Benutzer Diskussion:Fw/Anthologie auf das Jahr 1782

Seiteninhalte werden in anderen Sprachen nicht unterstützt.
aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Anthologie auf das Jahr 1782
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1782
Verlag: J. B. Metzler
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[I]
Anthologie
auf das Jahr
1782.



Gedruckt in der Buchdruckerei
zu Tobolsko.

[II]

[III]
Meinem Prinzipal
dem Tod
zugeschrieben.

[IV]

[V]
Großmächtigster Czar alles Fleisches,
Allezeit Vermindrer des Reichs,
Unergründlicher Nimmersatt in der
ganzen Natur!


Mit unterthänigstem Hautschauern unterfange ich mich, deiner gefräßigen Majestät klappernde Phalanges zu küssen, und dieses Büchlein vor deinem dürren Kalkaneus in Demut niederzulegen. Meine Vorgänger haben immer die Weise gehabt ihre Sächlein und Päklein, dir gleichsam recht vorsezlich zum Aerger, hart an deiner Nase vorbei, ins Archiv der Ewigkeit transportiren zu lassen, und nicht gedacht, daß sie dir eben dadurch um so mehr das Maul darnach wässern machten, denn auch an dir wird das Sprüchwort nicht zum Lügner: Gestohlen Brod schmeckt gut. Nein! dediziren will ich dir’s lieber, so bin ich doch gewiß, daß du’s – weit weglegen werdest.

[VI] Doch Spaß beiseite! – Ich denke, wir zween kennen uns genauer, denn nur vom Hörensagen. Einverleibt dem äskulapischen Orden, dem Erstgebornen aus der Büchse der Pandora, der so alt ist als der Sündenfall, bin ich gestanden an deinem Altare, habe, wie der Sohn Hamilkars den sieben Hügeln, geschworen unsterbliche Fehde deiner Erbfeindin Natur, sie zu belagern mit Medikamenten Heereskraft, eine Wagenburg zu schlagen um die Stahlische Seele, aus dem Feld zu schlagen mit Sturm die Trozige die deine Sporteln schmälert, und deine Finanzen schwächt, und auf dem Wahlplaz des Archaeus hoch zu bäumen deine mitternächtliche Kreuzstandarte. – Dafür nun (denn eine Ehre ist werth der andern) wirst du mir auswürken den köstlichen Talisman, der mich mit heiler Haut und ganzer Wolle an Galgen und Rade vorübergeleitet –

Jusque datum sceleri

Ey ja doch! Thue das goldiger Maezenas; denn siehst du, ich möchte doch nicht [VII] gern, daß mirs gienge wie meinen tollkühnen Kollegen und Vettern, die mit Stilet und Sakpuffer bewaffnet in finstern Hohlwegen Hof halten, oder im unterirrdischen Laboratorium das Wunderpolychrest mischen, das, wenns hübsch fleißig genommen wird, unsere politische Nasen, über kurz oder lang, mit Thronvakaturen und Staatsfiebern kizelt. – D’amiens und Ravaillac! – Hu! hu! hu! – Es ist ein gut Ding um gerade Glieder!

Ob du auch deinen Zahn auf Ostern und Michaelis gewezt hast? – Die grose Bücherepidemie in Leipzig und Frankfurt! – Juch heisa Dürrer! – wird ein königlich Fressen geben. Deine fertigen Mäkler, Völlerey und Brunst liefern dir ganze Frachten aus dem Jahrmarkt des Lebens. – Selbst der Ehrgeiz dein Großpapa, Krieg, Hunger, Feuer und Pest deine gewaltigen Jäger haben dir schon so manche fette Menschenklopfjagd gehalten – Geiz und Golddurst, deine mächtigen Kellermeister trinken dir ganze schwimmende Städte im [VIII] sprudelnden Kelch des Weltmeers zu. – Ich weiß in Europa eine Küche, wo man dir die raresten Gerichte mit Festtagsgepränge auf die Tafel gesezt hat – Und doch – wer hat dich je satt gesehen, oder über Indigestionen klagen gehört? – Eisern ist deine Verdauung; grundlos deine Gedärme!

Puh – Ich hätte dir noch so manches zu sagen, aber ich tummle mich, daß ich wegkomme – Du bist ein garstiger Schwager – Geh – Du machst dir Rechnung, höre ich, eine Generalcollazion zu erleben, wo dir Groß und Klein, Weltkugeln und Lexika, Philosophieen und Puzwerk in Rachen fliegen sollen – Guten Appetit, wenns so weit kommt! – Doch, Hungerwolf der du bist! siehe zu, daß du dich da nicht überessest, und deinen ganzen Fraß haarklein wiedergeben müssest, wie dir’s ein gewisser Athenienser, der dir gar nicht wohl will, prophezeyt hat.

Y.

[IX]
Tobolsko, den 2. Februar.

Tum primum radiis gelidi incaluere Triones. –

Blumen in Sibirien? – Dahinter stekt eine Schelmerey, oder die Sonne muß Front gegen Mitternacht machen. – „Und doch – wenn ihr euch auf den Kopf stelltet! Es ist nicht anders; – Wir haben lange genug Zobel gefangen, laßt’s uns einmal auch mit Blumen versuchen. Sind nicht schon Europäer genug zu uns Stiefsöhnen der Sonne gekommen, und durch unsern hundertjährigen Schnee gewatet, irgend ein bescheidenes Blümchen zu pflücken? Schande unsern Ahnen – wir wollen sie selbst sammeln, und einen ganzen Korb [X] voll nach Europa frankiren. – Zertretet sie nicht, ihr Söhne des milderen Himmels!

Aber im Ernst zu reden – Das eiserne Gewicht des widrigen Vorurtheils, das schwer über dem Norden brütet, von der Stelle zu räumen, foderte einen stärkeren Hebel als den Enthusiasmus einiger wenigen, und auch ein festeres Hypomochlion als die Schultern von zween oder drey Patrioten. Doch wenn schon auch diese Anthologie euch lekerhafte Europäer, so wenig, als – wenn ich den Fall seze – unser Musenalmanach, den wir – wenn ich ja den Fall sezen wollte – hätten können geschrieben haben, mit uns Schneemännern versöhnen wird, so bleibt ihr doch mindestens das Verdienst, Hand in Hand mit ihren Kamerädinnen im weitentlegenen Teutschland dem ausröchelnden Geschmack den G’nikfang geben [XI] zu helfen, wie wir Tobolskianer zu sprechen belieben.

Wenn eure Homere im Schlaf reden, und eure Herkules Müken mit ihren Keulen erschlagen – Wenn jeder, der seinen bezahlten Schmerz in Leichenalexandriner auszutropfen versteht, das für eine Vokazion auf den Helikon auslegt – wird man uns Nordländern verdenken mitunter auch in den Leyerklang der Musen zu klimpern? – Eure Matadore wollen Silbergeld gemünzt haben, wenn sie ihr Brustbild auf elendes Meßing prägten; – und zu Tobolsko werden die Falschmünzer aufgehangen. Zwar möcht ihr oft auch bei uns Papiergeld statt rußischen Rubels finden, aber Krieg und theure Zeit entschuldigen alles.

So geh dann hin, Sibirische Anthologie – Geh – du wirst manchen Süßling beseeligen, [XII] wirst von ihm auf den Nachttisch seiner Herzeinzigen gelegt werden, und zum Dank ihre alabasterne Lilienschneehand seinem zärtlichen Kuß verrathen. – Geh – du wirst in den Assembleen und Stadtvisiten manchen gähnenden Schlund der Langenweile ausfüllen, und vielleicht eine Circassienne ablösen, die sich im Plazregen der Lästerung müde gestanden hat. – Geh – du wirst die Küche mancher Kritiker berathen; sie werden dein Licht fliehen, und sich gleich den Käuzlein in deinen Schatten zurükziehen. – Hu hu hu! – Schon hör ich das ohrzerfezende Geheule im unwirthbaren Forst, und hülle mich angstvoll in meinen Zobel.

[XIII]
Innhalt.
Die Journalisten und Minos 1781. Seite 1
Fantasie an Laura 7
Bacchus im Triller 12
An die Sonne 16
Laura am Klavier 19
Die Herrlichkeit der Schöpfung, eine Fantasie 22
Elegie auf den Tod eines Jünglings 26
Der wirthschaftliche Tod 32
Roußeau 33
An den Galgen zu schreiben 37
Die seeligen Augenblike an Laura 38
Spinoza 41
Die Kindsmörderin 42
Aufschrift einer Fürstengruft 48
In einer Bataille von einem Offizier 49
Grabschrift 53

[XIV]

An die Parzen Seite 54
Der Triumf der Liebe, eine Hymne 58
Klopstock und Wieland (als ihre Silhouetten neben einander hiengen) 68
Gespräch 69
Vergleichung 70
Die Rache der Musen, eine Anekdote vom Helikon 72
Das Glück und die Weisheit 76
Räzel 77
An einen Moralisten, Fragment 78
Grabschrift eines gewissen - Physiognomen 81
Eine Leichenfantasie 1780 (in Musik zu haben beim Herausgeber) 82
Aeschylus 87
Der hypochondrische Pluto, Romanze 88
Die Buße 99
Aktäon 100
Zuversicht der Unsterblichkeit 100
Vorwurf an Laura 101
Die Alten und Neuen 105
Der einfältige Bauer 106
Edgar an Psyche 107
Sitten und Zeiten 109
Ein Vater an seinen Sohn 110
Die Meßiade 111
Oßians Sonnengesang * aus dem Gedichte Karthon (in Musik zu haben beym Herausgeber) 112

[XV]

In Fulda’s Wurzellexikon Seite 114
Kastraten und Männer 115
Doktor Pandolff 122
An den Frühling 123
Polizeyordnung 124
Die alten und neuen Helden 125
Unterschied der Zeiten 125
Hymne an den Unendlichen 126
Auf den Herrn R * 127
Die Gröse der Welt 128
Gegründete Furcht 130
Passantenzettel am Thor der Höllen 131
Meine Blumen 132
Fluch eines Eifersüchtigen 134
Das Geheimniß der Reminiszenz, an Laura 137
Gruppe aus dem Tartarus 147
Die Freundschaft, (aus den Briefen Julius an Raphael; einem noch ungedrukten Roman) 148
An Fanny 152
Gefühl am ersten Oktober 1781 156
Peter 162
Der Wirtemberger 162
An mein Täubchen 163
Melancholie an Laura 166
Die Pest, eine Fantasie 173
Das Muttermahl 174

[XVII]

Die Spinne und der Seidenwurm Seite 175
Monument Moors des Räubers 177
Auf Chloes Geburtstag den 4. Januar 181
Morgenfantasie 184
Lied eines abwesenden Bräutigams 187
An Minna Gehe zur gesprochenen Version 190
Der Unterschied 193
Elisium, eine Kantate 196
Quirl 198
Semele, eine lyrische Operette von zwey Scenen 199
Die Büchse der Pandora 243
Die schlimmen Monarchen 244
Graf Eberhard der Greiner von Wirtemberg 251
Alte Jungfern 257
An Gott 258
Baurenständchen 260
Der Satyr und meine Muse 263
Die Winternacht 268
[1]
Die
Journalisten und Minos.
1781.


Mir kam vor wenig Tagen
     Wie? fragt mich eben nicht,
Vom Reich der ewgen Plagen
     Die Zeitung zu Gesicht.

5
Sonst frag ich diesem Essen

     Wo noch kein Kopf zerbrach,
Dem Freykorps unsrer Pressen
     Wie billig, wenig nach.

Doch eine Randgloß lokte

10
     Izt meinen Fürwiz an,

Denkt! wie das Blut mir stokte,
     Als ich das Blatt begann:

[2]

„Seit zwanzig herben Jahren“
     (Die Post, versteht sich, muß

15
Ihr saures Stündchen fahren

     Hieher vom Erebus)

„Verschmachteten wir Arme
     „In bittrer Wassersnoth,
„Die Höll kam in Allarme

20
     „Und foderte den Tod.


„Den Styx kann man durchwaten,
     „Im Lethe krebset man,
„Freund Charon mag sich rathen,
     „Im Schlamme liegt sein Kahn.

25
„Kek springen schon die Tode

     „Hinüber, jung und alt,
„Der Schiffer kommt vom Brode
     „Und flucht die Hölle kalt.

[3]

„Fürst Minos schikt Spionen

30
     „Nach allen Gränzen hin,

„Die Teufel müssen frohnen,
     „Ihm Kundschaft einzuziehn.

„Juhe! Nun ists am Tage!
     „Erwischt das Räubernest!

35
„Heraus zum Freudgelage!

     „Komm Hölle komm zum Fest!

„Ein Schwarm Autoren spükte
     „Um des Kozytus Rand,
„Ein Dintenfäßgen schmükte

40
     „Die ritterliche Hand,


„Hier schöpften sie, zum Wunder
     „Wie Buben süssen Wein
„In Röhren von Hollunder,
     „Den Strom in Tonnen ein.

[4]
45
„Husch! Eh sie sich’s versahen!

     „Die Schlingen über sie! –
„Man wird euch schön empfahen
     „Kommt nur nach Sanssouci.

„Schon wittert sie der König,

50
     „Und wezte seinen Zahn,

„Und schnauzte drauf nicht wenig
     „Die Delinquenten an.

„Aha! sieht man die Räuber?
     „Weß Handwerks? Welches Lands?

55
„„Sind teutsche Zeitungsschreiber!““

     „Da haben wir den Tanz!

„Schon hätt ich Lust gleichbalden
     „Euch, wie ihr geht und steht,
„Bei’m Essen zu behalten,

60
     „Eh euch mein Schwager mäht.
[5]

„Doch schwör’ ichs hier bei’m Styxe,
     „Den eure Brut bestahl!
„Euch Marder und euch Füchse
     „Erwartet Schand und Qual!

65
„So lange, bis er splittert,

     „Spaziert zum Born der Krug!
„Was nur nach Dinten wittert
     „Entgelte den Betrug!

„Herab mit ihren Daumen!

70
     „Laßt meinen Hund heraus!

„Schon wässert ihm der Gaumen
     „Nach einem solchen Schmaus.

„Wie zukten ihre Waden
     „Vor dieses Bullen Zahn!

75
„Es schnalzen Seine Gnaden,

     „Und Joli pakte an.

[6]

„Man schwört, daß noch der Stumpen
     „Sich krampfigt eingedrukt,
„Den Lethe auszupumpen

80
     „Noch gichterisch gezukt.


Und nun, ihr guten Christen
     Beherziget den Traum!
Fragt ihr nach Journalisten,
     So sucht nur ihren Daum!

85
Sie bergen oft die Lüken,

     Wie Jauner ohne Ohr
Sich helfen mit Perüken, –
     Probatum! Gut davor!

Y.
[7]
Fantasie
an Laura.


Meine Laura! Nenne mir den Wirbel
     Der an Körper Körper mächtig reißt,
Nenne, meine Laura, mir den Zauber,
     Der zum Geist monarchisch zwingt den Geist.

5
Sieh! er lehrt die schwebenden Planeten

     Ewgen Ringgangs um die Sonne fliehn,
Und gleich Kindern um die Mutter hüpfend
     Bunte Zirkel um die Fürstin ziehn;

Durstig trinkt den goldnen Stralenregen

10
     Jedes rollende Gestirn,

Trinkt aus ihrem Feuerkelch Erquikung
     Wie die Glieder Geister vom Gehirn.

[8]

Sonnenstäubchen paart mit Sonnenstäubchen
     Sich in trauter Harmonie,

15
Sphären in einander lenkt die Liebe,

     Weltsysteme dauren nur durch sie.

Tilge sie vom Uhrwerk der Naturen –
     Trümmernd auseinander springt das All,
In das Chaos donnern eure Welten,

20
     Weint, Newtone, ihren Riesenfall!


Tilg die Göttinn aus der Geister Orden,
     Sie erstarren in der Körper Tod,
Ohne Liebe kehrt kein Frühling wieder,
     Ohne Liebe preißt kein Wesen Gott!

25
Und was ists, das, wenn mich Laura küsset,

     Purpurflammen auf die Wangen geußt,
Meinem Herzen raschern Schwung gebietet,
     Fiebrisch wild mein Blut von hinnen reißt?

[9]

Aus den Schranken schwellen alle Sennen,

30
     Seine Ufer überwallt das Blut,

Körper will in Körper über stürzen,
     Lodern Seelen in vereinter Glut;

Gleich allmächtig wie dort in der todten
     Schöpfung ewgen Federtrieb,

35
Herrscht im arachneischen Gewebe

     Der empfindenden Natur die Lieb’.

Siehe Laura, Frölichkeit umarmet
     Wilder Schmerzen Ueberschwung,
An der Hoffnung Liebesbrust erwarmet

40
     Starrende Verzweifelung.


Schwesterliche Wollust mildert
     Düstrer Schwermuth Schauernacht,
Und entbunden von den goldnen Kindern,
     Stralt das Auge Sonnenpracht.

[10]
45
Waltet nicht auch durch des Uebels Reiche

     Fürchterliche Sympathie?
Mit der Hölle bulen unsre Laster,
     Mit dem Himmel grollen sie.

Um die Sünde flechten Schlangenwirbel

50
     Scham und Reu’, das Eumenidenpaar,

Um der Gröse Adlerflügel windet
     Sich verräth’risch die Gefahr.

Mit dem Stolze pflegt der Sturz zu tändeln,
     Um das Glük zu klammern sich der Neid,

55
Ihrem Bruder Tode zuzuspringen

     Offnen Armes, Schwester Lüsternheit.

Mit der Liebe Flügel eilt die Zukunft
     In die Arme der Vergangenheit,
Lange sucht der fliehende Saturnus

60
     Seine Braut – die Ewigkeit.
[11]

Einst – so hör ich das Orakel sprechen, –
     Einsten hascht Saturn die Braut,
Weltenbrand wird Hochzeitfakel werden,
     Wenn mit Ewigkeit die Zeit sich traut.

65
Eine schönere Aurora röthet,

     Laura, dann auch unsrer Liebe sich,
Die so lang als jener Brautnacht dauert,
     Laura! Laura! freue dich!

Y.
[12]
Bacchus im Triller.


Trille! Trille! blind und dumm,
          Taub und dumm,
     Trillt den saubern Kerl herum!
Manches Stük von altem Adel,

5
Vetter, hast du auf der Nadel.

     Vetter, übel kommst du weg,
Manchen Kopf mit Dampf gefüllet,
Manchen hast du umgetrillet,
Manchen klugen Kopf berülpet,

10
Manchen Magen umgestilpet.

     Umgewälzt in seinem Spek,
Manchen Hut krumm aufgesezet,
Manches Lamm in Wut gehezet,
Bäume, Heken, Häuser, Gassen,

15
Um uns Narren tanzen lassen.

     Darum kommst du übel weg,
Darum wirst auch du getrillet,

[13]

Wirst auch du mit Dampf gefüllet,
Darum wirst auch du berülpet,

20
Wird dein Magen umgestilpet,

     Umgewälzt in seinem Spek,
     Darum kommst du übel weg.

     Trille! Trille! blind und dumm,
          Taub und dumm,

25
     Trillt den saubern Kerl herum!

Siehst, wie du mit unsern Zungen,
Unserm Wiz bist umgesprungen,
     Siehst du jezt du lokrer Specht?
Wie du uns am Sail gezwirbelt,

30
Uns im Ring herumgewirbelt,

Daß uns Nacht ums Auge graußte,
Daß ’s uns in den Ohren saußte.
     Lerns in deinem Käfigt recht;
Daß wir vor dem Ohrgebrümmel

35
Nimmer Gottes blauen Himmel,

Nimmer sahen Stok und Steine,
Knakten auf die lieben Beine.

[14]

     Siehst du izt, du lokrer Specht?
Daß wir Gottes gelbe Sonne

40
Für die Heidelberger Tonne

Berge, Bäume, Thürme, Schlösser,
Angesehn für Schoppengläser,
     Lernst du’s izt, du lokrer Specht?
     Lern’s in deinem Käfigt recht.

45
     Trille! Trille! blind und dumm,

          Taub und dumm,
     Trill den saubern Kerl herum!
Schwager, warst doch sonst voll Ränke,
Schwager, wo nun deine Schwänke,

50
     Deine Pfiffe schlauer Kopf?

Ausgepumpt sind deine Pfiffe,
Und zum Teufel sind die Kniffe!
Albern, wie ein Stuzer plaudern,
Wie ein Waschweib wirst du kaudern.

55
     Junker ist ein seichter Tropf.

Nun so weist du’s – magst dich schämen,
Magst meintwegen Reißaus nehmen,

[15]

Dem Hollunken Amor rühmen,
Dran er soll Exempel nehmen.

60
     Fort, Bärnhäuter! tummle dich!

Unser Wiz aus Glas gekerbet,
Wie der Bliz ist er zerscherbet;
Soll dich nicht der Triller treiben,
Laß die Narrenspossen bleiben!

65
     Hast’s verstanden? Denk an mich!

     Wüster Vogel! pake dich.

W. D.
[16]
An die Sonne.


Preis dir, die du dorten heraufstrahlst, Tochter des Himmels!
     Preis dem lieblichen Glanz
Deines Lächelns, der alles begrüsset und alles erfreuet!
     Trüb in Schauern und Nacht

5
Stand begraben die prächtige Schöpfung: todt war die Schönheit

     Lang dem lechzenden Blik:
Aber liebevoll stiegst du früh aus dem rosigen Schoose
     Deiner Wolken empor,
Wektest uns auf die Morgenröthe; und freundlich

10
     Schimmert diese herfür,

Ueber die Berg’ und verkündete deine süsse Hervorkunft.
     Schnell begann nun das Graun
Sich zu wälzen dahin in ungeheuern Gebürgen.
     Dann erschienest du selbst,

[17]
15
Herrliche du, und verschwunden waren die neblichte Riesen!

     Ach! wie Liebende nun
Lange getrennt liebäugelt der Himmel zur Erden, und diese
     Lächelt zum Liebling empor;
Und es küssen die Wolken am Saume der Höhe die Hügel;

20
     Süsser athmet die Luft;

Alle Fluren baden in deines Angesichts Abglanz
     Sich; und es wirbelt der Chor
Des Gevögels aus der vergoldeten Grüne der Wälder
     Freudenlieder hinauf;

25
Alle Wesen taumeln wie am Busen der Wonne:

     Seelig die ganze Natur!
Und dieß alles o Sonn’! entquoll deiner himmlischen Liebe.
     Vater der Heil’gen vergieb,
O vergieb mir, daß ich auf mein Angesicht falle

30
     Und anbete dein Werk! –
[18]

Aber nun schwebet sie fort im Zug der Purpurgewölke
     Ueber der Könige Reich,
Ueber die unabsehbarn Wasser, über das Weltall:
     Unter ihr werden zu Staub

35
Alle Thronen, Moder die himmelaufschimmernden Städte;

     Ach! die Erde ist selbst
Grabeshügel geworden. Sie aber bleibt in der Höhe,
     Lächelt der Mörderin Zeit
Und erfüllet ihr groses Geschäft, erleuchtet die Sphären.

40
     O besuche noch lang

Herrlichstes Fürbild der Edeln! mit mildem freundlichem Blicke
     Unsre Wohnung, bis einst
Vor dem Schelten des Ewigen sinken die Sterne
     Und du selbsten erbleichst.

W.
[19]
Laura am Klavier.


Wenn dein Finger durch die Saiten meistert –
Laura, itzt zur Statue entgeistert,
     Izt entkörpert steh ich da.
Du gebietest über Tod und Leben,

5
Mächtig wie von tausend Nervgeweben

     Seelen fordert Philadelphia; –

Ehrerbietig leiser rauschen
Dann die Lüfte, dir zu lauschen;
     Hingeschmidet zum Gesang,

10
     Stehn im ewgen Wirbelgang,

Einzuziehn die Wonnefülle,
Lauschende Naturen stille,
     Zauberin! mit Tönen, wie
     Mich mit Blicken, zwingst du sie.

[20]
15
Seelenvolle Harmonieen wimmeln.

     Ein wollüstig Ungestüm,
Aus den Saiten, wie aus ihren Himmeln
     Neugebohrne Serafim;
Wie des Chaos Riesenarm entronnen,

20
Aufgejagt vom Schöpfungssturm die Sonnen

     Funkend fuhren aus der Finsternuß,
     Strömt der goldne Saitenguß.

Lieblich izt wie über bunten Kieseln
Silberhelle Fluten rieseln, –

25
     Majestätisch prächtig nun

     Wie des Donners Orgelton,
Stürmend von hinnen izt wie sich von Felsen
Rauschende schäumende Gießbäche wälzen,
     Holdes Gesäusel bald,

30
          Schmeichlerisch linde,

     Wie durch den Espenwald
          Buhlende Winde,
Schwerer nun und melankolisch düster
Wie durch todter Wüsten Schauernachtgeflüster,

[21]
35
     Wo verlornes Heulen schweift,

     Thränenwellen der Kozytus schleift.

Mädchen, sprich! Ich frage, gieb mir Kunde:
Stehst mit höhern Geistern du im Bunde?
     Ists die Sprache, lüg mir nicht,

40
     Die man in Elysen spricht?


Von dem Auge weg der Schleyer!
     Starre Riegel von dem Ohr!
Mädchen! Ha! schon athm’ ich freier,
Läutert mich ätherisch Feuer?

45
     Tragen Wirbel mich empor? – –


Neuer Geister Sonnensize
Winken durch zerrißner Himmel Rize –
     Ueberm Grabe Morgenroth!
Weg, ihr Spötter, mit Insektenwize!

