Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel XVII

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Kapitel XVI Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche (1880) von Edmund Veckenstedt
Kapitel XVII
Kapitel XVIII →
Die Bedeutung der Doppellinie erläutert Veckenstedt im Vorwort auf Seite V folgendermaßen: „Die Sagen und Märchen der deutschredenden Wenden finden sich in jedem Abschnitte nach dem Zeichen, welches zwei parallele Striche bilden.“ Ferner führt er auf Seite X den Grund der Kennzeichnung an: „Nicht unwillkommen wird, hoffe ich, der Forschung die Art sein, wie ich die reine Sorbentradition von derjenigen Ueberlieferung geschieden habe, welche zwar auf wendischer Grundlage ruht, aber eben weil sie einem Geschlecht deutschredender Menschen entnommen ist, vielleicht eine oder die andere Modification erlitten hat.“
[157]
XVII.
Die Ludki.

1.

Die Wenden stammen von den Ludkis ab, diese aber sind ganz kleine Menschen gewesen, nicht länger als ein Finger. Die Ludki mäheten, wenn das Korn herangereift war, dasselbe nicht ab, sondern stachen die Aehren mit einem Pfriemen vom Halm los. Die Aehren selbst draschen sie in einem Backofen. Da die Ludki so klein waren, konnten sich im Backofen immer ihrer neun an die Arbeit machen.

Die Zeit ist wohl schon lange her, wo dieses Alles war, aber man sagt, es wird wieder eine Zeit kommen, in welcher die Wenden wieder so klein wie ein Finger werden.

Ströbitz.     
2.

Die Ludki sind kleine Leute mit einem grossen Kopf gewesen. Wenn sie etwas genau sehen wollten, so blickten sie stieren Auges den Gegenstand an.

Mischen.     
3.

Hatten sich die Ludki ein Backfass geborgt, so kollerten es ihrer zwanzig vor sich her.

Pulsberg.     
4.

Die Ludki betrieben die Ackerwirthschaft nicht selbst. Deshalb schnitten sie zur Erntezeit den Bauern die Aehren vom Getreide ab. Wenn diese mähen wollten, fanden sie auf dem Felde nur lange Stoppeln.

Mischen.     
[158]
5.

Die Ludki waren so klein, dass sie das Korn mit Pfriemen aus den Aehren herausstechen mussten.

Ströbitz.     
6.

Die Ludki liehen oft Geräthe und brachten dann als Dank dafür ein Brödchen. Dasselbe war so sandig, dass man es nicht geniessen konnte. Das kam aber davon her, dass die Ludki ihr Getreide nicht mahlten, sondern es mit Steinen entzweischlugen. Alsdann buken sie den Teig nicht so, wie man es jetzt macht, sondern sie legten ihn zwischen zwei glatte Steine. Dann vergruben sie das Ganze, so dass der Teig durch das Zusammenpressen gleichsam gebacken wurde.

Dissen.     
7.

Die Ludki trugen einen grauen Kittel, wenn sie zu den Bauern kamen, um sich Backfässer zu borgen. Oft stahlen sie auch dieselben, setzten sich hinein und dann rollten die Backfässer mit den Ludkis darin den Bergen zu, in welchen sie ihre Wohnung hatten. Die Ludki waren sehr flink in ihren Bewegungen; sie sind in Guhrow oft zu einem gewissen Bauer an das Thor gekommen.

Guhrow.     
8.

Die Ludki trugen eine grüne oder schwarze Zipfelmütze, einen blauen Leinwandkittel und blaue Leinwandhosen. Zuweilen trugen sie auch Stiefel aus Leinwand; in diesem Falle waren die Sohlen aus mehrfach übereinander gelegter Leinwand gefertigt.

Pulsberg.     
9.

Die Stiefel, welche die Ludki trugen, reichten bis an das Knie; dieselben waren aus Katzenfellen gefertigt.

Pulsberg.     
10.

Als die Wenden in Briesen eine Kirche bauen wollten, wussten sie nicht, auf welchem Fleck, namentlich deshalb nicht, weil sie im Thurm Glocken aufzuhängen gedachten, welche [159] man überall hören sollte. Da gingen sie auf den Marienberg. Dort wohnten die Ludki in ihren Hütten. Sie warfen die Hütten der Ludki um, denn sie wollten sehen, wohin diese mit den Thüröffnungen zeigen würden. Die Hütten der Ludki fielen nach der Seite zu, wo jetzt Briesen steht. Da haben die Wenden sich dort niedergelassen, eine Kirche gebaut und für den Thurm Glocken beschafft. Die Ludki aber sind davongezogen, als die Glocken zum ersten Male geläutet wurden.

Briesen.     
11.

Auf der Wilische bei Burg haben die Ludki gewohnt; sie sind zu Anfang dieses Jahrhunderts noch dort gesehen worden.

Burg.     
12.

In Zahsow bei Cottbus haben die Ludki auf der Viehtrift gewohnt.

Zahsow.     
13.

Die Ludki, welche in der Ludkowńa bei Branitz wohnten, haben ihre Sprache für sich gehabt. Man hat dieselbe nur mit Mühe verstehen können. Wendisch haben sie zwar gesprochen, aber sie sagten jeden Satz rückwärts oder brachten die Worte in verkehrter Ordnung vor.

Branitz.     
14.

Die Ludki haben eine eigene Sprache gehabt: jedes Wort haben sie nämlich erst in bejahendem Sinne gesagt und dann in verneinendem wiederholt.

Schorbus.     
15.

Die Ludki setzten, wenn sie mit den Menschen sprachen, vor das Hauptwort stets die Silbe ńe, d. h. un- oder nicht. Sie sagten also: Leute, Ńeleute, borgt uns Backfass, Ńebackfass, wir werden Euch dafür ein Brödchen, Ńebrödchen bringen.

Dissen.     
16.

Die Ludki sind gut gegen alle Leute, welche sie nicht beleidigen; wer sie aber kränkt, dem thun sie einen Schaden an.

Burg.     
[160]
17.

Die Ludki kamen sehr häufig zu einem Bauer in Papitz. Das Gehöft desselben aber betraten sie nie, sondern sie kletterten auf einen hölzernen Zaun, welcher sich vor dem einen Gehöft befand und riefen dann in den Hof hinein, was sie zu borgen begehrten.

Papitz.     
18.

Bei einem Bauer in Mischen sind die Ludki alle Abende in die Stube gekommen und haben sich am Ofen gewärmt. Sie setzten sich gewöhnlich auf die kleine Platte am Ofen und liessen die Füsse lang herunter hängen. Eine alte Frau aus Mischen erzählt, dass ihre Grossmutter mit denselben viel verkehrt und ihnen jeden Abend eine Schüssel mit Hirse hingesetzt habe.

Mischen.     
19.

In der Nähe von Schmogrow liegt ein kleiner Berg, welcher das Dubrauchen heisst. In dem Berge haben früher die Ludki gewohnt.

