ADB:Schwanthaler, Ludwig Ritter von
Franz S., wußte schon die Schulbänke wie den Studirtisch im väterlichen Hause mit in Wachs modellirten Figuren poetisch auszuschmücken, was jedoch den Fortschritten im Studium der classischen Sprachen wie der Geschichte, wobei ihm sein treffliches Gedächtniß sehr zu statten kam, nicht im mindesten hinderlich war. Er absolvirte das Gymnasium und erwarb eine vorzügliche Bildung, die er auch später noch durch weiteres Studium der lateinischen und griechischen Schriftsteller und durch die Lectüre der deutschen Classiker cultivirte und zeitlebens erweiterte. Schon 1818 trat er in die Akademie der Künste, um sich der Schlachtenmalerei zu widmen. Das Vorbild von Albrecht Adam und Peter Heß, noch mehr die Wucht der kaum verklungenen Kriege, erfüllten seinen Geist mit kühnen Plänen: Er arbeitete an einem Brande Moskau’s, an einem Rückzuge der französischen Armee; dazu wurden Studien nach dem Leben, alle möglichen Waffenarten, Kanonen, Wagen und Pferde gezeichnet. Unliebe Erfahrungen mit Johann Peter von Langer, dem damals noch omnipotenten Director, welcher dem mit großem Bewußtsein seiner Fähigkeiten auftretenden Schüler alle Befähigung zur Kunst absprach, reiften den Entschluß, die Akademie zu verlassen und seinen eigenen Weg einzuschlagen. Die mittelalterliche Romantik hatte seinen ganzen Geist so gewaltig erfüllt, daß er in einer Menge abenteuerlicher Compositionen, die er meistens in großen Federzeichnungen mit Leichtigkeit zu Papier brachte, seine Begeisterung ergoß. Begabt mit einer rastlos schaffenden Phantasie und einem neidenswerthen Schönheitssinn, entwarf er ganze Reihenfolgen von Compositionen aus der deutschen Sage und der hellenischen Mythe, z. B. mit seinem durch gleiches Feuer treu verbundenen jugendlichen Freunde, dem Grafen Franz Pocci, einen großen Turnierzug von schwerbewaffneten Rittern, Bilder zu Fr. de la Motte Fouqué’s „Zauberring“ u. s. w. Gleichzeitig schritt er vorwärts im ernsten Studium der Antike und in der Technik des Modellirens; so entstand ein Cyclus aus der Mythe des Prometheus und der Titanen, desgleichen ein langer Fries mit den Heroen der Ilias. Mit dem Tode des Vaters (1820) fiel nun die Erhaltung und Leitung der Bildhauerwerkstätte auf Ludwig S. und die Sorge um Mutter und Schwester. In treuer Erfüllung dieser Pflichten übernahm S. die Herstellung gewöhnlicher Grabdenkmale, Büsten Verstorbener und Stuckaturarbeiten für Bauten. Daneben übte er sich fortwährend im Studium und Modelliren von Pferden, wozu die kgl. Reitschule das beste Material bot. Hiedurch erregte er die Aufmerksamkeit des königlichen Oberstallmeisters Karl Ludwig Freiherrn Kesling v. Bergen; gelegentlich erzählte er über diese frisch aufstrebende Kraft dem Könige Maximilian I. und dieser beschloß die Anfertigung eines großen, reichverzierten Silberservice, wozu S. einen der griechischen Götter- und Heroensage entnommenen Bilderstoff modelliren sollte. S. begann mit dem „Einzug der jüngeren Götter in den Olymp“, mit der Sage von Kadmos und der Argonautenfabel; ein großer Theil dieser für die Seitenflächen des Tafelaufsatzes gehörigen Scenen und jener an den Verbindungspostamenten stehenden Figuren war schon in Wachs modellirt und Einzelnes in Silber gegossen und ciselirt, als das plötzliche Ableben des hohen Bestellers (1825) diesen Auftrag unterbrach und in Vergessenheit brachte; auch die vorläufig abgelieferten Wachsmodelle verschwanden, bis es erst später den Nachforschungen Ernst Förster’s gelang, die Reste in der [194] k. Silberkammer wieder aufzufinden, worauf selbe im Bairischen National-Museum eine bleibende Stelle erhielten (vgl. E. Förster, Gesch. der deutschen Kunst 1860, V, 221 und dessen Denkmale der Kunst 1856, II). Eine neue Thätigkeit ergab sich für S. in den durch Cornelius’ Fresken berühmt gewordenen Sälen der Glyptothek, deren Plafonds unter der Leitung des Baumeisters Leo v. Klenze mit Flachreliefs aus der den Bilder-Cyclen entsprechenden Götter- und Heroen-Mythen geschmückt werden sollten. So bildete S. im „Göttersaal“, über dem „das Reich des Neptun“ vorstellenden Freskobilde, die Geburt der Venus aus den Wellen, wie sie dem Meere entsteigend von Tritonen und Nereiden mit Jubel begrüßt wird; zwei weitere kleine Giebelgruppen, gleichfalls als Flachreliefs, zieren den Raum über den Thüren. Im „Trojanischen Saal“ schuf S. in Stucco-Verzierung die zwölf Götter um das mittlere Deckengemälde (Hochzeit des Peleus mit der Thetis), ebenso die großen Reliefs über den Wandbildern und am Fensterbogen (Kunstblatt 1830 Nr. 2). Im „Römer-Saal“ modellirte S. die drei Mittelreliefs der Kuppel und die übrigen Göttergestalten, alle weiß auf goldenem Grunde. Zu den Fresken am Giebel des k. Hof- und Nationaltheaters wurde schon 1824 ein Project (Apollo mit den neun Musen) von S. entworfen. Für den Tanzsaal des gleichfalls von Leo v. Klenze erbauten Herzog-Max-Palais modellirte S. 1830 einen 44 Meter langen Fries mit der in gleich lebendiger Weise behandelten und in höchst poetischer Schilderung erzählten Mythe des Bachus (Kunstblatt 1830, S. 204). Darauf folgten die großen Reliefs für die Reitschule des Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg. (Vgl. Nr. 82 Kunstblatt vom 13. October 1835; dabei auch eine kurze Uebersicht von Schwanthaler’s bisherigen Leistungen.) Als Vorstudie zu seinen Arbeiten in der Glyptothek war S. nach Rom gegangen, wo er bei Thorwaldsen freundliche und ermuthigende Aufnahme fand, doch kehrte er bald wieder in die Heimath zurück, da seine Gesundheit unter den dortigen klimatischen Einflüssen litt; 1832 wagte sich S. abermals nach Rom, wo er jetzt länger verweilte, vollauf beschäftigt mit den Aufträgen des ihm in überaus großer Huld zugeneigten König Ludwig I. Hier entstanden die Modelle einiger Gruppen zum ersten Giebelfelde der Walhalla, viele Zeichnungen zu den Sculpturen und Gemälden für die Ausschmückung der neuen Residenz, auch die Skizzen zu den Künstler-Statuen auf der Südseite der Pinakothek. Darauf erfolgte 1835 Schwanthaler’s Ernennung zum Professor an der Münchener Akademie, wodurch sich der Kreis seiner Thätigkeit in fühlbarster Weise noch erweiterte, so daß er bei der Fruchtbarkeit seines Geistes und der außerordentlichen Vielseitigkeit seines Talentes gezwungen war, nach Gehülfen und Schülern sich umzusehen, mit deren oft nicht immer günstig wirkenden Beihülfe und Mitwirkung er jene übergroße Zahl von Werken auszuführen im Stande war, womit die Gnade seines königlichen Maecen und der bald weit wirkende Ruhm seines Namens ihn überhäuften und zur aufzehrenden Verwendung seiner Kraft verleiteten. Seiner unerschöpflich arbeitenden, rastlos perlenden Phantasie schien es möglich, den verschiedenartigsten, weit auseinander liegenden Aufträgen und Anforderungen zu genügen. Was sein rastlos dichtender Geist erfand und mit flüchtigem Griffel gleichsam nur hinschreibend gestaltete, reichte gerade hin, um eine ganze Schaar von Malern, Plastikern, Erzgießern und Technikern vollauf in wetteifernde Thätigkeit zu versetzen.
