Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/28. Kapitel

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Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche
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Das achtundzwanzigste Kapitel.
Das h. Predigtamt ist ein solcher von Gott verordneter Stand, in welchem er etliche gewisse Personen aus den Menschen dazu gesetzt hat, daß sie mit göttlicher Autorität (Ansehen und Beglaubigung) als Botschafter an seiner Statt ihres Herrn Wort vortragen, die Sacramente ihnen reichen, sie also zu Christo führen und zum ewigen Leben erbauen sollen.

 746. Obgleich Gott uns Menschen ohne einige Mittel lehren, führen und regieren könnte, so hält er doch, nachdem es ihm wohlgefallen hat, auch bei diesem Werke Mittelpersonen zu gebrauchen (und zwar allein aus dem menschlichen Geschlecht) auch darinnen seine richtige Ordnung, die bei Betrachtung derjenigen Mittel, welche Gott zur Förderung unsrer Seligkeit gebraucht, etwas ausführlicher erwogen werden muß. Hiebei sind nun sechs Punkte zu behalten.

 747. a) Die Namen, die dem Predigtamte gegeben werden, deren vornämlich vier sind:

|  α) Diener, 1 Corinth. 3, 5.: „Wer ist nun Paulus? wer ist Apollo? Diener sind sie, durch welche ihr gläubig worden seid, nämlich Diener Gottes und Christi.“ Röm. 1, 1.: „Paulus ein Knecht Jesu Christi.“ Gal. 1, 10.: „Wenn ich den Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.“ 1 Cor. 4, 1.: „Dafür halte uns Jedermann, nämlich für Christi Diener u. s. w.“ 2 Corinth. 6, 4.: „In allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes.“ Diener der Kirche, Coloss. 1, 24. 25.: „Christi Leib ist die Gemeine, welcher ich ein Diener worden bin.“ Diener des göttlichen Wortes, Eph. 3, 7.: „Ich bin des Evangelii Diener worden.“

 748. β) Aeltesten, weil in den neugepflanzten Kirchen die Apostel diejenigen zu Dienern erwählt haben, welche entweder am Alter von Andern ein Ansehen gehabt, oder (was eher zu vermuthen ist) die am längsten bei der christlichen Religion gewesen waren und sich in diesem Glauben am meisten geübt hatten. 1 Timoth. 5, 17.: „Die Aeltesten, die wohl vorstehen u. s. w.“ Titum 1, 5.: „Derohalben ließ ich dich in Creta, daß du wolltest vollends ausrichten da ich’s gelassen habe, und besetzen hin und her die Städte mit Aeltesten.“ Und darum will St. Paulus, daß ein Bischof nicht ein Neuling sein soll, 1 Timoth. 3, 6., auf daß er sich nicht aufblase und dem Lästerer in’s Urtheil falle.

 749. γ) Bischof, welches Wort nach der griechischen Sprache, aus der es herkommt, einen Aufseher heißt, und ob es schon im Papstthum einen besonders hohen geistlichen Stand bedeutet, so ist doch, nach der Schrift Gebrauch, Bischof nichts anders, als| ein Lehrer oder Diener der christlichen Kirche, Apost. Gesch. 20, 28.: „Habt Acht auf die ganze Heerde, unter welche euch der h. Geist zu Bischöfen gesetzt hat.“ Philipp. 1, 1.: „ Allen Heiligen in Christo Jesu zu Philippi, sammt den Bischöfen und Dienern.“

 750. δ) Mancherlei Namen, die von der Haushaltung hergenommen sind, als Haushalter über Gottes Geheimnisse, 1 Corinth. 4, 1. Gottes Gehilfen in seinem Gartenbau, 1 Corinth. 3, 6. 9.: „Wir sind Gottes Gehilfen, ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen u. s. w.“ Arbeiter in Gottes Weinberg, Matth. 10, 1. Aerndtearbeiter, Matth. 9, 38.: „Bittet den Herrn der Aerndte, daß er Arbeiter in seine Aerndte sende.“ Fischer, Matth. 4, 19.: „ Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen. “ Hirten, 1 Petri 5, 2.: „Weidet die Heerde Christi, die euch befohlen ist.“ Botschafter, 2 Corinth. 5, 20.: „So sind wir nun Botschafter an Christi Statt. “

 751. b) Das Amt an sich selbst. Solches beruht darauf, daß die Menschen zur ewigen Seligkeit erbaut werden. Dieß geschieht durch Lehre, durch Darreichung der Sacramente, und durch das Kirchenregiment. Was

 α) die Lehre anlangt, so geht diese auf zwei Dinge; einmal auf den seligmachenden Glauben (denn durch den Glauben werden wir selig, Ephes. 2, 8.), dann auf einen ehrbaren, gottseligen Wandel, damit nicht durch gottlosen Wandel der Glaube sammt der Seligkeit hinweggeworfen werde. Wer den Glauben in der Menschen Herzen pflanzen will, der muß zwei Dinge thun, erstlich das Wort Gottes den Zuhörern| rein und unverfälscht vorlegen, denn der Glaube kommt aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes, Röm. 10, 17. Dieses Wort ist zweierlei, Gesetz und Evangelium, Matth. 13, 52.: „Ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz Altes und Neues hervorbringt,“ aber davon ist an seinem Orte genugsam gehandelt.

 Wenn nun diese Lehre den Zuhörern vorgetragen wird, alsdann entsteht daraus der seligmachende Glaube, dadurch sie bei Gott gerecht werden und zur ewigen Seligkeit gelangen können.

 752. Wer den Glauben in des Menschen Herz pflanzen will, der muß für’s Andere neben dem Glauben und der Lehre auch einen ehrbaren Wandel führen, und dadurch in den Zuhörern Gottseligkeit und gute Werke pflanzen, die gleichfalls aus dem Worte herfließen, das nütze ist zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, 2 Timoth. 3, 16., auch aus des Lehrers Exempel, 1 Timoth. 4, 12.: „Sei ein Vorbild der Gläubigen im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben und in der Keuschheit.“ Wer nun kein Aergerniß und böse Anreizung verursacht, dadurch Jemand von dem heilsamen Glauben oder heiligen Wandel abgeführt wird, der hat mit diesen Werken seinem Amt genug gethan.