Einst pflügte ein Bauer in der Nähe des Berges. Da hörte er, dass die Ludki im Innern des Berges butterten. Ihn dürstete sehr. Deshalb ging er zu dem Berge hin und rief, die Ludki möchten ihm doch etwas zu trinken bringen. Alsobald kamen die Ludki aus dem Berge hervor und brachten ihm Buttermilch.

Schmogrow.     
20.

Die Ludki pflegten in Ruben von einem Bauer Geschirr zu borgen, was dieser ihnen auch immer gern lieh. Als der Bauer an einem heissen Sommertage seinen Acker pflügte, war es ihm, als höre er unter sich planschen. Da sagte er so vor sich hin: „Ach hätte ich doch einen Topf mit Buttermilch.“ Kaum hatte er das gesagt, so stand ein Napf mit Buttermilch in der Furche, ja später fand er in jeder Furche ein Goldstück. Das Alles rührte von den Ludkis her, welche ihm so ihren Dank bezeigten.

Ruben.     
[161]
21.

In Schorbus lebte einmal ein Bauer, welcher sich jeden Morgen, wie es sich schickt, wusch und dann betete. Sein Hirt aber that das nicht. Da geschah es einmal, dass der Bauer auf dem Felde war, sein Hirt aber mit dem Vieh nicht weit von der Stelle, wo der Bauer arbeitete. Der Bauer hatte Hunger bekommen. Plötzlich stand ein Ludk vor ihm, welcher ihm mit den Worten ein Frühstück überreichte: „Der Bauer hat sich gewaschen und gebetet, er soll auch zu essen haben; der Hirt hat sich nicht gewaschen und nicht gebetet, er soll auch nichts zu essen bekommen.“ Nachdem er dies gesagt hatte, entfernte er sich, der Bauer aber liess sich das Frühstück gut schmecken.

Schorbus.     
22.

Bei Tschelln in der Muskauer Haide fliesst die Spree zwischen Sandufern dahin. Diese Ufer wurden in uralten Zeiten vom Wasser der Spree bespült, gegenwärtig aber liegen sie theilweis hundert und mehr Schritt seitwärts des eigentlichen Flussbettes: zwischen ihnen und dem Wasser befindet sich eine fruchtbare Niederung. Unterhalb Tschelln führt ein Theil dieses flachen Flussuferlandes einen Namen, welcher zu deutsch: „alte Ecken“ oder „alte Löcher“ heisst. In diesen Höhlen oder Löchern haben in uralter Zeit die Ludki gewohnt.

Einst pflügte ein Bauer auf seinem Felde in der Nähe der Ludkiwohnungen. Er hatte seit früh Morgens fleissig gepflügt. Als es gegen elf Uhr kam, bemerkte er einen angenehmen Duft, wie von frischem Gebäck. Gewiss, dachte er bei sich, haben die Ludki ein Fest und backen Kuchen; deshalb rief er laut: „Wenn ich doch auch einen Kuchen hätte.“ Es währte nicht lange, so kam ein Ludk, der brachte einen Kuchen und einen Krug mit Inhalt und sprach: „Diesen Kuchen kannst Du aufessen, doch muss er ganz bleiben, den Krug kannst Du austrinken, berührst Du ihn aber mit dem Munde, dann geht es Dir schlecht.“ Der Bauer war anfänglich ob solcher Rede ganz bestürzt; er pflügte noch einmal um den Acker. Als er aber wieder zurück an das Ende kam, fiel ihm etwas Gutes ein. Er setzte [162] sich auf den Rasen nieder, nahm sein Messer und schnitt und ass den Kuchen aus der Mitte, den Rand jedoch liess er ganz. Dann nahm er einen Strohhalm und trank durch diesen die Flüssigkeit im Kruge, ohne denselben an den Mund zu bringen. Mit dem Schlage zwölf erschien der Ludk wieder, raffte den Kuchenrand und den Krug hinweg und rief: „Das hat Dir der Teufel gerathen!“ Darauf lief er davon.

Tschelln.     
23.

Wenn die Ludki, welche in einem Berge bei Ruben wohnten, sich ein Backfass leihen wollten, so kamen ihrer stets vier oder fünf. Erhielten sie dasselbe, so setzten sie sich hinein, und dann rollte das Backfass von selbst aus dem Dorfe dem Berge zu. Ebenso kam es von selbst wieder angerollt, wenn sie es zurückschafften.

Ruben.     
24.

Die Ludki waren kleine, böse, diebische Leute, welche in der Erde wohnten. Wenn einer von ihnen gestorben war,so verbrannten sie den Leichnam, schütteten die Asche in ein Gefäss und vergruben dasselbe. Dabei weinten sie sehr; sie liessen ihre Thränen in kleine Gefässe fallen, welche sie dann auch vergruben. Aber den Schall der Glocken konnten sie nicht vertragen, deshalb suchten sie dieselben zu zerstören. So schleppten sie einst, weil sie von grossen Kräften waren, einen mächtigen Stein herbei, um die Glocken in Gross-Buckow zu zertrümmern. Die Bewohner des Dorfes sahen sie damit ankommen. In ihrer Noth läuteten sie die Glocken. Dadurch wurde die Macht der Ludki gebrochen; diese liessen den Stein fallen und verschwanden auf immer aus der Gegend.

Gross-Döbern.     
25.

In Gollscho bei Drebkau lebten früher in einem Hügel, welcher Ludkowa gorka heisst, kleine Leute. Diese kamen in der Nachtzeit gern in die Häuser der Menschen, besonders um darin eine Hochzeit zu feiern. Geschah dies, so brachten sie ihre Musikanten mit. Was von den Speisen bei der Mahlzeit [163] übrig blieb, das liessen sie zurück. Am andern Morgen fand es sich dann, dass sich diese Ueberreste in Gold verwandelt hatten. Die Ludki waren so klein, dass sie, statt die Thüren als Eingang zu benutzen, durch die Mäuselöcher krochen.

Gollscho.     
26.

In der alten Schanze bei Leuthen haben früher die Ludki gewohnt. Das hat auch ein alter Schäfer aus einem benachbarten Dorfe gesehen. Derselbe ging nämlich eines Abends bei der Schanze vorüber. Da hörte er eine wunderschöne Musik. Er blieb stehen, um zu hören, woher dieselbe käme. Plötzlich stand ein Ludk vor ihm, der forderte den Schäfer auf, er möge nur mitkommen und die Musik in der Nähe anhören. Darauf führte ihn der Ludk in die Schanze. Dort sah der Schäfer, wie die Ludki ein frohes Fest feierten; es wurde Musik gemacht und getanzt, so dass der Schäfer daran seine Freude hatte. Als der Schäfer genug gesehen hatte, wollte er wieder fort. Da führte ihn der Ludk zur Schanze hinaus wieder auf den rechten Weg.

Leuthen.     
27.

