken bereist, um Studien auf diesem Gebiet zu machen. Ihm zu Ehren hat an unsrer Landesuniversität Professor Zahn über das Glaubensbekenntnis geschrieben und gesprochen. (Am meisten ist meines Erachtens für solche, welche die Frage interessiert, ohne daß sie in die wissenschaftliche Begründung sich vertiefen können, der Vortrag zu empfehlen: Das apostolische Glaubensbekenntnis von Prälat Burk; Vortrag, Stuttgart, Steinkopf.) Aber es ist eben nicht bloß eine wissenschaftliche Frage, es ist nicht einmal in erster Linie eine solche, sondern eine Lebensfrage, eine Frage für Sein und Nichtsein unsrer Kirche, der wir mit allen Kräften und innig dankbarer Treue angehören. Wir wollten doch in unserm Kreis ein Zeugnis für die Herrlichkeit des Glaubens ablegen, und „so gering auch unsre Kleinheit ist, um mit Justinus dem Märtyrer zu reden, so hätten wir doch gern etwas Großes von Jesus Christus ausgesagt“. – „Wir sind Bettler, das ist wahr.“ Es sind dies die letzten schriftlichen Aufzeichnungen unsers Luther; aber als Bettler haben wir Seine Gnade reichlich und täglich gespürt, die Gnade dessen, der arm ward um unsertwillen (2. Kor. 8, 9), damit wir durch Seine Armut reich würden. „Und wir sollen nicht aus der Welt gehen, ehe wir unsre dankbare Liebe zu Christus Jesus auch öffentlich bezeugt haben.“ So Verleihe denn der Herr auch schwachen Worten Nachdruck ohn Verdruß!
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 Um den Lesern dieses Versuchs die Übersicht zu erleichtern, möchte ich zunächst die Frage erledigen: Wie | steht Harnack zum apostolischen Bekenntnis? Sodann: Ist diese Stellung zu rechtfertigen? Endlich: Wie stehen wir zu dem Bekenntnis unsrer Väter, so wie es im Konkordienbuch vom Jahr 1584 als das erste der drei allgemeinen Symbole zu finden ist und in dem kleinen Katechismus Luthers von Kindheit aus uns vermittelt wurde?
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 I. Bezeichnenderweise geht Harnack rein geschichtlich zu Werke, wie schon angedeutet. Breit fertigt er die von der lutherischen Kirche längst als unhaltbar, weil handwerksmäßig aufgegebene Behauptung des Rufinus (um 400) ab. Dieser gibt eine Erklärung des Glaubensbekenntnisses und denkt sich dessen Entstehung also, daß aus dem Aposteltage zu Jerusalem (Apostelg. 15) jeder der anwesenden Apostel ein „Stück und Glied“ zum Bekenntnis getan habe; also jeder schmiedete ein Glied der Kette, die wir die drei Glaubensartikel nennen. So: Petrus bekannte: Ich glaube an Gott den Vater, Allmächtigen; Johannes: Schöpfer Himmels und der Erden. Jakobus fährt fort: Ich glaube auch an Jesus Christus, Seinen einigen (unicum) Sohn, unsern Herrn. Jeder Apostel gibt sein Teil, bis Matthias (Apostelg. 1, 26) schloß: Und ein ewiges Leben. Amen. Die katholische Kirche hält nach ihrer dem Handgreiflichen und Massiven holden Art an dieser Entstehung fest und nimmt die (bekanntlich so unsichere) mündliche Überlieferung des als Beweis. Wir wissen, auch ohne Harnack, daß die Apostel nicht direkt die Verfasser sind; weshalb hätte sonst Lukas in der Apostelgeschichte von diesem so eingreifenden Ereignis nicht Erwähnung getan, weshalb überhaupt nicht die heilige Schrift, warum schweigen sich die apostolischen Väter darüber aus? – Harnack aber benutzt diesen Anlaß, nachzuweisen, daß das apostolische Symbol (= Losung, Erkennungszeichen) in seiner heutigen Form das Taufbekenntnis der| südgallischen Kirche sei seit Mitte des 5. Jahrhunderts. Die Karolinger, die eigentlichen Herrscher des Frankenreichs, hätten dann das Bekenntnis nach Rom zu den Päpsten gebracht, diese aber kraft des Ansehens ihres Amtes das selbe aller Welt mitgeteilt. Angenommen, diese Behauptung sei richtig, obwohl die südgallische Kirche in ihrem Symbol auf ältere Bestandteile zurückgehen mußte, obwohl schon in einem Brief des Ignatius, des Bischofs von Antiochien, einer der sogenannten apostolischen Väter um das Jahr 107, zu lesen ist von Jesus Christus, aus dem Stamme Davids, dem Sohn der Maria, der wahrhaftig geboren wurde, wahrhaftig verfolgt wurde unter Pontius Pilatus, wahrhaftig den Tod am Kreuz starb, der auch wahrlich ist auferstanden von den Toten, da Sein Vater Ihn auferweckte – was wird uns damit? Der oftgenannte Professor will das Glaubensbekenntnis deshalb geschichtlich in Unehre bringen, um es in seinem Unwert zu zeigen. Ein Bekenntnis, so spät festgestellt, kann kein wahres sein!! Das ist der Kern der Sache! Er bemängelt zuerst die drei Stücke: niedergefahren zur Hölle, sodann den Ausdruck katholisch (allgemein) und Gemeinschaft der Heiligen im dritten Artikel. – Über die Auffassung dieser Stellen zu reden, ist hier nicht der Ort. Die Höllenpredigt unsers Herrn, ob rein verdammend oder auch rettend, wird immer schwierig bleiben. Die Gemeinschaft der Heiligen kann man auch als Gemeinschaft mit den Heiligen der triumphierenden Kirche auffassen, – kann man, – die Bezeichnung „allgemein“ hat Luther einfach in „christlich“ umgeändert, und mit Recht. Denn „es liegt nicht große Macht am Wort, so man nur die Worte recht versteht“. – Dann aber wendet sich Harnack mit Entschiedenheit gegen die bisherige evangelische Gepflogenheit, das Bekenntnis als im Sinn und Geist der heiligen Apostel verabfaßt, zu ehren, zu beten, zu teilen.| Die neutestamentlichen Aussagen werden erschüttert: Die Himmelfahrt z. B. erwähne St. Paulus in 1. Korinther 15 nicht, also? – Dort aber spricht der Apostel gegen Leugner der Auferstehung. Und in den drei ersten Evangelien, steht da nichts von Himmelfahrt? (Matth. 28, 16 ff.; Mark. 16, 19 f.; Luk. 24, 51.) Das sind spätere Zusätze! Und in der Apostelgeschichte? Die ist nicht geltend. Die geltenden Zeugnisse sind unecht, das echte ist ungültig! – Das ist treffliche Ehrerbietung gegen das Wort Gottes! „Der heilige Geist ist erst im zweiten Jahrhundert als Person aufgefaßt; bis dahin war Er eine Kraft!“ Wirklich? Römer 8, 26. 27 sagt Paulus, daß der Geist unsrer Schwachheit aufhilft. Der Geist tritt für uns ein; Ihn sollen wir nicht betrüben (Eph. 4, 30). Am meisten aber entwertet Harnack die Worte: „Empfangen von dem heiligen Geist und geboren aus Maria, der Jungfrau.“ Das sind spätere, viel spätere Zutaten, wahrscheinlich aus übertriebener Marienverehrung entstanden. Denn nirgend ist in den Briefen des Neuen Testaments der sündlos reinen Geburt des Herrn Jesus Erwähnung getan; auch die Evangelien führen Seinen Stammbaum auf Joseph, nicht auf Maria zurück! Kurz: Jesus, der Sohn Josephs, in Sünden empfangen und geboren! Hier zeigt sich die Lästerung endlich unverhüllt. – Obwohl Johannes ausdrücklich sagt, daß der Herr nicht nach „Mannes Willen“ geboren sei, obwohl Christus sich den Sohn Gottes des Lebendigen heißen läßt und dies Bekenntnis als ureigenste Gottesoffenbarung preist, obgleich Matthäus in der Geschlechtstafel vier Frauen nennt, welche nicht guten Klang in Israel hatten: die blutschänderische Thamar, die hure Rahab, die Heidin Ruth und das Weib des Uria, die ehebrecherische Bathseba – dies alles mit großem Vorbedacht, um zu zeigen, daß aus sündlichem Samen der Sündlose geboren, obwohl endlich der Apostel| (Gal. 4, 4) sagt: Gott sandte Seinen Sohn, geboren von einem Weibe – so wird doch kühnlich die sündlose Geburt geleugnet: das „Wunder aus unsrer Religion“. – Wo unsre Weihnachtslieder bleiben mögen? –