Schwanthaler: Ludwig v. S., Bildhauer, geb. am 26. August 1802 zu München als der Sohn des vorgenanntenObwohl im Sinne der Romantiker ganz erfüllt von der Herrlichkeit der deutschen Vorzeit und begeistert von der Baukunst, Plastik, Malerei und Dichtung des Mittelalters, führte ihn der größte Theil seiner Bestellungen doch auf das Gebiet der Antike, zur Verkörperung ihrer Mythen und Sagen. S. hätte lieber die deutsche Geschichte, die Dichter und Helden seines Vaterlandes verherrlicht. Er zählte gleichfalls zu jener begeisterten Tafelrunde, welche, wie in Franz Pocci’s [195] Lebensabriß berichtet wurde, sich 1831 unter dem Namen der „Gesellschaft zu den drei Schilden“ zusammengefunden hatte zur Begründung und Erforschung der deutschen Alterthumskunde. Die Idee, welche später Freiherr v. Aufseß im „Germanischen Museum“ realisirte, bildete damals schon in klar umschriebener Fassung die Folie für diese begeisterten Jünglinge, welche sich freilich naturgemäß in einer gewissen überschwenglichen Sentimentalität und Exclusivität bewegten, so daß der sarkastische Clemens Brentano den kritisch-warnenden Ausspruch that: „Wenn Einer von Euch mal in den Himmel käme und er findet die Trinität nicht so wie selbe Martin Schön oder Albrecht Dürer dargestellt hat, so kann keiner dort aushalten, rennt davon und schlägt dem Petrus noch die Thür vor der Nase zu!“ In eine große, das imposante Innere eines spitzbogigen Domes darstellende Zeichnung Fr. Hoffstadt’s zeichnete sich S. selbst als ritterlicher Herakles am Scheidewege, wie die deutsche Frau „Aventiure“ ihn einladet in ihre Dienste zu treten, während gegenüber die „Helena“ den Recken in ihren Bann nimmt. Einstweilen erfrischte S. seinen Geist noch an den Schätzen der germanischen Kunst und Litteratur, modellirte zu seines Herzens Erquickung die im grimmen Speerkampf zusammenreitenden Recken des Hildebrand-Liedes, ebenso das schöne Relief wie Siegfried den Drachen erschlägt und die gerettete Jungfrau freit (unter dem Titel „S. Georg“, gestochen von Amsler als Geschenk des Münchener Kunstvereins für 1834, vgl. Kunstblatt 1836 S. 86), gruppirte die Hauptgestalten der Nibelungen in einem Tafelaufsatz (Kupferstich in Förster’s Denkmale der deutschen Kunst 1856, II) und that das Gelöbniß, wenn ihm „Frau Saelde“ hold bleibe, einst doch noch eine „Burg“ zu erbauen, welche alle Pläne Pocci’s weit übertreffen sollte: Dann aber ging er seinen neuen Aufträgen entgegen und entwarf mit fester Hand, großem Schönheitssinn und doch voll archaistischer Strenge und mit ächt hellenischem Stilgefühl die Zeichnungen zu Hesiod’s „Theogonie“. König Ludwig I. wollte einige Räume seiner neuen Residenz mit Bildern zu den griechischen Dichtern schmücken, welche theils im gebundenen Style der Fresken zu Tarquinii und Corneto, theils in freierer, malerischer Durchbildung gehalten sein sollten, wozu S. die charakteristischen Compositionen zeichnen mußte, während die Ausführung den Malern Leopold Schulz, Hiltensperger und Anderen zugetheilt wurde. So entwarf S. für das erste Vorzimmer des Königs einen an den vier Wänden umlaufenden Fries mit Darstellungen aus dem Argonautenzuge nach Orpheus, äußerst lebendige Bilder ganz im hellenischen Geiste, welche im altgriechischen Vasenstyl monochrom auf braunem Grunde zur Darstellung kamen (vgl. den ausführlichen Bericht in Nr. 82 bis 87 Kunstblatt 1835). Das zweite Vorzimmer zieren die Bilder aus den Gedichten des Hesiod. Dazu ergab die „Theogonie“ einen beiläufig 40 Meter langen und 1 Meter hohen Fries, welcher (ausgeführt von Hiltensperger und Streidel) sich mit einer Färbung ohne Licht und Schatten begnügt, innerhalb welcher die Formen mit festen Umrissen angegeben sind. Mit großer Genialität überwand S. die Schwierigkeit, die außerordentliche Anzahl von Hauptgruppen und Episoden, menschlicher Gestalten und Ungeheuer, in dem bedingten Raum zum deutlichen Ausdruck zu bringen; sein ächt plastisch denkender Sinn bewahrte ihn auch hier vor mißfälliger Ueberhäufung; S. erzählt Alles „mit rein antiker Einfachheit und Würde, daß man ein Werk der ältesten griechischen Zeit vor sich zu sehen glaubt, während die volle Originalität und Eigenthümlichkeit des Einzelnen eine eben so freie als neue Erfindung bewährt. Es begegnen uns hier unübertrefflich schöne Gruppen, die auch ohne den Reiz der Farbe durch die gewählte Darstellungsweise vollständig wirken. Unter diesen Friesen sind an den vier Wänden weitere Darstellungen aus den Epen Hesiods, aus dem „Schilde des Herakles“ und den „Werken und Tagen“, theils einfarbig, [196] theils polychrom in enkaustischer Technik. Das Ganze erschien dann nach den Originalzeichnungen Schwanthaler’s in Stein gravirt von Fr. Wolf und mit Erläuterungen herausgegeben von Prof. Fr. Beck (München 1853, gr. Fol.) als dritter Theil von Schwanthaler’s Werken. Der Thronsaal wurde von S. mit Reliefs (in Gyps) zu den Gesängen Pindar’s verziert, wobei sich der Stoff freilich nicht so vollkommen cyklisch durchführen ließ, wie in den vorhergehenden Arbeiten. Der Künstler mußte hier nur allgemein interessante Beziehungen herausfinden, von denen wenigstens einige unter sich zusammengehören. Für den Fries boten sich am geeignetsten die olympischen und pythischen Spiele mit der Preisvertheilung an die Sieger. Gerade über dem Throne erscheint der seine Gesänge dem Volke vortragende