Die Ludki dörrten ihre Gefässe, welche aus einer Mischung von Thon und Lehm bestanden, an der Sonne.

Pulsberg.     
28.

Die Ludki haben in einem Berge zwischen Sergen und Gablentz ein tiefes Loch gegraben und darin ihren Schatz versenkt. Man weiss zwar, wo der Schatz liegt, aber Niemand hat ihn bis jetzt zu heben vermocht. Auch hat man versucht, das Loch auszufüllen, indess alle Mühe ist bis jetzt vergeblich gewesen, da das Loch immer gleich tief geblieben ist, so viel man auch hineingeschüttet hat.

Sergen.     
29.

Die Ludki kamen des Mittags gewöhnlich mit grossen Katzen, welche sie an einem rothen Bande hinter sich her führten, zu den Leuten auf das Feld und naschten von ihrem [164] Mittagbrod. Wenn die Leute von ihren Speisen etwas übrig gelassen hatten, so assen die Ludki den Rest oder gaben denselben ihren Katzen.

Pulsberg.     
30.

Den Ludkis ist das Gebell der Hunde zuwider gewesen.

Kolkwitz.     
31.

Die Ludki haben sich sehr vor den Hunden gefürchtet.

Ströbitz.     
32.

Die Ludki konnten die Hunde so wenig leiden, dass sie aus jeder Gegend verschwanden, in welcher sie die Hunde bellen hörten.

Jehserigk.     
33.

Nicht weit von dem Berge Podgat bei Laasow, in welchem die Ludki, wie man erzählt, gewohnt haben, befindet sich ein kleiner Grund, „die Hölle“ genannt. Dort sollen die Ludki früher einen Backofen gehabt haben. Wenn sie backen wollten, so gingen sie in das Dorf zum Bäcker, um sich ein Backfass zu borgen. Eines Abends kamen sie auch und riefen zum Fenster hinein, der Bäcker möchte ihnen doch das Fass borgen. Der Bäcker aber wollte ihnen dasselbe nicht wie bisher hinaustragen, sondern rief ihnen zu, sie möchten nur herein kommen und das Fass selbst holen. Das aber wollten die Ludki nicht, sondern sie riefen: „Wir können nicht, der Hund liegt auf den Peden.“

Kolkwitz.     
34.

Die Ludki sollten den Bauern helfen, die Glocken läuten; das aber wollten sie nicht, sondern zogen lieber ab.

Kiekebusch.     
35.

Als in Kolkwitz die ersten Glocken geläutet wurden, riefen die Ludki aus: „Das ist unser Tod.“

Kolkwitz.     
36.

Einer von den Ludkis hatte einmal eine Rübe gestohlen. Als er sie nach Hause tragen wollte, fiel er damit [165] hin. Die Rübe schlug ihn dabei so heftig in den Nacken, dass er auf der Stelle todt liegen blieb.

Burg.     
37.

Die Ludki haben früher auf der alten Schanze bei Leuthen gewohnt, die jetzt aber abgetragen ist, und auf dem Berge, welcher hinter der Kirche lag. Die Ludki von der Schanze sind einmal mit den Ludkis von dem Berge in Streit gerathen: aus dem Streit ist eine grosse Schlacht entstanden und alle Ludki sind in dieser Schlacht gefallen.

Leuthen.     
38.

Eine alte Frau aus Stradow erzählt, dass an dem Tage, an welchem die Gemeinde von Stradow in der Kirche zu Vetschau das Lied gesungen: „Allein Gott in der Höhe sei Ehr’“ – die Ludki mit Seufzen gen Himmel gefahren sind.

Stradow.     
39.

Ein Mädchen hat einmal einen Ludki-Topf gefunden, in welchem Knochen lagen. Das Mädchen dachte sich nichts dabei und nahm die Knochen mit nach Hause. Da hat es aber keine Ruhe gefunden, bis die Knochen wieder an Ort und Stelle waren.

Burg.     
40.

Auf dem Luschki-Berge bei Graustein haben einst die Luschki ihr Wesen getrieben. In der Zeit, als sie noch auf dem Berge und in demselben hausten, hatte einmal ein Bauer sein ganzes Vermögen verloren, aber ohne sein Verschulden. Der Bauer hatte gehört, dass in den Trümmern der Burg, welche einst der Wendenkönig auf dem Berge bewohnt hat, dessen Schätze zu heben seien. In seiner Noth machte er sich auf den Weg, danach zu graben. Zunächst suchte er eine Stelle aus, von welcher er glaubte, dass der Schatz dort liege. Da fiel ihm plötzlich eine eiserne Thür in die Augen; er öffnete dieselbe und gelangte in einen langen, finstern Gang. Nachdem er ungefähr eine halbe Stunde weit gegangen war, erhellte sich derselbe. Da sah er in einiger Entfernung wunderbare [166] Wesen, welche zum Theil allerlei Beschäftigungen oblagen, zum Theil Musik machten und tanzten. Als er von den Luschkis erblickt ward, trat einer von ihnen, welcher eine grosse Keule trug, auf ihn zu und fragte, was er wolle. Der Bauer fasste sich ein Herz und erzählte ihm sein Unglück. Als er geendet hatte, sprach der Luschk zu ihm: „Ich weiss, dass Du die Wahrheit gesprochen hast; Dir soll geholfen werden: jeden Mittag wird ein Drache in Deiner Stube erscheinen, den musst Du mit Hirse füttern, dann kannst Du ihm Deine Wünsche sagen, er wird sie Dir erfüllen. Versäumst Du aber, ihm die Hirse vorzusetzen, so wird er nie wieder zu Dir kommen; dann hüte Dich auch, diesen Berg wieder zu betreten, es würde Deiner ein schreckliches Ende harren.“

Sobald der Luschk gesprochen hatte, erhob sich ein furchtbares Sausen und Brausen, dass dem Bauer die Sinne vergingen. Als er nach einiger Zeit zu sich kam, befand er sich in seiner Stube. Am nächsten Mittag aber um zwölf Uhr erschien wirklich der verheissene Drache. Der Bauer fütterte ihn. Darauf bat er um Geld; der Drache gab es ihm. Von da an kam der Drache jeden Mittag, ass bei dem Bauer und brachte ihm Geld. Das dauerte so eine ganze Zeit hindurch, bis der Bauer glaubte, er habe Geld genug. Darauf versäumte er, dem Drachen Hirse vorzusetzen. Fortan erschien der Drache nicht mehr.

Der Bauer hielt sich nun für so reich, dass er sich allen Ausschweifungen, welche er für Geld haben konnte, hingab, in der Hoffnung, sein Geld werde nicht alle werden. Allein eines Tages besass er doch nichts mehr: der letzte Heller war in der Schenke vertrunken. In seinem Rausche wankte der Bauer nach Hause: dabei muss er vom Wege ab und dem Berge nahe gekommen sein, denn es weiss zwar Niemand was geschehen ist, aber am andern Morgen hat man den Leichnam des Bauers schrecklich zerfleischt am Luschki-Berge gefunden.

