RE:Helleboros
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Nieswurz, Pflanzengattung | |||
Band VIII,1 (1912) S. 163–170 | |||
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Helleboros (elleborus, elleborum, veratrum, ἑλλέβορος, ἐλλέβορος und ἐλλεβόρος), Nieswurz, Name verschiedener Heilpflanzen. Die Ableitung steht nicht fest. Isidor orig. XVII 9, 24 sagt: elleborum memorant Graeci circa Elleborum quendam fluvium plurimum gigni, atque a Graecis inde appellari. Auf gleicher Höhe steht die von F. Kanngiesser Die Etymologie der Phanerogamen-Nomenklatur, Gera 1909, 80 wieder vorgebrachte Zurückführung auf ,ἑλεῖν nehmen, βορά Fraß, weil sein Genuß tötlich wirkt oder weil es abführt‘. Prellwitz Etym. Wörterb. d. gr. Spr. 1382 denkt an ἑλλερόβορος von ἔλλερος schlecht, und βιβρώσκω ?
Die Hippokratiker erwähnen an zahlreichen Stellen, auf die bei den Heilwirkungen näher einzugehen sein wird, zwei Arten von ἑ., den ἑ. μέλος und den ἑ. λευκός. Der echte Theophrast nennt meist kein Unterscheidungsmerkmal, so, wenn er sagt (h. pl. IV 5, 1), der ἑ. gehöre zu den in Wurzel und Saft wirksamen Arzneipflanzen, die kalte Gegenden lieben, ferner (c. pl. VI 13, 4) der vom Oeta sei besser als der vom Parnaß, da dieser allzustark und für den Arzneigebrauch nicht geeignet ist, und (h. pl. VI 2, 9) der Stengel sei dem Narthex ähnlich. Dagegen heißt es c. pl. VI 13, 5: ,Manche Standorte vermögen die Heilkräfte gar nicht auszukochen; so kommt ja auch an vielen Orten schwarzer ἑ. vor und andere [164] Drogen, aber sie sind kraftlos und unwirksam‘. Somit und nach den allerdings sehr mangelhaften beschreibenden Zügen scheint er an den ersteren Stellen den weißen ἑ. zu meinen. Auch der Rhizotom, welcher das dem Theophrastos zugeschriebene zweite Stück des 9. Buches der Pflanzengeschichte verfaßt hat (vgl. H. Bretzl Botanische Forschungen des Alexanderzuges 366, 24) und der zum mindesten Diokles von Karystos ausschreibt (vgl. M. Wellmann Das älteste Kräuterbuch der Griechen, Festgabe f. Fr. Susemihl 25, 2), unterscheidet im 10. Kapitel, das ganz dieser Pflanze gewidmet ist, die gleichen beiden Arten wie die Hippokratiker. Aber selbst gekannt scheint er sie nicht zu haben, denn was er vorbringt, ist wenigstens anfangs recht konfus: ,Der schwarze und der weiße ἑ. haben zwar eigentlich den gleichen Namen, aber im Aussehen sind sie verschieden, denn einige sagen, sie seien einander ähnlich, doch sei die Farbe der Wurzeln verschieden, bei dem einen nämlich schwarz (das bezieht sich jedenfalls auf die oben angeführte Stelle des echten Theophrast c. pl. VI 13, 5), bei dem andern weiß. Andere geben dem schwarzen ein lorbeerartiges, dem weißen ein lauchartiges Blatt; die Wurzeln aber seien bis auf die Farbe übereinstimmend. Diejenigen aber, welche die beiden Pflanzen für ähnlich erklären, geben die Gestalt folgendermaßen an: der Stengel ist antherikosartig, sehr kurz, das Blatt breitgeschlitzt, sehr ähnlich dem des Narthex und von beträchtlicher Größe. Es entspringt sogleich aus der Wurzel und liegt auf der Erde auf. Die Pflanze ist vielwurzelich mit dünnen und brauchbaren Wurzelfasern‘.