Pindar. An den Wänden umfassen größere und kleinere Rahmen verschiedene Darstellungen (auf Goldgrund) aus den Mythen des Herakles, Achill, Deukalion, Jason, Castor und Polydeukes. Auch hier herrscht die allen Compositionen Schwanthaler’s eigene Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit der Bewegung, überall ergreift er den die That bezeichnenden richtigen Moment. Der ganze Saal trägt das Gepräge einer heiteren Pracht. Sodann entwarf S. 24 Compositionen zu den Tragödien des Aeschylos, welche im Audienzzimmer, und die Bilder zu den Dramen des Sophokles, welche im Schreibzimmer des Königs durch W. Röckel und C. H. Hanson zur Ausführung gelangten, während 27 Scenen aus den Komödien des Aristophanes das Ankleidezimmer der Majestät in heiterster Weise belebten. Damit ergab sich ein wahrer Tummelplatz für die unerschöpfliche Laune und den geistreichen Witz des Künstlers, welcher hier weniger die Schönheit der Form und die Höhe edler Charakteristik entwickeln sollte, dafür aber zeigen konnte, daß ächt griechische Behandlung selbst bei heiteren, der Pnyx und der Agora entnommenen Bildern, die künstlerische Weihe verleihen kann. Diese dem Geiste des Dichters entsprechenden Caricaturen übertrug Hiltensperger in die gleichfalls muthwillige Farbe und bewies dadurch sein feines Verständniß sowohl für den Dichter wie für den Componisten. Davon ist nur ein einziges Blatt, darstellend den mit der komischen Muse tanzend dahin schreitenden Aristophanes, durch Rudolph Marggraff’s „Münchener Jahrbücher“ (1842, II, 77) in die Oeffentlichkeit gelangt und zwar nach einem von Stortz gemachten Stich, welchen Samuel Amsler in der durch Franz v. Kobell erfundenen galvanographischen Technik als ersten Versuch vervielfältigte (vgl. dazu Nr. 94 im Stuttgarter Kunstblatt 1841 und Beil. 54 Allgemeine Zeitung 1842). Ein 48 Meter langes Gypsrelief mit den Mythen der Aphrodite (in einem Saale des zweiten Stockwerkes) wurde unter Amsler’s Leitung von Stäbli und Schütz (Düsseldorf 1839) als erster Theil von Schwanthaler’s Werken gestochen; ein kleines Fragment daraus in Lübke und Lützow’s „Denkmäler der Kunst“ IV, Taf. IX (115). Zwischendurch entstand ein Cyklus von 90 ziemlich ausgeführten Handzeichnungen zur „Odyssee“, welchen S. für die im nördlichen Erdgeschosse der Residenz befindlichen sechs Säle also componirte, daß eine jede der 24 Wandseiten die Hauptmomente eines Gesanges enthält. Hier war Gelegenheit gegeben ein Werk griechischer Kunst und Art zu gestalten, so groß und bedeutend, wie nur ein Gegenstück zu Schnorr’s „Nibelungen“ gedacht werden kann. Alles athmet einen ächt homerischen Geist, ist in hellenischer Form und Gestaltung aufgefaßt, und der reichen Fülle eigener Erfindungsgabe lebendig und wahr entquollen. Hiltensperger erhielt die Aufgabe, die kleinen Entwürfe in lebensgroße Figuren zu übersetzen; er begann schon 1839 mit dieser Arbeit, welche sich mit mehrfachen Unterbrechungen bis 1854 hinauszog. Dabei ergab sich freilich der Mißstand, daß entweder die im kleinen Format enthaltenen Fehler mit der Uebertragung sich bemerkbar machten oder das Hiltensperger’s ausführende Hand nicht mehr geeignet war, adäquat sein Pensum zu bemeistern. Der ganze Cyclus gerieth unerfreulich und langweilig, so daß die [197] Säle nie der Oeffentlichkeit übergeben, sondern alsbald zu Bureaux verwendet wurden. Auch eine durch Jos. Albert, unbegreiflicher Weise nicht nach Schwanthaler’s eigenhändigen Zeichnungen, sondern nach den bunten Fresken veranstaltete photographische Reproduction mißlang, da isochromatische Platten damals noch nicht erfunden waren.
In demselben Saal, welchen Julius Schnorr mit einer Bilderreihe aus dem Leben des Kaiser Friedrich I. versah, gestaltete S. auch einen die sämmtlichen Wände umschließenden, in Gyps auf Goldgrund modellirten Fries, wodurch die Freskodarstellungen in origineller Weise ergänzt und gleichsam in fortlaufender epischer Erzählung erweitert wurden (vgl. Nr. 48 Kunstblatt Stuttgart 1840 und Pfister, Die Kunstepochen Münchens 1888, S. 10). Die Länge betrug über 90 Meter bei anderthalb Meter Höhe; in Schwanthaler’s Atelier arbeiteten seine besten Schüler an diesen Reliefs, die der Meister dann an Ort und Stelle einer längeren Retouche unterzog. Das Ganze erschien mit dem Titel „Der Kreuzzug des Kaiser Friedrich Barbarossa“ in 18 unter Amsler’s Leitung gestochenen Blättern (Düsseldorf 1840, als zweiter Theil von Schwanthaler’s Werken; neue Ausgabe Leipzig 1879). Auch zu den dritthalb Meter hohen Statuen der acht Kreise Baierns auf der Portikus-Attika über dem Saalbau und zu den beiden Löwen lieferte S. die Skizzen, nach welchen die großen Bildwerke 1837 ausgeführt wurden. Ferner componirte S. sechzehn Scenen aus den Befreiungskämpfen der Griechen gegen die Türken, wobei seine nie völlig überwundene Vorliebe für Schlachtenmalerei in erfreulicher Weise sich bewegen konnte. Diese überaus lebendig und scharf durchdachten Bilder wurden im großen Festsaale der durch Fr. v. Gärtner erbauten k. Residenz zu Athen von 1840–1844 durch Kranzberger, Claudius Schraudolph, Ulrich Halbreiter, Joseph Scherer u. A. vergrößert und in Fresko gemalt; die sorgfältig ausgearbeiteten Originalentwürfe gelangten aus König Otto’s Nachlaß in den Besitz König Ludwig II., welcher selbe dem Münchener Handzeichnungs- und Kupferstich-Cabinet einverleiben ließ.