 Gelobet seist Du, Jesu Christ, daß Du Mensch geboren bist! Nein, das hieße ja die Gottheit des Herrn glauben. Daß Du zur Welt geboren bist: – von einer Jungfrau, das ist wahr – nein, das ist eben nicht wahr, von keiner Jungfrau, das ist wahr: – Des freuet sich der Engel Schar. – Engel? Im 19. Jahrhundert! „Wer hat je Engel gesehen?“ Wo bleibt ihr „Wert“ für die Gemeinde? Doch zweifle ich an (Weizsäcker in Tübingen) der Engelschar! O Geliebte, unser Herz blutet bei dem Gedanken, daß so alles hinfallen soll, das vordem unser gewesen, die Herrlichkeit unsrer weihnächtlichen Gesänge, der Duft des Weihnachtsbaumes, Krippe, Engellied von der großen Freude, Anbetung der Hirten, Lobpreis und Opfer der Weisen aus dem Morgenlande. – Aber alles wollten wir, ob auch brechenden Herzens, drangeben, wenn’s sein sollte – nur das Eine nicht: Der ohn’ Sünde war geboren, trug für uns des Vaters Zorn! Halleluja! – –

 So glaube ich kurz gezeichnet zu haben, wie Harnack steht. – Zuerst geschichtliche Entwertung des Bekenntnisses, sodann Bekrittelung einzelner schwieriger Punkte und, nachdem alles vorbereitet ist, der Hauptschlag gegen den sündlosen Herrn. Denn mit der sündlosen Geburt fällt die Sündlosigkeit des Heilands. So sind auch wir in unsern Sünden, so verhallt jedes „Kyrie Eleison“ wirkungslos in den Lüften, so ist das Kreuz eben doch das Holz der Strafe auch für Seine Sünde, so haben sie recht gesagt, daß Er, ein Samariter, den Teufel hat. –


 II. Ist diese Stellung zu rechtfertigen? –

 Eigentlich ist diese Frage schon im Vorstehenden| beantwortet. Aber hinweisen möchte ich doch auf so manche merkwürdige Erscheinungen, die in dieser – kurz gesagt – Harnackschen Bewegung sich zeigen. – Zum ersten ist der berüchtigte Satz des englischen Kardinals, der zu Rom abfiel, nachdem er vordem der protestantischen Hochkirche angehörte, scheinbar ins Gegenteil verkehrt. Sagt Newman, daß „das Dogma die Geschichte korrigieren müsse“, d. h. weil der Papst unfehlbar ist seit anno 1870, darum kann es keinen fehlbaren römischen Bischof gegeben haben, darum sind die Bannflüche Leos X. gegen Luther als „das Wildschwein, das den Weinberg Gottes verwüstet“, ganz gerechtfertigt, also ist Luther eben der wilde Eber, Teufelskind usw. –, so sagt Harnack mit den Seinigen: „Der geschichtlich Gebildete stößt sich an dem Dogma“, d. h. weil der Gebildete des 19. Jahrhunderts nicht mehr an das Wunder glaubt und im Leugnen desselben nimmer sich genug tut, darum – gibt es keine Wunder. Ein einfacher Satz! An Stelle der Gottesoffenbarung tritt die Selbstbehauptung! Weil ich es nicht verstehe, darum ist es nicht! Im tiefsten Grunde: Ich bin ich selbst allein, ich schaffe Gott, ich erlöse Christus, ich erbaue die Kirche; – denn das sollte man sich ehrlicherweise nicht verhehlen. Wenn der Herr „omnes“, d. h. das Volk hohen und niederen Schlags, befindet, was Bekenntnis sein dürfe und was nicht, so ist es bald gar aus. – Wahrlich, es fällt einem das Gedicht Rückerts ein von dem gescheiten Herrn, der mit seinem Diener die Bibel las. Sooft ihm etwas „Unglaubliches“ unterkam, rief er: Johann, streich es aus! – Und so strich Johann fort, bis von der Bibel nur die Deckel noch unversehrt waren. – Wenn nach dem Grad der jeweiligen Bildung das Christentum gemodelt werden soll, dann wird es ihm ähnlich ergehen wie jener Bibel. Man will das Wunder aus der Religion nehmen! – David Friedrich Strauß| hat das 1835, im „guten Weinjahr“, schon gründlicher besorgt in seinem „Leben Jesu für das deutsche Volk“. – Man will Glauben und Wissen versöhnen, als ob wir von Naturgesetzen mit unserm Innenleben abhängig wären, als ob die Naturkunde Glaubenslehre wäre! – Kurz, der von dem Herrn selbst gestiftete Gegensatz Seines Kreuzes zu der Welt, die es bald als Torheit, bald als Holz des Anstoßes höhnend bezeichnet, muß ausgeglichen, die Wahrheit einer traurigen Wirklichkeit geopfert werden. – Allerdings, hört man die „berufenen neuen Meister“ jener Ritschlschen Schule, so wollen sie nichts weniger als das. – Dr. Daniel Schenkel, wohl ein älterer Vertreter jener Richtung, von ihr vielleicht nicht einmal völlig anerkannt, sagt in der Vorrede zu seinem „Charakterbild (!) Jesu, ein biblischer (!) Versuch“ vor gerade 30 Jahren: „daß Er das Licht der Welt ist (vom Verfasser selbst unterstrichen!): mit vorher nie erkannter Klarheit hat diese Überzeugung bei der Ausarbeitung dieser Schrift sich mir eingeprägt, und je trüber die Gegenwart, desto tröstlicher die Gewißheit, daß dieses Licht nicht mehr er löschen wird.“ Wenn man’s so liest, möchte es „leidlich scheinen“. – Dann aber ist von dem höchst dunklen Anfang dieses Lichts also geredet, daß – beispielsweise – das Wort: Wisset ihr nicht, daß Ich sein. muß in dem, das Meines Vaters ist? (Luk. 2, 49), nicht einen „Strahl des Bewußtseins von der Gottessohnschaft, der plötzlich her vorbreche“, bezeichnet, sondern „so konnte jeder fromme israelitische Knabe reden“. – Man spricht in hohen Worten von dem einigen Erlöser, und man verunehrt Ihn! – „Und wenn alle Evangelien erlogen wären und alle Berichte über den Herrn erdichtet, sagenhaft, legendarisch ausgeschmückt – mein Heiland ist Er doch!“ – Also ist der Ichchristus die Hauptsache. Oben wurde gezeigt, wohin das führen muß. – Gott behüte uns vor| der Unterscheidung von „einem Christus, wie Er mir ist (Werturteil!), und einem Christus, wie Er an Sich war und ist“! – Anstelle des aus dem Throne ewiger Herrlichkeit Sitzenden, durch Leiden des Todes Erhöhten tritt der „religiöse und wissenschaftliche Potentat“. (Kübel in Tübingen sagt dies mit Recht.) Wenn es überhaupt einen Christus gegeben hat – und es hat einen Jesus von Nazareth, welcher der Christ Gottes war, gegeben –, dann ist Er so gewesen, wie die Evangelien Ihn zeichnen! Nur auf Grund dessen, was Er ist, wahrhaftig ist „nach meinem Evangelium“, sagt der Apostel Paulus, kann Er mir ein Erlöser von Not und Tod sein! – Entweder „glauben oder verzweifeln“! – Und zwar glauben, wie die Heiligen aller Zeiten und Völker geglaubt haben, die als „große Wolke von Zeugen“ jetzt im obern Heiligtum den Thron des Lammes in seligem Genügen umgeben. –

 „Das ist die Hauptsache, daß Christus ist, daß Christus ist,“ so hat der treue Hengstenberg (starb 28. November 1869, viel geschmäht um Christi willen) auf dem Totenbett bezeugt. – Ja, weil Er so ist, wie Ihn anbetend die Evangelisten zeichnen, aus göttlicher Offenbarung (Matth. 16, 17; 1. Kor. 2, 9), darum ist Er mein Herr, „der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat“. – So, geliebte Leser, laßt uns meiden die „falsch berühmte Kunst“! (1. Tim. 6, 20.) Sie hat den Namen, Kunst zu sein, und ist Künstelei. – Und lasset uns halten an dem Bekenntnis in Untertänigkeit und in Gehorsam!

