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Johann N. Schwendlers zuverläßiger Bericht von der gegenwärtigen Verfassung der Universität Marburgs (1748)

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Autor: Johann Nicolaus Schwendler
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Titel: Johann Nicolaus Schwendlers zuverläßiger Bericht von der gegenwärtigen Verfassung der Universität Marburgs
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Schwendler verfasste seinen Bericht über die Verfassung der Universität Marburg nur ein Jahr nach seiner Immatrikulation als Hofmeister des adligen Sprosses Sylvius Friedrich von Frankenberg und Ludwigsdorff 1748. Minutiös erfasst er darin die gelehrten Fächer sowie die dazugehörigen Professoren und sogar auswärtigen Gastgelehrten der Universität Marburg. Daneben berichtet er auch über das (adlige) Studentenleben und die Möglichkeiten, die die Universität neben der Lehre für diese bereit hält. Über den Adressaten ist nichts bekannt. Es wird vermutet, dass Schwendler die Flugschrift als Werbung für adlige Väter schrieb, damit diese dann ihre Söhne nach Marburg senden. Interessant ist, dass das eher unscheinbare Heft für zwei Groschen käuflich zu erwerben war und es somit eher einen allgemeinen Informationscharakter hat.

Die vorliegende Ausgabe trägt den handschriftlichen Vermerk „Schw[anksche] Stift[ung]“. Die Schwanksche Stiftung ist die umfangreichste Schenkung, die die heutige Hochschul- und Landesbibliothek Fulda 1886 durch den in Fulda geborenen Gerichtsobersekretär Adam Joseph Schwank erfahren hat. Vgl. Handbuch der historischen Buchbestände, Eintrag zur Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Online-Ausgabe.


Quelle

[Deckblatt]
7
M. 57

Schwank(sche) Stíf(ung) K d 37


Johann Nicolaus Schwendlers
zuverläßiger
Bericht
von der
gegenwärtigen Verfassung
der Universität
Marburg.




Anno 1748.
[PP]
P. P.

Gelegenheit zu diesem Schreiben.Dasjenige, so Eure Excellenz vom I. dieses an mich gelangen zu lassen gnädig geruhet haben, giebt deutlich zu erkennen, daß Dieselben bey dem gefaßten Schluß, den Herrn Sohn ehestens auf eine höhere Schule zu schicken, nicht abgeneigt seyn, zu solcher die Unversität Marburg zu erwehlen, wenn anders die verschiedene Vortheile, so man von derselben gegenwärtigen Verfassung zu rühmen pflege, auch in der That gegründet wären. Weil nun hiernächst Eure Excellenz, um mehrerer Gewißheit willen, eine hinlängliche und unpartheyische Nachricht von derselben Zustand überhaupt, besonders aber, in wie weit sie auch für Adeliche sey, wünschen, und solche aus der Ursache mir abzufordern belieben, weil ich nicht nur für mich, und dann mit Cavaliers als Hofmeister mehrere Universitäten zu sehen, sondern auch insonderheit die Marburgische seit einem Jahr sattsam kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hätte: So habe die Ehre, Eure Excellenz unterthänig zu versichern, daß [4] ich hiermit bey Vollstreckung dieses hohen Befehls in den mir davon bekannten Umständen blos der Wahrheit, in der übrigen aber der glaubwürdigen Erzehlung anderer, die ich darum befragt habe, nachgehen werde.

Eurer Excellenz dürfte zwar an der ehemaligen Verfassung dieser hohen Schule wenig gelegen seyn: inwischen möchte es auch vielleicht nicht mißfällig seyn, wenn ich vorher einen einzigen Blick in die vorige Zeiten, und mit wenigen einen Versuch thue, was sie schon vor zweyhundert Jahren fürgestellt habe.

Dieser Universität Ruhm in vorigen Zeiten. Um eben diese Zeit, da die Universitäten noch nicht so zahlreich, oder sich selbst untereinander fast überlästig waren, gabe die von dem Landgrafen Philipp dem Großmüthigen, höchstseligen Andenckens, im Jahr 1527.[1] zu Marburg angelegte [5] bereits keiner andern in Teutschland an Ruhm etwas nach. Ja, es schiene, als wenn die mehreste Provinzen von Europa es gleichsam mit einander verabredet, und sich vereinigt hätten, zur Erkenntlichkeit für die von solchem Musensitz, sowohl an gelehrten Wercken, als auch an geschickten Schülern, erhaltene viele Vortheile, von Zeit zu Zeit einige von ihren Landsleuten an Marburg abzugeben, welche theils als Lernende, theils als Lehrende dessen Ruhm allgemein zu machen helffen solten.

Von ausländischen Lehrern daselbst im 16. Seculo. Denn auf solche Weise wurden im sechzehnden Jahrhundert zu Lehrern unter andern daselbst abgegeben aus

Franckreich der berühmte Gottesgelehrte, Francisc. Lambertus, aus Avignon, welcher durch seine Schriften sich einen großen Namen erworben hat. [6] Aus der Schweiz: Bened. Aretius, gleichfalls ein berühmter Theolog.

Aus Italien: Gratarolus, ein erfahrner Medicus.

Aus Bayern: Balthas. Clamerus, welcher in dem bürgerlichen und Lehn-Rechte zu seiner Zeit keinem was nachgab.

Aus Schwaben: Aeg. Hunnius, und Erh. Schnepfius, deren jener zu dem im Jahr 1529. auf dem hiesigen Schloß zu Marburg und verschiedenen andern hier und da öffentlich angestellten Religionsgesprächen gezogen wurde, dieser aber zu Augspurg, Speyer und andern Orten seine Religion tapffer vertheidigte.

Aus Francken verdienet ausser dem Rechtslehrer Joh. Kornmann, und Georg Marius, einem geschickten Medicus, insonderheit hier angeführet zu werden Joh. Draconites, welcher vielen Synoden, Religionsgesprächen und der Ubergebung der Augspurgischen Confeßion mit beywohnte, und endlich zum Sammländischen Bischof erhoben wurde;

Aus der Wetterau unter andern die beede Vietor, davon Heinrich in der Gottesgelahrtheit, Theodor aber in der Griechischen Sprache sich hervor thate;

Aus Meissen: der in den mehresten Morgenländischen Sprachen erfahrne Georg Cruciger.

Aus Thüringen: Joh. Lonicerus, ein guter Hebräer.

[7] Aus Nieder-Sachsen, und zwar aus Hamburg: Joh. Oldendorp, welcher wegen seiner Schriften, und darinne in vielen Stücken verbesserten Jurisprudenz in sonderbarem Ansehen stunde.

Aus Westphalen: Joh. Göddäus, der durch seine Juristische Wercke so bekannt ist, als sein Landsmann, Herrmann von dem Busch, oder Buschius, einer der besten Poeten seiner Zeit, ein guter Historicus und auch von allen Hauptwissenschaften erfahrner Mann.

Aus Frießland: Regn. Sixtinus, ein Rechtslehrer.

Aus Geldern: Gerhard, ein Historienschreiber.