Unterdessen hatten viel umfangreichere Arbeiten Schwanthaler’s Thätigkeit in Anspruch genommen, voraus die beiden Giebelgruppen für die bei Regensburg ihrem Ausbau entgegenreifende „Wallhalla“. Zum südlichen Giebelfelde derselben entwarf ursprünglich Rauch in Berlin die Composition, welche aber fast gänzlich durch S. umgestaltet wurde, wozu er schon während seines zweiten römischen Aufenthaltes einige Figuren modellirte. König Ludwig gab die Idee; demnach sollte in fünfzehn allegorischen Gestalten der Friede von 1816 dargestellt werden. In ruhiger Haltung thront die Germania in Mitte des Tympanon, deutsche Krieger führen ihr die den Franzosen entrissenen Bundesfestungen zu: Der ihr zunächst stehende Krieger mit dem österreichischen Doppeladler am Helmschmuck bringt die durch ihr Wappenbild erkennbare Stadt Mainz, ihr folgt durch einen Baiern geleitet, die Veste Landau; ein Krieger (Württemberg) ermuntert den hinter ihm sitzenden Helden, sich zur Feier des Festes zu erheben; der mit Trauben bekränzte, diese Seite abschließende Rhein hält in der Ecke Ruder und Schiffsschnabel zu seiner durch den Frieden gesicherten Fahrt. Zur Linken der Germania schwingt Preußen mit der Colonia an der Hand, begeistert den Lorbeerkranz; dann kommen Hannover mit Luxemburg und Hessen und Sachsen zur Huldigung herbei; die Mosel schließt diese Gruppe ab (gestochen von K. Schütz). Die Bildwerke zum nördlichen Giebel entstanden von 1835–40. Im Mittelpunkt der colossalen Statuen steht der über Alles emporragende Armin, mit dem Adlerhelm auf dem Haupte, von einem windflatternden Mantel nur leicht umhüllt; ihm zunächst stehen drei germanische Heerführer, dann folgt knieend ein bekränzter, in feuriger Begeisterung den Schlachtengesang anstimmender priesterlicher Harfner, ihm zur Seite, das wallende Haar mit Eichenlaub und Mistel geschmückt, eine [198] hehre Wala. Ihnen angereiht bringt das über einen sterbenden Greis gebeugte Weib die ganze Gruppe zum Abschluß. Auf der anderen Seite Armin’s wagt sich noch ein schwerbewaffneter Römer an den gewaltigen Recken, ein leichtbewaffneter schreckt zurück, Varus stürzt in sein eigenes Schwert, während ein sterbender Adlerträger diese ganze Scene abrundet (lithographirt im Atlas zu Raczynski’s Geschichte der neueren Kunst 1840, Tafel XXII. Vgl. Nr. 142 Illustr. Zeitung Leipzig 1846. Ein Umriß nach Schleich’s Stich in Lübke und Lützow, Denkmäler der Kunst IV, Tafel IX). Für das Innere der Walhalla lieferte S. die Modelle zu den als Karyatiden verwendeten colossalen „Walkyren“ (ausgeführt von Brugger, Horchler, Hänle, Herwegh und Anderen) und die Büsten von Mozart und Walther v. Plettenberg.
Zum Giebelfelde der Glyptothek stellte S. nur die Figur des Holzbildhauers. Dagegen ist der ganze Giebelschmuck des Kunstausstellungsgebäudes seine Erfindung. Hier ist das Wiederaufblühen der Künste in Baiern in allegorischer Darstellung versinnlicht: Oben als Akroterion erscheint der Phönix, den Eckenabschluß bilden die baierischen Löwen (von Schönlaub und Sanguinetti). In der Mitte steht die allen Kunsterzeugnissen Kränze spendende Bavaria. Ihr nahen sich auf der einen Seite, mit dem Modell einer Kirche, der Architekt, der Historien- und Genremaler, der Porzellan- und Glasmaler, jeder mit seinen charakteristischen Attributen. Ihnen gegenüber bringt der Bildhauer mit seinem Gehülfen die Büste des königlichen Maecen, dahinter schließen sich an der Broncegießer und ein Münzmeister am Prägstock. – Die überraschendste Leistung aber bildet das 19 Meter hohe Erzbild der „Bavaria“ vor der „Ruhmeshalle“ auf der „Theresienhöhe“ in München. Die hehre Jungfrauengestalt ist gedacht als die allegorische Patrona des Baierlandes; den schönen Oberkörper bekleidet ein theilweise um die Brust geschlungener Pelz, während ein langfließendes Gewand die hohe Gestalt bis zu den Füßen umschlingt; das edle, mit einem leichten Eichenkranz geschmückte Haupt, dessen Haar theils aufgebunden ist, theils frei hernieder wallt, trägt einen milden, ernsten und doch holdseligen Ausdruck. So stehend in züchtiger Haltung legt sie die Rechte an das mit Lorbeer umwundene Schwert, während die hocherhobene Linke auch den kommenden Verdiensten, welche in der rückwärts gelegenen Säulenhalle noch Aufnahme finden werden, ihren Ehrenkranz zum Willkomm bietet. Neben ihr sitzt gleichsam als Schützer und Wächter das baierische Wappenthier, ein 9 Meter hoher Löwe. Von gleicher Höhe ist das Granitpiedestal, worauf diese Riesengestalten sich erheben, so daß die Höhe bis zur erhobenen Linken 42 Meter beträgt. Die Urkunde zur Ausführung wurde, nach einer kleinen Zeichnung und Gypsskizze Schwanthaler’s, am 27. Juni 1837 von König Ludwig unterzeichnet. Dann unternahm S. ein drei Meter hohes in allen Verhältnissen genau nach den Gesetzen der Optik berechnetes Modell und darnach wurde, in einer nächst der kgl. Erzgießerei aus 20 Flößen construirten Bretterhütte der massive Aufbau des colossalen, über einen halb gemauerten Kern aus vielen tausend Centnern von Gyps und Cement modellirten Originals begonnen. Den Kopf mit dem Obertheile des Körpers modellirte 1840 unter Schwanthaler’s beständiger Leitung, der Bildhauer Giuseppe Lazzarini, welcher, geboren 1806 in Carrara, mit Rauch nach München gekommen war. Als derselbe 1844 zu München starb, fertigte ihm S. selbst die schöne Grabschrift: „Paris, London, München, Berlin zeigen in Bildsäulen und Denkmalen seine Mitwirkung und selbstständige Thätigkeit in ehrenvoller Weise“. Nach Vollendung dieses Riesenmodells wurde der südliche Theil der Wand an der Bretterhütte entfernt und an der nun erst einen vollen Ueberblick gewährenden Gestalt mit Axt- und Beilhieben die nöthige Correctur vollzogen, darauf das Ganze allseitig geglättet und überarbeitet und in verschiedene Theile durchsägt, welche dann durch Biehl in Gyps [199] geformt und in verhältnißmäßig kurzer Zeit von Ferdinand v. Miller gegossen wurden, so z. B. das Haupt am 11. December 1844, das Bruststück am 11. October 1845, und zwar während eines im Dachstuhle über der Gußhütte ausgebrochenen Brandes, indeß 380 Centner Erz im kochenden Flusse des Ofens lagen. Im ganzen sind 87360 Kilo (1560 Centner) Bronce auf diese Statue verwendet, größtentheils von türkischen, in der Schlacht von Navarin versunkenen Kanonen, welche durch griechische Taucher aus dem Meer gehoben und von König Ludwig angekauft wurden. Am 22. Juni 1850 wurde das Fußstück der Bavaria in Gegenwart des Königs auf das Piedestal gebracht, ebenso am 7. August in festlichem Zuge das Haupt auf die Theresienwiese gefahren und der Statue aufgesetzt, bei welcher Gelegenheit 29 Männer und 2 Knaben vor den Augen des Monarchen dem Haupte entstiegen, bevor dasselbe aufgezogen wurde. (Vgl. Robert Lecke, Die baierische Ruhmeshalle und die Colossalstatue Bavaria. München 1850 und Ernst Förster, Wem gehört der Kranz? München 1850.) Die Enthüllung fand am 25. August desselben Jahres statt (vgl. E. Förster im Deutschen Kunstblatt, Nr. 43 vom 28. October 1850; eine Abbildung in Stahlstich fertigte Carl Mayer in Nürnberg, in Lithographie J. Wölffle zu München. Vgl. Eggers’ Kunstblatt 1850, S. 337 ff.), während die Vollendung der gleichfalls durch S. in decorativer Plastik in den Metopen reich geschmückten „Ruhmeshalle“ erst am 15. October 1853 erfolgte.
