Sponsel Grünes Gewölbe Band 1/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den I. Band des Tafelwerkes

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Geschichte des Grünen Gewölbes Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 1 (1925) von Jean Louis Sponsel
Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den I. Band des Tafelwerkes
Tafel 1
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DER INHALT DES GRÜNEN GEWÖLBES
ÜBERSICHT ÜBER DEN I. BAND DES TAFELWERKES

Wie uns die Geschichte des Grünen Gewölbes lehrt, sind sehr viele seiner Sammlungsstücke aus der ehemaligen Kurfürstlichen Kunstkammer in dieses überführt worden und so ist es begreiflich, daß darunter auch Gegenstände sich befinden, die nicht lediglich ihres formalen Kunstwertes halber aufbewahrt wurden, bei denen vielmehr die Seltenheit eines Naturerzeugnisses, die ihm zugeschriebenen geheimen Kräfte, oder die Schwierigkeit und die handwerkliche Künstlichkeit seiner Bearbeitung, oder auch die merkwürdige Formengebung einen besonderen Anreiz ausübte. Aber diese Gegenstände sind doch nicht in so großer Anzahl erhalten geblieben, daß dadurch der Charakter der Sammlung wesentlich bestimmt würde, es überwiegen doch die Werke, deren Form und Verzierung aus rein künstlerischem Wohlgefallen entstanden sind, die in der Hauptsache als Erzeugnisse des Luxus keinen eigentlichen Gebrauchszweck haben, wie ja auch in unserer Zeit aus dem gleichen Bedürfnis heraus unendlich viele solcher Ziergegenstände hergestellt werden. Wer an diesen Gegenständen einer dem Modegeschmack unserer Zeit dienenden Massenfabrikation Gefallen findet und nur sie kennt oder deren Form zum Maßstab der Beurteilung der Werke der Vergangenheit anwendet oder gar nur die Schönheit der Zweckmäßigkeit gelten lassen will, der wird zunächst gar manchen Werken des Grünen Gewölbes fremd gegenüber stehen und die in ihnen enthaltenen Werte nicht zu genießen verstehen. Im Gegensatz zu den allermeisten Erzeugnissen des sogenannten Kunstgewerbes unserer Zeit sind die Gegenstände des Grünen Gewölbes zumeist in ihrer Form und Verzierung nur einmalig entstanden, wenn auch für manche Gruppen gewisse Typen sich gebildet haben, sie sind Erzeugnisse eines hochentwickelten Handwerks und darum haben nicht wenige Zierstücke der Sammlung in ihrem Aufbau und in dessen Gliederung eine hohe Gesetzmäßigkeit, die sich manchmal durch jahrhundertelange handwerkliche Übung zu einer Vollendung entwickelt hat, die jene Werke zu mustergültigen Erzeugnissen ihrer Art für alle Zeiten hat werden lassen. Andere Stücke stehen in ihrer Form oder in der Verwendung und Bearbeitung ihrer Stoffe dem heutigen Zeitgeschmack wohl ferner, deshalb aber haben sie niemals aufgehört, dem tiefer Eindringenden auch Schönheitswerte zu enthüllen, die dem unempfänglichen oder ungeschulten [23] und in seiner Zeit befangenen Sinn verschlossen bleiben. Ja wir bemerken, daß sehr viele Gegenstände des Grünen Gewölbes aus Naturerzeugnissen gearbeitet sind, die zu allen Zeiten schon durch ihre stoffliche Beschaffenheit das Wohlgefallen der Menschheit hervorgerufen haben, das schon in dem naiven Sinn der ältesten Zeiten der Menschheit im Sammeln und in der Auswahl und im noch rohen Verarbeiten zum Ausdruck kam und das mit der zunehmenden handwerklichen Geschicklichkeit immer mehr die in den Stoffen ruhenden Schönheitswerte aus diesen ans Licht zu ziehen wußte, sie ästhetisch wirksam machte, so daß sie schon in allen vergangenen Kulturen zur Veredlung des menschlichen Daseins gedient haben. So die Maserung und der matte Glanz des verschiedenfarbigen Holzes, der zarte gelbliche Schimmer des Elfenbeins, das schimmernde Korn des Steins oder seine in verschiedenen Farben gemusterte Struktur, seine Lichtempfänglichkeit und die glänzende Oberfläche der Halbedelsteine, das wechselnde Leben des Lichtes in dem Perlmutterglanz der Muschel und in dem warmbraunen bis goldgelben bald durchsichtigen bald nur durchscheinenden oder milchig undurchsichtigen Bernstein, das Blitzen und Leuchten, der strahlende Glanz der verschiedenfarbigen Edelsteine, der wasserhelle Bergkristall, alle diese Stoffe sind verarbeitet zu Ziergegenständen und zumeist verbunden mit dem Glanz und Schimmer der Metalle. Diese und noch manche andere Erzeugnisse der Natur boten schon unverarbeitet in ihrer sinnlichen Erscheinung dem Auge ein köstliches Schauspiel und besaßen und besitzen eine ästhetische Werteigenschaft, die ganz unabhängig war und ist von ihrer praktischen Verwendbarkeit. Dazu kommt nun aber noch die verschiedenartige Bedingung ihrer Bearbeitung, auch diese kann für den Kenner zum Objekt ihrer ästhetischen Betrachtung und Bewertung werden, jedenfalls geht deren Kenntnis der ästhetischen Bewertung voran oder folgt ihr und begleitet sie, ja vertieft sie.

Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, daß alle oder fast alle an den Gegenständen des Grünen Gewölbes verarbeiteten Naturstoffe und noch andere erst durch Umwandlung von den Menschen erzeugten Stoffe wie Ton, Glas und Email, sowie die Bronze schon in den höchstentwickelten Kulturen der Menschheit in gleicher oder ähnlicher Weise nicht bloß oder überhaupt nicht zu Gebrauchsgegenständen, sondern zu reinen Luxuserzeugnissen verwendet worden sind, dann müssen wir zugestehen, daß die [24] Sammlung von Ziergegenständen des Grünen Gewölbes, die zumeist ihre Entstehung dem 16., 17. und 18. Jhdt. verdanken, eine sehr würdige Patenschaft besitzt und wir wissen auch, daß die Kunstfreunde aller Zeiten und Länder diesen Werken eine nicht geringere Wertschätzung beimaßen, wie den Werken der sogenannten hohen Kunst und daß insbesondere das 16., 17. und 18. Jhdt. als eine Zeit eingeschätzt wird, in der alle Kunstfertigkeit in der Bearbeitung und Verwendung dieser Stoffe zur höchsten Vollendung gekommen war. Nicht nur das. Diese Zeit hat auch den aus dem Altertum oder aus fremden asiatischen Kulturen überkommenen Erzeugnissen aus den genannten Stoffen eine höchste Wertschätzung erwiesen, die nicht bloß damit sich zufrieden gab, diese Werke als Kostbarkeiten und Erkenntnisquellen zu sammeln, sondern die sie von neuem verwendete zu Zierstücken aller Art und die sich ferner bemühte, die Technik ihrer Bearbeitung von neuem zu ergründen, anzuwenden und zu vervollkommnen, während noch die vorangegangene Zeit des Mittelalters, der das Verfahren ihrer Herstellung abhanden gekommen war, doch wenigstens statt der untergegangenen Fassung ihnen eine neue kostbare Fassung gab und damit gleichfalls die hohe ästhetische Bewertung dieser „Curiositäten“ bekundete.

Für die ästhetische Bewertung aller dieser verarbeiteten Naturerzeugnisse, sei ihre Bearbeitung nun schon vorhanden gewesen oder erst neu vorgenommen worden, kommt nun noch insbesondere in Betracht, daß sehr häufig ihre Form, sei es nun ihre unveränderte Naturform oder die Form, die ihnen unter Anwendung der verschiedensten und oft der schwierigsten Techniken gegeben wurde, um das Stück in möglichst vollkommener Weise zur Geltung zu bringen, daß also diese so gefundene Form bei ihrer Fassung in Metall oder bei ihrer Vereinigung mit anderen Stoffen wesentlich bestimmend einwirkte auf den Aufbau und die Gesamterscheinung des mit ihnen geschaffenen Zierstücks oder Gebrauchsgegenstandes. Diese vorgefundenen Formen haben auf die Phantasie ihrer Bearbeiter einen überaus starken Einfluß ausgeübt, so daß dadurch neue Typen von Gefäßen und Geräten aller Art und neue Ziermotive entstanden, die nicht gefunden oder angewandt worden wären, wenn der Künstler etwa nur aus Metall oder Holz oder Elfenbein einen den gleichen Zwecken dienenden Gegenstand geschaffen hätte, wo oft genug nur die materialgerechte Arbeit die Form bestimmt hat. Weiterhin aber haben sie dann die Phantasie auch derartig angeregt, daß die Künstler schließlich, [25] auch wenn sie etwa nur aus Metall einen Ziergegenstand, einen Pokal z. B. zu schaffen hatten, die Form wählten, die durch Vereinigung mit einem solchen Naturgegenstand, z. B. einem Straußenei, einem Horn, einer Muschel, einem Bergkristall- oder Glaszylinder entstanden war. Wichtiger aber ist das erstere. Besonders in der Goldschmiedekunst spielt die Vereinigung von Gefäßkörpern, Schalen, Platten aus Steinen oder aus anderen Stoffen mit Metallteilen eine viel größere Rolle, als es den Anschein hat, sie war vielleicht das frühere. Dieser Anschein ist hauptsächlich hervorgerufen worden durch den Ornamentstich der Renaissance in Deutschland und durch die ihm gewidmeten Untersuchungen. Dieser Ornamentstich ist fast ausschließlich, soweit er Gefäße darstellte, deren Herstellung nur aus Metall gewidmet. Der Deckelpokal auf hohem Fuß ist es, dem das Hauptinteresse der Erfinder sich zuwendet, eine erheblich geringere Bedeutung haben andere Gefäßformen. Wie dieser Pokal aus gotischem Formgefühl und materialgerechter Behandlung entstanden ist und allmählich Elemente der Renaissance in sich aufnahm, das läßt sich bei der Betrachtung der Ornamentstiche erkennen. Zweifellos haben auch diese Vorlagen der Ornamentstiche auf die Ausführung einen großen Einfluß ausgeübt, vorzüglich auf die handwerkliche Herstellung des 16. u. 17. Jhdts. Doch ist dies keineswegs die einzige Quelle, aus der das Kunsthandwerk schöpfte. Es darf auch keineswegs außer acht gelassen werden, daß die erfindenden Ornamentstecher erst von den Werken der Goldschmiede häufig die Anregung empfangen haben. Der ausführende Meister, insbesondere der Künstler unter den Handwerkern, verhielt sich auch oft genug selbständig in seinen Arbeiten. Bei den Werken aber, in denen Naturformen oder Steingefäße mit Metallformen gemischt sind, fehlen im Ornamentstich die Vorlagen. Hier folgt der ausführende Meister eigener Erfindung oder der in den Werken selbst ruhenden Anregung oder der in seiner Werkstatt ausgebildeten Tradition. Die Ornamentstecher gehen an dieser umfangreichen Gruppe von Werken vorüber, als ob sie gar nicht vorhanden gewesen wäre. Die Gruppe hält aber doch jener anderen Gruppe von reinen Metallgefäßen die Wage, und in künstlerischer Hinsicht ist sie schwerwiegend genug, um unsere volle Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Wenn wir die Entstehung der Formen an den ausgeführten Werken selbst ins Auge fassen, dann erkennen wir, daß auch hier in diesen Werken gemischter Stoffe sich eine Entwicklung vollzieht von ähnlicher stilistischer Bedeutung, wie in dem Ornamentstich und [26] in den Werken aus Metall allein. Die Beobachtung dieser Entwicklung ist manchmal die interessantere, denn diese bietet jedenfalls mehr Mannigfaltigkeit dar, als die der lediglich den Metallformen gewidmeten Erfindung. Sie bleibt auch nicht auf die ästhetische Bewertung der Formen beschränkt. Das Steingefäß oder die Naturform ist jedesmal der wichtigste Teil, der die Form des Ganzen bestimmt hat. Der Goldschmied sucht seine Aufgabe darin, diesem Gefäß in seiner schon fertig ihm überlieferten Form eine dessen Wert entsprechende würdige Fassung zu geben. Nur in seltenen Fällen wird es vorkommen, daß der Goldschmied von vornherein den Entwurf schon hergestellt hat und hierzu dann erst dem Stein die hierfür nötige Form geben läßt oder selbst gibt oder die Naturform dazu aussucht. Manchmal ist diese Fassung nur auf den Rand, den Henkel oder Fuß beschränkt, wie bei einer Gruppe von Humpen aus Achat u. a. in dem Schatz von S. Marco in Venedig. Es gibt aber auch schon im frühen Mittelalter Stücke, bei denen das Steingefäß einen Teil der schon üblichen Form des Kelchgefäßes bildet, so bei dem Kelch im Museum in Stockholm, der im Dreißigjährigen Krieg dorthin gelangte. Zu allen Zeiten aber hat der Goldschmied seine Metallbearbeitung gern verbunden mit den Formen edler Steinarten, und zu allen Zeiten haben auch die Sammler von Werken der Goldschmiedekunst nicht ausschließlich Werke aus Metall zu erwerben gesucht. So wissen wir von dem Bischof Bernward von Hildesheim (992–1022), der selbst eine klösterliche Goldschmiedewerkstatt leitete, daß er sich mehrere Kelche verschaffte, einen aus Onyx, einen aus Kristall und einen aus reinem Gold. So können wir auch noch aus den von Marc Rosenberg 1920 veröffentlichten Werken eines der ersten deutschen Meister der Renaissance, Wenzel Jamnitzer, ersehen, daß auch er Gefäße aus edlen Steinen mit Metallfassung zu verbinden und zu einem vollendeten Ganzen zu bilden suchte, derselbe Meister, der für die Meisterstücke der Goldschmiede die Herstellung eines reinen Metallbechers, „des Akeleibechers“, einführte.

Wer das Grüne Gewölbe durchwandert in, sagen wir, kenntnisloser und voraussetzungsloser Betrachtung der dort zur Schau gestellten Dinge, ohne ein gewisses Maß von Wissen und Vorstellung davon, wie die einzelnen Stücke entstanden sind, welche Summe von technischen Fertigkeiten dazu gehörte, sie herzustellen, welche Erwägungen bei der Auswahl und Zusammensetzung der Stoffe vorausgingen, welche Bedingungen bei ihrer Verwendung [27] in Frage kamen und erfüllt wurden, welche geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge mit ihnen verbunden sind, der wird an vielen nur mit stumpfen Augen vorübergehen oder er wird taub sein für das, was diese Dinge ihm neben dem, was er sieht, noch zu sagen haben, und er wird natürlich auch viele tatsächlich vorhandene Schönheit nicht bemerken. Der Kenner und Liebhaber aber und der in den Kulturen der Vergangenheit bewanderte Beschauer blickt da in eine Welt voll Leben und Tätigkeit, die seine nachfühlende Phantasie immer von neuem fesseln und anregen muß, er sieht die Dinge noch mit anderen Augen, als mit den bloß leiblichen Augen. Viele dieser Werke sind auch nicht bloß für das leibliche Auge geschaffen. Die Wissenschaft von alledem, was er da noch mit geistigen Augen sieht, bereitet ihm nicht geringere Anregung und Befriedigung, zumal sie verbunden ist mit ästhetischem Genuß.

Aus diesen Gesichtspunkten gewähren uns also diejenigen Werke, die nicht allein aus Gold oder Silber hergestellt sind, oft weit umfassenderes und vielseitigeres Interesse. Es verlohnt sich, das Charakteristische davon hervorzuheben, nicht nur aus der Zeit der Renaissance, sondern auch ihrer Vorzeit. Vieles davon erschließt sich nicht jedermann, es wendet sich oft sogar an eine bestimmte Gruppe von Kunstkennern, es hat etwas Exklusives, die Menge abweisendes, läßt nur den zum vollen Genuß gelangen, der in diesen Dingen zu Hause ist, den Museumsgelehrten, den Sammler, den in gleicher Arbeit tätigen Kunsthandwerker, manchmal auch den Kunsthändler. Und doch staunt auch die Menge diese Dinge an, es sieht aber nur die Kostbarkeit, die Seltenheit, erhitzt ihre Phantasie durch die Vorstellung ungeheurer Reichtümer, um mit stumpfen Sinnen an den Schönheitswerten verständnislos vorüberzugehen. Das ist das Merkwürdige, der Laie und der Kenner wird von ihnen in gleicher Weise angezogen – aber aus verschiedenen, weit voneinander entfernten Beweggründen. Wer indessen den Inhalt des Grünen Gewölbes nur als Luxusunsinn verwirft, gewappnet mit dem Theorem von der Schönheit der Zweckmäßigkeit, dieser Halbgebildete verrät die Schranke, die ihn von dem Verständnis für seinen Inhalt fernhält. Mag er auch über den Standpunkt der Menge sich erhoben haben, seinem Geschmackssinn fehlen die feineren Organe, um die in diesen Dingen liegenden Reize auf sich wirken zu lassen, es fehlt ihm aber auch der historische Sinn, der das Entstehen dieser Werke aus verschwundenen Kulturen zu begreifen sucht.

