Wir schalten einen Hülfssatz ein, der häufig in Anwendung kommt.
Es sei ein vollständig begrenzter Raum und eine Function von , die im Innern des Raumes an jeder Stelle einen endlichen, bestimmten Werth hat und bei einer stetigen Verschiebung des Punktes sich stetig ändert. Wir wollen das Integral
(1)
über den ganzen Raum erstrecken. Die Coordinaten-Ebenen mögen so gelegt sein, dass jedem Punkte im Innern und in der Oberfläche von positive Coordinaten angehören, In der Ebene zeichnen wir ein Rechteck, dessen einer Eckpunkt, dem Anfangspunkte zunächst gelegen, die Coordinaten hat, und dessen Seiten von der Länge parallel den Axen liegen. (Fig. 11.) Ueber diesem Rechteck als Grundfläche errichten wir ein Prisma, dessen Kanten zu der Axe der parallel laufen. Der Punkt sei so gewählt, dass das Prisma den Raum durchschneide. Es sind dann ebenso viele Austritts- wie Eintrittsstellen vorhanden, und zwar findet abwechselnd Ein- und Austritt statt. Wir bezeichen mit Werthe von an den Stellen, wo die im Punkte errichtete Kante des Prisma in den Raum eintritt, und mit die Werthe von an den Stellen, wo sie austritt. Diese Abscissen sind nach ihrer Grösse geordnet:
|[70]Die Werthe von an den Ein- und Austrittsstellen sollen mit bezeichnet werden. Dann hat man zunächst
Das Prisma schneidet an den Ein- und Austrittsstellen aus der
Oberfläche des Raumes Elemente heraus, die wir mit bezeichnen. Denkt man sich nun die im §. 11 gebrauchten Coordinaten eingeführt, so ist der Cosinus des Winkels, welchen die auf nach dem Innern des Raumes gezogene Normale mit der Richtung der positiven einschliesst. Dieser Cosinus ist positiv an allen Eintrittsstellen und negativ an allen Austrittsstellen. Nun ist aber das Rechteck die Projection aller Flächenelemente , welche das Prisma aus der Oberfläche von ausschneidet. Man hat also die Gleichungen
und
Folglich ergibt sich
(2)
|[71]Das Zeichen auf der rechten Seite von (2) bedeutet, dass die Werthe der Function an allen Eintritts- und Austrittsstellen summirt werden sollen. Es bleibt dann noch die doppelte Integration nach und nach auszuführen. Dies geschieht, wenn man auf der rechten Seite von (2) nicht nur die Beiträge nimmt, welche ein einzelnes Elementarprisma liefert, sondern die Beiträge von allen Prismen, die den Raum überhaupt treffen. D. h. die Summe auf der rechten Seite der Gleichung (2) wird zu einem Integral, welches über die ganze Oberfläche von zu erstrecken ist. Danach lautet das Resultat:
(3)
Die Integration auf der linken Seite ist über den ganzen Raum , auf der rechten Seite über seine Oberfläche auszudehnen.
Auf demselben Wege findet man noch die etwas allgemeinere Gleichung:
(4)
Dabei ist nur vorausgesetzt, dass die von abhängigen Functionen im Innern des Körpers endlich und stetig variabel sind.
§. 20.
Satz von Green.
Es seien und zwei Functionen von , deren Werthe wir für jeden Punkt im Innern des Raumes als gegeben ansehen. Wir betrachten das Integral
(1)
welches über den ganzen Raum erstreckt werden soll. Nun ist
und zwei entsprechende Gleichungen ergeben sich, wenn man die
|[72]Differentiationen nach und nach vornimmt. Folglich kann man schreiben:
Auf die drei letzten Integrale lässt sich die Transformation des vorigen Paragraphen anwenden, wenn vorausgesetzt wird, dass im Innern des Raumes endliche und stetige Functionen sind. Man erhält danach
oder kürzer
(2)
Das erste Integral auf der rechten Seite dieser Gleichung ist über den Raum , das zweite über seine Oberfläche zu erstrecken.
Die Voraussetzung, unter welcher das Integral (1) in die Form (2) gebracht werden kann, ist erfüllt, wenn und und die ersten Derivirten von im Innern des Raumes endlich und stetig variabel sind. Setzt man dasselbe auch noch von den ersten Derivirten der Function voraus, so gilt auch die Transformation:
|[73]Aus (2) und (3) geht dann ohne weiteres der Satz hervor:
(4)
Dieser Satz ist gültig, wenn im Innern des Raumes die Functionen und , sowie die ersten Derivirten von und von endlich und stetig variabel sind.
Treten im Innern von in einzelnen Flächen oder Linien oder Punkten Unstetigkeiten von oder von oder von den ersten Derivirten dieser Functionen auf, so hat man den Raum in zwei Bestandtheile und zu zerlegen, so dass alle Unstetigkeiten der Functionen in liegen. Auf den Raum darf man dann den Satz (4) anwenden, und es ist die Frage aufzuwerfen, welchen Grenzwerthen sich die Integrale annähern, wenn man den Raum unendlich abnehmen lässt. Sind solche bestimmte, endliche Grenzwerthe vorhanden, so gilt der Satz (4) auch für den Raum . Das dreifache Integral ist über den ganzen Raum zu erstrecken, das Oberflächen-Integral über seine Oberfläche und über die Umhüllungen der Unstetigkeitsstellen.
Dieser Satz ist von Green aufgestellt im 3. Artikel einer Abhandlung, die zuerst in Nottingham 1828 erschienen und später in Crelle's Journal, Bd. 39, 44, 47, wieder abgedruckt ist.*)[1]
§. 21.
Herstellung der Potentialfunction im Innern eines vorgeschriebenen Raumes. Werth in der Oberfläche und partielle Differentialgleichung im Innern gegeben.
Der Satz von Green dient zu der Lösung der Aufgabe: die Potentialfunction für jeden Punkt im Innern eines vollständig begrenzten Raumes zu bestimmen, wenn ihr Werth in jedem Punkte der Oberfläche gegeben und im Innern von bekannt ist.|[74]
Wir setzen und verstehen unter eine Function von , die der Gleichung von Laplace Genüge leistet, im Innern des Raumes überall endlich und stetig variabel ist und in der Oberfläche den Werth annimmt. Dann soll
(1)
genommen werden. Die Function genügt also im Innern des Raumes der partiellen Differentialgleichung
(2)
Sie ist im Innern dieses Raumes endlich und stetig variabel, ausser im Punkte , wo sie unendlich wird wie , und sie hat in der Oberfläche von den Werth Null. Es soll später (§. 34) bewiesen werden, dass eine solche Function existirt.