Aus Holland: Just. Velsius, ein Medicus.

Aus Brabant: Pet. Plateanus, ein Sittenlehrer.

Aus Flandern: Andr. Gerh. Hyperius, ein grosser Redner und Gottesgelehrter. etc.

Von dasigen Lehrern im 17. und 18. Jahrhundert Dieses sind nur die fürnehmste von den auswärtigen, welche nebst dem weltberühmten Juristen Herm Vulteius, und so vielen andern Heßischen Gelehrten im 16. Jahrhundert der hiesigen Universität als berühmte Lehrer fürgestanden. Nun wäre es zwar nicht schwer, auch aus den beeden folgenden Jahrhunderten keine geringere Anzahl derselben aufzuführen. Denn ich dürfte z. E. aus demjenigen, worinne wir noch leben, statt aller solcher grossen Lichter nur eines Vicecanzlars von Waldschmidt, eines Geheimdenraths, Baron von Wolff, und eines Reichshofraths [8] Baron von Cramer gedencken: allein ich sehe nicht wie sothane Weitläuftigkeit den Grenzen und dem Zweck meines Berichts gemäs wäre.

Von berühmten Männern / die zu Marburg studiret haben. Noch leichter solte es aber seyn, von denen Männern, welche ihre Gelehrsamkeit der hiesigen Universität hauptsächlich zu dancken, und nachgehends an dem Europäischen Gelehrten- und Staats-Himmel einen sonderbaren Glanz von sich gegeben haben, eine grosse Menge anzuführen.

Unter diesen würde z. E. insonderheit mit hervorleuchten Joh. Bogermann, aus Gröningen, welcher bey dem weltbekannten Synodus zu Dortrecht Präsident war; Ingleichen der gefürstete Abt zu Hersfeld, Crato von Weifenbach. Ja, wenn ich in deren weitläufige Erzehlung mich einlassen wolte, so müste ich nicht nur alle Teutsche und Niederländische Universitäten durchgehen, welche von hieraus berühmte Lehrer erhalten, sondern auch viele Prinzen, und noch mehrere Ministers, welche hier studiret, und hernach Land und Leute glücklich gemacht haben, namhaft machen.

Derselben Menge. Daß aber auch die Anzahl derer, in vorigen Zeiten hier studiret haben, sehr beträchtlich gewesen sey, kan ich unter andern mit den Worten des um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Lehrer der Beredsamkeit und Geschichte hier gestandenen, und nachmaligen Hamburgischen Predigers, Joh, Balthas. Schuppius, erweisen. Denn dieser Mann, welcher nicht allein durch seine verschiedene Schriften, sondern auch durch die ihm recht angebohrne Kunst, die Thorheiten der Welt überaus lebhaft [9] und offenherzig fürzustellen, bekannt genug ist, bedienet sich in der Zuschrift über seinen Teutschen Lucianus, an den Schwedischen General-Major, Landgrafen Friedrich zu Eschwegen, folgender Ausdrückungen: „Eur. hochfürstl. Gn. werden sich gnädig erinnern an die Zeit, da Sie zu Marburg studirten, und Eur. Hochfürstl. Gn. ältster Herr Bruder einstmals Ihro Hochfürstl. Gn. Herzog Ernst August zu Braunschweig-Lüneburg, Herrn Landgraf Ludwigen, und dem Herrn Landgrafen Georgen dem Jüngern die Visite gaben, daß damals fünf Fürsten, neun Grafen, neben vielen Edelleuten auf einmal zu mir ins Auditorium Philosophicum kommen, und haben mich für einen guten Kerle gehalten.“

Menge der academischen Promotionen. Von der Menge derer, die ehemals hier studiret haben, zeuget auch dasjenige, was man aus den Jahrbüchern der hiesigen Universität in Ansehung der daselbst geschehenen Promotionen weiß. Denn es sind von dem Jahr 1527. bis 1653. in der theologischen Facultät 38, in der Juristischen 267. und in der Medicinischen 67. zu Doctors, in der philosophischen Facultät aber 1516. zu Magisters ernennt worden, deren Anzahl sich ohnfehlbar noch weit höher würde belauffen haben, wenn nicht der 30. jährige Krieg und andere Schicksale, so diese Universität in ihrem erstern Jahrhundert gehabt, dazwischen gekommen wären.

So sahe demnach die Unversität Marburg in den vorigen Zeiten aus.

[10] Dieser Universität heutige Verfassung Wenn man nun derselben heutige Verfassung dargegen hält: so wird man finden, daß nach und nach in den neuern Zeiten, und bis auf den heutigen Tag noch viele und desto herrlichere Verbesserungen haben fürgenommen worden, jemehr die Durchlauchtigste Herren Landgrafen zu Hessen den Wissenschaften jederzeit gewogen und für deren Aufnahme bemüht gewesen. Auch gegenwärtig genieset diese Universität die Glückseligkeit, daß sie sich Ihro Königl. Majestät und Dero Durchlauchtigsten Herren Statthalters ganz sonderbaren Protection bey aller Gelegenheit vollkommen zu getrösten hat.

Die Lehrer. Weil es aber bey einer wohl eingerichteten Universität insonderheit auf solche Lehrer ankommt, welche nicht nur die gehörige Geschicklichkeit, sondern auch Fleiß genug besitzen, die academische Jugend in denen heutiges Tags erforderlichen Wissenschaften zu unterweisen: so mache ich billig bey denselben den Anfang, und beschreibe sie nach der Ordnung, welche in denen alle halbe Jahr im Druck heraus kommenden Lectionsverzeichnissen pfleget beobachtet zu werden, und in der Maase, wie sie mir theils selbst, theils durch verschiedene von denjenigen bekannt geworden, welche sie genauer kennen, oder die Stärcke und das Gute, worinne sich einer von dem anderen unterscheidet, reifer zu beurtheilen vermögen.

Lehrer der theologischen Facultät. In der theologischen Facultät hat dermalen den ersten Platz der Primarius, Beysitzer des geistlichen Consistorii und Aufseher der reformirten [11] Kirchen des Oberfürstenthums Marburg, Herr Johann Sigmund Kirchmeier, ein Mann, dem ein rechtschaffenes Wesen, eine gründliche Gelehrsamkeit und lange Erfahrung, eine allgemeine Hochachtung zuwege gebracht, und der solchergestalt seinem berühmten Vorfahrer gleiches Namens in diesem Amt zu folgen der würdigste war.

Nach diesem kommt der Herr D. und Prof. Franz Ulrich Ries, der durch Fleiß und Leutseligkeit bey seinen Zuhörern sich viele Liebe erworben hat. Die Anzahl derselben ist desto grösser, jemehr nur gedachte herrliche Eigenschaften mit einer gründlichen Gelehrsamkeit, wie nicht weniger mit einem guten Fürtrag vergesellschaftet sind.