[28] Bis in welche Vergangenheit zurück die Zeit der Entstehung einzelner dieser Werke zu setzen ist, das läßt sich nicht in jedem Fall feststellen. Aber das ist zweifellos, daß uns in den Sammlungen und Kirchenschätzen noch sehr viele Werke erhalten sind, die ihre Form schon im Altertum erhielten, während die Fassung wiederholt gewechselt haben mag, bis dann ihr Einmünden in einer der Schatzkammern die zuletzt ihr gegebene Form bewahrt hat. Während die Werke aus Gold und Silber, weil sie aus dem stets hochgeschätzten und stets wieder umzuschmelzenden Edelmetall bestanden, in unendlich großer Zahl dem Untergang geweiht waren und meist nur die in den Schoß der Erde gebetteten Stücke eine längere Lebensdauer erhielten, sind die Gegenstände, die aus Steinen und anderen Naturstoffen bearbeitet waren, vor Veränderungen vielfach bewahrt geblieben, allerdings läßt sich vermuten, daß auch die größte Masse dieser Stücke zerstört worden ist. Wie in der antiken Welt, so ist auch in den späteren Zeiten der fürstliche oder private Besitz ein Bewahrer von nicht so langer Dauer gewesen, wie der Besitz von Tempeln und Kirchen. Mit dem Untergang der alten Götter ist auch der ihnen in den Tempeln geweihte Schatz an Kunstwerken und Kostbarkeiten teils zerstört, teils in alle Welt zerstreut worden. Die christliche Kirche hat dann manches davon zugewiesen erhalten, aber unendlich viele Kirchenschätze sind wiederum der Plünderung verfallen und haben darauf oft genug wieder die Besitzer gewechselt, bis endlich die öffentlichen Museen für das, was die Freude an der Schönheit und Kostbarkeit jener Werke erhalten hat, die großen Sammelbecken wurden. Auch die Schatzkammern der Fürsten sind zumeist öffentlicher Staatsbesitz geworden und so bietet heute der Besitz der Kirchen und der staatlichen Sammlungen auch die größte Gewähr dafür, daß die dorthin übergegangenen Werke auch noch die längste Dauer ihrer Erhaltung finden werden. Mit dem Übergang dorthin hat sich im Lauf der Zeiten auch eine allmähliche Sichtung des Bestandes vollzogen, indem zumeist die nur durch ihren Kunstwert und ihre Kostbarkeit und oft zugleich auch durch ihre geschichtliche Bedeutung bemerkenswerten Stücke dieser Art erhalten geblieben sind.

Wo nicht besonders hervortretende formale, stilistische oder technische Merkmale vorhanden sind, wird das hohe Alter vieler Stücke aus Steinen oder reinen Naturformen nicht mehr festzustellen sein, wenn wir auch wissen, daß die gleichen Stoffe schon in den frühesten Zeiten verwendet wurden. Wo [29] aber diese Kennzeichen vorhanden sind, bleibt auch dann noch der frühe Ursprung gesichert, wenn die Fassung das Stück in eine Gefäßform einzupassen wußte, die den Stil und Charakter einer späteren Zeit trägt. In dem Kirchenschatz zu San Marco befinden sich mehrere tassenförmige Kumpen aus Halbedelsteinen. Hier hat die Fassung oft auf einen Fuß verzichtet bei der Adaptierung dieser antiken Gefäße zu kirchlichen Zwecken. In anderen Fällen, wo die Form des Gefäßes schlanker war, wird die Höhenrichtung durch Fuß und Deckel weiter entwickelt. Bekannte Beispiele dafür sind die beiden oft abgebildeten antiken Gefäße im Louvre, eine Sardonyxkanne und eine Kristallvase, die von Abt Suger ihren Fuß erhielten, während die obere Fassung schon im Orient gegeben worden war. Bei der Kanne, die als Henkelkrug in Stein entstanden war, hat der Fasser bei der Umbildung zu einer Kanne nicht alle Schwierigkeiten überwunden, während das Kristallgefäß, das ohne jeden Henkel oder Angriff gelassen wurde, in der Komposition glücklicher war, wenn auch der allzu hohe Metallhals die Wirkung des Bergkristallgefäßes beeinträchtigt. Das dritte Stück der gleichen Stiftung, die bekannte ägyptische Porphyrvase, die durch ihre Fassung zu einem Adler umgestaltet wurde, ist eine der glücklichsten Lösungen dafür, ein vorhandenes antikes Gefäß, dessen Schönheit und Kostbarkeit seines Materials noch besonders geehrt werden sollte, durch die Fassung zu einem einheitlichen Kunstwerk auszugestalten. Die Vase hatte schon ursprünglich eine besonders straffe Form erhalten, sie war sonst ganz schmucklos gelassen, auch nicht ursprünglich für eine Fassung vorgesehen. Es wollte der Künstler, denn es war ein Meister ersten Ranges, der diese Komposition geschaffen hat, die Vase durch die Fassung noch hervorheben in ihrer Erscheinung, darum bemühte er sich, gerade mit deren straffer Form durch strenge Stilisierung seinen Adler, der die Fassung bildet, in Einklang zu bringen. Die beiden eckigen kleinen Henkel am Hals des Gefäßes wurden zu den Schwunggelenken, die seiner Phantasie Flügel gaben, und jetzt konnte auch die straffe Form der Vase nach oben in dem steif gestreckten Hals des Adlers einen harmonischen und natürlichen Ausklang erhalten. Es mochte die hohe Fassung der vorgenannten beiden Gefäße dazu die Anregung gegeben haben. Das Stück ist gleichzeitig ein prachtvolles Beispiel dafür, daß die Phantasie des Mittelalters Gefäße in Tierform mit besonderer Vorliebe und durch die Stilisierung in künstlerisch hervorragender Weise zu bilden vermochte. Die Antike war darin vorangegangen, wie das [30] silberne Trinkhorn in Form eines Hirschkopfes aus Tarent, aus dem 5. Jhdt. v. Chr. beweist. Cicero erwähnt gegen Verres ein silbernes Füllen, sollte dies nicht auch als Trinkgefäß entstanden sein und so die Tiere des 16. und 17. Jhdts. in deutschen Sammlungen und im Grünen Gewölbe, die als Beispiele einer jahrhundertelangen Vorliebe für solche Formen erhalten sind, schon in der Antike ihre Vorläufer gehabt haben?

Das Grüne Gewölbe besitzt eine kleine runde Schale aus edlem Serpentin mit einem flachen am Rand abstehenden Angriff (V, 383), bei der die Überlieferung zu Ende des 16. Jhdts. ihren antiken Ursprung bezeugte. Die hohe Wertschätzung ihres antiken Ursprungs wird durch die vornehme Goldfassung und kunstvolle Emaillierung bezeugt, dazu durch die emaillierte Inschrift am Goldrande: vas ex jaspide antiquum Alexandriae Aegypti repertum tali ornamento dignum. Wenn wir der Inschrift Glauben schenken dürfen, dann hat also schon die Antike jene eigenartige Form des Angriffs entwickelt, die wir an mittelalterlichen Gefäßen vielfach vorfinden. Vermutlich ist die Fassung des Schälchens von demselben Meister ausgeführt, der einen Krug mit ähnlichem Angriff am oberen Rand, gleichfalls aus edlem Serpentin, mit einer auffallend vornehmen Fassung versehen hat (V, 385). Ob der Krug gleichfalls eine antike Arbeit ist, oder ob die Form des Angriffs der an dem Schälchen nachgebildet ist, wird wohl schwer zu entscheiden sein. Durch die Marken enthüllt sich als Urheber der Fassung ein Augsburger Meister, nach R 283 vielleicht Philipp Benner, 1573–1634. Der Angriff ist hier ohne Fassung gelassen.

An anderen schon im Mittelalter mit Metallfassung versehenen Steingefäßen, die mehr der Kugelform sich nähern, findet sich ein solcher oder ähnlicher einseitiger Angriff häufig, der gleich aus demselben Stück des Steins mit der Gefäßform zugleich gebildet ist. Zweierlei ist möglich. Das Gefäß kann ein antikes sein, oder die Form ist erst im Mittelalter dem Stein gegeben worden und die Art des Angriffs geht auf die Antike zurück.

Es ist mir gelungen, einen ganzen Wandschrank im Grünen Gewölbe mit mittelalterlichen Gefäßen anzufüllen. Darunter befinden sich einige Gefäße aus Bergkristall und Halbedelsteinen in silbervergoldeter Fassung, deren Steinkörper schon mit einem ähnlichen Angriff versehen ist, der aber nicht am Rand, sondern an der Gefäßwand sitzt. Der Angriff erhält aber ebenso eine Metallfassung, wie das Gefäß selbst. Es bleibt ungewiß, ob von Anfang an das so gemeint war oder ob der stehengebliebene Steinzapfen ursprünglich [31] länger war. Jedenfalls dient die Metallfassung dazu, den Angriff zu verlängern, häufig indem die Fassung in einen Rollkopf ausläuft, wie das bei dem Becher der Königin Hedwig von Polen zu sehen ist (Tafel 3).

Daß diese kugelartig geschliffenen Gefäße mit Angriff schon für eine Metallfassung berechnet waren, das beweist ihr Zapfen am Boden, der als Einsatz in den Metallfuß dienen sollte. Der Fuß wird fast stets bei den Gefäßen mit Angriff kurz gehalten. Das Gefäß war wohl zunächst als Trinkgefäß entstanden. Ein Deckel war dazu nicht nötig. Doch bei der mittelalterlichen Fassung ist ein Deckel hinzugefügt worden. Bei dem Becher der Königin Hedwig aus Silber, und zwar ersichtlich später, als die Fassung von Fuß und Angriff. Ein solcher Deckel mag oft entstanden sein, um das edle Gefäß mit weiterem Schmuck zu versehen und um dem Gefäß einen Abschluß zu geben. Er hat aber oft auch seinen Ursprung daher, daß das Gefäß für andere Zwecke bestimmt wurde, daß es nicht mehr als Trinkbecher oder Schöpfbecher zu dienen hatte, wie uns in Ciceros Rede gegen Verres ein Gefäß aus Halbedelstein mit goldenem Griff als Weinschöpfer genannt wird. Die Gefäße sind häufig wie auch der Becher der Königin Hedwig der Kirche gestiftet worden und erhielten damit zugleich auch eine andere Verwendung, sei es als Reliquienbehälter oder als Hostienbüchse oder zu anderem kirchlichen Kultzweck. Dazu war dann auch der Deckel erforderlich. So beweist z. B. an dem kleinen kugelförmigen Gefäß aus Bergkristall der an dem Fuß angebrachte Bischofsstab seine kirchliche Bestimmung (Tafel 3). Der Deckel wiederholt oft die Form des Gefäßes in kleinerem Maßstab, so an dem gotischen Gefäß mit Angriff aus Serpentinstein (Tafel 3). Ein anderes ähnlich auf flachen Fuß gesetztes Gefäß aus zusammengewachsenem Achat und Amethyst hat einen silbernen Deckel erhalten. Sein Angriff, in Silber gefaßt, erhielt ebenso wie der Fuß im 15. Jhdt. einen eigenartigen figuralen Schmuck mit auf Löwen reitenden Männern und Frauen. Die Engelsfigur auf der Fassung des Angriffs läßt erkennen, daß das Gefäß gleichfalls eine kirchliche Bestimmung erhalten hatte (Tafel 2).

Wieder andere solche Steingefäße von hohem Alter sind zwar ohne den Angriff geschliffen, lassen aber durch ihren Zapfen am Boden erkennen, daß sie schon bei der Entstehung in einen Metallfuß eingepaßt werden sollten. In einem Fall ist um 1400 ein solches Gefäß aus Bergkristall durch seine vergoldete Silberfassung zu einer Deckelkanne bestimmt worden (Tafel 2. V, 276), und konnte so als Abendmahlskanne verwendet werden.

[32] Das Grüne Gewölbe besitzt ein fatimidisches Bergkristallgefäß von schlanker Form, gleichfalls ohne Angriff, des 10.–12. Jhdts. (Tafel 2), das unten kugelig leicht ausgebaucht nach oben mit breitem hohen Hals gebildet ist. Die Fassung stammt erst aus dem 16. Jhdt. Das Stück war ebenso für eine Fassung bestimmt, wie der Zapfen am Boden beweist. Das Gefäß hat sicher mehrmals seine Fassung gewechselt, von einer Fassung des 13. Jhdts. ist der Lippenrand erhalten geblieben. Die Fassung, die ihm dann inschriftlich im Jahr 1560 gegeben wurde, steht schon unter dem Einfluß der Renaissancepokale des 16. Jhdts. Es ist also, im Gegensatz zu der Pariser Kristallvase, hier der Gefäßkörper in die Höhe gerückt durch einen schlanken Fuß, dessen künstlerische Verzierung, wenn sie auch mit dem spitzblättrigen eingeschnittenen Akanthusornament keinen Einklang erstrebt, die hohe Wertschätzung des Gefäßes erkennen läßt. Der eine halbkugelige Kristallschale (heute durch Glas ersetzt) umfassende Deckel, der als Abschluß die Form nach oben abrundet, ist erst mit der Renaissancefassung hinzugekommen. Das Gefäß selbst wird wohl auf einer Pilgerfahrt von Jerusalem hierher gekommen sein. Leider ist die Fassung ohne Marken gelassen, wodurch deren Entstehungsort unbekannt bleibt, wenn auch der Künstler selbst, durch eine in den Boden unter dem Gefäß eingelassene kleine Kanne wohl seinen Namen andeuten wollte.

Neben diesem Bergkristallgefäß arabischen Ursprungs, das rund 500 Jahre nach seiner Entstehung seine deutsche Fassung erhielt, besitzt das Grüne Gewölbe noch eine Gruppe von Pokalen mit Bergkristallgefäßen, deren Form nicht auf ausländischen Ursprung zurückzuführen sein wird. Das Kristallgefäß hat vorwiegend die Form eines nach oben kegelförmig erweiterten Bechers, ist entweder glattwandig oder in senkrechten Kanten und Flächen geschliffen. Der Zapfen unter dem Boden läßt erkennen, daß es von vornherein als Einsatz in einen Metallfuß entstanden war. Das Gefäß hat stets einen Deckel, entweder aus Metall oder aus in Metall gefaßtem Kristall. Lichtwark, der ausschließlich den Metallpokal im Ornamentstich im Auge hat, sagt S. 62 (Der Ornamentstich, Berlin 1888) „Seine Gestalt in der spätgotischen Periode schließt sich im allgemeinen an das Vorbild des romanischen Abendmahlkelches“. Einschränkend fügt er aber gleich hinzu: „Aber der hohe Fuß hat nur selten einen Nodus (Knauf), der Körper wird ganz frei entwickelt und es tritt ein reich verzierter Deckel hinzu“. Es bestehen also doch recht erhebliche Unterschiede zwischen dem hohen schlanken Deckelpokal und dem [33] gedrungenen Abendmahlskelch, dessen Fuß und Knauf dem Schaft kaum Gelegenheit zur Entwicklung bieten und der stets ohne Deckel bleibt. Mir scheinen die Ziborien, die Gefäße für die Hostie, und die mannigfachen monstranzartigen Reliquiengefäße, die stets einen hohen Fuß und einen krönenden Abschluß haben, dem Deckelpokal näherzustehen.

Das Grüne Gewölbe besitzt einen hohen Deckelpokal mit Bergkristallkörper aus dem 13. Jhdt. (Tafel 1. V, 233), das in seinem Aufbau und in seiner schlanken Gestalt den Ziborien und Monstranzen jedenfalls weit nähersteht, als den Abendmahlskelchen. Da das Gefäß aus Kristall besteht, diente es wohl als Monstranz, um die darin aufbewahrte Reliquie sichtbar werden zu lassen. Die Becherform des in senkrechten Kanten geschliffenen Gefäßes charakterisiert die Entstehung des Gefäßes als Trinkgefäß, dessen Kristall zugleich auch dazu geeignet ist, die goldene Farbe des Weines zur Wirkung zu bringen. Erst später ist es dann zu einem kirchlichen Gerät umgestaltet worden. Die Form des Fußes, des mit einem Knauf versehenen Schaftes und des Deckels stimmt mit den Formen von Ziborien und Monstranzen überein. Auch die hohe eigenartige Spitze des Deckels ist den Krönungen der Monstranzen verwandt. Die Fassung ist durch aufgelegtes Filigran belebt, eine farbige Belebung wird durch aufgesetzte Edelsteine in Kastenfassung erreicht. Die Notwendigkeit, dem Gefäß eine feste dauerhafte Verbindung mit dem Metall zu geben, hat dazu veranlaßt, die Fassung des Randes mit der Fassung des Bodens durch Schienen zu verbinden, die mittels Scharnieren befestigt sind. Die früheste Verwendung solcher Schienen wählt wie hier noch ganz einfache Form, der glatte Metallstreifen wird nur durch Gravierung verziert. Mit der Zeit wird auch die Schiene mannigfach reicher ausgestattet, z. B. als Flechtband gebildet, bis dann in der Renaissance größter Reichtum und plastische Bildung bevorzugt wird, so daß die Schiene ein wesentliches Glied der Verzierung bildet. Bei allen diesen Steingefäßen scheint die Naturform schon ihre verarbeitete Gestalt bestimmt zu haben. Eine Ausnahme davon bildet das folgende Stück.

Aus der gotischen Zeit enthält das Grüne Gewölbe einen kleineren Deckelpokal, er besteht samt Fuß und Deckel aus rot und gelb marmoriertem Jaspis (Tafel 4. V, 488). Das Gefäß hat kegelförmige Becherform, wie sie in Metall vorgebildet ist. Die Treibtechnik hat an diesen kegelförmigen Bechern in Metall die dem Silber eigentümlichen Vorzüge der Dehnbarkeit [34] zur Geltung gebracht und daraus schließlich den mit zwei Reihen von Buckeln versehenen Pokal gebildet. Auf diesem Wege konnte unser Gefäß aus Stein nicht folgen, es behält die Kegelform des Bechers bei. Aber doch können wir beobachten, daß hier im Stein ästhetische Mittel, die mit der Treibtechnik zugleich in Anwendung gekommen waren, übernommen wurden. Ein solches häufig angewandtes Ziermotiv des gotischen Bechers besteht darin, daß der Becher in der Achse eine scheinbare Drehung erhielt, indem die Buckel fischblasenartig schräg auslaufen. So ist ähnlich auch hier an dem Jaspispokal das Gefäß und der Fuß mit schräg um die Becherform sich windenden Rillen versehen worden, ohne daß dadurch das Gefäß in seinen Umrissen eine Umwandlung erfahren hätte. Auch darin folgt der Pokal der gotischen Entwicklung, daß der Knauf des Schaftes fortgelassen wird und dieser aus dem Fuß in mäßiger Schweifung herauswächst, sowie daß die Verbindungsstelle zwischen Gefäß und Schaft durch einen herabfallenden Blattkranz aus Silber verdeckt wird und daß der Rand des Deckels einen silbernen Blattkranz erhält.