50
     Weg! Es ist ein Gott – – – –


Y.
[22]
Die Herrlichkeit der Schöpfung.
Eine Fantasie.


Vorüber war der Sturm, der Donner Rollen
     Das hallende Gebirg hinein verschollen,
          Geflohn die Dunkelheit;
     In junger Schöne lächelten die Himmel wieder

5
     Auf ihre Schwester, Gottes Erde, nieder

          Voll Zärtlichkeit.
Es lagen lustig da, die Auen und die Thale,
Aus Maigewölken von der Sonnen Strahle
     Holdseelig angelacht:

10
Die Ströme schimmerten, die Büsch’ und Wäldchen alle

Bewegten freudig sich im thauigen Crystalle
     In funkelndlichter Pracht.
Und sieh! da hebt von Berg zu Berg sich prächtig ausgespannt
     Ein Regenbogen über’s Land. –

[23]
15
In dieser Ansicht schwamm vom Broken oben

Mein Auge trunken, als ich aufgehoben
     Mich plözlich fühlte . . . . Heilig heil’ge Lüfte kamen
Und webten zärtlich mich, indessen über mir
Stolztragend über’s All den Ewigen daher

20
     Die innre Himmel majestätisch schwamen.


          Und izt trieb ein Wind
Fort die Wolken, mich auf ihrem Zuge,
Unter mir wichen im Fluge
     Schimmernde Königesstädte zurük,

25
          Schnell wie ein Blik,

     Länderbeschattende Berge zurük,
Und das schönste Gemisch von blühenden Feldern,
Goldenen Saaten und grünenden Wäldern,
     Himmel und Erde im lachenden Glanz

30
     Wiegten sich um mich im sanftesten Tanz.
[24]

     Da schweb ich nun in den saphirnen Höhen
Bald über’m unabsehlich weiten Meer;
Bald seh’ ich unter mir ein langes Klippenheer,
Izt grausenvolle Felsenwüsten stehen,

35
Und dort den Frühling mir entgegenwehen;

Und hier die Lichtesköniginn,
Auf rosichtgoldnen Wolken hingetragen,
Zu ihrer Himmelsruhe ziehn.

     O welch Gesicht! Mein Lied! wie könntest du es sagen

40
Was dieses Auge trank vom weltumwandelnden Wagen?

Der Schöpfung ganze Pracht, die Herrlichkeit,
Die in dem Einsamen der dunkeln Ewigkeit
     Der Allerhöchste ausgedacht,
Und sich zur Augenlust, und euch, o Menschen!

45
     Zur Wohnung hat gemacht,
[25]

Lag vor mir da! . . . Und welche Melodien
Dringen herauf? welch unaussprechlicher Klang
Schlägt mein entzüktes Ohr? . . Der grose Lobgesang
Tönt auf der Laute der Natur! . . In Harmonien,

50
     Wie einen süsen Tod verlohren, preißt

     Den Herrn des Alls mein Geist!

W.
[26]
Elegie
auf
den Tod eines Jünglings.


Banges Stöhnen, wie vor’m nahen Sturme,
     Hallet her vom öden Trauerhauß,
Todentöne fallen von des Münsters Thurme,
     Einen Jüngling trägt man hier heraus:

5
Einen Jüngling – noch nicht reif zum Sarge,

     In des Lebens Mai gepflükt,
Pochend mit der Jugend Nervenmarke
     Mit der Flamme, die im Auge zükt;
Einen Sohn, die Wonne seiner Mutter,

10
     (O das lehrt ihr jammernd Ach)

Meinen Busenfreund, Ach! meinen Bruder –
     Auf! was Mensch heißt, folge nach!

[27]

Prahlt ihr Fichten, die ihr hoch veraltet
     Stürmen stehet und den Donner nekt?

15
Und ihr Berge die ihr Himmel haltet,

     Und ihr Himmel die ihr Sonnen hegt?
Prahlt der Greiß noch, der auf stolzen Werken
     Wie auf Woogen zur Vollendung steigt?
Prahlt der Held noch, der auf aufgewälzten Thatenbergen

20
     In des Nachruhms Sonnentempel fleugt?

Wenn der Wurm schon naget in den Blüthen:
     Wer ist Thor zu wähnen, daß er nie verdirbt?
Wer dort oben hofft noch und hienieden
     Auszudauren – wenn der Jüngling stirbt?

25
Lieblich hüpften, voll der Jugendfreude,

Seine Tage hin im Rosenkleide
     Und die Welt, die Welt war ihm so süß –
Und so freundlich, so bezaubernd winkte
Ihm die Zukunft, und so golden blinkte

30
Ihm des Lebens Paradies;
[28]

Noch, als schon das Mutterauge thränte,
Unter ihm das Todtenreich schon gähnte,
     Ueber ihm der Parzen Faden riß,
Erd und Himmel seinem Blik entsanken,

35
Floh er ängstlich vor dem Grabgedanken –

     Ach die Welt ist Sterbenden so süß.

Stumm und taub ists in dem engen Hause
     Tief der Schlummer der Begrabenen;
Bruder! Ach in ewig tiefer Pause

40
     Feiern alle deine Hoffnungen;

Oft erwärmt die Sonne deinen Hügel,
     Ihre Glut empfindest du nicht mehr;
Seine Blumen wiegt des Westwinds Flügel,
     Sein Gelispel hörest du nicht mehr;

45
Liebe wird dein Auge nie vergolden,

     Nie umhalsen deine Braut wirst du,
Nie, wenn unsre Thränen stromweis rollten, –
     Ewig, ewig sinkt dein Auge zu.

[29]

Aber wohl dir! – köstlich ist dein Schlummer,

50
     Ruhig schläft sichs in dem engen Haus;

Mit der Freude stirbt hier auch der Kummer,
     Röcheln auch der Menschen Qualen aus.
Ueber dir mag die Verläumdung geifern,
     Die Verführung ihre Gifte spein,

55
Ueber dich der Pharisäer eifern,

     Fromme Mordsucht dich der Hölle weihn,
Gauner durch Apostel Masken schielen
     Und die Bastarttochter der Gerechtigkeit,
Wie mit Würfeln, so mit Menschen spielen,

60
     Und so fort bis hin zur Ewigkeit.


Ueber dir mag auch Fortuna gaukeln,
     Blind herum nach ihren Buhlen spähn,
Menschen bald auf schwanken Thronen schaukeln,
     Bald herum in wüsten Pfüzen drehn;

65
Wohl dir, wohl in deiner schmalen Zelle;

     Diesem komischtragischem Gewühl,
Dieser ungestümmen Glückeswelle,
     Diesem possenhaften Lottospiel,

[30]

Diesem faulen fleißigen Gewimmel,

70
     Dieser arbeitsvollen Ruh,

Bruder! – diesem teufelvollen Himmel
     Schlos dein Auge sich auf ewig zu.

Fahr dann wohl, du Trauter unsrer Seele,
     Eingewiegt von unsern Segnungen,

75
Schlummre ruhig in der Grabeshöle

     Schlummre ruhig bis auf Wiedersehn!
Bis auf diesen leichenvollen Hügeln
     Die allmächtige Posaune klingt,
Und nach aufgerißnen Todesriegeln

80
     Gottes Sturmwind diese Leichen in Bewegung schwingt –

Bis befruchtet von Jehovahs Hauche
     Gräber kreisen – auf sein mächtig Dräun
In zerschmelzender Planeten Rauche

85
     Ihren Raub die Grüfte wiederkäun –
[31]

Nicht in Welten, wie die Weisen träumen,
     Auch nicht in des Pöbels Paradiß,
Nicht in Himmeln, wie die Dichter reimen, –
     Aber wir ereilen dich gewiß.

90
Daß es wahr sey, was den Pilger freute?

     Daß noch jenseits ein Gedanke sey?
Daß die Tugend über’s Grab geleite?
     Daß es mehr denn eitle Fantasey? – –
Schon enthüllt sind dir die Räthsel alle!

95
     Wahrheit schlirft dein hochentzükter Geist,

Wahrheit, die in tausendfachem Strale
     Von des grosen Vaters Kelche fleußt –

Zieht dann hin, ihr schwarzen stummen Träger!
     Tischt auch den dem grosen Würger auf!

100
Höret auf geheulergoßne Kläger!

     Thürmet auf ihm Staub auf Staub zu Hauf.
Wo der Mensch der Gottes Rathschluß prüfte?
     Wo das Aug den Abgrund durchzuschaun?

[32]

Heilig! Heilig! Heilig! Bist du Gott der Grüfte,

105
     Wir verehren dich mit Graun!

Erde mag zurük in Erde stäuben,
     Fliegt der Geist doch aus dem morschen Hauß!
Seine Asche mag der Sturmwind treiben,
     Seine Liebe dauert ewig aus!

Y.


Der wirthschaftliche Tod.


Will denn Markolf der Doktor ewig leben?
Was säumt der Tod ihm seinen Rest zu geben?
     Gemach! ihm fällt Aesopus Fabel bei
          Vom goldnen Ey.

Z.
[33]
Roußeau.


Monument von unsrer Zeiten Schande!
Ew’ge Schandschrift deiner Mutterlande!
     Roußeaus Grab! Gegrüßet seyst du mir.
Fried und Ruh den Trümmern deines Lebens!

5
Fried und Ruhe suchtest du vergebens,

     Fried und Ruhe fandst du hier.

Kaum ein Grabmal ist ihm überblieben,
Den von Reich zu Reich der Neid getrieben,
     Frommer Eifer umgestrudelt hat.

10
Ha! Um den einst Ströme Bluts zerfließen,

Wem’s gebühr’ ihn pralend Sohn zu grüßen,
     Fand im Leben keine Vaterstadt.

Und wer sind sie die den Weisen richten?
Geisterschlaken die zur Tiefe flüchten

15
     Vor dem Silberblike des Genies;

Abgesplittert von dem Schöpfungswerke
Gegen Riesen Roußeau kind’sche[1] Zwerge,
     Denen nie Prometheus Feuer blies.

[34]

Brüken vom Instinkte zum Gedanken,

20
Angefliket an der Menschheit Schranken,

     Wo schon gröbre Lüfte wehn.
In die Kluft der Wesen eingekeilet,
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet,
     Und die Menschheit anhebt abzustehn.

25
Neu und einzig – eine Irresonne

Standest du am Ufer der Garonne
     Meteorisch für Franzosenhirn.
Schwelgerei und Hunger brüten Seuchen,
Tollheit raßt mavortisch in den Reichen

30
     Wer ist schuld – das arme Irrgestirn.


Deine Parze – hat sie gar geträumet?
Hat in Fieberhize sie gereimet
     Die dich an der Seine Strand gesäugt?
Ha! schon seh ich unsre Enkel staunen,

35
Wann beim Klang belebender Posaunen

     Aus Franzosengräbern – Roußeau steigt!

[35]

Wann wird doch die alte Wunde narben?
Einst wars finster – und die Weisen starben,
     Nun ists lichter, – und der Weise stirbt.

40
Sokrates ging unter durch Sofisten,

Roußeau leidet – Roußeau fällt durch Christen,
     Roußeau – der aus Christen Menschen wirbt.

Ha! mit Jubel die sich feurig gießen
Sey Religion von mir gepriesen,

45
     Himmelstochter sey geküßt!

Welten werden durch dich zu Geschwistern,
Und der Liebe sanfte Odem flistern
     Um die Fluren die dein Flug begrüßt.

Aber wehe – Basiliskenpfeile

50
Deine Blike – Krokodilgeheule

     Deiner Stimme sanfte Melodien
Menschen bluten unter deinem Zahne,
Wenn verderbengeifernde Imane
     Zur Erennys dich verziehn.

[36]
55
Ja! im acht und zehnten Jubeljare,

Seit das Weib den Himmelsohn gebare,
     (Kroniker vergeßt es nie)
Hier erfanden schlauere Perille
Ein noch musikalischer Gebrülle,

60
     Als dort aus dem ehrnen Ochsen schrie.


Mag es Roußeau! mag das Ungeheuer
Vorurtheil, ein thürmendes Gemäuer
     Gegen kühne Reformanten stehn,
Nacht und Dummheit boshaft sich versammeln,

65
Deinem Licht die Pfade zu verrammeln,

     Himmelstürmend dir entgegen gehn.

Mag die hundertrachigte Hyäne
Eigennuz die gelben Zackenzähne
     Hungerglühend in die Armuth haun,

70
Erzumpanzert gegen Waisenthräne,

Thurmumrammelt gegen Jammertöne,
     Goldne Schlösser auf Ruinen baun.

[37]

Geh du Opfer dieses Trillingsdrachen,
Hüpfe freudig in den Todesnachen,

75
     Großer Dulder! frank und frei.

Geh erzähl dort in der Geister Kraise
Diesen Traum vom Krieg der Frösch’ und Mäuse,
     Dieses Lebens Jahrmarktsdudelei.

Nicht für diese Welt warst du – zu bider

80
Warst du ihr, zu hoch – vielleicht zu nieder –

     Roußeau doch du warst ein Christ.
Mag der Wahnwiz diese Erde gängeln!
Geh du heim zu deinen Brüdern Engeln,
     Denen du entlaufen bist.

M.


An den Galgen zu schreiben.


Wer zu mir kömmt passirt durch manche Grade,
     Venus, Merkur, und – Fürstengnade.

C.
[38]
Die seeligen Augenblike
an Laura.


Laura, über diese Welt zu flüchten
Wähn ich – mich in Himmelmaienglanz zu lichten
     Wenn dein Blik in meine Blike flimmt,
Aetherlüfte träum’ ich einzusaugen,

5
Wenn mein Bild in deiner sanften Augen

     Himmelblauem Spiegel schwimmt; –

Leyerklang aus Paradises Fernen,
Harfenschwung aus angenehmern Sternen
     Ras’ ich in mein trunken Ohr zu ziehn,

10
Meine Muse fühlt die Schäferstunde,

Wenn von deinem wollustheißem Munde
     Silbertöne ungern fliehn; –

[39]

Amoretten seh ich Flügel schwingen,
Hinter dir die trunknen Fichten springen

15
     Wie von Orpheus Saitenruf belebt,

Rascher rollen um mich her die Pole,
Wenn im Wirbeltanze deine Sole
     Flüchtig wie die Welle schwebt; –

Deine Blike – wenn sie Liebe lächeln,

20
Könnten Leben durch den Marmor fächeln,

     Felsenadern Pulse leihn,
Träume werden um mich her zu Wesen,
Kann ich nur in deinen Augen lesen:
     Laura, Laura mein! –

25
Wenn dann, wie gehoben aus den Achsen

Zwei Gestirn, in Körper Körper wachsen,
     Mund an Mund gewurzelt brennt,
Wollustfunken aus den Augen regnen,
Seelen wie entbunden sich begegnen

30
     In des Athems Flammenwind, – – –
[40]

Qualentzüken – – Paradisesschmerzen! – –
Wilder flutet zum beklommnen Herzen,
     Wie Gewapnete zur Schlacht, das Blut,
Die Natur, der Endlichkeit vergessen,

35
Wagts mit höhern Wesen sich zu messen,

     Schwindelt ob der acherontschen Flut.

Eine Pause drohet hier den Sinnen
Schwarzes Dunkel jagt den Tag von hinnen,
     Nacht verschlingt den Quell des Lichts –

40
Leises . . Murmeln . . . dumpfer . . hin . . verloren . .

Stirbt . . . allmälig . . in den trunknen . . . Ohren . . .
     Und die Welt ist . . . . Nichts . . . .

Ach, vielleicht verpraßte tausend Monde
Laura, die Elisiumssekunde,

45
     All begraben in dem schmalen Raum;

Weggewirbelt von der Todeswonne,
Landen wir an einer andern Sonne,
     Laura! und es war ein Traum.

[41]

O daß doch der Flügel Chronos harrte,

50
Hingebannt ob dieser Gruppe starrte

     Wie ein Marmorbild – – die Zeit!
Aber ach! ins Meer des Todes jagen
Wellen Wellen – über dieser Wonne schlagen
     Schon die Strudel der Vergessenheit.

Y.


Spinoza.


Hier ligt ein Eichbaum umgerissen,
Sein Wipfel thät die Wolken küssen,
     Er ligt am Grund – warum?
Die Bauren hatten, hör ich reden,

5
Sein schönes Holz zum Bau’n vonnöthen,

     Und rissen ihn deßwegen um.

O.
[42]
Die Kindsmörderin.


Horch – die Gloken weinen dumpf zusammen,
     Und der Zeiger hat vollbracht den Lauf,
Nun, so sey’s denn! – Nun, in Gottes Namen!
     Grabgefährten brecht zum Richtplaz auf.

5
Nimm o Welt die lezten Abschiedsküße,

     Diese Thränen nimm o Welt noch hin.
Deine Gifte – o sie schmekten süße! –
     Wir sind quitt du Herzvergifterin.

Fahret wohl ihr Freuden dieser Sonne

10
     Gegen schwarzen Moder umgetauscht!

Fahre wohl du Rosenzeit voll Wonne,
     Die so oft das Mädchen lustberauscht;

[43]

Fahret wohl ihr goldgewebten Träume,
     Paradiseskinder Fantasie’n! –

15
Weh! sie starben schon im Morgenkeime,

     Ewig nimmer an das Licht zu blühn.

Schön geschmükt mit rosenrothen Schlaifen
     Dekte mich der Unschuld Schwanenkleid,
In der blonden Loken loses Schweifen

20
     Waren junge Rosen eingestreut: –

Wehe! – Die Geopferte der Hölle
     Schmükt noch izt das weißlichte Gewand,
Aber ach! – der Rosenschlaifen Stelle
     Nahm ein schwarzes Todenband.

25
Weinet um mich, die ihr nie gefallen,

     Denen noch der Unschuld Liljen blühn,
Denen zu dem weichen Busenwallen
     Heldenstärke die Natur verliehn!
Wehe! menschlich hat diß Herz empfunden! –

30
     Und Empfindung soll mein Richtschwerd seyn! –

Weh! vom Arm des falschen Manns umwunden
     Schlief Louisens Tugend ein.

[44]

Ach vielleicht umflattert eine andre
     Mein vergessen dieses Schlangenherz,

35
Ueberfließt, wenn ich zum Grabe wandre,

     An dem Puztisch in verliebten Scherz?
Spielt vielleicht mit seines Mädchens Loke?
     Schlingt den Kuß, den sie entgegenbringt?
Wenn versprizt auf diesem Todesbloke

40
     Hoch mein Blut vom Rumpfe springt.


Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen
     Folge dir Louisens Todenchor,
Und des Glokenthurmes dumpfes Heulen
     Schlage schröklichmahnend an dein Ohr –

45
Wenn von eines Mädchens weichem Munde

     Dir der Liebe sanft Gelispel quillt,
Bohr es plözlich eine Höllenwunde
     In der Wollust Rosenbild!

Ha Verräther! Nicht Louisens Schmerzen?
     Nicht des Weibes Schande harter Mann?

50
Nicht das Knäblein unter meinem Herzen?

     Nicht was Löw’ und Tiger milden kann?

[45]

Seine Seegel fliegen stolz vom Lande,
     Meine Augen zittern dunkel nach,

55
Um die Mädchen an der Seine Strande

     Winselt er sein falsches Ach! – –

Und das Kindlein – in der Mutter Schoose
     Lag es da in süßer goldner Ruh,
In dem Reiz der jungen Morgenrose

60
     Lachte mir der holde Kleine zu,

Tödlichlieblich sprang aus allen Zügen
     Des geliebten Schelmen Konterfey;
Den beklommnen Mutterbusen wiegen
     Liebe und – Verrätherey.

65
Weib, wo ist mein Vater? lallte

     Seiner Unschuld stumme Donnersprach,
Weib, wo ist dein Gatte? hallte
     Jeder Winkel meines Herzens nach –
Weh, umsonst wirst Waise du ihn suchen,

70
     Der vielleicht schon andre Kinder herzt,

Wirst der Stunde unsrer Wollust fluchen,
     Wenn dich einst der Name Bastard schwärzt.

[46]

Deine Mutter – o im Busen Hölle! –
     Einsam sizt sie in dem All der Welt,

75
Durstet ewig an der Freudenquelle,

     Die dein Anblik fürchterlich vergällt,
Ach, in jedem Laut von dir erwachet,
     Todter Wonne Qualerinnerung,
Jeder deiner holden Blike fachet

80
     Die unsterbliche Verzweifelung.


Hölle, Hölle wo ich dich vermiße,
     Hölle wo mein Auge dich erblikt,
Eumenidenruthen deine Küße,
     Die von seinen Lippen mich entzükt,

85
Seine Eide donnern aus dem Grabe wieder,

     Ewig, ewig würgt sein Meineid fort,
Ewig – hier umstrikte mich die Hyder; –
     Und vollendet war der Mord –

Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen

90
     Jage dir der grimme Schatten nach,

Mög mit kalten Armen dich ereilen,
     Donnre dich aus Wonneträumen wach,

[47]

Im Geflimmer sanfter Sterne zuke
     Dir des Kindes grasser Sterbeblik,

95
Es begegne dir im blutgen Schmuke,

     Geißle dich vom Paradiß zurük.

Seht! da lag es – lag im warmen Blute,
     Das noch kurz im Mutterherzen sprang,
Hingemezelt mit Erinnysmuthe,

100
     Wie ein Veilchen unter Sensenklang; – –

Schröklich pocht schon des Gerichtes Bote,
     Schröklicher mein Herz!
Freudig eilt’ ich in dem kalten Tode
     Auszulöschen meinen Flammenschmerz.

105
Joseph! Gott im Himmel kann verzeihen,

     Dir verzeiht die Sünderin.
Meinen Groll will ich der Erde weihen,
     Schlage Flamme durch den Holzstoß hin –
Glüklich! Glüklich! Seine Briefe lodern,

110
     Seine Eide frißt ein siegend Feu’r,

Seine Küße! – wie sie hochan flodern! –
     Was auf Erden war mir einst so theu’r?

[48]

Trauet nicht den Rosen eurer Jugend,
     Trauet, Schwestern, Männerschwüren nie!

115
Schönheit war die Falle meiner Tugend,

     Auf der Richtstatt hier verfluch ich sie! –
Zähren? Zähren in des Würgers Bliken?
     Schnell die Binde um mein Angesicht!
Henker kannst du keine Lilje kniken?

120
     Bleicher Henker zittre nicht! – – –


Y.


Auffschrift einer Fürstengruft.


Zurük! Hier ruhn die Erdenriesen,
     Fern von dem Volk in ihrer Gruft –
Um mit dem Volk nicht auferstehn zu müssen,
     Wenn einstens die Trompete ruft.

T.
[49]
In einer Bataille
von einem Offizier.


          Schwer und dumpfig
          Eine Wetterwolke
Durch die grüne Ebne schwankt der Marsch.
     Zum wilden eisernen Würfelspiel

5
Strekt sich unabsehlich das Gefilde,

     Blicke kriechen niederwärts,
An die Rippen pocht das Männerherz,
     Vorüber an holen Todengesichtern
     Niederjagt die Front der Major,

10
          Halt!

Und Regimenter fesselt das starre Kommando.

               Lautlos steht die Front.

Prächtig im glüenden Morgenroth
Was blizt dorther vom Gebürge?

15
Seht ihr des Feindes Fahnen wehn?

Wir sehn des Feindes Fahnen wehn,

[50]

Gott mit euch Weib und Kinder.
Lustig! hört ihr den Gesang?
Trommelwirbel, Pfeiffenklang

20
Schmettert durch die Glieder

Wie braußt es fort im schönen wilden Takt!
Und braußt durch Mark und Bein.

               Gott befohlen Brüder!
               In einer andern Welt wieder.

25
Schon fleugt es fort wie Wetterleucht,

Dumpf brüllt der Donner schon dort
Die Wimper zukt, hier kracht er laut,
Die Losung braußt von Heer zu Heer,
Laß brausen in Gottes Namen fort,

30
Freier schon athmet die Brust.


               Der Tod ist los – schon woogt sich der Kampf
               Eisern im wolkigten Pulverdampf
               Eisern fallen die Würffel.

[51]

Nah umarmen die Heere sich,

35
Fertig! heults von Ploton zu Ploton,

Auf die Kniee geworfen
Feur’n die Vordern, viele stehen nicht mehr auf,
Lücken reißt die streifende Kartetsche,
Auf Vormanns Rumpfe springt der Hintermann,

40
Verwüstung rechts und links und um und um,

Bataillone niederwälzt der Tod.

               Die Sonn löscht aus – heiß brennt die Schlacht,
               Schwarz brütet auf dem Heer die Nacht.
                    Gott befohlen Brüder!

45
                    In einer andern Welt wieder.


Hoch sprizt an den Nacken das Blut,
Lebende wechseln mit Toden, der Fuß
Strauchelt über den Leichnamen –
„Und auch du, Franz?“ – „„Grüße mein Lottchen Freund;““

50
Wilder immer wüthet der Streit,
[52]

„Grüßen will ich“ – Gott! Kameraden! seht
Hinter uns wie die Kartetsche springt!
„Grüßen will ich dein Lottchen, Freund
„Schlummre sanft! wo die Kanone sich

55
„Heischer speit stürz ich Verlaßner hinein.


               Hieher, dorthin schwankt die Schlacht,
               Finstrer brütet auf dem Heer die Nacht,
                    Gott befohlen Brüder!
                    In einer andern Welt wieder!

60
Horch! was strampft im Galopp vorbei?

          Die Adjutanten fliegen:
Dragoner rasseln in den Feind
          Und seine Donner ruhen.
     Victoria Brüder,

65
Schrecken reißt die faigen Glieder!

     Und seine Fahne sinkt.

[53]

               Entschieden ist die scharfe Schlacht,
               Der Tag blikt siegend durch die Nacht!
                    Horch! Trommelwirbel, Pfeiffenklang

70
                    Stimmen schon Triumfgesang!

               Lebt wohl ihr gebliebenen Brüder
               In einer andern Welt wieder.

v. R.


Grabschrift.


Hier liegt ein Mann, er starb zu früh
     Für alle guten Christen;
Für Todengräber starb er spät
     Zu spät für – Journalisten.