Der Herr Prof. Johann Wilhelm Krafft ist zugleich Ephorus von den hier befindlichen Stipendiaten, welches nur Theologen und Philosophen sind, von deren freyen Kost, Wohnung und vielen andern Vortheilen ich zur andern Zeit etwas ausführlicher zu überschreiben mir die Ehre vorbehalte. Er ist erst vor etlichen Jahren von Hanau, wo er Prediger und Consistorialrath war, hieher beruffen worden, nachdem man schon vorhero, da er hier als Prediger stunde, seine vorzügliche Eigenschaften hatte kennen lernen. Seine fürtreffliche Gaben im Lehren so wohl, als im Predigen, machen, daß er in seinem Amt sehr vielen Beyfall findet.

Des ausserordentlichen Lehrers der Theologie, Herrn Schröders, will ich hernach unter den unter den Philosophen mit mehrern gedencken.

[12] Einigkeit der Religionen daselbst. Weil es zu Eurer Excellenz Absicht eben nicht dient, zu wissen, wie, und was für theologische Collegia gelesen werden: so habe mich auch nicht darnach erkundiget. Hingegen kann ich nicht ganz unberühret lassen, wie diese Facultät, welche bekanntermassen blos evangelisch refomirt ist, nicht nur unter sich selbst sehr einig, sondern auch von allem gehäßigen Eyfer gegen die evangelisch Lutherische, deren die meiste hiesiger Bürger sind, entfernt sey. Von diesem ihren löblichen Exempel mag es gutentheils mit herkommen, warum man auch unter ihren sowohl, als der andern Herren Prediger Zuhörern dergleichen Untugend so wenig und selten antrift, daß mancher sich wohl lange Zeit hier aufhält, ohne zu verspüren, daß zweyerley Religionen hier beysammen seyn.

Catholischer Gottesdienst in der Nähe.So wird auch den Herren Catholicken, an denen es unter den hiesigen Herrn Studenten niemalen fehelt, und welche gar nahe von hier, in den an der Stadt-Marburgischen Grenze liegenden Churmaynzischen Oertern, ihren Gottesdienst abzuwarten Gelegenheit haben, nicht das geringste in den Weg gelegt.


Juristen-Facultät.Daß die Juristen-Facultät und mit ihr diese ganze hohe Schul vor einiger Zeit ihren so verehrenswürdigen, als berühmten Vicecanzlar, Joh. Friedrich Hombergk zu Vach verlohren habe, und daß solche ansehnliche Stelle ohnlängst mit allgemeinem Beyfall in der Person des Herrn Regierungsraths, Johann Georg Estors, wieder besetzt worden, [13] davon haben bisher fast alle gelehrte Zeitungen Meldung gethan. Es würde mir selbst als ein lächerlicher Uberfluß fürkommen, wenn ich jemanden, der in die gelehrte Geschichte unserer Zeit auch nur einen einzigen Blick gethan, geschweige dann Eurer Excellenz, von den Verdiensten dieses Mannes hier viel erzehlen wolte, nachdem in dem Teutschen Reiche und in den Niederlanden fast keine protestantische Universität, wo er seit 15. Jahren her nicht wäre hin verlangt worden, mehr übrig, und seiner so wohl aufgenommenen Schriften eine solche Menge vorhanden ist, daß ich einen grossen Raum von diesem Schreiben brauchen würde, wenn ich dessen Wercke und Disputationes hier anführen wolte. Eure Excellenz haben zwar selbst mehrmals sich vernehmen lassen, wie Dieselben in seinen Abhandlungen ausser dem Gründlichen auch das Deutliche in einem hohen Grad fänden: allein ich kan auch überdies unterthänig versichern, daß diese ausserordentliche Gabe sich in seinem mündlichen Fürtrag noch mehr äussere. Man kan mit Recht von ihm sagen, daß er zu einem Professor gebohren sey. Denn man sieht und hört es gar deutlich, daß es wahr sey, wenn er sagt: Die Collegien sind meine Vergnügungs-Stunden. Er weiß auch vom Aussetzen der Lectionen nichts, ohne daß es die höchste Noth erforderte. Er vermag die Aufmercksamkeit seiner Zuhörer auf eine scharfsinnige, aufgeweckte und dabey so schicklich als edelmüthige Art dermassen zu unterhalten, daß ihnen sämmtlich die Stunde, die er doch mit dem Schlag anfängt, und [14] wiederum mit dem Schlag endiget, allzukurz fürkommt.

Seine Collegia betreffend, so ließt er für ordentlich von Ostern bis Michaelis das Teutsche Staatsrecht über Johann Jacob Mosers Einleitung; das Teutsche und Longobardische Lehnrecht über B. G. Struvens Elementa iuris feudalis, und zwar nach Hellfelds Ausgabe; Das examinatorio-elaboratorio-practicum über den gemeinen und Reichs-Proceß, nach seinen eigenen im Druck herausgekommenen Anfangsgründen.

Von Michaelis bis Ostern aber ließt er über Heineccius Pandecten, des Tags in zwey Stunden, wobey er jeden Titul in zwey Abschnitte theilet, und ihn erstlich Römisch, hernach practisch darstellt, auch mit den ihm in der Facultät und Hofgerichte vorgekommenen Fällen erläutert, und sinnlich begreiffen macht; Das Ius Canonicum wird ueber Böhmers oder Kahlens Einleitungen, und zwar jeder Titul erst ganz catholisch, sodann nach den protestantischen Sätzen abgehandelt. Statt dessen und wechselsweis liest er auch das Ius Germanicum, vorher über Heineccius, jetzo aber über seine eigene dictirte Sätze.

Bey allen diesen hält er das gantze Jahr hindurch alle Sonnabend ein öffentliches Disputatorium, und zwar so, daß er unter seinem und des Respondenten Namen auf einem Quartblatt verschiedene Theses drucken läßt. Was hierbey das nützlichste ist, so enthalten solche Sätze, nach der Ordnung des Moserischen Staatsrechts, so zu sagen, die Quintessenz [15] des Teutschen Iuris publici in sich. Was nun dieses absonderlich denen, so sich dem Staat widmen, für ein grosser Vortheil sey, davon können Eure Excellenz am besten urtheilen. In den Lectionen hat er jedesmal die darinne vorkommende Bücher, und nach Beschaffenheit auch die grössern Wercke bey der Hand, und bringt aus der gelehrten Historie mit wenigen das merckwürdigste, auch wohl oft mache Anecdote mit bey.