Der Punkt ist zunächst zum Mittelpunkt einer Kugel vom Radius zu machen, deren Oberfläche ganz im Innern des Raumes liegen soll. Das Innere dieser Kugel ist der Raum . Ihre Oberfläche und die Oberfläche von bilden zusammen die Begrenzung des Raumes .
Im Innern des Raumes erfüllen und die Bedingungen, unter denen die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen Gültigkeit hat. Wir dürfen also von dieser Gleichung hier Gebrauch machen, wenn das Raum-Integral auf das Innere von und das Oberflächen-Integral über seine Oberfläche erstreckt wird. Es handelt sich dann um die Frage, welches Resultat für zu Stande kommt.
Das Raum-Integral
nimmt vermöge der partiellen Differentialgleichung (2) den Werth Null an, man mag es über den Raum oder über den ganzen Raum ausdehnen. Es kömmt also, selbst für , nicht weiter in Betracht.
Hiernach bleibt in der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen von dem Raum-Integrale nur noch übrig
|[75]
Da der Raum völlig begrenzt ist, also seine Begrenzung ganz im endlichen Gebiete liegt, so hat dieses Integral, über den Raum , erstreckt, einen bestimmten, endlichen Werth. Dies gilt noch selbst für . Denn innerhalb der Kugel vom Radius kann man als Raumelement einführen
und da nur die erste Potenz von im Nenner hat, so verschwinden die Beiträge, welche für zu dem Raum-Integral hinzukommen. Man hat dasselbe also für diesen Grenzfall über den ganzen Raum zu erstrecken, und es behält einen bestimmten, endlichen Werth.
Das Oberflächen-Integral in der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen ist aus zwei Bestandtheilen zusammengesetzt. Der erste rührt von der Oberfläche des Raumes her und reducirt sich auf
Der andere ist das über die Umhüllung des Punktes ausgedehnte Integral. Hier fällt die nach dem Innern von gezogene Normale mit der Richtung der wachsenden zusammen. Der zweite Bestandtheil des Oberflächen-Integrals lautet also
wenn mit das Oberflächen-Element einer Kugel vom Radius 1 bezeichnet wird. Dieses letzte Integral lässt sich nun auch so schreiben
|[76]Für bleibt nur das Integral und wenn man
den Werth von im Punkte mit bezeichnet, so ergibt sich
Aus der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen erhalten wir also
(3)
und hier ist das dreifache Integral über den Raum das Oberfächen-Integral über seine Begrenzung zu erstrecken.
Dabei ist vorausgesetzt, dass die Function und ihre ersten Derivirten innerhalb des Raumes überall endlich und stetig bleiben.
Es fragt sich noch, welche Modificationen eintreten, wenn der Raum sich ins Unendliche erstreckt. In diesem Falle hat man zu der schon vorhandenen Begrenzung noch eine solche hinzuzufügen, welche alle aus dem endlichen Gebiete austretenden Bestandtheile von ausschliesst. Es fragt sich dann, was aus den Integralen auf der rechten Seite der Gleichung (3) wird, wenn man die neu hinzugefügten Begrenzungstheile so ins Unendliche rücken lässt, dass der gegebene Raum wieder zu Stande kommt. Behalten die Integrale in diesem Falle bestimmte, endliche Werthe, so bleibt die Gleichung (3) in Gültigkeit.
Sind Unstetigkeitsstellen der Function oder der ersten Derivirten vorhanden, so kommen zu dem Oberflächen-Integral noch Beiträge hinzu. Wir unterscheiden die drei Falle, dass die Unstetigkeit in einer Fläche, oder in einer Linie oder in einem Punkte stattfindet.
Erstens. Wenn die Unstetigkeit in einer Fläche auftritt, so legen wir ihr unendlich nahe zwei Flächen, welche auf der positiven und auf der negativen Normale der Unstetigkeitsfläche
überall die constante Strecke und resp. abschneiden. Wir wollen dann unendlich klein werden lassen. Diese beiden Flächen und ein Cylinder von der unendlich kleinen Höhe welcher dem Rande der Unstetigkeitsfläche unendlich nahe liegt,
|[77]bilden die vollständige Begrenzung eines Raumes, der die Unstetigkeitsstelle in sich enthält (Fig. 12). Ueber diese Begrenzung ist das Oberflächen-Integral noch zu erstrecken. Die Cylinderfläche kann dabei ausser Betracht bleiben, weil über sie ausgedehnt das Integral unendlich klein ist. Wir bezeichnen mit und resp. einen Abstand, der von der Unstetigkeitsstelle aus auf der positiven und resp. auf der negativen Normale genommen wird. Dann ist auf der Seite der positiven Normale
und auf der Seite der negativen Normale
Der angehängte Index drückt aus, dass die Derivirte an der Stelle genommen und der Null unendlich angenähert werden soll. Erstreckt man nun das Oberflächen-Integral über die beiden Hüllen der Unstetigkeitsfläche, so erhält man auf der Seite der positiven Normale
und auf der Seite der negativen Normale
Es ist aber und . Zu dem Oberflächen-Integral auf der rechten Seite der Gleichung (3) kommt
also in diesem Falle der Beitrag hinzu:
|[78]
(4)
und dieses Integral ist über die Unstetigkeitsfläche zu erstrecken.