Während die Wertschätzung des edeln Steines die Veranlassung gab, diesem Gefäß seine kunstvolle Fassung zu geben, ist anderseits auch schon das Glas mit einer solchen ausgestattet worden, dann aber mußte es schon durch eigenen Kunstwert hierzu den Anreiz geben. Aus dem Orient sind im Mittelalter wegen ihrer Emailmalerei hochgeschätzte Gläser nach Europa gekommen, zumeist Prachtgefäße größeren Umfangs, seltener einfachere Formen wie die beiden am Rande erweiterten Glasbecher (Tafel 1), die in ihrer Emailmalerei aber hinter jenen nicht zurückstehen, wodurch sie auch nicht etwa als bloße Gebrauchsgefäße anzusehen sind. Das eine von ihnen, mit reitenden Polospielern emailliert, erhielt schon am Fuß eine Einfassung mit Sockel aus vergoldetem Silber, deren eingravierte Akanthusranken zu Anfang des 15. Jhdts. entstanden sind, allem Anschein nach in Deutschland. Der Deckel aber ist erst in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. hinzugekommen. Das andere Glas, mit einer Wasserjagd auf Reiher emailliert, erhielt Fuß und Deckel wohl auch zu Anfang des 15. Jhdts. Sein Knauf steht dem Knauf einer Monstranz in Burg Eltz nahe (Abb. 225 bei Creutz). Wieder wird das Gefäß durch Schienen zwischen Fußrand und Mundrand festgehalten.

Diese Gefäße waren, ebenso wie das Bergkristall-Ziborium, von Anfang an nicht für die Fassung in Metall entstanden. Wir besitzen aber im Grünen Gewölbe auch Beispiele dafür, daß ebenso wie die kugelförmigen Gefäße mit [35] Angriff aus Bergkristall oder Halbedelstein auch kegelförmige Gefäße in der einfachen Becherform des Trinkglases schon bei der Herstellung für eine Metallfassung bestimmt waren. Hier ist es wahrscheinlich, daß der Bergkristallkörper erst in Deutschland seine Form erhielt. Wenn auch gerade beim Bergkristall, um dessen Größe möglichst auszunutzen, die Form des daraus geschliffenen Gefäßes sich zumeist der Naturform anschließt, was der Kunstübung einer späteren Zeit den Anlaß zu den mannigfachsten Gefäßkörpern gab, so bemerken wir doch beim ausgehenden Mittelalter, daß die Becherform bevorzugt wurde, der jeder Angriff fehlt. Das führte zu der Herstellung von Deckelbechern auf niederem oder hohem Fuß, dessen Bergkristallgefäß glatt oder kantig geschliffen ist. War das Stück Bergkristall aber flacher und breiter, dann wird es zu einer Schale geschliffen, der Aufbau des Bechers bleibt aber der gleiche, wie bei den Körpern von kegelförmiger Bechergestalt. Die Schale erhält dann zumeist durch den Schliff noch eine Musterung in gotisierenden Wellenwindungen oder in Facetten.

Das früheste Stück dieser Art scheint der Kristallbecher mit gebuckeltem Deckel (Tafel 6, 3) zu sein, dessen Fuß und Schaft aus einem unregelmäßig eckigen Stück grauen Achats gebildet ist, wohl um 1520 entstanden. Der kantige schlanke Schaft steigt unvermittelt aus dem breiten Fuß auf, an der Ansatzstelle des Bergkristallkörpers wird der Schaft nach gotischer Art von einem durchbrochenen Blattkranz umhüllt. Die aufwärts gerichteten Bogenrippen des Kristalls machen um die Achse des Bechers eine Drehung nach rechts, ebenso auch die getriebenen Fischblasenbuckel des Deckels. Die langgestreckten Enden der Fischblasen vereinigen sich zu einer aufstrebenden Spitze, deren Knopfendigung von einem antiken Krieger gekrönt ist. Dem Becher fehlen die Goldschmiedemarken, die erst um 1540 eingeführt wurden. Falls die Kriegerfigur gleichzeitig mit der übrigen Fassung entstanden ist, dann könnte der Becher auch erst in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. entstanden sein, wodurch, wie besonders häufig an den silbernen Pokalen, auch an diesem Stück das lange Fortleben gotischer Formelemente illustriert würde.

Die übrigen deutschen Bergkristallpokale bekunden in ihrem Aufbau sowohl wie in ihrer getriebenen oder geätzten und teilweise auch gegossenen Verzierung ihre Entstehung nach dem Einzug der Formen der Renaissance. Sowohl der noch ohne Marken gelassene Becher mit kurzem Fuß (Tafel 6, 1) mit einem schön gravierten silbernen Mundrand, wie auch der Becher mit [36] hohem Fuß (Tafel 6, 2), dessen Kristallkörper durch gegabelte Schienen gehalten wird und dessen Mundrand mit Mauresken graviert ist, das bezeichnete Stück eines Meisters aus Freiburg i. B. Wenn auch ohne Marken, ist der Pokal mit ovaler Kristallschale (Tafel 8, 2) doch nach dem wagrecht gegliederten Aufbau von Fuß und Schaft und seiner getriebenen Rollwerkverzierung offenkundig ein Werk der Spätrenaissance. Die Zeit seiner Entstehung wird bestimmt durch das unter dem Boden der Schale gemalte Wappen der Herzogin Erdmuthe von Stettin-Pommern, vermählt 1577, gest. 1600. Etwa die gleiche Entstehungszeit hat ein Londoner Kristallpokal mit facettiertem Schliff der in England beliebten breiten Schale, der durch seine Marken auf den Ort seines Ursprungs hinweist.

Ein Beispiel dafür, wie ein aus früherer Zeit vorhandener Kristallbecher erst in späterem Besitz seine kunstvolle Fassung und Ausgestaltung erhielt, bietet der Nesensche Lutherpokal (Tafel 7, 2). Nach der in der Familie Nesen geltenden Überlieferung hat ihn Martin Luther seinem Freund, dem Wittenberger Professor Wilhelm Nesen, gest. 1524, geschenkt. Ob der Becher schon bei der Schenkung eine Fassung hatte, ist nicht bekannt. Seine Umwandlung in einen Pokal auf hohem Fuß erhielt er erst im Besitz von dessen Bruder, dem Bürgermeister von Zittau, gest. 1560, um die Mitte des 16. Jhdts. durch den Nürnberger Goldschmied Christoff Ritter d. Ä.

Wie alle diese Pokale mit Bergkristallkörper annehmbar deutschen Ursprungs sind, so auch der Pokal mit Kristallschaft, dessen Bergkristallschale dazu die Anregung gegeben hat, ein Ziergerät zu bilden in der im 17. Jhdt. den reinen Silbergeräten öfter gegebenen Form eines Schiffes (Tafel 7, 1). Außer der Tracht der Schiffsbemannung zeigt auch die Tiermaske an der Schiffsreeling, daß das Ziergerät erst nach der Mitte des Jahrhunderts entstanden ist. In glücklicher Erfindung wird das Schiff von vier Delphinen getragen, die zugleich die Verbindung mit dem Schaft herstellen.

Diese Kristallgefäße waren alle mittels des Steinschliffes hergestellt, zu Ende des 15. Jhdt. wurde zuerst in Italien der Steinschnitt zu neuem Leben erweckt und einerseits nach antikem Vorbild zur Herstellung von Gemmen und Kameen aus Halbedelsteinen verwendet, anderseits in besonders glücklicher Weise zur Veredelung der geschliffenen Bergkristallgefäße, indem diese teils vertieft, teils erhaben mit figürlichen oder ornamentalen Verzierungen versehen wurden. Die Technik wurde unter Kaiser Rudolf II. (reg. 1576–1612) durch [37] Italiener nach Prag übertragen und hier widmeten sich ihr bald auch deutsche Meister. Daneben war diese Kunstfertigkeit aber auch schon in Nürnberg und in München heimisch geworden und dann auch nach anderen Orten in Deutschland verbreitet worden. Wie hoch man im ausgehenden 16. und 17. Jhdt. noch diese zu hohem künstlerischen Rang erhobenen Ziergefäße schätzte, ersieht man daraus, daß diese zumeist auch in rein goldener, meist mit Email kunstvoll verzierter und mit Juwelen geschmückter Fassung vollendet wurden. Da diese Goldfassung stets ohne Goldschmiedemarken gelassen wurde und die deutsche Verzierungsweise der italienischen sehr nahe kam, so ist es heute äußerst schwierig, das Ursprungsland dieser kleinen Kunstwerke zu ermitteln. Wir werden noch die charakteristischsten Beispiele dieser im Grünen Gewölbe besonders reich vertretenen Gruppe kennenlernen. Sie hat nahezu vollständig den Pokal auf hohem Schaft mit kegelförmig geschliffenem Kristallgefäß im 17. Jhdt. verdrängt. Das Grüne Gewölbe besitzt doch noch ein spätes Stück dieses Typus, einen Deckelpokal, dessen ovales Gefäß und Deckel aber auch die Technik des Steinschnitts in vertiefter Verzierung angewendet zeigt, auf der vorderen Breitseite des Gefäßes ist Diana im Bad eingraviert, auf der hinteren ein von Hunden verfolgter Hirsch. Der Deckel ist in vergoldetem Silber mit der gegossenen Figur des Aktaeon mit zwei Hunden gekrönt. Der hohe Schaft verrät den Wandel des Geschmacks, indem die Stelle des Knaufs von einem gelagerten Hirsch in vergoldetem Silber eingenommen wird. Dieser Jagdpokal ist sowohl in den Kristallteilen, wie in der silbervergoldeten Fassung und Montierung sicher als deutsches Erzeugnis vom Ende des 17. Jhdts. anzusprechen, vielleicht in Dresden entstanden (Tafel 8, 1).

Den Steingefäßen kamen im Mittelalter an Beliebtheit mindestens gleich die Trinkhörner, wozu alle Arten Hörner der Wiederkäuer verwendet wurden. Insbesondere bei den germanischen Völkern reicht ihr Gebrauch bis in das höchste Altertum zurück. Cäsar erwähnt in seinem Buch de bello gallico, daß die deutschen Stämme solche mit Reifen beschlagene Trinkhörner bei sich führten. Manche dieser Hörner, als „Greifenklauen“ bezeichnet, gelangten später in die Kirchenschätze und erhielten dann auch als Reliquienbehälter oder Salbölgefäße kirchliche Bestimmung, wovon uns die Heiltumsbücher des endenden 15. und des 16. Jhdts. noch Kunde geben. Ihre Fassung läßt dies auch noch durch dabei angebrachte kirchliche Motive erkennen. Neben dem Schmuck der Reifen und des Mundrandes ist zumeist dabei die Spitze des [38] Horns noch besonders verziert. Am glücklichsten aber kommt die Phantasie des Silberschmieds zur Geltung, um den Hörnern Standfestigkeit zu verleihen, hierzu werden menschliche Beine, Tierfüße, Vogelkrallen, ja auch ganze Menschen- und Tiergestalten und diese oft in vorzüglicher Stilisierung angewendet (Tafel 4 und 5). Als weltliche Trinkgefäße waren diese Tierhörner noch bei der Ausstattung von Jagdhäusern beliebt bis in das 16. Jhdt. hinein, wofür ein künstlerisch wertvoll ausgestattetes Horn des Dresdner Silberschmiedes Valentin Grefner (Tafel 11) im Grünen Gewölbe als Zeugnis dient. Dann aber verschwindet diese Gefäßform, um erst im 19. Jhdt. für Vereine und studentische Verbindungen in oft weniger geschmackvoller Ausstattung wieder zu erstehen.

Manchen der zu den Gefäßen verarbeiteten Steinarten und der seltenen Tierhörner wurden geheime Kräfte zugeschrieben und diese darum als Schutz gegen die Macht des Bösen und als Gegengift erworben. Solche Bedeutung erlangten auch die Haifischzähne. Wir sehen solche um 1500 zu einem gotischen Andachtsstück verwendet, wo die auf dem Stammbaum Christi sitzende Madonna mit Kind zu Häupten des schlafenden Abraham in gotischem Laubwerk vor einem größeren solchen Zahn sitzt, während von dem Laub die kleineren Zähne wie Früchte herabhängen. Es scheint, als ob hier ein ähnlicher Gedanke die Komposition bestimmt hätte, wie bei den Darstellungen der Madonna über dem Halbmond. Die zierliche Arbeit gehört nicht zum alten Bestand der Sammlung, ist aber zweifellos deutschen Ursprungs (Tafel 9, 1).

Das Grüne Gewölbe besitzt nur wenig Gegenstände, denen man ohne weiteres ihre ursprüngliche oder frühere kirchliche Bestimmung an der Form schon ansehen kann. Die im Mittelalter typisch gestalteten Ziborien, Monstranzen und Hostienbüchsen sind hier nicht vertreten, der frühere kirchliche Besitz scheint in Sachsen durch die Reformation zumeist vernichtet worden zu sein und in die weltliche Schatzkammer der Wettiner ist damals vielleicht nur das übergegangen, was in dem erwähnten Schrank im Silberzimmer jetzt vereinigt ist. Nur eine Nachricht scheint darauf hinzudeuten, daß einzelne Gegenstände aus dem Dom zu Meißen hierher gelangten, doch ist darüber nichts Genaueres mehr festzustellen. Andere gehörten offensichtlich zu dem Privatbesitz der sächsischen Herzöge und Kurfürsten. So ist auch ein Stück, ein ganz goldener und reich mit Email und Edelsteinen verzierter kirchlicher Abendmahlskelch, zu dem noch ein Weinkännchen gehört, nach den [39] älteren Angaben aus dem Nachlaß der sächsischen Kurfürstin Magdalene Sibylle erst nach 1659 in das Grüne Gewölbe gelangt. Der Kelch ist ausgestattet mit dem Wappen des Erzbischofs und Kurfürsten von Köln, Johann Gebhardt Graf von Mansfeld, 1558–1562 (Tafel 10). Seine Form sowohl wie seine Verzierung lassen es zweifelsfrei erkennen, daß der Kelch erst für diesen angefertigt wurde. Wie aber dieser dann mit seinem Kännchen nach Dresden gelangte, das bleibt unbekannt. Wahrscheinlich kamen die Stücke nach Ableben des Erzbischofs in den Besitz seiner Verwandten, der Grafen von Mansfeld, um bald darauf infolge ihrer Verschuldung in brandenburgischen oder sächsischen fürstlichen Besitz überzugehen. Das Stück ist dadurch besonders wichtig, daß wir an ihm den Stand der Kunstfertigkeit der rheinischen Goldschmiede und insbesondere ihre sichere Behandlung des Emails kennenlernen. Ebenso sehen wir auch an ihm, wie die Form des 15. Jhdts. zwar noch vorbildlich blieb, aber doch auch schon an dem Knauf eine erkennbare Abwandlung erfuhr, während die mit Grubenschmelz erfüllten glatten Flächen des Schaftes und des im Sechspaß gebildeten Fußes, ebenso auch die glatte Cuppa, diese Form noch beibehalten, wogegen die Reliefverzierung mit dichtem emaillierten Rollwerk die Form des Knaufs und den unteren Rand der Cuppa völlig umwuchert in dem Streben nach reichstem Prunk. Im Gegensatz hierzu ist die Verzierung des noch die Formen des frühen 15. Jhdts. bewahrenden Kännchens nur auf einzelne Zonen beschränkt, steht aber sonst mit der des Kelches ganz im Einklang (Tafel 9, 2).

In den seit dem Eindringen der Renaissanceformen in Deutschland für das sächsische Fürstenhaus entstandenen Gefäßen und Geräten zu kirchlicher Verwendung oder auch zu privater Andacht haben sich die Silberschmiede völlig unabhängig gemacht von den typischen Formen der heimischen Vergangenheit und ihrer Verzierungen. An künstlerischem Wert werden alle überragt von dem am frühesten entstandenen Gerät dieser Art, das zweifellos für Herzog Georg den Reichen von Sachsen (reg. 1500–1539) gegen Ende seiner Regierung entstanden ist. Es ist die älteste uns erhaltene Taufschüssel und Taufkanne der Wettiner, von einem Formenadel und einer technischen Vollendung der Ausführung, wie nur wenig Werke der deutschen Goldschmiedekunst (Tafel 12 und 13). Kein geringerer als Peter Flötner, gest. 1546, hat hierzu die Entwürfe und Modelle gemacht und der Nürnberger Silberschmied Melchior Baier, der nach Flötners Modellen auch den berühmten Silberaltar in Krakau [40] für Georgs Schwager, König Sigismund, ausgeführt hat, ist der Verfertiger beider Geräte. Es ist mir gelungen, dies aus den stilistischen Zusammenhängen mit den durch die Bezeichungen beglaubigten Werken beider Meister festzustellen. (Vgl. Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen XLVI, 1925 S. 60 ff.)

Bei beiden Gegenständen tritt die Verwendung von Perlmutterplättchen gleichwertig neben dem vergoldeten Silber auf. Es scheint, Peter Flötner ist der erste gewesen, der den hohen ästhetischen Wert der in allen Farben schillernden Perlmutterplättchen erkannt hat und der diesem heute durch unkünstlerische Behandlung entwerteten Material neben der kunstvollsten Bearbeitung von Gold und Silber diesem gleiche Bedeutung verschafft hat. Wann zuerst die Perlmuttermuschel in Deutschland Beachtung gefunden hat und zu Ziergegenständen verarbeitet wurde, habe ich nicht feststellen können. Es ist aber wohl möglich, daß auch neben den Straußeneiern und Kokosnüssen, die schon im Mittelalter, vielleicht auch schon im Altertum zu Geräten und Gefäßen verarbeitet wurden, wovon wir durch die Abbildungen in den Heiligtumbüchern unterrichtet sind, auch schon die Perlmuttermuscheln, deren farbenschillernder Glanz bekanntlich erst durch das Abschleifen der Oberfläche zutage tritt, Beachtung und Verwendung gefunden haben. Diese Muscheln sind zumeist schon an ihren Fundstellen verarbeitet worden und teilweise auch schon an der weißen Schicht mit eingeritzten oder ausgesparten Szenen oder Ornamenten versehen worden und in den Handel gekommen und so nach Europa gelangt. Als frühestes Beispiel dafür, daß die ganze Muschel zu einem Ziergegenstand hier verarbeitet wurde, dient uns die Abbildung in dem Aschaffenburger Inventar des ehemaligen Domschatzes der Stiftskirche zu Halle unter Erzbischof Albrecht von Magdeburg von 1526, die die Halbfiguren eines antiken Kriegers und einer Frau aus einer solchen Perlmuttermuschel herausragend zeigt. Früher als zu solchen Verbindungen scheint die in kleine Plättchen zersägte Perlmutterschale zur Verzierung von Flächen durch Einlegearbeit verwendet worden zu sein. Diese Intarsiaarbeit scheint aus dem Orient sich zuerst in Italien eingebürgert und von hier aus auch in Deutschland sich verbreitet zu haben. Im Grünen Gewölbe sind mehrere Kästchen und eine große Schüssel mit verschiedenartigen Perlmutterplättchen in Asphaltgrund eingelegt, deren Silberschmiedefassung allerdings erst vom Ende des 16. Jhdts. herrührt, deren Musterung aber so engen Anklang an die orientalische Maureske [41] zeigt, daß man die Kästchen und die Schale selbst schon für orientalischen Ursprungs gehalten hat.