P.
[54]
An die Parzen.


Nicht ins Gewühl der rauschenden Redouten,
     Wo Stuzerwiz sich wunderherrlich spreißt,
Und leichter als das Nez der fliegenden Bajouten,
     Die Tugend junger Schönen reißt; –

5
Nicht vor die schmeichlerische Toilette,

     Wovor die Eitelkeit, als ihrem Gözen, kniet,
Und oft in wärmere Gebete,
     Als zu dem Himmel selbst entglüht;

Nicht hinter der Gardinen listgen Schleyer

10
     Wo heuchlerische Nacht das Aug der Welt betrügt,

Und Herzen, kalt im Sonnenfeuer,
     In glüende Begierden wiegt,

[55]

Wo wir die Weisheit schaamroth überraschen,
     Die kühnlich Föbus Stralen trinkt,

15
Wo Männer gleich den Knaben diebisch naschen,

     Und Plato von den Sfären sinkt –

Zu dir – zu dir, du einsames Geschwister,
     Euch Töchtern des Geschickes, flieht
Bey meiner Laute leiserem Geflister

20
     Schwermüthig süß mein Minnelied.


Ihr einzigen für die noch kein Sonnet gegirret,
     Um deren Geld kein Wucherer noch warb,
Kein Stuzer noch Klagarien geschwirret,
     Kein Schäfer noch arkadisch starb.

25
Die ihr den Nervenfaden unsers Lebens

     Durch weiche Finger sorgsam treibt,
Bis unterm Klang der Scheere sich vergebens
     Die zarte Spinnewebe sträubt.

[56]

Daß du auch mir den Lebensfaden spinntest,

30
     Küß ich o Klotho deine Hand; –

Daß du noch nicht den jungen Faden trenntest,
     Nimm Lachesis diß Blumenband.

Oft hast du Dornen an den Faden
     Noch öfter Rosen dran gereiht.

35
Für Dorn’ und Rosen an dem Faden

     Sey Klotho dir diß Lied geweiht;

Oft haben stürmende Affekte
     Den weichen Zwirn herumgezerrt,
Oft riesenmäßige Projekte

40
     Des Fadens freien Schwung gesperrt;


Oft in wollüstig süser Stunde
     War mir der Faden fast zu fein,
Noch öfter an der Schwermut Schauerschlunde
     Mußt’ er zu fest gesponnen seyn:

[57]
45
Diß Klotho und noch andre Lügen

     Bitt ich dir izt mit Thränen ab,
Nun soll mir auch fortan genügen
     Was mir die weise Klotho gab.

Nur laß an Rosen nie die Scheere klirren

50
     An Dornen nur – doch wie du willst.

Laß wenn du willst die Todenscheere klirren
     Wenn du diß eine nur erfüllst.

Wenn Göttin izt an Laurens Mund beschworen
     Mein Geist aus seiner Hülse springt,

55
Verrathen, ob des Todenreiches Thoren

     Mein junges Leben schwindelnd hängt,

Laß ins Unendliche den Faden wallen,
     Er wallet durch ein Paradis,
Dann, Göttinn, laß die böse Scheere fallen!

60
     O laß sie fallen Lachesis!


Y.
[58]
Der Triumf der Liebe,
eine Hymne.


     Seelig durch die Liebe
     Götter – durch die Liebe
          Menschen Göttern gleich!
     Liebe macht den Himmel

5
     Himmlischer – die Erde

          Zu dem Himmelreich.

Einstens hinter Pyrrhas Rüken,
     Stimmen Dichter ein,
Sprang die Welt aus Felsenstüken,

10
     Menschen aus dem Stein.


Stein und Felsen ihre Herzen
     Ihre Seelen Nacht,
Von des Himmels Flammenkerzen
     Nie in Glut gefacht.

[59]
15
Noch mit sanften Rosenketten

Banden junge Amoretten
     Ihre Seelen nie –
Noch mit Liedern ihren Busen
Huben nicht die weichen Musen

20
     Nie mit Saitenharmonie.


Ach! noch wanden keine Kränze
     Liebende sich um!
Traurig flüchteten die Lenze
     Nach Elisium.

25
Ungegrüßet stieg Aurora

     Aus dem Schoos Ozeanus.
Ungeküsset sank die Sonne
     In die Arme Hesperus.

Wild umirrten sie die Hayne,

30
Unter Lunas Nebelscheine,

     Trugen eisern Joch.
Sehnend an der Sternenbühne
Suchte die geheime Thräne
     Keine Götter noch.



[60]
35
Und sieh! der blauen Flut entquillt

Die Himmelstochter sanft und mild,
     Getragen von Najaden
     Zu trunkenen Gestaden.

Ein jugendlicher Mayenschwung

40
Durchwebt wie Morgendämmerung

     Auf das allmächtge Werde
     Luft, Himmel, Meer, und Erde.

Schon schmilzt der wütende Orkan,
(Einst züchtigt’ er den Ozean

45
     Mit rasselndem Gegeissel)

     In lispelndes Gesäusel.

Des holden Tages Auge lacht
In düstrer Wälder Winternacht,
     Balsamische Narzissen

50
     Blühn unter ihren Füßen.
[61]

Schon flötete die Nachtigall
     Den ersten Sang der Liebe.
Schon murmelte der Quellen Fall
     In weiche Busen Liebe.

55
     Glükseeliger Pygmalion!

     Es schmilzt! es glüht dein Marmor schon!
Gott Amor Ueberwinder!
     Glükseeliger Deukalion,
     Wie hüpfen deine Felsen schon!

60
     Und äugeln schon gelinder!

     Glükseeliger Deukalion,
Umarme deine Kinder!




     Seelig durch die Liebe
     Götter – durch die Liebe

65
          Menschen Göttern gleich.

     Liebe macht den Himmel
     Himmlischer – die Erde
          Zu dem Himmelreich.



[62]

Unter goldnem Nektarschaum

70
Ein wollüstger Morgentraum

     Ewig Lustgelage
     Fliehn der Götter Tage.

     Prächtig spricht Chronions Donnerhorn,
Der Olympus schwankt erschroken

75
Wallen zürnend seine Loken

     Sfärenwirbeln gibt sein Athem Sporn,
Göttern läßt er seine Throne,
Niedert sich zum Erdensohne,
     Seufzt arkadisch durch den Hayn,

80
Zahme Donner untern Füssen,

Schläft, gewiegt von Ledas Küssen,
     Schläft der Riesentöder ein.

Majestätsche Sonnenrosse
     Durch des Lichtes weiten Raum

85
     Leitet Föbus goldner Zaum,

Völker stürzt sein rasselndes Geschosse

[63]

     Seine weissen Sonnenrosse,
     Seine rasselnden Geschosse
Unter Lieb und Harmonie

90
Ha! wie gern vergaß er sie!


Zitternd vor der Götterfürstin
Krümmen sich die Götter, dürsten
     Nach der Gnade goldnem Thau.
Sonnenglanz ist ihre Schminke

95
Myriaden jagen ihrem Winke

     Stolz vor ihrem Wagen prahlt der Pfau.

Schöne Fürstin! ach die Liebe
Zittert mit dem süßen Triebe
     Deiner Majestät zu nahn.

100
Seht ihr Chronos Tochter weinen?

Geister kann ihr Wink verneinen,
     Herzen weißt sie nicht zu fahn.




Seelig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe

[64]
105
     Menschen Göttern gleich.

Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
     Zu dem Himmelreich.




Liebe sonnt das Reich der Nacht,

110
Amors süßer Zaubermacht

Ist der Orkus unterthänig,
Freundlich schmollt der schwarze König
Wenn ihm Zeres Tochter lacht;
Liebe sonnt das Reich der Nacht.

115
Himmlisch in die Hölle klangen

Und den wilden Beller zwangen
     Deine Lieder, Thrazier –
Minos, Thränen im Gesichte,
Mildete die Qualgerichte,

120
Zärtlich um Megärens Wangen

Küßten sich die wilden Schlangen,
     Keine Geissel klatschte mehr,
Aufgejagt von Orfeus Leyer
Flog von Tityon der Geyer

[65]
125
Leiser hin am Ufer rauschten

Lethe und Kozytus, lauschten
     Deinen Liedern Thrazier,
     Liebe sangst du Thrazier.




Seelig durch die Liebe

130
Götter – durch die Liebe

     Menschen Göttern gleich.
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
     Zu dem Himmelreich.




135
     Durch die ewige Natur.

     Düftet ihre Blumenspur,
Weht ihr goldner Flügel.
     Winkte mir vom Mondenlicht
     Afroditens Auge nicht

140
Nicht vom Sonnenhügel?
[66]

     Lächelte vom Sternenmeer
     Nicht die Göttin zu mir her,
Wehte nicht ihr Flügel
     In des Frühlings Balsamhauch

145
     Liebe nicht im Rosenstrauch,

Nicht im Kuß der Weste,
     Stern, und Sonn und Mondenlicht,
     Frühling, Rosen, Weste nicht
Lüden mich zum Feste.

150
     Liebe Liebe lächelt nur

     Aus dem Auge der Natur
Wie aus ihrem Spiegel!

     Liebe rauscht der Silberbach,
Liebe lehrt ihn sanfter wallen;

155
     Seele haucht sie in das Ach

Klagenreicher Nachtigallen,
     Unnachahmliches Gefühl
     In der Saiten Wonnespiel
Wenn sie Laura! hallen.

160
     Liebe Liebe lispelt nur

     Auf der Laute der Natur.

[67]

Weisheit mit dem Sonnenblik,
Große Göttin tritt zurük,
     Weiche vor der Liebe.

165
Nie Erobrern, Fürsten nie

Beugtest du ein Sklavenknie
     Beug es izt der Liebe.
Wer die steile Sternenbahn
Gieng dir Heldenkühn voran

170
     Zu der Gottheit Size?

Wer zerriß das Heiligthum
Zeigte dir Elisium
     Durch des Grabes Rize?
Lokte sie uns nicht hinein,

175
Möchten wir unsterblich seyn?

Suchten auch die Geister
Ohne sie den Meister?
     Liebe Liebe leitet nur
     Zu dem Vater der Natur

180
          Liebe nur die Geister.
[68]

     Seelig durch die Liebe
     Götter – durch die Liebe
          Menschen Göttern gleich.
     Liebe macht den Himmel

185
     Himmlischer – die Erde

          Zu dem Himmelreich.

Y.




Klopstok und Wieland
(als ihre Silhouette neben einander hiengen.)


Gewiß! bin ich nur überm Strome drüben,
Gewiß will ich den Mann zur Rechten lieben,
     Dann erst schrieb dieser Mann für mich.
Für Menschen hat der linke Mann geschrieben,

5
Ihn darf auch unser einer lieben,

     Komm linker Mann! Ich küsse dich.

A.
[69]
Gespräch.


A
Hört, Nachbar, muß euch närrisch fragen,

     Herr Doktor Sänftel, hör ich sagen,
          Ist euch noch frisch und ganz
          Wenn zu Paris gar herben Tanz

5
          Herr Onkle that am Pferdeschwanz

     Und hat doch ’n Churfürsten todgschlagen?

B
Drum seid auch nicht so bretterdumm,

     Das macht, er hat euch ’n Diplom
     Das thät jener nicht haben.

C
Ey! ’n Diplom!

     Kauft sich das auch in Schwaben?

O.
[70]
Vergleichung.


Frau Ramlerin befiehlt ich soll sie wem vergleichen,
     Ich sinne nach und weiß nicht wem und wie.
Nichts unterm Mond will mir ein Bildniß reichen,
     Wohl! mit dem Mond vergleich ich sie.

5
Der Mond schminkt sich und stielt der Sonne Stralen

     Thut auf gestohlen Brod sich wunderviel zu gut.
Auch sie gewohnt ihr Nachtgesicht zu malen
     Und kokettirt mit einer Büchse Blut.

[71]

Der Mond – und das mag ihm Herodes danken!

10
     Verspart sein Bestes auf die liebe Nacht.

Frau Ramlerin verzehrt bei Tag die Franken,
     Die sie zu Nachtzeit eingebracht.

Der Mond schwillt an und wird dann wieder mager,
     Wenn eben halt ein Monat über ist;

15
Auch dieses hat Frau Ramlerin vom Schwager,

     Doch, sagt man, braucht sie längre Frist!

Der Mond prunkirt auf sein paar Silberhörner,
     Und dieses macht er schlecht,
Sie sieht sie an Herrn Ramler gerner,

20
     Und darinn hat sie recht.


O.
[72]
Die Rache der Musen,
eine Anekdote vom Helikon.


Weinend kamen einst die Neune
     Zu dem Liedergott.
„Hör Papachen, rief die kleine,
     Wie man uns bedroht!

5
Junge Dintenleker schwärmen

     Um den Helikon.
Rauffen sich, handthieren, lermen
     Bis zu deinem Thron.

Galoppiren auf dem Springer,

10
     Reiten ihn zur Tränk,

Nennen sich gar hohe Sänger
     Barden ein’ge, denk!

[73]

Wollen uns – wie garstig! – nöthen,
     Ey! die Grobian!

15
Was ich, ohne Schaamerröthen,

     Nicht erzählen kann;

Einer brüllt heraus vor allen,
     Schrei’t: Ich führ das Heer!
Schlägt mit beiden Fäust und Ballen

20
     Um sich wie ein Bär.


Pfeift wohl gar – wie ungeschliffen!
     Andre Schläfer wach.
Zweimal hat er schon gepfiffen,
     Doch kommt keiner nach.

25
Droht, er komm noch öfter wieder;

     Da sey Zevs dafür!
Vater, liebst du Sang und Lieder,
     Weis’ ihm doch die Thür!“

[74]

Vater Föbus hört mit Lachen

30
     Ihren Klagbericht;

„Wollens kurz mit ihnen machen,
     Kinder zittert nicht!

Eine muß ins höllsche Feuer,
     Geh Melpomene!

35
Leihe Kleider, Noten, Leyer

     Einer Furie.

Sie begegn’ in dem Gewande
     Als wär sie verirrt
Einem dieser Jaunerbande

40
     Wenn es dunkel wird.


Mögen dann in finstern Küssen
     An dem artgen Kind
Ihre wilden Lüste büßen,
     Wie sie würdig sind.“

[75]
45
Red’ und That! – Die Höllengöttin

     War schon aufgeschmükt,
Man erzählt, die Herren hätten
     Kaum den Raub erblickt,

Wären wie die Gey’r auf Tauben

50
     Losgestürzt auf sie –

Etwas will ich daran glauben,
     Alles glaub ich nie.

Waren hübsche Jungens drunter,
     Wie geriethen sie,

55
Dieses Brüder nimmt mich wunder,

     In die Kompagnie?




Die Göttinn abortirt hernach:
Kam ’raus ein neuer – Allmanach.


*
[76]
Das Glück und die Weisheit.


Entzweit mit einem Favoriten,
     Flog einst Fortun’ der Weisheit zu.
„Ich will dir meine Schäze bieten,
     „Sei meine Freundinn du!

5
„Mein Füllhorn goß ich dem Verschwender

     „In seinen Schoos, so mütterlich!
„Und sieh! Er fodert drum nicht minder,
     „Und nennt noch geizig mich.

„Komm Schwester laß uns Freundschaft schliessen,

10
     „Du keuchst so schwer an deinem Pflug.

„In deinen Schoos will ich sie giessen,
     „Auf, folge mir! – Du hast genug.“

[77]

Die Weisheit läßt die Schaufel sinken
     Und wischt den Schweiß vom Angesicht.

15
„Dort eilt dein Freund – sich zu erhenken,

     „Versöhnet euch – ich brauch dich nicht.“

Rr.




Räzel.


Ich weis ein Ding – für Götter
Ists nicht gemacht – für Engel
Ists überley – für Thiere
Unbrauchbar; unentbehrlich

5
Ist dieses Ding dem Menschen,

Und wandelt unter Menschen,
Und lacht und weint mit ihnen,
Und liebt so sehr die Menschen:
Es heißt – Religion.

T.
[78]
An einen Moralisten.
Fragment.


Betagter Renegat der lächelnden Dione!
     Du lehrst, daß Lieben Tändeln sey,
Blikst von des Alters Winterwolkenthrone
     Und schmälest auf den goldnen May.

5
Erkennt Natur auch Schreibepultgeseze?

     Für eine warme Welt – taugt ein erfrorner Sinn?
Die Armuth ist, nach dem Aesop, der Schäze
     Verdächtige Verächterin.

Einst als du noch das Nymfenvolk bekriegtest,

10
     Ein Fürst des Karnevals den teutschen Wirbel flogst,

Ein Himmelreich in beiden Armen wiegtest,
     Und Nektarduft von Mädchenlippen zogst?

[79]

Ha Seladon! wenn damals aus den Achsen
     Gewichen wär so Erd als Sonnenball,

15
In Wirbelschwung mit Julien verwachsen,

     Du hättest überhört den Fall.

Und wenn nach manchen fehlgesprengten Minen
     Ihr eignes Blut, von wilder Lust geglüht,
Die stolze Tugend deiner Schönen

20
     Zulezt an deine Brust verrieth?


Wie? oder wenn romantisch im Gehölze
     Ein leiser Laut zu deinen Ohren drang,
Und in der Wellen silbernem Gewälze
     Ein Mädchen Sammetglieder schwang?

25
Wie schlug dein Herz! wie stürmete! wie kochte

     Aufrührerisch das scharfgejagte Blut!
Zukt jede Senn – und jeder Muskel pochte
     Wollüstig in die Flut!

[80]

Wenn dann gewahr des Diebs, der sie belauschte,

30
     Purpurisch angehaucht von jüngferlicher Schaam,

Ins blaue Bett die Schöne niederrauschte,
     Und hintennach mein strenger Zeno – schwamm.

Ja hintennach – und sey’s auch nur zu baden!
     Mit Rok und Kamisol und Strumpf –
–       –       –       –       –       –       –       –       –       –
–       –       –       –       –       –       –       –       –       –

35
Leis flöteten die lüsternen Najaden

     Der Grazien Triumf!

O denk zurük nach Deinen Rosentagen,
     Und lerne, die Philosophie
Schlägt um, wie unsre Pulse anders schlagen,

40
     Zu Göttern schafst du Menschen nie.


Wohl! wenn ins Eis des klügelnden Verstandes
     Das warme Blut ein bischen muntrer springt!
Laß den Bewohnern eines bessern Landes
     Was ewig nie dem Erdensohn gelingt.

[81]

45
Zwingt doch der thierische Gefährte

     Den gottgebornen Geist in Sklavenmauren ein –
Er wehrt mir, daß ich Engel werde;
     Ich will ihm folgen Mensch zu seyn.

M.




Grabschrift
eines gewissen – Physiognomen.


Weß Geistes Kind im Kopf gesessen,
Konnt’ er auf jeder Nase lesen:
Und doch – daß er es nicht gewesen,
Den Gott zu diesem Werk erlesen,

5
Konnt’ er nicht auf der seinen lesen.


O.
[82]
Eine Leichenfantasie.
1780.
(in Musik zu haben beim Herausgeber.)


Mit erstorbnem Scheinen
Steht der Mond auf todenstillen Haynen,
     Seufzend streicht der Nachtgeist durch die Luft –
          Nebelwolken schauern,

5
          Sterne trauern

     Bleich herab, wie Lampen in der Gruft.
Gleich Gespenstern, stumm und hohl und hager
     Zieht in schwarzem Todenpompe dort
Ein Gewimmel nach dem Leichenlager

10
     Unterm Schauerflor der Grabnacht fort.
[83]

          Zitternd an der Krüke
Wer mit düstern rükgesunknem Blike
     Ausgegossen in ein heulend Ach,
Schwer genekt vom eisernen Geschike

15
     Schwankt dem stummgetragnen Sarge nach?

Floß es, Vater, von des Jünglings Lippe?
     Nasse Schauer schauern fürchterlich
Durch sein gramgeschmolzenes Gerippe,
     Seine Silberhaare bäumen sich. –

20
     Aufgerissen seine Feuerwunde!

Durch die Seele Höllenschmerz!
     Vater floß es von des Jünglings Munde,
Sohn gelispelt hat das Vaterherz.
Eißkalt, eißkalt liegt er hier im Tuche,

25
     Und dein Traum so golden einst so süß!

Süß und golden Vater dir zum Fluche!
Eißkalt, eißkalt liegt er hier im Tuche!
     Deine Wonne und dein Paradis. –

[84]

Mild, wie umweht von Elisiumslüften,

30
     Wie aus Auroras Umarmung geschlüpft,

Himmlisch umgürtet mit rosigten Düften,
     Florens Sohn über das Blumenfeld hüpft,
Flog er einher auf den lachenden Wiesen
     Nachgespiegelt von silberner Flut,

35
Wollustflammen entsprühten den Küssen,

     Jagten die Mädchen in liebende Glut.

Mutig sprang er im Gewüle der Menschen,
     Wie auf Gebirgen ein jugendlich Reh,
Himmelum flog er in schweifenden Wünschen,

40
     Hoch wie die Adler in wolkigter Höh,

Stolz wie die Rosse sich sträuben und schäumen,
     Werfen im Sturme die Mähnen umher,
Königlich wider den Zügel sich bäumen,
     Trat er vor Sklaven und Fürsten daher.

[85]
45
Heiter wie Frühlingstag schwand ihm das Leben,

     Floh ihm vorüber in Hesperus Glanz,
Klagen ertränkt’ er im Golde der Reben,
     Schmerzen verhüpft’ er im wirbelnden Tanz.
Welten schliefen im herrlichen Jungen,

50
     Ha! wenn er einsten zum Manne gereift –

Freue dich Vater! – im herrlichen Jungen
     Wenn einst die schlafenden Keime gereift.

Nein doch Vater – Horch! die Kirchhofthüre brauset,
     Und die eh’rnen Angel klirren auf –

55
Wie’s hinein ins Grabgewölbe grauset! –

     Nein doch laß den Thränen ihren Lauf. –
Geh du holder, geh im Pfad der Sonne
     Freudig weiter der Vollendung zu,
Lösche nun den edeln Durst nach Wonne

60
     Gramentbundner, in Walhallas Ruh –
[86]

Wiedersehen – himmlischer Gedanke! –
     Wiedersehen dort an Edens Thor!
Horch! der Sarg versinkt mit dumpfigem Geschwanke,
     Wimmernd schnurrt das Todenseil empor!

65
Da wir trunken um einander rollten,

     Lippen schwiegen, und das Auge sprach –
Haltet! haltet! da wir boshaft grollten –
     Aber Thränen stürzten wärmer nach – –

Mit erstorbnem Scheinen

70
Steht der Mond auf todenstillen Haynen,

     Seufzend streicht der Nachtgeist durch die Luft.
          Nebelwolken schauern,
          Sterne trauern
     Bleich herab wie Lampen in der Gruft.

75
Dumpfig schollerts überm Sarg zum Hügel,

     O um Erdballs Schäze nur noch einen Blik!

[87]

Starr und ewig schließt des Grabes Riegel,
Dumpfer – dumpfer schollerts über’m Sarg zum Hügel,
     Nimmer gibt das Grab zurük.

Y.




Aeschylus.


In Griechenland sind, wie die Sagen gehn,
     Bei Aeschylus Tragödien
Die schwangern Weiber – welche Scene!
Entbunden worden auf der Bühne.

5
     Gott steh uns armen Christen bei!

Schrieb dieser Kezer wieder,
Izt kämen gar – die Jungfern nieder.

T.
[88]
Der
hypochondrische Pluto.




Romanze.
Erstes Buch.


Der grobe Schulz im Tartarus,
     Marks Pluto zubenamset,
Der mit Abschied und Morgengruß,
Monarchisch in dem Erebus,

5
     Die Züchtlinge durchwamset,

Verlor zum Fluchen seine Brust,
Und fast zum Peitschen den Gelust.

Sein Vita sedentaria
     Auf seinem eh’rnem Sessel

10
Erhizte seine Postera,

Und hin und her und dort und da
     Stach’s ihn wie Salz und Nessel,

[89]

Das heiße Wetter obendrein
Kocht sein Geblüt zu Sulzen ein.

15
Zwar ward ihm mancher Sauerbronn

     Vom Flegeton geschöpfet,
Und durch Skarifikazion,
Blutigel, Venäsekzion
     Viel Blut ihm abgezäpfet.

20
Auch manch Klystier ward applizirt

Auch offner Leib effektuirt.

Sein Leibarzt, ein studirter Herr
     Mit knotigter Perüke,
Argumentirte ohn Beschwer

25
Aus Hippokrat und Zelsus her

     Wo’s Ihro Gnaden spüke:
„Gestrenger Schulz im Tartarus
Sind Hämorrhoidarius!“

„„Und Er ist mir ein dummer Tropf

30
     Samt seiner Pillenwaare!

Ein Mann wie ich – wo steht sein Kopf?

[90]

Ein junger Mann noch, Sauertopf!
     Im Frühling meiner Jahre!
Komm er mir mit Latwergen nicht.

35
Der Kolben fliegt ihm ins Gesicht.““


Wol oder übel – wollt’ ers nicht
     Mit Ihr Gestreng verderben,
(Weh dem der Fürstengunst zerbricht!
Husch! fleischen ihm ins Angesicht

40
     Die Splitter und die Scherben)

Er schweigt wohlweislich – weil er muß,
Das lernte sich – beim Zerberus.

„Apolln den himmlischen Barbier
     Soll man herunter holen!“

45
Flugs tummelt schon sein flinkes Thier

Vorbei am Mond ein Luftkourier
     Vorüber an den Polen;
Punkt vier Uhr flog mit ihm der Rapp,
Schlag fünf Uhr stieg er droben ab.

[91]
50
So eben hatt’ Apoll – wie froh !

     Gar ein Sonnet gedichtet?
O pfuy doch! Nein! bei Mamsell Jo
(Zum mindsten schwazt die Muse so)
     Hebammendienst verrichtet.

55
Ein Knäblein, wie in Wachs geprägt,

Ward Vatern Zevs fürs Hauß gelegt.

Der Gott durchlas den Höllenbrief
     Und stuzte drob nicht wenig,
Der Weg ist weit, die Hölle tief,

60
Und ihre Felsen steil und schief – – –

     Doch zalt mich ja ein König!
Frisch nimmt er Pelz und Nebelkapp, –
Und durch die Lüfte strampft der Rapp.