 753. Weil aber der Teufel, ein abgesagter Feind der Menschen, sich bemüht, das göttliche Wort von unserm Herzen zu reißen, Luc. 8, 12., auch das Unkraut der Ketzerei und mancherlei Sünden unter den Waizen zu werfen pflegt, Matth. 13, 38. 39., so ist die| Strafpredigt hochnöthig, daß dadurch die falschen Lehrer und bösen, unbußfertigen Sünder zurecht gebracht werden. Wegen Beider entstehen Fragen, die zu beantworten nöthig sind:

 Ob ein Prediger seinem Amt genug gethan habe, wenn er allein die seligmachende Lehre seinen Zuhörern vorgetragen hat, daß ihm weder nöthig sei, noch wohl anstehe, daß er die falsche Lehre öffentlich anziehe und widerlege? Wenn’s in der Kirche Christi allzeit so ruhig wäre, daß keine Verführung zu besorgen wäre, so wäre es vergeblich, Andere zu widerlegen, wovor man sich nichts zu befürchten hätte. Weil aber allzeit unter uns Rotten sind, 1 Corinth. 11, 19., und ein jeder Kirchendiener stets zu befürchten hat, daß ihm seine Zuhörer von der heilsamen Lehre abgeführt werden möchten, so stehet ihm nicht frei, davon zu schweigen, sondern er soll ihnen ernstlichen Widerstand thun, und zwar aus folgenden Gründen:

 754. Einmal, „weil ein Lehrer mächtig sein soll, nicht allein zu vermahnen durch die heilsame Lehre, sondern auch zu strafen die Widersprecher, denn es sind viel freche und unnütze Schwätzer und Verführer, welchen man muß das Maul stopfen, Tit. 1, 9. ff. 2 Timoth. 2, 24. 25. „Strafe die Widerspenstigen, ob ihnen Gott dermaleins Buße gebe,“

 755. Für das Andere: weil Christus und seine Apostel vor der falschen Lehre heftig und ernstlich gewarnt und mit den Verführern gestritten haben. Von Christo wissen wir, wie vielfältig er vor den Pharisäern und Schriftgelehrten gewarnt, Matth. 16, 6. ff.| 23, 13. ff., und oft mit ihnen disputirt hat; Paulus hat die Christen in der galatischen Kirche vor Verführung gewarnt und wider die falschen Apostel heftig gestritten, Gal. 3, 1. ff. 5, 1. ff. Apostelgesch. 15, 2. ff. Deßgleichen die Christen zu Corinth, 2 Corinth. 11, 13. ff. Und so haben zu jeder Zeit in der Kirche alle heiligen gottseligen Lehrer auch gethan.

 756. Für’s Dritte: weil die Hirten, die dem Wolf nicht Widerstand thun, keine rechten Hirten, sondern Miethlinge sind, Joh. 10, 12. Nicht genug ist’s, daß ein Hirte seine Schafe auf gesunde Weide bringt, wenn er nicht auch dem Wolf wehrt, daß er die Schafe nicht zerreiße. Er muß auch die Schafe abhalten von unreiner, giftiger Weide und ungesunden Wassern; thut er es nicht, so ist er ein ungetreuer Hirte. Nun ist verführerische Lehre nichts anders, als ein Seelengift, und Ketzer und Verführer sind nichts anders, als reißende Wölfe; darum wer seine Zuhörer davor nicht warnt, der ist ein ungetreuer Hirte.

 757. Ob auch die, welche falsche, irrige Lehre führen, mit Namen vor der Gemeine genannt, und als Ketzer, Verführer, falsche Lehrer u. s. w. ausgerufen und verdammt werden sollen. Beides ist recht, doch daß es mit guter Bescheidenheit geschehe, wovon hier nicht ausführlich gehandelt werden kann. Daß man Verführer mit Namen nennet, ist darum nicht unrecht.

 758. Weil sonst allenthalben zuläßig ist, schädliche und verführerische Leute mit Namen zu nennen, wie z. B. in weltlichen Regimenten die Aufrührer, Mordbrenner und dergl. ohne einiges Bedenken beschrieben und namhaft gemacht werden,| damit sich ein Jeder vorsehen kann; wie in Schulen die Lehrer ihre Schüler, im Hausstande die Aeltern ihre Kinder warnen, daß sie sich vor bösen verführerischen Buben hüten, und diese ihnen wohl mit Namen nennen, was ihnen kein Mensch übel deuten kann. Warum soll es denn allein in der Kirche unrecht sein?

 759. Weil Christus und seine Apostel solche Leute ohne Scheu genannt haben. Christus die Pharisäer, Schriftgelehrten und Sadducäer, Matth. 16, 6. „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadducäer.“ Cap. 23, 13. „Wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler u. s. w.“ Die Apostel nennen Hymenäus, Philetus, Alexander, 1 Timoth. 1, 20. 2 Timoth. 2, 17. Die Nicolaiten, Offenb. 2, 15. 16. Die Jesabel, Cap. 2, 20.

 760. Weil die Verdammung und Ausrufung als Ketzer Christo und seinen Aposteln gebräuchlich gewesen. Christo, der die Pharisäer Heuchler nennt, Matth. 23, 13. Kinder der Hölle, V. 15. Blinde, blinde Leiter, Matth. 15, 14. Pauli, der dem Elymas ein Teufelskind schillt, Apostelgesch. 13, 10. Andere falsche Apostel, trügliche Arbeiter, 2 Corinth. 11, 13. Teufels-Diener, V. 15. Hunde, Philipp. 3, 2. Den Hymenäus und Alexander übergibt er den Satan, 1 Timoth. 1, 20. Wenn nun noch heutzutage gegen irrige Lehrer dergleichen (jedoch mit Bescheidenheit und guter Diskretion) geschieht, so haben sie sich keiner Unbilligkeit zu beklagen.

|  761. Ob diejenigen, welche in groben Sünden stecken und öffentliches Aergerniß geben, auch öffentlich gestraft, und entweder durch Namen oder andere Bezeichnung der Gemeine öffentlich kundgethan werden sollen? Oeffentliche Laster sollen auch öffentlich gestraft werden, 1 Timoth. 5, 20. „Die da sündigen, die strafe vor Allen, auf daß sich auch die Andern fürchten.“ Ist nun die Person ohne das bekannt, so ist’s nicht nöthig, sie zu nennen, ist sie aber unbekannt, so mache man das Aergerniß nicht größer, sondern helfe die Schande zudecken, und richte jedoch die Strafpredigt dahin, daß sie geschehe mit ganzem Ernst, Tit. 2, 15., und daß sich Andere fürchten. So viel von der Handlung des Worts.