 Wie stehen wir zum apostolischen Bekenntnis? Das sei, geliebte Leser, die letzte und entscheidende Frage. – „Wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit,“ so rühmt Johannes (Joh. 1, 24) im Hinblick auf den| menschgewordenen Gottessohn. Also da, wo andre Armut und Elend sahen, der Verachtung und Vernachlässigung wert, da erblickten die Seinen Herrlichkeit voll wahrhafter Gnaden, weil sie Jesus in liebendem Glauben ansahen. Die Weisen und Klugen und Gewaltigen stießen sich an Ihm, nannten Ihn mit Geringschätzung den Schwärmer, mit Haß den Samariter; die Unmündigen, Ungelehrten priesen Ihn als Christus, ihren alleinigen Retter, dessen verborgene Herrlichkeit immer wieder hervortrat, ob Er machtvoll dem Meeressturm Einhalt tat oder den dämonisch erregten Seelen den auf ihnen lastenden Bann abnahm, ob Er zu Kindern gütig und leutselig sich herab ließ oder die Händler und Krämer in heiligem Zorneseifer aus den Vorhallen des Tempels vertrieb. – Sie sahen Seine Herrlichkeit am meisten, wie Nathanael (Joh. 1, 47. 51), wenn sie der weitgehenden Fernsicht und tief dringenden Einsicht ihres Heilands gedachten, der da wußte, was im Menschen ist, ohne es gesagt zu bekommen, und all dem Sündenweh am Kreuz ein Ziel setzte. – In dem leidenden Gotteslamm, auf das ihrer aller Augen gerichtet waren, erblickten sie ihren Helfer aus Todesnot. – Herrlichkeit in Armut, Majestät in Niedrigkeit, Himmelskönig in der Krippe! – Und das alles, weil sie glaubten und liebten. Richtig sagt St. Bernhard: nur soviel wird Gott und Christus erkannt, soviel Er geliebt wird. Andre Dinge der Welt, Freunde und Gefährten, Einrichtungen und Ordnungen muß man erst von Grund aus kennen, um sich liebend ihnen zuzuwenden; bei Christus heißt es: Gib Mir dein Herz, dann werden deinen Augen Meine Wege wohlgefallen. Liebe Mich, und du sollst Mich erkennen! – „Wir sahen Seine Herrlichkeit,“ die Herrlichkeit des Herrn, die Herrlichkeit des Bekenntnisses zu Ihm, das eben aus solchem Schauen geboren ist. So wollen wir zum Bekenntnis der Väter stehen. Wir haben| selbst gehört und erkannt, daß dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland (Joh. 4, 42); darum glauben wir allen, gleichem Glauben entstammenden Reden. – Die Herrlichkeit des Bekenntnisses nun ist eine äußerliche, daß ich so sage, und eine innerliche. Mit der äußerlichen möchte ich Seinen Siegesgang durch die Geschichte der Kirche bezeichnen, die innerliche ist die dem geheiligten Inhalt des Textes in seiner Kürze und machtvollen Markigkeit abzuspürende.
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 Das Bekenntnis in seinen Grundzügen wurde in der alten Kirche den Katechumenen, d. h. denen, die zur heiligen Taufe vorbereitet wurden, in der Regel am großen Sabbat anvertraut, d. i. am Samstag vor Ostern. Das Bekenntnis durfte nicht geschrieben und aufgezeichnet werden aus Scheu, „das Heilige den Hunden preiszugeben“ bis zu den Zeiten Konstantins des Großen (337). Waren diejenigen, welche die Taufe begehrten, genugsam vorbereitet, zu welcher Unterweisung die Fastenzeit bis zum Gründonnerstag benutzt wurde, während welcher Zeit alle Taufkapellen mit dem bischöflichen Siegel versiegelt waren, so empfingen sie – meist allein, ohne Beisein der Gemeinde, das Bekenntnis, welches ihnen der Priester Satz für Satz vorsprach. Noch am gleichen Abend meist fand von seiten der also Belehrten die Wiedergabe des Bekenntnisses statt: sie antworteten auf die einzelnen, ihnen vorgelegten Fragen eben mit dem Bekenntnis, und dann wurden sie getauft. Es muß ein herzerhebender Anblick; gewesen sein, wenn große Scharen, in wallende weiße Kleider gehüllt (Wester – vestis = Hemd, weißer Sonntag als Schlußtag der Tauffeiern) in die den Kirchen angrenzenden Taufkapellen zogen, um die Taufe zu empfangen. Die sogenannten apostolischen Konstitutionen erwähnen genau den Vorgang, Kirchenväter werden nicht müde, die Herrlichkeit dieses ersten Bekenntnisaktes zu preisen. Es sei gestattet, eben aus| den „apostolischen Ordnungen“ (ums vierte Jahrhundert) ein weniges mitzuteilen.

 Der Täufling weiht sich Christus und spricht das Symbol: „Ich weihe mich Christus, ich glaube und lasse mich taufen aus den einen Ungeborenen, den allein wahren, allmächtigen Gott, den Vater Christi, den Schöpfer und Baumeister aller Dinge, durch den alles geworden ist. Und auf den Herrn Jesus Christus, Seinen eingeborenen Sohn, den Erstgeborenen aller Kreatur, der von Ewigkeit nach dem Wohlgefallen des Vaters gezeugt, nicht aber geschaffen wurde, durch den alles im Himmel und auf Erden, Sichtbares und Unsichtbares, geschaffen ist; der in der Fülle der Zeiten vom Himmel herabgestiegen ist, Fleisch angenommen hat, aus Maria, der reinen Jungfrau, geboren wurde; in Heiligkeit hienieden wandelte nach dem Gesetz Gottes, Seines Vaters; unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde und für uns gestorben ist; der am dritten Tag nach Seinem Leiden von den Toten auferstanden, in den Himmel aufgefahren ist und dort zur Rechten des Vaters sitzt, von wo Er am Ende der Zeiten mit Herrlichkeit kommen wird, um zu richten die Lebendigen und die Toten, dessen Reich kein Ende sein wird. Ich lasse mich taufen auf den heiligen Geist, das ist den Tröster, welcher seit Erschaffung der Welt in allen heiligen wirksam war und später gemäß Verheißung unsers Herrn und Erlösers Jesus Christus vom Vater auf die Apostel herabgesendet wurde und nach den Aposteln auch auf alle, welche als An gehörige der heiligen katholischen Kirche an die Auferstehung des Fleisches, an die Nachlassung der Sünden, an das Himmelreich und an das ewige Leben glauben.“