Wenn zweitens die Unstetigkeit in einer Linie auftritt, so machen wir diese zur Axe einer cylindrischen Fläche. Die Querschnitte rechtwinklig zur Axe seien Kreise vom Radius , deren Mittelpunkt auf der Axe liegt. (Fig. 13.) Ein solcher Querschnitt wird dadurch festgelegt, dass man den Bogen angibt, der auf der Unstetigkeitslinie zwischen ihrem Anfangspunkte und dem Mittelpunkte des Querschnittes liegt. In dem Querschnitte selbst nehmen wir für einen Punkt seiner Begrenzung Polar-Coordinaten . Die cylindrische Fläche und die beiden Endflächen (der erste und der
letzte Querschnitt: ) bilden dann die Begrenzung des Raumes , der bei Anwendung des Satzes von Green zunächst aus dem Integrationsgebiete auszuschliessen ist. Wir nehmen das Verhältniss unendlich klein, so dass der Inhalt der Endflächen gegen die cylindrische Mantelfläche vernachlässigt werden kann. Das Oberflächen-Integral ist dann nur über die letztere zu erstrecken. Für sie fällt die nach dem Innern des Raumes gerichtete Normale mit der Richtung der wachsenden zusammen. Es ist also hier
Auf der rechten Seite der Gleichung (3) ist demnach zu dem Oberflächen-Integral der Beitrag
für
hinzuzufügen. Wir haben im §. 17. gesehen, dass die Function in einer Linie unstetig wird, wenn über diese Linie eine endliche Masse vertheilt ist. Es ist dann
|[79]und es bleiben für die Functionen und endlich und stetig. Daraus folgt
Betrachten wir in einem und demselben Querschnitte zwei einander diametral gegenüberliegende Punkte der cylindrischen Fläche, so zeigt sich, dass in ihnen gleiche Werthe besitzt, dagegen entgegengesetzte Werthe, wenn unendlich klein genommen wird. Also heben sich in dem Integral
je zwei Elemente auf, und man erhält
für
Demnach bleibt von dem Oberflächen-Integral nur noch der Bestandtheil
übrig. Beachtet man also, dass
ist, so ergibt sich
(5)
als der Beitrag, welcher auf der rechten Seite der Gleichung (3) zu dem Oberflächen-Integral hinzukommt. Die Integration in (5) ist über die Linie zu erstrecken, in welcher die Function unstetig wird.
|[80]
Es werde endlich drittens die Function in einem Punkte unstetig. Dies tritt ein, wenn in dem fraglichen Punkte eine endliche Masse concentrirt ist. Wir machen ihn zum Mittelpunkte einer Kugelfläche vom Radius . Mit soll das Flächenelement auf einer Kugel vom Radius 1 bezeichnet werden. Dann lautet der Beitrag, welcher jetzt zu dem Oberflächen-Integral hinzukommt:
Es ist aber hier
und es bleiben und endlich und stetig für . Folglich erhalten wir
wenn mit der Werth von in dem Unstetigkeitspunkte der Function bezeichnet wird. In diesem letzten Falle hat man also auf der rechten Seite der Gleichung (3) zu dem Oberflächen-Integral den Beitrag
(6)
hinzuzufügen.
§. 22.
Die Potentialfunction ist durch die Kennzeichen des §. 18 im ganzen unendlichen Raume eindeutig bestimmt.
Die im vorigen Paragraphen gewonnenen Resultate bieten zunächst die Mittel dar, die im §. 18 aufgestellte Behauptung zu
beweisen, dass durch die partielle Differentialgleichung von Laplace [§.18: (1)], durch eine der Gleichungen [§.18: (2), (3), (4), (5)] und die vier Nebenbedingungen [§. 18: (6), (7), (8), (9)] die Potentialfunction vollständig und eindeutig bestimmt ist.
Um diesen Beweis zu führen, setzen wir fest, dass der ganze unendliche Raum sein soll. Die Hülfsfunction
hat in diesem Falle einen sehr einfachen Ausdruck, nemlich
|[81]
(1)
Denn diese Function genügt den aufgestellten Bedingungen. Sie ist gleich Null in der Begrenzung des Raumes , d. h. in unendlicher Entfernung. Sie ist überall endlich und stetig, ausser im Punkte , wo sie unendlich wird wie . Sie erfüllt im ganzen unendlichen Raume die partielle Differentialgleichung
Als Begrenzung des Raumes können wir eine Kugelfläche nehmen, deren Mittelpunkt im Punkte liegt und deren Radius unendlich gross ist. Der Satz des vorigen Paragraphen lautet dann:
(2)
Das dreifache Integral ist über den ganzen unendlichen Raum auszudehnen, das Oberflächen-Integral über die Kugel vom Radius
und über die Hüllen der Unstetigkeitsstellen der Function und ihrer ersten Derivirten. Die Beiträge, welche diese Unstetigkeitsstellen liefern, sind für jeden einzelnen Fall in (4), (5), (6) des vorigen Paragraphen ausgedrückt. Es handelt sich also nur noch um die Kugel vom Radius . Für sie ist
wenn das Oberflächen-Element einer Kugel vom Radius bezeichnet. Folglich erhalten wir
Nun geht aber aus der Nebenbedingung des §. 18, (6) ohne weiteres hervor
für
Multiplicirt man ferner auf beiden Seiten der Gleichungen (7), (8), (9) des §.18 resp. mit und addirt die Resultate, so ergibt sich
|[82]
oder kürzer
und daraus sieht man, dass
für
Das Integral, über die Kugelfläche vom Radius erstreckt, ist also Null, und deshalb hat man in (2) das Oberflächen-Integral nur noch über die Hüllen der Unstetigkeitsstellen von und seinen ersten Derivirten auszudehnen.
Es sei nun erstens die anziehende Masse über einen im endlichen Gebiete völlig begrenzten Körper stetig vertheilt und nirgends eine endliche Masse über eine Fläche oder eine Linie ausgebreitet oder in einzelnen Punkten concentrirt. Dann sind die Function und ihre ersten Derivirten überall endlich und stetig. Es fällt also in (2) das Oberflächen-Integral gänzlich weg. Die Summe der zweiten Derivirten ist aber Null, wenn der Punkt ausserhalb des anziehenden Körpers liegt, und gleich , wenn er innerhalb liegt. Dies ist in den partiellen Differentialgleichungen (1) und (2) des §.18 ausgesprochen. Danach erhält man aus der Gleichung (2) des gegenwärtigen Paragraphen, wenn man noch den Factor auf beiden Seiten weglässt:
(3)
Die dreifache Integration ist über den mit Masse erfüllten Raum auszudehnen.