Graustein.     




[167]
41.

Das Volk, welches in alten Zeiten den Spreewald bewohnt hat, sind die Ludki gewesen. Diese waren nicht gross, aber auch nicht gerade klein, sondern untersetzt und vierkantig. Man sagt, dass sie in allen Künsten erfahren gewesen sind. Sie pflegten sich in Höhlen unter der Erde aufzuhalten und kamen nur selten an die Oberwelt: ihr König aber bewohnte ein Schloss, welches auf dem Schlossberge in Burg stand. Von dort aus machte er Streifzüge weit in das Land hinein. Oft pflegte er nach Burg zu gehen; deshalb hatte er sich dorthin eine Brücke bauen lassen, welche ganz aus Sohlenleder gefertigt war. Wenn er darüber schritt, so rollte sie sich von selbst hinter ihm wieder auf.

Später sind die Ludki von den Wenden verdrängt worden.

Straupitz.     
42.

Die Ludki sollen in alten Zeiten täglich auf dem Schlossberg bei Burg aus- und eingeritten sein.

Straupitz.     
43.

Vor dem Berliner Thore bei Lübben liegen die Ludkiberge. Die alten Leute erzählen, es hätten dort kleine Männchen gewohnt, welche einen König gehabt hätten, der dort auf dem Berge Gericht gehalten habe.

Lübben.     
44.

In Berge bei Forst giebt es mehrere Familien Sandmann. Man sagt, dass hinter ihren Scheunen sich die Ludki den pflügenden Landleuten noch gezeigt haben, als sie sonst überall bereits verschwunden waren.

Berge.     
45.

In dem Dorfe Koine bei Forst sind zwei Ludki noch im Jahre 1861 und zwar des Mittags von zwölf bis ein Uhr gesehen worden. Es waren aber ein kleiner Mann und eine kleine Frau. Da diese zur Hochzeit gewesen waren, so hatten sie Feierkleider an: das Männchen war mit einem rothen Rock bekleidet und einer weissen Hose, auf dem Kopfe trug es [168] eine Mütze und an der Mütze war eine Schelle; die kleine Frau hatte ein weisses Kleid an und trug auf dem Kopfe ein Kränzlein, auch sah man an ihr goldene Ketten und Ringe. Die Ludki haben Musik gemacht und getanzt. An demselben Tage waren die Bücher der Schulkinder in Koine mit Sand bestreut.

Berge.     
46.

In der Gegend von Weissack sind einige Sandberge, woselbst noch Reste von vielen Urnenscherben gefunden werden. Bei näherer Untersuchung ergiebt sich, dass dort in früherer Zeit altheidnische Begräbnissstätten gewesen sind. Die Leute in der Gegend sagen, dass diese Berge einst von kleinen Menschen, den sogenannten Ludkis, bewohnt gewesen sind. Die alten Leute haben oft versichert, dass ihre Eltern und Grosseltern die Ludki noch gesehen haben; sie erzählen, die Ludki hätten in innigem Verkehr mit den Menschen gestanden. Ferner berichten sie, dass die Ludki sehr arm, aber von grosser Redlichkeit gewesen wären, dass sie oft zu ihnen in das Dorf gekommen und sich Brod und Milch, sowie verschiedenes Hausgeräth geborgt hätten. Wenn die Ludki ihre Feste feierten, borgten sie sich bei den Dorfbewohnern grosse Kuchenschieber. Zuweilen brachten sie etwas Gebäck, das immer sehr sandig war, zum Dank mit den geliehenen Geräthen zurück. Aber als in den umliegenden Städten und Kirchdörfern die Glocken angeschafft wurden, sind die Ludki von den Sandbergen verschwunden; als das Glockengeläute gar nicht aufhörte, haben sie für immer die Gegend verlassen.

Weissack.     
47.

Die Sprache der Ludki ist ähnlich der gewesen, welche man von Kindern hört. Sie sagten z. B. nicht: „Wir können kein Brod backen,“ sondern „Brod backen nicht.“

Berge.     
48.

Die Ludki lebten in der Erde, sie nährten sich zumeist von Kräutern, Wurzeln und wildem Obst.

Drebkau.     
[169]
49.

Die Ludki lebten von Kräutern. Sie brachten den Landleuten, welche keinen Weihrauch oder Myrrhen in ihrem Hause hatten, Schaden. Die Gefässe, deren sie sich bedienten, fertigten sie aus Thon und Lehm an. Wer Weihrauch und Myrrhen in seinem Hause hat, dem kann es geschehen, dass er bei dem Umgraben seines Ackers Ludki-Gefässe findet.

Pritzen.     
50.

In Senftenberg befindet sich eine Schmiede, welche man die Koboldschmiede nennt. Sie hat davon ihren Namen, dass in derselben früher Ludki ihr Wesen getrieben haben. Wenn nämlich der Schmied eine Arbeit angefangen und sie am Abend unvollendet hatte liegen lassen, so war stets dieselbe am nächsten Morgen fertig. Der Schmied wollte gern wissen, wer seine nächtlichen Helfer wären. Deshalb stellte er sich in einer Nacht hinter der Thüre, welche zur Schmiede führte, auf und lugte durch das Fenster. Da sah er zwölf Ludki, welche sich an die Arbeit machten und so darauf losschlugen, dass das Werk in kurzer Zeit fertig war. Die Ludki waren nackt: das dauerte den Schmied. Er liess deshalb zwölf Anzüge fertigen und sie den Ludkis hinlegen. Allein er fand am andern Morgen die Anzüge unberührt liegen, die Ludki aber haben sich in der Schmiede nie wieder gezeigt.

Senftenberg.     
51.

In der Nähe von Byleguhre lag früher ein ziemlich hoher Berg, welcher aus schönem, weissem Sande bestand. Man erzählt, dass in dem Berge die Ludki gewohnt haben. Als man den Berg abfuhr, fand man auch wirklich eine grosse Menge von kleinen Krügen, Thränennäpfchen, sowie kleine Gefässe mit Henkelchen und Deckeln, in den Gefässen aber lagen Knochen. Daraus konnte man ersehen, was die Ludki früher für Gefässe gehabt haben.

Byleguhre.     
52.

Die Ludki, welche auf dem Jannoberge bei Byleguhre wohnten, zahlten ganz kleine Geldstücke für die Geräthe, [170] welche sie im Dorfe liehen. Als sie, durch das Glockenläuten veranlasst, abgezogen waren, hat man im Berge zinnerne Teller, Kellen und Löffel gefunden, sowie einen eisernen Kasten, in welchem sich eine Menge von kleinen Löchern befanden.

Byleguhre.     
53.

Vor einigen Jahren fand man in Waldow beim Grundlegen eines Hauses einen grossen, schönen, braun glasirten Krug mit blauen Blumen darauf. Darinnen lagen vier-, sechs-, acht- und neuneckige Silber- und Goldmünzen. Man erzählt, dass dieser Krug und das Geld von den Ludkis früher dort vergraben ist.