 Gebet der Neugetauften: „Allmächtiger Gott, Vater Deines Christus, Deines eingeborenen Sohnes, gib mir einen reinen Leib, ein unbeflecktes Herz, einen wachsamen Geist, eine vom Irrtum freie Erkenntnis, die Ankunft des| heiligen Geistes zum festen und vollen Besitz Deiner Wahrheit, durch Deinen Christus, durch welchen im heiligen Geist Dir Ehre sei in Ewigkeit!“ Amen. Aus dem reichen Schatz ferner der Schriften großer Kirchenväter darf nur auf zwei Männer verwiesen werden, welche über das apostolische Bekenntnis gesprochen und geschrieben haben, auf Augustinus und Chrysologus. Augustinus († 430) oder ihm vertraute Genossen haben Reden über das Symbol gehalten vor der Übergabe des selben an die Taufbewerber, was in Afrika (Karthago) am Samstag vor Palmarum geschah. Er mahnt, das Bekenntnis ins Herz zu schreiben und täglich zu sagen vor dem Schlafengehen, und bevor man das Schlafgemach verläßt, soll man sich mit ihm wappnen. Das Gedächtnis sei das Buch, in welches man das herrliche Bundesgelübde aufzeichne. Die Worte alle des Bekenntnisses sind in der Schrift zerstreut, damit nicht das Gedächtnis schwach begabter Menschen sich abmühe, sondern damit jeder Mensch sagen und behalten könne, was er glaubt. Mit besonderem Ernst betont der Verfasser die sündlose Geburt Jesu. „Seine menschliche Geburt ist niedrig und erhaben. Warum niedrig? Weil Er als Mensch von Menschen geboren wurde! Warum erhaben? Weil Er von einer Jungfrau geboren wurde. Er ward geboren, als Er wollte; wer fragte uns?“ In einer weiteren Rede ermahnt der Schreiber die Rekruten und tapferen Streiter Christi, welche mit Christus selbst bekleidet werden sollen (Gal. 3, 28), gegen den Teufel zu kämpfen. Sie sollen sich enthalten des Besuches der Rennbahn, des Theaters, für welche heidnische Ergötzlichkeiten die Kirche andre zu bieten hat, und anhalten am Bekenntnis: „Wundere dich, daß das Wort Fleisch angenommen und nicht in Fleisch verwandelt wurde, weil es Gott blieb und die Menschheit annahm!“ Wie die Blumen aus dem Reis wird Christus| geboren: „Der große König als kleines Kind.“ Engel verkündigen Ihn den Hirten, und durch einen Stern in neuer Sprache rufen die Himmel. In der vierten Rede endlich heißt es: Die Kirche löst, was Eva gebunden (der uralte Vergleich zwischen Eva und der Braut des zweiten Adam, der Ekklesia des Neuen Testaments!), um den Sprößling, den Eva durch ihren Ungehorsam dem Tode überliefert, durch ihren Gehorsam dem Leben zurückzugeben. Darum sollen die Kinder der Kirche Eva absagen! Und wiederum betont Augustin die wunderbare Geburt des Heilands. „Die erhobene Majestät, die aus dem Herzen des Vaters hervorgeht, ergießt sich in das Herz Marias.“ Der Engel spricht zur Jungfrau, diese bereitet ihr Herz, und durch den Glauben wird Christus empfangen! Der Schöpfer des Weltalls wird im Weltall geboren, und der Lenker des ganzen Erdkreises wird von den Händen Seiner Mutter getragen. Der die Sterne regiert, ist ein armes Kind, und es schweigt das ewige Wort! Man wolle aus diesen Worten ersehen, wie der Kirchenvater, dem die Unterweisung der Jugend also am Herzen gelegen, daß er an Deodatus, seinen Diakon, ausführliche Regeln des Religionsunterrichts gibt, immer wieder auf den Punkt zurückkommt, der in unsern Tagen so angezweifelt wird. Zugleich ein Beweis der Herrlichkeit des Bekenntnisses, dem ein so hochbegabter Geist wie Augustin zum Dienste sich gestellt hat. Petrus Chrysologus, Bischof von Imola (404–145), ein echter Hirte seiner Gemeinde, voll Zeugenmut und Zeugenkraft in stürmisch bewegter Zeit, hat über viele Gleichnisse des Herrn Reden und Predigten hinterlassen, auch zwei über das Bekenntnis und etliche über das Vaterunser. Er ruft den Kompetenten, d. i. den Taufbewerbern, zu: Laßt uns, wie Israel sich gereinigt hat vor dem Bund am Sinai, unsre Herzen läutern, unsre Leiber reinigen, unsre Augen| öffnen, unsre Herzen ausschließen, um den Bundesschluß des Glaubens recht zu hören und aufzufassen. Wieder betont auch Chrysologus die sündlose Geburt. Seinen Gott gebar das Weib, ein irdisches Gefäß; es hat die Ehre der Mutterschaft gewonnen, ohne den Ruhm der Jungfrauschaft zu verlieren. In wiederholter Ausführung kommt er auf den Taufakt und seine Herrlichkeit, auf die Freude der zu Lichtesklarheit Gelangenden zu reden. Doch genug hiervon!

 Ein kurzer Blick noch auf die Geschichte unsers Volkes sei mir gestattet! (Für die etwaigen theologischen Leser dieser Skizze, welche vielleicht erkennen wollen, daß ich die Zitate aus den Kirchenvätern nach der Kemptener Ausgabe gesucht habe, sei erwähnt, daß ich beim Folgenden des trefflichen Buches mich bediene: Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zum Ausgang des Mittelalters in den Erzählungen deutscher Geschichtsschreiber. Quellengeschichte von Dr. Erler.)

 Als am Anfang des Mittelalters das römische Reich in seinen Grundfesten erbebte, erschüttert von dem wilden Ungestüm germanischer Stämme, welche ihre Barbarei hineintrugen in die feine Gesittung Roms, da schien das Ende der Welt gekommen. Aber die Kirche, der unser Herr die Zusicherung gegeben, daß Höllenpforten sie nicht überwältigen sollten, blieb. Während sie im Morgenlande schon vor den Angriffen des falschen Propheten und der Seinen hingefallen war, während die Kirche, welche mit besonderer Innigkeit den Fragen über Jesus, Seine Menschwerdung, Seine Vor- und Innerweltlichkeit nachgedacht hat, aufgelöst war, stand im Abendlande die Kirche siegreich fest, zum Zeichen dafür, daß bei aller Zertrümmerung der sie bergenden und schützenden Formen sie „als die letzte über dem Staube“ stehe. Und sie hatte Kraft genug, die germanischen Scharen, welche das Reich besiegt| und zu Fall gebracht hatten, in ihre Hallen als Besiegte aufzunehmen. Chlodewechs (Clodwig) Taufe ist hier vorbildlich. Waren vordem die germanischen Völker arianisch gesinnt, d. h. leugneten sie die göttliche Wesensgleichheit und Ewigkeit des Sohnes, so daß der im eigentlichen Abendlande seit 325 ernstlich bekämpfte Arianismus bei den deutschen Stämmen mit der ihnen eigenen Zähigkeit in Bewahrung des Überlieferten noch nachträgliches Leben fristete, – so bezeichnete die Taufe des Frankenfürsten aus dem Stamme der Merowinger den endgültigen Sieg des katholischen Christentums über die Irrlehre des alexandrinischen Presbyters. „Herr, Deine Wege sind wunderbar in der Tiefe ihres Reichtums“ (Röm. 11, 33). Denn der grausame, wenig gutgeartete Chlodewech mit seinen Franken wird nun Vorkämpfer der reinen Lehre! Als er in der Schlacht bei Zülpich 496 die Hilfe des Herrn besonders erfahren hatte, ließ er sich, ein zweiter Konstantin, am Weihnachtsfest desselben Jahres von dem Bischof Remigius taufen. Er bekannte, „daß der Sohn und der heilige Geist gleichen Wesens mit dem Vater seien, und die Herrlichkeit des Bekenntnisses“. So zog das Christentum wahrer Art ein. Man verbrannte, was man angebetet hatte, und betete an, was vordem den Flammen überliefert worden war. – Ein neues, lebenskräftiges Element ward so in die Kirche eingefügt: „die wir Christum sungen mit unsern Zungen,“ edel und lebenskräftig genug, die Welt und die Kirche neu zu gebären. Enger wird scheinbar die Wirksamkeit der Kirche begrenzt, aber tiefer, inniger, heißer wird die Liebe zu Christus. Es darf gleich hier erwähnt werden, wie wunderbar unsers Volks Geschichte in überraschenden Wendungen ist, welche Gottes Gnade allein herbeigeführt hat. Aus dem Sachsenvolk, das Karl der Große mit blutigem Zwang zum Christentum bekehrt hatte, erstanden wahrscheinlich| die Sänger des Heliand, des Krist, erstand vor allem der Zeuge des ewigen Evangeliums von der freien Gnade, Martin Luther. (Denn sowohl der unbekannte bäurische Verfasser des „Heliand“ wie der Elsässer Mönch Ottfriet scheinen Sachsen gewesen zu sein.) Es liegt meines Erachtens in dieser Fügung Gottes noch ein großer Trost für die Zukunft auch noch ein Volk, das dem Herrn bis auf diese Stunde Widerstand tut, wird, einmal bekehrt, mit sonderlicher, innig hingebender Treue Den anbeten, welchen seine Väter gekreuzigt haben: Israel wird seinem Heiland zufallen. Fügen wir noch einige altdeutsche Texte des Glaubensbekenntnisses hinzu: In Jesum Christ sun sinan (Vater unser, Sohn Seinem) ainacum (einigen) unseran truhtin (Herren, Truch–seß) der imphangan ist fona unihema (geweihtem) Keister Kiporan fona Marian macadi ennikeru (semper virgo, immer Jungfrau, Magd), himartrot (gemartert) in Kinnaltin (Gewalt) Pilates usw. Oder: in hejlenton (Heilanden) Christ suno sinan, einagon truhtin unseran. Ther infanganer (empfangen ist) fona heilegeno geisto gyboran fona maria, magadi usw. Es sind dies Taufformeln aus dem 8. und 9. Jahrhundert, wie sie die Mönche bei ihren Missionen gebraucht haben.

 Wie aber bei manchen Gemütern gerade durch die schärfste Zucht, wenn erst der wildeste Trotz gebrochen ist, treueste innigste Liebe erzeugt wird, mag kurze Erwähnung dessen zeigen, was im Heliand enthalten ist, in einem Gedicht, das ein Bauersmann aus sächsischem Stamm in treuherziger Weise verfaßt hat.