 762. β) Was die Sacramente anbelangt, so müssen diese die Prediger handeln als göttliche Geheimnisse, welche den Menschen zu Gutem und Gott zu Ehren dienen. Demnach sollen sie nach göttlicher Ordnung denen reichen, die ihrer benöthigt sind, und von denen sie hoffen, daß sie ihr vorgestecktes Ziel erreichen werden. Wo sie aber spüren, daß der Gebrauch der Sacramente Gott zu Unehren und dem Menschen zum Schaden gereiche, da sollen sie ihnen dieselben versagen, und die Perlen nicht vor die Säue, noch das Himmelreich vor die Hunde werfen, Matth. 7, 6.

 763. γ) Das Kirchenregiment anlangend, ist dabei auf zweierlei Personen zu sehen, einmal auf die Lehrer, die in gewisser Ordnung sein müssen und unter sich ein Regiment bedürfen (wovon im Folgenden) und hernach auf die Zuhörer, welche regiert werden sollen, nicht mit Grimm und Gewalt,| so daß man etwa die Ungehorsamen mit Feuer und Schwert verfolgen wollte, Luc. 9, 55. 56, sondern mit geistlicher Gewalt, die zum Theil in der Kraft des Wortes bestehet, Hebr. 4, 12., wovon bisher gehandelt worden ist, und

 764. zum Theil bestehet im Gebrauch der Himmelsschlüssel, wie der Herr Christus die Gewalt des Predigtamts nennt. Matth. 16, 19. „Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und Alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.“ Matth. 18, 18. „Wahrlich, ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, u. s. w.“ Joh. 20, 22. 23. „Jesus blies die Jünger an und sprach: Nehmet hin den heiligen Geist, welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Hier haben wir zu bemerken:

 765. Was für eine Gewalt dieses sei? Sie ist nicht eine weltliche, sondern geistliche, nicht die über der Menschen Leiber herrsche, sondern die Seelen regiere und leite.

 Wie sie zu üben sei? Sie ist zu üben

 nicht durch weltlichen Zwang, als Schwert und Feuer, sondern durch die Kraft des Wortes und freundliche Aufnahme der Gehorsamen, auch ernstliche Ausschließung derer von der Gemeine, die sich durch’s Wort nicht führen lassen wollen. Gleichwie ein Hirt seine Schafe leitet. Die ihm gehorsam sind, denen ist| er freundlich, die Widerspenstigen treibt und zieht er mit seinem Stabe, wollen sie demselben auch nicht folgen, so schafft er sie aus der Heerde, hauet aber, sticht und schießt nicht mit Wehr’ und Waffen unter sie. So schreibt St. Petrus den Vorstehern der Heerde Christi, sie sollen diese weiden, nicht als die über das Volk herrschen, 1 Epist. 5, 3.

 nicht aus freier Lust und Gefallen, als stände einem Kirchenlehrer frei, nach seinem eigenen Gefallen zu thun und zu lassen, Sünde zu vergeben und zu behalten, wann er nur wolle, sondern, daß er Alles zu Gottes Ehre und zur ewigen Wohlfahrt der ihm Anbefohlenen richte, und das thue, was er nach dem göttlichen Wort dazu dienlich findet, aber dasjenige meide, was ihnen dazu hinderlich sein kann;

 nicht aus Eigennutz oder Affecten, als Liebe, Haß, Ansehen der Person, Gaben und Geschenke u. s. w., welche alle in göttlichem Gerichte unerträgliche Dinge und den weltlichen Richtern (vielmehr den Geistlichen) auf’s Höchste verboten sind.

 766. c) Was die Wirkung dieser Gewalt sei? Es ist nicht allein Verkündigung des göttlichen Willens und Gerichts (die durch die Predigt des Worts verrichtet wird), sondern es ist eine solche Gewalt, wie in weltlichen Regimenten die hohe Obrigkeit der niedrigen Gewalt gibt, mit den Unterthanen zu verfahren, daß die Frommen geschützt und die Bösen zur Strafe gezogen werden. Wie nun daselbst die niedrige Obrigkeit den Unterthanen nicht nur den Willen und Gefallen der hohen Obrigkeit anmeldet, sondern sich auch der Gewalt gebraucht, daß sie die Ungehorsamen einschließt, wieder los gibt, aus| ihrem Gebiet verweist u. s. w., so hat Gott, die höchste Obrigkeit, den Lehrern eine gleiche geistliche Gewalt in seiner Kirche zu üben gegeben.

 767. Insonderheit aber, so viel den Löseschlüssel oder Erlassung der Sünden anbetrifft, ist zu wissen,

 α) daß ein jeder bußfertiger Sünder alsbald, wenn er sich zu Gott bekehrt, Vergebung seiner Sünden erlangt, auch zuvor von Sünden los gesprochen wird. So der Zöllner, Luc. 18, 13., da er in seinem Herzen die Reue empfand und zur Gnade Gottes Zuflucht nahm, waren ihm allbereits seine Sünden vergeben. Apost. Gesch. 13, 39. „Wer an diesen (Jesum) glaubt, der ist (von Sünden) gerecht.“ Röm. 4, 5. „Wer glaubt an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“

 768. β) Daß die Vergebung der Sünden durch die Predigt des Evangeliums allen Bußfertigen angekündigt werde. Denn das Osterlamm sollte ein Amt der Versöhnung sein, 2 Corinth. 5, 8., und die Apostel sollten Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern predigen. Luc. 24, 47.