Die Loken à la mode gerollt,

65
     Geglättet die Manschetten,

Im Gallakleid von Spiegelgold
(Ein Schmuk den ihm Aurora zollt)
     Mit kostbarn Uhrenketten

[92]

Die Zähen auswärts, chapeau bas

70
So stand er vor dem König da.



Zweites Buch.


Der alte Murrkopf, wie bekannt,
     Bewillkommt ihn mit Flüchen:
„Ey pak er sich ins Pommerland!
Wie stinkt er doch nach Eau d’Lavande?

75
     Eh möcht ich Schwefel riechen.

Puh! schier’ er sich doch himmelan,
Er stekt mir ja die Hölle an.

Betroffen wich, wie angeblizt,
     Der Pillengott zurüke. – –

80
„Sind Seine Hoheit stets wie izt?

Im Cerebello, merk ich, sizt
     Das Uebel – welche Blike!
Wie rollen sie! wie flammt ihr Feu’r!
Der Fall ist schlimm! der Rath ist theur!

85
Ein Reis’chen nach Elisium

     Wird die Infarktus schmelzen,

[93]

Und freier in dem Zirkel um
Durch Bauch und Kapitolium
     Die zähen Säfte wälzen.

90
Drum dächt’ ich unmaßgeblich so:

Sie reisten – doch! incognito! –“

„Ja schöner Herr! ich glaubs ihm gern!
     Und wär nur hier zu Lande,
Wie bei euch balsamirten Herrn,

95
Euch niedlichen Olympiern

     Faullenzen keine Schande.
Und brauchte nur – ich folgte gleich!
Kein Oberhaupt das Höllenreich.

Ha! wär die Kaz zum Loch hinaus,

100
     Die Mäuse möcht’ ich sehen!

Sie liefen mir von Hof und Haus
Und jagten meinen Mufti ’naus!
     Würd drauf und drunter gehen!
Poz alle Donner! geh er mir!

105
Gewizigt bin ich für und für.
[94]

Was wars nicht schon für ein Tumult
     Der Thürme eingeschmissen!
Und wars denn damals meine Schuld,
Daß meine Filosofen Pult

110
     Und Ketten losgerissen?

Wie? rissen erst Poeten los?
Hilf Himmel! welch ein Ohrenstoß!

Bei langem Tage schwazt sich viel!
     Mag wohl auf euren Bänken

115
Euch träg genug beim Lombrespiel

Und Dudeldum und Federkiel
     Die Zeit vorüber hinken.
Der Müssiggang beißt wie ein Floh
Auf Sammetpolstern – wie auf Stroh.

120
Da weis vor ewger Langeweil

     Mein Bruder nichts zu treiben;
Und zündelt mit dem Donnerkeil,
Und schießt, ich hör’s ja am Geheul,
     Mit Wettern nach der Scheiben;

[95]
125
Daß Rheas arme Schulter schwankt,

Und mir für meine Hölle bangt.

Großvater Cölus sollt’ ich seyn!
     Ich wollt mir Ruhe schaffen.
Ihr müßtet mir in Leiber ’nein,

130
Und in den Windeln ay ay schreyn,

     Und durch fünf Fenster gaffen!
Vorerst noch über meinen Strom,
Und dann erst nach Elisium! –

Nun denk ich sezt er sich zu Pferd,

135
     Hoff’s, er wird mich begreifen;

Auch ists vielleicht der Mühe werth,
Er sagt was er izt angehört
     Dem Zevs beim Barteinsaifen.
Er mache was er wolle draus!

140
Das jükt mich nicht in meinem Haus.


Und damit kehrt der Herr zurük!
     Sein Servus! Gott befohlen!
Man kann ihm – Halt ’n Augenblik! –
Für seine Müh ein hübsches Stük

[96]
145
     Rothgüldenerz herholen.

Mag droben doch was rares seyn,
Wir Tartarer hofiren drein.““ –


Drittes Buch.


Somit beurlaubt sich der Gott
     Mit kurzen Reverenzen.

150
Als plözlich durch die Höllenrott

Hindurch sich riß ein Flügelbot.
     (Er kam von Tellus Gränzen)
Monarch! Ein Arzt! ein Wundermann.
Kommt hinterdrein – ich ritt voran.

155
Plaz für den fremden Praktikus!

     Er kommt mit Peitsch’ und Sporen.
Nikt freundlich jedem seinen Gruß,
Als wär’ er hier im Tartarus
     Erzogen und gebohren;

160
Freimüthig ohne Furcht und Grauß,

Wie Britten in dem Unterhaus.

[97]

„Gott grüß die Herren allesamt!
     So trift man hier zu Lande,
     Wohin, wer von Prometheus stammt,

165
Jedweden das Geschik verdammt,

     Noch trefliche Bekannte!
Wer weis’t mich nach Elysen hin?
Möcht gern die Brunnen springen sehn.“

„„Gemach! – der Fürwiz wird den Herrn

170
     Doch nicht so hastig treiben,

Er muß mir izt beim Siebenstern!
Er muß mir ungern oder gern
     Noch ein Rezept verschreiben.
Die Höll’ ist mein – Pluto mein Nam!

175
Heraus ’n mal mit seinem Kram!““


Mit einem scharfen Blike mißt
     Der Arzt den schwarzen Kaiser.
Zwar riecht er nicht am gnädgen Mist,
Beäugelt nicht was er gepißt,

180
     (Auch würd’ er deß nicht weiser.)

Durchdringend wie elektrisch Feu’r
Erspäht sein Blik – das Ungeheu’r.

[98]

„Monarch! Ich schenke dir die Beicht
     Der schlimmen Siebensachen.

185
So desperat der Rath dich däucht,

So ist doch auch der Fall nicht leicht –
     Und Kinder fürchten Drachen.
Ein Teufel frißt den andern! – kurz!
Ein Weibchen - oder – Niesewurz!

190
Sie tändle oder keife nun,

     (Ich weiß von keinem Dritten)
So jagt sie doch den Alp davon
Der dich auf deinem Eisenthron
     Erbärmlich zugeritten.

195
Jagt frei und flink bergab zum Fuß

Berg auf zum Kopf die Spiritus.“




Vivat der Doktor hochgelehrt,
     Der diesen Spruch thät fällen!
Ein ewig Denkmal ist er werth

200
Darauf in Marmor, hoch zu Pferd,

     Von Phidias zu stellen.

[99]

Ein Monument, das nie verdirbt,
Wenn Hippokrat und Boerhaave stirbt.

Kek nahen izt die Todte sich

205
     Zum höllischen Monarchen –

Der Frau Plutonin in die Küch
Ein Lapperdan – macht gute Sprüch,
     Und fromme Aristarchen.
Hieroben frommte der Gebrauch!

210
Juchhe! izt gilt er drunten auch!


P.




Die Buße.


Jung bulte sie mit groß und klein
So recht ein epikurisch Schwein
Izt waidet sie an fremdem Glüke
Platonisch die bekehrten Blike,

5
Thut Buße, und wird – Kupplerin.
T.

[100]

Aktäon.


Wart! Deine Frau soll dich betrügen,
Ein andrer soll in ihren Armen liegen,
     Und Hörner dir hervor zum Kopfe blühn!
Entsezlich! mich im Bad zu überraschen,

5
(Die Schande kann kein Aetherbad verwaschen,)

Und mir nichts, dir nichts – fortzufliehn.

O.




Zuversicht der Unsterblichkeit.


Zum neuen Leben ist der Todte hier erstanden,
     Das weiß und glaub ich festiglich.
Mich lehrens schon die Weisen ahnden,
     Und Schurken überzeugen mich.

O.
[101]
Vorwurf,
an Laura.


Mädchen, halt – wohin mit mir du Lose?
Bin ich noch der stolze Mann? der Grose?
     Mädchen, war das schön?
Sieh! Der Riese schrumpft durch dich zum Zwerge,

5
Weggehaucht die aufgewälzten Berge

     Zu des Ruhmes Sonnenhöhn.

Abgepflücket hast du meine Blume,
Hast verblasen all die Glanzfantome
     Narrentheidigst in des Helden Raub.

10
Meiner Plane stolze Pyramiden

Trippelst du mit leichten Zefyrtritten
     Schäkernd in den Staub.

[102]

Zu der Gottheit flog ich Adlerpfade,
Lächelte Fortunens Gaukelrade,

15
     Unbesorgt wie ihre Kugel fiel.

Jenseits dem Kozytus wollt’ ich schweben,
Und empfange sklavisch Tod und Leben,
     Leben, Tod von einem Augenspiel.

Siegern gleich, die wach von Donnerlanzen

20
In des Ruhmes Eisenfluren tanzen

     Losgerissen von der Frynen Brust,
Wallet aus Aurorens Rosenbette
Gottes Sonne über Fürstenstädte,
     Lacht die junge Welt in Lust!

25
Hüpft der Heldin noch dis Herz entgegen?

Trink ich, Adler, noch den Flammenregen
     Ihres Auges das vernichtend brennt?
In den Bliken die vernichtend blinken
Seh ich meine Laura Liebe winken,

30
     Seh’s, und weine wie ein Kind.
[103]

Meine Ruhe, gleich dem Sonnenbilde
In der Welle, wolkenlos und milde,
     Mädchen hast du hingemordt.
Schwindelnd schwank ich auf der gähen Höhe,

35
Laura? – wenn mich – wenn mich Laura flöhe?

     Und hinunterstrudelt mich das Wort.

Hell ertönt das Evoe der Zecher,
Freuden winken vom bekränzten Becher,
     Scherze springen aus dem goldnen Wein.

40
Seit das Mädchen meinen Sinn beschworen,

Haben mich die Jünglinge verloren,
     Freundlos irr ich und allein.

Lausch ich noch des Ruhmes Donnergloken?
Reizt mich noch der Lorbeer in den Loken?

45
     Deine Leyr Apollo Zynthius?

Nimmer, nimmer wiederhallt mein Busen,
Traurig fliehen die beschämten Musen,
     Flieht Apollo Zynthius?

[104]

Will ich gar zum Weibe noch erlahmen?

50
Hüpfen noch bei Vaterlandes Namen

     Meine Pulse lebend aus der Gruft?
Will ich noch nach Varus Adler ringen?
Wünsch ich noch in Römerblut zu springen,
     Wenn mein Hermann ruft? –

55
Köstlich ists – der Schwindel starrer Augen,

Seiner Tempel Weihrauchduft zu saugen,
     Stolzer, kühner schwillt die Brust. –
Kaum erbettelt izt ein halbes Lächeln
Was in Flammen jeden Sinn zu fächeln

60
     Zu empören jede Kraft gewußt. –


Daß mein Ruhm sich zum Orion schmiegte,
Hoch erhoben sich mein Name wiegte
     In des Zeitstroms woogendem Gewühl.
Daß dereinst an meinem Monumente

65
Stolzer thürmend nach dem Firmamente

     Chronos Sense splitternd niederfiel –

[105]

Lächelst du? – Nein! nichts hab ich verloren!
Stern und Lorbeer neid ich nicht den Thoren,
     Leichen ihre Marmor nie –

70
Alles hat die Liebe mir errungen,

Ueber Menschen hätt’ ich mich geschwungen,
     Izo lieb ich sie!

Y.




Die Alten und Neuen.


Am Pfluge, wie die Chronik lehrt,
     Philosophirten unsre Väter –
Nun hat der Fall sich umgekehrt,
     Izt pflügt man am Katheder!

C.
[106]
Der einfältige Bauer.



Matthes.

Gevatter! hört ’nmal die Späße!
Bliz! hab euch da ein hochg’studirt Gelese,
Meßias schreibt sich ’s Buch, der Mann
Hat Reisen durch die Luft gethan

5
Und auf den sonngepflasterten Gassen

Manch Solenleder sizen lassen,
Hat gesehen den Himmel offen,
Ist hautganz durch die Höll geloffen,
Da hab ich nun so bei mir selbst gedacht,

10
Ein Herr, der solch Stück Wegs gemacht

Sagt unser ein’m, wie Flachs und Waizen wachse.
Wie meint ihr? – ’s käm aufs Fragen an? –

Lukas.

Narr meinst, ein so fürnehmer Mann
Der frag nach unser eines Korn und Flachse?

P.
[107]
Edgar an Psyche.


Welch ein Leben, kleine Psyche,
Wenn ich Nachtigallen gliche?
     O ich lokte dich
Flötend zu willkommnen Thränen,

5
Klagte dir in Silbertönen,

     Und du liebtest mich!

Welch ein Leben, fromme Psyche,
Wenn ich Turteltäubchen gliche?
     Ich umhüpfte dich,

10
Spielte dir im Schoos mit Freuden,

Girrte schmachtend Zärtlichkeiten,
     Und du liebtest mich.

[108]

Welch ein Leben, schöne Psyche,
Wenn ich Frühlingsrosen gliche?

15
     Ich umgöse dich,

Rings mit Wohlgerüchen, blühte
Froh in deines Busens Mitte:
     Und du liebtest mich.

Welch ein Leben, sanfte Psyche,

20
Wenn ich leisen Zephirn gliche?

     Ich umwehte dich,
Tränke deines Athems Schwüle,
Hauchte dir ins Antliz Kühle:
     Und du liebtest mich.

25
Welch ein Leben, holde Psyche,

Wenn dein Edgar allen gliche?
     Ich umschwebe dich,
Opfre Blumen alle Tage,
Girre, singe, flöte, klage:

30
     Und du fliehest mich?
[109]

Psyche bleib! – Warum denn Rosen
Nachtigallen Täubchen kosen?
     Mehr o mehr kann ich!
Lieben kann ich, fühlen, küssen,

35
Heiß umarmen, Nächte süssen! –

     Psyche liebe mich!

Ha.




Sitten und Zeiten.


Vor alters zankten sich, die Wahrheit aufzuklären,
Gelehrten, ob die Weiber Menschen wären:
     Jüngst fragten Geken und galante Bengel:
          „Sind sie nicht Engel?“

Bn.
[110]
Ein Vater
an seinen Sohn.


Wie die Himmelslüfte mit den Rosen
An den Frühlingsmorgen zärtlich kosen;
     Kind, so schmeichelt dir
Izt das äusre Glük in deinen Jugendtagen,

5
Thränen sahst du nur; noch rangen keine Klagen

     Sich aus deiner Brust herfür.

Aber sieh! der Hain, der kaum entzüket,
Neigt sich, plözlich rast der Sturm, zerkniket
     Liegt die Rosenblum!

10
O so ist es, Sohn, mit unsern Sinnesfreuden,

Unserm Golde, unsern lichten Herrlichkeiten,
     So mit unserm Flitterruhm.

[111]

Nur des Höchsten Abglanz, der Gerechte,
Welcher in dem schröklichen Gefechte

15
     Zwischen Lust und Pflicht

Jener sich entringt, der höhern Weisheit Stimme
Folget, troz der Selbstsucht heißem Grimme,
     Die sein Herz mit Schwerdern sticht.

Dessen Wollust trägt von hier die Bahre

20
Nicht, es löscht sie nicht der Strom der Jahre,

     Nicht die Ewigkeit:
Angeleuchtet könnt’ er in den lezten Blizen,
Und vom Weltenumsturz angeschwungen sizen
     Ohne Menschenbangigkeit.

W.




Die Meßiade.


Religion beschenkte diß Gedicht,
Auch umgekehrt? – Das fragt mich nicht.

Rr.
[112]
Ossians Sonnengesang *
aus dem Gedichte Karthon.
(In Musik zu haben beim Herausgeber.)


O die du, rund wie meiner Väter Schild,
Wandelst, Sonne, dort oben!
Woher dein ewig Licht? Von wannen quillt
Dein Stralenstrom? Mit Majestät erhoben

5
Trittst du herfür! – Da zittern zurük

Die dunkeln Gestirne vom tagenden Himmel:
Frostig bleich fliehet der Mond ins Abendwellengewimmel
Finster vor deinem allherrschenden Blik!

     Einsam gehst du, angethan mit Lichte! –

10
Wer in deinem Lauf gibt dir Geleit?

Von den Bergen stürzt die stolze Fichte;
Berge selbst zerstäuben für der Zeit;
Gen Himmel steigt und niederfällt das Meer:
Aber du jauchzest unwandelbar herrlich daher.

[113]
15
     Wenn durchs Dunkel zuken die Blize;

Wenn Orkane heulen durch der Felsen Rize;
Hagel regnet, wenn der Donner kracht,
Und die Welt der Sturm begräbt in Nacht; –
Schauest du aus deiner Wolkenwiege,

20
Lächelst du der Elementen Kriege!


     Aber ach! für Ossian vergebens
Lächelst du, du Quelle alles Lebens,
Nimmer sieht er deinen goldnen Stral
Niederfliessen in das Morgenthal,

25
Nimmer dich, umrauscht vom Wellenschwarme,

Niederwiegen in des Abends Arme!

     Doch, o Sonne, wirst auch du vielleicht –
Sonne ach! wie Ossian verschwinden?
Daß auch deine Jugendkraft entweicht,

30
Daß auch einstens deine Tage enden,

Daß du schläfst in deiner Wolkengruft,
Hörest nimmer, wenn der Morgen ruft!

[114]

     O so freu’ dich deiner Jugendschöne!
Bleich und unhold ist des Alters Mine,

35
Düster, wie wenn Mondenlicht

Durch zerrißne Winterwolken bricht,
Wenn hinauf der Nebel strömt am Hügel,
Durch die Ebne rasselt Nordwinds Flügel,
Und in Mitte seiner Fahrt

40
Der Wanderer erstarrt!


H...




In Fuldas Wurzellexikon.


Woher mag wol das Wörtchen Hochzeit stammen?
     Nur eine kleine Pauß!
Sezt hohe – Zeit zusammen,
     So kommt Hochzeit heraus.

L.
[115]
Kastraten und Männer.


Ich bin ein Mann! – wer ist es mehr?
     Wers sagen kann, der springe
Frei unter Gottes Sonn einher
     Und hüpfe hoch und singe!

5
Zu Gottes schönem Ebenbild

     Kann ich den Stempel zeigen,
Zum Born woraus der Himmel quillt
     Darf ich hinunter steigen.

Und wol mir, daß ichs darf und kann!

10
     Geht’s Mädchen mir vorüber,

Rufts laut in mir. Du bist ein Mann!
     Und küsse sie so lieber.

[116]

Und röther wird das Mädchen dann,
     Und ’s Mieder wird ihr enge –

15
Das Mädchen weißt, ich bin ein Mann,

     Drum wird ihr ’s Mieder enge.

Wie wird sie erst um Gnade schrei’n,
     Ertapp ich sie im Bade?
Ich bin ein Mann, das fällt ihr ein,

20
     Wie schrie sie sonst um Gnade?


Ich bin ein Mann, mit diesem Wort,
     Begegn’ ich ihr alleine,
Jag ich des Kaisers Tochter fort,
     So lumpicht ich erscheine.

25
Und dieses goldne Wörtchen macht

     Mir manche Fürstin holde,
Mich ruft sie – habt indessen Wacht
     Ihr Buben dort im Golde!

[117]

Ich bin ein Mann, das könnt ihr schon

30
     An meiner Leier riechen,

Sie donnert wie im Sturm davon,
     Sonst würde sie ja kriechen.

Zum Feuergeist im Rückenmark
     Sagt meine Mannheit: Bruder;

35
Und herrschen beide löwenstark

     Umarmend an dem Ruder.

Aus eben diesem Schöpferfluß,
     Woraus wir Menschen sprudeln,
Quillt Götterkraft und Genius,

40
     Nur leere Pfeifen dudeln.


Tyrannen haßt mein Talisman
     Und schmettert sie zu Boden,
Und kann er’s nicht, führt er die Bahn
     Freiwillig zu den Todten.

[118]
45
Pompejen hat mein Talisman

     Bei Pharsalus bezwungen,
Roms Wollüstlinge Mann für Mann
     Auf teutschen Sand gerungen.

Saht ihr den Römer stolz und kraus

50
     In Afrika dort sizen?

Sein Aug speit Feuerflammen aus
     Als säht ihr Hekla blizen.

Da kommt ein Bube wolgemut,
     Gibt manches zu verstehen –

55
„Sprich, du hättst auf Karthago’s Schutt

     Den Marius gesehen!“ –

So spricht der stolze Römersmann,
     Der Bub thät fürbaß eilen;
Das dankt der stolze Römersmann,

60
     Das dankt er seinen Pfeilen!
[119]

Drauf thäten seine Enkel sich
     Ihr Erbtheil gar abdrehen,
Und huben jedermänniglich
     Anmuthig an zu krähen. –

65
O Pfui, und Pfui und wieder Pfui

     Den Elenden! – sie haben
Verlüderlicht in einem Hui
     Des Himmels beste Gaben.

Dem lieben Herrgott sündiglich

70
     Sein Konterfei verhunzet,

Und in die Menschheit schweiniglich
     Von diesem Nu gegrunzet.

Und schlendern elend durch die Welt,
     Wie Kürbisse von Buben

75
Zu Menschenköpfen ausgehölt,

     Die Schädel leere[2] Stuben!

[120]

Wie Wein von einem Chemikus
     Durch die Retort getrieben,
Zum Teufel ist der Spiritus,

80
     Das Flegma ist geblieben.


Und fliehen jedes Weibsgesicht,
     Und zittern es zu sehen, –
Und dörften sie – und können nicht!
     Da möchten sie vergehen! –

85
Und wenn das blonde Seidenhaar,

     Und wenn die Kugelwaden,
Wenn lüstern Mund und Augenpaar
     Zum Lustgenusse laden,

Und zehenmal das Halstuch fällt,

90
     Und aus den losen Schlingen,

Halbkugeln einer bessern Welt,
     Die vollen Brüste springen, –

[121]

Führt gar der höllsche Schadenfroh
     Sie hin, wo Nimfen baden,

95
Daß ihre Herzen lichterloh

     Von diebschen Flammen braten,

Wo ihrem Blik der Spiegelfluß
     Elisium entziffert,
Arkana die kein Genius

100
     Dem Aug je blos geliefert,


Und Ja! die tollen Wünsche schrei’n,
     Und Nein! die Sinne brummen –
O Tantal! stell dein Murren ein!
     Du bist noch gut durchkommen! –

105
Kein kühler Tropfen in den Brand!

     Das heiß’ ich auch beteufeln!
Gefühl ist Ihnen Kontreband,
     Sonst müssen sie verzweifeln!

[122]

Drum fliehn sie jeden Ehrenmann,

110
     Sein Glük wird sie betrüben –

Wer keinen Menschen machen kann,
     Der kann auch keinen lieben.

Drum tret ich frei und stolz einher
     Und brüste mich und singe:

115
Ich bin ein Mann! – Wer ist es mehr?

     Der hüpfe hoch und springe.

O.




Doktor Pandolff.


Glük zur Genesung. Herr Pandolff;
Frißt doch kein Wolf den andern Wolf.

U.
[123]
An den Frühling.


Willkommen schöner Jüngling!
     Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
     Willkommen auf der Flur!

5
Ey! Ey! da bist ja wieder!

     Und bist so lieb und schön!
Und freun wir uns so herzlich
     Entgegen dir zu gehn.

Denkst auch noch an mein Mädchen?

10
     Ey lieber denke doch!

Dort liebte mich das Mädchen,
     Und ’s Mädchen liebt mich noch!

[124]

Fürs Mädchen manches Blümchen
     Erbettelt’ ich von dir –

15
Ich komm und bitte wieder,

     Und du? – du gibst es mir?

Willkommen schöner Jüngling!
     Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen

20
     Willkommen auf der Flur.


M.




Polizeyordnung.


Getrost! Izt würgt das Pfuscherheer
Mit Henkers Hand das Volk nicht mehr,
Das Mittel ist jezt ausgedacht,
Das man sie all – zu Doktors macht.

Hr.

[125]

Die alten und neuen Helden.


Wie tief sank unser Sekulum herunter!
     Da rühm ich mir die alte Welt!
     Giengs in die Schlacht, war jeder Held,
That aus dem Stegreif blaue Wunder,

5
     Und wo liegt denn der Grund? – gemach!

Man trug die Baarschaft dort im Kopfe,
Und Weisheit wohnte unterm Schopfe,
     Jezt kommt sie mit Bagage nach.

L.




Unterschied der Zeiten.


Wer frey’te, kauft’ sein Weib sich sonst –
Jezt kriegt man eine Frau – umsonst.

H...
[126]
Hymne an den Unendlichen.


Zwischen Himmel und Erd, hoch in der Lüfte Meer,
In der Wiege des Sturms trägt mich ein Zakenfels,
          Wolken thürmen
          Unter mir sich zu Stürmen,

5
Schwindelnd gaukelt der Blik umher

     Und ich denke dich, Ewiger.

Deinen schauernden Pomp borge dem Endlichen
Ungeheure Natur! Du der Unendlichkeit
          Riesentochter!

10
          Sei mir Spiegel Jehovahs!

Seinen Gott dem vernünftgen Wurm
     Orgle prächtig, Gewittersturm!

[127]

Horch! er orgelt – Den Fels wie er herunterdrönt!
Brüllend spricht der Orkan Zebaoths Namen aus.

15
          Hingeschrieben

          Mit dem Griffel des Blizes:
Kreaturen, erkennt ihr mich?
     Schone, Herr! wir erkennen dich.

Y.




Auf den Hrn. R.


Der kupferreiche R – (denn was vermag der Wein!)
Wünscht Janus mit dem Doppelkopf zu seyn,
Den er im Wappen führt – dann erst sollt’s ihm behagen,
Könnt’ er zumal zwey Gläser niederjagen.

H...
[128]
Die Gröse der Welt.


Die der schaffende Geist einst aus dem Chaos schlug,
Durch die schwebende Welt flieg ich des Windes Flug,
     Bis am Strande
     Ihrer Wogen ich lande.

5
Anker werf’, wo kein Hauch mehr weht

Und der Markstein der Schöpfung steht.