 Es bleibt das unbestrittene Verdienst des „Heliand“, daß er unsern Herrn dem deutschen Christenvolk am ersten nahegebracht hat. Der den Heiland so volkstümlich schilderte, muß dem Volk näher gestanden sein als die meisten Geistlichen jener Tage. Niemand aber von uns nimmt Anstoß an den Gemälden Lukas Cranachs oder| Albrecht Dürers, wenn sie, besonders der Erstgenannte, die Juden zur Zeit Jesu und diesen selbst im Gewand des 16. Jahrhunderts einhergehen lassen; man vergißt über der Hoheit und treffenden Schilderung ihrer Gestalten die mit der Zeit nicht zu vereinbarende äußere Umgebung: so verzeihen wir gern dem Dichter, daß er einzelne Begebenheiten, im ganzen mit strengem Anschluß an die Evangelien, besonders an Matthäus, der zur Zeit Karls des Großen (auf dessen Befehl 789?) ins Deutsche übersetzt ward – nach der Weise seines Volkes ausmalt. Seestürme werden besonders ausführlich geschildert: immer in Würde und treugemeintem Ernst. – Der Herr, umgeben von Seinen Mannen, steht vor dem Tempel Jerusalems, daß sie „Ihm zeigten des Tempels Gebäude“ (Matth. 24, 1 ff.). „Es erging sich der Gottessohn und Seine Jünger mit Ihm“ (Waldand fan themu wiha, der Waltende vom Heiligtum) – so beginnt diese Schilderung. Der Geborene des Herrn weissagt die Zerstörung des Tempels, das Ende der Gottesstadt, das Ende der Welt (teglidid groni wang, es vergeht die ganze grüne Aue, d. i. die Welt). Die Jünger fragen: wann wird dies alles geschehen? Wann ist Dein Wahn (Absicht), zu kommen auf diesen Mittelgarten (Erde)? Der Herr zeigt nun die Zeichen Seiner Wiederkunft auf: Mond und Sonne werden verdunkelt, die klaren Himmelslichter fallen hernieder, es erzittert die Erde und bebt die weite Welt, es ergrimmt die große See; dann verdorrt das Volk; Streit und Krieg und vieler Tod folgen alsdann, Seuche, Menschensterben, unmäßig große Hungersnot. Wachet, dann kommt der Herr. – Mutspilli (Weltende), d. i. die alles verheerende Flamme kommt. Die Schilderung schließt mit dem Gericht: Der König wendet sich an die Gesegneten, weil sie mit ihren Gaben milde waren; wenn ihr Herr mit „Durst und Hunger, mit Frost befangen“, oder| in Banden lag, kamen sie zu Ihm. – Die verdammten Menschen fahren in die Hölle traurigen Herzens: sie empfangen Strafe, Übel endlos. – Es führt hinauf dann (ledid thenan, d. i. leitet auf dann) her hebencuning (der hohe Himmelskönig) thea hlutteron (luther, d. i. lauter) theoda (Laute) an that langsame liocht (in das langsame = unvergängliche Licht): thar is lif ewig (da ist ewiges Leben) gigarewid (gewähret) godes richi (Gottes Reich) godaro thiado (guten Leuten). Das ganze, aus etwa 6000 Versen bestehende Gedicht hat zum Thema: Ihr waret weiland in Finsternis und Blinde: Christus hat euch das Licht gebracht; nun sollt ihr Ihm nachfolgen, nicht auf eigene Kraft bauen, sondern auf Gottes Treue (Kol. 1, 12. 13). – Tief durchdrungen ist der schlichte Verfasser von der Göttlichkeit des waltenden Himmelsherrn und Menschenheilands; Seine Göttlichkeit ist ihm nicht Ergebnis tiefsinniger Spekulation und Betrachtung, sondern wie dem unter dem Kreuz Jesu stehen den Hauptmann, den ja die sinnige Sage einen Deutschen sein läßt, die Beobachtung sich aufdrängt angesichts des leidenden Gottesknechts und das Bekenntnis sich ab ringt: Dieser ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen (Matth. 27, 54), so kann der einfältige Dichter des Heliand nicht anders: er muß sagen: Mein Herr und mein Gott! Die Evangelien in der Schlichtheit ihrer Erzählung, die Taten des Heilands in ihrer verborgenen Herrlichkeit haben ihn zur Anbetung vermocht und seine einfache Feder regiert, daß sie Worte des Preises dem holdseligsten der Menschenkinder darbrachte. – Und dies Gedicht entstand zur Zeit Ludwigs des Frommen (814 bis 840), also kaum 70 Jahre nach Niederwerfung des Sachsenvolks! Wie rasch war dieses zähe Geschlecht um gewandelt worden! Menschengewalt war gewiß nicht am Ort, aber Gottes guter Geist war in der Menschen Rat! –| Neben dem Heliand ist noch der Krist des Ottfriet (Otfried) von Weißenburg (i. Elsaß) zu nennen. Sein Buch (ein Leben Jesu) zerfällt in fünf Abteilungen, damit alle fünf Sinne etwas hätten; den heidnischen Gesängen will er in fränkischer Zunge den Preis Jesu entgegenstellen. Thaz wir Kriste sungun in unser zungun! Im 3. Gesang erzählt er die Stammtafeln des Herrn: altmâga, seine Ahnen. Dann geht er ganz nach der Ordnung der heiligen Berichte: das Kommen des Engels Gabriel, des Zacharias Lobgesang, die Schätzung unter Kaiser Augustus, der er, wie öfter, geistliche (mystice) Deutung gibt. Schenke uns der Herr, wenn man einst alle Welt zählen wird, thaz nûir sîn al gilîche gibriafte in himilriche, daß wir allzugleich „gebrieft“ (eingeschrieben) sind ins Himmelreich! Wie jubelt er: si (Maria) bar uns thuruhnathin den vollkommenen himilisgon (himmlischen) druhtin! Nicht immer angenehm berührt die geistliche Deutung, welche den Wortbestand verkürzt.
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 Doch das klingt auch aus dem „Krist“ immer wieder hindurch: Auf den Schrei, der dem geängsteten Herzen der Menschheit in der Geschichte sich entrungen, antwortet mit einem „seligen Rufe“ das Wort (das Fleisch ward) in lebendiger Offenbarung Gott vom Himmel. Dem voll und kräftig zeugenden, im „Heliand“ sich findenden Sachsenvolk steht der einzelne Dichter gegenüber; nirgend möchte das deutlicher hervortreten als bei der Schilderung der letzten Umstände im Leben des Herrn. Im Heliand heißt es: der Feinde Volksschar, das Grimmvolk der Juden, hatte Jesus in Gethsemane umringt; der erlauchte Drost (mari drothin) wartet der Bestimmung. Ihm geht der gramherzige, treulose Judas entgegen; der Verräter verneigt sich vor dem Gotteskinde mit dem Haupte (Hneg mid is hobdu); dann nehmen sie „ganz rühmig“ den heiligen Christ in Gliederbanden. So ging das Kind| Gottes unter der Heerschar, an den Händen gebunden, betrübt zu Tale. Dann: den Sohn des Drosten (Gottessohn), den Sündlosen, verurteilen die „Recken im Ringe“ zum Tode. Danach wird mit der Waffen Schärfe aus hartem Baum ein „starkkräftiges Kreuz“ gefertigt; das selige Gotteskind sollte selber es tragen bis dahin, wo Er sollte verbluten, der reinste Held. Der „Galgen“ wird auf dem „Grieß“ errichtet, ein Baum auf dem Berge; mit „kaltem Eisen“ (caldiwarn) neue Nägel schlugen sie dem Herrn durch Hände und Füße. Das Blut rann zur Erde, das Blut vom Herrn. Aber das Friedekind Gottes rächte sich nicht; es bat den mächtigen Vater, daß Er dem „Wehrtum“, den mächtigen Männern, nicht gram sein möchte. Dann wird mit heiligem, innigem Ernst „aller Tage trübster“ geschildert: Aller Könige kräftigster ist arm geworden uns zum Frommen. Bald darf Er fahren zu Dir, Du, der Lebenden Herr! – Da neigte Er Sein Haupt, ließ aus dem Leibe den heiligen Odem. Später nahm Joseph den kalten Leichnam vom Kreuz und empfing Ihn mit seinen Armen, wie man „seinen Fron“ soll (Paul Gerhardt: So soll man Christus zieren, wenn Er nun liegt danieder!). – Dann begruben sie das Kind Gottes nach Landesbrauch, der Leiber heiligster (lipo helgost), befehlen Ihn der Erde. – Wahrlich, das ist kindlich frische, unmittelbarst kräftige Heilsaneignung. Im „Krist“ heißt es viel künstlicher: Judas führt die Schar dar seinem Herrn; er nahte, daß erfüllt würde alles, was gesagt war. heil dir, Meister! ruft er und küßt Ihn eilig, der es mit Geduld, in milder Huld empfing. Dann sahen die Jünger ihren Herrn fortführen, der nach vielen, wenig innig geschilderten Verhandlungen zum Tod verurteilt wird. Am Schluß eine geistliche Betrachtung von der Macht der Sünde und der Größe der Erlösung. Christus hàgalte sie in thaz crûzi (Kreuz) inti thulta| und duldete sie um unsertwillen, thaz uns es iamêr sî the baz, daß es uns fortan um so besser gehe. Kein frischer, vorwärtsschreitender Ton, sondern mühsam sich quälende Betrachtung! – Wie das Wasser eines noch so künstlich und gründlich gefertigten Brunnens an Frische und Kraft nimmer dem Waldesquell mit seiner heimlichen, stillen Frische gleichen mag, so bleibt das Kunstgedicht des Mönches hinter dem des bäuerischen Mannes weit zurück. – Aber Gott sei gedankt, daß er Ursprünglichkeit und Kunst zum Preis des Gekreuzigten aus dem Volk genommen hat, das so lange seinem Heiland widerstrebte.