 769. γ) Daß nichts desto weniger ein solcher Mensch durch die ordentliche Gewalt von Sünden losgesprochen werden könne. Wie auch Derjenige, der durch ein Urtheil von Banden losgesprochen ist, gleichwohl durch Gewalt der Obrigkeit aus dem Gefängnisse geführt und los gemacht wird. So wurde der Zöllner gerechtfertigt, da er sein demüthiges Gebet zu Gott that, ob er schon durch die Buße, welche ihn zum Tempel getrieben, bereits von Sünden los war. Deßgleichen| absolvirt der Herr Christus die Sünderin, welche ihre Sünde herzlich beweinte und zu ihm, als dem rechten Gnadenstuhl, ihre Zuflucht nahm, wiewohl sie auch in solcher Buße schon zuvor, ehe sie sich zu seinen Füßen setzte, in göttlichem Gerichte der Vergebung der Sünden erlangt hatte.

 770. δ) Daß fleißig zuzusehen ist, damit nicht die Vergebung der Sünden den Unwürdigen gesprochen werde. Unwürdige aber sind die, welche 1) ihre Sünde nicht erkennen, wie der Prophet Nathan dem Könige David keine Vergebung anmeldete, bis er aus reuigem Herzen sprach: „Ich habe gesündigt wider den Herrn,“ 2 Sam. 12, 13.; welche 2) von Sünden, die sie wider ihr Gewissen begehen, nicht abstehen, weil nur der Barmherzigkeit erlangt, der seine Sünde bekennt und läßt, Sprüchw. 28, 13.; welche 3) zwar ihre Sünden bereuen und davon zu lassen gedenken, aber den Glauben nicht haben, die Sünde würde ihnen aus göttlicher Gnade durch Christi Verdienst vergeben. „Wehe denen so an Gott verzagen und nicht fest halten, wehe den Verzagten, denn sie glauben nicht, darum werden sie auch nicht beschirmet.“ Sirach 2, 14. 15.

 771. Da aber kein Mensch das Herz anschauen und wissen kann, wie der Andere dieser Punkte halber gesinnt sei, so muß zwar der Lehrer nach der christlichen Liebe urtheilen, die alles hofft und glaubt, 1 Corinth. 13, 7., und denen die Sünde erlassen, welche ein richtiges und gutes Bekenntniß thun, doch nicht anders, als auf vorhergehende christlich gottselige Erklärung, und dann mit solcher Bedingung, wenn der Beichtende die Sünde bereut und zu göttlicher| Gnade Zuflucht genommen habe, so fern das Bekenntniß mit der Wahrheit übereinstimme, wie solches Gott, dem Herzenskündiger, nicht unbekannt sei, der die Heuchler heftig strafen, aber dem Bußfertigen gelten lassen wird, daß im Himmel los sei, was durch’s Predigtamt auf Erden gelöset worden ist.

 772. Vom Bündeschlüssel ist zu merken:

 Was er sei? Er ist nichts anders, als der Bann, damit unbußfertige Sünder von der christlichen Gemeinde abgesondert werden, damit sie dadurch zur Buße geleitet und wieder bei Gott zu Gnaden kommen mögen, was Paulus dem Satan übergeben heißt, 1 Corinth. 5, 5. 1 Timoth. 1, 20.

 773. Wie er zu gebrauchen sei? Er darf nicht gebraucht werden gegen alle Sünder, sondern nur gegen die, die vorsätzlich sündigen, und zuvor genugsam ermahnt worden sind. Hievon hat uns der Herr Christus unterrichtet, Matth. 18, 15. ff. „Sündiget dein Bruder an dir, so gehe hin, und strafe ihn zwischen dir und ihm allein, höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen, höret er dich nicht, so nimm noch einen, oder zwei zu dir, höret er die nicht, so sage es der Gemeine, höret er die Gemeine nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner.“ Demnach muß der Bann nicht eher vollstreckt werden, es sei denn, daß an dem Sünder, der durch private oder öffentliche Vermahnung der Sünden gewarnt worden ist, keine Besserung zu spüren ist, alsdann soll einem solchen Menschen Gottes Ungnade und (wenn er nicht Buße thut) ewige Verdammniß angekündigt, seine Sünde, die ihn zur Hölle ziehet, behalten, er aber| nicht anders gehalten werden, als ein Heide und Zöllner, die alle frommen Herzen meiden, und mit denen sie nichts zu schaffen haben wollen.

 774. Was der Endzweck dieses Bannes sei? Der vornehmste ist, daß einem solchen Halsstarrigen seine Bosheit gebrochen und er zur Buße geleitet werde. Dahin sah Paulus, als er den Corinthier in den Bann that, welcher seine Stiefmutter zum Weibe genommen hatte, wenn er 1 Corinth. 5, 3. ff. schreibt: „Ich habe beschlossen über den, der solches gethan, in dem Namen unsers Herrn Jesu Christi in eurer Versammlung mit meinem Geist und mit der Kraft unsers Herrn Jesu Christi ihn zu übergeben dem Satan, zum Verderben des Fleisches, auf daß der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu.“ Darneben soll der Bann die Leute nöthigen, von Sünden abzustehen, worauf Paulus auch gesehen hat, wenn er den Hymenäus und Alexander in Bann that, daß sie gezüchtiget würden, nicht mehr zu lästern, 1 Timoth. 1, 20. Der Bann muß also die Sünde und ihre höchstschädliche Wirkung eröffnen, daß man ihr feind werde und durch ernste Buße von ihr abstehe.