Sterne sah ich bereits jugendlich auferstehn,
Tausendjährigen Gangs durchs Firmament zu gehn,
     Sah sie spielen

10
      Nach den lokenden Zielen,

Irrend suchte mein Blik umher,
Sah die Räume schon – sternenleer.

[129]

Anzufeuren den Flug weiter zum Reich des Nichts,
Steur’ ich muthiger fort, nehme den Flug des Lichts

15
      Neblicht trüber

     Himmel an mir vorüber
Weltsysteme, Fluten im Bach
Strudeln dem Sonnenwandrer nach.

Sieh, den einsamen Pfad wandelt ein Pilger mir

20
Rasch entgegen – „Halt an! Waller, was suchst du hier?“

     „„Zum Gestade
     Seiner Welt meine Pfade!
Seegle hin wo kein Hauch mehr weht,
Und der Markstein der Schöpfung steht!““

25
„Steh! du seegelst umsonst – vor dir Unendlichkeit!“

„„Steh! du seegelst umsonst – Pilger auch hinter mir! –

[130]

     Senke nieder
     Adlergedank dein Gefieder,
Kühne Seeglerin, Fantasie,

30
Wirf ein muthloses Anker hie.„„



Y.




Gegründete Furcht.


Wohl nicht ums ganze Erdenrund
Möcht ich, spricht Fräulein Kunigund,
Des Nachts mehr in den Spiegel schauen –
Des Satans scheußlich Angesicht

5
Sah ich daraus leibhaftig schauen –

Bei Gott! spricht Veit, ich zweifle nicht,
Man siehts ja selbst beim Tageslicht.

Hr.
[131]
Passanten-Zettel
am Thor der Hölle.


Früh morgends zehen Advokaten
Zu Pferd, acht Schreiber hinterdrein,
Darauf ein Herr mit runden Waden,
Soll gar ein Hum! gewesen seyn.

5
Mittags ein Jud, drei Rezensenten,

Drauf acht besoffene Studenten,
Ein gar fürnehmer Herr hopp hopp
Im majestätischen Galopp,
Nach Mittag mit zerzaußten Haaren

10
Ein Heer verloffener Husaren,

Voran Sn Gnaden Herr Major –
Zulezt – doch nur gemach ihr Herren!
Wills denn zum jüngsten Tage währen?
Und plözlich fiel der Schlagbaum vor.


Item
am Thor des Himmels.


Vor Mittag nichts – Mittags ein Heid, zwey Kinder;
Spät Abends noch – ein armer Sünder.

Z.
[132]
Meine Blumen.


Schöne Frühlingskinder lächelt,
     Jauchzet Veilchen auf der Au!
Süser Balsamathem fächelt
     Aus des Kelches Himmelblau.

5
Schön das Kleid mit Licht gestiket,

Schön hat Flora euch geschmüket
     Mit des Busens Perlenthau!
Holde Frühlingskinder weinet!
Seelen hat sie euch verneinet,

10
     Trauert Blümchen auf der Au!


Nachtigall und Lerche flöten
     Minnelieder über euch,
Und in euren Balsambeeten
     Gattet sich das Fliegenreich.

[133]
15
Schuf nicht für die süsen Triebe

Euren Kelch zum Thron der Liebe
     So wollüstig die Natur.
Sanfte Frühlingskinder weinet,
Liebe hat sie euch verneinet,

20
     Trauert Blümchen auf der Flur!


Aber wenn, vom Dom umzingelt,
     Meine Laura euch zerknikt,
Und in einen Kranz geringelt,
     Thränend ihrem Dichter schikt –

25
Leben, Sprache, Seelen, Herzen

Flügelboten süser Schmerzen!
     Goß euch diß Berühren ein.
Von Dionen angefächelt,
Schöne Frühlingskinder lächelt,

30
     Jauchzet Blumen in dem Hayn!


Y.
[134]
Fluch eines Eifersüchtigen.


So flieh mich dann, verruchte falsche Seele,
     So flieh mich dann, geh, wälze dich
In wilder geiler Lust, und lachend quäle
     Jüngst deinen Liebling mich!

5
Sag, athmet unter Erdensöhnen einer,

     Der feurig liebt und gränzenlos wie ich?
Brennt Gottes unbeflekte Sonne reiner
     Als dieses Herz – für dich?

Der Himmel sah’s, wie ich oft wollusttrunken

10
     Mich wälzte wild zu ihren Füßen hier,

Wie ich oft in Entzükung hingesunken
     Ohnmächtig rang an ihr.

[135]

Flog nicht, wenn ich vor Gott voll heiser Reue
     Gekniet, schnell mein Gedanke weg von Gott?

15
Sie stand vor mir, Sie – Heiliger, verzeihe!

     Ward mein Gebeth, mein Gott.

Und nun, wer ists? – o laßt mich ihn nicht nennen,
     Ihr Furien, daß nicht von Fieberwut
Empört, entfesselt meine Geister rennen

20
     Zur Flamme wird das Blut.


Doch Narr! was winsl’ ich denn der Ungetreuen?
     Sie fleht mein sterbend rauchend Blut umsonst,
Frohn’, frohn’ nur stinkend geilen Bulereyen,
     Frohn’ ewig wilder Brunst.

[136]
25
Bis dich – ach mir zu höllisch süser Freude!

     Ein fressend peinigendes Gift durchnagt,
Und Mark und Bein und alle Eingeweide
     In frühe Moder jagt.

Bis dann, besät von Pest und Eiterbeulen,

30
     Dich selbst der Tod mit falscher Hoffnung höhnt,

Die qualzermalmte Lungen in dir heulen,
     Der Nerv Zernichtung stöhnt.

Dann seh ich jauchzend die verweßten Glieder,
     Wollüstig saugt den Jammerton mein Ohr,

35
Seh, stürze selbst von Schrecken starrend nieder,

     Und lache laut empor.

X.
[137]
Das Geheimniß der Reminiszenz.
An Laura.


Ewig starr an Deinem Mund zu hangen,
Wer enträzelt dieses Wutverlangen?
Wer die Wollust, Deinen Hauch zu trinken,
In Dein Wesen, wenn sich Blike winken,

5
     Sterbend zu versinken?


Fliehen nicht verrätherisch, – wie Sklaven,
Weggeworfen faigen Muths die Waffen, –
Meine Geister, hin im Augenblike,
Stürmend über meines Lebens Brüke,

10
     Wenn ich Dich erblike?
[138]

Sprich, warum entlaufen sie dem Meister?
Suchen dort die Heimat meine Geister?
Oder küssen die getrennten Brüder,
Losgeraft vom Kettenband der Glieder,

15
      Dort bei Dir sich wieder? –


Laura? träum’ ich? ras’ ich? – die Gedanken
Ueberwirbeln des Verstandes Schranken –
Sieh! der Wahnsinn ist des Räzels kunder,
Staune Weisheit auf des Wahnsinns Wunder

20
     Neidischbleich herunter.


Waren unsre Wesen schon verflochten?
War es darum, daß die Herzen pochten?
Waren wir im Stral erloschner Sonnen
In den Tagen lang begrabner Wonnen,

25
     Schon in Eins zerronnen?
[139]

Ja wir warens – Eins mit Deinem Dichter
Warst du Laura – warst ein Weltzernichter! –
Meine Muse sah es auf der trüben
Tafel der Vergangenheit geschrieben:

30
     Eins mit deinem Lieben!


Aber ach! – die sel’gen Augenblike
Weinen leiser in mein Ohr zurüke –
Könnten Grolls die Gottheit Sünder schelten,
Laura – den Monarchen aller Welten

35
     Würd’ ich Neides schelten.


Aus den Angeln drehten wir Planeten,
Badeten in lichten Morgenröthen,
In den Loken spielten Edens Düfte,
Und den Silbergürtel unsrer Hüfte

40
     Wiegten Mayenlüfte.
[140]

Uns entgegen gossen Nektarquellen
Tausendrörigt ihre Wollustwellen,
Unserm Winke sprangen Chaosriegel,
Zu der Wahrheit lichtem Sonnenhügel

45
     Schwang sich unser Flügel.


Unsern Augen riss’ der Dinge Schleyer,
Unsre Blike, flammender und freyer,
Sahen in der Schöpfung Labyrinthen,
Wo die Augen Lyonets verblinden,

50
     Sich noch Räder winden –


Tief o Laura unter jener Wonne
Wälzte sich des Glükes Nietentonne,
Schweifend durch der Wollust weite Lande
Warfen wir der Sätt’gung Ankerbande

55
     Ewig nie am Strande –
[141]

Weine Laura – dieser Gott ist nimmer,
Du und ich des Gottes schöne Trümmer,
Und in uns ein unersättlich Drängen
Das verlorne Wesen einzuschlingen,

60
     Gottheit zu erschwingen.


Darum Laura dieses Wutverlangen,
Ewig starr an deinem Mund zu hangen,
Und die Wollust, deinen Hauch zu trinken,
In dein Wesen, wenn sich Blike winken,

65
     Sterbend zu versinken.


Darum fliehn, verrätherisch, wie Sklaven,
Weggeworfen faigen Muts die Waffen,
Meine Geister, hin im Augenblike!
Stürmend über meines Lebens Brüke,

70
     Wenn ich Dich erblike!
[142]

Darum nur entlaufen sie dem Meister,
Ihre Heimat suchen meine Geister,
Losgeraft vom Kettenband der Glieder,
Küssen sich die langgetrennten Brüder

75
     Wiederkennend wieder.


Töne! Flammen! zitterndes Entzüken!
Wesen lechzt an Wesen anzurüken –
Wie, beim Anblik einer Freundsgaleere,
Friedensflaggen im Ostindermeere

80
     Wehen lassen Heere;


Aufgejagt von froher Pulverweke,
Springt das Schiffsvolk freudig auf’s Verdeke,
Hoch im Winde schwingen sie die Hüte,
Posidaons woogendes Gebiete

85
     Drönt von ihrem Liede. –
[143]

War es nicht dis freudige Entsezen,
Als mir’s ward an Lauren mich zu lezen?
Ha! das Blut, voll wütendem Verlangen,
Drängte sich muthwillig zu den Wangen,

90
     Lauren zu empfangen –


Und auch Du – da mich dein Auge spähte,
Was verrieth der Wangen Morgenröthe? – –
Floh’n wir nicht als wären wir verwandter,
Freudig, wie zur Heimat ein Verbannter,

95
     Brennend an einander? –


Sieh, o Laura, deinen Dichter weinen! –
Wie verlor’ne Sterne wieder scheinen,
Flimmen öfters, flüchtig, gleich dem Blize,
Traurigmahnend an die Göttersize,

100
     Stralen durch die Rize –
[144]

Oftmals lispeln der Empfindung Saiten
Leise Ahndung jener goldnen Zeiten –
Wenn sich schüchtern unsre Augen grüsen,
Seh ich träumend in den Paradiesen

105
     Nektarströme fliesen. –


Ach zu oft nur waffn’ ich meine Mächte,
Zu erobern die verlornen Rechte –
Klimme kühner bis zur Nektarquelle,
Poche siegend an des Himmels Schwelle, –

110
     Taumle rük zur Hölle!


Wenn dein Dichter sich an deine süsen
Lippen klammert mit berauschten Küssen,
Fremde Töne um die Ohren schwirren,
Unsre Wesen aus den Fugen irren

115
     Strudelnd sich verwirren,
[145]

Und verkauft vom Meineid der Vasallen
Unsre Seelen ihrer Welt entfallen,
Mit des Staubs Tyrannensteuer pralen,
Tod und Leben zu wollüstgen Qualen

120
     Gaukeln in den Schaalen.


Und wir beide – näher schon den Göttern –
Auf der Wonne gähe Spize klettern,
Mit den Leibern sich die Geister zanken,
Und der Endlichkeit despotsche Schranken –

125
     Sterbend – überschwanken –


Waren, Laura, diese Lustsekunden
Nicht ein Diebstal jener Götterstunden?
Nicht Entzüken, die uns einst durchfuhren?
Ineinanderzukender Naturen,

130
     Ach! nur matte Spuren?
[146]

Hat dir nicht ein Stral zurükgeglostet?
Hast du nicht den Göttertrank gekostet? –
Ach! ich sah den Purpur deiner Wangen! –
War es doch der Wesen die sich schlangen

135
     Eitles Unterfangen! – –


Laura – majestätisch anzuschauen
Stand ein Baum in Edens Blumenauen;
„Seine Frucht vernein’ ich eurem Gaume,
„Wißt! der Apfel an dem Wunderbaume

140
     „Labt – mit Göttertraume.“


Laura – weine unsers Glükes Wunde! –
Saftig war der Apfel ihrem Munde – – –
Bald – als sie sich Unschuldsvoll umrollten –
Sieh! – wie Flammen ihr Gesicht vergoldten! –

145
     – Und die Teufel schmollten.


Y.
[147]
Gruppe aus dem Tartarus.


Horch – wie Murmeln des empörten Meeres,
     Wie durch hohler Felsen Beken weint ein Bach,
Stöhnt dort dumpfigtief ein schweres – leeres,
     Qualerpreßtes Ach!

5
          Schmerz verzerret

Ihr Gesicht – Verzweiflung sperret
     Ihren Rachen fluchend auf.
Hohl sind ihre Augen – ihre Blike
Spähen bang nach des Kocytus Brüke,

10
     Folgen tränend seinem Trauerlauf. –


Fragen sich einander ängstlich leise:
     Ob noch nicht Vollendung sey?
Ewigkeit schwingt über ihnen Kraise
     Bricht die Sense des Saturns entzwey.

Y.
[148]
Die Freundschaft.
(aus den Briefen Julius an Raphael; einem
noch ungedruckten Roman.)


Freund! genügsam ist der Wesenlenker –
Schämen sich kleinmeisterische Denker,
     Die so ängstlich nach Gesezen spähn –
Geisterreich und Körperweltgewüle

5
Wälzet Eines Rades Schwung zum Ziele,

     Hier sah es mein Newton gehn.

Sfären lehrt es Sklaven eines Zaumes
Um das Herz des grosen Weltenraumes
     Labyrinthenbahnen ziehn –

10
Geister in umarmenden Systemen

Nach der grosen Geistersonne strömen,
     Wie zum Meere Bäche fliehn.

[149]

War’s nicht diß allmächtige Getriebe,
Das zum ew’gen Jubelbund der Liebe

15
     Unsre Herzen aneinander zwang?

Raphael, an deinem Arm – o Wonne!
Wag auch ich zur grosen Geistersonne
     Freudigmutig den Vollendungsgang.

Glüklich! glüklich! Dich hab ich gefunden,

20
Hab aus Millionen Dich umwunden,

     Und aus Millionen mein bist Du
Laß das Chaos diese Welt umrütteln,
Durcheinander die Atomen schütteln;
     Ewig fliehn sich unsre Herzen zu.

25
Muß ich nicht aus Deinen Flammenaugen

Meiner Wollust Wiederstralen saugen?
     Nur in Dir bestaun ich mich –
Schöner malt sich mir die schöne Erde,
Heller spiegelt in des Freunds Gebärde

30
     Reizender der Himmel sich.
[150]

Schwermut wirft die bange Thränenlasten,
Süßer von des Leidens Sturm zu rasten,
     In der Liebe Busen ab; –
Sucht nicht selbst das folternde Entzüken

35
In des Freunds beredten Stralenbliken

     Ungeduldig ein wollüstges Grab? –

Stünd im All der Schöpfung ich alleine,
Seelen träumt’ ich in die Felsensteine,
     Und umarmend küßt’ ich sie –

40
Meine Klagen stöhnt’ ich in die Lüfte,

Freute mich, antworteten die Klüfte,
     Thor genug! der süßen Sympathie.

Tode Gruppen sind wir – wenn wir hassen,
Götter – wenn wir liebend uns umfassen!

45
     Lechzen nach dem süsen Fesselzwang –

Aufwärts durch die tausendfache Stufen
Zalenloser Geister die nicht schufen,
     Waltet göttlich dieser Drang.

[151]

Arm in Arme, höher stets und höher,

50
Vom Mogolen bis zum griechschen Seher,

     Der sich an den lezten Seraf reyht,
Wallen wir, einmüth’gen Ringeltanzes,
Bis sich dort im Meer des ew’gen Glanzes
     Sterbend untertauchen Maaß und Zeit –

55
Freundlos war der grose Weltenmeister,

Fühlte Mangel – darum schuf er Geister,
     Sel’ge Spiegel seiner Seligkeit! –
Fand das höchste Wesen schon kein Gleiches,
Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches

60
     Schäumt ihm – die Unendlichkeit.
Y.
[152]
An Fanny.


Mit müdem Schritte steigt vom fernen Hügel
     Einsam die Nacht,
Und schwingt um mich die sorgenschwere Flügel
     In ernster Pracht;

5
Schwermütig hängt ihr schwarzer düstrer Schleyer

     Schon über mir,
Kaum bricht ein zitternd todenblasses Feuer
     Vom Mond herfür.

Im tiefen Schatten schlummern eingehüllet

10
     Berg, Thal und Flur

Und grauenvolle Todtenstille füllet
     Bang die Natur.

[153]

Nur weichgeschaffne sanftempörte Herzen,
     Voll theurer Quaal,

15
Beseufzen jezt des jungen Lebens Schmerzen

     Am Mondenstral.

Jezt irrst du, Trautester, mit bangem Sehnen
     Im Todtenhaus,
An Julchens Grab und hauchst in tausend Thränen

20
     Die Seele aus.


Du eilest junge Rosen abzupflüken
     Vom heil’gen Grab,
Und blätterst sie mit traurigem Entzüken
     Zu ihr hinab.

25
In dieser Nacht saß Stella (Thränen trübten

     Den schönen Blik)
Und rufte laut den fliehenden Geliebten
     Vom Meer zurük.

[154]

Nun weinet einsam in verschloßnen Mauern,

30
     Am Lampenlicht,

Das heil’ge Mädchen, dem vom stillen Trauern
     Die Seele bricht.

Ihr Busen brennt von zärtlichem Verlangen,
     Ihr schmachtend Herz

35
Verzehret sich, schon sterben ihre Wangen

     Vom ewgen Schmerz.

So welkt die Rose in dem fernen Thale
     Früh abgeknikt,
Eh sie, gelokt vom milden Frühlingsstrale,

40
     Die Hirtinn pflükt.


O Mädchen, die voll unschuldsvoller Triebe
     Das Laster höhnt,
Und sich nach edlen Freuden reiner Liebe
     Unwissend sehnt.

[155]
45
O Du, die stets geheimen ernsten Kummer,

     Im Busen nährt,
Du, deren Klagen oft in tiefstem Schlummer
     Die Nacht gehört,

Wer Du auch bist, Du bist für mich geboren

50
     Uns unerkannt

Hat Dir mein Herz, hat mir Dein Herz geschworen
     Zum süsen Band.

Längst, längst, o Du Geliebteste von allen!
     Fleh ich nach Dir,

55
Und alle Seufzer dieses Herzens wallen

     Entgegen Dir.

Ein Engel lisple, schlummerst Du auf Rosen
     In holder Ruh,
Dir meinen Namen, und mir Ruhelosen

60
     Den Deinen zu.


X.
[156]
Gefühl am ersten Oktober[3]
1781.


Woher das Jauchzen dort auf jenen Traubenhügeln?
     Woher das Evan Evoe?
Wem glüht die Wang’? wer ists, den ich in bunten Flügeln
     Den hohen Thyrsus schwingen seh?

[157]
5
Ist es der Genius des freudigen Getümmels,

     Und zahlreich sein Gefolg umher? –
Im offnen Füllhorn trägt er das Geschenk des Himmels,
     Und vor Entzükken taumelt er! –

Wie prächtig glänzt sie dort hervor die goldne Traube:

10
     Vom ersten Morgenstral begrüßt!

Wie freundlich winkt er nicht den Schatten jener Laube,
     Die voll von Seegen überfließt!

Ha! sey willkommen mir, du festlicher Oktober!
     Sey, Erstling! ganz willkommen mir!

15
Weit reinern Dank bring ich, als alle deine Lober,

     Bring ihn mit mehr Empfindung dir.

[158]

Denn du bist es, der mir Ihn, den ich theuer schäze,
     Und zärtlich liebe bis zum Grab,
Ihn, der verdient, daß Ihm mein Herz ein Denkmal seze,

20
     Den besten Freund in Rieger gab.


Zwar wigt dein Hauch, - kömmst du, - den letzten Schmuck der Bäume,
     Die Blätter in Melancholie:
Still sinken sie herab: und schnell, – wie Morgenträume
     Bei dem Erwachen – fliehen sie.

25
Zwar folgt dir auf dem Fus der flokkigte Zerstörer,

     Den jede Saite der Natur
Im dumpfen Mißklang stimmt, daß öder dann und leerer
     Rings um sie trauren Hain und Flur.

[159]

Doch sieh, wie schwindet es bei jedem frohen Mahle,

30
     Des Alters, ach! so düstres Bild:

Wann in gehobner Hand aus schäumendem Pokale
     Der Freude edler Purpur quillt!

Wie schwindet es, wann bei vertraulichen Gesprächen,
     Der Freund von seinem Freund umarmt,

35
Um an dem kalten Nord des Winters sich zu rächen,

     An seines Busens Glut erwarmt!

Und lächeln sie uns einst des Frühlings Kinder wieder,
     Wann all die jugendliche Pracht,
Wann jede Melodie der wonnevollen Lieder,

40
     Mit ihnen jede Lust erwacht:
[160]

Wie heiter strömts alsdann durch unsre ganze Seele:
     Welch Leben stralt in unserm Blick!
Ruft uns nicht der Akzent der sanften Philomele
     Und jugendliche Kraft zurück!

45
So lisple, – denkt sich heut’ auch Rieger den Gedanken,

     Des Sturms, der uns im Alter beugt: –
Leis’ Ihm Sein Schuzgeist zu, wann von den blauen Schranken
     Herab der Abendstern sich neigt.

Still führ’ er Ihn hinaus auf jene Donnerhöhe,

50
     Lenk’ Ihm Sein Aug, daß Er im Thal, –

Auf dem Gefild umher, – all Seine Freunde sehe,
     Und daß Ihm hoch bey Ihrer Zahl,

[161]

Und höher Ihm alsdann auf jener heil’gen Stelle,
     Dekt er Ihm die Gesinnungen

55
Der wahren Freundschaft auf, – gedrängt, – die Brust Ihm schwelle,

     Fühlt Er: sie alle lieben Ihn!

Laut wird sie dann – hinauf, die ferne Stimme, schallen:
     „Auch G * * * ist ein Freund von Dir!
Wann Silberlokken ihm nicht mehr die Schläf’ umwallen,

60
     Ist G * * * noch ein Freund von Dir!


Auch jenseits“, – und nun glänz Ihm die krystallne Zäre
     Im Aug’: – „Auch dorten liebt er dann,
Dich einst noch, wann sein Herz in jener Frühlingssphäre
     Sich an das Deine schliesen kann.“

B.

[162]

Peter.


Wenn’s wahr ist, wie der Pastor schrie,
Und wahr ists ohne Zweifel,
Ein jeder führ’ in Kompagnie
So Engel mit als Teufel,

5
So dauert mich nur Peters Paar,

Denn das muß, ohne zu verschnaufen,
Nur dreimal hundert fünf und sechzigmal im Jahr
Mit ihm zur Schenke laufen.

U.




Der Wirtemberger.


Der Name Wirtenberg
Schreibt sich von Wirt am Berg –
Ein Wirtemberger ohne Wein
Kann der ein Wirtemberger seyn?

O.
[163]
An mein Täubchen.


Geh trautes liebes Täubchen du
     Zu Minna meiner kleinen,
Und was ich sag, das thu, das thu
     Bei Minna meiner kleinen.

5
Siehst du zwei Augen himmelblau

     Die sanft von Sehnsucht glühen,
Und Wangen, die gleich Rosenthau
     In Frühlingsanmuth blühen;

Lacht aus den Bliken Himmelsruh

10
     Und holde Engelreine,

O Täubchen, trautes Täubchen du,
     ’S ist Minna meine kleine!

[164]

Nun fliehe zärtlich schmeichelnd hin
     Der kleinen liebzukosen,

15
Und lisple sanft in Seufzergen

     Durch Düfte junger Rosen.

„Ich bin ein Täubchen jung und zart
     Aus Zypris Myrtenhayne,
Bin auch gar freundlich, frommer Art,

20
     Heiß die verliebte kleine.


„Ein Täubchen liebt mich, schöner ist
     Kein Täubchen in dem Hayne,
Scherzt, tändelt, nikt und pikt und küßt,
     Heißt der verliebte kleine.

25
„So fließet unser Dasein hin

     Wie Wonnethränchen süße,
Süß wie ein Wollustseufzergen
     Im Taumel trunkner Küsse.„

[165]

Dann flattre zärtlich um sie her

30
     Wie Rosenblüthchen schwirre

In bangem süßen Krais umher
     Und liebeseufzend girre,

Bis sich die liebetrunkne Brust
     Von sanfter Ahnung hebet,

35
Und schon geheimer Liebe Lust

     Im bangen Busen bebet.

Dann flieh ich, zitternd fliehe ich
     Zur kleinen Liebewarmen,
Ach Minna, Minna höre mich!

40
     Ich sterb in deinen Armen.


X.
[166]
Melancholie an Laura.


     Laura – Sonnenaufgangsglut
Brennt in deinen goldnen Bliken,
     In den Wangen springt purpurisch Blut,
     Deiner Thränen Perlenflut

5
Nennt noch Mutter das Entzücken –

     Dem der schöne Tropfe thaut,
     Der darinn Vergöttrung schaut,
Ach dem Jüngling der belohnet wimmert,
Sonnen sind ihm aufgedämmert!