Anders als in diesen Stücken ist das Taufgerät mit Perlmutterplättchen belegt, diese sind in Schuppenmusterung direkt aneinandergesetzt und durch ein Klebemittel auf dem Untergrund befestigt, der bei der Schale aus Holz, bei der Kanne aus Kupfer besteht. Die Musterung beider Gegenstände verrät keinerlei Anklang an fremdartige Ornamentik, ihr feines Linienspiel und der stets wechselnde Glanz des Mosaiks steht mit der vornehmen künstlerischen Wirkung der vergoldeten Silberfassung und ihrer graziösen Verzierung in vollkommenster Harmonie. Jedenfalls hat der Künstler durch die Verwendung des Perlmuttermosaiks gegenüber der Wirkung, die von ausschließlich in vergoldetem Silber hergestellten Geräten ausgehen kann, eine Steigerung zu erzielen gewußt, indem zu den Glanzlichtern des Metalls, die die zierliche Ornamentik beleben, noch in den glatten ebenen oder gewölbten Flächen der Geräte das irisierende unter der Oberfläche der Plättchen hervorleuchtende Farbenspiel hinzukam. Eine vornehmere künstlerische Wirkung ist selten mit diesem Material erzielt worden. Diese beiden Stücke, und einige wenige andere des Grünen Gewölbes, die ihnen nahekommen, könnten heute sehr wohl noch als Vorbilder dafür dienen, dem heute zwar billigen aber mit hohem Farbenreiz erfüllten Material wieder künstlerische Verwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Wie sehr es dabei darauf ankommt, wer das Naturprodukt verarbeitet, das läßt gerade unser Taufgerät erkennen.

An der großen runden Taufschüssel ist das Perlmuttermosaik des Bodens und der Kehle des Randes durch einen schmalen vergoldeten Silberreifen getrennt, dieser ist abwechselnd durch Blattmasken und Cherubimköpfchen in 12 Felder geteilt, die mit betonter Mitte durch stilisierte symmetrische Pflanzenranken in gegossener Arbeit erfüllt sind. Der breitere flache silbervergoldete Tellerrand hat eine Einteilung in sechs Felder durch Lorbeerkränze, in denen gegossene Büsten hervorragen. Die Mitten der Felder sind abwechselnd durch eine oder zwei Figuren ausgestattet, groteske Halbfiguren, die symmetrisch in Ranken auslaufen, einmal vertritt ein antiker Harnisch die Stelle der Halbfigur. Die doppelten Figuren sind einmal Rücken an Rücken gestellt, dann halten sie eine Vase, endlich auch wird eine solche Vase von zwei Kindern gehalten, die von ihr fortlaufen und sich an der aus der Vase sprießenden Ranke halten. Dieses letztere Motiv sehen wir ähnlich verwendet an einer [42] von Erzbischof Albrecht von Brandenburg dem Dom zu Köln gestifteten Kußtafel und dadurch steht es in Zusammenhang mit einem von Peter Flötner mit seinen Namensinitialen bezeichneten Holzschnitt. Kein anderer deutscher Künstler verfügt auch über eine so graziöse Linienführung und der von ihm bevorzugten Vereinigung von Akanthusranken mit Weinlaub. Alle einzelnen Motive hat er in der Lombardei allerdings schon vorgebildet gefunden, aber sein künstlerisches Eigentum bleibt doch die ganze Komposition und deren Linienrhythmus; an klassischer Vollendung der Komposition und ihrem Formenadel wird das Werk von keiner Arbeit der Italiener überboten.

Das gleiche gilt auch von der Taufkanne, deren gedrückte Kugelform, mit Perlmutterplättchen belegt, in einer hohen Eingußröhre mit flachem Deckel Hals und Kopf erhielt, der mit dem Körper durch einen Delphinhenkel verbunden ist, ein Delphin vertritt auch den Ausguß, Reifen und Schienen halten die Metallteile zusammen und verbinden sie mit dem geschweiften kurzen Fuß. In der Verzierung dieser so entstandenen formvollendeten Kanne ist ein wohlbedachter Wechsel zu beobachten, den glatten Flächen des Körpers und Halses folgen die breiteren flüssigen Formen der beiden Delphine, während Deckel, Halsreifen und Fuß wieder mit feinzisiliertem Rankenwerk erfüllt sind, das am Fuß durch aufgelegte Löwentatzen in vier Felder geteilt ist, über deren Mitte Widderköpfchen vorragen. Durch diese Zutaten wird die Kanne als eine Arbeit der gleichen Werkstatt erkennbar, die eine Fruchtschale der Münchener Hofsilberkammer hergestellt hat, und diese trägt die Marken des Nürnberger Goldschmieds Melchior Baier, desselben Meisters, der nach Flötners Entwürfen die Krakauer Altarausstattung nach Neudörfers Zeugnis hergestellt hat. Wir haben also in Melchior Bayr den Meister zu erkennen, der für Herzog Georg dieses sein Taufgerät nach Flötners Entwürfen ausführte.

Unter den Nachfolgern des Herzogs Georg von Sachsen hatte Kurfürst August, der zweite Sohn seines Bruders Heinrich, den regsten Sinn für alle Handwerkskünste und er hat viele hervorragende Werke erworben, die heute noch im Historischen Museum, im Mathematischen Salon und im Grünen Gewölbe verwahrt werden. Nicht minder haben dazu durch ihren Prunksinn sein Sohn und Enkel, die beiden Christiane, beigetragen. Das zunehmende Interesse für Werke der Gold- und Silberschmiedekunst und für alle Kleinkünste und technische Bravourstücke lag ganz im Sinn der Zeit, die in all [43] diesen Werken zu hoher Kunstfertigkeit gelangte. Die alten Kunststädte Nürnberg und Augsburg gingen in der Erfindung und künstlerischen Entwicklung wohl den Residenzen der deutschen Fürsten und den größeren Handelsstädten voran, aber bald erreichten auch deren Meister die gleiche Stufe der Vollkommenheit und künstlerischen Geschmacks. So mögen wohl noch die in Dresden vorhandenen Kunstgegenstände von höherem Kunstwert dieser Art aus der Zeit von Kurfürst August auswärtigen Meistern zu danken sein, unter seinen Nachfolgern nehmen die im Land erzeugten Werke oft zumindest den gleichen Rang ein. Schon zu Zeiten Kurfürsts August (reg. 1553 bis 1586) zählten zu den berühmtesten Nürnberger Werkstätten die der Lencker und der Jamnitzer, so erscheint es also naheliegend, daß er von deren Meistern sich Werke zu verschaffen suchte.

Von Elias Lencker, der in Nürnberg 1562 Meister wurde, besitzt das Grüne Gewölbe einen Kalvarienberg, der im Jahr 1577 entstand (Tafel 14), dieser ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse. Zeigt er doch die umfassendste Verwendung monströs gebildeter Perlen, also solcher Perlen, die während ihres Wachstums eine krankhafte Veränderung erlitten und dadurch ihre sonst regelmäßige Form einbüßten, so daß sie zur Verwendung des Schmucks der Kleidung untauglich schienen. Man findet vereinzelt solche verkrüppelte Stücke auch schon zu jener Zeit zu den damals beliebten Anhängern verwendet, die in allen möglichen Gestalten ausgeführt wurden, als Menschen und Tiere, oder auch als Geräte, wozu also die zufällige Form einer solchen Perle gelegentlich für einzelne Teile passend erscheinen mochte. Die verbreitetste Verarbeitung in dieser Art finden wir aber erst zu Anfang des 18. Jhdts. Lencker hat eine ganze Sammlung dieser Perlen benutzt, um daraus den zum Teil unterhöhlten Berg zu gestalten, auf dem das Kreuz Christi errichtet ist, eine besonders künstlerische Wirkung hat er damit nicht erreicht. Es fällt noch auf, wie die Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Perlen mit Moos und anderen kleinen Pflanzen bedeckt sind, wie auch hier und da Sträucher und Bäume, sowie kleine Tiere den Berg beleben. Es sind das nach der Natur gegossene Pflanzen und Tiere, vermittels eines in der deutschen Vitruvausgabe beschriebenen Verfahrens, das auch in der Werkstatt Jamnitzers geübt wurde. Es ist das immerhin bemerkenswert wegen der daran bewährten Virtuosität des alle Schwierigkeiten leicht überwindenden Könnens. In künstlerischer Hinsicht verdienen an dem Calvarienberg die Gestalt Christi, sowie [44] die sechs getriebenen Szenen in Relief am Sockel aus der Passion Christi mehr Beachtung.

Wir haben hinreichend charakteristische Zeugnisse dafür, daß zur Zeit der Kurfürsten Christian I. und II. in Dresden und Leipzig Gold- und Silberschmiede für den Dresdner Hof tätig waren, die vor den auswärtigen Meistern in nichts zurückstanden. Ein unerhörter Aufwand wurde nach den erhaltenen Akten hier getrieben in dem Ankauf von Schmuckstücken aller Art bei der geringsten nur sich bietenden Gelegenheit. Leider ist hiervon nur ein sehr geringer Teil noch erhalten. Ebenso ist auch alles der Mode der Zeit zum Opfer gefallen, was als Gebrauchssilber für den Hofhalt benutzt wurde. Erhalten haben sich nur Gegenstände von größerem Aufwand und künstlerischem Wert. Darunter nimmt einen hohen Rang ein der Hausaltar von Hans Kellerthaler, den Kurfürst Christian II. 1607 als erstes Weihnachtsgeschenk für seine Schwägerin Magdalene Sibylle, die neuvermählte Gattin seines Bruders Johann Georg anfertigen ließ (Tafel 15). Der kleine Altar besteht aus einem architektonisch gestalteten Aufbau aus Ebenholz mit ornamentalen und figuralen Auflagen aus Silber und steht auf einem in gleicher Art verzierten hölzernen Wandsockel. Er ist ein Beispiel für eine in Deutschland allgemein verbreitete Geschmacksrichtung, Geräte aus edlen Hölzern mit solchem kontrastierenden Metallschmuck zu vereinen, der außer bei Altären besonders auch bei der Herstellung von Kunstkästchen und Schränken gehuldigt wurde. Das früheste Beispiel eines solchen Hausaltars, ein Werk des Augsburger Silberschmieds Georg Seld von 1492, befindet sich in der Reichen Kapelle zu München, das umfangreichste ist der Altar in der Schloßkirche zu Frederiksborg in Dänemark, eine Arbeit des Hamburger Silberschmieds Jakob Mores d. Ä. von 1606. Auf der gleichen Stufe der Kunstübung steht der Dresdner Hausaltar von 1608, dessen in malerischem Reliefstiel in Silber getriebene Darstellungen in der Predella der Grablegung, im Hauptfeld der Auferstehung und in der Ädikula der Kreuztragung uns eine Vorstellung von der virtuosen Meisterschaft des Dresdner Kunsthandwerkers verschafft, an der wir die stilistischen Merkmale der in der Malerei unter dem Einfluß der Italiener stehenden niederländischen Romanisten erkennen, deren Kunstweise damals an den Fürstenhöfen sich einer hohen Wertschätzung erfreute. Es ist auch möglich, daß die Vorzeichnung zu den Reliefbildern und der Entwurf zu der Architektur des Altärchens von dem am Dresdner Hofe seit 1575 tätigen Architekten Giovanni [45] Maria Nosseni (1544–1620) herrührt, nach dessen Zeichnungen Kellerthaler einige Kupferstiche hergestellt hat.

Wie im Lauf des 17. Jhdts. den Geräten und Gefäßen der Silberschmiede ein mächtiger Wettbewerb erstand in den aus edlen Steinarten geschliffenen und geschnittenen Zierschalen und wie dabei das Streben nach farbiger Wirkung noch in aufgesetzten Edelsteinen, Kameen und Gemmen, sowie emaillierten Plättchen und Ranken sich kundgab, so verdrängte diese Geschmacksrichtung auch die Kästen, Schränke und Altäre aus Ebenholz mit aufgelegtem Silberwerk. Sogar bei den Hausaltärchen und sonstigen Andachtstücken kam diese Liebhaberei in Aufnahme. Ein charakteristisches Beispiel hierfür ist das aus dem Ende des 17. Jhdts. stammende Hausaltärchen (Tafel 16), dessen architektonischer Aufbau vollständig übersät ist mit bunten Zierstücken, so daß nur vereinzelt glatte Flächen sichtbar werden. Und wo dies der Fall ist, da wird kostbares Material verwendet, so ist die Wand hinter dem Krucifixus und sind die Säulen aus Lapislazuli, entsprechend sind die Gestalten Christi und von Maria und Johannes aus Korallen geschnitzt, wie auch auf dem aus Perlmutter gebildeten Schweißtuch die Gesichtsmaske Christi. In den einzelnen Feldern des Aufbaues sind auf 12 ovalen Plättchen Szenen aus dem Leben und Leiden Christi in kleinsten Figuren in Email gemalt, daneben sind auf den Hauptstellen geschliffene Farbsteine verteilt und alles übrige ist mit Blumen und Ranken in emailliertem Relief besetzt, woraus am Unterbau ein paar größere Cherubimköpfchen in gleicher Arbeit vorragen. Der Eindruck überladenen Prunkes ist nicht vermieden worden an dem Schaustück, das mehr zum Bewundern als zur Andacht locken soll. Es ist zu Anfang des Jahres 1925 an den Familienverband der Wettiner abgegeben worden. Der gleiche Geschmack kommt auch an einer Gruppe von Zierkästchen zu Geltung, von denen zwei die Marken des Augsburger Goldschmieds Johann Heinrich Mannlich, 1660–1718, tragen, der als der Hauptträger dieser Richtung anzusehen ist.

Von dem Dresdner Silberschmied Hans Kellerthaler besitzen wir als sein Hauptwerk in gleicher Ausführung der Vereinigung von Ebenholz mit silbernen und silbervergoldeten Auflagen und Besatzstücken einen Schmuckkasten auf einem abgetreppten Unterbau (Tafel 17), ein prachtvolles Prunkstück, das in dieser ganzen Gattung von Kunstschränken einen Höhepunkt erreicht, die dann ihren glänzenden Abschluß fand in dem Pommerschen Kunstschrank des Berliner Schloßmuseums, 1617 von dem Augsburger Gelehrten [46] und Sammler Philipp Hainhofer dem Herzog Philipp II. von Pommern abgeliefert, und in dem Kunstschrank in Upsala, den 1632 die Stadt Augsburg von Hainhofer erwarb und dem König Gustav Adolf zum Geschenk machte.

Wir können seit 1492 bis 1632 in Augsburg durch eine Reihe von ähnlichen, wenn auch minder aufwändigen Werken eine fortlaufende Tradition beobachten. So besitzt das Grüne Gewölbe ein Schränkchen und mehrere Kästchen dieser Art, deren Marken auf den silbernen Reliefs auf den Augsburger Silberschmied Mathäus Wallbaum (1594–1630) hinweisen, desselben Meisters, aus dessen Werkstatt auch der gesamte Silberbeschlag des Pommerschen Kunstschrankes und ein in Berliner Privatbesitz befindlicher Hausaltar von ähnlicher Art wie der des Kellerthaler hervorging. Das außen einfach aufgebaute und fast schmucklose Schränkchen (Tafel 18) zeigt erst bei geöffneten Flügeltüren eine reiche architektonische Gliederung und Verzierung. Ein anderes solches Schränkchen hat auch im äußeren Aufbau schon eine durch Silberauflagen, Reliefs und Freifiguren belebte architektonische Gliederung und einen mit einem Türmchen gekrönten Giebel, darin ein Uhrwerk. Dessen silbernes Zifferblatt hat durchsichtige Emailverzierung auf Tiefschnitt, wie sie in Augsburg besonders von dem gleichfalls für den Pommerschen Kunstschrank beschäftigten David Altenstetter (1550–1617) hergestellt wurde. Wir werden deshalb auch dieses Schränkchen als in Augsburg hergestellt anzusehen haben (Tafel 19). Die einfacher gestalteten Kästchen mit aufgelegten Ornamenten und getriebenen Reliefs aus Silber, wie die mit der Marke Wallbaums, und das größere mit der Marke des Augsburgers Boas Ulrich, Meister um 1576, gest. 1624, schließen sich ganz dem Charakter des Schränkchens an (Tafel 20, 1 und 2).