Waldow.     
54.

Die Ludki, welche auf dem Windmühlenberge bei Cottbus lebten, haben den Bauern, welche ihnen Gefässe geliehen, viel Gutes gethan.

Cottbus.     
55.

Die Ludki pflegten nur des Nachts zu den Leuten, von denen sie etwas borgen wollten, zu kommen.

Drebkau.     
56.

Ein Bauer in Weissack hatte eine Wiese, worauf er des Nachts seine Pferde hütete. Zu ihm sind oft die Ludki gekommen, haben sich an dem Feuer, welches er gemacht hatte, gewärmt und sich mit ihm unterhalten.

Weissack.     
57.

In der Nähe von Laasow liegt ein Berg, welcher Podgat genannt wird. In dem Berge haben früher die Ludki gewohnt, wie ein Bauer das bezeugen kann. Eines Tages nämlich, als er am Berge pflügte, überfiel ihn ein heftiger Hunger. Da sprach er so vor sich hin: „Hätte ich doch nur Essen, mich hungert doch gar zu sehr.“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so standen plötzlich Ludki vor ihm und reichten ihm eine Schüssel mit Buttermilch und Brod dar.

Laasow.     
[171]
58.

Ein Bauer pflügte einmal auf dem Ludkiberge bei Reichersdorf. Er liess den Pflug etwas tief gehen. Da stand plötzlich ein Ludk, ein kleiner, kaum einen Fuss hoher Mann, vor ihm. Der Ludk hatte einen langen, grauen Bart und sagte zu dem erstaunten Bauer: „Lieber Mann, lass doch Deinen Pflug nicht so tief gehen, Du zerstörst ja unsere Wohnungen. Wenn Du nicht so tief pflügst, so erhältst Du dafür morgen ein Stück Kuchen, denn wir backen heute gerade.“

Der Bauer ging auf den Wunsch des Ludk ein und pflügte nicht mehr so tief. Als er am andern Morgen auf das Feld kam, fand er wirklich ein Stück Kuchen, dasselbe schmeckte aber so nach Asche, dass er es wieder wegwarf.

Reichersdorf.     
59.

Einst pflügten zwei Bauern ihren Acker mit Ochsen. Als es Mittag geworden war, hatten sie grossen Hunger bekommen. Sie hatten jedoch auf das Feld nichts zu essen mitgenommen; so konnten sie ihren Hunger nicht stillen. Da sprachen sie, als sie, am Endes ihres Ackers, bei einem wasserlosen Graben angekommen waren: „Wenn doch die Ludki kämen und uns einen Kuchen brächten.“ Darauf pflügten sie weiter. Als sie wieder zur Stelle kamen, sahen sie einen Kuchen und dabei lag ein Messer; dazu hörten sie eine leise, schwache Stimme, welche sprach: „Esset aber den Kuchen lasst ganz.“ Erst wussten die Bauern nicht, wie sie das anfangen sollten, endlich aber fiel ihnen das Richtige ein: sie schnitten von dem Kuchen die Mitte heraus und assen sich daran satt, den Rand aber liessen sie ganz. Darauf pflügten sie weiter; als sie wieder an die Stelle kamen, war Alles verschwunden.

Forst.     
60.

Als die Madlower ihre Kirche bauen wollten, liess der Missionar die Steine an den Wiesenteich fahren, wo die Kirche erbaut werden sollte. Allein in jeder Nacht wurden die Steine, welche bei Tage herangeschafft waren, stets von den Ludkis auf einem Wagen mit Ochsen bespannt an die [172] Stelle gefahren, wo die Kirche jetzt steht. Es blieb dem Missionar nichts übrig, als sich dem Willen der Ludki zu fügen und an der betreffenden Stelle den Neubau zu beginnen, welcher ohne Störung ausgeführt werden konnte.

Cottbus.     
61.

Die Ludki wurden, wenn sie um ein Backfass baten und man verweigerte es ihnen, sehr böse, sie warfen den Leuten, welche das thaten, Steine vor die Thür.

Sachsendorf.     
62.

Einst gingen die Schulkinder aus einem Dorfe, nicht weit von Peitz, nach Hause. Die Eltern von einigen dieser Kinder wohnten in einer gewissen Entfernung vom Dorfe; so kam es, dass diese Kinder bei einem Feld vorüber kamen, auf welchem Mohrrüben standen. Da sahen sie plötzlich einen Ludk, welcher Rüben aufzog. Die meisten Kinder liefen erschreckt davon, als sie den kleinen Mann erblickten, nur ein Knabe warf mit Sand nach dem Ludk, schalt ihn auch, dass er sich auf fremdem Felde aufhalte. Sogleich erschienen mehrere Ludki, welche auf den Knaben zuliefen; der aber suchte eilig das Weite. Einer jedoch von den Ludkis, welcher einen Besen in der Hand hatte, holte den Knaben ein und schlug ihn damit. Der Schlag mit dem Besen ist für den Knaben von schlimmen Folgen gewesen; denn fortan wuchs er nicht mehr, sondern blieb klein wie ein Ludk.

Peitz.     
63.

Es war einmal eine arme Wittwe, die hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter.

Eines Tages gingen die Kinder in den Wald, um Beeren zu lesen, aber als es Abend war, verirrten sie sich, so dass sie sich nicht mehr nach Hause fanden. Da sprach das Mädchen zu dem Knaben: „Klettere auf einen Baum und siehe, ob Du irgendwo ein Licht erblickst.“ Da kletterte der Knabe auf einen Baum und sagte: „In der Ferne ist ein Licht, aber das ist sehr weit; komm’ auch auf den Baum, wir wollen hier oben übernachten. Morgen früh wollen wir dorthin [173] gehen, wo ich das Licht sehe, dort müssen Menschen wohnen.“ Den andern Tag gingen die Kinder dorthin, wo des Abends der Lichtschimmer gewesen war; endlich kamen sie an ein kleines Häuschen. Sie machten die Thür auf und traten ein. Da fanden sie eine kleine Küche; auf dem Heerde brannte das Feuer noch ein wenig. Darauf gingen sie in die Stube; dort fanden sie einen langen Tisch, worauf dreizehn Tellerchen und dreizehn kleine Becher standen, auch waren dreizehn kleine Betten dort. Die Kinder besahen sich das Alles, es war Alles sehr zierlich und klein und sie hatten ihre Freude daran. Da sprach das Mädchen zu seinem Bruder: „Gehe Du in den Hof und haue Holz, ich werde unterdessen die Betten machen, die Stube auskehren und Mittagbrod kochen.“ Und sie thaten also.

