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BLKÖ:Schaller, Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 29 (1875), ab Seite: 102. (Quelle)
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Schaller, Ludwig (Bildhauer, geb. zu Wien 13. October 1804, gest. zu München 29. April 1865). Der jüngere Sohn des Historienmalers Anton [siehe die kleine Stammtafel bei Eduard Schaller, S. 94]. Als Sohn eines Künstlers nahm er frühzeitig jene Eindrücke in sich auf, wodurch seine angeborne Neigung zur Kunst nur noch mächtiger gefördert und entwickelt wurde. Vornehmlich wirkte das Plastische auf ihn ein, denn immer wieder zog es seinen Blick zu drei Statuen (der Diskuswerfer, die mediceische Venus und Germanicus), Copien seines Oheims Johann [s. d. S. 98] hin, welche sich im Empfangszimmer seines Vaters befanden und welche der Knabe stundenlange betrachten konnte. Erkannte der Vater, selbst ein Künstler, seines Sohnes Talent nicht, oder, da seine eigene Bahn eben keine zu rosige war, wollte er ihn nicht die Schwingen zu dem ikarischen Fluge erheben lassen und ihm das Leid eines nicht genug gewürdigten Künstlerstrebens ersparen, kurz, Ludwig wurde für den geistlichen Stand bestimmt und mußte, 18 Jahre alt, in das Wiener Piaristenkloster eintreten. Ein paar Priester, welche den Genius des Jünglings erkannten, wandten sich ihm theilnahmsvoll zu und thaten das Ihrige, ihn wissenschaftlich zu bilden und zu fördern. Auch ließ der seiner Kraft und seines Kunstdranges immer bewußter werdende Jüngling zuletzt seine Lebensrichtung sich nicht aufdrängen, er verließ das Kloster und trat als Zögling in die k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien ein, wo er sich mit besonderem Eifer auf das Zeichnen und Modelliren verlegte. Professor Kähßmann [Bd. X, S. 348], der S.’s Talent bald erkannte, nahm ihn in sein Atelier und unterrichtete ihn im Holzschnitzen u. dgl. m. Als Kähßmann später nach Rom reiste, kam S. in das Atelier seines Oheims Johann, und mit dem Eintritte in dasselbe begann seine höhere Ausbildung. Ein Freund der Literatur, machte sich S. um diese Zeit mit den Meisterwerken der alten Classiker und den Koryphäen der Literatur der modernen Völker bekannt, und schon damals erwachte in ihm der Gedanke, dieselben bildlich darzustellen, den er auch in der Folge mit so großem Geschicke ausführte. S. arbeitete fleißig im Atelier seines Oheims, an Privatbeschäftigung fehlte es damals, wo die Kunst und gar die Plastik brach darniederlag, vollends. An einer Preisausschreibung betheiligte sich S., der jüngste unter den Bewerbern, gleichfalls und erhielt den zweiten Preis, [103] weil, obschon die technische Ausführung noch Manches zu wünschen übrig ließ, seine Composition nach dem Ausspruche der Preisrichter die beste war. Dieser Erfolg ermuthigte sehr den jungen Künstler, der, da sein Talent von keiner Seite in Anspruch genommen wurde, genöthigt war, zu seiner eigenen Ausbildung Compositionen zu schaffen. Da traf es sich, daß von München (1828) an seinen Oheim, den Bildhauer Johann, ein Schreiben gelangte, in welchem ihm gemeldet wurde, daß man in München, wo damals eben durch König Ludwig ein reges Kunstleben herrschte, einen jungen Bildhauer suche, welcher modelliren könne. So schwer es dem jungen S. fiel, seine Vaterstadt zu verlassen, in welcher er nichts Geringeres beabsichtigte, als durch seinen unermüdlichen Eifer einer vernachlässigten Kunstgattung Geltung und Beachtung zu verschaffen, so nöthigte ihn doch der völlige Mangel an Beschäftigung, in München sein Glück zu versuchen. Er reiste nun dahin; daselbst arbeitete er einige Zeit bei dem Bildhauer Leeb und bei Professor Maier, von da begab er sich zu Ludwig Schwanthaler, dem er im Modelliren thätige Hilfe leistete. Der mächtig treibende Drang