Wir nehmen zweitens den Fall, dass die anziehende Masse allein ausgebreitet ist über eine im endlichen Gebiete völlig begrenzte Fläche, und dass in einzelnen Linien oder Punkten eine endliche Masse nicht vorhanden ist. Alsdann ist im ganzen unendlichen Raume
Ferner ist überall endlich und stetig variabel, folglich in un-
|[83]endlicher Nähe der anziehenden Fläche . Danach wird aus der Gleichung (2), wenn man den Beitrag (4) des vorigen Paragraphen in Betracht zieht:
Hier hat dieselbe Bedeutung wie in der Gleichung (3) des §. 18. Vermöge dieser Gleichung erhalten wir also
(4)
Die Integration ist über die anziehende Fläche auszudehnen.
Es sei drittens die anziehende Masse nur über eine Linie ausgebreitet und keine endliche Masse in einzelnen Punkten concentrirt. Dann ist in dem ganzen unendlichen Raume
In unendlicher Nähe der anziehenden Linie gilt die Gleichung (4) des §. 18. Folglich erhalten wir zu dem Oberflächen-Integral der Gleichung (2) den Beitrag [§. 21, (5)]:
und die Gleichung (2) gibt jetzt
(5)
Das Integral ist über die anziehende Linie zu erstrecken.
Wenn endlich viertens die anziehende Masse in einem einzigen Punkte concentrirt ist, so gilt wieder für den unendlichen Raum die partielle Differentialgleichung
Ausserdem haben wir die Gleichung (5) des §. 18. In Folge davon ergibt sich zu dem Oberflächen-Integral der Gleichung (2) der
Beitrag [§. 21, (6)]
und wir erhalten aus Gleichung (2):
(6)
|[84]Aus den Gleichungen (3), (4), (5), (6) ersieht man, dass für jeden der zu betrachtenden Fälle die Differentialgleichungen des §. 18 und die dort aufgestellten Unstetigkeits- und Nebenbedingungen je eine einzige, völlig bestimmte Function liefern, und zwar stimmt der Ausdruck dieser Function, wie er aus den Vorschriften des §. 18 hervorgeht, überein mit dem Ausdrucke, welcher als Definition der Potentialfunction aufgestellt ist. Man erkennt dies unmittelbar durch Vergleichung der Ausdrücke (3), (4), (5), (6) mit resp. §. 2, (5), §. 14, (1), §. 17, (2), §. 2, (2). Damit ist die Behauptung des §. 18 bewiesen.
§. 23.
Beispiel: Die Green'sche Function für das Innere eines rechtwinkligen Parallelepipedon.
In §. 21 ist allgemein gezeigt worden, wie man mit Hülfe des Satzes von Green die Potentialfunction für jeden Punkt im Innern eines Raumes bestimmt, wenn ihr Werth überall in der Oberfläche gegeben und die Summe im Innern bekannt ist.
Die Green’sche Hülfsfunction soll hier für einen besonderen Fall hergestellt werden. Der Raum sei ein rechtwinkliges Parallelepipedon. Wir legen die Coordinaten so, dass der Anfangspunkt in den Mittelpunkt des Parallelepipedon fällt, dass die Begrenzungs-Ebenen zu zweien je einer Coordinaten-Ebene parallel laufen und dass sie auf den Axen resp. die Strecken
abschneiden.
Nach der Methode von Green' ist es erforderlich, eine Function herzustellen, welche
1) in der Oberfläche überall den Werth Null hat;
2) im Punkte unendlich wird wie der reciproke Werth der Entfernung von diesem Punkte, übrigens aber im Innern des Parallelepipedon endlich und stetig variabel ist;
3) im Innern des Parallelepipedon der partiellen Differentialgleichung Genüge leistet:
|[85]Wir legen drei Schaaren von Ebenen, rechtwinklig resp. gegen die Axen der , der , der . Je zwei benachbarte Ebenen derselben Schaar sollen in constantem Abstande von einander sein und zwar in dem Abstande für die erste, für die zweite, für die dritte Schaar. Die beiden Ebenen jeder Schaar, welche dem Anfangspunkte der Coordinaten zunächst liegen, sollen je eine Begrenzungsfläche des gegebenen Parallelepipedon in sich enthalten. Auf diese Weise wird der unendliche Raum in lauter congruente Parallelepipeda zerlegt. Eins von ihnen ist das gegebene Parallelepipedon selbst.
Wir gehen nun darauf aus, die Function für jeden Punkt des unendlichen Raumes herzustellen, so dass sie der dritten Bedingung überall genügt, und dass sie entgegengesetzte Werthe besitzt in je zwei Punkten, die zu irgend einer der gelegten Ebenen symmetrisch liegen. Durch diese Bestimmung wird erreicht, dass die erste Bedingung erfüllt wird. Soll dann auch noch der zweiten Genüge geschehen, so muss die Function unendlich werden in allen Punkten, deren Coordinaten von der Form sind
und zwar positiv oder negativ unendlich, je nachdem eine gerade oder eine ungerade Zahl ist. Für sind alle ganzen Zahlen von bis zu setzen, ebenso für und für . Man erhält alle Unstetigkeitspunkte der Function , wenn man jeden Werth von der Reihe nach mit allen Werthen von zusammenstellt und zu jeder solchen Zusammenstellung der Reihe nach alle Werthe von hinzusetzt. Hiernach erhält man als Ausdruck für eine dreifach unendliche Reihe, nemlich
(1)
wobei zur Abkürzung geschrieben ist für die Summe der drei
Quadrate
Von diesem Ausdrucke für ist leicht nachzuweisen, dass er den aufgestellten Bedingungen Genüge leistet. Er befriedigt die Gleichung von Laplace, weil jeder Summand es thut. Die Nenner der einzelnen Summanden drücken den Abstand des Punktes von je einem der Unstetigkeitspunkte aus. Es wird also jedesmal
|[86]ein Nenner in vorgeschriebener Weise zu Null, wenn der Punkt in einen Unstetigkeitspunkt hineinrückt. Endlich nimmt die Function entgegengesetzte Werthe an für irgend welche zwei Punkte, die symmetrisch liegen zu irgend einer Ebene aus den drei Schaaren. Betrachten wir z. B. zwei Punkte und , die zu einer Ebene der ersten Schaar symmetrisch liegen. Dies ist der Fall, wenn die Coordinaten den Gleichungen genügen
worin irgend eine ganze Zahl ist. Die Punkte liegen symmetrisch zu der Ebene.