Gegen Mittag hörten die Kinder auf einmal viele Stimmen; sie versteckten sich aus Furcht davor unter dem Heerde. Da traten auf einmal dreizehn Ludki zur Thür herein; einer aber war darunter, der war grösser als die Uebrigen, das war ihr Oberster. Als die Ludki die Arbeit der Kinder sahen, sprachen sie: „Wer hat uns unsere Betten gemacht, wer hat uns unsern Tisch gedeckt, unsere Stube gekehrt und unser Mittagsessen gekocht?“ Darauf suchten sie so lange, bis sie die Kinder fanden. Der Oberste der Ludki sagte zu ihnen: „Fürchtet Euch nicht, Kinder, kommt vor und erzählt, wie Ihr hierher gekommen seid.“ Die Kinder erzählten Alles so, wie es sich zugetragen hatte, worauf alle Ludki sagten: „Bleibt doch bei uns, das Mädchen soll uns unser Hauswesen besorgen.“ Die Kinder waren damit einverstanden.

Die Ludki gingen tagtäglich in ein Bergwerk, während die Kinder zu Hause Alles besorgten. Es gefiel ihnen recht gut in dem Hause der Ludki. Schon waren sie etliche Wochen dort, als eines Tages eine Kutsche vor dem Häuschen hielt; ein fremder Herr stieg heraus. Der sprach zu dem Mädchen: „Komm mit in die Stadt, Du sollst dort Dein Glück machen.“ Aber das Mädchen sagte: „Nein, ich komme nicht mit.“ Da wurde der Mann böse, nahm eine Nadel und stach sie dem Mädchen in den Kopf, worauf dasselbe todt umfiel. Mittags kamen die Ludki nach Hause und [174] fanden das Mädchen todt auf der Erde liegen. Da wandten sie alle erdenkliche Mühe an, sie in das Leben zurück zu rufen, aber das Mädchen regte sich nicht, es war todt. Darauf wollten sie das Mädchen begraben. Sie hatten im Hause verschiedene thönerne Gefässe, in welchen sie das Mädchen bestatten wollten, aber diese waren alle zu klein; deshalb zimmerten sie einen Sarg. Während dieser Arbeit zogen sechs von den Ludkis das Mädchen an; einer wollte ihm die goldigen Haare auskämmen, da stiess er mit dem Kamme an die grosse Nadel, dass sie heraussprang. Sogleich schlug das Mädchen die Augen auf. Jetzt war die Freude gross. Der Oberste der Ludki sprach: „Ihr dürft Niemand, mag kommen, wer da will, zu Euch einlassen, wenn wir im Bergwerk sind.“ Das versprachen auch die Kinder.

Nach ein paar Tagen aber, als die Ludki wieder in ihr Bergwerk gegangen waren, kam eine alte Frau und klopfte an das Fenster; sie bat die Kinder, dass sie aufmachen möchten, sie hätte Aepfel zu verkaufen. Aber das Mädchen sprach: „Nein, wir machen nicht auf, wir brauchen nichts.“ Die Frau ging jedoch nicht fort, sondern sprach: „Wenn Du nichts kaufen willst, so will ich Dir einen schönen Apfel schenken, mache nur das Fenster auf.“ Da machte das Mädchen das Fenster auf, die Frau nahm einen schönen Apfel und sprach: „Beiss ab.“ Das Mädchen biss ab; sogleich fiel es todt nieder. Darauf weinte ihr Bruder sehr und sprach: „Ach, wenn doch die Ludki erst wieder zu Hause wären.“ Es dauerte auch nicht lange, so kamen dieselben nach Hause und fanden das Mädchen wiederum todt. Darauf fragten sie den Knaben, wer dagewesen wäre und was geschehen sei. Als sie Alles erfahren hatten, brach der Oberste dem Mädchen den Mund auf; siehe, das Stück vom Apfel war noch darin. Das nahm er heraus; sogleich wurde das Mädchen wieder lebendig.

Die Ludki hielten nun einen Rath und bestimmten, es sollten immer sechs von ihnen zu Hause bleiben, wenn die Uebrigen nach dem Bergwerk gingen, dann könnte ja dem Mädchen nichts Böses mehr zustossen. Das geschah. So lebten sie lange Zeit glücklich mit einander. Eines Tages [175] fragte der Oberste der Ludki das Mädchen, ob dasselbe ihn zum Mann haben wollte; das Mädchen sagte „Ja.“ Da sprach ihr Bruder: „Wir wollen doch unsere Mutter auch herholen und dann Hochzeit machen.“ Alle waren damit einverstanden.

Nun machten sich die beiden Kinder auf; die Ludki gingen mit ihnen durch den Wald, am Rande des Waldes aber blieben sie zurück und sprachen zu den Kindern: „Holt Eure Mutter jetzt hierher, wir werden hier so lange warten, bis Ihr wiederkommt.“ Den andern Tag kamen die Kinder zu ihrer Mutter, welche geglaubt hatte, sie wären gestorben; darum war ihre Freude gross, dass sie noch lebten. Die Kinder erzählten, wie es ihnen ergangen sei; die Mutter war damit einverstanden, dass ihre Tochter den Obersten der Ludki heirathe.

Darauf gingen alle drei bis an den Wald, wo die Ludki gewartet hatten, dann eilten Alle zusammen voller Freuden nach dem kleinen Hause. Am dritten Tage war die Hochzeit, die Vögel im Walde sangen dazu ihre Lieder. Fortan lebten sie glücklich miteinander. Am allermeisten aber freute sich die alte Mutter, dass sie jetzt so gute Tage habe, und dass ihre Tochter die Frau eines so reichen Fürsten geworden sei.

Kalkwitz.     
64.

Im Schlosse von Alt-Döbern wohnte im vorigen Jahrhundert die Familie von Heynicke. Eines Nachts schlief die Frau von Heynicke in ihrem Schlafzimmer. Plötzlich wurde sie durch ein Geräusch erweckt, ihr gegenüber in der Wand that sich eine Tapetenthür auf, von der sie früher nie eine Spur bemerkt hatte, ein kleines Männchen trat daraus hervor und winkte ihr mit ängstlicher Geberde, sie solle ihm folgen. Sie aber kam nicht. Da winkte das Männchen ihr noch einmal, mitzukommen, aber die Frau von Heynicke ging wieder nicht. Da verschwand das Männchen.

Plötzlich erschien das Männchen zum zweiten Male und winkte noch ängstlicher als zuvor. Doch Frau von Heynicke ging wieder nicht. Endlich öffnete sich die Thür zum dritten [176] Male, das Männchen trat dicht an das Bett der Frau von Heynicke und sprach: „Komm schnell mit, Du sollst meiner Frau helfen, sie ist in Kindesnöthen; bitte, komm ja schnell und hilf.“ Darauf stand die Frau von Heynicke auf und zog sich an, um dem Männchen zu folgen. Das Männchen öffnete die Tapetenthür, darauf traten sie in einen langen Gang. In demselben gingen sie eine Weile fort, bis sie, wie die Frau von Heynicke merkte, tief unten im Keller waren. Hier lag, auf Moos gebettet, ein schönes, zwergähnliches Weib in Kindesnöthen. Die Frau von Heynicke half ihr, so gut sie konnte; als Alles gut von Statten gegangen war, sprach das Männchen, indem es einen Ring hervorzog: „Dies ist die Belohnung für Deine Mühe: so lange der Ring ganz ist, wird das Glück Deiner Familien blühen; solltest Du aber den Ring verlieren oder zerbrechen, von Stund an wird das Glück von Euch weichen.“ Frau von Heynicke steckte den Ring an ihren Finger, dann wurde sie von dem Männchen wieder bis zu ihrem Schlafgemach geführt. Dort legte sie sich wieder hin und schlief.