 775. d) Die Person, welche zu diesem Amt zu gebrauchen ist. Diese muß man also betrachten, daß gesehen werde α) auf die Natur, nämlich daß allein Menschen, nicht aber Engel, noch eine andere Creatur, in’s Predigtamt zu ziehen seien, und allein die Männer, nicht aber Weibspersonen; denn obwohl diese im Hause ihre Kinder und Gesinde unterrichten sollen (wie St. Paulus Tit. 2, 3. fordert:| „Die alten Weiber sollen gute Lehrerinnen sein“), so sind sie doch zu dem ordentlichen öffentlichen Predigtamt nicht zu bestellen, 1 Corinth. 14, 34. „Eure Weiber lasset schweigen in der Gemeine, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, daß sie reden, sondern unterthan sein.“ 1 Timoth. 2, 12. „Einem Weibe gestatte ich nicht, daß sie lehre.“ Es wäre denn, daß es an tüchtigen Männern ganz und gar fehlte, und sich bei gottseligen Weibern besondere Gaben fänden, wie z. B. Phöbe zu Cenchrea gewesen ist, Röm. 16, 1., Tryphena, Tryphosa und Persida, V. 12., die in dem Herrn viel gearbeitet haben. Sodann müssen es auch Männer sein, die zum rechten Alter gekommen sind. Denn in diesem Amte zu dienen, sind keine Sünder geschickt, auch die nicht, welche wegen beschwerlichen Alters zu wichtigen Geschäften unvermögend sind. Außer diesem ist kein Alter von dem Predigtamte ausgeschlossen, nicht das hohe Alter, Philem. 9, auch nicht die Jugend, 1 Timoth. 4, 12. „Niemand verachte deine Jugend,“ Jerem. 1, 7. „Sage nicht, ich bin zu jung, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dich heiße.“ Es müssen aber solche Männer sein, die ihres Leibes Gesundheit halber zu den Verrichtungen dieses Amtes geschickt sind. Findet sich an Jemanden ein Leibesgebrechen, das ihm doch in seinen Geschäften nicht hinderlich ist, so mag er, dessen ungeachtet, zum Amte wohl gebraucht werden. Würde ihm aber das Gebrechen das Amt nicht nach Gebühr verrichten lassen, so ist’s besser, daß er das Amt nicht annehme, als daß er es nur zur Nothdurft verrichten sollte. Es ist sodann zu sehen:
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|  776. β) auf den Stand oder das Amt, darin eine Person befunden wird. Es reimt sich nicht, daß in’s Predigtamt ein Mann eingesetzt werde, der einer andern Handthierung zugleich abwarte. Denn obwohl St. Paulus auch während seines Apostelamtes ein Teppichmacher gewesen ist, Apostelgesch. 18, 3., hat es jedoch mit denen, welche mit schwerer Mühe die Predigt erforschen und jede Predigt aus Gottes Wort suchen müssen, eine ganz andere Beschaffenheit, wie schon Sirach 38, 25. sagt: „Wer die Schrift lernen soll, der kann keiner andern Arbeit warten, und wenn man lehren soll, muß man sonst nichts zu thun haben.“

 777. Ganz besonders aber hat es der Herr Christus so geordnet, daß, die das weltliche Regiment führen, sich dieses Amtes nicht unterfangen sollen, Luc. 22, 25. 26. „Die weltlichen Könige herrschen, und die Gewaltigen heißt man gnädige Herren, ihr aber nicht also, sondern der Größeste unter euch soll sein, wie der Jüngste, und der Vornehmste, wie ein Diener.“ Darum wurde Usias mit Aussatz gestraft, weil er sich neben dem königlichen zugleich des priesterlichen Amtes unterfangen wollte, 2 Chron. 26, 19. 20. Wenn aber Jemand zum Predigtamt geschickt ist, dazu rechtmäßig berufen wird, von seinem vorigen Vornehmen absteht, der kann dabei ohne Bedenken gebraucht werden, wie der Herr Christus Fischer, Zöllner und andere gemeine Leute zum Apostelamt berufen hat, Matth. 4, 19. 21. 9, 9. Jedoch sollen dergleichen Leute nicht ohne erhebliche Ursache, und insonderheit, wenn andere geschickte Leute vorhanden sind, zum Predigtamte genommen werden.

|  778. So sind auch vom Predigtamte diejenigen nicht zu verstoßen, die im Ehestande leben, weil die Ehe ein heiliger Stand ist, von Gott eher, als der Mensch sündigte, eingesetzt, 1 Mos. 2, 22. ff., und von ihm gesegnet, 1 Mos. 1, 28., den er bei allen Menschen ehrlich gehalten haben will, Hebr. 13, 4., weßhalb er ihn mit einem besondern Gebot verwahrt, 2 Mos. 20, 14., und also keine Ursache vorhanden ist, warum er den Predigern verboten werden sollte; weil Gott will, daß die Personen, welche er in’s Lehramt gesetzt hat, im Ehestand leben sollen, 1 Timoth. 3, 2. 4. „Ein Bischoff soll sein eines Weibes Mann, der gehorsame Kinder habe, mit aller Ehrbarkeit.“ Dieß wird wiederholt Tit. 1, 6.; weil die heiligen Apostel, indem sie das Apostelamt geführt, besonders Petrus, Jacobus und Johannes, ehelich gewesen sind, 1 Corinth. 9, 5. 6. „Haben wir nicht Macht, eine Schwester zum Weibe mit umherzuführen, wie die andern Apostel und des Herrn Brüder und Kephas? Aber haben allein ich und Barnabas nicht Macht, solches zu thun?“ – weil solches Eheverbot nach 1 Timoth. 4, 1. 3. eine Teufelslehre ist: „In den letzten Zeiten werden etliche vom Glauben abtreten, und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel, und verbieten, ehelich zu werden;“ – weil das Verbot des Ehestandes im Papstthum vielfältige, erschreckliche Unzucht und Schande verursacht hat, davon alle Historien voll sind, daß der Teufel kein bequemeres Mittel, die Unzucht auszubreiten, hätte erfinden können, als eben dieses.
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 779. γ) Auf die Qualitäten, die im Amte nöthig sind. Deren sind zweierlei, die eine,| Geschicklichkeit, daß der Lehrer selber verstehe, was er Andere lehren soll, Sirach 18, 19. „Lerne zuvor selbst, ehe du Andere lehrest.“ Zu dem Ende muß er die Weisheit der Alten erforschen und in den Propheten studiren, Sirach 39, 1.; dann, daß er auch die gefaßten Lehren recht vorbringen könne, die Zuhörer dadurch zu ermahnen und die Widersprecher zu strafen, Tit. 1, 9. Das heißt Paulus lehrhaftig sein, 1 Timoth. 3, 2. 2 Timoth. 2, 24. Die andere Eigenschaft ist guter unsträflicher Wandel. Denn mit diesem muß er ein Vorbild der Gemeinde werden, 1 Timoth. 4, 12. Nun sind die Personen, die sich zum Predigtamte gebrauchen lassen, hinsichtlich des Wandels verschieden; etliche führen einen guten Wandel, obschon sie sich in ihrer Jugend nicht nach Gebühr verhalten haben, diese aber können, wenn sie sich gebessert haben, deßhalb nicht vom Predigtamte abgewiesen werden, wiewohl besser ist (besonders an den Orten, da ihre Laster bekannt sind und die Gemeinde ärgern), solche zu nehmen, die ein gutes Zeugniß ihres vorigen Wandels haben, damit sie nicht den Lästerern in die Schmach und Schande fallen, 1 Timoth. 3, 7. Andere fahren in bösem, unordentlichem Leben fort, und diese vermögen nicht allein durch ihr Exempel nicht zu erbauen, sondern reißen das, was sie mit der Lehre bauen, mit dem ärgerlichen Leben wieder nieder. Darum taugen sie nicht in’s Predigtamt, weil dieses fordert, daß sie unsträflich, nüchtern, mäßig, sittig, nicht Weinsäufer u. s. w., seien, 1 Timoth. 3, 2. 3.