 Indes haben uns beide Gedichte in eine Zeit versetzt, in der das einst so starkmächtige Geschlecht der Karolinger an unheilbarer Schwäche und innerer Zerrüttung dahinsiechte. Es ist mir immer denkwürdig erschienen, daß der Herr den Karolinger, der am ehesten geeignet schien, in das Erbe des großen Karl einzutreten, in frühen Jahren aus fremder Erde fallen ließ. Roland, der Herr der spanischen Mark, ist, wie die Sage meldet, nachdem er durch Bekenntnis seines Glaubens seiner Seele Kraft verliehen – meuchlings gestorben, und „seine Seele herrscht ohn’ Ende und weilt nach Verdienst im Chor der heiligen Blutzeugen“.

 Nach dem Aussterben der Karolinger auf deutschem Boden waren es die Stämme der Sachsen und Franken, welchen die Krone Deutschlands winkte. Nach kurzer Zwischenregierung traten die kühnen Sachsenkönige: Heinrich I., Otto I. der Große († 973) auf. –

 An dem Anfang unsrer Königsgeschichte sehen wir zwei deutsche Fürsten, Otto und Eberhard, welche der Krone zum Besten des Reichs entsagen. Das taten sie aus „Liebe zu ihrem Herrn und Seinem teuren Wort“! Sie verleugneten sich selbst. – Franken beugen sich nun vor dem Stammesgenossen Wittekinds, den ihre Väter einst blutig besiegt hatten! Heinrich der Finkler hat das| deutsche Volke in Demut vor den Alanen gerettet, das Christentum vor der Barbarei, welche Thietemar von Merseburg Geißel Gottes, durch unsre Missetaten hervorgerufen, nennt. Sein Gebet vor der Entscheidungsschlacht, 15. März 933, ist uns noch aufbewahrt: Gott, der Du uns geschaffen und erlöst hast, löse unsre Bande! Der wahre, lebendige Gott, der treu und gerecht ist in allen Seinen Wegen und heilig in Seinen Werken, mache uns frei von unsern Banden! – „Auf Gottes Gnade unsre Hoffnung!“ war Feldgeschrei, und es gelang. – Wie predigt der Tod dieses erlauchten Fürsten, 2. August 936! „Ehret Gott und fürchtet Jesus Christus, den treusten Herrn, der Macht hat, solches zu tun,“ – das waren seine letzten Worte an seine Söhne. – Seine edle und treffliche Gemahlin Mathilde aber starb mit den Worten: „Der Christ muß in Staub und Asche sterben!“ – Otto I. ward unter denkwürdigen Reden gekrönt, er, der größte aller deutschen Herrscher: „Nimm hin das Schwert und triff damit alle Feinde des Herrn, Heiden und schlechte Christen; denn darum hat dir Gottes Wille alle Macht über das ganze Reich der Franken gegeben, daß du der ganzen Christenheit sicheren Frieden gewinnst.“ Dann nahm Hildebert von Mainz die Spangen und den Mantel, umkleidete ihn da mit und sagte: „Die Säume dieses Gewandes, die bis zur Erde hinabwallen, sollen dich mahnen, nicht kalt zu werden im Eifer für den Glauben und bis ans Ende aus zuharren im Schutz des Friedens.“ Und als er ihm Zepter und Stab überreichte, sprach er: „Diese Zeichen mögen dich erinnern, daß du väterlich züchtigen sollst, die dir untergeben sind. Vor allem aber strecke deine Hand aus voll Barmherzigkeit über die Diener Gottes, über Witwen und Waisen, und niemals versiege auf deinem Haupt das Öl des Erbarmens, auf daß du hier und in aller Zukunft den Preis einer unvergänglichen Krone| empfangest.“ Und zugleich salbte er ihn mit dem heiligen Öl.
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 Der Ernst, mit dem Otto I. über der Ausbreitung des Christentums wachte, hielt bei seinen abenteuerlichen Plänen nachjagenden Nachfolgern nicht an: Italien ward fortan das Land der Sehnsucht, eine unglückliche Liebe, die edelste Kräfte des deutschen Volkes verzehrte oder doch wenigstens den großen Gedanken entfremdete. Nirgends prägt sich meines Erachtens die Diesseitigkeit in der deutschen Geschichte mehr aus als in diesen Romfahrten. Man möchte mit dem Kirchenvater rufen: „Suchet, was ihr suchet, aber suchet nicht da, wo ihr suchet.“ – Die Zeit der Staufen gibt doch einen versöhnenden Zug in dies wenig erfreuliche Bild: die Liebe zu den heiligen Stätten, welche in den Kreuzzügen sich äußerte. – Man mag ja über diese flammende Begeisterung lächeln, mag in ihr auch politische und äußerliche Momente und Erwägungen entdecken: der letzte Grund war doch die Liebe zu dem Herrn, welche die Teilnahme auch für die Stätten erweckte, die Sein Todesleiden gesehen, Zeugen Seiner Auferstehung gewesen. – War es ein Traum, so galt er doch dem Herrn. Freilich läßt sich nicht verschweigen, daß aus dem Morgenland wenig Erfreuliches in die Heimat mitgebracht ward: Lebensfreudigkeit und Behagen am Genuß, Zweifel und Spott über das heilige ist zu oft an heiliger Stätte erwacht, wie denn bereits bemerkt ward, daß am Hof des vorletzten Staufer eine Schmähschrift entstanden, in welcher unser Heiland ein Betrüger genannt wird; traurig genug, daß sie dem Kaiser selbst zugetraut oder wenigstens seines Beifalls sicher ausgegeben werden konnte. Ein hohes Gedicht aber, das jenen Zeiten entstammt, darf auch nicht übergangen werden: Der „Parzival“ unsers mittelfränkischen Landsmanns Wolfram von Eschenbach, den dieser zwischen 1205 und 1215 dichtete. In| diesem Gedicht hat der Karfreitag mit seiner ernsten Bedeutung für die Christenseele besondere Beachtung gefunden. Traurig spricht der Dichter von dem „stolz gerüsteten und gebrüsteten Ritter“, der „zu keiner Zeit weiß, an welchem Ziel das Jahr nun steht und wie der Wochen Zahl vergeht“, der „diente einem, der heißt Gott“, den er nun verlassen hat.

 Schöner ist wohl nie der hohe Tag der Christenheit genannt worden als mit den Worten des alten Ritters am Morgen des Karfreitag, der mit seinen Mannen barfuß und büßend durch den Wald schreitet, Seines Leidens Gedächtnis zu begehen, und dem stolzen Parzival entgegentritt:

Es ist der Karfreitag heut,
Des alle Welt sich billig freut
Und doch in Leid befangen ist;
Er hat Sein heil’ges Leben
Um unsre Schuld dahingegeben,
Sonst wär der Mensch verlor’n.

 Von dem Demütigen wird der Stolze zum Klausner gewiesen. Der Klausner Trevrizent belehrt dann den im „Gram des Zweifels“ umherirrenden, aus der Tafelrunde des Königs Artus verstoßenen Parzival über die Wunder des heiligen Gral (jener Schale, die als Edelstein aus des Teufels Krone bei dessen Sturz gefallen war, beim heiligen Abendmahl als Schüssel von Jesus, am Kreuz von Joseph von Arimathia zum Auffangen des Blutes des Herrn verwendet ward). Alljährlich am Karfreitag bringt eine leuchtend weiße Taube vom Himmel die Hostie herab, die sie dann in den von reinen Jungfrauen getragenen Gral legt. Dem „Mann der Missetat“ wird der Heilsweg gezeigt: er soll dem Gral dienen.