Am andern Morgen glaubte Frau von Heynicke, sie habe geträumt, aber der Ring an ihrem Finger bewies ihr das Gegentheil. Darauf ging sie zu ihrem Manne und erzählte ihm Alles, was sie in der Nacht erlebt hatte und zeigte ihm auch den Ring. Ihr Mann aber hatte nie einen ähnlichen Ring in seiner Familie, noch in der seiner Frau gesehen. Man suchte die Tapetenthür, aber es wurde keine gefunden, auch war kein Gang im Keller zu entdecken. Frau von Heynicke hat eine geraume Zeit den Ring an ihrem Finger behalten und ihr und ihrer Familie ist es stets gut gegangen, aber als sie alt geworden war, ist der Ring plötzlich zerbrochen. Von dieser Zeit ist es allmählich mit den Vermögensverhältnissen der Familie rückwärts gegangen.

Alt-Döbern.     
65.

In einer kleinen Stadt diente bei einem Kaufmann eine Köchin. Als diese eines Abends am Kamine sass, regten sich die Steine unter ihren Füssen. Es dauerte nicht lange, so hoben sich die Steine ganz aus der Erde und ein Ludk [177] mit einem rothen Käppchen auf dem Kopfe kam aus dem Loche zum Vorschein. Der Ludk kletterte aus dem Loche heraus und setzte sich zu den Füssen der erschreckten Köchin nieder. Da fragte die Köchin: „Was willst Du von mir?“ Der Ludk sprach: „Fürchte Dich nicht, Du sollst weiter nichts, als in meinem Hause Gevatter stehen; in drei Tagen werde ich Dich abholen; das wird zu Deinem Glück sein.“ Als der dritte Tag gekommen war, putzte sich die Köchin und setzte sich in die Küche hin, um auf das Männchen zu warten. Sie hatte ihr Nähkörbchen noch in der Hand, als das Männchen plötzlich vor ihr stand und sagte: „Jetzt ist es Zeit, wir müssen gehen.“ In der Eile vergass die Köchin ihr Körbchen wegzustellen; sie behielt es in der Hand und ging damit fort. Der Ludk und die Köchin kamen in den Keller. Hier musste wohl die Wand sich geöffnet und so einen Durchlass gewährt haben, denn plötzlich stand die Köchin in einem erleuchteten Raum, welchen sie früher niemals im Hause gesehen hatte. Verwundert blickte sie um sich: sie sah lauter kleine Gestalten. In einem Himmelbettchen lag ein ganz kleines Kind. Da erscholl auf einmal eine wunderschöne Musik. Die Ludki brachten der Köchin zu essen und zu trinken, dann legten sie ihr das Kindchen auf den Schooss. Jetzt begann in dem Gemache eine Freude und eine Lust, wie die Köchin noch nie gesehen hatte. Zuletzt kam ein alter Ludk und legte der Köchin zwei Goldstücke in ihr Körbchen.

Dann kam derselbe Ludk wieder, welcher die Köchin geholt hatte, fasste dieselbe bei der Hand und führte sie bis zur Kellerthür. Darauf sprach er: „Ich werde bald wieder zu Dir kommen, dann sollst Du mir erzählen, was die Menschen treiben.“

Die Köchin kehrte in ihr Gemach zurück. Am nächsten Abend erschien der Ludk; die Köchin setzte ihm ein Schüsselchen mit Hirse vor und sprach mit ihm. Darauf stellte die Köchin fast jeden Abend, so oft der Ludk kam, ein Schüsselchen mit Hirse auf den Kamin; das Männchen nahm dasselbe jedes Mal mit. Einst dachte die Köchin: Du willst doch Dein Pathchen beschenken. Sie nähte für das Kindchen ein rothes Röckchen und ein Käppchen. Als sie damit fertig war, legte sie das Röckchen und das Käppchen [178] auf die kleine Schüssel mit Hirse und wartete bis der Ludk kam. Als aber der Ludk das Röckchen und das Käppchen sah, lachte er höhnisch auf und sagte: „Genug geschenkt und doch noch nicht genug geschenkt.“ Darauf verschwand er. Seit dieser Zeit ist er nicht wieder gekommen.

Vetschau.     
66.

Wenn eine Frauensperson heimlich geboren und ihr Kind bei Seite gebracht hat, so erscheinen ihr die Ludki und peinigen sie.

Berge.     
67.

In Seeritz war einmal die Vogtsfrau mit noch mehreren andern Weibern nach der Wiese gegangen, um Heu zu machen; sie hatte ihr Kind mitgenommen und dasselbe bei einem Heuhaufen auf ein Grastuch hingelegt. Als die Weiber eine Weile geharkt hatten, hörten sie auf einmal eine zarte Stimme rufen: „Nimm auf das Wickelkind, Du stösst an den Dorand.“ Die Frauen sahen von der Arbeit auf und erblickten in der Ferne eine Menge Ludkis, welche etwas Schweres trugen. Bevor noch die Frauen recht wussten, was das eigentlich bedeute, sagte eine alte Frau: „Vogten, am Ende ist gar Euer Kind vertauscht.“ Und so war es. Als die Frauen nach dem Heuhaufen hinkamen, lag ein Wechselbalg auf dem Grastuche. Das richtige Kind hatten die Ludki gestohlen.

Seeritz.     
68.

In Alt-Zauche war eine arme Tagelöhner-Frau, die ging eines Tages auf das Feld; sie nahm auch ihr kleines Kind dorthin mit. Das Kind wurde von den Ludkis vertauscht. Das untergeschobene Kind sprach nicht, konnte auch nicht gehen, sondern blieb immer in seiner Wiege liegen, und die Leute mussten es füttern. Wenn nun die Leute auf Arbeit gegangen waren und des Abends nach Hause kamen, so fand es sich, dass stets das beste Essen im Hause weg war; Niemand aber dachte daran, dass das Kind in der Wiege Alles aufgegessen haben könnte. Da kochte die Frau eines Tages Fleisch, stellte den Topf auf den Heerd und sagte heimlich zu ihrem Manne: [179] „Wir wollen die Stube zuschliessen und so thun, als wenn wir auf Arbeit gehen, in Wirklichkeit aber wollen wir sehen, wer das Fleisch aufisst.“ Darauf gingen sie fort, stellten sich unter das Fenster und sahen von draussen, wie das Kind aus der Wiege aufstand, rasch nach dem Heerd ging und das Fleisch aus dem Topfe nahm. „Siehst Du,“ sprach nun die Frau zu ihrem Manne, „das Kind ist kein gewöhnliches Kind, wie ich längst geahnt habe, den Wechselbalg werden wir nimmer los. Wir wollen doch einmal sehen, ob er auch sprechen kann.“ Den andern Tag kochte die Frau ein Stück Leder und stellte den Topf wieder auf den Heerd. Darauf schlossen die Leute ihre Stube wiederum zu und gingen unter das Fenster, um dort zu lauschen. Der Wechselbalg kletterte aus seiner Wiege, lief zum Heerd und griff mit der Hand in den Topf; als er das Leder sah, sprach er: „Aha, heute giebt es Schuhsohlen.“

Alt-Zauche.     
69.