Die Vorliebe für solche Kunstschränke und Kästchen war in Deutschland so allgemein verbreitet, daß auch die an den anderen Hauptsitzen der deutschen Goldschmiedekunst tätigen Meister in deren künstlerischer Ausgestaltung ein Hauptfeld ihrer Tätigkeit fanden, die dabei aber ihre eigenen Wege gingen. Insbesondere führte die in Nürnberg gepflegte Kunstfertigkeit in dem Streben nach farbiger Wirkung zu Werken, die an Kunstwert eine noch höhere Stufe erreichten. Allen voran steht darin der Meister Wenzel Jamnitzer, der mit seinem jüngeren Bruder Albrecht 1534 aus Wien nach Nürnberg übersiedelte, beide schon nach Neudörfers Zeugnis überaus vielseitige Künstler, denen noch andere ihrer Familie folgten, die gleichfalls als Goldschmiede hohen Rang einnahmen. Jamnitzer war bald so vielbegehrt, daß er eine Reihe anderer Meister [47] mit der Ausführung von Einzelheiten betrauen mußte. Dadurch sind manche weitere technische Verfahren und Stoffe bei der Ausstattung dieser Kunstkästen hinzugekommen. Als ein Hauptwerk dieser Art gilt der große Schmuckkasten des Grünen Gewölbes (Tafel 21 u. 22). Zu den Farbsteinen kommen Perlen hinzu, zu den Stoffen Goldlitzen, silberne Felder sind mit Ornament ausgestochen, das mit durchsichtigem Email ausgefüllt ist, die drei Felder des Bodens im Deckel haben getriebene und mit Lackfarben in vornehmer Abtönung bemalte Figuren. Trotz dieses Reichtums der verschiedensten Mittel wird aber doch der Eindruck vermieden, als ob zuviel des Guten daran angewandt wäre. Es ist nur natürlich, daß bei dem Zustandekommen dieses Werkes die einzelnen Teile verschiedenen ausführenden Händen übertragen waren. Jamnitzer selbst wird aber doch den Ruhm für sich in Anspruch nehmen dürfen, das ganze Werk komponiert und auch seinen Einzelschmuck für jede Stelle bestimmt zu haben. Wenn wir dabei sehen, daß die antiken Könige in den Füllungen der Rücklagen nach Modellen von Peter Flötner hergestellt und die größeren weiblichen Statuetten aus späterer Zeit erst entstanden sind, und wenn wir sogar auch auf dem inneren Metallrand des Kastens die Marke des ausführenden Goldschmieds Nicolaus Schmidt, der 1582 Meister wurde, vorfinden, so sind das Kennzeichen dafür, daß hervorragende und vielbegehrte Nürnberger Meister dieser Zeit nicht mehr als ausschließliche Erzeuger der unter ihrer Firma herausgegebenen Werke gelten können.

Die Form dieses Schmuckkastens mit seiner architektonischen Gliederung der Wände und seinen figuralen und ornamentalen Einzelheiten ist auch bei den Werken anderer Meister zu finden. Wir können auch bei ihm schon die Übung beobachten, Modelle von allerhand Verzierungsstücken zu den verschiedensten Werken zu verwenden, ja bei diesen Modellen nicht einmal großes Gewicht darauf gelegt sehen, daß diese vom Meister selbst erfunden sind. Daher kommt es, daß auch gerade bei dem großen Schmuckkasten des Grünen Gewölbes, dem berühmten Glanzstück der deutschen Goldschmiedekunst der Renaissance, bei genauerem Zusehen der einheitliche Eindruck, der durch den wohlabgewogenen architektonischen Aufbau erreicht wird, doch in der Ornamentik nicht eingehalten ist, daß auch in dem Maßstab und der Modellierung der Figuren in den Vor- und Rücklagen Verschiedenheiten nicht vermieden sind. Das Bestreben, alle Arten der Verzierung an dem Schmuckkasten anzubringen, hat auch dazu geführt, in einem gewissen Gegensatz zu den stilisierten, durchbrochenen [48] und mit Farbsteinen gezierten Besatzstücken der Füllungen und Friese auch noch nach der Natur gegossene Insekten hinzuzufügen. Um eine reichere farbige Wirkung zu erzielen, sind den silbernen und vergoldeten Verzierungen auch noch farbige Stoffe und Glasplatten, ebenso auch Perlmutterplatten als Untergrund gegeben, doch ist bei alledem in der äußeren Erscheinung des Kastens eine auf Grüngold gestimmte harmonische Gesamtwirkung der Farbtöne erreicht worden. Bei geöffnetem Kasten sehen wir eine kräftigere, von Rotgold beherrschte Farbenstimmung und noch aufgesetzten Schmuck der einzelnen Felderrahmen in dem walmdachartigen Deckel. Diese auf eine farbigere Wirkung und reicheren Eindruck berechneten Werke erlangten bald in Nürnberg und darüber hinaus an den Hauptstätten der Goldschmiedekunst typische Bedeutung. Zeugnis dafür bietet ein ähnlich reich ausgestatteter Nähzeugkasten, gleichfalls Nürnberger Arbeit, bei dem ebenso verschiedenerlei Stoffe zu dem Gesamteindruck beitragen mußten (Tafel 23). Der Kasten wirkt sogar mit seinen gleichförmig gestalteten Nischeneinfassungen und den drei aufgestellten Gestalten von zehn Tugenden einheitlicher als der Kasten Jamnitzers, er hat auch eine zarte harmonische Farbenwirkung, doch aber läßt die teils gegossene, teils gepreßte Arbeit der Besatzstücke bei genauerem Zusehen kein so sorgfältiges Durchbilden der Einzelheiten wahrnehmen, was wohl schon auf die Gewohnheit der Anfertigung gleich mehrerer Stücke derselben Art schließen läßt. Die ovale silberne gewölbte Platte auf dem Deckel ist ebenso für Emailfüllung ausgestochen, wie die gleichen Platten im Deckel des Jamnitzer-Kastens, allem Anschein nach ist hier der gleiche Meister bei beiden Arbeiten beteiligt gewesen.

In der Gruppe dieser Schmuckkästchen nimmt eine gewisse Sonderstellung ein der Schreibzeugkasten Wenzel Jamnitzers, den er mit seiner eigenen Marke und der Jahreszahl 1562 versehen hat (Tafel 24). Anstatt der Säulen hat der Kasten eine Gliederung von breiten Pilastern mit ovalen Nischen in Rollwerkumrahmung, die Felder dazwischen sind belegt mit je einem dünnen Silberplättchen, das eine vertiefte Pressung mit Mauresken erhalten hat, die Vertiefungen sind wieder mit verschiedenfarbigem Email ausgefüllt, die Pilaster tragen das Triglyphengebälk Jamnitzers. Der ganze Kasten hat aber nur die Funktion eines Sockels als Träger einer gelagerten in Silber gegossenen Gestalt der Philosophie, der der größte künstlerische Wert zukommt. So wirkt das Ganze als ein sehr glücklich durchgebildetes Werk der Kleinplastik, zu der ja [49] Jamnitzer auch durch andere seiner Arbeiten eine besondere Vorliebe und Begabung bekundet.

Den beiden Jamnitzerkästen kommt an künstlerischer Bedeutung am nächsten der Schmuckkasten aus Ebenholz des Dresdner Goldschmieds Gabriel Gipfel, des aus Nürnberg nach Dresden übersiedelten Meisters (Tafel 25). In formaler Hinsicht nimmt er zwischen diesen beiden Werken die Mitte ein. Der Deckel ist gleichfalls abgewalmt wie der große Kasten Jamnitzers, doch nicht so hoch emporgeführt, um auf dem Abschnitt einen gelagerten emaillierten Putto zu tragen, der als Deckelkrönung zu groß erscheint, anderseits aber wieder zu klein, um den Kasten nur als Sockel der Figur wirken zu lassen. Hiervon abgesehen ist das Werk eines der besten Erzeugnisse der deutschen Goldschmiedekunst. Sein Künstler erstrebt eine farbige Wirkung in der Hauptsache durch Emaillierung und er verwendet als Emailrezipient ausschließlich Gold, dessen Farbe und Glanz noch wesentlich dazu beitragen muß, die Wirkung des Emails zu erhöhen. Um hierfür einen geeigneten Hintergrund zu haben, hat er sich des schwarzen Ebenholzes bedient, das mit seinen Gliedern und Profilen dem farbigen Zusammenklang von Figuren und Ornamenten als Folie dient. Er ist auch zu einer leichteren und graziöseren, aus Pflanzenranken und Blumen gebildeten Ornamentik übergegangen, die am elegantesten zum Ausdruck kommt an den auf den Deckel aufgelegten Goldfüllungen, mit eingeschnittenen Ranken und Vögeln in durchsichtigem Email, während die Wandfelder auf Goldunterlage aufgelegte emaillierte Ranken aufweisen. Seine hohe Kunstfertigkeit äußert sich ebenso an den in den Nischen stehenden verschiedenen „Tugenden“. Wir werden den Künstler noch kennenlernen an den goldenen Fassungen von Bergkristallgefäßen und an goldenen Anhängern, Werken, die den besten Arbeiten aller Zeiten sich ebenbürtig anreihen.

Wie weit verbreitet die Vorliebe für die architektonisch gegliederten Schmuckkästchen war, dafür bildet ein Beispiel der Kasten des Hamburger Goldschmieds Jacob Mores d. Ä. (gest. 1621) Tafel 26. Der Kasten ist aus vergoldetem Kupfer hergestellt und nur die aufgelegten Platten und der Figurenschmuck bestehen aus Silber. Der Meister hat von diesem Stück mehrere Varianten hergestellt. Die farbige Wirkung beruht also auf dem Gegensatz des weißen Silberreliefs mit dem Glanz der Vergoldung der glatten und mit Mauresken etwas wilder Art geätzten Flächen. Auch ist in dem Gegensatz des frei figuralen Schmucks der Architekturglieder und des Reliefschmucks der Füllungen eine [50] wohlbedachte künstlerische Absicht durchgeführt. Entsprechend dem Inhalt des Reliefs mit Szenen aus der Passion Christi ist der geschweifte Deckel mit der Auferstehung Christi in Freifiguren gekrönt. Der Meister hat von Hamburg aus einen großen Kundenkreis zu bedienen gehabt und in der Goldschmiedekunst verhältnismäßig frühzeitig der Stadt Hamburg eine selbständige Bedeutung gegenüber deren Hauptsitzen zu verschaffen gewußt. Doch aber scheint seine Kunstweise von Nürnberg ausgegangen zu sein. Wir besitzen von ihm den Entwurf zu einer Schubkarrengruppe mit dem Freßnarr, der ohne die Kenntnis der gleichen Gruppe des Nürnberger Meisters Christoph Lindenberger, gest. nach 1573, nicht möglich scheint (IV, 337). Der Hamburger Meister mag also in Nürnberg als Lehrling oder Geselle die Grundlage seines Könnens erworben haben.

Auch die volkstümliche Silberschmiedearbeit des Filigrans hat in dem Bestreben nach größeren Prunkstücken den Schmuckkästchen sich zugewendet, hier aber in kluger Beschränkung auf die Grenzen dieser Handwerksübung einem solchen Kästchen (Tafel 27) die einfachste Form gegeben und nur in der Tonnenwölbung des Deckels größeren Aufwand geleistet. Über den wohl venezianischen Ursprung des Stückes war nichts zu ermitteln.

Neben diesen Kästen nimmt auch eine Gruppe von Kästen eine Sonderstellung ein, die mit Perlmutterplättchen belegt sind. Hatte schon Nicolaus Schmidt in Nürnberg, derselbe Meister, der auf dem größeren Jamnitzerkasten seine Marke eingeschlagen hat, eine Reihe von Schmuckkästchen mit dachartig abgeschrägtem Deckel hergestellt, die lediglich an den Kanten mit seiner Silberschmiedearbeit besetzt sind, während die Flächen ohne architektonische Gliederung mit Perlmuttermosaik belegt und gelegentlich noch mit Juwelenschmuckstücken oder silbernen Rosetten besetzt sind (III, 243, 244, 55, 221), so sehen wir den Leipziger Meister Elias Geyer die gleiche Form von Kästchen mit ähnlicher Silbereinfassung und einer Musterung der Flächen herstellen, die durch in Asphaltgrund eingedrückte Perlmutterplättchen erreicht ist, deren Ornamentik einen auffallenden Anklang an Mauresken hat (Tafel 28). Beide Arten der Flächenverzierung sehen wir auch auf solchen von Torgauer Meistern montierten Kästchen verwendet. In einem seiner Kästchen befinden sich Geräte mit den Marken von Nürnberg. Eine Beziehung zu Nürnberg kann ja die Entstehung dieser Kästchen und der ganzen Arbeit veranlaßt haben, da auch ein von ihm hergestellter hoher Pokal (III, 207, 46) in dem Perlmuttermosaik [51] des Gefäßes der Arbeit des N. Schmidt folgt. Doch ist die Einlegearbeit in Nürnberg nicht vertreten. Für diese kann ja auch ein Kunsttischler in Frage kommen und Geyer und der Torgauer Meister nur für die Montierung. Jedenfalls nimmt die Gruppe eine eigenartige Sonderstellung ein. Elias Geyer hat noch ein großes rundes Becken aus Holz von gleicher Einlegearbeit in Perlmutter mit seiner Fassung versehen (Tafel 29).

Zwischen Laubwerk aus Perlmutterplättchen sind in den Boden des Beckens, ebenso in die Kehle des Randes die gleichen maureskenartig verzierten Felder eingelegt, wie an dem Schmuckkästchen. Ein rundes in Silber gefaßtes Mittelfeld ist offenbar dazu bestimmt, einer zugehörigen Kanne zur Standfestigkeit zu verhelfen. In dieser Kanne (Tafel 30) erstrebt der erst 1589 in Leipzig Meister gewordene Silberschmied die vornehmen edlen Formen der Frührenaissance. Den Hauptschmuck bilden daran zwei Reihen von gewölbten Perlmutterschalen, die kleineren der oberen Zone des eiförmigen Körpers oval, die größeren der unteren Zone eiförmig. Die Metallteile sind zwar reich verziert, lassen aber doch die reinen Umrisse der Kanne hinreichend zur Geltung kommen. Wenn auch hier Perlmutterteile verwendet sind, so doch nicht in der Art der Verzierung des Beckens. Das läßt es wohl möglich erscheinen, daß das Becken von anderer Seite geliefert und nur von Geyer montiert wurde. Die Einlegearbeit des Beckens auf ihrem Holzkern war nicht auch an der Silberkanne anzuwenden, so ist darin wohl der Grund dafür zu erblicken, daß beide Stücke, obwohl sie zu einer Garnitur bestimmt waren, stilistisch nicht übereinstimmen.

Das ist bei einem gleichartigen Prunkgeschirr eher möglich gewesen, aber doch ist auch nicht nach Einheitlichkeit gestrebt worden (Tafel 31, 32). Die Perlmutterplättchen des Beckens sind in konzentrischen Ringen auf den Holzkern aufgestiftet und deren Rand ist durch ovale Perlmutterplatten in sechs Felder gegliedert. Für den Fuß der Kanne ist um die Mitte ein Rahmen in Dreipaßform aufgelegt. So könnte man vermuten, dieses und das Becken von Geyer seien im Wettbewerb oder doch das eine nicht ohne Kenntnis des andern entstanden. Der Nürnberger Meister Nicolaus Schmidt, der die Kanne mit seinen Marken versehen hat, ist seit seiner Mitarbeit an dem Jamnitzerkasten und seitdem er die Perlmutterkästchen für Dresden hergestellt hat, hier zu einer großzügigeren, mehr barocken Formensprache übergegangen. Das bekunden schon an dem Becken die gelagerten Gestalten, die fast als Freifiguren sich vom Boden des Randes abheben. Noch stärker zeigt dies an der Kanne der auf der Vase [52] des Schaftes sitzende Drache, der als Gefäß zu dienen hat. An diesem haben drei Perlmutterschnecken die Flügel und den Schwanz zu vertreten, dementsprechend ist die Gestalt des Drachens in breiten Formen entwickelt und mit grotesken Bildungen besonders am Henkel ausgestattet. Auch die Masken und Büsten des Schaftes leiten schon dazu über, während die Ornamentik des Fußes, dessen Dreipaßform mit Perlmutterbuckeln sich der Verzierung des Beckenrandes nähert, noch mit Renaissancemotiven gebildet wird. Wenn auch das Becken nicht die Meistermarke von N. Schmidt trägt, so ist doch der gemeinsame Ursprung beider Stücke nicht zu bezweifeln. Wenn wir beide Stücke um 1600 anzusetzen haben, dann ist schon auffallend daran die phantastische Verwendung gleich dreier Seeschnecken zu Körperteilen eines Fabelwesens.

Bisher hatte sich die Entwicklung in der Verarbeitung der Seeschnecken in festen umgrenzten Bahnen bewegt, auch da, wo die Seeschnecke oder einzelne Perlmutterteilchen zur Ausgestaltung von Menschen oder Tierkörpern benutzt wurden. Ziergeräte oder Gefäße in menschlichen oder tierischen Körperformen zu bilden, war schon eine mittelalterliche Gepflogenheit, ja wir können aus Beispielen und aus Ciceros Reden gegen Verres entnehmen, daß solche schon im Altertum vorgebildet waren. Die Renaissance hat diese Übung übernommen und weiter entwickelt, sei es, daß Trinkgefäße nur aus Silber hergestellt wurden oder daß Naturprodukte mit dem Silber vereinigt wurden. Zur Ausstattung von Zunftstuben und Jagdhäusern wurden wohl am häufigsten solche Gebilde hergestellt und diese als Hohlgefäße mit abnehmbaren Köpfen zu Trinkgeräten verwendet. Aber auch die Ausstattung von Kredenzen in den Schlössern der Fürsten und den städtischen Rathäusern gab Anlaß zu solchen Gebilden, mochten dazu die Wappentiere die Anregung gegeben haben oder auch die Fabelwesen der Antike, die mit der Ornamentik der Renaissance die Phantasie erfüllten.

Zwei ziemlich naturgetreue Tiere schuf der vielseitige Nürnberger Meister Friedrich Hillebrand, der zu den meisten seiner durch seine Marken bekannt gewordenen Ziergeräte auch Seeschnecken oder Perlmutterplättchen verwendet hat. Das läßt also erkennen, eine wie überaus große Beliebtheit dieses Material gerade bei Ziergeräten gefunden hatte, seitdem wohl zuerst wie erwähnt vor 1526 für Albrecht von Brandenburgs Hallischen Domschatz es zu grotesken Figuren benutzt worden war. Hillebrands Papagei und Falke auf silbervergoldeten Sockeln in Renaissanceformen haben auf silbernem Grund [53] ein aufgeheftetes Gefieder aus gravierten Perlmutterplättchen; dabei haben die Tiere noch einen uns unverständlichen Schmuck durch auf das Gefieder aufgesetzte Rosetten mit Farbsteinen erhalten. Die Zierfreude der Renaissance war eben nicht zufrieden damit, die Sockel mit solchen Zutaten zu bereichern und machte hierbei auch bei der Naturnachahmung der Tiere nicht halt (Tafel 33). Wir beobachten das gleiche Verfahren an den Renaissance-Anhängern in Tiergestalten, bei denen Farbsteine in Kastenfassungen direkt auf dem Fell eines Pferdes oder Hirsches aufsitzen.