10
     Deine Seele gleich der Spiegelwelle

     Silberklar und Sonnenhelle,
Mayet noch den trüben Herbst um dich,
Wüsten öd und schauerlich
     Lichten sich in deiner Stralenquelle,

[167]
15
Düstrer Zukunft Nebelferne

Goldet sich in deinem Sterne;
Lächelst du der Reizeharmonie?
Und ich weine über sie. –

Untergrub denn nicht der Erde Veste

20
      Lange schon das Reich der Nacht?

Unsre stolz aufthürmenden Palläste,
     Unsrer Städte majestätsche Pracht
Ruhen all auf modernden Gebeinen,
     Deine Nelken saugen süßen Duft

25
Aus Verwesung, deine Quellen weinen

     Aus dem Beken einer – Menschengruft.

Blik empor – die schwimmenden Planeten,
Laß dir Laura seine Welten reden!
     Unter ihrem Zirkel flohn

30
     Tausend bunte Lenze schon,

Thürmten tausend Throne sich
Heulten tausend Schlachten fürchterlich

[168]

     In den eisernen Fluren,
     Suche ihre Spuren.

35
Früher später reif zum Grab

Laufen ach die Räder ab
     An Planetenuhren.

     Blinze dreimal – und der Sonnen Pracht
     Löscht im Meer der Todennacht!

40
Frage mich, von wannen Deine Stralen lodern!

     Pralst du mit des Auges Glut?
     Mit der Wangen frischem Purpurblut?
Abgeborgt von mürben Modern?
     Wuchernd fürs geliehne Roth,

45
     Wuchernd Mädchen wird der Tod

Schwere Zinsen fodern!

Rede Mädchen nicht dem Starken Hohn!
     Eine schönre Wangenröthe
Ist doch nur des Todes schönrer Thron,

50
     Hinter dieser blumigten Tapete

Spannt den Bogen der Verderber schon –

[169]

Glaub es – glaub es Laura deinem Schwärmer,
     Nur der Tod ist’s dem dein schmachtend Auge winkt,
     Jeder deiner Stralenblike trinkt

55
Deines Lebens karges Lämpchen ärmer;

     Meine Pulse, pralest Du,
Hüpfen noch so jugendlich von dannen –
Ach! die Kreaturen des Tyrannen
     Schlagen tükisch der Verwesung zu.

60
     Aus einander bläßt der Tod geschwind

     Dieses Lächeln, wie der Wind
Regenbogenfarbigtes Geschäume,
     Ewig fruchtlos suchst du seine Spur,
     Aus dem Frühling der Natur

65
Aus dem Leben, wie aus seinem Keime,

     Wächst der ew’ge Würger nur.

[170]

Weh! entblättert seh ich deine Rosen liegen,
     Bleich erstorben deinen süßen Mund,
     Deiner Wangen wallendes Rund

70
Werden rauhe Winterstürme pflügen,

     Düstrer Jahre Nebelschein
Wird der Jugend Silberquelle trüben,
Dann wird Laura – Laura nicht mehr lieben,
     Laura nicht mehr liebenswürdig seyn.

75
Mädchen – stark wie Eiche stehet noch dein Dichter,

     Stumpf an meiner Jugend Felsenkraft
     Niederfällt des Todenspeeres Schaft,
Meine Blike brennend wie die Lichter
     Seines Himmels – feuriger mein Geist,

80
Denn die Lichter seines ew’gen Himmels,

Der im Meere eignen Weltgewimmels
     Felsen thürmt und niederreißt.
Kühn durchs Weltall steuern die Gedanken,
Fürchten nichts – als seine Schranken.

[171]
85
Glühst du, Laura? Schwillt die stolze Brust?

Lern’ es, Mädchen, dieser Trank der Lust,
     Dieser Kelch, woraus mir Gottheit düftet –
     Laura – ist vergiftet!
Unglükselig! Unglükselig, die es wagen,

90
Götterfunken aus dem Staub zu schlagen.

     Ach die kühnste Harmonie
Wirft das Saitenspiel zu Trümmer,
     Und der lohe Aetherstral Genie
Nährt sich nur vom Lebenslampenschimmer –

95
     Wegbetrogen von des Lebens Thron

     Frohnt ihm jeder Wächter schon!
Ach! schon schwören sich mißbraucht zu frechen Flammen
Meine Geister wider mich zusammen!
     Laß – ich fühls – laß Laura noch zween kurze

100
Lenze fliegen – und diß Moderhaus

Wiegt sich schwankend über mir zum Sturze,
     Und in eignem Strale lösch ich aus. – –

[172]

Weinst du Laura? – Thräne, sei verneinet,
Die des Alters Strafloos mir erweinet,

105
     Weg! Versiege Thräne Sünderin!

Laura will, daß meine Kraft entweiche,
Daß ich zitternd unter dieser Sonne schleiche,
     Die des Jünglings Adlergang gesehn? –
Daß des Busens lichte Himmelsflamme

110
Mit erfrornem Herzen ich verdamme,

Daß die Augen meines Geists verblinden,
Daß ich fluche meinen schönsten Sünden?
     Nein! versiege Thräne Sünderin! –
Brich die Blume in der schönsten Schöne,

115
Lösch, o Jüngling mit der Trauermiene!

     Meine Fakel weinend aus,
Wie der Vorhang an der Trauerbühne
Niederrauschet bei der schönsten Scene,
     Fliehn die Schatten – und noch schweigend horcht das Haus. –

Y.
[173]
Die Pest,
eine Fantasie.


Gräßlich preisen Gottes Kraft
     Pestilenzen würgende Seuchen,
Die mit der grausen Brüderschaft
     Durchs öde Thal der Grabnacht schleichen.

5
     Bang ergreifts das klopfende Herz,

Gichtrisch zuckt die starre Sehne,
Gräßlich lacht der Wahnsinn in das Angstgestöhne,
     In heulende Triller ergeußt sich der Schmerz.

Raserei wälzt tobend sich im Bette –

10
Gift’ger Nebel wallt um ausgestorbne Städte

     Menschen – hager – hohl und bleich –
     Wimmeln in das finstre Reich.
Brütend liegt der Tod auf dumpfen Lüften,
Häuft sich Schäze in gestopften Grüften

[174]
15
     Pestilenz sein Jubelfest.

Leichenschweigen – Kirchhofstille
Wechseln mit dem Lustgebrülle,
     Schröklich preiset Gott die Pest.

Y.




Das Muttermal.



Mann.

Sieh Schäzchen wie der Bub mir gleicht,
     Selbst meine Narbe von den Poken!

Frau.

Mein Engel, das begreif ich leicht,
     Bin auch ’nmal recht an dir erschroken.

Rr.
[175]
Die Spinne und der Seidenwurm.


In ein gewißes Haus kam einmal eine Spinne,
Und hub allda zu spinnen an,
Und sprach zum Seidenwurm: „Sieh da, was ich beginne!
„Ein Beytrag stünde mir von dir nicht übel an.“ –

5
Der Seidenwurm ließ sonder Zwang

Sich sogleich dazu willig finden,
Und fängt wohl an, ihr ellenlang=
Gedrehte Fäden einzusenden;
Die legt sie dann in ihr Gemächt

10
Jezt hier, jezt anderwärts zurecht. –

Da sizt sie nun entzükt in sich verloren
Ob ihrem Wunderding, das sie zur Welt gebohren;
Als plözlich aufgemacht
Die Stubenthüre kracht. –

[176]
15
Wer tritt herein? – Die Magd, den Besen in der Hand, –

Gerüstet steht sie da, die Stube auszufegen;
Da glänzt und schimmert von der Wand
Das Spinngewebe ihr entgegen. –
„Herunter du!“ – Sie sagt es kaum, so riß

20
Der Besen schon sich in die Höh und stieß

Wie ein Komet mit seinem Flammenschwanze,
Den eine Welt der Herr zertrümmern hieß,
Das Spinngeweb, nach hundertfachem Riß,
Zu Boden in den Staub, troz seinem Seidenglanze;

25
Fragt ihr, wie ließ sich drob der Seidenwurm vernehmen? –

Er schlich gelassen fort und sprach: –
„Wer sollt sich wohl ob solchem Unstern grämen?
„Ich schrieb an einem Almanach! ! !„ –

H ...
[177]

Monument
Moors des Räubers.


Vollendet!
Heil dir! Vollendet!
Majestätischer Sünder!
Deine furchtbare Rolle vollbracht.

5
Hoher Gefallener!

Deines Geschlechts Beginner und Ender!
Seltner Sohn ihrer schröklichsten Laune,
Erhabner Verstoß der Mutter Natur!

Durch wolkigte Nacht ein prächtiger Bliz!

10
Hui! hinter ihm schlagen die Pforten zusammen!

Geizig schlingt ihn der Rachen der Nacht!

Zuken die Völker
[178]

Unter seiner verderbenden Pracht!
Aber Heil dir! vollendet!

15
Majestätischer Sünder!

Deine furchtbare Rolle vollbracht!

Modre – verstieb
In der Wiege des offnen Himmels!
Fürchterlich jedem Sünder zur Schau,

20
Wo dem Thron gegenüber

Heißer Ruhmsucht furchtbare Schranke steigt!
Siehe! der Ewigkeit übergibt dich die Schande!
Zu den Sternen des Ruhms
Klimmst du auf den Schultern der Schande!

25
Einst wird unter dir auch die Schande zerstieben,

Und dich reicht – die Bewunderung.

Nassen Auges an deinem schauernden Grabe
Männer vorüber –
Freue dich der Thräne der Männer,

30
Des Gerichteten Geist!
Nassen Auges an deinem schauernden Grabe
[179]

Jüngst ein Mädchen vorüber,
Hörte die furchtbare Kunde
Deiner Thaten vom steinernen Herold,

35
Und das Mädchen – freue dich! freue dich!

Wischte die Thräne nicht ab.
Ferne stand ich – sah die Perle fallen,
Und ich rief ihr: Amalia!

Jünglinge! Jünglinge!

40
Mit des Genies gefährlichem Aetherstral

Lernt behutsamer spielen.
Störrig knirscht in den Zügel das Sonnenroß,
Wie’s am Seile des Meisters
Erd und Himmel in sanfterem Schwunge wiegt,

45
Flammts am kindischen Zaume

Erd und Himmel in lodernden Brand!
Unterging in den Trümmern

Der muthwillige Phäeton.
[180]
Kind des himmlischen Genius.
50
Glüendes, thatenlechzendes Herz!

Reizet dich das Mal meines Räubers?
War wie du glüenden thatenlechzenden Herzens,
War wie du des himmlischen Genius Kind.
Aber du lächelst und gehst –

55
Dein Blik durchfliegt den Raum der Weltgeschichte,

Moorn den Räuber findest du nicht –
Steh und lächle nicht Jüngling!
Seine Sünde lebt – lebt seine Schande,
Räuber Moor nur – ihr Name nicht.

Vom Verfasser der Räuber.

[181]
Auf Chloes Geburtstag
den 4. Januar.


Ein schöner Tag entsteigt dem Meere!
     Zwar kalt und trüb und überschneyt
     Schrökt uns sein Anblick schon: doch heut
Behaupt ich, was du willst, behaupt ich dir zur Ehre,

5
     Der allerschönste Tag im May

     Kommt lange nicht dem Wintertage bey!

May wars, als einst dem blauen Meere
     Frau Venus lobesan entstieg!
Schön blieb der Tag zu ihrer Ehre

10
     Und Monath May behielt den Sieg.

Die Götter prahlten mit dem Weibe,
     Das ihre Macht vereint erschuf:
Da zürnte die Natur, und sprach: zum Zeitvertreibe

[182]

     Schaff ich ein schönres Ding, und nur aus Schnee – Seht zu,

15
     Ihr Herren insgesamt! – Sie schuf, und da wardst du!


Doch, liebes Mädchen! komm, und laß die Narren stehen,
     Du bist zu schön zur Schmeicheley!
Man mag sie, wie man will, auf alle Seiten drehen,
     So ist sie, leider! nicht mehr neu!

20
Mein Herz verlangt noch mehr als nur dich schön zu sehen,

     Wann diese Schönheit gleich mein schwächres Aug entzükt:
     Die Freundschaft wünscht dir: Sey beglükt!

Der Mädchen Glük – darf ich es wagen,
Worinn ihr Glük besteht, dir nur ins Ohr zu sagen?

[183]
25
     Du weißst’s doch selbst! – bald sey es dein!

Ihm folgen Jahre voll von Freuden
Ihm folg ein Leben zum beneiden,
     Und ewig soll diß Leben seyn.
Dann müsse sich ein Freund bey deiner Freude freu’n,

30
     Und dieser Plaz bey dir – sey mein!


G.
[184]
Morgenfantasie.


Frisch athmet des Morgens lebendiger Hauch,
     Purpurisch zukt durch düstre Tannenrizen
Das junge Licht, und äugelt aus dem Strauch,
          In goldnen Flammen blizen

5
          Der Berge Wolkenspizen,

Mit freudig melodisch gewirbeltem Lied
     Begrüßen erwachende Lerchen die Sonne,
     Die schon in lachender Wonne
Jugendlichschön in Auroras Umarmungen glüht.

10
          Sei Licht mir gesegnet!

          Dein Stralenguß regnet
Erwärmend hernieder auf Anger und Au.
          Wie silberfarb flittern
          Die Wiesen, wie zittern

15
Tausend Sonnen im perlendem Thau!
[185]

          In säuselnder Kühle
          Beginnen die Spiele
               Der jungen Natur,
          Die Zephyre kosen

20
          Und schmeicheln um Rosen,

Und Düfte beströmen die lachende Flur.

Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen,
Laut wiehern, und schnauben und knirschen und strampfen
          Die Rosse, die Farren,

25
          Die Wagen erknarren

               Ins ächzende Thal.
          Die Waldungen leben
Und Adler, und Falken und Habichte schweben,
Und wiegen die Flügel im blendenden Stral.

[186]

          Den Frieden zu finden,
Wohin soll ich wenden
               Am elenden Stab?
Die lachende Erde
Mit Jünglingsgebärde

35
               Für mich nur ein Grab!


Steig empor, o Morgenroth, und röthe
     Mit purpurnem Kusse Hain und Feld,
Säusle nieder Abendroth und flöte
     Sanft in Schlummer die erstorbne Welt.

40
          Morgen – ach! du röthest

               Eine Todenflur,
Ach! und du o Abendroth umflötest
     Meinen langen Schlummer nur.

Y.
[187]
Lied eines abwesenden
Bräutigams.


Verfliegen noch zwey Jahre, dann
     Nenn’ ich mein Mädchen mein!
Und gieng es noch so schlimm, es kann
     Kein ganzes drüber seyn!

5
Und die verfliegen wie der Wind –

     Zwar eine hübsche Zeit!
Doch die zwey längsten Jahre sind
     Lang keine Ewigkeit!

Und ist nicht diese ganze Zeit

10
     Auch schon mein Mädchen mein?

Sie wirds gewiß nicht mehr als heut
     In zehen Jahren seyn!

[188]

Zwar dann in meinen Armen mein,
     Und das ist freilich viel!

15
Doch sich im Voraus drauf zu freun,

     Ist auch kein Kinderspiel.

Der Freude wird die Zeit nicht lang
     Und mir ist bis dahin
Deswegen nicht für Freuden bang

20
     Weil ich nicht bey ihr bin:

Dann bin ichs nur, so giebt sie mir
     Solch einen Vorrath mit,
Der mich mit guter Laune schier
     Ein Vierteljahr versieht.

25
Ein Kuß in einem Vierteljahr!

     Das macht das Jahr durch vier!
Das sind nur wenig – denkt ihr zwar
     Doch schmek ich die dafür
Die ich bekomme, mehr als ihr!

30
     Bey euch ist’s bloses Spiel,

Und erst vier Wochen drauf wird mir
     Die Wange wieder kühl!

[189]

Zwey hab ich noch für heuer gut,
     Zwey hab ich schon geschmekt,

35
Das fühlt ihr nie, wies einem thut

     Die ihr euch ewig lekt!
Zwey hab’ ich jezt noch gut – die zwey
     Nicht einen gäb ich euch
Um tausend andre, meiner Treu!

40
     Nicht um ein Königreich.


Den dritten hol’ ich bald bey ihr!
     Wie fliegt die Zeit vorbey?
O Mädchen! Mädchen! bleibe mir
     Nur noch zwey Jahre treu.

45
Zwar die verfliegen wie der Wind,

     Doch zur Beständigkeit
Du lieber Gott! – zwey Jahre sind
     Gar eine lange Zeit!

G.
[190]
An Minna.


Träum’ ich? Ist mein Auge trüber?
     Nebelt’s mir ums Angesicht?
Meine Minna geht vorüber?
     Meine Minna kennt mich nicht?

5
Die am Arme seichter Laffen

     Blähend mit dem Fächer ficht,
Nimmer satt sich zu begaffen? –
     Meine Minna ist es nicht.

Von dem Sonnenhute niken

10
     Stolze Federn, mein Geschenk,

Schlaifen, die den Busen schmüken,
     Rufen: Minna, sei gedenk!

[191]

Blumen, die ich selbst erzogen,
     Zieren Brust und Loken noch –

15
Ach die Brust, die mir gelogen! –

     Und die Blumen blühen doch!

Geh! umhüpft von leeren Schmeichlern!
     Geh! vergiß auf ewig mich.
Ueberliefert feilen Heuchlern,

20
     Eitles Weib, veracht’ ich dich.

Geh! dir hat ein Herz geschlagen,
     Dir ein Herz das edel schlug,
Groß genug, den Schmerz zu tragen,
     Daß es einer Hure schlug.

25
Schönheit hat dein Herz verdorben,

     Dein Gesichtchen! schäme dich.
Morgen ist sein Glanz erstorben,
     Seine Rose blättert sich.
Schwalben, die im Lenze minnen,

30
     Fliehen wenn der Nordwind weht;

Buler scheucht dein Herbst von hinnen,
     Einen Freund hast du verschmäht.

[192]

In den Trümmern deiner Schöne
     Seh ich dich verlassen gehn,

35
Weinend in die Blumenscene

     Deines Mays zurüke sehn.
Die mit heißem Liebesgeize
     Deinem Kuß entgegen flohn,
Zischen dem erloschnen Reize,

40
     Lachen deinem Winter Hohn.


Schönheit hat Dein Herz verdorben,
     Dein Gesichtgen! – schäme dich.
Morgen ist sein Glanz erstorben,
     Seine Rose blättert sich –

45
Ha! wie will ich dann dich höhnen!

     Höhnen? Gott bewahre mich!
Weinen will ich bittre Thränen,
     Weinen Minna über dich.

M.
[193]
Der Unterschied.


Nein, Liebe, nein! du kannsts nicht seyn!
Dich kenn ich! Freundschaft ists allein,
     Was mich zu Daphnen zieht!
Bey ihr wird jezt mein Herz kaum warm,

5
Doch glüht’ es einst in Chloens Arm!

     Es ist – ein Unterschied!

Wann Chloe mir entgegen gieng,
Wie klopfte zitternd mein Herz? Wie hieng
     Der Himmel um mich her?

10
Sie kam und gab mir ihre Hand,

Ich sah ihr Aug auf mich gewandt,
     Und sah den Himmel nicht mehr!

[194]

Wann Daphne mir in Garten winkt,
So oft sie ihre Blumen tränkt,

15
     Eil ich wohl auch herbey!

Doch klopft nur vom Gefühl der Lust
Und nicht von Liebe meine Brust,
     Doch fühl ich nur den May.

Wann ich an Chloens Busen lag,

20
Wie riß im Flug die Sonne den Tag

     Ob unsren Häuptern fort!
Der Stern des Morgens kam zurük
Als Stern des Abends, da fand sein Blik
     Uns noch am nehmlichen Ort.

25
Für Daphnen und die Fröhlichkeit

Ist jezt mein Abend nur geweyht,
     Der uns zum Scherz vereint.
Und komm ich jemals ungefragt
So werd ich lachend fortgejagt,

30
     Bis meine Zeit erscheint.
[195]

Wann Chloe bebend mich umfieng,
Ihr Mund untrennbar an meinem hieng,
     Wann aufgelößt im Kuß
Ganz ihre Seele sich ergoß,

35
Ganz in die meine hinüber floß,

     Da hieng mein Leben am Kuß!

Wann Daphne mich zuweilen küßt,
So selten auch der Zufall ist,
     Brennt auch die Wange mir.

40
Doch wann mein Herz zu sichtbar wallt,

So kühlt ihr Scherz die Flamme bald,
     Und Wasser hilft dafür.

Nein, Mädchen! Liebe kanns nicht seyn,
Sie kenn’ ich! Freundschaft ists allein

45
Was jezt zu dir mich zieht.

Zwar machst du mir oft ziemlich warm.
Doch glüht’ ich nur in Chloens Arm!
     Es ist – ein Unterschied!

G.
[196]
Elisium.
Eine Kantate.


Chor.

Vorüber die stönende Klage
Elisiums Freudengelage
          Ersäufen jedwedes Ach –
     Elisiums Leben

5
     Ewige Wonne, ewiges Schweben

Durch lachende Fluren ein flötender Bach.

Erste Stimme.

          Jugendlich milde
          Beschwebt die Gefilde
               Ewiger May,

10
Die Stunden entfliehen in goldenen Träumen,

Die Seele schwillt aus in unendlichen Räumen,
     Wahrheit reißt hier den Schleyer entzwei.

[197]
Zweite Stimme.

               Unendliche Freude
               Durchwallet das Herz.

15
Hier mangelt der Name dem trauernden Leyde,

Sanfter Entzüken nur heißet hier Schmerz.

Dritte Stimme.

Hier streket der wallende Pilger die matten
Brennenden Glieder im säuselnden Schatten,
     Leget die Bürde auf ewig dahin –

20
Seine Sichel entfällt hier dem Schnitter,

Eingesungen von Harfengezitter,
     Träumt er geschnittene Halmen zu sehn.

Vierte Stimme.

Dessen Fahne Donnerstürme wallte,
Dessen Ohren Mordgebrüll umhallte,

25
     Berge bebten unter dessen Donnergang,

Schläft hier linde bei des Baches Rieseln,
Der wie Silber spielet über Kieseln,
     Ihm verhallet wilder Speere Klang.

[198]
Fünfte Stimme.

Hier umarmen sich getreue Gatten,

30
Küssen sich auf grünen sammtnen Matten

     Liebgekoßt vom Balsamwest,
Ihre Krone findet hier die Liebe,
Sicher vor des Todes strengem Hiebe,
     Feyert sie ein ewig Hochzeitfest.

M.




Quirl.


Euch wundert, daß Quirls Wochenblatt
Heut um ein Heft gewonnen hat
Und hörtet doch den Stadtausrufer sagen,
Daß Brod und Rindfleisch aufgeschlagen.

O.
[199]
Semele,
eine lyrische Operette von zwo Scenen.


___________


Personen.


 Juno.   Zevs.
 Semele. Prinzessin zu Thebe.       Merkur.


___________


Der Schauplaz ist zu Thebe im Pallast der Semele.


___________


Erste Scene.
Saal im königlichen Pallast zu Thebe.


Juno
(aus einer hellen niederfließenden Wolke, der Pfauenwagen halb sichtbar.)

Hinweg den geflügelten Wagen
Pfauen Junos! Erwartet mich
Auf Zythärons wolkichtem Gipfel!

(Wagen und Wolken verschwinden.)
[200]

Ha! sey gegrüßt Haus meines grauen Zornes!

5
Sey grimmig mir gegrüßt, feindseliger Pallast!

Verhaßtes Pflaster! – Hier also die Stätte,
Wo wider meinen Torus Jupiter
Im Angesicht des keuschen Tages frevelt?
Hier – wo ein Weib, ein sterblich schwaches Weib

10
Ein Weib aus Thon gewoben, sich erfrecht,

Den Donnerer aus meinem Arm zu schmeicheln,
An ihren Lippen ihn gefangen hält? –

     Juno! Juno! traurig
Stehst du, tief verachtet

15
Auf des Himmels Throne,

Zevs liebt dich nicht mehr!


Arie.

     Götterbrod und Nektarpunsch
Ueberflügeln meinen Wunsch,
Reichlich dampfen mir Altäre –

20
Sklavisch frohnt mir jedes Knie.

Was ist, ohne Liebe, Ehre?
Was Zytherens Gürtel ohne sie?

[201]

     Weh mir! meinen Stolz zu beugen,
Mußt’ schon Venus aus dem Schaume steigen –

25
Götter gestrudelt der Zauberin zu –

     Weh mir! meinen Gram zu mehren,
Mußt Hermione gebähren
Und dahin auf ewig meine Ruh! – –

(heftig entschlossen.)

     Nein, im Staube will ich nicht mehr trauern,

30
Länger nicht der Stolzen Siegeswagen ziehn!

Bin ich nicht Fürstin der Götter?
Nicht Schwester des Donnerers?
Nicht des Flammenschleuderers Frau?
Aechzen nicht die Axen des Himmels

35
Meinem Gebot? Umrauscht nicht mein Haupt die olympische Krone?

Ha! ich fühle mich! – Kronos Blut in den unsterblichen Adern!
Königlich schwillt mein göttliches Herz! – Rache! – Rache!
Soll sie mich ungestraft schmähen?
Ungestraft mit des Donnrers Umarmungen pralen,

[202]
40
Ungestraft die Erinnys hinauf in den Göttersiz rufen? –

Ha! der Würmerfraß! – Auf ein lakirtes Gesichtgen
Aufgebläht, wagt’s – das Ding von gestern und heute
Wagt’s um den Rang zu buhlen mit Göttern?
Staub will mit Aether wetteifern? – Stolze! Vergessene!

(mit Würde.)

45
     Trägt es auch wohl den grosen Stempel Uranos?

Oder frohlockt nicht Verwesung schon
Durch die Larve der welkenden Pracht? –
Stirb! Lern am stygischen Strom von Unsterblichkeit Staub
Unterscheiden! – Deine Riesenrüstung mag dich erdrücken, dich

50
Niederschmettern deine Göttersucht! – –

Rachegepanzert

Steig ich vom hohen Olympus herab!
[203]
Süße, vergiftende,

Schmeichelnde Reden

55
Hab ich ersonnen,

Tod und Verderben lauren darinn.
Horch
Ihre Tritte!
Sie naht!