(2)
Der Ausdruck unter dem dreifachen Summenzeichen unterscheidet sich für die beiden Punkte nur in dem ersten Quadrat unter dem Wurzelzeichen des Nenners. Dasselbe lautet für den ersten Punkt
(3)
und für den zweiten Punkt
(4)
Statt des Ausdruckes (3) kann man auch schreiben
oder, wenn man setzt:
(5)
Da allen ganzen Zahlen von bis der Reihe nach gleichgesetzt werden soll, so gilt dasselbe von . Für den ersten Punkt erhalten wir also
(6)
wobei zur Abkürzung geschrieben ist für die Summe der drei Quadrate
Auch hier hat man bei der Summirung die Grösse allen ganzen Zahlen von bis der Reihe nach gleichzusetzen. Folglich ergibt sich für den zweiten Punkt
(8)
und es hat hier dieselbe Bedeutung wie vorher in der Gleichung (6). Aus (6) und (8) erkennt man ohne weiteres, dass
(9)
ist. Nimmt man nun speciell , so fallen beide Punkte zusammen in einen und denselben Punkt der Ebene (2). Da die Function einwerthig ist, so muss in diesem Falle
sein, und dies gibt mit Rücksicht auf (9):
(10)
Auf demselben Wege ist der Beweis zu führen, wenn die beiden Punkte symmetrisch liegen zu einer Ebene der zweiten oder der dritten Schaar. Demnach erfüllt der Ausdruck (1) auch die erste der aufgestellten Bedingungen.
Dies kann man auch aus der mechanischen Bedeutung der durch (1) ausgedrückten Function erkennen. Danach ist nemlich die Potentialfunction für den Fall, dass in jedem Unstetigkeitspunkte eine Masseneinheit concentrirt ist, und zwar die positive oder die negative, je nachdem gerade oder ungerade ist. Da eine positive Masse den Punkt anzieht, so ist die Bedeutung der negativen Masse leicht zu erkennen. Sie stösst den Punkt ab. Nehmen wir nun irgend eine Ebene aus den drei Schaaren, so findet sich zu jedem anziehenden Massenpunkte ein abstossender, so dass beide in Beziehung auf die Ebene symmetrisch liegen. Von einem Punkte in dieser Ebene haben demnach beide Massenpunkte gleiche Entfernung. Ihre Massen sind entgegengesetzt gleich. Sie liefern also zu der Potentialfunction den Beitrag Null. Dies gilt aber von allen mit Masse erfüllten Punkten, und daher ist der Werth der Potentialfunction für jeden Punkt in der Ebene überhaupt gleich Null.
|[88]
Wir können die Function auch in Form eines bestimmten Integrals ausdrücken. Es ist nemlich
Setzt man , so ergibt sich
Wir erhalten danach für den neuen Ausdruck:
(11)
Hier ist nun freilich zuerst die Integration und nachher sind die drei Summirungen auszuführen. Man darf aber auch zuerst die drei Summirungen vornehmen und dann integriren, also:
(12)
Die dreifach unendliche Reihe in (12) zerfällt ohne weiteres in das Product der drei einfachen Reihen:
Jede dieser Reihen lässt sich leicht durch die Functionen ausdrücken, welche Jacobi in die Theorie der elliptischen Functionen eingeführt hat.
§. 24.
Beispiel: Potentialfunction eines homogenen Ellipsoids.
Ehe wir in der allgemeinen Untersuchung der Function weiter gehen, soll die Potentialfunction in einigen besonderen
Fällen betrachtet werden.
|[89]
Der anziehende Körper sei ein Ellipsoid mit den Halbaxen . Die Dichtigkeit soll constant sein. Der Punkt liegt in der Oberfläche des Ellipsoids, wenn
ist. Er liegt ausserhalb oder innerhalb des Ellipsoids, je nachdem
positiv oder negativ. Um die Unterscheidung dieser drei Fälle möglichst zu vereinfachen, betrachten wir die Function
(1)
Dieselbe wird unendlich für drei Werthe von , nemlich für , für , und für . Bezeichnen wir mit eine unendlich kleine positive Grösse, so zeigt sich
Ferner ist
Nimmt man also und betrachtet als Abscisse, als Ordinate einer ebenen Curve (Fig. 14), so ist der Verlauf derselben leicht zu überblicken. Wenn die Abscisse stetig wachsend durch eine der drei Unstetigkeitsstellen hindurchgeht, so springt die Ordinate von auf . Abgesehen von den
Unstetigkeitsstellen, nimmt mit wachsendem die Ordinate fortwährend ab, weil
|[90]
durchaus negativ ist. Die Curve schneidet demnach die Abscissenaxe je einmal zwischen und , zwischen und und zwischen und . Die Werthe von an diesen drei Schnittstellen sind die Wurzeln der Gleichung . Nun ist aber, wie schon hervorgehoben, positiv oder Null oder negativ, je nachdem der Punkt ausserhalb des Ellipsoids liegt, oder in seiner Oberfläche, oder innerhalb. Daraus ergibt sich leicht für die Gleichung , dass ihre grösste Wurzel positiv ist im ersten, Null im zweiten, negativ im dritten Falle. Die beiden anderen Wurzeln sind immer negativ. Wir wollen mit nur die grösste Wurzel der Gleichung bezeichnen.
Zur Abkürzung werde
gesetzt. Betrachtet man in der Gleichung die vier Grössen als variabel und als Function von so ergibt sich durch Differentiation
So lange der Punkt ausserhalb oder in der Oberfläche des Ellipsoids liegt, sind die Grössen positiv und verschieden von Null. Die Grösse ist positiv und wird nur dann zu Null, wenn entweder oder wenn eine dieser Coordinaten unendlich gross ist. Wir wollen die Function nur für solche Punkte betrachten, die ausserhalb oder in der Oberfläche liegen. Unter dieser einschränkenden Voraussetzung sind endlich und stetig variabel, so lange endlich sind. Die Function ist deshalb ebenfalls stetig variabel. Sie ist unter der eben gemachten Voraussetzung positiv und bleibt endlich, so lange keine von den Coordinaten unendlich gross genommen wird. Für einen unendlich entfernten Punkt ist .