Den andern Platz in der Juristen-Facultät hat der Herr Doctor und Professor Johann Carl König, als dermaliger Prorector Magnificus, welcher sich nicht nur durch seine wohl aufgenommene Abhandlung von den Reichsvicarien und durch die Beschreibung des Reichstags zu Regenspurg, allwo er sich vorher bey einer hohen Gesandschaft viele Jahre aufgehalten hatte, sondern auch durch seine durch seine Selecta iuris publici, die Fortsetzung der Staatscanzelley unter Anton Fabers Namen, und dergleichen der gelehrten Welt bekannt genug gemacht hat. Daß er in der Philosophie ein wohlgerathener Schüler des Herrn Geheimdenraths, Baron von Wolf, sey, sieht man unter andern auch aus seinen in guter Ordnung geschriebenen Disputationen, und höret es aus dem Disputiren selbst, wo er die Regeln dieser Kunst, zu vielem Vergnügen der Zuhörer, sehr wohl und genau beobachtet. Dergleichen geschahe auch erst vor etlichen Tagen, da unter seinem Vorsitz Herr C. A. von Wiesenhüten aus Franckfurt, die von ihm selbst verfertigte Dissertation de Archimareschallo [16] Augustae Imperatricis mit dem grösten Lob vertheidigte. [2] Obgedachte schöne Ordnung hält unser Herr Professor König auch, so viel sichs ohne einigen Zwang thun läßt, in seinen Vorlesungen über das Recht der Natur, nach Heineccius Einleitung; über die Institutiones iuris civ. und pandectas, und zwar beyde über nur gedachten Heineccius; über das Lehnrecht; ingleichen über Mosers Teutsches Staatsrecht; über das Wechselrecht. Alle halbe Jahre hält er für ordentlich ein Examinatorium über I. L. Mylii Iurisprudentiam mnemonicam Romano-Ciuilem.

[17] Diesem folgt der Herr Doctor und Professor Aemilius Ludwig Hombergk zu Vach, welcher auch in seinem Amte zeigt, daß er vom obgedachten seligen Herrn Vicecanzlar Hombergk ein würdiger Sohn sey. Von der ungemeinen Stärcke, die er absonderlich in dem Römischen Rechte besitzt, zeugen auch seine verschiedene Dissertationes, davon ich die beede letztere, die er erst vor kurtzem gehalten, als eine Probe mit beyzulegen die Ehre habe.

Weil auch sein mündlicher Fürtrag eben so deutlich, als seine Gelehrsamkeit gründlich ist, so hat er jederzeit eine starcke Anzahl von Zuhörern gehabt, und daß solche jemehr und mehr zunimmt, ist kein Wunder. Denn er sagt kein Wort vergeblich, und läßt keinen einzigen Punct unerörtert, wenn solcher aus den Alterthümern und der Historie der Rechte erklärt, und auf den heutigen Gebrauch angewendet zu werden verdienet. Die Collegien, so er von Zeit zu Zeit auf Verlangen seiner Zuhörer gehalten, sind: Historia Iuris über des seel. Herrn Vicecanzlar Koppens Einleitung; Boehmeri Positiones de gradibus prohibitis; Ius Cambiale und Strykii Introductionem ad praxin forensem. Für ordentlich aber ließt er alle Jahr über die Institutiones iur. ciu. und Pandectas nach Heineccius Einleitungen, welche von ihm und seinen Herren Collegen deswegen beliebt worden, weil sie vor vielen andern dergleichen Art Büchern in sofern einen Vorzug haben, daß man das Römische Recht darinne in mehrerm Zusammenhange und aus seinen [18] Grundsätzen hergeleitet findet. Ingleichen hält er ein Examinatorium über jedes von diesen beeden letztern Collegien wöchentlich in 2. Stunden. Das Disputatiorum wird alle Mittwoche angestellt, und zwar über gewisse Sätze, welche der Respondent selbst aufsetzen und nach Gefallen ausführen kan.

Welche Collegia alle halbe Jahr zu Ende gehen. Weil nun diese 3. Lehrer ihre Lectionen nach der bey der hiesigen juristischen und philosophischen Facultät eingeführten und von allen deren Professoren beobachteten Ordnung, alle halbe Jahr zu Ende bringen: so kan der gantze Cursus iuridicus in kurzer Zeit vollendet werden, wenn absonderlich das Werck gehörigermassen, z. E. nach dem vom obbemelten Herrn Vicecanzlar Estor in der Einladungsschrift zu seinen Wintervorlesungen 1742. geschehenen Vorschlag: Wie die Befliessenen der Rechtsgelahrheit zu einer gründlichen Wissenschaft der Rechte und des Processes ohne Umschweif gelangen mögen etc. angegriffen wird.

Einige rühmliche Umstände von der Juristischen Facultät. Gleichwie die juristische Facultät nicht nur schon zu den Zeiten des Hermann Vultejus und Göddäus (denen wir hauptsächlich die noch immer in Ansehen und Werth stehende Consilia Marburgensia zu dancken haben,) sondern auch nach der Hand viele berühmte Männer gehabt: also ist sie nicht weniger jetzo für die studirende Jugend wohl bestellt. Es gehet ihr überhaupt an dem, was zur guten Einrichtung eines solchen Collegii erfordert wird, nichts ab. Dahin gehöret zum Exempel, daß alle dabey einlauffende Acten in pleno referiret [19] werden. So hat sie auch mit den andern Facultäten allhier dieses gemein, daß sie nicht gewohnt ist, denen, welche einen academischen Gradum verlangen, solchen aber offenbar nicht verdienen, zu willfahren, und ihn dadurch bey den würdigern verächtlich zu machen. Daher es nichts neues ist, daß dergleichen mit ihrem Geld hier abgewiesen werden. [3]

Medicinische Facultät. Es ist jetzo nicht nur in der juristischen, sondern auch in der medicinischen Facultät eine Stelle ledig. Bey dieser thut dermalen das meiste der Herr Doctor und Professor Justin Gerhard Duising, welcher nicht blos vermittelst seiner glücklichen Curen und grossen Erfahrung, sondern auch wegen seiner Unverdrossenheit in hiesiger Stadt und Gegend in allgemeiner Hochachtung steht.

[20] Der Herr Professor Philipp Jacob Borell hat sich in der Fremde unter andern auch starck auf die Chirurgie gelegt, und thut sich vor vielen sonst berühmten Medicis insbesondere durch seine daselbst in den Kranckheiten und andern Umständen der Kindbetterinnen erlangte Geschicklichkeit hervor.

Philosophische Facultät. In der philosophischen Facultät ist oberwehnter Herr Professor und Pädagogearcha, Johann Joach. Schröder, zum ordentlichen Lehrer der Kirchengeschichte und Hebräischen Alterthümer bestellt. Wie starck er nicht nur in beeden Stücken, sondern auch in den Morgenländischen und andern Sprachen sey, davon geben selbst einige seiner geschickten Herren Söhne, die er darinne unterwiesen, ein lebendiges Zeugniß ab. Er hat sich unter andern Schriften insonderheit durch seinen Thesaurum linguae Armenicae antiquae et hodiernae bey der gelehrten Welt einen grossen Namen gemacht. Dieses Werck gab er 1711. zu Amsterdam heraus, nachdem er die auf Kosten des höchstseligen Herrn Landgrafens Carl drey Jahr lang nach Holland, Engeland, Moscau etc. angestellte Reisen mit vielem Vortheil geendiget hatte.