60
Naht dem Sturz dem Verderben!

Verhülle dich Gottheit in sterblich Gewand!
Tief ist der Sturz
Von Göttern in Würmer der Sturz!
Doch! Doch!

65
Kann die Liebe mit dem Stiere grasen,
Was darf die Rache nicht?

(Sie entfernt sich.)


Semele (tritt auf)

(In die Scene.) Die Sonne neigt sich schon – Auf Zofen, eilt!
Durchbalsamet den Saal mit Weihrauchdüften,
Streut Rosen und Narcissen rings umher,

70
Vergeßt auch nicht das goldgewebte Polster –
[204]

(vor sich.) Er kommt noch nicht – die Sonne neigt sich schon –
(in die Scene.) Und haltet köstliche Früchte
Bereit. –

Juno (stürzt in Gestalt einer Alten herein.)

Gelobet seyen die Götter! Meine Tochter!

Semele.

75
Ha! wach ich? träum ich? Götter! Beroe?


Juno (an ihrem Hals.)

Sollt ihre alte Amme Semele
Vergessen haben?

Semele.

Beroe! beym Zevs.

Juno.

Ich bins!

[205]
Semele. (umarmt sie.)

Laß an mein Herz dich drücken – deine Tochter –

80
Du lebst? Was führt von Epidaurum dich

Zu mir? Wie lebst du? Du bist doch noch immer
Meine Mutter?

Juno.

     Mutter?
Eh nanntest du mich so.

Semele.

     Du bist es noch,
Wirst’s bleiben, bis von Lethes Taumeltrank

85
Ich trunken bin –


Juno.

     Bald wird wohl Beroe
Vergessenheit aus Lethes Kelche trinken,
Die Tochter Kadmus trinkt vom Lethe nicht.

Semele.

Wie das? den doch mein Eltervater Agenor
Gekostet hat? –

[206]
Juno.

     Wird Semele nicht kosten.

Semele.

90
Wie meine Gute? räzelhaft war sonst

Nie deine Rede, nie geheimnißvoll,
Der Geist der grauen Haare spricht aus dir –
Ich werde, sagst du, Lethes Trank nicht kosten?

Juno.

So sagt’ ich, ja! was spottest du

95
Der grauen Haare? – Freilich haben sie

Noch keinen Gott bestriket wie die blonden –

Semele.

Verzeih der Unbesonnenen[4] – wie wollt’ ich
Der grauen Haare spotten, werden wohl
Die meinen ewig blond vom Nacken fliesen? –

100
Was aber wars, das zwischen deinen Zähnen

Du murmeltest? – Ein Gott? –

Juno. (rasch.)

 Sagt’ ich, ein Gott?
Nun ja, die Götter wohnen überall:

[207]

Sie anzuflehn, steht schwachen Menschen schön.
Die Götter sind wo du bist – Semele!

105
Was fragst du mich?


Semele.

 Wie? meine Beroe?
So fremd? warum diß Herz vor mir verschlossen,
Das einst so froh in mein Herz überwallte?
Das wolltest du nicht sagen? –

Juno.

 Wollt’ ich mehr
Die Götter sind wo du bist – konnt’ ich mehr noch sagen?

110
Die Götter wohnen gern um Semele?


Semele.

Boshaftes Herz! – doch sprich was führte dich
Den weiten Weg von Epidaurum her,
Das doch wohl nicht, daß gern die Götter wohnen
Um Semele?

[208]
Juno.

 Beim Jupiter nur das!

115
Welch Feuer fuhr in deinen Wangen auf,

Als ich das Jupiter aussprach? – nichts anders
Als jenes, meine Tochter – schröklich rast
Die Pest zu Epidaurum, tödtend Gift
Ist jeder Hauch, und jeder Athem würget,

120
Den Sohn verbrennt die Mutter, seine Braut

Der Bräutigam, die feuerflammenden
Holzstöße machen Tag aus Mitternacht,
Und Klagen heulen rastlos in die Luft,
Unüberschwänglich ist das Weh! – entrüstet

125
Blikt Zevs auf unser armes Volk herab,

Vergebens strömt ihm Opferblut, vergebens
Zermartert am Altare seine Knie
Der Priester, unserm Flehen ist sein Ohr verriegelt –
Drum sandt’ zu Kadmus groser Königstochter mich

130
Mein wehbelastet Vaterland, ob ich

Von ihr erbitten könnte seinen Grimm

[209]

Von uns zu wenden – Beroe die Amme
Gilt viel, gedachten sie, bey Semelen – bey Zevs
Gilt Semele so viel – mehr weiß ich nicht,

135
Versteh noch weniger, was sie damit

Bedeuten: Semele vermag bey Zevs so viel.

Semele. (heftig, und vergessen.)

Die Pest wird morgen weichen – sags dem Volk,
Zevs liebt mich! sags! heut muß die Pest noch weichen!

Juno (auffahrend mit Staunen.)

Ha! ist es wahr? was tausendzüngiges Gerücht

140
Vom Ida bis zum Hömus hat geplaudert?

Zevs liebt dich? Zevs grüßt dich in aller Pracht,
Worinn des Himmels Bürger ihn bestaunen,
Wenn in Saturnia’s Umarmungen er sinkt? –
Laßt Götter! laßt die grauen Haare nun

145
Zum Orkus fahren – satt hab ich gelebt –

In seiner Götterpracht steigt Kronos groser Sohn
Zu ihr, zu ihr, die einst an dieser Brust
Getrunken hat – zu ihr –

[210]
Semele.

 O Beroe! er kam.
Ein schöner Jüngling reizender als keiner

150
Auroras Schooß entflossen, paradisisch reiner

Als Hesperus, wenn er balsamisch haucht,
In Aetherflut die Glieder eingetaucht,
Die Haare seidenweich und säuselnd aufgehoben,
Den Schwanenhals in Lockennacht verschoben,

155
Das reizendste Gemisch von Finsterniß und Licht –

Elysium sein Blik, sein schimmernd Angesicht
Mit Rosenroth purpurisch durchgewoben,
Voll Ernst sein Gang, und majestätisch, wie
Hyperions, wenn Köcher, Pfeil und Bogen

160
Die Schultern niederschwirren, wie

Vom Ozean sich heben Silberwoogen
Auf Mayenlüften hintennach geflogen
Sein Lichtgewand, die Stimme Melodie,
Ein Ohrenmahl wie Sphärenharmonie!

165
Wie Silberklang aus fliessenden Krystallen –

Entzükender als Orpheus Saiten schallen –

[211]

Ein Zauberbild wie noch vor keinem Auge schwam,
Das Statuen belebt, und Lebende versteinert,
Diß, tausendfach erhöht, und tausendfach verfeinert,

170
Erreicht den Schatten nicht von meinem Bräutigam.


Juno.

Ha! meine Tochter! – die Begeisterung
Erhebt dein Herz zum helikonschen Schwung!
Wie muß das Hören seyn! wie himmelvoll das Bliken!
Wenn schon die sterbende Erinnerung

175
Von hinnen rükt in delfischem Entzüken? –

Wie aber? warum schweigst du mir
Das kostbarste? Chronions höchste Zier,
Die Majestät auf rothen Donnerkeulen
Die durch zerrissene Wolken eilen,

180
Willst du mir geizig schweigen? – Liebenswürdigkeit

Mag auch Prometheus und Deukalion
Verliehen haben – Donner wirft nur Zevs!

[212]

Die Donner die zu deinen Füßen
Er niederwarf, die Donner sind es nur

185
Die zu der Herrlichsten auf Erden dich gemacht. –


Semele. (stuzt.)

Wie, was sagst du? hier ist von keinen Donnern
Die Rede. –

Juno. (lächelnd.)

 Semele! auch Scherzen steht dir schön!

Semele.

So himmlisch, wie mein Jupiter, war noch
Kein Sohn Deukalions – von Donnern weiß ich nichts!

Juno.

190
Ey! Eifersucht!


Semele.

 Nein Beroe! beim Zevs!

Juno.

Du schwörst?

Semele.

 Beim Zevs! Bei meinem Zevs!

[213]
Juno (schreyend.)

  Du schwörst?

Semele.

Wie wird dir? – Keine Spur von Donnern!

Juno (erschrocken.)

 Keine Spur
Unglückliche?

Semele.

 Wahrhaftig, kein Gedanke!

Juno.

Entsezlich! was nicht ein Gedanke?

Semele (ängstlich.)

 Beroe!

Juno.

195
Sprichs noch einmal das Wort, das zur Elendesten

Auf Tellus ganzem großem Rund dich macht! –
Nicht eine Spur von Donnern, kein Gedanke?

Semele.

Ihr Götter! kann ich anders sagen?

[214]
Juno (mit verzweifeltem Geschrey.)

 Ha!
Vernahmt ihrs auch ihr der Olympus Mächte!

200
Du Feuerrad des Titans! – Nordische Trionen!

Du Trillingsstirn der Gräber Pilgerin!
Ihr des Neptunus Schrecken! Ihr des Orkus Nächte!
Vernahmt ihrs auch? – Sie kann nichts anders sagen –
Verlohrene! das war nicht Zevs!

Semele.

 Nicht Zevs

205
Abscheuliche!


Juno.

 Ein lockerer Geselle
Aus Attika, der unter Gottes Larve
Die Ehre, Schaam und Unschuld wegbetrog! –

(Semele sinkt um.)

Ja stürz nur hin! Steh ewig niemals auf!
Laß ew’ge Nacht dein Licht verschlingen, laß

210
Um dein Gehör sich lagern ew’ge Stille!
[215]

Bleib ewig hier ein Felsenzaken kleben! –
O Schande! Schande! die den keuschen Tag
Zurük in Hekates Umarmung schleudert!
So Götter! Götter! so muß Beroe

215
Nach sechszehn schwer durchlebten Trennungsjahren

Die Tochter Kadmus wiedersehn! – Frohlockend
Zog ich von Epidaurum her, mit Schaam
Muß ich zurük nach Epidaurum kehren! –
Verzweiflung bring ich mit! O Jammer! O mein Volk!

220
Die Pest mag ruhig bis zur zwoten Ueberschwemmung

Fortwüten, mag mit aufgebäumten Leichen
Den Oeta übergipfeln, mag
Ganz Griechenland in ein Gebeinhaus wandeln,
Eh Semele den Grimm der Götter beugt.

225
Betrogen ich und du und Griechenland und alles!


Semele (richtet sich zitternd auf, und strekt einen Arm nach ihr aus.)

O meine Beroe!

[216]
Juno.

 Ermuntre dich mein Herz!
Vielleicht ists Zevs! Wahrscheinlich doch wohl nicht!
Vielleicht ists dennoch Zevs! Izt müssen wir’s erfahren!
Izt muß er sich enthüllen oder du,

230
Fliehst ewig seine Spur, gibst den Abscheulichen

Der ganzen Todesrache Thebens Preiß. –
Schau, theure Tochter auf – schau deiner Beroe
Ins Angesicht, das sympathetisch dir
Sich öffnet – wollen wir ihn nicht

235
Versuchen Semele?


Semele.

 Nein bei den Göttern!
Ich würd ihn dann nicht finden –

Juno.

 Würdest du
Wohl minder elend seyn, wenn du in bangen Zweifeln
Fortschmachtetest – und wenn ers dennoch wäre?

[217]
Semele (verbirgt das Haupt in Junos Schoos.)

Ach! Er ists nicht!

Juno.

 Und sich in allem Glanz

240
Worinn er je die schimmernden Gestirne

Verdunkelte, er je ein endlich Aug
Verblendete, vor dessen scharfem Schauen
(Dir ist es Abenddämmerung)
Die Sonnen schwarz vorüber schwanden,

245
Im Tanz die Sphären stille standen, –

Dir sichtbar stellte? – Semele! wie nun?
Dann sollte dichs gereuen ihn versucht
Zu haben?

Semele (auffahrend.)

 Ha! Enthüllen muß er sich!

Juno (schnell.)

Eh darf er nicht in deine Arme sinken –

250
Enthüllen muß er sich – drum höre gutes Kind

Was dir die redliche getreue Amme räth,

[218]

Was Liebe mir izt eben zugelispelt,
Vollbringen Liebe wird – sprich, wird er bald erscheinen?

Semele.

Eh noch Hyperion in Thetis Bette steigt,

255
Versprach er zu erscheinen –


Juno (vergessen, heftig.)

 Wirklich? Ha?
Versprach er? heut schon wieder? (faßt sich.) Laß ihn kommen
Und wenn er eben Liebestrunken nun
Die Arme auseinander schlingt nach dir,
So trittst du – Merk dirs – wie vom Bliz

260
Gerührt zurück. Ha! wie er stuzen wird,

Nicht lange lässest du mein Kind ihn stuzen,
Du fährst so fort, mit frostgen Minen die
Die Seele morden, (liebenden Megären!)
Ihn wegzustoßen – wilder, feuriger

265
Bestürmt er dich, die Sprödigkeit der Schönen

Ist nur ein Damm der einen Regenstrom
Zurükepreßt, und ungestümer prallen

[219]

Die Fluten an – Izt hebst du an zu weinen –
Giganten mocht er stehn, mocht ruhig niederschaun

270
Wenn Typheus hundertarmiger Grimm

Den Oßa und Olymp nach seinem Erbthron jagte –
Die Thränen einer Schönen fällen Zevs –
Du lächelst? – Gelt? die Schülerin
Ist weiser hier als ihre Meisterin? –

275
Nun bittest du den Gott, dir eine kleine kleine

Unschuld’ge Bitte zu gewähren, die
Dir seine Lieb und Gottheit siegeln sollte –
Er schwörts beym Styx! – Der Styx hat ihn gebannt!
Entschlüpfen darf er nimmermehr! Du sprichst:

280
„Eh sollst du diesen Leib nicht kosten, bis

In aller Kraft, worinn dich Kronos Tochter
Umarmt, du zu der Tochter Kadmus steigest!“
Laß dichs nicht schröken, Semele, wenn er
Die Grauen seiner Gegenwart, die Feuer

285
Die um ihn krachen, dir die Donner die
[220]

Den Kommenden umknallen, zu Popanzen
Aufstellen wird, den Wunsch dir zu entleiden,
Das sind nur leere Schreken Semele,
Die Götter thun mit dieser herrlichsten

290
Der Herrlichkeiten gegen Menschen karg –

Beharre du nur starr auf deiner ersten Bitte,
Und Juno selbst wird neidisch auf dich schielen.

Semele.

Die Häßliche mit ihren Ochsenaugen!
Er hat mirs oft im Augenblik der Liebe

295
Geklagt, wie sie mit ihrer schwarzen Galle

Ihn martere –

Juno (ergrimmt, verlegen bey Seite.)

 Ha! Wurm! den Tod für diesen Hohn!

Semele.

Wie meine Beroe? – Was hast du da gemurmelt?

Juno (verlegen.)

Nichts – meine Semele. Die schwarze Galle quält

[221]

Auch mich – Ein scharfer strafender Blik

300
Muß oft bey Buhlenden für schwarze Galle gelten –

Und Ochsenaugen sind so wüste Augen nicht.

Semele.

O pfui doch! Beroe! die garstigsten
Die je in einem Kopfe steken können! –
Und noch dazu die Wangen gelb und grün,

305
Des gift’gen Neides sichtbarliche Strafe –

Mich jammert Zevs, daß ihn die Keiferin
Mit ihrer ekelhaften Liebe keine Nacht
Verschont und ihren eifersücht’gen Grillen,
Das muß Ixions Rad im Himmel seyn.

Juno (in der äusersten Verwirrung und Wuth auf und ab rasend.)

310
Nichts mehr davon!


Semele.

 Wie Beroe? so bitter?
Hab ich wohl mehr gesagt, als wahr ist, mehr
Als klug ist? –

[222]
Juno.

 Mehr hast du gesagt
Als wahr ist, mehr als klug ist junges Weib!
Preiß dich beglükt, wenn deine blauen Augen

315
Dich nicht zu früh in Charons Nachen lächeln!

Saturnia hat auch Altär’ und Tempel,
Und wandelt unter Sterblichen – die Göttinn
Rächt nichts so sehr als höhnisch Nasenrümpfen.

Semele.

Sie wandle hier, und sey des Hohnes Zeugin!

320
Was kümmerts mich? – Mein Jupiter beschüzt

Mir jedes Haar, was kann mir Juno laiden? –
Doch laß uns davon schweigen Beroe,
Zevs muß mir heute noch in seiner Pracht erscheinen,
Und wenn Saturnia darob den Pfad

325
Zum Orkus finden sollte –


Juno (beiseit.)

 Diesen Pfad
Wird eine andre wohl noch vor ihr finden,
Wenn je ein Bliz Chronions trift! – (zu Semele.)

[223]

Ja Semele, sie mag vor Neid zerbersten
Wenn Kadmus Tochter, Griechenland zur Schau

330
Hoch im Triumfe zum Olympus steigt! –


Semele (leichtfertig lächelnd.)

 Meinst du?
Man werd’ in Griechenland von Kadmus Tochter hören?

Juno.

Ha! ob man auch von Sidon bis Athen
Von einem andern höret: Semele!
Götter, Götter, werden sich vom Himmel neigen,

335
Götter vor dir niederknien,

Sterbliche in demuthsvollem Schweigen
Vor des Riesentöders Braut sich beugen
Und in zitternder Entfernung – –

Semele (frisch aufhüpfend ihr um den Hals fallend.)

 Beroe!

Juno.

     Ewigkeiten – grauen Welten

340
     Wirds ein weißer Marmor melden:
[224]

     Hier verehrt’ man Semele!
     Semele der Frauen Schönste,
     Die den Donnerschleuderer
     Vom Olymp zu ihren Küssen

345
     In den Staub herunter zwang,

Und auf Famas tausendfach rauschenden Flügeln
Wirds von Meeren schallen, und brausen von Hügeln –

Semele (ausser sich.)

     Pythia! Apollo! – Wenn er doch
     Nur erschiene!

Juno.

 Und auf dampfenden Altären

350
     Werden sie dich göttlich ehren –


Semele (begeistert.)

     Und erhören will ich sie!
     Seinen Grimm mit Bitten söhnen,
     Löschen seinen Bliz in Thränen!
Glüklich glüklich machen will ich sie!

[225]
Juno (vor sich.)

355
     Armes Ding! das wirst du nie. –
(nachdenkend.)

Bald zerschmilzt – – – doch – garstig mich zu heißen! –
Nein! Das Mitleid in den Tartarus! (zu Semele.)
Flieh nur! Flieh nur meine Liebe,
Daß dich Zevs nicht merke, laß ihn lang

360
Deiner harren, daß er feuriger

Nach dir schmachte –

Semele.

 Beroe! der Himmel
Hat erkohren dich zu seiner Stimme!
Ich Glüksel’ge! vom Olympus neigen
Werden sich die Götter, vor mir niederknien

365
Sterbliche in demuthsvollem Schweigen – –

Laß nur – laß – ich muß von hinnen fliehn!

(eilig ab.)


Juno (siegjauchzend ihr nachblikend.)

Schwaches! stolzes! leichtbetrognes Weib!
Fressendes Feuer seine schmachtenden Blicke,

[226]

Seine Küsse Zermalmung, Gewittersturm

370
Seine Umarmung dir! – Menschliche Leiber

Mögen nicht ertragen die Gegenwart
Deß der die Donner wirft! – Ha! (in rasender Entzükung.)
Wenn nun ihr wächserner sterblicher Leib
Unter des Feuertriefenden Armen

375
Niederschmilzt, wie vor der Sonne Glut

Flokigter Schnee, – der Meineidige
Statt der sanften, weicharmigten Braut,
Seine eig’nen Schrecken umhalßt – wie frohlokend dann
Will ich herüber vom Zythaeron waiden mein Auge!

380
Rufen herüber, daß in der Hand ihm der Donnerkeil

Niederbebt! – Pfui doch! umarme
Nicht so unsanft Saturnius.

(sie eilt davon.)


(Simfonie.)
[227]
Zweyte Scene.
(Der vorige Saal.)


Plözliche Klarheit.


Zevs (in Jünglings Gestalt.) Merkur (in Entfernung.)


Zevs.

Sohn Maja!

Merkur (kniend mit gesenktem Haupt.)

 Zevs!

Zevs.

 Auf! Eile! Schwing
Die Flügel fort nach des Skamanders Ufer,

385
Dort weint am Grabe seiner Schäferin

Ein Schäfer – Niemand soll weinen
Wenn Saturnius liebet –
Ruf die Tode ins Leben zurük.

Merkur (aufstehend.)

Deines Hauptes ein allmächtiger Wink

390
Führt mich in einem Huy dahin, zurük

In einem Huy –

[228]
Zevs.

 Verzeuch! Als ich ob Argos flog,
Kam wallend mir ein Opferdampf entgegen
Aus meinen Tempeln – das ergözte mich,
Daß mich das Volk so ehrt – Erhebe deinen Flug

395
Zu Zeres meiner Schwester – so spricht Zevs, –

Zehntausendfach soll sie auf fünfzig Jahr
Den Argiern die Halmen wiedergeben –

Merkur.

Mit zitternder Eile
Vollstrek ich deinen Zorn – mit jauchzender

400
Allvater deine Huld; denn Wollust ists

Den Göttern Menschen zu beglüken, zu verderben
Die Menschen ist den Göttern Schmerz – Gebeut!
Wo soll ich ihren Dank vor deine Ohren bringen,
Nieden im Staub, oder droben im Göttersitz?

Zevs.

405
Nieden im Göttersiz! – Im Pallaste

Meiner Semele! Fleuch!

(Merkur geht ab.)
[229]

– – – – – – – Sie kommt mir nicht entgegen
Wie sonst, an ihre wollustschwellende Brust
Den König des Olympus zu empfangen?

410
Warum kommt meine Semele mir nicht

Entgegen? – Oedes – todes – grauenvolles Schweigen
Herrscht rings umher im einsamen Pallast,
Der sonst so wild und so bachantisch lermte –
Kein Lüftchen regt sich – auf Zythärons Gipfel

415
Stand siegfrohlokend Juno – ihrem Zevs

Will Semele nicht mehr entgegen eilen – – –

(Pause, Er fährt auf.)

Ha! sollte wohl die Frevlerin gewagt
In meiner Liebe Heiligthum sich haben? –
Saturnia – Zythäron – ihr Triumf –

420
Entsezen Ahndung! – Semele – – Getrost! –

Getrost! Ich bin dein Zevs! Der weggehauchte Himmel
Solls lernen: Semele! Ich bin dein Zevs!

[230]

Wo ist die Luft, die sich erfrechen wollte
Rauh anzuwehn, die Zevs die seine nennt? –

425
Der Ränke spott ich – Semele, wo bist du? –

Lang schmachtet’ ich mein weltbelastet Haupt
An deinem Busen zu begraben, meine Sinnen
Vom wilden Sturm der Weltregierung eingelullt,
Und Zügel, Steur, und Wagen weggeträumt,

430
Und im Genuß der Seligkeit vergangen!

O Wonnerausch! Selbst Göttern süßer Taumel!
Glüksel’ge Trunkenheit! – Was ist Uranos Blut,
Was Nektar und Ambrosia, was ist
Der Thron Olymps, des Himmels goldenes Zepter,

435
Was Allmacht, Ewigkeit, Unsterblichkeit, ein Gott?

 Ohne Liebe?
Der Schäfer, der an seines Stroms Gemurmel
Der Lämmer an der Gattinn Brust vergißt,
     Beneidete mir meine Keile nicht.

440
Sie naht – Sie kommt – O Perle meiner Werke
[231]

Weib! – Anzubeten ist der Künstler, der
Dich schuf – – Ich schuf dich – bet mich an,
Zevs betet an vor Zevs, der dich erschuf!
Ha! wer im ganzen Wesenreiche, wer

445
Verdammet mich? – Wie unbemerkt, verächtlich

Verschwinden meine Welten, meine stralenquillenden
Gestirne, meine tanzenden Systeme,
Mein ganzes großes Saitenspiel, wie es
Die Weisen nennen, wie das alles tod

450
 Gegen eine Seele?


Semele (kommt näher ohne aufzuschauen.)


Zevs.

Mein Stolz! Mein Thron ein Staub! O Semele!

(fliegt ihr entgegen, sie will fliehen.)

Du fliehst? – Du schweigst? – Ha! Semele! du fliehst?

Semele (ihn wegstoßend.)

Hinweg!

[232]
Zevs (nach einer Pause des Erstaunens.)

 Träumt Jupiter? Will die Natur
Zu Grunde stürzen? – so spricht Semele? –

455
Wie, keine Antwort – Gierig strekt mein Arm

Nach dir sich aus – so pochte nie mein Herz
Der Tochter Agenors entgegen, so
Schlugs nie an Ledas Brust, so brannten meine Lippen
Nach Danaes verschloßnen Küssen nie

460
Als jezo –


Semele.

 Schweig Verräther!

Zevs (unwillig zärtlich.)

 Semele!

Semele.

Fleuch!

Zevs (mit Majestät sie ansehend.)

 Ich bin Zevs!

Semele.

 Du Zevs?

[233]

Erzittre Salmoneus, mit Schreken wird
Er wiederfodern den gestohl’nen Schmuck
Den du gelästert hast – Du bist nicht Zevs!

Zevs (groß.)

465
Der Weltbau dreht im Wirbel sich um mich

Und nennt mich so –

Semele.

 Ha! Gotteslästerung!

Zevs (sanfter.)

Wie, meine Göttliche? Von wannen dieser Ton?
Wer ist der Wurm der mir dein Herz entwendet?

Semele.

Mein Herz war dem geweyht, deß Aff du bist –

470
Oft kommen Menschen unter Götterlarve

Ein Weib zu fangen – Fort! Du bist nicht Zevs!

Zevs.

Du zweifelst? Kann an meiner Gottheit Semele
Noch zweifeln?

[234]
Semele (wehmüthig.)

 Wärst du Zevs! Kein Sohn
Des Morgennimmerseyns soll diesen Mund berühren,

475
Zevs ist diß Herz geweiht – – – O wär’st du Zevs!


Zevs.