Der Ausdruck für die Potentialfunction soll hier nicht abgeleitet werden. Wir wollen ihn als gegeben ansehen und den Beweis führen, dass er allen Bedingungen genügt, durch welche die
|[91]Potentialfunction vollständig und eindeutig charakterisirt wird (§§. 18. 22).
und bezeichnen mit den Werth, welchen annimmt für .
Es soll nun bewiesen werden, dass
(2)
wenn der Punkt im Innern des Ellipsoids liegt; und
(3)
wenn er ausserhalb liegt. Man kann die Ausdrücke (2) und (3) auch in die Form bringen
Die untere Grenze der Integration ist oder , je nachdem die Gleichung (2) oder (3) zu Stande kommen soll.
Liegt der angezogene Punkt im Innern des Ellipsoids, so ist eine rationale ganze Function zweiten Grades von , und da diese Variabeln durchaus endliche Werthe behalten, so ist die Function für jeden Punkt im Innern des Ellipsoids endlich und stetig variabel.
Liegt der angezogene Punkt ausserhalb des Ellipsoids, so hängt die Function von direct ab, insofern die Factoren auftreten, und indirect, insofern die untere Integrationsgrenze eine Function von ist. Die Aenderung, welche bei einer unendlich kleinen Verschiebung des angezogenen Punktes erleidet, setzt sich also aus zweien zusammen, nemlich aus der unendlich kleinen Aenderung, die von den Factoren herrührt, und aus der Aenderung, die sich ergibt, wenn man nur variabel nimmt. Nun sind aber die Integrale stetige Functionen von , und selbst ist eine stetige Function von . Daher ist endlich und stetig variabel, wenn der Punkt ausserhalb des Ellipsoids liegt. Dies gilt auch noch, wenn er in un-
|[92]endliche Entfernung rückt. Denn wenn irgend eine der Coordinaten unendlich gross wird, so wird die grösste Wurzel der Gleichung ebenfalls unendlich gross. Dann hat in (3) die letzte Klammer unter dem Integral den Werth Null. Der Factor ist auch gleich Null, und die Grenzen der Integration fallen zusammen. Folglich wird , wenn der angezogene Punkt in unendlicher Entfernung liegt.
Für einen Punkt in der Oberfläche des Ellipsoids ist . Die Integrale (2) und (3) sind dann also einander gleich. Folglich erleidet auch dann eine stetige Aenderung, wenn der angezogene Punkt durch die Oberfläche des Ellipsoids hindurchgeht.
Danach ist bewiesen, dass die Function im ganzen unendlichen Raume endlich und stetig variabel ist, und dass sie den Werth Null hat in unendlicher Entfernung.
Wir untersuchen die ersten Derivirten. Aus (2) findet sich
(4)
Dies gilt für einen Punkt im Innern des Ellipsoids. Aus (3) ergibt sich dagegen
Da nun und nicht unendlich werden können und die letzte Klammer gleich Null ist, so erhält man
(5)
Dies gilt für einen Punkt ausserhalb des Ellipsoids. Liegt der Punkt in der Oberfläche, so ist in (5) die Grösse zu setzen, und die Integrale (4) und (5) sind einander gleich. Folglich ist überall endlich und stetig variabel. Dies gilt auch in unendlicher Entfernung. Denn es ist für einen unendlich ent-
|[93]fernten Punkt der Quotient innerhalb der Integrationsgrenzen[3] nicht unendlich gross. Der Factor ist Null und die Integrationsgrenzen fallen zusammen. Folglich ist in unendlicher Entfernung.
Die Ausdrücke und finden sich, wenn man in (4) und in (5) und , resp. und vertauscht mit und . Daher
sind auch und überall endlich und stetig variabel und in unendlicher Entfernung gleich Null.
Aus (4) ergibt sich durch nochmalige Differentiation
(6)
Dies gilt für einen Punkt im Innern des Ellipsoids. Aus (5) erhält man dagegen
(7)
Dies gilt für einen Punkt ausserhalb des Ellipsoids. Beide Ausdrücke sind endlich und ändern sich stetig, wenn nur der Punkt im einen Falle innerhalb, im andern Falle ausserhalb des Ellipsoids bleibt. Lässt man ihn von der einen und von
anderen Seite in die Oberfläche hineinrücken, so geben die Ausdrücke (6) und (7) verschiedene Werthe. Nur für sind sie einander gleich.
Die Ausdrücke und ergeben sich aus (6) und (7) durch Buchstaben-Vertauschung. Wir bilden die Summe der zweiten Derivirten und erhalten fur einen inneren Punkt
Wir suchen die Gesetze der Anziehung auf, wie sie aus der Potentialfunction des Ellipsoids sich ergeben. Die Gesammtmasse des Ellipsoids wird ausgedrückt:
Demnach ist die Potentialfunction
(1)
wenn der Punkt im Innern des Ellipsoids liegt. Für einen äusseren Punkt muss die untere Integrationsgrenze nicht , sondern sein. Man kann aber auch in diesem Falle die untere Grenze wiederherstellen, wenn man unter dem Integral statt überall schreibt. Setzt man dann noch zur Abkürzung
so ergibt sich für einen äusseren Punkt
(2)
Darin spricht sich der Satz aus:
Das Ellipsoid von constanter Dichtigkeit übt auf einenäusserenPunkt dieselbe Anziehung aus, als ob seine Gesammtmasse gleichförmig über das confocale Ellipsoid vertheilt wäre, auf dessen Oberfläche der Punkt liegt.*)[4]
Beachtet man nemlich die Gleichungen, durch welche definirt sind, so geht die Gleichung in folgende über:
(3)
|[96]Diese Gleichung drückt aus, dass der Punkt auf der Oberfläche eines Ellipsoids liegt, welches mit dem gegebenen den Mittelpunkt und die Lage der Hauptaxen gemein hat. Die Oberfläche des gegebenen Ellipsoids und die Fläche (3) schneiden die Coordinaten-Ebenen in je zwei Ellipsen mit gemeinschaftlichen Brennpunkten. Solche Ellipsen heissen confocal, und die in Rede stehenden Ellipsoide werden ebenfalls confocal genannt.