Ungleich häufiger als jene Tierfiguren mit ihrem Gefieder aus einzelnen Plättchen finden wir solche aus vergoldetem Silber im Verein mit dem ganzen Gehäuse von Seeschnecken gebildet. Derselbe Nürnberger Meister Hillebrand hat einen Hahn und eine Henne hergestellt, bei denen der Körper aus dem spiralig gewundenen Gehäuse des Nautilus (Perlboot und Schiffsboot) gewonnen ist (Tafel 34). Das Gehäuse dieser Weichtiere aus den südasiatischen Meeren zeigt, wie erwähnt, erst nach Entfernung der oberen Schichten, die oft schon an den Fundorten vorgenommen war, seinen Perlmutterglanz. Oft auch sind nur Teile der oberen beiden Schichten fortgenommen und damit ist eine rotbraune Musterung auf milchweißem Grunde erreicht, gelegentlich sind dabei auch figurale Darstellungen auf der Oberfläche in dünnem Relief geschnitten. Hier hat der Meister die beiden Nautilusmuscheln unbekümmert um ihre exotische Musterung zu den Tierkörpern verwendet. Ebenso hat er auch die beiden silbernen Teile der Tiere, zwischen denen die Muschel sitzt, durch ornamental und figural belebte Schienen verbunden. In gleicher Weise ist von ihm die Figur eines Schwans gebildet (Tafel 35, 1), dessen Nautilusgehäuse, wie zumeist, bis auf die Perlmutterschicht abgeschliffen ist. Daß andere Silberschmiede ihm auf diesem Weg bald nachfolgten, davon ist der Pelikan auf Tafel 35 des Nürnberger Meisters Christof Kunad, Meister 1603, ein Beispiel. Ein anderer Nürnberger, vielleicht auch Dresdner Meister hat auf diese Weise einen Pfau gebildet (Tafel 36, 1). In Torgau haben um diese Zeit, wohl infolge der Tätigkeit der Meister für den Dresdner Hof mehrfach die auswärts vorgebildeten Formen von Ziergefäßen als Vorbilder zu solchen Arbeiten gedient. So hat der Pelikan (Tafel 35) die Marke eines Torgauer Meisters. Auch in Braunschweig lebte ein Meister, falls die Marke richtig gedeutet ist, der zu den Tieren dieser Art im Grünen Gewölbe einen Hahn beigesteuert hat (Tafel 36). Unbekannten Ursprungs ist der Schwan (Tafel 34). Gelegentlich [54] finden wir die farbige Erscheinung dieser Tiere durch Lackbemalung der silbernen Teile gesteigert, wie bei dem Pfau (Tafel 36, 1).

Auch das in dem Domschatz zu Halle vor 1526 gegebene Beispiel fand Nachfolge, indem menschliche Halbfiguren in das bis zur Perlmutterschicht abgeschliffene Gehäuse einer Seeschnecke endigen und als Fabelwesen erscheinen. Der abnehmbare Kopf oder Oberkörper erinnert daran, daß das Zierstück stets zugleich auch als Trinkgefäß gedacht war und benutzt werden sollte. Erst aber in den beiden letzten Jahrzehnten des 16. Jhdts. scheint deren Herstellung häufiger geworden. Ein Stück dieser Art ist die Sirene des in Nürnberg 1582 Meister gewordenen Hans Keller (Tafel 37, 1). Hier ist nicht nur der Leib in ein solches Muschelgehäuse übergeleitet, auch zu dem erhobenen Fischschwanz ist eine kleinere Seemuschel verwendet und dessen Windungen glücklich angepaßt. Zumeist aber wird die Windung der Muschel selbst dazu verwendet, um das Schwanzende des fabelhaften Seegeschöpfes vorzustellen, wie bei dem Tritonenpaar auf Tafel 38.

Bei der Verarbeitung von Seemuscheln zu solchen Phantasiegeschöpfen lag der Gedanke nahe an die Wogen des Meeres, in denen jene den Tieren der See als Gehäuse dienen. Und diese Meereswogen waren ja schon von der griechischen Mythologie als dahinstürmende Rosse vorgestellt worden, deren hintere Körperhälften in Fischleiber endigten. So sind also auch die Muschelgehäuse als Körperendigung von galoppierenden Hippokampen mehrfach verwendet worden (Tafel 38, 2, und 39). Daß hierbei tatsächlich auch an eine Personifikation der stürmischen Meereswogen gedacht wurde, das bezeugt die auf der Muschelwindung stehende das Pferd zügelnde Gestalt Neptuns. Um jene Hippokampen mit erhobenen Vorderbeinen dahinstürmend erscheinen zu lassen und ihnen zugleich Standfestigkeit zu verleihen, bedurfte der Meister außer den Fischflossen einen den Pferdeleib stützenden Ast, den wir bei der prächtigen Bewegung des Pferdes gern übersehen werden. Der Erfinder dieser Geschöpfe hat leider durch keine Marken sich kenntlich gemacht. Es ist immerhin möglich, daß der für Dresden vielbeschäftigte Leipziger Meister Elias Geyer als solcher anzusehen ist, Meister 1589.

Von diesem Meister rühren zwei prächtig stilisierte Greifen her. Dieses Fabelwesen, dem die antike Mythologie vier Krallenfüße, ein paar Flügel und den Kopf eines Raubvogels gegeben hatte, hat unser Meister in freiem Spiel der Phantasie zu einem Seeungeheuer umgestaltet, indem er seinen Leib fischschwanzartig [55] endigen läßt, und dazu eine Seemuschel mit dem in vergoldetem Silber gebildeten Vorderkörper vereinigt; er fügt darum auch noch flügelartige Flossen hinzu, die der Gestalt zugleich mit einem Delphin als Stütze dienen. Die wie gepanzert erscheinenden Krallenbeine halten Hellebarden. Die Stücke werden als Geschenke des Kurfürsten Johann Georg I. vor 1610 bezeichnet, der 1607 noch als Herzog mit einer brandenburgischen Prinzessin getraut wurde, deren Wappen auch einen Greifen enthält. Es scheint, daß das Geschenk hiermit in Zusammenhang steht (Tafel 40). Die Verwandtschaft in der Gestaltung der Fabelwesen legt es nahe, auch den in eine Seemuschel endigenden Drachen (Tafel 37) als eine Arbeit von Elias Geyer zu betrachten. Die Gestalt übertrifft noch an phantastischer Bildung jene beiden Greifen. Der auf dem Muschelrücken in ein Horn blasende Triton erinnert an die Neptunfiguren auf den Hippokampen auf Tafel 39.

Alle diese Figuren in Vereinigung mit Seemuscheln haben das gemeinsame Charakteristikum, daß die Muschel stets nur als Endigung des Körpers verwendet wurde und daß dazu nicht die Nautilusmuschel, deren Spiralwindung in der gleichen Ebene verläuft, zu dienen hatte, sondern die Seemuschel mit ihrer aus der Ebene herausgewundenen Spirale. Es scheint, daß diese unsymmetrische Gestalt der Muschel zuerst an keine andere Verwendung denken ließ. Wenigstens sind keine so frühen anderen Verwendungen bisher festzustellen gewesen, wie die vor 1526 entstandenen beiden grotesken antiken Gestalten des Hallischen Domschatzes. Doch aber ließ die Öffnung der Muschel diese sehr gut dazu geeignet erscheinen, diese ebenso als Körper und Gefäß eines Pokals zu benutzen, wie dies schon im Mittelalter mit den völlig symmetrischen Straußeneiern und Kokosnüssen geschehen war. Und wegen ihres schillernden Glanzes mußte eigentlich die Muschel mehr dazu verlocken; von den Seemuscheln war allerdings die Nautilusmuschel mit ihren symmetrischen Hälften besser hierzu geeignet, als die asymmetrisch gewundenen anderen Muschelarten. So sehen wir jene auch am häufigsten als Körper des deutschen Pokals auf hohem Schaft verwendet, daneben aber auch vereinzelt schon früh die asymmetrische Seemuschel. Vor dem letzten Drittel des 16. Jhdts. scheint aber, soweit wir aus den Formen der Fassung schließen können, der Pokal mit Muschelkörper noch nicht in die Entwicklung aufgenommen zu sein. Als die frühesten Gestaltungen dieser Art haben wir die Muschelpokale anzusehen, deren silbervergoldeter Schaft in Form einer Vase gebildet ist. Die Vase sitzt [56] auf einem runden, gelegentlich auch ovalen Fuß in Renaissancegliederung, die zumeist zwischen zwei ornamentierten Wulsten eine glatte Hohlkehle aufweist und darüber auch zuweilen mit einem schmaleren zylindrischen verzierten Glied endigt. Sie trägt die Muschel mittels einer flachen Scheibe, in der zumeist deren Schienenfassung zusammentrifft und mit der sie durch Scharniere verbunden ist. Die Schienen sind wohl anfangs nur durch Gravierung gemustert, erhalten dann bald Ranken in Relief und oben Köpfe oder Figuren. Die Vasen des Schaftes haben zumeist noch Bügel am Hals, sind am Bauch mit Ranken, Buckeln und Rollwerk gemustert, dazu kommen dann Köpfe, Masken und Halbfiguren, die den Bauch zumeist zu dreien verkleiden. Die frühesten Stücke dieser Art scheinen die der Tafeln 41, 2, 3; 42; 50, 2. Die nach oben gerichtete Öffnung der Muschel ist mit einem silbernen Mundrand eingefaßt, der etwas breiter ist, als die mit ihm verbundenen Schienen, und auch reicher verziert durch Ätzung oder Gravierung oder getriebenes und gepunztes Relief. Die Öffnung ist zumeist ohne Deckel gelassen und die höhere Wölbung der Muschel hat gelegentlich reichere Verzierung der Fassung oder eine krönende Figur (Tafel 41, 3). Ist aber ein Deckel angebracht, dann sitzt darauf eine krönende Figur, so eine Sirene als Hinweis auf die See, die Heimat der Muschel (Tafel 42, 1). Daß die Nürnberger Meister mit am frühzeitigsten solche Muschelpokale hergestellt haben, wird belegt durch den Pokal Tafel 50, 2, der die Marken des schon 1552 Meister gewordenen Paul Dulner trägt. Am Ende des Jahrhunderts haben Meister an vielen, auch kleineren Sitzen der Goldschmiedekunst die Nautilusmuschel zu Pokalen verwendet, wie die Beispiele aus Stettin (Tafel 42, 3) und Olmütz (Tafel 41, 1) lehren. An diesem letzteren Pokal ist der Deckel in breiten getriebenen Formen als Fischkopf gebildet und eine Fortuna, die Schützerin der Seefahrt dient als krönende Figur.

Wenn schon dieser Fischkopf als Deckel des Pokals in der Erfindung eine originelle Abkehr von den sonst meist gewählten Formen erkennen läßt, so gehen darin z. T. noch weiter in der Selbständigkeit der Ausgestaltung die drei auf Tafel 43 abgebildeten Pokale. Der mittlere hat zwar noch die als Schaft dienende Vase, aber anstatt des Fußes steht diese auf einer Vogelkralle und der Rücken der Muschel ist eingepaßt in den geöffneten Rachen eines Fischungeheuers, auf dessen Kopf sich eine Schlange so windet, daß sie als Henkel zu benutzen ist. Der Rücken der Muschel, die inzwischen durch eine neue ersetzt werden mußte, war so ausgesägt, daß die Zellen des Innern bloßgelegt [57] wurden und als Kiemen des Fischrachens wirkten. Ähnlich eigenartig ist auch der Pokal Tafel 43, 3 mit dem Kopf eines Fischungeheuers ausgestattet und der Schaft um eine Sphinx bereichert, die die Vase auf ihrem Rücken trägt. Vielleicht sind diese beiden ohne Marken gelassenen Pokale dem gleichen Olmützer Meister zuzuschreiben. In dem Ersatz des Schaftes durch eine die Muschel tragende Figur, der zu Ende des 16. Jhdts. bei den deutschen Pokalen beliebt wurde, weicht auch der Pokal Tafel 43, 1 von dem üblichen Schema ab, indem ein auf einem Seedrachen reitender Amor die Muschel zu tragen hat. An diesem Pokal ist auch der Besatz des Rückens und der Deckel in eigenartiger Weise und in breiten Formen durch Fratzen und durch einen gelagerten Neptun gebildet. Die Marke ist nicht so deutlich, daß daraus der Ort der Entstehung sicher festzustellen wäre, vielleicht war es Hamburg. Es scheint, daß dieser Pokal und die drei zuvor aufgeführten Stücke die Eigenart ihrer künstlerischen Gestaltung dem Umstand zu danken hatten, daß sie nicht an einem der Hauptsitze der deutschen Goldschmiedekunst hergestellt wurden.

Der Hauptort für die Herstellung dieser Muschelpokale war offenbar Nürnberg, wo das Zusammenwohnen vieler miteinander wetteifernder Meister die Ausbildung und Übernahme gewisser gleichartiger Formen begünstigte. Hier hatten die Silberschmiede schon bei dem neben den Pokalen in Renaissancegliederung fortdauernd beibehaltenen Typus des gotischen Buckelpokals mit dem oft naturalistisch gebildeten Schaft oft eine tragende, stehende Figur vereinigt. Die ganz in Silber ausgeführten Renaissancepokale brachten dann den Aufbau von Fuß und Schaft in wagrecht übereinander geschichteten Gliedern, deren Hauptteil an Stelle des Knaufs die Vase wurde. Bei dem Ersatz der silbernen Cuppa durch Straußeneier, Kokosnüsse und Muscheln treten mehr und mehr tragende Figuren an Stelle der Vase. Bei den allseitig symmetrischen Formen des Straußeneies und der Kokosnuß war hierzu das ästhetische Verlangen geringer, als an den Muscheln. Die Figuren verdrängen schließlich die Vasen völlig. Sie erhalten zumeist einen etwas höheren Sockel, dessen Verzierung mit Treibarbeit oft Seewellen und Seetiere oder Pflanzenboden mit Insekten aufweist zur Charakterisierung des Bodens, aus dem die Figuren stammen. Die Wahl wechselt zwischen Tritonen und Nereiden oder exotischen Volkstypen Tafel 44, 2; 45, 2; bzw. 44, 3; 45, 1 und 3; 47, 1. In der Regel wird ein solcher Neger oder Indianer knieend dargestellt. Der der Nürnberger Kunstweise nahestehende Leipziger Meister Elias Geyer übernimmt den Triton [58] schon auf dem mit Perlmutterplättchen belegten Pokal Tafel 46, 2 und auf dem Nautiluspokal Tafel 57, 2, der wohl von ihm herrührt, aber nicht seine Marke hat. Daneben wählt er einen stehenden Bauern Tafel 44, 1 und Tafel 46, 3 oder auch abweichend von einer Beziehung zur Muschel einen Bogen schießenden Amor Tafel 46, 1. Seine Schienen mit Hermenfiguren, seine Deckelkrönung mit einem Neptun lehnt sich der Nürnberger Art an. In Nürnberg entsteht einmal als Deckelkrönung ein Schwan auf Wasserwogen (Tafel 45, 2), dann ein wohl von Italiens Kunst übernommener Putto auf Schildkröte (Tafel 45, 1). Der dekorativeren Ausstattung der Schienen entspricht auch eine breitere Bildung des Mundrandes und deren reichere Verzierung oft rein ornamentaler Art, daneben auch mit Gravierung von Seeszenen (Tafel 44, 3, Tafel 47, 1 und 2). Eine Sonderstellung nimmt der Muschelpokal Tafel 47, 2 ein, dessen Träger ein niedergebeugter Herkules mit der Weltkugel ist, eine plastisch prächtig empfundene Gestalt, die von italienischer Kunst beeinflußt ist und an Adrian de Vries erinnert. Ihr Verfertiger ist wieder der durch kunstvolle Werke ausgezeichnete Friedrich Hillebrand.

An dieser Entwicklung hat auch ein Dresdner Meister teilgenommen und er weiß auch seinen Pokalen einen von der allgemeinen Bildung abweichenden Zug zu verleihen: aus einem hohen aus flachgewölbten Kammuschelschalen aufsteigenden Wellenberg trägt eine Sirene mit ihrem Haupt die Nautilusmuschel Tafel 48, 1 und 3, einmal durch die Schwanzflosse unterstützt, der Rücken der Muscheln ist durch schön bewegte Fortunen gekrönt. Der ohne Marken gelassene Muschelpokal Tafel 48, 2 mit einer Koralle als Deckelkrönung hat eine originelle Schaftbildung mit drei singenden Halbfiguren auf Ranken über Kammuscheln, die als Sirenen zu erklären sind (wohl auch von demselben Dresdner Meister). Gleichfalls in Dresden entstanden sind zwei Pokale, die von allen seitherigen Typen stark abweichen. Anstatt einer in Spiralen gewundenen Muschel hat hier Martin Borisch eine große langgestreckte Seemuschel gewählt, die als Schiffskörper gedacht ist, die von einer Fortuna mit geblähtem Segel gekrönt wird, auch der in breiten Formen mit Kammuscheln verzierte getriebene Fuß nimmt mit seinen weichen Umrissen Abstand von den üblichen Renaissancegliedern (Tafel 49, 2). Die Fassung einer mit grotesken Ranken gravierten Nautilusmuschel (Tafel 49, 1) steht völlig außerhalb aller übrigen Entwicklung. Auf einem Seeungeheuer mit Korallenendigung sitzt ein fischschwänziger gepanzerter Affe und trägt über [59] offenen Ranken den Nautilus, dessen Rücken von einem Drachen gekrönt wird. Die Gruppe des Fußes soll schon aus dem 16. Jhdt. stammen und die Fassung 1724 in Dresden erneuert worden sein. Es ist wohl möglich, daß die Gravierung der Muschel mit Motiven, die an den Maler Hans Bosch erinnern, zu der grotesken Fassung veranlaßt hat, die vermutlich doch von dem Dresdner Meister des 18. Jhdts. herrührt.