Der Herr Professor, Johann Conrad Spangenberg, macht seinen beeden grossen Lehrmeistern, Wolffen und Bernoulli, viele Ehre. Kaum hatte er des erstern öffentliche Schulen allhier, und des letztern privat Unterricht zu Basel mit grossem Nutzen verlassen, so wurde er schon von vielen Adelichen und andern hier studirenden Liebhabern der Mathematischen Wissenschaften angegangen, ihnen [21] darinne Anweisung zu geben. Dieses that er dann auch verschiedene Jahre hindurch mit solcher Zufriedenheit seiner Zuhörer, daß er hernach die Ehre hatte, an die Stelle des von hier nach Halle abgehenden Herrn Geheimdenrath Wolffens zu gelangen. Bey seiner gründlichen Gelehrsamkeit fehlt es ihm auch nicht an Treu und Fleiß, davon dessen Zuhörer vieles zu seinem billigen Ruhm anzuführen wissen. Er ließt nicht nur auf Verlangen philosophische Collegia, sondern auch über die Physic, hauptsächlich aber über die Mathematik, davon er diejenigen Theile, so man Mathesin puram nennt, alle Jahr zweymal, die applicatam aber stückweis nach und nach zu Ende bringt.

Gleichen Eyfer bezeiget in seinem Amte auch der öffentliche Lehrer der Beredsamkeit und Historie, wie auch Universitäts-Bibliothecarius, Herr Heinrich Otto Duysing. Denn man muß ihm die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, und von ihm rühmen, daß er nicht nur überhaupt seinem Amte treulich fürstehe, sondern sich auch eine Freude daraus mache, jemanden, der was lernen will, auch ausser den Lectionen, möglichst an die Hand zu gehen. Daß er ein guter Redner sey, hat man auch aus der Lobrede, die er vor einiger Zeit bey dem solennen Begräbniß des obgedachten Herrn Vicecanzlars Hombergk mit allgemeinem Beyfall gehalten, und welche gedruckt mit beylege, zu Genüge wahrgenommen. Unter den Collegien, die er zufolge der ihm anvertrauten Profeßionen hält, ist auch die Universal Reichs- und Gelehrte Historie.

[22] Der Herr Doctor Schröder, des vorgedachten Herrn Professors würdiger Sohn, welcher bisher als Lehrer der Morgenländischen Sprachen hier gestanden, ist wegen seiner ausnehmenden Geschicklichkeit in denselben erst kürtzlich zu gleicher Stelle nach Gröningen beruffen worden, und auch schon daselbst angelangt.

Der Herr Licentiat und Professor, Johann Rud. Ant. Piderit, ist nur vor kurtzem an des freywillig abgegangenen Herrn Professor Tilemanns Stelle gekommen, nachdem er schon vorher einige Zeit mit gutem Zugang Collegia gehalten, und darinne nicht nur ein herrliches Talent, sondern auch vielen Fleiß gezeigt hatte. Er ließt gemeiniglich über das Recht der Natur, ingleichen über des Herrn Baron von Wolffs Logic, Metaphysic und Moral, wobey er auch fleißig disputiret.

Privatdocenten. Ausser diesen öffentlichen Lehrern fehlt es auch hier nicht an Privatdocenten, welche jemehr und mehr sich hervor zu thun bemüht sind. Dahin gehören z. E.

Herr Licentiat Ihringk, der bisher über die Historiam et Antiquitates Iuris, Institutiones und Ius Germanicum gelesen, wie nicht weniger seit verwichenen Ostern auch die Reichshistorie und ein Disputatorium mit gutem Erfolg angefangen hat. Sein letzthin aus der Presse gekommenes Opusculum de indole remedii Restitutionis et foro instituendae actionis ex tabulis pacis Osnabr. habe in der Hoffnung, daß es Eurer Excellenz wohlgefallen werde, gleichfalls mit beygelegt.

[23] Herr Magister Plitt ließt über Wolffens Logic und Metaphysic, wobey er seine Zuhörer, deren Anzahl nicht gering ist, im Disputiren fleißig übet; So giebt er auch auf Verlangen in dem Recht der Natur Anweisung.

Herr Magister Haase, welcher besonders in historischen Wissenschaften eine grosse Fertigkeit, und dabey einen deutlichen Fürtrag hat, hält über des Herrn Geheimeniustitzrath Gebauers Grundriß der Europäischen Staaten, wie auch über die Geographie und Statistic seine Collegia.

Sprachmeister. Eben so wenig findet sich hier ein Mangel an der Gelegenheit, galante Sprachen zu erlernen.

Monsieur Ramet ist zu der Französischen angenommen, welcher vor einiger Zeit wegen der Geschicklichkeit, die er bey seiner guten Pronunciation besitzt, unter einer grössern Besoldung wiederum hieher beruffen worden. Ausser ihm sind hier auch noch verschiedene Privatsprachmeister, und andere Vortheile, dieser Sprache weiter kundig zu werden, worunter ich auch billig die Predigten des bey der hiesigen Französischen Gemeinde stehenden geschickten Pfarrers, Monsieur La Porte mitzehle.

Der gleichfals in Besoldung stehende Italiänische Sprachmeister, Sigre. Mengacci, hat nach dem Zeugniß derer, die ihn kennen, nicht nur die Gabe, seine Muttersprache seinen Scholaren gründlich beyzubringen, sondern besitzet dabey auch einen unverdrossenen Fleiß.

Es sind fast keine Ferien hier. Alle juristische und philosophische Collegien gehen hier obgedachter massen in einem halben Jahr [24] zu Ende. Damit sie aber nicht übereilet werden, so sind nicht nur keine Ferien eingeführt, ausser den wenigen Tagen nach Ostern, da nach Quasimodogeniti und Michaelis, nämlich gegen den 11ten October die Lectiones wieder angehen, sondern es werden auch alle 6. Tage in der Woche darzu angewandt, und wird ausser Sonnabends auch kein Nachmittag davon ausgenommen.

Viele Examinatoria und deren Ursache.

Die Collegia examinatoria habe ich noch an keinem Orte so starck, als wie hier, treiben gesehen. Auch diese Sache hat ihren zureichenden Grund. Denn dadurch bereiten sich die Heßische der Rechtsgelehrsamkeit beflissene Landskinder zu dem Haupt-Examine, das seit einigen Jahren her ein jeder, so zur Advocatur bey einem Amte, Cancelley oder Landesregierung gelangen will, oder die Theologen, so eine geistliche Bedienung suchen, von allen Professoren ihrer Facultät, und zwar die Juristen zwo Stunden lang ausstehen müssen. Wollen aber diese den Gradum annehmen, so haben sie das sogenannte rigorosum öffentlich zu halten. Fällt nun das Zeugniß, so dem Candidaten, bey schwerer Ahndung, nicht anders, als nach Gewissen, ertheilet wird, schlecht aus: so hat er dadurch alle Hoffnung zur Advocatur, oder sonst zu einer gelehrten Beförderung im Lande zur Zeit verlohren. [4] [25] Dieser wichtige Umstand schreckt dann nicht nur die Landskinder vom Müßiggang ab, wenn sie nicht das Unglück erleben wollen, daß ihre ganze Universitätszeit zuletzt in 2. Stunden ein betrübtes Ende nehme: sondern muntert auch zugleich die Ausländer zu desto mehrern Fleiß auf. Ja, man nimmt, zum Kennzeichen eines fast allgemeinen Fleisses, überhaupt wahr, daß die hiesige Herren Studenten insgemein sich zwar unter sich nicht zu viel familiarisiren, noch auch unnöthiger Weise sich um einander bekümmern: dem ohngeachtet aber stehen diejenige, welche die Collegien sehr unfleißig besuchen, bey den andern dadurch ganz mercklich in schlechter Achtung.