Die Componenten der Anziehung auf einen inneren Punkt sind:
(4)
Setzen wir , so ergibt sich
(5)
Diese Ausdrücke bleiben dieselben, wenn die Verhältnisse und constant genommen werden. Sie sind von der Grösse der Halbaxen unabhängig.
Zwei ähnliche Ellipsoide von derselben constanten Dichtigkeit, welche den Mittelpunkt und die Lage der Hauptaxen gemein haben, üben demnach auf einen Punkt gleiche Anziehung, wenn er imInnernoder auf der|[97]Oberflächedes kleineren Ellipsoids liegt. Der Raum zwischen beiden Oberflächen übt auf deninnerenPunkt gar keine Wirkung.
Hiernach ist die Anziehung eines Ellipsoids von constanter Dichtigkeit auf einen inneren wie auf einen äusseren Punkt dieselbe wie die Anziehung eines Hülfsellipsoids, welches mit dem gegebenen den Mittelpunkt und die Lage der Axen gemein hat und den angezogenen Punkt in seiner Oberfläche enthält. Für einen äusseren Punkt ist das Hülfsellipsoid dem gegebenen confocal, für einen inneren Punkt ist es ihm ähnlich. Die Dichtigkeit des Hülfsellipsoids ist in beiden Fällen constant. Für einen äusseren Punkt hat das Hülfsellipsoid dieselbe Gesammtmasse, für einen inneren Punkt dieselbe Dichtigkeit wie das gegebene.
Ist der Punkt ausserhalb des anziehenden Ellipsoids gelegen, so hat man in den Integralen (4) als untere Grenze zu setzen, folglich in (5) als untere Grenze . Die Ausdrücke (5) sind also nicht mehr unabhängig von . Man kann deshalb ausser dem ersten Ellipsoid ein zweites concentrisches betrachten, dessen Hauptaxen dieselbe Lage haben, aber im Verhältnis grösser sind. Wir wollen dann unendlich klein werden lassen und nach der Anziehung der unendlich dünnen Schicht zwischen den beiden ellipsoidischen Oberflächen fragen.
In den Integralen, welche für (5) an die Stelle treten, ist von einem Ellipsoid zum andern nur die untere Grenze variabel. Man hat also:
Dies ist die eine Componente der Anziehung, welche die unendlich dünne ellipsoidische Schicht auf den äusseren Punkt ausübt. Wir wollen sie mit bezeichnen. Die beiden anderen Componenten und finden sich durch Buchstabenvertauschung. Also hat man
(6)
Hieraus ergibt sich die Gesammtkraft , mit welcher der Punkt von der unendlich dünnen Schicht angezogen wird:
d. h. kürzer
(7)
Die Winkel, welche die Richtung von mit den positiven Coordinatenaxen einschliesst, finden sich aus den Gleichungen:
Diese Gleichungen sind leicht zu interpretiren. Legt man im Punkte an die Fläche (3) die Tangentialebene, so lautet deren Gleichung
Bringt man diese Gleichung in die Normalform, so erhält man
Darin ist die Länge des Perpendikels, welches vom Anfangspunkte der Coordinaten auf die Tangentialebene gefällt ist, und sind die Winkel, welche dies Perpendikel (in der Richtung vom Anfangspunkte nach der Ebene) mit den positiven Coordinatenaxen einschliesst. Für die Cosinus dieser Winkel erhält man die Ausdrücke:
(9)
Dieselbe Richtung, wie das eben betrachtete Perpendikel, hat die im Punkte nach aussen gezogene Normale der Fläche (3). Vergleicht man nun die Ausdrücke (8) und (9), so ergibt sich ohne weiteres, dass die Richtung von durch die vom Punkte aus nach innen gezogene Normale der Hülfs-Ellipsoidfläche (3) angegeben wird.
D. h. wir haben den Satz:
Wenn die Masse von constanter Dichtigkeit eine Schale von unendlich kleiner Dicke bildet, begrenzt von zwei ähnlichen, concentrischen Ellipsoidflächen mit gleichgerichteten Hauptaxen, so übt sie auf einen Punkt imäusserenRaume eine anziehende Kraft aus. Die Richtung derselben fällt in die von diesem Punkte aus nach innen gezogene Normale einer Ellipsoidfläche, welche den angezogenen Punkt in sich enthält und der äusseren Begrenzungsfläche der Schale confocal ist. Dies gilt|[100]auch dann noch, wenn der angezogene Punkt auf der äusseren Oberfläche der Schale selbst liegt.*)[5]
§. 26.
Anziehung eines homogenen elliptischen Cylinders.
Wir gehen zu der Aufgabe über, die Anziehung eines geraden Cylinders zu berechnen, dessen Endflächen Ellipsen sind. Die Dichtigkeit sei constant. Wir legen das Coordinatensystem so, dass die Endflächen ausgedrückt werden durch die Gleichungen
und
und die krumme Oberfläche durch die Gleichung
(1)
Die Axe der fällt dann in die Axe des Cylinders und die Basisfläche liegt in der Ebene.
Die Untersuchung lässt sich auf eine einfachere zurückführen. Man betrachte einen Cylinder, der mit dem gegebenen die krumme Oberfläche gemein hat, aber keine Endflächen besitzt, also von bis sich erstreckt. In seinem Innern sei die Dichtigkeit von bis und von bis . Auch hier soll die im Punkte concentrirte positive Masseneinheit angezogen werden von einer positiven Masse, dagegen abgestossen werden von einer negativen Masse. Man denke sich, die Potentialfunction dieser Masse sei bekannt, nemlich
Dann ist, wie man leicht sieht,
die Potentialfunction, die von demselben Cylinder herrührt, wenn die Dichtigkeit ist von bis und von bis .
Durch Superposition erhält man
|[101]als Potentialfunction für den Fall, dass im Innern des Cylinders die Dichtigkeit ist von bis und von bis , dagegen von bis . Dieser Fall ist der unserer Aufgabe.
Wir setzen
und sehen als Unbekannte an sowohl in der Gleichung
(2)
als auch in der Gleichung
(3)
Beide Gleichungen sind vom dritten Grade. Dass sie lauter reelle Wurzeln haben, beweist man auf demselben Wege wie für die Gleichung in §. 24.