 780. e) Wie die zum Predigtamte tüchtigen Personen in dieses Amt eintreten sollen?

|  α) Wer sich dem Predigtamte unterziehen will, der muß es nicht von sich selbst ergreifen, sondern warten, bis er rechtmäßiger Weise darein gesetzt werde. Die Propheten zu Jeremias Zeit wurden deßwegen gestraft, weil sie liefen, und Niemand sandte sie. Jerem. 23, 21. Hebr. 5, 4.: „Niemand nimmt ihm selber die Ehre, sondern der auch berufen sei von Gott, gleichwie Aaron.“ Röm. 10, 15.: „Wie sollen sie predigen, wo sie nicht gesandt sind?“

 781. β) Durch welche Personen diese Bestellung geschehe? Das Senden geschieht entweder ohne Mittel, wie Gott die Propheten, Jes. 6, 8. 9. Jerem. 1, 5. ff., und der Herr Jesus seine Apostel, Matth. 4, 19. 21. u. s. w., berufen hat; oder durch Mittelspersonen, welche eigentlich alle Stände der Kirche sind, nämlich der Lehr-, Regier- und Hausstand.

 782. Der Lehrstand, Tit. 1, 5.: „Derohalben ließ ich dich in Creta, daß du sollst vollend anrichten, da ich’s gelassen habe, und besetzen die Städte hin und her mit Aeltesten, wie ich dir befohlen habe.“ 2 Timoth. 2, 2.: „Was du von mir gehört hast, durch viel Zeugen, das befiehl treuen Menschen, die da tüchtig sind, auch Andere zu lehren.“

 783. Der Regierstand, welcher zu jeder Zeit im Alten Testamente fleißig Aufsicht gehabt hat, damit das Lehramt wohl und mit guten Leuten versehen würde, z. B. Salomon, 1 Könige 2, 27. 35., Hiskias, 2 Könige 18, 4., Josaphat, 2 Chron. 17, 6., Josias, 2 Chron. 35, 2., Judas Maccabäus, 1 Maccab. 4, 42. Diese Exempel sollen den Christen zur Nachahmung dienen, und wie auch die Obrigkeiten in der Christenheit von| der Zeit, daß diese dem christlichen Glauben zugethan waren, bis ihnen der römische Papst diese Gewalt entzogen hat.

 784. Der Hausstand hat auch sein Recht bei der Predigerwahl. So hat die ganze Gemeine der Gläubigen den Matthias erwählt, Apost. Gesch. 1, 23., die ganze zu Jerusalem versammelte Gemeine sandte nach Antiochia den Paulus und seine Gefährten, Apost. Gesch. 15, 25. 26. Dergleichen ist in folgenden Zeiten auch geschehen, bis der Papst dem gemeinen Volk auch dieses Recht bei Bestellung des Predigtamtes entzogen hat.

 785. Solcher göttlichen Ordnung zu Folge pflegen entweder aus allen drei Ständen etliche wenige Personen erwählt zu werden, welchen man diese Verrichtung aufträgt, oder da der weltliche Stand eine Person den andern Ständen vorstellt, haben sie alsdann Macht, darüber zu urtheilen, und wenn sie diese untüchtig finden, zu verwerfen, diejenigen aber zu behalten, die tüchtig sind. Dieses alles ist jedoch solche Ordnung und Gebrauch, die auf der gutwilligen Vergleichung der gesammten Stände beruhen.

 786. γ) Durch welche Handlungen die Stände das Predigtamt bestellen. Deren sind drei, als:

 die Wahl, welche durch obenerwähnte Personen geschehen und dahin gerichtet werden soll, daß damit Gottes Ehre, der Kirche Aufkommen und der Menschen Seligkeit, so viel möglich ist, befördert werden;

 die Vocation oder Berufung, dadurch der erwähnten Person die einhellige Wahl angemeldet, sie zu dem Kirchenamt gefordert und dasselbe anzunehmen und ihm gebührlich vorzustehen, ermahnt wird;

|  die Ordination, welches eine apostolische und alte Kirchen-Ceremonie ist, dadurch eine zum Predigtamte berufene Person der Gemeine öffentlich vorgestellt, zu dem ihr aufgetragenen Amt angewiesen und dieses ihr ernstlich befohlen wird. Die Apostel haben den Gebrauch gehalten, daß dem Ordinanden das Amt mit Handauflegen der Aeltesten, vielleicht, weil die Opfer durch Händeauflegen Gott zu eigen gegeben wurden, 3 Mos. 3, 2. 4, 15., oder weil im Alten Testamente die Leviten zur Verrichtung des Gottesdienstes durch Auflegung der Hände gewidmet worden sind, 4 Mos. 8, 10., anzudeuten, daß auch die Prediger Gott zu eigen gegeben und in ihr Amt mit gleicher Feierlichkeit eingeführt werden. Diese Weise wird nicht aus Nothwendigkeit, sondern aus christlicher Freiheit, so noch beibehalten wird, besonders, weil es Gott dadurch gefallen hat, seine geistlichen Gaben den Menschen mitzutheilen, 1 Timoth. 4, 14. „Laß nicht aus der Acht die Gabe, die dir gegeben ist, durch die Weissagung mit Handauflegung der Aeltesten.“ 2 Timoth. 1, 6. „Ich erinnere dich, daß du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände.“