aber ließ ihn nicht ruhen und rasten. Schon nach anderthalb Jahren begann er ohne alle äußeren Bedingungen, welche zur Errichtung eines Ateliers nothwendig sind, ohne Vermögen, Aufträge und Verbindungen, im eigenen Namen zu arbeiten. Er nahm in München seinen bleibenden Aufenthalt und Oesterreich verlor einen seiner edelsten Söhne, um den Glanz seines Namens in der Fremde aufleuchten zu sehen. Nur einmal noch – im September 1844 – besuchte er die Kaiserstadt, um seinen Vater noch vor dessen Tode zu sehen, dann machte er in den Jahren 1842 und 1844 Reisen durch Deutschland und die Schweiz, sonst blieb er die übrige Zeit hindurch in München, das seine zweite Heimat geworden war, und sein ganzes Leben geht im Schaffen von Kunstwerken auf, von denen im Folgenden eine möglichst vollständige Uebersicht der bedeutenderen gegeben werden soll. Es sind Porträtbüsten, Statuetten, Denkmäler, Skizzen zu dergleichen, Zeichnungen für öffentliche Gebäude u. dgl. m. Von seinen Porträtbüsten sind zu nennen: „Eduard Duller“, von dem Dichter selbst bestellt (1830); – „Karl Spindler“, gleichfalls im Auftrage des Dichters; – „Die Königin Therese von Bayern“, in großem und kleinerem Formate; – „Frau von Olivier“; – das Basrelief-Bildniß eines Herrn „Russmann“, österr. Beamten; – die Basrelief-Büsten: „Münzdirector Meyé“, – „Frau von Schnorr“, – „Fräulein Emma Koch-Sternfeld“, – „Johann Friedrich Freiherr von Cotta“; – die kolossalen Büsten: „Churfürst Karl Theodor“, – „Georg der Reiche“, – „Maximilian Joseph I.“, – „König Ludwig I.“, alle vier für die königliche Bibliothek; – „Veit Stoss“. – „Peter Canisius“, – „Hans Burgkmayr“ und „Joachim Sandrart“, alle vier in Marmor für die Ruhmeshalle; – zahlreich sind S.’s Statuetten; er hatte die Absicht, einen ganzen Cyklus von dreißig Stück zu vollenden, er wollte damit den menschlichen Genius in seinen erhabensten Vertretern feiern. Bis zum Jahre 1846 waren „Goethe“, „Schiller“, „Herder“, „Wieland“, „Lessing“, „Jean Paul Friedrich Richter“, „Hans Sachs“, „Dante“, „Petrarca“, „Ariosto“, „Tasso“, „Calderon“, „Shakespeare“ vollendet. [104] Es sollten denselben die Statuetten von Milton, Byron, Lopez de Vega, Cervantes, Camoens, Guarini, Molière, Racine, Klopstock, Walther von der Vogelweide, Ofterdingen, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Balde, Spee folgen. Die Statuetten waren 2 Schuh hoch, die Consolen betrugen 1 Schuh. Der erste Cyklus fand die beifälligste Aufnahme, vornehmlich in England; ob der Künstler die ganze Serie gearbeitet, ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht bekannt. Von S.’s anderen Werken sind anzuführen: die acht Basreliefs in zwei Sälen der Münchener alten Pinakothek, in dem einen mit Darstellungen, welche sich auf Jan von Eyck, in dem anderen auf Dürer und Holbein beziehen; im 1. Saale: „Van Eyck malt seinen Bruder als heiligen Lucas“; – „Van Eyck unterrichtet den König René im Malen“ – „Van Eyck zeichnet die Stiftung des goldenen Vliess-Ordens“; – „König Alphons von Neapel bekommt durch Handelsleute ein Bild von Joh. von Eyck zum Geschenke“; – im 2. Saale: „Hanns Holbein wird bei Thomas Morus von diesem dem Könige Heinrich VIII. vorgestellt“; – „Hanns Holbein malt das Bildniss von Anna Boleyn“; – „Kaiser Max lässt Albrecht Dürer seinen von Jungfrauen und Pagen umgebenen Triumphwagen vorführen“; – „Albrecht Dürer empfängt auf dem Künstlerfeste zu Antwerpen den Ehrenbecher“; – die vier Basreliefs im neuen Königsbaue zu München, im Schlafgemache der Königin: „Die Baukunst“, „Die Malerei“, „Die Plastik“ und „Die Naturwissenschaft“ vorstellend; und auf den Decken Basreliefs zu Kaulbach’s Bildern zu Goethe’s Werken; zwei Statuen in den äußeren Nischen der Glyptothek zu München: „Prometheus, sein Menschengebilde beseelend“; – „Phydias, das