Bibliothec. Die Universitäts Bibliothec, zu deren Vermehrung jetzo alle Anstalt gemacht wird, und worüber obgedachter jüngere Herr Professor Duysing gesezt ist, stehet nicht nur wöchentlich zwey Tage zum allgemeinen Gebrauch offen, sondern es wird auch wohl einem ein Buch auf kurze Zeit mit nach Haus gegeben, wenn es auf gehörige Art, nemlich auf den Credit und die Unterschrift eines Professors, verlangt wird.

Exercitienmeister. Daß die hiesige Universität dermalen mit sehr geschickten Exercitienmeisters versehen sey, bezeugen alle diejenigen, so von dem und jenem Ort hieher kommen, und im Stande sind, davon zu urtheilen.

[26] Der auch dem Gebäude nach schönen Reitbahn, welche nebst den vielen schönen Schulpferden sowohl, als das Ballhaus, Ihro Majestät dem König zuständig ist, macht der von Cassel hieher gekommene Herr Stallmeister Wettgen Ehre und Ansehen, nachdem er auch schon so manche fürnehme Personen in Coppenhagen, und wo er sonsten noch in Diensten gewesen, zu Scholaren gehabt, die ihm durchgängig das Lob gegeben, daß er das seinige nicht nur aus dem Grund verstünde, sondern auch den Lernenden, ohne alles eigennützige Verzögern, so treulich, als leicht beybrächte. Bey alle dem zahlt der Scholar, wegen des guten Gehalts, womit dieser Posten verknüpft ist, monatlich nicht mehr als 4. thlr.

Nicht weniger Gutes kan man auch von dem Fechtmeister, Herrn Lieutenant L’Ange mit Recht behaupten. Gleichwie dessen Vorfahren schon über hundert Jahre her an vielen der fürnehmsten Teutschen Höfe durch diese Kunst sich einen besondern Ruhm erworben haben: also weiß auch er insonderheit durch seinen gründlichen Unterricht sich darinne zu erhalten, wie er dann auch ehestens auf Verlangen derjenigen, die seine gründliche Anweisung zu schätzen wissen, etwas davon dem Druck übergeben wird.

Der Tanzmeister, Herr Michelet, hat nicht allein am Casselischen Hof, welcher ihn nach Franckreich reisen lassen, das Lob gehabt, daß er in der Methode, seinen Scholaren eine ungezwungene Fertigkeit im Tanzen beyzubringen, viele andere [27] übertreffe, sondern er hat es auch diese Stunde noch.

Aus diesen allen ersehen demnach Eure Excellenz, daß der hiesigen Universität an der Gelegenheit, in den Wissenschaften und denen absonderlich einem von Adel nöthigen Exercitien etwas rechtschaffenes zu erlernen, nicht das geringste abgehe.

Gleichwie es aber nicht blos auf das, was man auf einer Universität lernen kan, sondern auch guten Theils darauf mit ankömmt, wie man in Ansehung der Gesundheit, der Ruhe und Sicherheit für unnöthigen Händeln, des Preisses im Essen und Trincken sowohl, als Holz, Stuben und Kleidungen etc. allda leben könne: also erachte ich mich für verbunden, von diesen Stücken so viele Nachricht zu ertheilen, als mir selbst davon bekannt ist.

Marburgs gesunde Lage. Marburg liegt an einem Berge, wo man besonders auf der Seite nach Giesen zu die schönste ebene Gegend vor sich hat, inmassen da etliche schöne und über eine Viertelstund lange Alleen, viele Gärten, einige Dörffer, Wiesen, und durch diese der Lahn-Fluß, in ebenen Feldern, welche mit dem erhabenen Walde gleichsam als mit einem Ramen eingefaßt sind, sich dem Auge auf einmal[WS 1] vorstellen. Eben dieser Höhe wird es mit zugeschrieben, daß man hier weniger, als an tiefer gelegenen Orten, von Kranckheiten hört. Unter andern hat mich ein erfahrner Medicus versichert, daß man hier an kalten Fiebern gar selten einen Patienten [28] fände, und selbst die hitzigen Fieber bey weiten nicht so gefährlich zu seyn pflegten.

Ruhe und Sicherheit

Die Ruhe und Sicherheit betreffend, so werden die Stöhrer derselben, vermöge der acedemischen Gesetze und des vorhandenen scharffen Duellmandats, auch hier nicht gedultet. Ja, es kommt selbst den meisten Herren Studenten derjenige, so sich durch eine blos eingebildete Tapfferkeit und durch ohnnöthige Händel hervorthun will, unleidlich für. Noch weniger aber pflegt solche Ruhe von dem in Friedenszeiten hier in Besatzung liegenden Königl. Leibregiment zu Fus gestöret zu werden.

Glücksspiele sind verbotten.

Weil aber das Spielen insgemein zu Uneinigkeit und anderen losen Händeln Anlaß giebt: so sind alle Glückspiele, z.  E. Farao, Bassette, Lansquenet u.  s.  f. bey hoher Strafe verbotten.

Da es auch gar oft geschieht, daß junge Leute durch Schuldenmachen in Unordnung und Unglück gerathen: so ist den Glaubigern diesfals durch heilsame Verordnungen Ziel und Maase gesezt, und dadurch solchem Unheil möglichst vorgebeuget worden. [5]

[29] Preiß der Quartiere. Nachdem dieser Ort schon so lange mit der Universität versehen gewesen: so ist leicht zu erachten, daß es nicht an solchen Häusern fehle, worinne [30] bequeme Wohnungen für die hier Studirende anzutreffen seyn. Deren Preiß ist, wie aller Orten, nach den Umständen unterschieden. Denn man findet Quartiere mit den darzu gehörigen Meubles und Betten, des Jahrs für 10. 12. 16. 20. [31] und mehr Thaler. Ein Stockwerck, wo ein Cavalier mit seinem Hofmeister und einem Bedienten bequem wohnen kann, kommt jährlich 40. 50. bis 60. Thaler zu stehen.

Des Holtzes Die Klafter von dem besten Buchen Holz, welches 6. Rheinländische Schue lang ist, kostet 3. Rthlr.

Des Essen und Trinckens Die Kost ist ebenfalls, wie leicht zu ermessen, unterschieden. Denn man zahlt an einigen Tischen für die wöchentliche Mittagsmahlzeit 1. fl. 15. kr. an andern 1. fl. 30. kr. und an den theuresten 2. fl. Was das Geträncke anbelangt, so ist das Marburgische Bier so gut, und dabey doch so wohlfeil, als es an einem andern Ort zu finden seyn dürfte; So ist auch insonderheit der Rheinwein, weil er nicht zu weit von hier wächßt , kaum halb so theuer, als auf vielen andern Universitäten.