Die Bildung von Ziergeräten in Gestalt von Segelschiffen mit ihrer Bemannung und all den Einzelheiten der Ausrüstung war schon bei der Goldschmiedekunst des 16. Jhdts. nicht unbekannt. Wir haben schon ein Beispiel mit einem Kiel aus Bergkristall (Tafel 7) kennengelernt. Es lag nahe, gerade auch Muscheln zu dem Bauch von Schiffen zu verarbeiten, zumal sich ja auch die Nautilusmuschel mit ihren symmetrischen Hälften dazu gut eignet. Man führte um die Muschelöffnung den breiten silbernen Rand als Schiffsreeling rings um die Muschel herum, so daß ihr gewölbter Rücken an Bord des Schiffes den Platz des Kartenhauses einnahm. Ein knieender Wassergott mußte als geeignetster Träger des Schiffes erscheinen. Der begabte Nürnberger Meister Jürg Ruel hat das auf Tafel 51 abgebildete Schiff mit besonderer Vollkommenheit gestaltet. Derselbe Meister hat den Perlmutterglanz wohlgeformter Muschelschalen auch zu einer elegant entwickelten flachen sog. Pilgerflasche zu verwenden gewußt (Tafel 50, 3) und noch durch aufgesetzte Schmuckstücke mit Farbsteinen deren Kostbarkeit und künstlerischen Reiz erhöht. Ein anderer Nürnberger Meister hat die Nautilusmuschel in ähnlicher Weise zu einem Segelschiff verarbeitet, dabei aber das Schiff auf vier Räder gestellt, was dann auch mehrfach wiederholt wurde (Tafel 50, 1). Ebenso wurde auch die Form des von einem Triton getragenen Schiffes anderwärts fortgebildet, wofür zwei Stücke des Torgauer Goldschmiedes Samuel Lormann als Belag dienen (Tafel 52), die aber hinter der reicheren Bildung des Nürnberger Meisters zurückstehen.

In der Gruppe dieser Pokale mit Nautilusmuscheln und Seeschnecken nehmen drei Stücke künstlerisch den höchsten Rang ein. Die beiden ersten sind zwei von einem Triton und von einer Nereide getragene Seeschnecken, als Gegenstücke gebildet, die Körper dieser beiden aus Silber gegossenen, vergoldeten Gestalten schon mit ihren zum Tragen erhobenen Armen und den verschlungenen Fischschwänzen von lebendigster Gestaltung erfüllt, doch von nicht minder großem künstlerischen Vermögen die Verzierung der beiden [60] Seeschnecken (Tafel 53). Daran ist die im Mittelalter in Deutschland beliebte Kunstübung der Schnitzerei des Perlmuttern, die im 16. Jhdt. mehr und mehr außer Übung geriet, von neuem angewandt von einem holländischen Meister des 17. Jhdts. C. van Bellekin, der in berechtigtem Stolz auf die Erzeugnisse seiner Kunstfertigkeit die Stücke mit seinem vollen Namen bezeichnet hat. Die bis auf die Perlmutterglanzschicht abgeschliffenen Seeschnecken sind in Relief den Windungen der Schnecken folgend mit Kinderszenen erfüllt und zur Belebung des Hintergrundes noch Pflanzen und Sträucher eingraviert und diese Vertiefungen schwarz ausgefüllt; man muß die Pokale in die Hand nehmen, um den vollen Reiz dieser Arbeiten beim Betrachten zu genießen. Noch einen weiteren Schmuck hat besonders die von einer Nereide getragene Seeschnecke dadurch erhalten, daß aus den äußeren grünlich grauen Schichten der Seeschnecke am Rand der Öffnung ein Seefisch und an der Kante der Spiralwindung eine zum Teil vom Boden sich loslösende Seeschlange geschnitten wurde. Die im bewegten Rechteck gebildeten verjüngt ansteigenden Sockel der beiden Pokale, teils mit Hippokampen, teils mit Delphinen besetzt und auf Schildkröten gestellt, scheinen erst von dem Dresdner Hofgoldschmied Johann Christoph Köhler hinzugefügt zu sein, von dem die Inventare besagen, er habe die Stücke neu gefaßt. Sie fügen sich aber der Komposition geschickt an. Eine künstlerisch noch wirkungsvoller mit Reliefschnitzerei aus dem Reich des Neptun ohne Gravierung ausgestattete Seeschnecke, an der auch ebenso der Rand der Öffnung aus der äußeren Schicht noch mit einem Adler und anderen Tieren geschnitten ist, ist leider beschädigt und darum ohne Fassung gelassen (Tafel 53, 2). Es läßt sich ja gegen diese Schnitzerei einwenden, daß sie an einem dazu wenig geeigneten Material angewendet ist, denn die plastische Oberfläche der Figuren kommt nicht recht zur Geltung infolge des flimmernden Farbenspiels darunter. Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, daß nur noch vereinzelt Reliefschnitzerei an den Perlmutterglanzschichten der Muscheln in Übung blieb. Aus dem Anfang des 18. Jhdts. besitzt das Grüne Gewölbe nur noch eine große flache Schale mit dem Reiterbildnis Augusts des Starken (VI, 80).

Aus derselben Zeit stammt der durch seine Montierung künstlerisch bedeutendste Nautiluspokal (Tafel 54). Er ist als Trinkschale entstanden und darum seine figürliche Ausstattung dem Reich des Bacchus entnommen. In dem Aufbau des Pokals hat sich sein Künstler von den traditionellen Verhältnissen [61] des Schaftes und Sockels frei gemacht. Die Figuren, die früher an Stelle der Vase des Schaftes getreten waren, hatten von ihr deren Größenverhältnisse beibehalten und erschienen so nicht recht in der Lage, einen so großen Gegenstand wie die Muschel tragen zu können, sie wirkten nur als Zwischenglieder des gesamten Aufbaues. Diesem bocksfüßigen Satyr, der auf dem runden von Weinlaub umrankten Sockel hockt, glauben wir eher, daß er seine Last zu halten vermag. Die Nautilusmuschel ist durch vier profilierte Schienen mittels Scharnieren gefaßt und jenen ist nur ein leichter Blätterschmuck gegeben. Die Schienen sind zugleich Träger des plastischen figuralen Schmuckes; der auf dem Rücken der Wölbung gelagerte Panther mit Trauben in den Vorderpranken bildet den prächtig belebten Abschluß des Aufbaues, sein in Akanthuslaub endigender Körper umkleidet in feinstem Formempfinden die Rundung der Schnecke. Der vordere Rand der Muschel hat eine von Weinlaub umrankte prächtige Satyrmaske erhalten. Alle diese figürlichen Teile von einem plastischen Leben erfüllt und dem ganzen Ziergerät so glücklich angepaßt, daß das Werk als eine der künstlerisch vollkommensten Arbeiten stets gelten wird. Der Pokal trägt die Marken des Berliner Goldschmieds Bernhard Quippe. Von diesem im Jahr 1689 in Berlin Bürger gewordenen Silberschmied sind ähnliche Arbeiten, die darauf schließen ließen, daß er selbständig den Pokal erfunden hätte, nirgends bekannt worden. Es ist darum ungleich wahrscheinlicher, daß der Entwurf zu dem Pokal, wie auch schon seine großzügige Komposition nahelegt, von einem Bildhauer ihm zur Ausführung geliefert wurde. Man könnte in Berlin zunächst an den großen Andreas Schlüter denken, dem wir u. a. das Denkmal des großen Kurfürsten und die Masken sterbender Krieger am Zeughaus zu danken haben. Er hat wohl auch den Entwurf zu einem silbernen Sarkophag gemacht. Doch, daß er sich mit Werken der Kleinkunst, wie dieses eines ist, abgegeben hätte, davon haben wir keine Zeugnisse. In Berlin war zeitweilig der Dresdner Bildhauer Balthasar Permoser (1651–1732) tätig, von ihm stammte dort das untergegangene Grabmal seines Freundes, des Berliner Medailleurs Faltz. Es wird auch angenommen, daß er an dem plastischen Schmuck des Berliner Zeughauses und unter Schlüter des Schlosses teilgenommen hätte. Jedenfalls hatte er enge Beziehungen zu den Berliner Künstlern. Von ihm wissen wir auch, daß er zahlreiche Werke der Kleinplastik geschaffen hat, besonders in Elfenbein, aber auch in Ton, von denen gerade die vollkommensten das Grüne Gewölbe besitzt. Es kommt hinzu, [62] daß gerade eine solche hockende Satyrgestalt ganz mit seiner Kunstweise übereinstimmt, wie sie sich im Dresdner Zwinger an den Satyrn vor den Postamenten in den Nebenhöfen uns kundgibt. So spricht also alles dafür, in diesem köstlichen Werk den Entwurf dieses hervorragenden Barockkünstlers zu erkennen, durch den die ganze Entwickelung dieser mit Seeschnecken und Nautilusmuscheln verbundenen Pokale auf einem künstlerisch bedeutsamen Höhepunkt abgeschlossen wird.

Waren die härteren Steinsorten der Quarzgruppe wie Bergkristall, Rauchquarz, Amethyst, die Chalcedone und Achate und der Jaspis schwerer zu bearbeiten, auch seltener in größeren fehlerfreien Stücken zu erhalten und suchte man darum die ihnen zu gebende Form möglichst der Naturform anzunähern, um dadurch von dem Material weniger zu verlieren, so kamen diese Bedenken bei den weicheren Gesteinen, wie besonders dem in Sachsen auftretenden Serpentin nicht in Betracht. Dieser konnte in beliebiger Größe, wenn er frisch gebrochen war, leicht auf der Drehbank verarbeitet werden. Kurfürst August hatte für alle in Sachsen gefundenen edleren farbigen Steinsorten großes Interesse und suchte diese der Verwendung in jeder Art zugänglich zu machen. Es scheint, daß er für die heute noch in Zöblitz blühende Serpentinindustrie die Anregung, jedenfalls aber starke Förderung ihrer künstlerischen Gestaltung gegeben hat. Indem er aus Serpentin Gefäße aller Art für seinen Hofhalt und die Kunstkammer herstellen und diese in silbervergoldete Fassung bringen ließ, trug er wesentlich zu einer höheren Wertschätzung dieser Naturerzeugnisse des Landes bei. Eine ganze Gruppe solcher Serpentingefäße, sei es in ihrer hellgrau-grünlichen oder in dunkelgrüner Färbung, bewahrt noch heute aus seiner Zeit und der seiner Nachfolger das Grüne Gewölbe. Unter Kurfürst August war zumeist der Dresdner Silberschmied Urban Schneeweis (1536 bis 1600) damit beauftragt, diesen Gefäßen, die nicht bloß als Ziergefäße, sondern auch als Gebrauchsgefäße verwendet wurden, ihren Fuß und Deckel, ihre Randfassung, ihre Schienen und ihre Henkel in vergoldetem Silber zu geben. Die Gefäße sind häufig in gedrungener bauchiger Form gedreht worden, daneben auch zylindrisch und kegelförmig und waren für Getränke als Kannen und für Trinkgefäße gut zu verwenden. Die Gefäße mit geschweiftem Umriß besitzen bei all ihrer Gedrungenheit einen reinen Wohllaut der Formen, der durch die zurückhaltend zugefügte Fassung unverhüllt zum Ausdruck kommt. Die Verzierung, die Urban Schneeweis der Silberfassung gibt, besteht [63] oft in einer durch Ätzung hergestellten Maureskenmusterung der flachen Bänder (Tafel 55, 1), wofür das charakteristischste Beispiel der bauchige henkellose Humpen bildet. Sollte ein reicherer Schmuck gegeben werden, dann wird dieser wie an der Dose (Tafel 56, 2) durch Gravierung erzielt. Aber auch wenn der Schmuck der Schienen durch gegossenes Relief gebildet wird, wie an der Kanne (Tafel 55, 2), so wird dadurch nirgends die Form des Gefäßes in ihrer Wirkung durch vordringlichen Aufwand beeinträchtigt. Plastische Verzierung durch hermenartige Halbfiguren oder Köpfe sehen wir nur an Henkel und Schnauze (Tafel 55, 2 und Tafel 56, 3). Etwas reichere Verzierung, die aber nicht wesentlich über das von Schneeweis gegebene Vorbild hinausgeht, sehen wir an einem Krug (Tafel 57, 1), den der Leipziger Silberschmied Elias Geyer montiert hat. So bietet die ganze Gruppe den erfreulichen Eindruck vornehmen Stilgefühls.

Es scheint fast, als sei dieser Leipziger Silberschmied durch die Fassung dieser einheimischen Steinsorte dazu veranlaßt worden, auch den aus dem Ausland bezogenen Nephrit zur Gefäßbildung zu verwenden. Dieser lauchgrüne Stein hat die Eigenschaft, daß er in dünnen Platten leicht durchscheinend ist. Es mag sein, daß das dazu veranlaßt hat, diese Platten zu Gefäßen zusammenzufügen, wobei die Fassung durch vergoldetes Silber hinzukommen mußte. Indem für die Seitenwände je drei solcher Platten verwendet wurden, ist eine ungewöhnliche dreikantige Gefäßform entstanden, der sich Fuß, Schaft und Deckel der Silbermontierung anpassen. Hiervon abgesehen folgt der Künstler in dem Aufbau dieser Pokale den Formen der Renaissance, indem auf den dreiseitigen mit tiefer Hohlkehle profilierten Fuß eine mit Köpfen gezierte Vase gestellt ist, die das Gefäß trägt. Da auch der Boden des Gefäßes eine Nephritplatte erhielt, die noch durchscheinend zur Geltung kommen sollte, ist zumeist das Gefäß nicht direkt auf die Vase des Schaftes gesetzt, sondern durch drei Bügel mit einer Deckplatte der Vase verbunden (Tafel 58 und 59).

Die im 17. Jhdt. häufig zu Zierschalen geschliffenen härteren Steinarten sind nur noch selten zu dem in Deutschland ausgebildeten Pokal auf hohem Schaft verwendet worden. Wir haben indessen im Grünen Gewölbe zwei solcher Pokale, zu denen je eine ovale Nephritschale genommen wurde, die dann einen hohen silbervergoldeten Mundrand erhielt, von einem Nürnberger Meister geliefert (Tafel 60). Der Meister hat sich dem Zug der Zeit schon angeschlossen und an Stelle des Schaftes Figuren gesetzt. Beide von Figuren gekrönte Pokale [64] sind an Fuß und Deckel mit zierlichem Bügelschmuck besetzt und übereinstimmend am Mundrand mit graziösen Ranken geätzt. Einen gotischen Nachklang zeigt noch der größere der beiden Pokale mit seinem die Ansatzstelle des Schaftes umhüllenden Akanthuslaubwerk. Ein anderes aus Nephrit hergestelltes zylindrisches Gefäß hat einen ungewöhnlich reichen Schmuck durch eine emaillierte Goldfassung erhalten (Tafel 61, 1). Das Gefäß hat keinen Angriff und steht auf drei flachen Knöpfen, sein Hauptschmuck besteht in den in Relief gebildeten weiß emaillierten Blumen auf schraffiertem Goldgrund und in Rubinen in aufgesetzten Kastenfassungen. Ein so reicher Schmuck ist sonst gewöhnlich nur Bergkristallgefäßen zuteil geworden. Ein gleichartiges Stück zu Mühlhausen in Thüringen wird dort in der Kirche Divi Blasii als Hostienbüchse verwendet. Diese Zweckbestimmung hat wohl auch die reiche Ausstattung veranlaßt, deren Urheber wohl in Thüringen zu suchen ist und wohl erst gegen Ende des 17. Jhdts. die Stücke gearbeitet hat. Aus derselben Zeit, wenn nicht auch von derselben Hand, scheint der silbervergoldete Krug zu stammen, der wechselnd mit aufgesetzten Perlen und Smaragddubletten auf emaillierten Blumen überreich verziert ist (Tafel 61, 2). Der kostbare Schmuck steht mit der einfachen Gebrauchsform des zylindrischen Kruges nicht im besten Einklang, eine frühere Zeit würde dem Krug noch eine mehr künstlerische Ausstattung verliehen haben.

Es ist eine auffallende und auf wenig Beispiele beschränkte Erscheinung, daß in derselben Zeit, in der man bestrebt war, kostbarste Materialien künstlerisch zu verarbeiten und zu Ziergefäßen zu gestalten, auch einfachem Gebrauchsgerät aus Ton durch gleich wertvolle Ausstattung der gleiche Rang neben jenen verliehen wurde. Die drei auf Tafel 62 abgebildeten Gefäße zeigen, daß die von den Töpfern gewählten bauchigen Formen in künstlerischer Hinsicht hinter den aus edleren Stoffen mit größerem Aufwand bereiteten Ziergefäßen in keiner Weise zurückstehen. Das mittlere der drei Tongefäße ist unglasiert und von seinem Hersteller ohne jede Verzierung gelassen, seine konzentrischen Rippen lassen noch ihren Ursprung von der Drehscheibe des Töpfers erkennen. Seine Wertschätzung und seine Erhöhung zu dem Rang eines Ziergefäßes verdankt wohl das Gefäß dem Umstand, daß es in seinem porösen Körper das darin auf bewahrte Getränk kühl zu erhalten geeignet ist. Seine auf drei Schellen ruhende Fassung läßt annehmen, daß das Gefäß als Weinkrug benutzt werden sollte. Der mit Weinlaub gravierte silberne Rand [65] der Öffnung läßt im Verein mit der ganzen Fassung die Silberarbeit noch vor die Mitte des 16. Jhdts. versetzen. Die beiden anderen Gefäße sind nur durch ihre gesprenkelte Glasur von dem Töpfer verziert und wirken nur durch ihre reinen Formen. Der rötlich gesprenkelte bauchige Deckelkrug gehörte noch zum Besitz des Kurfürsten August und seiner Gemahlin Anna, worauf die Anfangsbuchstaben an der Fassung der Öffnung hinweisen. Das läßt auch darauf schließen, daß die Fassung des Krugs im Lande von einem Dresdner Silberschmied hergestellt wurde. Der reiche Reliefschmuck des gegossenen Deckels und des Henkelbeschlags bekundet in seinen guten Renaissanceformen einen tüchtigen Meister, als den ich den Dresdner Valentin Grefner nach Maßgabe seiner übrigen Arbeiten erkenne. In England kommen solche Krüge häufiger vor, sie werden dort als im Lande entstanden angesehen. Mir ist indessen wenig wahrscheinlich, daß der Dresdner Krug hierher aus England sollte gelangt sein. Zu jener Zeit wurden schon in Waldenburg in Sachsen-Altenburg vielgeschätzte Töpferwaren hergestellt, zu denen auch unser Krug zu gehören scheint. Es können diese Waren sehr wohl damals schon nach England exportiert worden sein. Die blaugesprenkelt glasierte Kanne ist erst durch ihre silbervergoldete Fassung zu einer solchen umgestaltet worden (Tafel 61, 3). Es scheint, sie hatte ursprünglich auch einen Fuß aus Ton, der dann abgeschlagen wurde. Ihre der Form des Gefäßes gut angepaßte Montierung ist durch ihre Marken als die Arbeit des Dresdner Silberschmieds Martin Borisch, der 1613 Meister wurde, bestimmbar.