Diese Beschreibung erinnert stark an die des Dioskurides m. m. IV 162 W.: Die schwarze Nieswurz – sie heißt auch Melampodion, Ektomon oder Polyrrhizon – (die interpolierte Bearbeitung fügt noch hinzu: οἱ δὲ Ὀρέστιον, οἱ δὲ Προίτιον, οἱ δὲ μελανόρριζον, οἱ δὲ κοιράνειον, προφῆταὶ ζωμαρῖτις, Αἰγύπτιοι ἱγαΐα, οἱ δὲ ἐλαφυής, οἱ δὲ κεμελέγ, οἱ δὲ ἑρμιελύ, Ῥωμαῖοι βερέτρουμ νίγρουμ οἱ δὲ κονσιλίγω, οἱ δὲ σαρράκα, Δάκοι προδιάρνα). – Melampodion, weil ein Ziegenhirt namens Melampus (Theophr. h. pl. IX 10, 4) die rasenden Töchter des Proitos damit durch Purgieren geheilt haben soll. Sie hat grüne platanenartige Blätter, die jedoch kleiner sind als die des Sphondylion, stärker eingeschnitten, dunkler und etwas rauh. Der Stengel ist kurz, er trägt weiße, rötlich angehauchte Blüten, in traubenförmigem Blütenstande, darin befindet sich eine safflorähnliche Frucht, welche die Bewohner von Antikyra auch Sesamoeides heißen und zum Purgieren gebrauchen (vgl. Theophr. h. pl. IX 9, 2. 14, 4). Die Wurzeln sind schwarz, dünn, wie an einem zwiebelartigen Köpfchen befestigt und gleichfalls medizinisch brauchbar. Er wächst an rauhen, hügeligen und sehr dürren Plätzen. Am besten ist der aus solchen Gegenden bezogene: ein solcher ist der von Antikyra, denn auch der schwarze gedeiht dort am besten‘. Weiterhin wird auch noch der vom Helikon, Parnaß und aus Aitolien als gut erwähnt. Auch die Beschreibung bei Plin. n. h. XXV 47ff. stimmt als auf gleichen Quellen beruhend hiermit im wesentlichen überein. Darnach darf man in der griechischen Pflanze [165] den Helleborus cyclophyllus A. Br. annehmen, von dem Halácsy Conspect. florae Graecae I 29 sagt: in silvis montanis usque in regionem alpinam (2000 m) adscendens, nec non in olivetis regionis inferioris. Vulgatissime in Pindi epirotici et thessalici montibus omnibus, ubi in regione sup. saepe areas extensas obtegit, dein mont. Olympo ... Pelion ... Othrys ... Helicon, Oeta, Parnassus al. Alle früheren Deutungen scheiden aus, weil auf Verwechslung beruhend: es bleibt nur die eine Schwierigkeit, daß die Blüten weiß sein sollen, was auf H. niger zuträfe, der aber in Griechenland nicht vorkommt, während H. cyclophyllus grünliche Blüten hat. Also scheint die Beschreibung des Dioscurides, wie öfter, auf nichtgriechische Pflanzen zu gehen. Dagegen stellt das Bild, das im Cod. Constantinop. fol. 115 v0 vom ἑ. μέλας gegeben wird, etwas ganz anderes dar, womit ich überhaupt nichts anzufangen weiß. Von einer krugartigen Zwiebel (?) gehen nach unten Faserwurzeln, nach oben gewundene röhrenförmige Lauchblätter. Aus der Mitte erhebt sich ein stattlicher Stengel, der abwechselnd stehende, fiedernervige, tief buchtige, gezähnte grüne Laubblätter und rote, fünfteilige Blütchen in den Blattachseln trägt.