Modell des Zeus zu seinen Füssen“; von verschiedenen, im Privatbesitze befindlichen Basreliefs sind zu nennen: „Euridike, von der Schlange gebissen“; – „Die ohnmächtige Psyche“; – „Ariadne und Bachus, welcher, seine Geliebte zu bekränzen, sich den Kranz vom eigenen Haupte nimmt“; – „Hebe mit dem Adler“; – „Hygeia“; – „Christus, seine Wundmale zeigend“. Von Schaller’s Arbeiten, die sich außerhalb München befinden, sind zu nennen, in Karlsruhe, die vier Reliefbilder auf dem Akademiegebäude, die vier Sternbilder: die „Jungfrau mit dem Sirius“, – den „Hesperus“, – den „Morgenstern“ und die „Locken der Berenice“ vorstellend, Gypsabgüsse davon befinden sich in Wien und im Privatbesitze; auch ist eines im obgedachten Akademiegebäude gemalten Frieses zu gedenken, der im hetrurischen Style, die Figuren roth auf braunem Grunde, unter Schwind’s Aufsicht nach Schaller’s Composition ausgeführt wurde, und nach Pindar’s Schilderung: „Die olympischen Spiele“ in drei Fuß hohen Figuren darstellt; – für das damals in Ausführung begriffene Museumgebäude in Pesth entwarf S. für das Giebelfeld und den Fries eine reiche Composition. In der Mitte des Giebelfeldes sitzt die Lorbeern austheilende Pannonia; rechts kommt in Begleitung des Friedens die Kunst heran und als Eckbild dient die Donau; dieser entspricht als linke Eckfigur die Theiß und das Alterthum erscheint mit der Fama vor der Schutzgöttin. In sechs Nischen stehen kolossale Figuren, welche die Architectur, Malerei, Sculptur, Naturwissenschaft, Numismatik und die Bibliothek darstellen. Der aus drei Abtheilungen bestehende Fries mit sieben Fuß hohen Figuren stellt Ungarns drei Kunstepochen vor. Links vom Beschauer steht man den h. Stephan, wie [105] er von byzantinischen Baumeistern die Kathedrale von Stuhlweissenburg erbauen läßt. In der mittleren Abtheilung sieht man den König Mathias Corvinus mit seiner Gemalin Beatrice. Vor dem Könige erscheinen die Meister mit den Modellen der Riesentreppe zu Wisehrad und des silbernen Daches; dann sieht man die Bildhauer mit der Ausführung einer kolossalen Madonna und eines Capitäls beschäftigt; vor der Königin hingegen erblickt man Aeneas Sylvius, der dieselbe auf einen jungen Italiener aufmerksam macht, welcher einen Baum im Topfe trägt, so auf die von dem Könige angelegten Gärten deutend, und in den Ecken erscheinen der Maler und seine Schüler mit dem Bildnisse des Königs. Die dritte und offenbar sinnigste Abtheilung schildert die Neuzeit: Kaiser Ferdinand und der Palatin von Ungarn, von einigen Großen des Reiches umgeben, empfangen die Huldigung der modernen Kunst. Es erscheint der Architekt Pollak mit dem Modell des Museums, hinter ihm der Erbauer der Kettenbrücke in Pesth, dann der Architekt Hild mit dem Modelle des Domes in Erlau, der Bildhauer Ferenczy mit der Statue eines Christus und der Graf Majlath mit seiner Geschichte von Ungarn, in welche der Bildhauer Ludwig Schaller blickt. Der kolossale Giebel wurde durch den Bildhauer Raffaele Monti modellirt und bei Förster in Wien in Zink gegossen. Als im Jahre 1839 das Preisprogramm für ein Monument auf Kaiser Franz I. ausgeschrieben worden, bewarb sich auch Schaller um den Preis. Schaller stellte den Kaiser in römischer Toga sitzend dar, wie er das Volk segnet. Am Piedestal sollten in vier Kolossalstatuen des Kaisers Tugenden und Wahlspruch: Fides, Pax, Lex, Justitia regnorum fundamentum versinnlicht angebracht werden. Am Sockel erscheint der Kaiser stehend mit dem Scepter, umgeben vom Wehr-, Nähr- und Lehrstande. Dem Schaller’schen Entwurfe wurde der Preis zuerkannt, als man aber später aus politischen Gründen zu dem wenig gelungenen Projecte Marchesi’s griff, wurde S. für seinen Entwurf in ansehnlicher Weise entschädigt. Von anderen Werken S.’s sind anzuführen: ein paar