An diese umfangreichen Denkmale reihen sich eine Anzahl von Statuen, die in ihrer historisch-romantischen Auffassung ebenfalls zu den Werken monumentaler Art gehören. Darunter das im Chor des Domes zu Speyer sitzende Marmorbild des Kaisers Rudolf von Habsburg, welches S. 1843 mit voller Porträtähnlichkeit nach dem in der Krypta daselbst befindlichen Grabsteine meißelte. (Stahlstich von J. L. Raab im Verlag von Köhler in Darmstadt, von A. Schleich in dem Taschenbuch „Charitas“, Regensburg 1844.) In den Kreuzgang des Mainzer Domes stiftete S. ein Denkmal zu Ehren des Dichters Frauenlob. Für den Thronsaal der Münchener Residenz modellirte unser Künstler in 12 colossalen Statuen die Ahnenbilder des königlichen Hauses, welche von Stiglmayer und Miller gegossen und in Feuer vergoldet wurden (Stahlstich von R. Seemann, lithographirt von Th. L. Hellmuth); die Originale in Gyps schenkte S. mit Genehmigung des Königs seiner Vaterstadt München, wo selbe im großen Saale des Rathhauses eine Stelle fanden. Dann lieferte S. 1840 die theilweise minderwerthigen Modelle zum Mozartdenkmal (gegossen von Stiglmayer) für Salzburg, zur Statue des Großherzogs Karl Friedrich (gegossen von Miller) in Karlsruhe, des Großherzogs Ludwig von Hessen in Darmstadt, die Standbilder Goethe’s für Frankfurt (gestochen von Amsler, vgl. Passavant im Kunstblatt, 1845, Nr. 43 und Gwinner, Frankfurter Künstler, 1862, S. 420 ff.), Jean Paul Richter’s für Bayreuth (Nr. 37 Kunstblatt, 1842, S. 145–150), des Markgrafen Friedrich Alexander als Stifters der Universität zu Ansbach, die Denkmale für Graf Tilly und General Wrede in der Loggia (Holzschnitt im 3. Bd. Nr. 64 der Leipziger Illustrirten Zeitung von 28. Oct. 1844) und des Freiherrn v. Kreittmayr am Promenadeplatz zu München (Kunstblatt 1840, S. 452), für Norrköping in Schweden die Figur des Königs Karl Johann XIV. (Bernadotte), welche sämmtlich durch Stiglmayer und Miller in der kgk. Erzgießerei in Bronce gegossen wurden.
Für den reichen Kunstfreund Anton Veith in Prag (vgl. Wurzbach, Lexikon 1884, L., 76 ff.), welcher auf seiner Besitzung bei Liboch eine böhmische Walhalla („Slavin“) für slavische Könige, Helden, Gelehrte und Künstler erbauen wollte, entwarf S. (1839) anfänglich sechs, dann zwölf und schließlich sogar 24 Federzeichnungen zu Standbildern, welche durch ihn in Lebensgröße [200] modellirt und durch Stiglmayer gegossen werden sollten. Davon wurde wirklich die halbe Serie zur Ausführung gebracht (die zwölf Originale heute noch im S.-Museum zu München), aber nur zwei derselben in Erz gegossen, da die Ereignisse des Jahres 1848 und vielfache finanzielle Verluste des Bestellers das ganze Project sistirten. Zu Schwanthaler’s weiteren Schöpfungen zählen der „Brunnen mit der Austria“ und den Personificationen der vier Hauptflüsse Oesterreichs (Donau, Weichsel, Elbe und Po) auf der sogenannten Freiung in Wien (1846, gegossen von Miller, als Stahlstich von Heubach in Perger: Die Kunstschätze Wiens, 1854, S. 488 ff.). S. erhielt, was für die geringen Honorare der damaligen Zeit charakteristisch ist, für die ganze Idee nebst der Architektur und das Modelliren der fünf Statuen nur 3700 Gulden; die Kosten des ganzen Brunnen mit dem Aufbau, dem Erzguß und der Wasserleitung betrugen dagegen 48458 Gulden. Dann kam das Denkmal auf die Vollendung des Ludwig-Donau-Main-Kanals, die Bildsäulen berühmter Maler auf der südlichen Attika der Alten Pinakothek (in Stahlstich von S. Amsler, als Holzschnitte in Nr. 194, 211, 226 und 228 der Leipziger „Illustr. Ztg.“) und die Decoration des Saales der Stifter daselbst mit Reliefs aus der baierischen Geschichte; die Standbilder des Erlösers mit den vier Evangelisten an der Westseite der Ludwigskirche, die Skizzen zu den vor der Bibliothek sitzenden Statuen (Thukydides, Homer, Aristoteles und Hippokrates, ausgeführt von Ernst Mayer, Halbig u. a.) und das Standbild des Herzogs Albrecht V. im Treppenhause daselbst. Von Schwanthaler’s Hand sind die Entwürfe zu den beiden Giebelfeldern der Münchener Propyläen, die beiden Giebelgruppen für die Isaackirche in St. Petersburg; die colossalen Victorien in der Rotunde der Befreiungshalle bei Kelheim, die Projecte zu dem Figurenschmucke der Portale am Kölner Dom (entworfen 1847 im Auftrag des Erzbischofs Joh. von Geißel), das Monument des Erzbischofs Grafen v. Gebsattel in der Frauenkirche zu München, die Trauergestalten mit den Urnen im Palast des Herzogs v. Leuchtenberg daselbst, die Brunnenfigur in der frühern Vorstadt Au, viele Grabdenkmale z. B. des Generals Grafen v. Beckers, des russischen Obersten Barisnikoff, Bertram, Kersdorf u. vieler Anderer am südlichen Campo Santo, ein Gedächtnißmal für König Max I. zu Altötting, ein im byzantinischen Stile gehaltenes Crucifix im Bamberger Dom, die Idee zu dem Leuchtenberg-Monument in Eichstätt (unausgeführt) u. s. w. Zu Schwanthaler’s originellsten Gebilden zählt auch der „Schild des Herakles“ nach Hesiod’s Dichtung in vier concentrischen Kreisen mit mehr