 787. Bisher ist von ordentlicher Bestellung der Prediger gehandelt worden, wobei die Frage von Dr. Martin Luthers seligem Beruf entstehet: ob er durch Menschen, oder auf besondere Weise von Gott dazu bestellt worden sei, daß er das Evangelium hervorbringen und das Papstthum reformiren sollte? Darauf lautet die Antwort: Lutherus ist von Gott zu solchem Werk berufen, und zwar zum Theil durch Mittel, zum Theil ohne Mittel.

|  788. Durch Mittel, würdig zum Predigtamt in der Kirche, zur Professur an der Universität Wittenberg ist er ordentlicher Weise berufen und ihm Gottes Wort zu lehren aufgetragen worden; ferner, indem er zum Doctor der heil. Schrift promovirt ist, womit ihm das öffentliche Lehramt anbefohlen worden, dasselbe so zu führen, daß die seligmachende Lehre fortgepflanzt würde. Hat nun Lutherus diesem seinem dreifachen Amte gebührlich nachkommen wollen, so hat er nothwendig die evangelische Lehre aus Gottes Wort hervorbringen, die falsche aber strafen müssen; und in sofern ist an Lutherus dieß allein etwas besonders, daß Gott seine Verrichtung, dazu er durch ordentliche Mittel berufen ward, besonders hat segnen und gebrauchen wollen, den Widerchrist dadurch zu entdecken, und zu den letzten Zeiten sein heil. Wort der Christenheit wieder zu geben.
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 Ohne Mittel ist Lutherus berufen, theils, indem Gott einen Engel versprochen, der mitten durch den Himmel fliege und ein ewiges Evangelium denen verkündige, die auf Erden wohnen, Offenb. 14, 6., und schreie aus Macht und großer Stimme: „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große, und eine Behausung des Teufels worden u. s. w.“ Offenb. 18, 2., theils, weil es der Augenschein gibt, daß diese Offenbarung des Widerchrists ein recht göttliches Werk sei, welches Gott über Luthers Vornehmen und Gedanken durch ihn angefangen und ausgeführt, auch die Lehre uns wieder gegeben hat, die seinem Worte gleich stimmt, und die Niemand, als allein der, der von Gott gesandt und getrieben ist, hat aufbringen können. Daraus ist zu schließen, wessen Werke und Verrichtungen| Gottes Werke und Verrichtungen seien, der ist in denselben Gottes Werkzeug, und demnach von Gott dazu aufgefordert und getrieben. Luthers Werk und Verrichtung, indem er den Widerchrist geoffenbart und die reine Lehre des Evangelii uns wieder gebracht hat, sind Gottes Werke und Verrichtungen, daher ist Lutherus in denselben Gottes Werkzeug und demnach von Gott aufgefordert und getrieben worden.

 789. f) Was für eine Ordnung unter den zum Predigtamte verordneten Personen sein soll? Drei Punkte sind hier zu beachten:

 α) daß im Predigtamte eine Ordnung sein müsse. Gott selbst hat eine Ordnung gemacht, einmal mit den Gaben, die er dem Einen in reicherem Maße, als dem Andern, gegeben hat. Zwar sind Alle, die Gott in dieß Amt gesetzt hat, tüchtig, dasselbe zu führen, aber Etliche bedürfen in vorhaltenden Handlungen des Unterrichts, damit sie angeleitet und regiert werden. Etliche haben dessen nicht nöthig, sondern vermögen Andere zu regieren; wie sich auch in der täglichen Erfahrung vielfältiger Unterschied der Gaben findet, wovon Paulus 1 Corinth. 12, 8. ff. Meldung gethan hat.

 Darnach hat Gott Ordnung gemacht im Unterschiede der Verrichtungen. Im Alten Testament waren Propheten, Priester und Hohepriester; im Neuen Testamente Apostel, Evangelisten, Aelteste, Hirten und Lehrer, Ephes. 4, 11. So verordnte Paulus den Titus zum Bischof in Creta (nicht aber zu einem Apostel), dem befahl er, daß er in den Städten hin und her Aelteste und Lehrer bestellen sollte, Tit. 1, 5. Daß nun dergleichen Unterschied in der Kirche noch beibehalten| wird, ist an sich selber nützlich, wie die Erfahrung bezeugt; da hingegen, wenn kein solches Kirchenregiment gehalten würde, vielfältige Verwirrung und Zerrüttung ohnfehlbar folgen müßte.

 790. β) daß diese Ordnung nach Gelegenheit jedes Orts und wie sie diesem am bequemsten ist, gemacht werden möge, weil hierinnen kein Maß vorgeschrieben ist, sondern nur, daß man in Acht nehme die apostolische Regel: „Lasset Alles ehrlich und ordentlich zugehen.“ 1 Corinth. 14, 40.

 791. γ) daß in diesem Regimente nicht Alles unter einem Bischof, der über die ganze Christenheit die Aufsicht habe, gebracht werde, weil 1) bei Erzählung der Stände im Kirchenregiment, 1 Corinth. 12, 8. ff. Ephes. 4, 11., keines allgemeinen Hauptes Meldung gethan wird, woraus abzunehmen ist, daß diese Hohheit von Christo oder seinen Aposteln nicht eingesetzt oder gestiftet worden ist; 2) weil der Herr Christus zu verschiedenen Malen seinen Jüngern untersagt hat, es solle keiner unter ihnen der Oberste und der Andern Haupt sein, Marc. 9, 34. Matth. 20, 26. 27. Luc. 22, 26. „Die weltlichen Könige herrschen, und die Gewaltigen heißet man gnädige Herren, ihr aber nicht also, sondern der Größeste unter euch soll sein, wie der Jüngste, und der Vornehmste, wie ein Diener.“ 3) Weil der Herr Christus in solchem Zank seiner Jünger so oft Gelegenheit gehabt hat, seinen Willen davon zu erklären, daß er nicht unterlassen haben würde, über seine Kirche in der ganzen Welt ein allgemeines Haupt zu ordnen, wenn es ihm gefallen hätte. Da er es aber nicht gethan hat, als die Gelegenheit und Nothwendigkeit| fast zu erfordern schien, so ist es gewiß, daß er damit angedeutet hat, daß er von einem solchen Haupte in seiner Kirche nichts wissen wolle. Endlich 4) weil weder die Apostel, noch einige reine Kirchenlehrer einer solchen Hohheit sich angemaßt, noch gebraucht haben.