Preis der Waaren und Münze. Die Tücher, Zeuche und andere Waaren, deren auch auch ein Student nicht entbehren kan, sind hier fast um eben den Preiß, als in dem nicht so gar weit von hier gelegenen Franckfurt am Mayn [6] [32] zu haben; wie dann auch in beeden Orten die Münze in gleichem Gang und Werth ist.

Gesellschaft. Da Eure Excellenz ins besondere auch nach dem Umgang, den man hier haben könnte, zu fragen [33] belieben: so weiß ich nicht anders , als daß ein jeder, nach Beschaffenheit seiner Umstände, gute Gesellschaft finden kann. Insonderheit aber haben die hier studirende Cavaliers den Vortheil , daß ihnen in verschiedenen der adelichen Häuser, denen sie entweder durch Recommendation, oder durch ihr Wohlverhalten bekannt werden, gar gerne ein Zutritt verstattet, und ohne einiges Interesse nicht nur viele Ehre und Höflichkeit erwiesen, sondern auch Anlaß gegeben wird, eine anständige Lebensart sich anzugewöhnen, oder, wenn sie solche bereits haben solten, hier nicht zu vergessen. [34] Concert. Die Liebhaber der Music haben die Erlaubniß, Sonnabends von 2. bis 4. Uhr in dem Concert, so bey den Herrn Vicecanzlar Estor bisher gehalten worden, sich ohnentgeltlich einzufinden, und wird weiter nichts erfordert, als, so lange man musicirt, sich des Redens zu enthalten, und nur einen Zuhörer abzugeben. Dahingegen, sobald ein Stück geendiget ist, der Herr Vicecanzlar mit jedem zu sprechen Gelegenheit nimmt.

Dieß wäre also der kurze Entwurf und die befohlne Abschilderung der hiesigen Universität, so, wie sie mir über Jahr und Tag bekannt worden, wobey ich noch die Ehre habe, Eurer Excellenz unterthänig zu versichern, daß mir weder die Partheylichkeit, noch sonst eine verdächtige Connexion dabey die Hand geführet haben. Solte aber der geringste Verdacht entstehen, als ob ich etwa diese hohe Schule nur auf der einen, und zwar auf der guten Seite angesehen und beschrieben hätte: so wolte ich es mir zur sonderbaren Gnade ausbitten, daß dieser Bericht allenfals mehrern Personen‚ die hier eben so wenig, als ich, dabey intereßiret sind, gewiesen würde. Denn solchergestalt würde entweder in dem, was ich dermahlen auf Befehl und in der reinsten Absicht überschrieben, mein Credit erhalten werden, oder aus dem zu erweisenden Gegentheil mir wenigstens noch so viel Vortheil erwachsen, daß ich diesfalls einige Wahrheiten erführe, die mir bisher annoch unbekannt gewesen [35] wären. In Erwartung fernerweiten gnädigen Befehle verharre in geziemender Ehrfurcht

Eurer Excellenz
Meines gnädigen Herrn

Marburg, den 10. Jul.

1748.
unterthäniger Diener
N.N.     