Die Ludki sollen oft gesagt haben: „Es wird eine Zeit kommen, in welcher grosse Essen dampfen und feurige Wagen herumrollen werden. Unsere Zeit ist um, denn nicht nur hierin, sondern auch in allen übrigen Dingen wird die Welt weiter fortschreiten.“

Forst.     
70.

In der Nähe von Straupitz befindet sich ein Berg, welcher Binussensberg heisst. Die Ludki, welche darin wohnten, holten sich alle Wochen ein Backfass und gaben dafür den Leuten, wenn sie es zurückbrachten, ein Brödchen. Als die Glocken, welche sie Brumacken nannten, in Straupitz geläutet wurden, sind sie ausgewandert.

Straupitz.     
71.

Als in Cottbus zuerst die Glocken geläutet wurden, riefen die Ludki: sgubila, sgubila, d. h. wir sind verloren – und liefen erschreckt davon. Von diesem Ausruf soll Guben seinen Namen erhalten haben.

Cottbus.     
[180]
72.

Die Ludki flohen, da sie das Glockenläuten nicht ertragen konnten, von Land zu Land, bis sie über das mittelländische Meer nach Afrika kamen.

Cottbus.     
73.

Die Ludki sind aus Forst durch das Geläute der Glocken vertrieben worden. Von der Stadt zogen sie auf den Galgenberg, von dort auf den Marienberg bei Kölzig, doch auch von dort vertrieb sie das Glockengeläut.

Als sie vom Marienberg wegzogen, haben sie ihre Kostbarkeiten, einen goldenen Tisch und sonstige goldene Geräthe in einem Thale nahe bei Gross-Kölzig vergraben. Noch heute färbt sich in diesem Thale das Gras gelb von den Kostbarkeiten, welche daselbst vergraben sind. Gefunden ist aber von diesen Kostbarkeiten noch nichts, so viel man auch an Ort und Stelle nachgegraben hat.

Berge.     
74.

In Koine liegt am Ende des Dorfes ein Berg, in welchem ein tiefes Loch ist. Dieses Loch heisst die Ludki-Höhle. Man hat in der Höhle nachgegraben und gefunden, dass weisser Sand in derselben gestreut gewesen ist, sonst aber hat man dort bis jetzt nichts von den Ludkis gefunden, obgleich man weiss, dass dort von ihnen ein Schatz vergraben ist.

Koine.     
75.

Auf der östlichen Seite der Stadt Lübben liegt eine Reihe ziemlich hoher Berge, welche die Brautkrone heissen. Da soll vor alten Zeiten eine heidnische Festung gewesen sein; früher haben die Leute dort auch sehr schöne Urnen oder Ludkitöpfe mit Knochen darin gefunden: also müssen die Ludki dort einen Begräbnissplatz gehabt haben.

Lübben.     
76.

Ein Mädchen graste in einem Grunde mit der Sichel. Da geschah es, dass sich fortwährend ein feiner, seidener [181] Faden um ihre Hände wickelte. Mehrere Male zerschnitt es denselben, aber immer wieder haftete er an der Hand und wickelte sich auf’s Neue auf. Da zerriss das Mädchen im Aerger den Faden und sprach: „Verfluchtes Ding.“ Alsobald hörte es ein lautes Poltern im Innern der Erde. Das aber hat, wie dem Mädchen später Jemand gesagt hat, dem sie Alles erzählte, von dem Schatz der Ludki hergerührt, welcher sich an dem Faden in die Höhe gewunden hatte. Derselbe ist schon ganz oben gewesen, bei den betreffenden Worten aber mit lautem Geräusch wieder in die Tiefe gesunken. Man weiss auch, dass der Schatz der Ludki in einer Glocke gelegen hat.

Forst.     
77.

Eines Nachts sah ein Mann einen Ludk vor seinem Bett stehen. Der Ludk forderte ihn auf, ihm zu folgen. Der Mann wollte nicht. Auch in der zweiten Nacht, als der Ludk wieder erschien, stand der Mann nicht auf, in der dritten Nacht aber, als der Ludk ihn auf’s Neue dringend darum bat, sagte er, dass er ihm folgen wolle. Als er sich bereit erklärt hatte, sagte ihm der Ludk, er solle einen Spaten nehmen und ihm folgen. Darauf führte er ihn auf das Feld. Dort stand ein grosser wilder Birnbaum auf einem einsamen Fleck. Der Ludk befahl ihm, er solle an dieser Stelle in die Tiefe graben, verbot ihm aber, sich umzusehen, wenn es auch hinter ihm donnern oder blitzen werde, oder das Dorf in Feuer aufgehen sollte, er werde ihn behüten. Der Mann, welcher vermuthete, er solle einen Schatz heben, grub frisch darauf los. Plötzlich war in seinen Augen ein heller Schein, es war ihm, als brenne das Dorf. Erschreckt drehte er sich nach dem Feuer um. Da liess sich in der Erde ein furchtbares Brausen, Poltern und Donnern vernehmen, der Ludk verschwand und der Mann stand allein unter dem Baum; die Grube war verschüttet, von seiner Arbeit war keine Spur mehr zu sehen. Da ging er voll Angst nach Hause.

Später hat er sein Erlebniss erzählt: ein alter Mann hat ihm Alles erklärt und gesagt, dass er dazu bestimmt gewesen sei, den Schatz der Ludki, einen Kessel mit Gold, zu [182] heben, durch seine Unvorsichtigkeit sei aber derselbe wieder in die Tiefe gesunken.

Forst.     
78.

In Geren bei Luckau befindet sich auf dem Felde eine Grube; es heisst, die Ludki haben darin ihre Wohnung gehabt. Als die Ludki ausgewandert sind, ist das Heiligthum derselben, ein Tisch mit einer goldenen Lampe, dort, wo jetzt die Grube ist, versunken. Viele Leute haben schon danach gegraben, bis jetzt ist aber weder Tisch noch Lampe gefunden worden.

Geren.     



Kapitel XVI Nach oben Kapitel XVIII →
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.