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Wer aber dem Gral will dienen recht,
Da muß der Ritter und der Knecht
Behütet sein vor leichtem Sinn;
Demut gibt besseren Gewinn!
Sie kommen dahin als ein Kind,
Die nun erwachs’ne Leute sind.

 Werdet wie die Kinder! Kehret um! Diese Worte des Herrn sind fortan die Losung des Knechts.

Das war der beiden Scheidetag.
Ihn küßte Trevrizent und sprach:
„Deine Sünden laß mir hier,
Gottes Huld erfleh’ ich dir.“

 So ist auf das einfachste und doch erhabenste gezeigt, daß im Karfreitag und seinem leidenden Herrn alles Segens Fülle beschlossen ist. Er wird aber erst dann zum Segenstag, wenn das Kindische und das trotzige Herz zerbrochen uns Klagen läßt, daß uns fast zum Tode sei. – „Karfreitagsminne nehmt zum Ziel!“ Über unsern Sündendornen ist ewig erbarmend der Dorngekrönte!

 Welchen Ernst, in innigem Verein mit herzlicher Liebe zu den Brüdern um Jesu willen, atmen die Predigten aus jener Zeit. Je ärmer die äußern Verhältnisse werden, nachdem der letzte Staufer zu Neapel auf dem Blutgerüst geendet, je trüber die gewaltige Predigt von der Hinfälligkeit aller Erdenschöne, die mit dem hochgemuten Stamm der Hohenstaufen zu Grabe gegangen war, desto mehr weisen die frommen Franziskaner David von Augsburg und (sein Schüler) Berthold von Regensburg (gest. 13. Dezember 1272) auf das, was ewig bleibt, hin. „Das Himmelreich gleicht einem Acker: der in ihm verborgene Schatz ist die Seele des reinen Christenmenschen; darum| kaufte Gott diesen Acker mit Seinem eigenen Leib. Gepflügt hat ihn Christus: ein Pflug muß von Eisen und Holz sein; also war das heilige Kreuz von Holz, von Eisen die Nägel, die Ihm gingen durch Hände und Füße, und also handhabte Er den Pflug, bis Er daran den Tod empfing. Sehet, ihr lieben Christenleute, wie lieb uns Gott hat! Ihm genügte nicht, daß Er den Acker kaufte mit Seinem Leib und selbst ihn bebaute. Er hat ihn auch selbst mit Seinem Blut gedüngt.“ – „Der Mensch ist arg vergiftet durch Sünde und die zwölf Zutaten (Laster) des Teufels; da hat Gott eine edle, kräftige und tugendhafte Arznei erfunden. Sie kostete Ihn mehr denn alles Silber und Gold, mehr denn Sonne, Mond und alle Sterne, ja mehr, teurer als Berg und Tal und Laub und Gras. Ja, Er legte so großen Fleiß daran, daß Er niemand es (die Arznei) zutrauen wollte als Ihm selbst, damit wir desto gesünder würden an Leib und Seele. Er machte die Arznei vierthalb und dreißig Jahr (Lebenszeit des Heilands), bereitete sie fein in der Zeit. Er starb des blutigen Todes, daß die Arznei um so wirkungskräftiger wäre!“ – Später als Berthold, aber tiefer wohl, wenn auch weniger praktisch und volkstümlich, zeugte Luthers Lieblingsprediger, der Dominikanermönch Johannes Tauler (zu Straßburg 1300, gestorben 16. Juli 1361 in den Armen des lieben, lichten Gottesfreundes Johannes von Chur, seines geistlichen Vaters). Ihm ist es Hauptsache, dem Kreatürlichen zu entwerden, d. i. abzusterben und in Gott zu werden, d. i. in Ihm wiedergeboren zu werden. Man höre einige Stellen aus einer Weihnachtspredigt: „Heute begeht man dreierlei Geburt in der heiligen Christenheit. Die erste und oberste, so der himmlische Vater gebiert Seinen eingebornen Sohn in göttlicher Wesentlichkeit und persönlichem Unterschied; die andre: das mütterliche Gebären in rechter Lauterkeit; die dritte:| Gott wird alle Tage und Stunden wahrlich geistlich geboren in einer guten Seele.“ Von Johannes Tauler stammt ja auch wahrscheinlich das tiefe Lied:

Es kommt ein Schiff geladen
Bis an sein’ höchsten Bord;
Es trägt Gott’s Sohn voll Gnaden,
Des Vaters ewig’s Wort.

 In diesem innigen Sang rühmt der Dichter den „Christus für uns“ (Gottes Wort tut Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt) und verpflichtet uns auf den „Christus in uns“. (Wer dies Kind mit Freuden küssen, umfangen will, der muß vor mit Ihm leiden groß Pein und Marter viel usw.). – So ward in Predigten hoch und nieder die Herrlichkeit des Glaubensbekenntnisses aus gelegt, in alten Gesängen gepriesen und forttönend bewahrt. Und als Luther kam, der sangesfrohe Sohn des liederfreudigsten Volkes, da erscholl in leisen Melodien wie in herrlicher, himmelandringender Gewalt der evangelische Choral. Wer die Herrlichkeit des alten Bekenntnisses auf sich wirken lassen will, der lasse sich von dem Lied zur Krippe geleiten, singe und sei froh, daß unser heil Mensch geboren ist; wer das Weh des Kreuzesleidens ermessen will, der singt von dem „Haupt voll Blut und Wunden“ und von „dem großen Schmerzensmann“. Und in die Grüfte des Todes, in Tiefen der Sünde, in die Wüsten des Lebens schallt und jubelt der himmlische Chor, ertönt der Hymnus der anbetenden Gemeinde:

 Christ ist erstanden
Von der Matter alle;
Des sollen wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
     Halleluja! –

|  Wahrlich, das alte lutherische Kirchenlied, das von den harfen eines Luther, Eber, Speratus, Nik. Hermann, Nik. Decius erklang, ist ein lauter Beweis der Herrlichkeit unsers christlichen Glaubens. Gott, ich will Dir ein neues Lied singen! – „Alle Sänger sind Propheten!“ Ja, Propheten mit rückwärtsgewandtem Antlitz: „Das hat Er alles uns getan, Sein’ groß’ Lieb’ zu zeigen an;“ aber auch Zeugen ewiger Gnaden für alle Zeiten: „Anbetung Dir! Einst feiern wir das große Abendmahl bei Dir!“ –

 Es ward eingangs schon bemerkt, wie man Luther zu Unehren bringt, indem man mit Ritschl und Bender ihn die Großtaten, welchen das Glaubensbekenntnis Ausdruck verleiht, nur noch aus „Staatskunst“ glauben läßt. – Ist das auch Staatskunst, wenn er in seinem „Bekenntnis des Glaubens 1529“ sagt:

 „Auch glaube ich, daß solcher Gottes- und Mariensohn, unser Herr Jesus Christus, für uns arme Sünder gelitten, sei gekreuzigt, gestorben und begraben, damit Er uns von Sünden, Tod und dem ewigen Zorn Gottes durch Sein unschuldiges Blut erlöst hat. Und daß Er am dritten Tag auferstanden sei von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, ein Herr über alle Herren, ein König über alle Könige wie über alle Kreaturen im Himmel und auf Erden und unter der Erde, über Tod und Leben, über Sünde und Gerechtigkeit. Denn ich bekenne und weiß aus der Schrift zu beweisen, daß alle Menschen von einem Menschen Adam herkommen und von demselben durch die Geburt mit sich bringen den Fall, Schuld und Sünde, die derselbe Adam im Paradies durch des Teufels Bosheit begangen hat, und samt ihm alle in Sünden geboren, leben und sterben und des ewigen Todes schuldig sein müßten, wo nicht Jesus Christus uns zu Hilfe gekommen| wäre und solche Schuld und Sünde als ein unschuldiges Lämmlein auf sich genommen hätte, für uns durch Sein Leiden bezahlt und noch täglich für uns steht und vertritt als ein treuer, barmherziger und mitleidiger Heiland und einiger Hoherpriester und Bischof unsrer Seelen.“
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 Hat Luther nicht vielmehr dies „große Bekenntnis“ abgelegt, weil er sah, „daß des Rottens und Irrens je länger je mehr werde, damit nicht hinfort bei meinem Leben oder nach meinem Tode derer etliche zukünftig sich mit mir behelfen (d. h. auf mich sich berufen)“. „Und wenn jemand nach meinem Tode würde sagen, wo der Luther jetzt lebt, würde er diesen oder diesen anders lehren und halten – dawider sage ich jetzt als dann und dann wie jetzt: ich weiß, was ich rede, fühle auch wohl, was mir’s gilt aus des Herrn Jesu Christi Zukunft am Jüngsten Gericht; so bleibe ich.“ – hätte der teure Mann nur Streitschriften geschrieben, so könnte man ihn zwar Revolutionär schelten, nie aber Diplomat und Klügling, wie man ihn jetzt zu nennen beliebt; aber der Mann des Streites hat die Heilige Schrift in einziger Weise übersetzt, in seinem Katechismus einen Glaubensgrund von unzerstörbarer Festigkeit gelegt: in Lied und Wort Jesus gepriesen. Wenn die Frage lebensentscheidend und geisterscheidend ist: Was dünkt euch um Christus? so können wir bei dem Reformator Zeugnisse genug finden seiner klaren Stellung zu dem Herrn. „Christus ist ewiger und rechter Gott, in Ewigkeit vom Vater geboren.“ „Soll Teufel und Tod diesem Sohne Davids zu Füßen liegen, so muß folgen, daß göttliche Kraft und Allmächtigkeit in diesem Sohne Davids sei, sonst werde Er ebensowenig als andre Menschen dem Tod und Teufel können abgewinnen.“ (Evangelien-Postille, 18. Sonntag nach Trinitatis.) „Alle diejenigen, so den Hauptartikel von Jesus Christus recht gehabt und gehalten haben, sind sein und sicher im| rechten christlichen Glauben geblieben.“ (Eph. 1, 22.) „Christus ist Hauptgut, Grund, Boden, die ganze Summa, zu dem und unter welchem sich’s alles sammelt und findet.“ In Jesus Christus hat wohnen sollen leibhaftig oder persönlich die ganze, völlige Gottheit, also daß, wer nicht in Christus Gott findet, der soll außer Christus nimmermehr Gott haben und finden. Was sich stößt, das stößt sich an keinem andern Stein. Der Teufel greift Jesus an mit drei Heerspitzen. Eine will Ihn nicht lassen Gott sein, die andre will Ihn nicht lassen Mensch sein, die dritte will Ihn nicht lassen tun, was Er getan hat. Es müssen aber wahrlich alle drei Stücke geglaubt sein. – „So ist’s nun dieser Artikel, daß Christus wahrer, natürlicher Gott und Mensch sei, unser Fels, daraus unser heil und Seligkeit gegründet ist“ (XLV, 319). „So Christus verworfen ist, daß nicht mehr denn nur der Name geblieben ist, kann man leichtlich beweisen, wie jetzt alle Ketzerei, alle Irrtümer, alle Finsternisse regieren.“ „Darum laßt uns weise sein und Christus recht erkennen“ (VII, 319). – Wir können die leichtlich zu vermehrenden Zeugnisse nicht besser schließen als mit dem großen Wort: Wenn Christus den Menschen gottförmig, gotthaft, gottmächtig macht, dann muß Er Gott sein. Wer so deutlich spricht, kann nicht „verstimmt“ sein! – Und so hat unsre evangelisch lutherische Kirche vornehmlich mit größter Treue über der Gottheit Jesu gehalten, zu ihrer Verteidigung (ob sie es gleich nicht bedurfte) durch das siebzehnte und achtzehnte, insonderheit durch das neunzehnte Jahrhundert die Wolke von Zeugen ausgesandt, welche alle bekennen: „O Gottessohn in menschlicher Gestalt, o Menschensohn voll göttlicher Gewalt!“ – Das ist die eine Seite der Herrlichkeit des Apostolikums: um seine Größe scharen sich Denker und Dichter, Könige und Fürsten; sein Lob singen in deutscher Zunge die größten Geister dieses Volkes. – Aber wir| gedenken an Sein Wort: Ich preise Dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß Du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen geoffenbart“ (Matth. 11, 25), und sprechen noch in Kürze von der inneren Herrlichkeit. Das aber ist die innere: Quot verba, tot sententiae, soviel Worte, soviel teure Schätze! – Denn „das Symbolum ist die alte, höchste Historie, darinnen uns die unermeßlichen Wunderwerke der göttlichen Majestät von Anfang bis in Ewigkeit vor getragen werden“. –
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 Rein äußerlich besehen, welche Herrlichkeit liegt in der Lutherschen Auslegung! In der Katholischen Kirche wurde der „Glaube“ willkürlich in zwölf Artikel zerlegt und als ein Kirchliches Lehrgesetz behandelt. Luther stellte nicht nur die ursprüngliche Dreizahl wieder her – zur Erinnerung an die Taufe mit den drei Hauptfragen wie an die der Großtaten der Schöpfung, Erlösung und Heiligung, indem er zeigte, daß der Glaube daran eine Glaubenstat sei, mit der ein Mensch den Heilstrost erfaßt. Dazu das Meisterstück zugleich des sprachlichen Ausdrucks, daß der größten Kenner einer (Wackernagel) es unter die Musterproben deutscher Sprache eingereiht hat. Erlösung und Versöhnung. Bei diesen Worten geht der Blick alsbald auf Gethsemane und Golgatha, eilt aber zurücK bis gen Bethlehem: Gott ist geoffenbart im Fleisch! – Denn hier liegt die Wurzel unsrer Erlösung und Versöhnung; in der Fülle der Zeit ist das Ewige erschienen, das sich an die Sehnsucht der Völker angeschlossen, an die Erfahrung beider, der Heiden wie der Juden, daß der Mensch nicht zu Gott kommen kann, es komme denn Gott zuvor zu ihm. – Der eingeborne, einmal geborene und einzigartige Sohn Gottes, der Sohn ohnegleichen, allein unter Tausenden würdig des göttlichen Wohlgefallens. In dem die Fülle der Gottheit leibhaft wohnte,| der wurde ein Glied in der Kette der Menschheit. Wir sehen Seine Niedrigkeit: ohne Obdach, weiß Er sich doch im Besitz aller Gewalt, die Ihm übergeben; von den Guttaten Seiner Jünger abhängig, verfügt Er über Tausende. Sein Bewußtsein reicht über zeitliche Schranken hinaus (ehe denn Abraham ward, bin Ich), ob Er gleich an Tag und Stunde sich gebunden hält. Der Freund der Menschen tritt in die Verlassenheit der Einsamkeit hinein, und doch hat das Böse in mannigfacher Gestalt um Ihn sich gelagert, das Elend alltäglich seine Boten an Ihn gesendet. Gehorsam bis zum Tod! Er braucht nur zu wollen, und Legionen der Engel stehen Ihm zu Diensten, – zu wollen, und Er kann wieder zum Zepter greifen. Aber Er hat sich binden lassen, ein Bild ohnegleichen. Ja, Er hat teilgenommen an unsrer Niedrigkeit Bethlehem, Golgatha, und zwischeninne das Leben voll Entbehrung und Enttäuschung. Krippe und Grab – wie ein andrer Mensch! – Aber geweiht ist die Armut, das Leid, die Nacht des Grabes und der Raub des Todes. – Er hat unsre Niedrigkeit an sich genommen, damit wir Genossen Seiner Erhöhung werden sollten. „Auferstanden, aufgefahren“ – mit uns gliedlich verbunden, im Elend verbindet Er uns mit sich in Herrlichkeit: „Wer überwindet in Mir und mit Mir, der soll mit Mir auf Meinem Throne sitzen.“ So will Er die Herrlichkeit mit uns teilen. „Die Krone denen, welchen hienieden die Kreuzesfarbe Hoffarbe gewesen.“ – Das ist innere Herrlichkeit des Glaubensbekenntnisses, in geringe Worte des Bekenntnisses geborgen. – Und diesen Satz will man uns entwerten, ja wohl gar rauben?! Es bleibt dabei, daß das Regiment der Kirche, das heil des einzelnen Gläubigen in den Händen des Herrn Jesus liegt; dem Menschen ist nur ein Name gegeben, in dem er den| Frieden seiner Seele bewahren, sein Kreuz tragen, seinem Stündlein mit getrostem Mut entgegensehen kann: Das ist der Name des Hochgelobten!

 Wollen wir auch weggehen, die teuer Erlösten, mit Seinem heiligen Blut Erkauften? Herr, wohin sollen wir gehen? Du allein bist Christus, unser Leben.

 Des Lehrers der Deutschen (Melanchthons) tägliches Gebet vor seinen Studenten war – möchte es doch das Gebet seiner Amtsgenossen sein und werden –:

Herr, gib, daß ich möge zeigen,
Wie es selig, Dir zu eigen.
Mit Dir leiden, mit Dir streiten,
Dir einst ewig stehn zur Seiten!




St.-Johannis-Druckerei, Dinglingen (Baden).