als 140 Figuren in einem Durchmesser von 91 Cm. in rothem Wachs modellirt; das Werk wurde im Auftrage des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in Bronce gegossen und durch Gypscopien und Lithographie (von Hellmuth, München 1846) verbreitet. Das Ganze ist kosmogonisch und culturhistorisch aufgefaßt und geistvoll durchgearbeitet. Für die Herren Boisserée formte S. vier Reliefs aus der Legendendichtung: St. Georg mit der h. Margaretha; die h. Dorothea und das Rosenwunder, St. Apollinaris einen Kranken heilend und den Jägerpatron S. Egidius. Für den Prinzen Karl von Baiern meißelte S. eine Statuette des sterbenden Philoktet; für den Grafen v. Redern in Berlin eine Gruppe der Ceres und Proserpina; im herzoglichen Schlosse zu Wiesbaden befinden sich die Sandsteinstatuetten der Venus, Diana, Vesta und Ceres, des Apoll, Amor, Bacchus und Pan, dazu zwei graziöse „Tänzerinnen“ (in Marmor); für das zu Anif neuerbaute Schloß des Grafen Arco-Steppberg die nachmals noch mehrfach wiederholte lebensgroße Sculptur einer sitzenden lieblichen Nymphe; eine ähnliche aber kleine Nymphe als „Märchenerzählerin“ schmückt in Bronce den Brunnen des Münchner Hofgartens. Für den damaligen Kronprinzen Maximilian fertigte S. zwei lebensgroße Gypsstatuen der „Melusine und Aslauga“, welche in der Felsgrotte zu Hohenschwangau aufgestellt wurden; für Franzensbad die Bildnißstatue [201] des Kaiser Franz I., für Pest das Standbild des Mathias Corvinus; leider unterblieb in Folge der Revolution die Ausführung der Reiterstatue des ungarischen Palatin Erzherzog Joseph, doch gab das Project nachmals das Vorbild für das in der Münchener Ludwigsstraße von Widnmann mit geringer Aenderung ausgeführte Reiterbild König Ludwig I. (gegossen von F. v. Miller). Zwischendurch beschäftigten ihn eine Menge von Porträtbüsten in Gyps und Marmor, z. B. des Königs Ludwig (in colossalen Verhältnissen), des Ministers v. Stein (zu Frücht in Nassau), des Ministers und Dichters Eduard v. Schenk, W. v. Kaulbach und eine ganz unaufzählbare Fülle von Projecten, Ideen und Skizzen zu Brunnen, religiösen und kunstgewerblichen Darstellungen, Kriegstrophäen, mythologischen, mittelalterlich-romantischen und insbesondere komischen Scenen, zu welch’ letzteren S. eine stark satyrische Ader und einen brillanten Humor entwickelte, der sich in sarkastischen Porträts und Caricaturen trefflich bewährte.
Zur Ausführung aller dieser Aufträge hatte S. in der (nachmals seinen Namen tragenden) Lerchenstraße zwei große Grundstücke gekauft und darauf zwei weitläufige Ateliers mit vielen Sälen und Räumlichkeiten erbaut, in welchen mit Hülfe vieler jüngerer Schüler, wie Brugger, Widnmann, Kaiser, Lazzarini, Woltreck, Lossow, Riedmüller, Gröbmer, G. Zell, insbesondere aber seines Vetters Xaver S. seine zahlreichen, drängenden und immermehr anwachsenden Aufträge zur Ausführung gelangten; dazu kam noch eine stattliche Anzahl von Modelleurs, Punktirern, Steinmetzen und artistischen Handlangern aller Art, die mit unermüdlicher Willfährigkeit wetteifernd die Hände boten, die Intentionen und Wünsche des Meisters zu realisiren. In dieser Eile, bei der Fülle der Aufträge und dem Drängen der Besteller, sowohl des königlichen Maecen wie der Architekten L. v. Klenze und Fr. v. Gärtner liegt auch die Achilles-Ferse des Ateliers. Insbesondere war es der Baumeister Klenze, welcher die Plastik seiner Kunst unterstellte und nur eine decorativ-wirkende Formgebung gestattete, um jede Beeinträchtigung des architektonischen Eindrucks zu vermeiden. Daß die auf weite Entfernung wirkenden, hochgelegenen Giebelbilder keiner Durchbildung und Ausführung im Stile der Cabinetsplastik bedürfen, sondern durch die Wucht des Gedankens, und die Schärfe und Verständlichkeit der Contouren wirken müssen, versteht sich von selbst. Abgesehen hiervon hat man schon zu Schwanthaler’s Lebzeiten den aus seinem Atelier hervorgehenden Arbeiten die zur plastischen Schönheit und Kunstvollendung unentbehrliche, gründliche und harmonische Durchbildung der Form abgesprochen, ein Mißstand, welchen Kaulbach mit dem allerdings schneidigen Witze geißelte, daß er mit dem Ausdrucke des herzlichsten Bedauerns seinem Freunde S. versicherte: Es sei wirklich jammerschade, daß derselbe unverheirathet geblieben sei und darauf, als S. nach dem „Warum“ fragte, mit eisiger Kälte erwiderte: „weil dann die Wittwe das Geschäft ebenso gut hätte fortsetzen können“ – eine Kritik, welche nur leider auch auf manche Arbeiten Kaulbach’s rückwirkend in Anwendung gebracht werden könnte. Am bittersten hat sich Fr. Pecht bei jeder Gelegenheit, insbesondere in seiner „Geschichte der Münchener Kunst“ (München 1888, S. 122 ff.) ausgesprochen. Ganz richtig bemerkt W. Lübke in seiner Geschichte der Plastik (2. Aufl. 1871, II, 802): Eine überströmende Phantasie, eine seltene Unerschöpflichkeit der Erfindung quillt in Schwanthaler’s Werken und beweist, welch’ fließende Leichtigkeit des Schaffens dem Meister eigen war. An Fülle der schöpferischen Kraft steht er vielleicht unter allen modernen Bildhauern als der erste da. Aber die Hinfälligkeit eines kränklichen Körpers und wohl auch die Schnelligkeit, mit welcher König Ludwig I. seine Münchener Schöpfungen betrieb, ließen S. in den meisten Fällen nicht zu einer reinen Durchbildung der Gestalten kommen, so daß vielen seiner Arbeiten [202] bei geistreicher Lebendigkeit der Entwürfe doch die wahrhaft lebensvolle Ausprägung fehlt und mehr eine flüchtig decorative Wirkung hervorgebracht wird.