Als Standorte nennt der schon erwähnte Ps.-Theophrastos h. pl. IX 15, 5 Arkadien (für beide Arten) und Antikyra, wo nach Paus. X 36, 7 beide vorkommen. Steph. Byz. s. Ἀντικύρα. Strab. IX 3. Skylax, Peripl. (Geogr. gr. min. I 259, vgl. o. Bd. I S. 2427), der schwarze wächst überall, so in Boiotien, auf Euboia und an vielen andern Orten, der beste aber am Helikon.
Was nun die medizinische Verwendung anbetrifft, so ist der schwarze stets Purgativ, und zwar wird hauptsächlich die Wurzel benutzt, Paus. X 36, 7 ὁ μὲν ... μέλας χωρεῖ τε ἀνθρώποις καὶ ἔστι γαστρὶ καθάρσιον, ... τὸ δὲ φάρμακον τὸ εἰς τὴν κάθαρσιν ἡ τοῦ ἑ. ρίζα ἐστίν. In gleicher Weise finden wir ihn verwendet bei den Hippokratikern, so II 273 (275) Littré gegen Seitenschmerzen, II 465 bei Pleuresie, II 475 bei ,Kopfflüssen‘, V 251 § 80 gegen Nierenleiden, V 269 Skorbut, V 417 veralteten Katarrh, V 481 § 68 Lendenschmerz, V 651 § 304, vgl. auch V 251 § 80. 711 § 556. 558. 559 u. a. VI 231. 237 § 25. 419 § 16. 421, gegen Wahnsinn 441 § 5. 519. 621. 649, bei Kopfweh VII 23. 53 § 34 u. 37, in Pillen als Expektorans VII 133; als Purgativ VII 275; ferner in verschiedenen Anwendungen 287. 297. 369. 427. VIII 193. 195. 205. 221. 433 u. a. Ps.-Theophrastos a. a. O. berichtet, der schwarze ἑ. töte Pferde, Rindvieh und Schweine, weshalb ihn keines dieser Tiere fresse ... man reinige auch die Wohnungen und die Schafe damit, indem man einen Zauberspruch dabei absingt, und gebraucht ihn auch zu anderen Zwecken. Das stimmt mit Dioskurides a. a. O., der auch die gleiche abergläubische Geschichte bietet wie Theophr. h. pL IX 8, 8, daß man beim Ausgraben beten und sich hüten solle, daß kein Adler dazukomme, denn das sei lebensgefährlich. Auch müsse man schnell graben, sonst bekomme man Kopfweh, wogegen man sich durch den Genuß von Knoblauch und Wein zu schützen sucht (h. pl. IX 8, 4). Nach diesem Rhizotomen – es wird wohl, wie oben gesagt, Diokles von Karystos [166] die gemeinsame Quelle sein – gebraucht man nur die dünnen Faserwurzeln, der obere, dickere, kopfförmige Teil gilt für unnütz und wird den Hunden zum Abführen gegeben, IX 17, 1. Die Wirkung aller Arzneipflanzen wird durch Gewöhnung abgeschwächt; bisweilen werden sie dadurch ganz unwirksam. So können einige soviel ἑ. genießen, daß sie ganze Bündel aufzehren, ohne Schaden zu leiden. Dies tat Thraseas, der für den tüchtigsten Wurzelkenner galt, es sollen es aber auch einige Hirten tun. Die arzneiliche Verwendung schildert Dioskurides a. a. O. folgendermaßen: Wähle den recht fleischigen, kräftigen mit zartem Mark, der scharf und brennend schmeckt. ... Er reinigt nach unten den Leib, indem er