 792. Der Herr Christus hat vielmehr alle seine Jünger mit einerlei Befehl abgefertigt, Matth. 28, 19. 20., nicht aber dem Petrus etwas Besonderes befohlen, noch die andern an ihn, als an ihr Haupt, gewiesen, nirgends auch gewollt, daß sie alle Kirchen, welche die Apostel pflanzen würden, an den Petrus und desselben Nachfolger, als an ihr oberstes Haupt auf Erden, weisen sollten. Auch haben die Apostel den Petrus niemals für ihr Haupt erkannt, sondern Paulus schreibt: „Ich achte, ich sei nicht weniger, denn die hohen Apostel sind, 2 Corinth. 11, 5. und Gal. 2, 11.: „widerstand er dem Petrus unter die Augen, denn es war Klage über ihn kommen.“ So liest man auch nicht, daß nach den Aposteln in der ersten Kirche Jemand für ein allgemeines Haupt sich aufgeworfen, noch dafür sei gehalten worden, bis zu der Zeit, als der Papst eine Gewalt über die allgemeine Kirche gesucht hat.

 793. Der Herr Christus will den Titel, daß er das Haupt seiner Gemeine seie, allein behalten, Ephes. 5, 23. Col. 1, 18., und der Erzhirte, 1 Petr. 5, 4., allein heißen. Demnach soll sich diesen Titel keiner anmassen, was doch geschehen würde, wenn die Kirche einen allgemeinen Hirten haben sollte.

 794. g) Was für Früchte und Wirkungen das Predigtamt habe? Das zeigen die Namen an, die es führt, als, daß Lehrer Gottes Haushalter sind, 1 Corinth. 4, 1., Knechte, Röm. 1, 1., Diener,| Röm. 15, 16., Ackerleute, 1 Corinth. 3, 6. ff., Bauleute, 1 Corinth. 3, 10., Hirten, Ephes. 4, 4., Aerndte-Arbeiter, Matth. 9, 38., Botschafter, 2 Corinth. 5, 20. Wie nun in der Haushaltung solche Aemter nicht ohne besonderen großen Nutzen sind, wenn anders die dazu Bestellten ihrem Herrn gebührende Treue erweisen, also, wenn die in’s Predigtamt Verordneten sich treulich verhalten, so kann ihr Amt nicht umsonst und vergeblich sein, und es hat sich ergeben, daß durch die Verrichtungen der Apostel das Evangelium von Christo in aller Welt gepflanzt, Col. 1, 23., und unzählig viele Menschen zu ihrer ewigen Wohlfahrt befördert worden sind, wie vom Berufe Pauli schön geschrieben ist, Apostelgesch. 26, 17. 18.: „Ich will dich erretten von den Heiden, unter welche ich dich jetzt sende, aufzuthun ihre Augen, daß sie sich bekehren von der Finsterniß zum Licht, und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfahen Vergebung der Sünde, und das Erbe, sammt denen, die geheiligt werden durch den Glauben an mich.“ Von dem Amte des Timotheus spricht Paulus: „Wo du solches thust, wirst du dich selbst selig machen, und die dich hören.“ 1 Timoth. 4, 16. Dergleichen vom Petrus: „Der wird dir (dem Cornelius) Worte sagen, dadurch du selig wirst sammt deinem ganzen Hause,“ Apostelgesch. 11, 14. So auch überhaupt von allen Lehrern, 2 Corinth. 4, 7. „Wir haben solche Schätze in irdischen Gefäßen, auf daß die überschwängliche Kraft sei Gottes, und nicht von uns, 1 Corinth. 1, 21. „Es gefiel Gott wohl, durch die thörigte Predigt selig zu machen die, so daran glauben.“
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|  795. h) Woher die Prediger ihren Unterhalt nehmen sollen? Das ist in Gottes Wort genugsam erörtert, nämlich, sie sollen unterhalten werden von denen, welche sie lehren.

 Die Priester im Alten Testamente hatten kein eigen Erbe in Israel, sondern sie lebten von den Zehenden, 5 Mos. 14, 28. 29., von den Erstlingen, 3 Mos. 23, 10. 4 Mos. 18, 12. 13., von dem Gelde, damit die Erstgebornen gelöset wurden, 2 Mos. 22, 29. 30., von den Opfern, 4 Mos. 18, 11. u. s. w., damit die, welche des Altars pflegen, des Altars genießen, 1 Corinth. 9, 13.: „Also hat der Herr befohlen, daß, die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelio nähren.“ V. 14. Darum wollte der Herr Christus nicht, daß seine Jünger Geld, oder etwas anderes auf ihre Wegfahrt mitnehmen sollten, weil ein Arbeiter seiner Speise werth sei, Matth. 10, 9. 10. Von solchem Rechte hat zwar St. Paulus nicht Gebrauch gemacht, jedoch andern damit nicht ihren Unterhalt entziehen wollen, wie er davon Meldung thut Gal. 6, 6.: „Der unterrichtet wird mit dem Wort, der theile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet.“ 1 Corinth. 9, 7. ff.: „Welcher reiset jemals auf seinen eigenen Sold? Welcher pflanzet einen Weinberg, und isset nicht von seiner Frucht? Oder welcher weidet eine Heerde, und isset nicht von der Milch seiner Heerde? Also, da wir auch das Geistliche säen, ist’s ein groß Ding, ob wir euer Leibliches ärndten? Wisset ihr nicht, daß, die da opfern, essen vom Opfer? Und die des Altars pflegen, genießen des Altars? Also hat auch der Herr befohlen, daß, die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelium nähren?“

|  Dieß sei genug vom Predigtamte, und überhaupt von den Mitteln, durch welche Gott die Menschen von ihrem sündlichen Zustande wieder aufrichtet, in einem neuen geistlichen Leben erhält und endlich zu der ewigen Wohlfahrt befördert.





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