“ Dieser Tadel ist richtig, ebenso aber auch, daß der Künstler mit bedeutenden Aufträgen in einer Weise bedacht wurde, welche für die höhere Vollendung seiner Kunst gefährlich wurde; seine Liebenswürdigkeit und die immer dienstwillige, unversiegliche Phantasie machten es ihm möglich, allen Bestellungen zu willfahren. Er war, wie Luca Giordano, mit einer außerordentlichen Leichtigkeit der Erfindung begabt, so daß gleichsam in einem Guß die Bilder durch die geübte, zeichnende Hand auf das Papier flossen und mit überraschender Schnelligkeit der Thon zur Figur und zur Gruppe sich fügte. Er traf überall, in Situationen wie in Charakteren, leicht und rasch den rechten, so zu sagen dramatisch wirksamen Punkt, war im Entwerfen gewandt und kühn und im Modelliren geübt und flott. Innig vertraut mit den Forderungen und Bedürfnissen sowohl der plastischen wie malerischen Darstellung hatte S. sehr schöne und gründliche Kenntnisse erworben über das ganze Gebiet der classischen und mittelalterlichen Erzeugnisse in Kunst und Poesie. Kein Freund unfruchtbarer Speculation und Theorie, blieb S. immer der schöpferische Dichter, welcher die Erzeugnisse seiner Erfindungsgabe möglichst schnell verkörperte. Seine Gestalten tragen bei aller individuellen Verschiedenheit, in Form und Ausdruck fast durchgehends das Gepräge antiker Universalität und Schönheit; dabei ist ihnen eine gewisse Bewegtheit eigen, wie im Ausdruck eine bis zum Humor sich steigernde Heiterkeit. Uebrigens gereichte es der nach allen Richtungen hin ausgreifenden Thätigkeit des Künstlers zum unterscheidenden Vortheil, daß er fast ohne Ausnahme für monumentale, der Oeffentlichkeit angehörende und größtentheils cyklisch verbundene Werke beschäftigt war, die ihm die ausgedehnteste Gelegenheit boten, die romantische Sculptur wieder zu beleben, wie auch Lübke ausdrücklich betont. Er übte dieselbe mit plastischem Geiste und verstand besonders das mittelalterliche wie das moderne Costüm in geschmackvoller Weise charakteristisch zu behandeln. Immer bewunderungswürdig aber bleibt es, wie der Künstler, dessen Hauptthätigkeit doch kaum 25 Jahre umfaßte, in also verhältnißmäßig kurzer Frist und bei einem so gebrechlichen Gesundheitszustand diese Fülle von Schöpfungen hervorrufen konnte. Schon während seines ersten Aufenthaltes in Rom hatten sich, vergrößert durch ungeeignete ärztliche Behandlung, die ersten Spuren seiner Krankheit gezeigt; das heimtückische Gichtleiden nahm zu und gewann an Intensivität, insbesondere während jener beiden Winter, in denen S. am Modell der Bavaria in einer Wind und Wetter preisgegebenen Bretterhütte arbeitete. Dazu wurde die ärztliche Behandlung fortwährend gewechselt und jede neuempfohlene Methode energisch in Angriff genommen, um alsbald ins Gegentheil überzugehen. Wie ein tückischer Dämon stand ihm die stets weiter greifende Krankheit feindlich zur Seite, jeden Moment erlauernd, um in den Freudenbecher der Kunst, welchen ihm sein Genius reichte, den bittersten Wermuth zu träufeln. So beschloß S., sich einer Radicalcur zu Gräfenberg zu unterwerfen, wo er vom 10. Januar bis 11. October 1839 verweilte. Das Uebel schien verdrängt, tauchte aber immer mächtiger wieder auf, so daß der arme Dulder schon 1840 in den Fango-Bädern zu Pie di Grotta, dann abermals zu Gräfenberg (1842) neue Zuflucht suchte, dann im Moorbad zu Aibling und anderswo, immer vergebens. Die Kalkablagerung auf allen Gelenken lähmte allmählich jede Bewegung und hatte unter namenlosen Leiden ein Absterben der Extremitäten zur Folge. Unfähig zu gehen, ließ er sich in einem Rollstuhl durch das Atelier fahren, um die nöthigen Besserungen mündlich anzudeuten. – Als die rechte Hand schon bewegungslos war, zeichnete S., insbesondere an den Bilderprojecten zu den Kölner Domportalen mit der Linken weiter und erklärte dann, als auch diese unbrauchbar geworden, auf seinem Schmerzenslager mit [203] einem unter die Armhöhle gesteckten Stäbchen die wünschenswerthen Correcturen an den vorgehaltenen kleinen Modellen! Der von Qualen gefolterte Künstler, welcher alles ruhig und gefaßt ertrug, verschied am 14. November 1848. Auf das tiefste erschüttert war König Ludwig, welcher in einem am 3. November 1848 an Johann Schraudolph gerichteten (bisher noch ungedruckten) Briefe seine Klage erhob über den rettungslosen Zustand dieses für ihn unersetzlichen Künstlers, welcher allen Ideen und Wünschen seines hohen Maecen bereitwilligst und verständnißinnigst seine ausführende Hand gewidmet hatte.