Schleim und Galle abführt, für sich allein oder mit der Skammonia und Salz in der Gabe von 1 Drachme oder drei Obolen gegeben. Er wird auch mit Linsen und abführenden Brühen gekocht. Er hilft bei Epilepsie, Melancholie, Wahnsinn, Gicht und Paralyse. Im Zäpfchen eingelegt befördert er die Katamenina und tötet den Embryo. Fisteln reinigt er eingelegt und am dritten Tage wieder herausgenommen. In gleicher Weise wird er bei Schwerhörigkeit in die Ohren gesteckt und zwei bis drei Tage darin belassen. Krätze heilt er in einer Salbe mit Weihrauch, Wachs, Teer, Pech oder Zedernöl; mit Essig oder pur als Kataplasma heilt er weiße Flecken, Flechten und Aussatz. Mit Essig gekocht, lindert er Zahnschmerzen als Mundwasser; auch den fäulniswidrigen Mitteln wird er zugesetzt. Mit Gerstenmehl und Wein gibt er ein heilsames Kataplasma für Wassersucht. Wenn ἑ. neben die Wurzeln von Weinstöcken gepflanzt wird, so macht er den daraus gewonnenen Wein purgierend. Einen Auszug hieraus bringt Gal. XI 874 (de simpl. med. VI 9), der XV 865ff. Bemerkungen und Ausführungen zu mehreren der oben angeführten Hippokratesstellen gibt. Von ihm erfahren wir auch XVI 124, daß die älteren Ärzte und besonders Archigenes ἑ. viel gebrauchten (vgl. Oribas. II 155ff.), und daß von diesem noch zu Galens Zeit ein Buch περὶ τοῦ ἑλλεβορίζειν vorhanden war. Auch Plin. n. h. XXV 54–55 bringt nur unbedeutende Abänderungen. Auf den schwarzen ἑ. bezieht sich auch nach der Wirkung die alberne Anekdote Paus. X 37, 7: Solon hätte Kirrha dadurch eingenommen, daß er viel ἑ. in das Wasser des Pleistos werfen ließ. Da nun die Einwohner davon tranken, mußten sie infolge von heftigem Durchfall ihren Posten auf den Mauern verlassen.
Cato de agr. cult. 115, 2 stellt einen Abführwein her, indem drei Bündel veratri atri um die Rebenwurzeln gelegt und mit Erde bedeckt werden (Plin. n. h. XIV 110); nach Diosc. V 77 Spr. entsteht ein Abortivwein, indem man ἑ., Springgurke und scammonia neben die Reben pflanzt (Plin. a. O.); ein langes Rezept οἶνος ἑλλεβορίτης zu machen steht Diosc. V 82 Spr.
Bei Celsus wird nigrum veratrum II 12, 1 als Abführmittel gegeben, besonders bei Melancholie (III 18) und Leberleiden (IV 15). Nach Scribon. Largus 10 erzeugt er trocken Niesen. Marcell. Empir. 30, 17 gibt die Wurzel als Abführmittel. Plinius berichtet noch XXV 51–54 Einzelheiten über Gebrauch und Zubereitung beider Arten, die meist mit dem oben Angeführten [167] übereinstimmen. Cassius Felix de med. 9 gibt ihn gegen schwarze Flecken; nach Pallad. I 35, 9 tötet er Mäuse. Ps.-Theodorus Priscianus de simpl. med. 49 stimmt in den Wirkungen im ganzen mit Dioskurides überein.