Noch seltener als Tongefäße sind in Deutschland die Glasgefäße durch silbervergoldete Fassung zu Prunkgeräten erhoben worden. Die beiden mittelalterlichen emaillierten orientalischen Gläser (Tafel 1) verdanken ihre Fassung ihrer Wertschätzung als Erzeugnisse eines fernen Landes, aus dem sie unter Schwierigkeiten hierhergelangt waren. Die deutschen emaillierten Trink- und Prunkgefäße aus Glas, die besonders in Sachsen für die Hofkellerei in großer Anzahl hergestellt wurden, wurden als solche hinreichend geschätzt, sie sind nur selten durch andere Zutaten ausgestattet. Geschliffene und geschnittene Glasgefäße wurden in Deutschland erst mehr hergestellt, seit Kaiser Rudolph II. aus Italien die Kunst der Bearbeitung des Bergkristalls in Prag heimisch gemacht hatte. Wir haben indessen keine Beispiele dafür, daß solche Glasgefäße die Stelle der Bergkristalle eingenommen hätten. Die venezianischen Ziergläser waren auch so kunstvoll geformt, daß sie einer Fassung entbehren konnten. [66] Daneben aber waren die venezianischen Glasbläser auch bestrebt, ihren Gläsern die Farben der Edelsteine zu verleihen. Ihre Opalgläser wurden besonders geschätzt, sie bedurften zu ihrer Wirkung keiner gläsernen Ansatzstücke. Der schillernde opalisierende Glanz kam am besten an den glatten Flächen der Hohlgläser zur Geltung. Wenn solchen Gläsern dann noch eine silbervergoldete Fassung gegeben wurde, dann kamen sie als Zierstücke den Gefäßen mit in Perlmutterglanz strahlenden Muscheln gleich. Das Grüne Gewölbe besitzt zwei solcher Opalglasflaschen, die, ohne eigenen Fuß, schon bei der Herstellung auf eine Metallfassung berechnet scheinen. Wie diese nach Dresden gelangten, scheint nicht mehr festzustellen zu sein. Es ist auch fraglich, ob beide am selben Ort und vom selben Meister ihre Fassung erhielten, die aber bei beiden noch aus dem 16. Jhdt. herrührt. Die breitere flache Flasche mit kurzem Hals (Tafel 63, 2) hat erst durch ihren runden Fuß und den längeren Hals eine günstig wirkende Gefäßform durch den Silberschmied erhalten, der diese durch Gravierung noch belebt hat. Die größere flache Flasche mit hohem Hals (Tafel 64) ist durch ihren reicher verzierten Fuß, durch mehrfache in Relief verzierte Schienen, durch zierliche Henkel und Bügel und die reiche Krönung des Halses zu einem Prachtgefäß ersten Ranges umgestaltet worden, das noch auf den Breitseiten des Bauches ein besonderes Schmuckstück mit dem Wappen des ersten Besitzers erhalten hat. Wie das Stück dann aus dem Eigentum des Fürstabtes von Kempten, Eberhard von Stain, für den es 1574 hergestellt wurde, nach Dresden gelangte, bleibt unaufgeklärt. Kempten wurde 1633 von den Kaiserlichen gegen die Schweden erobert, dann wieder 1703 im spanischen Erbfolgekrieg von Franzosen und Bayern eingenommen. Es ist immerhin möglich, daß es aus einem solchen Anlaß in andere Hände überging und dann hier erworben wurde.

Das Interesse für farbige Ziergläser wurde von neuem belebt, als es dem deutschen Chemiker Johann Kunckel von Löwenstern (1630–1703) in den siebziger Jahren des 17. Jhdts gelungen war, mittels einer Goldlösung dem Glas eine leuchtende Rubinfarbe zu geben. Diese von ihm dann in Potsdam in den verschiedensten Gefäßformen hergestellten und oft noch durch Schliff und Schnitt veredelten Rubingläser wurden überaus hoch geschätzt und mit vergoldeten Silberfassungen zumeist Augsburger Meister in den Handel gebracht. Aus der großen Gruppe dieser im Grünen Gewölbe vorhandenen Ziergläser sind nur zwei hohe schlanke Flaschen von einer herrlich leuchtenden [67] Farbe, die auch heute noch nicht erzielt werden kann, auf Tafel 63 abgebildet. In den meisten öffentlichen deutschen Sammlungen sind solche Rubingläser anzutreffen.

Neben allen zu Gefäßkörpern verarbeiteten Naturerzeugnissen und Werken der technischen Künste haben von alters her die Straußeneier und die Kokosnüsse in der Herstellung von Ziergefäßen sich ununterbrochener Beliebtheit zu erfreuen gehabt. Von ihrer künstlerischen Ausgestaltung während des Mittelalters erhalten wir aus den Heiligtumsbüchern des 15. und 16. Jhdts. eine Vorstellung. Ihre fertig vorgefundene regelmäßige Form ist sicher der stärkste Anreiz dazu gewesen, sich ihrer zu bedienen. Wenn man sie durchsägte, hatte man schon ein Gefäß mit Deckel zur Hand, es bedurfte nur einer beliebigen Fassung, um diesem Standfestigkeit und Verschluß zu geben. Bei den Straußeneiern konnte an den Gefäßen selbst wenig geändert werden, ihre dünne Wand gestattete nur schwache Verzierungen durch Gravierung; Beispiele hierfür, doch ohne Fassung, sind auch im Grünen Gewölbe vorhanden. Daneben konnte auch Bemalung hinzukommen, die aber seltener anzutreffen ist. Die stets gleichmäßige Form des Straußeneies gewährte dazu der Phantasie nur geringen Spielraum zur Entfaltung. So wurden sie zumeist unverändert übernommen und der mit ihnen gebildete Deckelpokal auf hohem Schaft erhielt nur geringe Varianten. Der ovale Umriß des Straußeneies wurde entweder nur wenig durch die Randfassung des Gefäßes und seines Deckels verändert, oder aber durch einen dem Gefäß aufgesetzten nach außen geschweiften Mundrand unterbrochen. Der Fassung des Deckels wurde, durch Schienen verbunden, zumeist eine in verschiedener Form gebildete Krönung gegeben. Die Mundrandfassung des Gefäßes erhielt oft noch einen herabfallenden Saum und dieser wurde dann durch Schienen mit der tragenden Schale des Schaftes verbunden. Die Entwicklung der Schienen folgt dem Zug der Zeit, sie sind zuerst rein ornamental, dann mit hermenartigen Figuren in Relief verziert. Ebenso sehen wir auch an den früher entstandenen Pokalen die durch Bügel und Köpfe oder Büsten verzierte Vase des Schaftes später abgelöst durch tragende Figuren, mögen diese stehen oder knieen, mögen sie mit erhobenen Händen das Gefäß tragen oder es an einem Ast gleich wie eine große Frucht tragen. In Nürnberg scheint man in dieser Entwicklung vorangegangen zu sein, wie aus dem Bestand des Grünen Gewölbes der Pokal (Tafel 65, 1) von Nicolaus Schmidt vom Ende des 16. Jhdts. annehmen läßt, dem sich der Pokal der [68] Tafel 65, 3 im allgemeinen anschließt, dessen Entstellungsort nicht sicher festzustellen ist. Anscheinend auch eine Nürnberger Arbeit ist der von einem knieenden Afrikaner getragene Pokal (Tafel 66, 1), der wohl dem Meister Jürg Ruel zuzuweisen ist, dessen Typus der ohne Marken gelassene Pokal Tafel 66, 3 sich anschließt. Der von einem Bauern getragene Pokal Tafel 65, 2, der in der Verzierung auch originellere Wege einschlägt, ist wohl als eine Arbeit des Leipziger Meisters Elias Geyer anzusehen. Eine neue Form sucht im 17. Jhdt. ein Dresdner Meister, indem er das in der Fassung mit zwei Henkeln versehene Straußenei mit silbernem Deckel versieht und ihm nur drei Kugelfüße gibt, wodurch das Gefäß nicht mehr als Trinkgefäß, sondern als Dose verwendbar gedacht ist (Tafel 66, 2).

Dem Drang zu figuraler Komposition hat sich auch das Straußenei nicht entziehen können. Dabei lag es ja wohl nahe, das Ei als Körper eines Straußenvogels in die silberne Gestalt einzufügen (Tafel 67). Alle fünf Straußen dieser Art sind Arbeiten desselben Leipziger Meisters Elias Geyer. Der Natureindruck des Vogels wird durchbrochen durch ornamentierte Schienen auf dem Rücken der Tiere, und durch die auf der Brust sitzenden sächsischen Wappenschilde; ebenso veranlaßt eine ungehemmte Zierfreude dazu, gelegentlich noch eine kleine Sirene dem Vogel auf den Rücken zu setzen. Wir haben schon an den mit Perlmutterplättchen belegten Vögeln (Tafel 33) die gleiche naive Auffassung kennengelernt.

Eine etwas größere Abwechslung in den Formen und deren Verzierung verstattete die Kokosnuß, die im Wuchs verschieden groß wurde, die bald mehr eiförmig, bald mehr kugelförmig, bald auch als breitgedrückte Kugel ausfiel. Sie war sowohl mit ihrer rauhen Oberfläche, wie auch geglättet und poliert und schließlich auch mit Bildschnitzerei versehen künstlerisch verschieden zu gestalten. Man konnte den oberen Abschnitt als Deckel in Fassung beibehalten, lieber aber noch ganz darauf verzichten, um so nach Belieben in mannigfacherer Form den oberen Teil des Pokals auszugestalten. Die beiden Pokale mit rauher Oberfläche der Kokosnuß (Tafel 68, 1. 3.) gehören zu den wenigen frühen Erzeugnissen der frühen Renaissancekunst im Grünen Gewölbe, sie sind wohl auch Arbeiten eines Dresdner Meisters. Der eine Pokal hat noch mit dem von einer Schlange umwundenen Baumstamm, der als Schaft dient, gotische Reminiszenzen, die Buckelreihe am Wulst des Fußes fügt sich schon in dessen Renaissanceprofile ein, die Gravierung an Fuß und Mundrand hat [69] noch das Linienspiel früher Renaissance. In der fast unverzierten Zweckform der Schienen stimmt er mit dem anderen frühen Pokal überein. Dieser erstrebt schon in Fuß und Schaft mit einer Kugel zwischen zwei Balustern die Gliederung der Renaissance und hat seinen Hauptschmuck in Buckelreihen. Ein Rest von Gotik steckt noch in dem Akanthuskranz an der Tragstelle des Schaftes. Beide Pokale waren für bestimmte Besteller hergestellt, wie die eingravierten Wappen dort am Baumstamm, hier auf dem von einem Engel gehaltenen Schild der Spitze erkennen lassen. An dem zweiten Pokal im Innern die Jahreszahl 1540. Dadurch haben wir auch den Anhalt, einen Pokal mit gleichem Schaft, der sicher von demselben Meister herrührt, in die gleiche Entstehungszeit zu versetzen. Er hat ein ganz eigenartiges Gefäß in Kumpenform aus der Haut einer Wildsau gebildet (IV, 318).

Vier und fünf Jahrzehnte später herrschte schon die üppigste Verzierungslust wie in Nürnberg und Augsburg, so in Dresden und Leipzig, zu der der polierte Glanz der glatten dunkeln Kokosnußschale als Folie zu dienen hatte. Der Dresdner Meister Valentin Grefner hat mit der Fassung der großen kugelförmigen Kokosnuß ein imposantes Prunkstück geschaffen (Tafel 69, 2), bei dem nur die Hohlkehlen zwischen den Wulsten an Fuß und Deckel unverziert gelassen sind. Der Aufbau von Fuß und Schaft mit einer Vase zeigt die sicherste Beherrschung der Renaissancegliederung, die nur in auffallender Weise in ihren Umrissen durch Pferdeköpfe an der Vase des Schaftes Ausladungen erhalten hat. Diese scheinen dem Pokal eine bestimmte Beziehung zu dem Besitzer geben zu sollen, sie kehren etwas kleiner wieder an den Schienen und ein springendes Pferd krönt die Spitze des Deckels. Das Stück ist von dem Dresdner Meister Valentin Grefner bezeichnet, der nach seiner Übersiedelung nach Dresden hier für den Hof reiche Beschäftigung fand und der auch diesen Pokal im Deckel in Hinterglasmalerei mit dem Wappen des Kurfürsten Christian I. versehen hat. Der erfindungsreiche Künstler hat neben seinem Hauptfach als Silberschmied auch die Wappenmalerei hinter Glas betrieben und diese nicht nur wie hier an seinen eigenen Werken angebracht, sondern damit auch die Drechsler der Elfenbeinpokale versorgt. In dem Reliefschmuck der Schienen herrschen zwar noch nicht die Hermengestalten, doch hat deren oberstes Feld schon Putti, während sonst allenthalben noch dichtes Ornament angewandt ist. Ein Jahrzehnt später sehen wir an der zu einer Kanne (Tafel 68, 2) verarbeiteten Kokosnuß an Schienen und Henkel schon diesen Figurenschmuck und zu [70] dem umfangreichen Gefäß mit hohem Mundrand eine etwas zu schwache Vase als Schaft über flachem Fuß gebildet. Als Urheber des Stückes scheint der für den Dresdner Hof vielbeschäftigte uns schon bekannte Leipziger Meister Elias Geyer anzusehen zu sein, von dem wohl auch, nach der Übereinstimmung der Schienen und der Gravierung zu schließen, der Pokal Tafel 69, 1 herrührt, dessen in den Schaft gestellte Vase schon einen so reichen Reliefschmuck erhalten hat, daß dadurch die Form völlig verdeckt wird, während der Pokal selbst in guten Verhältnissen aufgebaut ist und darin den bestentwickelten Straußeneipokalen der Nürnberger Meister nicht nachsteht. Ein Menschenalter später hat der Dresdner Meister Friedrich Klemm in seinem zierlichen Kokosnußpokal schon auf die reiche Schienenfassung verzichtet, die gedrückte Kugelform der Kokosnuß in ihrer besonderen Art kaum durch die Deckelbildung aus derselben Nuß verändert und auch durch die beiden Kinder, das eine als Tragfigur, das andere als Krönung, dem Pokal einen schlanken geschmackvollen Aufbau zu geben vermocht (Tafel 69, 3).

Gegenüber diesen Pokalen ist den drei Kokospokalen der Tafel 70 schon durch Bildschnitzerei der Oberfläche der Nußschale eine reichere Wirkung gegeben. So ist auch an dem ersten dieser Pokale auf eine reichere Verzierung des Sockels und Deckels verzichtet, ebenso auch der Schienen und der Hauptwert auf die halbknieende Tragfigur und den krönenden Putto gelegt, ähnlich wie an dem vorangegangenen Stück. Vermutlich haben wir bei den beiden Figuren an den Nürnberger Meister Hillebrand zu denken, sie überragen an der lebendigen und natürlichen Körperhaltung die ähnlich aufgebauten anderen Pokale. Die Schnitzerei der Kokosnuß, bei der schon durch die Einteilung in Felder auf Schienenfassung Rücksicht genommen war, ist dem Silberschmied von anderer Hand geliefert worden. Das ist auch der Fall bei dem mittleren Kokosnußpokal von Tafel 70, der mit drei Szenen aus dem Leben des verlorenen Sohnes in Relief geschnitzt ist. Die Silberarbeit daran ist leider ohne Stempelung gelassen, sie ist in Aufbau und Verzierung durchaus selbständig entwickelt, sowohl in dem durch eine schmale Kehle gegliederten Fuß, wie in der Vase mit schlankem Hals, als auch in der darüber stehenden breiteren Schale. Diese Glieder haben zudem durch die Fratzen auf Rollwerkschilden des Fußes, wie durch die bocksfüßigen Bügel der Vase, als auch durch die aus der Schale herausragenden Köpfe einen eigenartigen und wirkungsvollen Schmuck erhalten, dem auch die Ornamentik der schmalen Schienen sich anschließt. Im [71] Gegensatz zu diesem reich entwickelten Unterbau ist der Deckel ziemlich einfach gehalten. Bocksfüßige Bügel finden wir auch an silbernen Pokalen des Nürnberger Meisters Abraham Tittecke, doch ist der Zusammenhang damit zu lose, um daraus auf diesen schließen zu können. Wir haben nicht einmal genügend Anhalt dafür, um auf eine Nürnberger oder auch nur eine deutsche Arbeit schließen zu können.

Wie international zu Anfang des 17. Jhdts. die Motive der Silberarbeiten verbreitet waren, zeigt gerade der letzte der drei Kokosnußpokale auf Tafel 70. Er ist durch seine Marke als die Arbeit eines Amsterdamer Silberschmieds festzustellen. Die schlanke Eiform der Nuß hat den Aufbau des Bechers beeinflußt, der insbesondere durch den hohen Deckel bestimmt wird. Der Becher ist in reifen Renaissanceformen gestaltet und verziert, an dem Deckel ist ähnlich wie an gotisierenden Pokalen das Motiv des Fußes wiederholt, indem auf diesen eine ähnliche Vase gestellt ist, wie die als Schaft dienende Vase des Fußes, als Krönung dient dann noch eine weibliche Figur mit Lanze, deren Bedeutung zweifelhaft scheint. Im Gegensatz zu den drei alttestamentlichen geschnitzten Szenen der Nuß ist der Deckel und Sockel mit drei gelagerten antiken Gottheiten verziert und die Hermen-Schienen der Fassung haben Löwenköpfe. Der Silberschmied hat also durch den Inhalt der Schnitzerei seiner Phantasie keine Schranken auferlegen lassen. Der Stempel verweist die Arbeit noch in die Mitte des 16. Jhdts., für die an der Fassung entwickelten Formen in Holland eine auffallend frühe Zeit.