Im J. 1842 begann S. zur Realisirung seiner Jugendträume den Bau der bei Hessellohe gelegenen Burg „Schwaneck“, nachdem er schon früher in einem unterirdischen Raume seines Ateliers die als Tummelplatz seiner Freunde bekannt gewordene, mit alterthümlichem Hausrath aller Art ausgerüstete „Humpenburg“ (das Innere der „Humpenburg“ hat Max Ainmüller 1852 in einem Oelbilde dargestellt) gegründet hatte, wo häufig Lieder- und Saitenklang ertönte und fröhliche Zechgelage stattfanden, der Gastgeber jedoch, seiner Krankheit halber, häufig nur Wasser in seinem Becher führte! Einen Theil dieser heiteren Stunden hat S. in komischen Zeichnungen überliefert, zum Theil berichtet auch Franz Trautmann in seinem wunderlichen „Schwanthaler-Reliquien“ betitelten Buche, welches den Künstler jedoch nur einseitig schildert und insbesondere eine chronikale Färbung der Sprache in den Mund legte, deren S. selbst sich niemals bediente, die aber von Trautmann in allen seinen romantischen Erzählungen mit eigenthümlicher Vorliebe gehandhabt wurde. In Schwaneck, von wo eine wunderbare Ausschau auf das Gelände der Isar, über die Wälder bis auf die ferne Alpenkette das Auge erquickt, glaubte er ein wahres Kleinod und Sorgenfrei errungen zu haben (ein Stahlstich von L. Robbock mit den von Fr. Beck gedichteten Versen, in „Malerisches Baiern“ 1846, II, 281 ff. Ein Holzschnitt von Braun und Schneider in der Leipziger Illustr. Ztg. wurde in Nr. 398 der Pariser L’Illustration vom 18. October 1850 abgedruckt); hier gedachte er alle seine seit Jahren gesammelten Alterthümer zu vereinen und unter treuen Freunden und Genossen auszuruhen von den schweren Mühen seines Lebens. Aber nur eine und dazu höchst schmerzenreiche Nacht verbrachte der Künstler in den damals noch ungemüthlichen Räumen dieses Bauwerkes, welches seinen Erben zur Last wurde und dann durch mehrere Hände in Besitz des Heraldikers Karl Ritter Mayer v. Mayerfels gelangte, welcher eine Menge von Räumlichkeiten hinzufügte und durch einen tüchtigen Unterbau die Burg gegen einen etwaigen Erdrutsch nach der Isarhalde sicherte. (Vgl. Abbildung und Beschreibung in Nr. 35 Ueber Land und Meer 1871.) Uneigennützig, großmüthig und freigebig – er gab nach Tausenden der Armuth, mochte sie von wo immerher sich ihm genähert haben – begann S. 1837 seinem Atelier gegenüber den Bau eines Museums, welches in drei Sälen einen großen Theil seiner Modelle – an 200 Standbilder und Reliefs – enthält; das Ganze schenkte er testamentarisch der k. Akademie der Künste und stiftete dazu noch ein Capital zu Reparaturen des Baues und zur Existenz eines Custoden, eine Sinecure, welche immer ein verdienter Bildhauer genießen sollte. (Vgl. Nr. 756 und 758 der Leipziger Illustr. Zeitung.) Ehren und Auszeichnungen waren ihm von allen Seiten, von Akademien, inländischen und außereuropäischen Potentaten zu theil geworden. Da Ludwig S. unverheirathet blieb, ging das gesammte Erbe mit Ausnahme einiger Legate, auf seinen Vetter und seitherigen Gehülfen, den Bildhauer Franz Xaver S. über, in dessen Familie sich alle die Originalentwürfe (in Sepia-, Feder-, Bleistiftzeichnungen u. s. w.) zu Ludwig von Schwanthaler’s Compositionen und Sculpturen erhielten, worüber F. Reichardt (München 1885) einen eigenen Katalog verfaßte (München 1885. 39 S. 8°). Derselbe beschreibt an 2000 Nummern. In diesen, theils im ersten Entwurf [204] oft nur so hingeschriebenen flüchtigen Skizzen, theils wieder sorgfältig ausgeführten Handzeichnungen, zeigt sich Schwanthaler’s sprudelnder Geist, ebenso sein heiterer Humor, sein überraschendes immer von Schönheit getragenes Stilgefühl, lauter Vorzüge, welche bei der späteren Ausführung in Gyps, Stein und Erz nur zu oft verschwanden oder fühlbare Einbuße erlitten. In dieser Sammlung aber steht der ganze Mann vor uns mit seinem reichen Wollen, mit der staunenswerthen Vielseitigkeit und Schöpferkraft, welche unsere volle Bewunderung gewinnt, zumal in Anbetracht der kurzen, durch qualvolle Krankheit noch verbitterten Lebensfrist. Schwanthaler’s Porträt hat F. X. Winterhalter auf Stein gezeichnet (1826), er giebt das Bild des Meisters in seinem 23. Jahre; ferner im Profil nach links und dann en face, W. Kaulbach 1836 (gestochen von Gonzenbach); als Kniestück, an einem Tische sitzend und den Arm aufstützend, zeigt sein Bildniß ein Stahlstich von C. Mayer und die Lithographien von Bergmann (1839), Dilger, J. Wölffle, A. Hüssener. Seine Büste von Xaver S. (welcher auch dessen Standbild modellirte) befindet sich in dem durch König Ludwig am Eingang zum südlichen Campo Santo errichteten Grabdenkmal des Meisters. Eine Medaille mit Schwanthaler’s Porträt und der Bavaria auf der Rückseite hat Birnböck geschnitten. Sein in der Windenmacherstraße Nr. 6 gelegenes Geburtshaus wurde durch eine Gedenktafel ausgezeichnet, ebenso eine Marmortafel (mit den Medaillons des Peter Franz, Ludwig und Xaver S.) durch Rudolph S., den jüngsten und letzten artistischen Träger dieses Namens, am Stammhause dieser Familie zu Ried in Oesterreich am 21. September 1868 enthüllt.
- Vgl. Rudolph Marggraff in den Nachträgen zu Brockhaus’ Conversations Lexikon der Gegenwart. Lpz. 1841, IV, 2. Abth. S. 655 ff. – Raczynski 1840, II, 499 ff. – Nagler 1846, XVI, 96 ff. – Die Nekrologe von Franz Pocci im Kunstvereinsbericht für 1848, München 1849, S. 56 ff. und Ernst Förster in Nr. 6 Kunstblatt vom 8. Februar 1849 (ebendas. Nr. 12 vom 26. März 1849 über Schwanthaler’s letzte Arbeiten und dessen Geschichte der deutschen Kunst 1860, V, 220 – Eine ganz vorzügliche Schilderung des ganzen Mannes, mit seinem Wollen und Können, als Mensch und Künstler, gibt A. Hagen in Eggers’ Kunstblatt 8. Jahrgang 1857, S. 338 ff. und F. v. Reber, Geschichte der neueren Kunst 1884, II, 325 ff. – Weniger glücklich war Franz Trautmann mit seinem Büchlein: „Schwanthaler’s Reliquien, darin guter Bericht zu finden von des Meisters Herkunft, Jugend und folgender Zeit, von dessen innerem und äußerem Wesen, auch Genossenschaften, nächst, von dessen Zeichnungen und Poesie, von der Burg Schwaneck und bis zu seinem Scheiden von hienieden – im Ganzen aber, wie deutsch, ritterlich und romantisch er gemuthet war“ (München 1858 mit 23 Holzschnitten und Vignetten von Franz Pocci, theilweise nach Schwanthaler’s Handzeichnungen). Der langathmige Titel gibt eine Probe von Trautmann’s Stil und Methode; dabei ist Schwanthaler’s Todestag falsch angegeben! ebenso auch in Regnet, Münchener Künstlerbilder (1871, II, 189–214).