Was nun den ἑ. λευκός anbelangt, so ist auch hier die Beschreibung ziemlich unklar. Es macht mir den Eindruck, als hätten die Ärzte die lebende Pflanze gar nicht gekannt, sondern nur die Droge, die Beschreibung aber nach vielleicht absichtlich irreführenden Angaben der Händler gemacht. Der Rhizotom bei Ps.-Theophrastos h. pl. IX 10, 3 sagt: ,Der weiße ἑ. wächst an wenigen Orten, die besten Arten, deren man sich vorzüglich bedient, kommen vom Oeta, vom Pontus, von Elea und aus Massalien. Man sagt, der eleatische wachse auch in Weinbergen, der Wein werde davon so harntreibend, daß alle, die davon trinken, völlig erschlafft werden. Der beste von allen sei der vom Oeta; der parnassische aber und ätolische (denn auch dort wächst er, und viele verkaufen und kaufen ihn, ohne es zu wissen) ist hart und ungemein trocken. Sie heißt bei Diosc. IV 148 W.: ἑ. λευκός (die interpolierte Überlieferung bringt die Namen: οἱ δὲ Ἀσκληπιάδα, οἱ δὲ ἔκτομον, οἱ δὲ πίνακα Τοξάριος, προφῆται γόνος Ἡρακλέους, οἱ δὲ πολύειδος, οἱ δὲ ἀνάφυστος, Αἰγύπτιοι σομφία, οἱ δὲ οὖνρε, Ῥωμαῖοι veretrum album, Γάλλοι λάγονον, οἱ δὲ ἀνεψά), hat Blätter ähnlich denen des Wegerichs oder des wilden Mangold, aber kürzer, dunkler und von rötlicher Farbe, der Stengel ist vier Finger lang, hohl, und schuppt sich ab, wenn sie zu trocknen beginnt. Darunter sind viele zarte Wurzeln, die von einem kleinen und länglichen, zwiebelartigen Köpfchen ausgehen und zusammengewachsen sind. Er wächst an bergigen Orten. Man muß die Wurzeln um die Zeit der Weizenernte sammeln. Der beste ist der mäßig gestreckte, weiße, leicht zerbrechliche, fleischige, der nicht verjüngt und binsenartig ist, beim Brechen Flaum abgibt und auch ein weiches Mark hat, nicht allzu brennend schmeckt und nicht viel Speichelabsonderung veranlaßt, denn ein solcher bewirkt Erstickungsgefühl. An erster Stelle steht der von Antikyra, der galatische und kappadokische ist weißer, dünn und stickender. Damit ist botanisch wenig anzufangen, dagegen stimmt das Bild in der Wiener Hs. und die ganze Überlieferung (vgl. Schultze De helleb. vet., Halae 1717. Sonntag De helleb. vet., Jenae 1823. Wolley Dod, Gardeners Chronicle 1892 – diese sind mir nur aus Berendes’ Dioskuridesübersetzung [446] bekannt – Hahnemann De helleborismo veterum (Leipzig 1813 Dissert.). Frieboes in seiner Celsusübersetzung 649 u. a.) darin überein, daß unter ἑ. λευκός eine Veratrumart zu verstehen sei. Sibthorp-Fraas' Ansicht, es sei Digitalis ferruginea, braucht wohl überhaupt keine Widerlegung. Maßgebend ist Kobert, der in seinen historischen Studien aus dem pharmakologischen Institut zu Dorpat V 76 ganz entschieden für ein Veratrum eintritt, da die ganzen taxikologisch-medizinischen Angaben der Alten nur auf ein solches paßten; auch würden in Rußland heute noch Veratrumarten in ganz ähnlicher Weise verwendet. Als solche kämen für Griechenland und Italien wohl nur in Betracht: V. Lobelianum Bernh. (V. album S. et. S.) [168] vgl. Halácsy a. O. III 279. Arcangeli Fl. ital. 144. Nach den Hippokratikern wirkt der ἑ. λευκός brechenerregend und wird gegen Unterleibsstörungen gegeben (II 501 und 511 L.); mit Sesamoides macht er geringere Erhitzung und wird nach Hämorrhoidalleiden