Grabmonumente, und zwar für Leopold Grafen Stollberg, Kreishauptmann in Salzburg. In einer im altdeutschen Style ausgeführten Nische steht die h. Jungfrau mit dem Kinde von weißem Marmor. Das fünfzehnthalb Fuß hohe Monument steht in Morzg bei Salzburg auf der Straße nach Gastein; – auf dem Kirchhofe zu Stuttgart das Grabdenkmal der Gattin des Kaufmanns Müller. Es stellt eine junge Mutter mit ihrem Kinde vor, welches der Engel in das Jenseits entführt. Die Gruppe ist vierthalb Schuh hoch; den architektonischen Theil hat der berühmte Architekt F. von Gärtner ausgeführt; Stiegelmayer aber hat die Gruppe in Erz gegossen; das Denkmal erschien in einer Sammlung der vorzüglichsten Grabmonumente in Stuttgart im Stiche. Außer der bereits oben erwähnten Statuette Herder’s hat S. den großen Denker und Dichter noch einmal zum Gegenstande seiner künstlerischen Conception gemacht. Als nämlich Dr. E. Förster im Jahre 1844 anläßlich der hundertjährigen Geburtsfeier Herder’s an die Errichtung eines Monumentes für denselben erinnerte, vollendete auch S. einen Entwurf. Nun hatten die Freimaurerlogen von Darmstadt und Weimar die Kosten eines durch die beiden Bildhauer Scholl zu errichtenden Herder-Denkmals [106] übernommen; nichts destoweniger fand Förster’s Vorschlag, ein zweites Monument durch Schaller ausführen zu lassen, viel Theilnahme. Eine Zeichnung dieses Denkmals ist in Lithographie erschienen. Von anderen Werken S.’s ist nur noch das oben erwähnte Basrelief, das Sternbild der Jungfrau mit dem Sirius von Stäbli im Stiche erschienen. Viele kleinere Werke des Künstlers sind in der vorstehenden Uebersicht nicht erwähnt worden. Schaller war ein bedeutender Künstler, dem eine gediegene Bildung die vielseitige Entfaltung eines schönen Talentes erleichterte. Ihm war es gleich, ob die Aufgabe, die er zu lösen hatte, der Geschichte oder Mythologie, der alten oder neuen Zeit entnommen war, bei seinem gründlichen und umfassenden Wissen erfaßte er sie immer mit gleichem Eifer, mit gleichem Verständnisse. Jede Erscheinung im Leben, in sofern sie geeignet war, den Geist anzuregen, gewann bei ihm künstlerische Bedeutung; er war, mit einem Worte, ganz Künstler. Das mochte wohl auch die Ursache sein, daß er erst in späteren Jahren zur Ehe schritt. Aber seine Lebensgefährtin raffte der Tod vor ihm hinweg, und so wurde dem Verlassenen, von körperlichen Gebrechen Heimgesuchten das vereinsamte Alter noch trauriger. Literatur, Poesie, Musik hatte er sehr geliebt und war in seinen früheren Jahren sehr lebenslustig.

Rechenschafts-Bericht des Verwaltungs-Ausschusses des Kunstvereins in München im Jahre 1865 (München 1866, Dr. C. Wolf u. Sohn, 4°.) S. 53. – Frankl (L. A. Dr.) Sonntagsblätter (Wien, 8°.) 1843, S. 915; 1844, S. 903; 1846, Kunstblatt Nr. 1: „Ludwig Schaller“. – Ueber Land und Meer. Allgemeine illustrirte Zeitung (Stuttgart, Hallberger, Fol.) XIV. Bd. (1865), Nr. 35, S. 551. – Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst. Herausg. von Dr. Ad. Schmidl (Wien, Sommer, 4°.) II. Jahrg. (1845), S. 382, in der Besprechung des Salzburger Kunstvereins. – Steger (Fr. Dr.), Ergänzungsblätter zu allen Conversations-Lexiken (Leipzig und Meißen 1850 u. f., gr. 8°.) Bd. II, S. 109. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon u. s. w. (Hildburghausen, gr. 8°.) Zweite Abthlg. Bd. VII, S. 478, Nr. 5. – Die Künstler aller Zeiten und Völker. Begonnen von Professor Fr. Müller, fortgesetzt von Dr. Karl Klunzinger (Stuttgart. Ebner u. Seubert, gr. 8°.) Bd. III, S. 431. – (Hoffinger, Jos. Ritter v.) Oesterreichische Ehrenhalle (Wien, gr. 8°.) III, 1865, S. 70 [nach diesem gest. 19. April 1565]. – Blätter für Landeskunde von Niederösterreich (Wien, gr. 8°.) 1865, Nr. 7, S. 97. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1865, Nr. 122.