Anmerkungen

  1. Sie ist also, weil die Wittenbergische vorhero catholisch war, die erste protestantische Universität. Ihr Stifter, Herr Landgraf Philipp, pflegte zu sagen: Die Universität / so wir angerichtet, ist uns, unserm Fürstenthum und gemeinen Nutzen lieber und nützer, denn alle Mönch und Nonnen in den Klöstern. Zu deren Unterhalt schlug er verschiedene Vogteyen, welche auch noch heut zu Tage derselben zuständig sind. Die Kirche des des sogenannten Kugelherrn-Ordens wurde den Theologen, das Dominicaner-Closter den Juristen, und das Barfüsser-Closter den Medicis und Philosophen zum öffentlichen Hörsaal eingeräumet, wie sie dann auch noch alle darzu gewidmet und in gutem Stande sind. Nicht weniger wurde diese Universität mit herrlichen und noch fortdaurenden Privilegien [5] versehen. Dahin rechnet man fürnemlich das Forum privilegiatum, vermöge dessen, absonderlich in causis civilibus, die Studenten und alle unter der Unversität stehende Personen, nach dem Exempel der Clericorum, anderswo, als vor dem Prorector, weder belangt werden, noch sich, wenn sie auch wolten, belangen lassen können. Dieses gehet so weit, daß ein anderer, z.  E. ein Bürger, den ich vor seinem Stadt-Gericht belangt habe, keinesweges daselbst, sondern nur vor meinem Foro academico seine wider mich habende Gegenklage anzustellen befugt ist. Ferner gehöret hieher die Freyheit von Zoll, Accis und allen bürgerlichen Abgaben; Ingleichen die Jagdgerechtigkeit in einem nahe bey der Stadt gelegenen und 7. Stunde im Umfang habenden District.
  2. Diese Disputation wäre beynahe mit der Gegenwart eines sicheren fürnehmen Reichsministers beehret worden. Denn als derselbe an eben dem Tage, da sie gehalten wurde, hier angelangt war, und zufälliger Weise nicht nur von dieser Disputation, sondern auch von des Herrn Respondenten Gelehrsamkeit und andern Eigenschaften sehr viel Gutes gehöret hatte: so war er schon bei im Begrif, dieser feyerlichen Handlung noch beyzuwohnen, und einen Opponenten abzugeben, als ihm die Nachricht entgegen kam, die Disputation sey eben zu Ende gegangen. Also lag es nur an der Zeit, daß der Herr Präses diese ihm und seinen Respondenten zugedachte Ehre nicht würcklich genossen. Hingegen waren die beede andern Herrn Professores Iuris darinne glücklicher, daß dieser grosse Mäcenat, in Begleitung eines berühmten Reichshofraths, ihren Vorlesungen mit so hoher Zufriedenheit beywohnte, daß er in dem gefaßten Entschluß, seinen Herrn Sohn ehestens auf diese Universität zu schicken, noch mehr bestärcket wurde.
  3. Deren alljährlich abwechslender Decanus ist zugleich Comes Palatinus Caesareus. Als das Original-Diploma, worinne Kaiser Ferdinandus II. 1630 diese Comitiv ertheilet, und davon der ehemals berühmte Giesische Medicus, M. B. Valentini, in seinen Declamationibus et Programmatibus academicis p. 301. eine Abschrift mit beydrucken lassen, weggekommen war: so wurde sie im Jahr 1745. von dem zwischen Chur-Bayern und Pfalz gemeinschaftlichen Reichsvicariat, durch Bemühung des obgedachten Herrn Reichshofraths, Baron von Cramer, als Beysitzers sothanen Reichsvicariats, wiederum verneuert. Nicht weniger hat diese Facultat die sonderbare Ehre, daß jedesmal einer aus ihrem Mittel zu den Heßischen Austrägen genommen, und als ein Mitglied von diesem hohen Gerichte angesehen wird.
  4. Dergleichen ist auch allen Landskindern, welche nicht wenigstens zwey Jahre hier, oder zu Rinteln, sondern auf einer auswärtigen Universität studiren, vermöge eines Königl. Befehls vom 31. Merz 1731. abgeschnitten. [25] Nicht weniger sollen nach demselben auch die academische Promotiones an einem von diesen beeden Orten, keineswegs aber ausserhalb Landes, gesucht werden.
  5. Das neueste Mandat, so deswegen vom 20. Decemb. 1746 ergangen, ist folgender Gestalt abgefaßt: Wir Friedrich von GOttes Gnaden, der Schweden, Gothen und Wenden König, etc. etc. etc. Fügen jedermänniglich in Unsern Heßischen Fürstenthümern und darzu gehörigen Graf- und Herrschaften nebst Entbietung Unserer Königlichen Gnade hiermit zu wissen: [29] Nachdem Wir mißfällig vernommen, was massen denen auf Unsern Universitäten zu Marburg und Rinteln sich befindenden fremden und einheimischen Studiosis öfters verschiedene, theils grosse Summen an Geld und Waaren geborget, selbige dadurch zu Versäumung ihrer Studien und allerley Debauchen verleitet, zu ihrem und der Ihrigen Schaden und Ruin in Schulden gebracht, mithin die Eltern ihre Kinder dahin zu sende, abgeschrecket, Unsern Universitäten aber ein übler Ruf zugezogen werde. Und Wir dann zu gäntzlicher Abstellung solchen schädlichen Borgens, die von Unsern in GOtt ruhenden Vorfahren so wohl als Uns selbst vorhin verschiedentlich besonders in anno 1659. den 8ten Junii, anno 1665. den 20. Junii, sodann anno 1735. ergangene Verordnungen zu erneuern und zu erläutern nützlich und nöthig erachtet; So ordnen und befehlen Wir hiermit ernstlich, daß vors künftige niemand, er seye Christ oder Jude, einem auf Unsern Universitäten zu Marburg oder Rinteln befindlichen Studioso, ohne Vorwissen und Bewilligung der Eltern, Vormünder, und die an deren Statt sind, oder auch eines jederzeitigen Protectoris Academiae mehr als fünf Reichs-Thaler an baarem Geld creditiren, widrigen Falls aber, wann die Sache zur Klage kommt, ihme die obrigkeitliche Hülffe versaget, und Falls sich etwa ein beym Borgen mit untergelauffener Dolus veroffenbaret, derselbe mit einer empfindlichen fiscalischen Straffe beleget werden solle. Gestalten dann auch bey allen andern von Christen und Juden etwa beschehenen wucherlichen creditiren der Waaren und Handeln, mit Kauffen, Verkauffen, Vertauschen, in Versatz nehmen, oder wie [30] es sonsten geschehen mag, dieses also zu beobachten ist. Und insonderheit denen Billardierern, Coffe-Wirthen, Apotheckern in Ansehung der Sachen, so keine Medicin sind, Ballmeistern, Confituriers und andern das denen Studiosis nur zur Verschwendung und Uppigkeit beschehende Waaren- und andere Borgen bey gleichmässiger Ahndung und allenfalsig-fiscalischer Straffe hiermit verbotten wird. Hingegen aber, so viel die bey Cramern, Wirthen, Kaufleuten, Schneidern, auch sonstigen Handwercks- und andern Leuten, für Kleidung, Speisung, Bücher, Logiment und andere Nothdurft gemachte Schulden betrift, wann sich dabey keine Gefährde oder Ubermase äussert, solche darunter nicht zu verstehen, vielmehr alle dienliche Mittel an Hand zu nehmen sind, damit diesen Creditoren zu ihren rechtmässigen Forderungen ohnverlängt verholffen werde. Zu welchem Ende dann derjenige Studiosus, welcher wegziehen und nicht bezahlen will, wie auf andern Universitäten auch geschiehet, arrestirt, und bis er diese seine Creditores befriediget hat, hingesetzt werden soll. Damit sich nun niemand mit der Unwissenheit entschuldigen möge; So soll diese erneuert- und erläuterte Verordnung so wohl überall in unsern Landen, als auch insbesondere auf denen Universitäten zu Marburg und Rinteln unterm Glockenschlag publicirt und gemöhnlicher Orten zu jedermanns Wissenschaft affigiret werden. Urkundlich Unsers freundlich vielgeliebten Herrn Brudern des Statthalters Liebden eigenhändigen Unterschrift und nebengedruckten Unsers Königl. Fürstl. [31] Secret-Insiegels. So geschehen zu Cassel den 20. Tag Decembr. 1746. Nomine Regis WILHELM. (L.S.) Vt. Calckhoff.
  6. Was an Büchern oder sonst an Waaren den hiesigen Kaufleuten und Buchführer allenfalls abgehen solte, [32] kan man in etlichen Tagen von Franckfurt um ein gar leidliches Postgeld bekommen, gestalt der Postwagen, zufolge der hier beygefügten Post-Tabelle, im Sommer halben Jahre wöchentlich zu 3. mahlen, im Winter hergegen zu zweymahlen abgeht und anlangt. Was insonderheit das Porto für die Bücher betrift, so wird von denselben eben sowohl, als von Eßwaaren nur die Hälfte dessen, was sonst auf der fahrenden Post der Taxe nach gewöhnlich ist, bezahlet.
    Der fahrenden Posten
    I. Winter-Cours.
    Casselische.
    Franckfurther.
    1) Kommt wöchentlich[WS 2] 2mal, und zwar
    Sonntag u. Mittwoche Abends gegen 8 bis 9 Uhr an.
    1) Kommt wöchentlich an
    Dienstag u. Freytag Abends gegen 8. bis 9. Uhr.
    2) Geht wöchentlich[WS 3] 2mal ab, nämlich
    Mittwoche u. Sonnabend Morgens um 4. Uhr nach Cassel.
    2) Geht ab
    Montag u. Donnerstag Morgens frühe nach Franckfurt.
    NB. Was mit diesen Posten soll bestellt werden, hat man jedesmal des Abends vorher, längstens gegen 8. Uhr zur Post zu liefern.
    [33]
    II. Sommer-Cours.
    Casselische.
    Franckfurtische.
    1.) Kommt wöchentlich 3mal an
    Sonntag Mittags um 12 Uhr.
    Mittwoche u. Freytags Morgens um 7. Uhr.
    1.) Kommt an
    Dienstag Donnerstag Sonnabend Mittags um 12 Uhr.
    2.) Geht ab
    Sonnabend Donnerstag Dienstag Nachmittags um 2. Uhr.
    2.) Geht ab
    Sonntag Mittags um 12 Uhr. Mittwoche Freytag Vormittags um 9. Uhr.
    Alle reitende Posten, nämlich die von Cassel, Franckenberg , Franckfurt und Wezlar , kommen Sonntags und Mittwoche Mittags an, und gehen Nachmittags alle wieder ab.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage:eimnal
  2. Vorlage: wochentlich
  3. Vorlage: wochentlich