angewandt (II 518 § 28/29), ferner bei Knochenbrüchen IV 326 u. 372, Verrenkungen III 457, Luxationen IV 271 und andern Leiden der Glieder IV 377. Nach dem Einnehmen ist Bewegung zu machen (IV 507 § 14), auch bei andauerndem Lendenschmerz wird er angewandt (V 651 § 304), im Frühling zu Kuren bei Splenetikern (VI 231), bei Diarrhoe (VI 237 § 25), zu Entleerungskuren bei Wahnsinn (VI 519), Kopfleiden (VII 23 u. a.), Leukophlegmasie (VII 109), Hypochondrie (VII 111). Die Wurzel in der Länge von drei Fingern wird angewandt gegen Quartanfieber (VII 61), weitere Gebrauchsanweisungen (VII 75. 77) in Pillen (VII 141) usw. Die medizinische Verwendung ist nach Diosc. m. m. IV 148 W. folgende: Der weiße ἑ. reinigt durch Erbrechen, indem er Säfte von verschiedener Farbe wegführt. Er wird auch den Kollyrien zugesetzt, welche die Verdunkelungen von den Augen zu vertreiben vermögen. Ferner befördert er die Menstruation, tötet im Zäpfchen eingelegt den Embryo, erregt Niesen, und tötet mit Honig und Mehl gemischt Mäuse. Fleisch löst er auf, wenn man ihn damit kocht. Er wird nüchtern genommen entweder für sich allein oder mit Sesamoeides, Thapsiasaft, Spelttrank und Honigmet, oder mit Brei oder Linsen, oder einem Schlürftrank. Er wird aber auch ins Brot gebacken und geröstet. Die Anwendungsweise und Nachdiät ist vorzüglich von denen ausgearbeitet, welche über die Dosierung desselben geschrieben haben. Am meisten stimmen wir dem Philonides Siculus aus Henna bei; denn es wäre zu weitläufig, in einem Lehrbuche der Pharmakognosie eine ausführliche therapeutische Anweisung zu geben. Viele geben ihn mit viel Schlürftrank oder mit einer Menge Saft, oder sie verordnen vorher eine kleine Stärkung und geben dann den ἑ., besonders bei solchen, bei welchen ein Stickanfall zu befürchten ist oder Körperschwäche vorliegt. Wenn man ihn so nimmt, erfolgt die Ausleerung gefahrlos, weil das Mittel nicht rein in den Körper gelangt. Auch daraus gefertigte Zäpfchen bewirken, mit Essig in den After eingeführt, Erbrechen; vgl. Plin. n. h. XXV 48ff. 51ff. Ps.-Theophr. h. pl. IX 10, 2 weiß nur, daß man, um das Erbrechen zu erleichtern, zum Aufguß des ἑ. den Samen eines kleinen Krautes, der Elleborine (= σησαμοειδές Diosc. m. m. IV 149 W. Plin. n. h. XXV 52) mische, ferner, daß das θηλύφονον den Skorpion töte; streue man aber weißen ἑ. darauf, so stehe er wieder auf.
Nach Celsus II 13 ist album veratrum zu geben bei langen, schweren, aber fieberlosen Krankheiten, wie Epilepsie und Wahnsinn, am besten im Frühjahr, höchstens noch im Herbst; der Körper des Patienten muß ziemlich feucht (= säftereich) sein. Scribonius Largus 10 (= Marcell. Empir. V 10) nennt ihn als Bestandteil eines Niespulvers gegen Kopfweh, doch vermöge er auch allein die gleiche Wirkung auszuüben. 99 wird eine compositio mirifica genannt, die auch [169] zur Vorbereitung auf eine Veratrumtrinkkur gut ist. Sehr eingehend äußert sich Plinius n. h. XXV 56–61 über seine Wirkungen und den Wechsel der Anschauungen betreff der Anwendung, daß nämlich die älteren Ärzte zu ängstlich gewesen seien und zu wenig gegeben hätten, während Themison und vollends Herophilus 2, bezw. 4 Drachmen verschrieben. Auch werden all die sorgfältigen Vorbereitungen, Beobachtungen und Praktiken, mit denen man früher die Anwendung umgeben habe, geringschätzig behandelt, immerhin seien gewisse Vorsichtsmaßregeln geboten, Insbesondere sei nach Alter, Körperkonstitution und Geschlecht zu differenzieren. Als eine neue Art der Darbietung wird der Einschluß von H.