Du weinest? Zevs ist da, und Semele soll weinen?
(niederfallend.) Sprich, fodre und die knechtische Natur
Soll zitternd vor der Tochter Kadmus liegen!
Gebeut! und Ströme machen gählings Halt!

480
Und Helikon, und Kaukasus und Cynthus

Und Athos, Mykale, und Rhodope und Pindus,
Von meines Winkes Allgewalt
Entfesselt, küssen Thal und Triften
Und tanzen Floken gleich in den verfinsterten Lüften

485
Gebeut, und Nord und Ost und Wirbelwind

Belagern den Allmächtigen Trident,

[235]

Durchrütteln Posidaons Throne,
Empöret steigt das Meer Gestad und Damm zu Hohne,
Der Bliz prahlt mit der Nacht, und Pol und Himmel krachen,

490
Der Donner brüllt aus tausendfachem Rachen,

Der Ocean lauft gegen den Olympus Sturm,
Dir flötet der Orkan ein Siegeslied entgegen,
Gebeut –

Semele.

 Ich bin ein Weib, ein sterblich Weib,
Wie kann vor seinem Topf der Töpfer liegen,

495
Der Künstler knien vor seiner Statue?


Zevs.

Pygmalion beugt sich vor seinem Meisterstücke –
Zevs betet an vor seiner Semele!

Semele (heftiger weinend.)

Steh auf – Steh auf – O weh! mir armen Mädchen!
Zevs hat mein Herz, nur Götter kann ich lieben,

[236]
500
Und Götter lachen mein, und Zevs verachtet mich!


Zevs.

Zevs der zu deinen Füßen ligt –

Semele.

 Steh auf!
Zevs thronet über höhren Donnerkeulen,
Und spottet eines Wurms in Junos Armen.

Zevs (mit Heftigkeit)

Ha! – Semele und Juno! – Wer

505
Ein Wurm?


Semele.

 O unaussprechlich glücklich wär
Die Tochter Kadmus – wärst du Zevs – O weh
Du bist nicht Zevs!

Zevs (steht auf.)

 Ich bin’s! (rekt die Hand aus, ein Regenbogen steht im Saal.)
(Die Musik begleitet die Erscheinung.)
 Kennst du mich nun?

[237]
Semele.

Stark ist des Menschen Arm, wenn ihn die Götter stüzen,
Dich liebt Saturnius – Nur Götter kann

510
Ich lieben –


Zevs.

 Noch! Noch zweifelst du
Ob meine Kraft nur Göttern abgeborget
Nicht Gottgebohren sey? – Die Götter, Semele,
Verleih’n den Menschen oft wohlthätige Kräfte,
Doch ihre Schreken leihen Götter nie –

515
Tod und Verderben ist der Gottheit Siegel,

Tödend enthüllt sich Jupiter dir!

(er rekt die Hand aus. Knall, Feuer, Rauch
und Erdbeben. Musik begleitet hier und
in Zukunft den Zauber.)


Semele.

Zieh deine Hand zurük! – O Gnade! Gnade!
Dem armen Volk! – Dich hat Saturnius
Gezeuget –

Zevs.

 Ha! Leichtfertige!

[238]
520
Soll Zevs dem Starrsinn eines Weibes wohl

Planeten drehn, und Sonnen stillsteh’n heißen?
Zevs wird es thun! – Oft hat ein Göttersohn
Den feuerschwangern Bauch der Felsen aufgerizt,
Doch seine Kraft erlahmt in Tellus Schranken;

525
Das kann nur Zevs!
(er rekt die Hand aus, die
Sonne verschwindet, es wird
plözlich Nacht.)


Semele (stürzt vor ihn nieder.)

 Allmächtiger! – O wenn
Du lieben könntest! (es wird wiederum Tag)

Zevs.

 Ha! die Tochter Kadmus fragt
Chronion, ob Chronion lieben könnte?
Ein Wort, und er wirft seine Gottheit ab,
Wird Fleisch und Blut, und stirbt und wird geliebt.

Semele.

530
Das thäte Zevs?


Zevs.

 Sprich, Semele, was mehr?

[239]

Apollo selbst gestand, es sey Entzüken
Mensch unter Menschen seyn – Ein Wink von dir! Ich bins!

Semele (fällt ihm um den Hals.)

O Jupiter, die Weiber Epidaurum schelten
Ein thöricht Mädchen deine Semele

535
Die von dem Donnerer geliebet, nichts

Von ihm erbitten kann –

Zevs (heftig.)

 Erröthen sollen
Die Weiber Epidaurum! – Bitte! Bitte nur!
Und bei dem Styx, deß schrankenlose Macht
Selbst Götter sklavisch beugt – Wenn Zevs dir zaudert,

540
So soll der Gott in einem einz’gen Nu

Hinunter mich in die Vernichtung donnern!

Semele (froh aufspringend.)

Daran erkenn ich meinen Jupiter!
Du schwurest mir – der Styx hat es gehört!
So laß mich dann nie anders dich umarmen

545
Als wie –
[240]
Zevs (erschroken, schreyend.)

 Unglükliche halt ein!

Semele.

Saturnia –

Zevs (will ihr den Mund zuhalten.)

 Verstumme!

Semele.

 Dich umarmt!

Zevs (bleich, von ihr weggewandt)

Zu spät! Der Laut entrann! Der Styx! Du hast den Tod
Erbeten Semele! –

Semele.

 Ha! So liebt Jupiter?

Zevs.

Den Himmel gäb’ ich drum, hätt’ ich dich minder nur

550
Geliebt! (mit kaltem Entsezen sie anstarrend.) du bist verloren –
[241]
Semele.

 Jupiter!

Zevs (grimmig vor sich hinredend.)

Ha! merk ich nun dein Siegfrohloken, Juno?
Verwünschte Eifersucht! – O diese Rose stirbt!
Zu schön – O weh! Zu kostbar für den Acheron!

Semele.

Du geizest nur mit deiner Herrlichkeit!

Zevs.

555
Fluch über meine Herrlichkeit, die dich

Verblendete! Fluch über meine Größe,
Die dich zerschmettert! Fluch! Fluch über mich!
Daß ich mein Glük auf morschen Staub gebaut!

Semele.

Das sind nur leere Schrecken, Zevs, mir bangt

560
Vor deinem Drohen nicht!


Zevs.

 Bethörtes Kind!
Geh – nimm das lezte Lebewohl auf ewig

[242]

Von deinen Freundinnen – nichts – nichts vermag
Dich mehr zu retten – Semele! ich bin dein Zevs!
Auch das nicht mehr – Geh –

Semele.

 Neidischer! der Styx!

565
Du wirst mir nicht entschlüpfen.
(sie geht ab.)


Zevs.

Nein! triumfiren soll sie nicht. – Erzittern
Soll sie – und kraft der tödenden Gewalt,
Die Erd und Himmel mir zum Schemel macht,
Will an den schrofsten Felsen Thraziens

570
Mit diamantnen Ketten ich die Arge schmieden,

Auch diesen Schwur –

Merkur erscheint in Entfernung.


 Was will dein rascher Flug?

Merkur.

Feurigen geflügelten weinenden Dank
Der Glüklichen –

[243]
Zevs.

 Verderbe sie wieder!

Merkur (erstaunt.)

Zevs!

Zevs.

 Glüklich soll niemand seyn!

575
Sie stirbt –


(Der Vorhang fällt.)
Y.




Die Büchse der Pandora.


Als aus Pandora’s Jammerbüchse
     Das Weh auf unsre Kugel lief,
Versezten ein’ge schlaue Füchse:
     „Du gabst was nur die Büchs’ begriff,

5
„So gib uns lieber auch – die Büchse.
Z.
[244]
Die schlimmen Monarchen.


Euren Preiß erklimme meine Leyer –
Erdengötter – die der süsen Feyer
     Anadyomenens sanft nur klang;
Leiser um das pompende Getöse,

5
Schüchtern um die Purpurflammen eurer Gröse

     Zittert der Gesang.

Redet! soll ich goldne Saiten schlagen,
Wenn vom Jubelruf empor getragen
     Euer Wagen durch den Wahlplaz rauscht?

10
Wenn ihr, schlapp vom eisernen Umarmen,

Schwere Panzer mit den weichen Rosenarmen
     Eurer Phrynen tauscht? –

[245]

Soll vielleicht im Schimmer goldner Raifen,
Götter, euch die kühne Hymne greifen

15
     Wo in mystisch Dunkel eingemummt

Euer Spleen mit Donnerkeilen tändelt,
Mit Verbrechen eine Menschlichkeit bemäntelt
     Bis – das Grab verstummt?

Sing ich Ruhe unter Diademen?

20
Soll ich, Fürsten, eure Träume rühmen? –

     Wenn der Wurm am Königsherzen zehrt
Weht der goldne Schlummer um den Mohren,
Der den Schatz bewacht an des Pallastes Thoren,
     Und – ihn nicht begehrt.

25
Zeig o Muse, wie mit Rudersklaven

Könige auf einem Polster schlafen,
     Die gelöschten Blize freundlich thun,
Wo nun nimmer ihre Launen foltern,
Nimmer die Theaterminotaure poltern,

30
     Und – die Löwen ruhn.
[246]

Auf! Betaste mit dem Zaubersiegel,
Hekate, des Gruftgewölbes Riegel!
     Horch! die Flügel donnern jach zurük!
Wo des Todes Odem dumpfig säuselt,

35
Schauerluft die starren Loken aufwärts kräuselt,

     Sing ich – Fürstenglük. – –

Hier das Ufer? – Hier in diesen Grotten
Stranden eurer Wünsche stolze Flotten?
     Hier – wo eurer Gröse Flut sich stößt?

40
Ewig nie dem Ruhme zu erwarmen,

Schmiedet hier die Nacht mit schwarzen Schauerarmen
     Potentaten fest.

Traurig funkelt auf dem Todenkasten
Eurer Kronen, der umperlten Lasten,

45
     Eurer Szepter undankbare Pracht.

Wie so schön man Moder übergoldet!
Doch nur Würmer werden mit dem Leib besoldet.
     Dem – die Welt gewacht.

[247]

Stolze Pflanzen in so niedern Beeten!

50
Seht doch! – wie mit welken Majestäten

     Garstig spaßt der unverschämte Tod!
Die durch Nord und Ost und West geboten –
Dulden sie des Unholds ekelhafte Zoten,
     Und – kein Sultan droht?

55
Springt doch auf, ihr störrige Verstummer,

Schüttelt ab den tausendpfundgen Schlummer,
     Siegespauken trommeln aus der Schlacht,
Höret doch, wie hell die Zinken schmettern!
Wie des Volkes wilde Vivat euch vergöttern!

60
     Könige erwacht!


Siebenschläfer! – o so hört die hellen
Hörner klingen und die Doggen bellen!
     Tausendrörigt knallt das Jagdenfeu’r:
Muntre Rosse wiehern nach dem Forste,

65
Blutig wälzt der Eber seine Stachelborste,

     Und – der Sieg ist eu’r!

[248]

Was ist das? – Auch Fürsten schweigen selber?
Neunfach durch die heulenden Gewölber
     Spottet mir ein schleifend Echo nach –

70
Hört doch nur den Kammerjunker düßeln:

Euch beehrt Madonna mit geheimen Schlüsseln
     In – ihr Schlafgemach.

Keine Antwort – Ernstlich ist die Stille –
Fällt denn auch auf Könige die Hülle,

75
     Die die Augen des Trabanten dekt? –

Und ihr fodert Anbetung in Asche,
Daß die blinde Meze Glük in eure Tasche
     Eine – Welt gestekt?

Und ihr rasselt, Gottes Riesenpuppen,

80
Hoch daher in kindischstolzen Gruppen,

     Gleich dem Gaukler in dem Opernhaus? –
Pöbelteufel klatschen dem Geklimper,
Aber weinend zischen den erhabnen Stümper
     Seine Engel aus.

[249]
85
Ins Gebiet der leiseren Gedanken,

Würden – überwänden sie die Schranken –
     Schlangenwirbel eure Mäkler drehn;
Lernt doch, daß die euren zu entfalten,
Blike, die auch Pharisäerlarven spalten,

90
     Von dem Himmel sehn.


Prägt ihr zwar – Hohn ihrem falschen Schalle! –
Euer Bild auf lügende Metalle,
     Schnödes Kupfer adelt ihr zu Gold –
Eure Juden schachern mit der Münze, –

95
Doch wie anders klingt sie über jener Gränze,

     Wo die Waage rollt!

Deken euch Seraile dann und Schlösser,
Wann des Himmels fürchterlicher Presser
     An des grosen Pfundes Zinsen mahnt?

100
Ihr bezahlt den Bankerott der Jugend

Mit Gelübden, und mit lächerlicher Tugend,
     Die – Hanswurst erfand.

[250]

Berget immer die erhabne Schande
Mit des Majestätsrechts Nachtgewande!

105
     Bübelt aus des Thrones Hinterhalt.

Aber zittert für des Liedes Sprache,
Kühnlich durch den Purpur bohrt der Pfeil der Rache
     Fürstenherzen kalt.

Y.
[251]
Graf Eberhard der Greiner
von Wirtemberg.


Kriegslied.


Ihr – ihr dort aussen in der Welt
     Die Nasen eingespannt!
Auch manchen Mann, auch manchen Held,
Im Frieden gut, und stark im Feld

5
     Gebahr das Schwabenland.


Prahlt nur mit Karl und Eduard
     Mit Fridrich, Ludewig.
Karl, Fridrich, Ludwig, Eduard
Ist uns der Grav, der Eberhard,

10
     Ein Wettersturm im Krieg.
[252]

Und auch sein Bub, der Ulerich,
     War gern, wo’s eisern klang;
Des Grafen Bub der Ulerich,
Kein Fußbreit rükwärts zog er sich,

15
     Wenns drauf und drunter sprang.


Die Reutlinger, auf unsern Glanz
     Erbittert, kochten Gift,
Und bulten um den Siegeskranz,
Und wagten manchen Schwerdertanz,

20
     Und gürteten die Hüft –


Er grif sie an – und siegte nicht,
     Und kam gepantscht nach Haus,
Der Vater schnitt ein falsch Gesicht,
Der junge Kriegsmann floh das Licht,

25
     Und Thränen drangen raus.
[253]

Das wurmt ihm – Ha! Ihr Schurken wart!
     Und trugs in seinem Kopf.
Auswezen, bei des Vaters Bart!
Auswezen wollt er diese Schart

30
     Mit manchem Städtlerschopf.


Und Fehd entbrannte bald darauf,
     Und zogen Roß und Mann
Bei Döffingen mit hellem Hauf,
Und heller gings dem Junker auf,

35
     Und hurrah! heiß gings an.


Und unsers Heeres Losungswort
     War die verlohrne Schlacht:
Das riss’ uns wie die Windsbraut fort,
Und schmiss’ uns tief in Blut und Mord

40
     Und in die Lanzennacht.
[254]

Der junge Grav voll Löwengrimm
     Schwung seinen Heldenstab,
Wild vor ihm ging das Ungestüm,
Geheul und Winseln hinter ihm,

45
     Und um ihn her das Grab.


Doch weh! ach weh! ein Säbelhieb
     Sunk schwer auf sein Genik,
Schnell um ihn her der Helden Trieb,
Umsonst! Umsonst! erstarret blieb

50
     Und sterbend brach sein Blik.


Bestürzung hemmt des Sieges Bahn,
     Laut weinte Feind und Freund –
Hoch führt der Grav die Reuter an:
Mein Sohn ist wie ein andrer Mann!

55
     Marsch! Kinder! In den Feind!
[255]

Und Lanzen sausen feuriger,
     Die Rache spornt sie all,
Rasch über Leichen gings daher,
Die Städtler laufen kreuz und queer

60
     Durch Wald und Berg und Thal.


Und zogen wir mit Hörnerklang
     Ins Lager froh zurük,
Und Weib und Kind im Rundgesang
Beim Walzer und beim Becherklang

65
     Lustfeyren unser Glük.


Doch unser Grav – was thät er izt? –
     Vor ihm der todte Sohn.
Allein in seinem Zelte sizt
Der Grav, und eine Thräne blizt

70
     Im Aug auf seinen Sohn.
[256]

Drum hangen wir so treu und warm
     Am Graven unserm Herrn.
Allein ist er ein Heldenschwarm,
Der Donner ras’t in seinem Arm,

75
     Er ist des Landes Stern.


Drum ihr dort aussen in der Welt,
     Die Nasen eingespannt,
Auch manchen Mann, auch manchen Held,
Im Frieden gut und stark im Feld,

80
     Gebahr das Schwabenland.


W. D.
[257]
Alte Jungfern.


Schon freuen sich aufs Paradies
     Die Reichen und die Armen.
Nur alter Jungfern soll gewiß
     Auch das sich nicht erbarmen.

Au weh! Sie kamen schon zu spät
     In diesem Jammerleben,
Und werden, wie die Sage geht,
     Auch dort nicht viel erheben.

Sie haben’s Maul umsonst gespizt!
     Dort freyet man nicht wieder,
Und zwischen beiden Stühlen sizt
     Das arme Korpus nieder.

Z.
[258]
An Gott.


Du, der du Erd und Himmel riefst,
     Und Erd und Himmel kam,
Der Welten spricht, und Welten stehn,
     Wer bist du, großes Ding?

5
Des Morgens, wenn den Berg herauf

     In stiller Majestät
Die königliche Sonne steigt,
     Ruf ich: Du großes Ding!

Des Nachts, wenn über meinem Haupt

10
     Die hohen Sterne gehn,

Und Welt auf Welt vorüberrollt,
     Ruf ich: Du großes Ding!

[259]

Wenn gros und vest gleich Gottes Berg
     Der Leviathan steht,

15
Und wenn im Gras das Würmgen spielt,

     Ruf ich: Du großes Ding!

O großes wundergroßes Ding!
     Mir schwindelt dich zu sehn.
Ich schaudere erstarrt zurük

20
     Und fall – und bete an.


X.
[260]
Baurenständchen.


Mensch! Ich bitte guk heraus!
     Kleken nicht zwo Stunden,
Steh ich so vor deinem Haus,
     Stehe mit den Hunden.

5
S’regnet was vom Himmel mag,

S’g’wittert wie zum jüngsten Tag
     Pudelnaß die Hosen!
Platschnaß Rok und Mantel ey!
Rok und Mantel nagelneu,

10
     Alles dieser Loosen.

Draussen, draussen Sauß und Brauß!
Mensch! ich bitte guk heraus.

Ey zum Henker guk heraus!
     Löscht mir die Laterne –

15
Weit am Himmel Nacht und Grauß!

     Weder Mond noch Sterne.

[261]

Stoß ich schier an Stein und Stok,
Reisse Wams und Ueberrok,
     Ach daß Gott erbarme!

20
Heken, Stauden rings umher,

Gräben, Hügel kreuz und queer,
     Breche Bein und Arme.
Draussen, draussen Nacht und Grauß!
Ey zum Henker guk heraus!

25
Ey zum Teufel! guk heraus!

     Höre mein Gesuche!
Beten, Singen geht mir aus,
     Willst du, daß ich fluche?
Muß ich doch ein Hans Dampf seyn,

30
Frör ich nicht zu Stein und Bein

     Wenn ich länger bliebe?
Liebe das verdank ich dir,
Winterbeulen machst du mir,
     Du vertrakte Liebe!

35
Draussen, draussen Kalt und Grauß!

Ey zum Teufel guk heraus.

[262]

Donner alle! Was ist das,
     Das vom Fenster regnet,
Garstge Hexe, kothignaß,

40
     Hast mich eingeseegnet.

Regen, Hunger, Frost und Wind
Leid ich für das Teufelskind,
     Werde noch gehudelt!
Wetter auch! Ich pake mich!

45
Böser Dämon tummle dich,

     Habe satt gedudelt!
Draussen, draussen Sauß und Brauß!
Fahre wol – Ich geh nach Haus.

W. D.
[263]
Der Satyr und meine Muse.


Ein alter Satyr spukte
     Um meine Muse, die
Umherzog und begukte
     Durch eine Brille lüstern sie.

5
Bei Phöbus goldner Fakel,

     Bei Lunas bleichem Licht,
Schlich um ihr Tabernakel
     Der arme spizgeöhrte Wicht,

Und trillte manches Liedel

10
     Zu ihrer Schöne Preiß,

Und strich auf seiner Fiedel
     Wol manche fürchterliche Weis.

[264]

Und seine Augen schwollen
     Von Thränen Nüsse groß,

15
Und seine Seufzer schollen

     Wie Lieder von Silenus Roß.

Die Muse saß und spielte
     In ihrer Grotte drinn,
Sah grämlich aus, und schielte

20
     Auf Herrn Adonis Boksfuß hin.


Dich garstigen Pedanten!
     Wer dich auch küssen soll!
Spielst du nicht den Galanten
     Wie Meister Midas den Apoll?

25
Sprich alter Hörnerträger!

     Was ist scharmant an dir?
Schwarz bist du wie ein Neger,
     Rauch bist du wie ein Zottenthier.

[265]

Mich liebt ein junger Sänger,

30
     Fern im Teutonenland,

An ihn den Saitenschwinger
     Knüpft mich ein ewig Liebesband.

Sie sprachs und husch! und wischet
     Dem Räuber aus, er nach,

35
Von Amorn angefrischet,

     Und haschte sie und plerrt und sprach:

Halt an! Halt an! du Spröde!
     Halt an und höre mich!
Dein Dichtergen, ich wette!

40
     Bedankt sich noch gar säuberlich.


Schau dieses hübsche Dingel,
     Zu melden ohne Ruhm
Auf manchem breiten Bengel,
     Flog weidlich frisch das Dingel ’rum.

[266]
45
Das pfeffert sein Geschwäze,

     Und würzet seine Lehr,
Und macht dir derbe Säze
     Auf Kapp und Stekengäulen her.

Das beste Lied gewinnet

50
     Durch dieser Geisel Wut,

Was von der Geisel rinnet,
     Ist doch nichts mehr als – Narrenblut.

Die Geisel soll er haben,
     Gibst du mir einen Schmaz,

55
Und du kannst weiter traben,

     Mamsell, zu deinem teutschen Schaz.

Die Muse, schlau besonnen,
     Ging den Vertrag bald ein –
Der Satyr ist entronnen,

60
     Die Geisel ist nun mein!
[267]

Und soll auch hier nicht feyren,
     Das glaubt mir kek!
Die Küsse seiner Theuren
     Schenkt man doch in den Tag nicht weg.

65
Sie werden Flammen sprühen,

     Doch Narren zünden nie!
Vor Würden soll die fromme Muse knieen,
     Doch Würdenschänder geiselt sie.

P.
[268]
Die Winternacht.


Ade! Die liebe Herrgottssonne gehet,
     Grad über tritt der Mond!
Ade! Mit schwarzem Rabenflügel wehet
     Die stumme Nacht ums Erdenrund.

5
Nichts hör ich mehr durchs winternde Gefilde

     Als tief im Felsenloch
Die Murmelquell, und aus dem Wald das wilde
     Geheul des Uhus hör ich noch.

Im Wasserbette ruhen alle Fische,

10
     Die Schneke kriecht ins Dach,

Das Hündchen schlummert sicher unterm Tische,
     Mein Weibchen nikt im Schlafgemach.

[269]

Euch Brüderchen von meinen Bubentagen,
     Mein herzliches Willkomm!

15
Ihr sizt vielleicht mit traulichem Behagen

     Um einen teutschen Krug herum.

Im hochgefüllten Deckelglase malet
     Sich purpurfarb die Welt,
Und aus dem goldnen Traubenschaume stralet

20
     Vergnügen das kein Neid vergällt.


Im Hintergrund vergangner Jahre findet
     Nur Rosen euer Blik,
Leicht, wie die blaue Knasterwolke, schwindet
     Der trübe Gram von euch zurük.

25
Vom Schaukelgaul bis gar zum Doktorhute

     Stört ihr im Zeitbuch um,
Und zählt nunmehr mit federleichtem Mute
     Schweißtropfen im Gymnasium.

[270]

Wie manchen Fluch – noch mögen unterm Boden

30
     Sich seine Knochen drehn –

Terenz erpreßt, troz Herrn Minellis Noten,
     Wie manch verzogen Maul gesehn.

Wie ungestüm dem grimmen Landexamen
     Des Buben Herz geklopft;

35
Wie ihm, sprach izt der Rektor seinen Namen,

     Der helle Schweiß aufs Buch getropft –

Wohl redt man auch von einer –e– gewissen –
     Die sich als Frau nun spreißt,
Und mancher will der Leker baß nun wissen,

40
     Was doch ihr Mann baß – gar nicht weißt –


Nun ligt diß all im Nebel hinterm Rüken,
     Und Bube heißt nun Mann,
Und Fridrich schweigt der weiseren Perüken
     Was einst der kleine Friz gethan –

[271]
45
Man ist – Poz gar! – zum Doktor ausgesprochen,

     Wohl gar – beim Regiment!
Und hat vielleicht – doch nicht zu früh, gerochen,
     Daß Plane – Saifenblasen sind.

Hauch immer zu – und laß die Blasen springen;

50
     Bleibt nur diß Herz noch ganz!

Und bleibt mir nur – errungen mit Gesängen –
     Zum Lohn ein teutscher Lorbeerkranz.

†.
  1. WS: Druckfehler in der Vorlage: kind sche.
  2. Vorlage: leree
  3. Der würdige Mann, den diese Ode feiert, möge mir die Kühnheit vergeben, daß ich meine Sammlung mit Seinem Namen und Lobe kröne. Ob ich mich schon nicht für den Verfasser davon bekennen darf, so glaubte ich doch durch Aufnahme derselben in meine Anthologie ihr den Stempel des Gleichgefühls aufgedrükt zu haben, und ich freute mich dieses Anlasses meine wärmste Hochachtung gegen Denselben vor der ganzen Welt entblösen zu können.
    Der Herausgeber.
  4. Vorlage: Unbesonnnen