-Scheiben in zerschnittene Rettiche bezeichnet, woran sich eine lange Liste der so zu heilenden Krankheiten schließt (medetur ita morbis comitialibus, ut diximus, vertigini, melancholicis, insanientibus, lymphaticis, elephantiasi albae, lepris, tetano, tremulis, podagricis, hydropicis incipientibusque tympanicis, stomachicis, spasticis cynicis, ischiadicis, quartanis, quae aliter non desinant, tussi veteri, inflationibus, torminibus redeuntibus. Von Plinius wird weiterhin berichtet, daß der weiße ἑ. auch die Ursache der Krankheiten durch Erbrechen beseitige (vgl. Horat. ep. II 2, 137, Senec. ep. 83, 27), und daß sein Gebrauch, der früher gescheut wurde, nun so allgemein geworden sei, daß man ihn versuchshalber einnahm; deshalb habe auch der Akademiker Karneades, bevor er eine Streitschrift gegen den Stoiker Zenon schrieb, H. genommen; ne quid ex corruptis in stomacho umoribus ad domicilia usque animi redundaret et instantiam vigoremque mentis labefaceret (Gell. noct. Att. XVII 15). Auch der Volkstribun Livius Drusus der Jüngere sei von Epilepsie (vgl. Cael. Aurel. chron. I 4, 99) durch eine H.-Kur in Antikyra geheilt worden. Als Purgiermittel wird H. noch genannt: Col. VII 5, 7. Apul. apol. 32. Val. Max. VIII 7 extr. 5. Petron. 88, 4. Mart. Cap. IV 327; gegen Wassersucht Pers. V 100; vgl. Gal. XI 346. XII 120. Cael. Aurel. acut. III 21, 207. Marcell. Empir. 30, 17 (Abführ- und Brechmittel). Herodot. med. (Oribas. II 164ff.). Rufus (Oribas. II 107. 136). Nach Gal. VI 567 können Wachteln ungeschädigt seine Früchte fressen, während er sonst allgemein als arges Gift gilt (Col. X 17). Auf unangenehmen Geschmack deutet Catull 99, 14: saviolum tristi tristius e. In der Tierheilkunde wird H. verwendet Verg. Georg. III 451. Pelagon. (h. niger) 314; veratrum nigrum 339. 340.
Des Glaubens, daß ἑ. Wahnsinn heile, bemächtigte sich natürlich der Volkswitz; eine Anspielung auf diese Pflanze deutete Verrücktheit an, so Aristoph. Vesp. 1489; Menander in den αὐλητρίδες bei Athen. X 446 d, vermutlich auch Platon Euthydem p. 299 b. Plaut. Pseudol. 1185 R.; Menaech. 950. Sen. de benef. II 35, 2. Horat. sat. II 3, 82; ars poet. 300. (Veratrum): Pers. Ι 51. Suet. Calig. 29. Ovid. Pont. III 53. Daher elleborosus = närrisch Plaut. Most. 952; Rud. 1006; ἑλλεβοριᾶν bei Suid. Etym. M. Schol. zu Aristoph. Vesp. 1489. Dagegen blieb ἐλλεβορίζειν, elleborare (Cael. Aur. chron. IV 3, 77) und ἑλλεβορισμός (Hippokr.) elleborismus (Cael. Aurel. chron. I 4, 108) medizinischer Terminus, [170] wenngleich die Aufforderung dazu auch in spöttischem Sinne vorkommt; vgl. Demosth. de coron. 121. Plut. Alex. 41, 15. Nach dem Komiker Nikostratos bei Clem. Alex. Paed. II 123, 3 Potter, I 231, 20 Stählin (Kock FCA 33 II 228) und einem ebd. II 124, 2 zitierten Aristophanesfragment (Kock FCA 320 I 474), Poll. onom. 7, 95. 96 und Hesych. s. v. bedeutete ἑ. auch einen goldenen Frauenschmuck.