So lange von Null verschieden ist, hat die Gleichung (2) dieselben Wurzeln wie die Gleichung . Nimmt man also als Abscisse und als Ordinate einer Curve (Fig. 15), so sieht man, dass bei stetig wachsendem die Ordinate von
auf springt an den drei Stellen . Ist , so schneidet die Curve die Abscissenaxe je einmal zwischen und , zwischen und , und zwischen und . Die grösste Wurzel der Gleichung (2) ist also positiv. Wir bezeichnen sie mit .
Die Gleichung (3) hat eine Wurzel . Die beiden anderen finden sich, wenn man
|[102]
(4)
setzt. Nimmt man auch hier als Abscisse, aber als Ordinate einer Curve, so springt bei stetig wachsendem die Ordinate von auf an den beiden Stellen und . Für zeigt sich, dass die Curve die Abscissenaxe je einmal schneidet zwischen und und zwischen und . Hier ist aber noch zu unterscheiden, ob der Punkt ausserhalb des Raumes liegt, welchen die unbegrenzte Cylinderfläche (1) umschliesst, oder innerhalb.
Liegt der Punkt ausserhalb, so ist für , und folglich schneidet die Curve (Fig. 16) die Abscissenaxe
zwischen und , nicht aber zwischen und .
Wenn dagegen der Punkt innerhalb des von der Fläche (1) umschlossenen Raumes liegt, so ist für . Die Curve (Fig. 17) schneidet also die Abscissenaxe zwischen und , nicht aber zwischen und .
Daraus geht hervor, dass die grösste Wurzel der Gleichung (3) positiv ist, wenn der Punkt ausserhalb des von der Fläche (1) umschlossenen Raumes liegt, und dass sie gleich Null ist, wenn er innerhalb liegt. Wir bezeichnen diese grösste Wurzel der Gleichung (3) mit . Jedenfalls ist , wenn von Null verschieden. Für einen inneren Punkt sieht man dies ohne weiteres, weil positiv und Null ist. Für einen äusseren Punkt hat man dagegen die Gleichungen
|[103]
zu beachten, in denen und positiv sind. Diese Gleichungen geben zu erkennen, dass die positive Summe grösser sein muss als die ebenfalls positive Summe . D. h. es muss sein.
Für ist .
In den Gleichungen (2) und (3) wollen wir von jetzt an nur den grössten Wurzelwerth in Betracht ziehen. Man kann in der Gleichung (2) als gegeben ansehen. So lange der Werth von grösser als Null ist, darf man statt der Gleichung (2) auch schreiben:
Dann ist der Punkt auf der Oberfläche eines Ellipsoids zu suchen, dessen Hauptaxen in die Coordinatenaxen fallen. Lässt man alle positiven Werthe bis durchlaufen, so erhält man eine Schaar von unendlich vielen confocalen Ellipsoiden. Ihre Durchschnitte mit der Ebene sind Ellipsen, die mit der Schnitt-Ellipse der Ebene und der Cylinderfläche (1) die Brennpunkte gemein haben.
Für degenerirt das Ellipsoid in eine Cylinderfläche, nemlich die Fläche (1).
|[104]Sollen umgekehrt in der Gleichung (2) gegeben sein, so wird dadurch aus der Schaar von Ellipsoiden ein einziges herausgehoben, oder, was dasselbe sagt, es wird dadurch eindeutig bestimmt.
Sieht man in der Gleichung (3) die grösste Wurzel als gegeben an, so ist der Punkt auf der Oberfläche eines elliptischen Cylinders zu suchen, dessen Axe in der Axe der liegt. Legt man der Grösse alle Werthe von bis bei, so erhält man eine Schaar von unendlich vielen elliptischen Cylindern. Ihre Durchschnitte mit der Ebene sind confocale Ellipsen. Eine von ihnen ist zugleich der Durchschnitt der Ebene und der Cylinderfläche (1). Sie wird von allen anderen umschlossen. Sollen umgekehrt gegeben sein, so ist zu unterscheiden, ob der Punkt, dem diese Coordinaten angehören, ausserhalb oder innerhalb des von der Fläche (1) umschlossenen Raumes liegt. Im ersten Falle gehört er der Oberfläche eines einzelnen von den unendlich vielen Cylindern an, im andern Falle wird er von allen Cylinderflächen umschlossen. In beiden Fällen ist eindeutig bestimmt, im ersten grösser als Null, im zweiten gleich Null.
Die Potentialfunction kann man durch ein einfaches Integral nicht ausdrücken, wohl aber jede der Kraft-Componenten . Wir wollen auch hier die Ausdrücke nicht herleiten, sondern sie als gegeben ansehen und ihre Richtigkeit nachträglich beweisen.
Um die Ausdrücke (5), (6), (7) zu verificiren, ist es nothwendig, zunächst zu beweisen, dass sie den partiellen Differentialgleichungen genügen:
(8)
Es muss ferner bewiesen werden, dass ausserhalb des mit Masse erfüllten Cylinders, also für die Gleichung erfüllt ist:
(9)
dagegen im Innern jenes Cylinders, d. h. für die andere Gleichung:
(10)
wenn für und für
Es muss endlich gezeigt werden, dass in unendlicher Entfernung von dem mit Masse erfüllten Cylinder, d. h. für
(11)
Wir wollen noch bemerken, dass nach der Natur der Aufgabe
(12)
für
Denn zu irgend einem Massenelemente auf der Seite der positiven lässt sich ein zugehöriges Massenelement auf der Seite der
|[106]negativen finden, so dass sie zur Ebene symmetrisch liegen. Die beiden Massenelemente sind einander entgegengesetzt gleich. Sie haben von einem beliebigen Punkte der Ebene gleichen Abstand. Folglich ist der Beitrag, den sie zu dem Werthe der Potentialfunction im Punkte liefern, gleich Null. In dieser Weise lassen sich aber alle Massenelemente paarweise zusammenordnen, und es hat deshalb die Potentialfunction an jeder Stelle der Ebene den constanten Werth Null. Daraus ergibt sich, dass auch die Derivirten in der Ebene überall gleich Null sein müssen. Dies liefert die Gleichungen (12).
Wir betrachten zuerst den Ausdruck für , also die Gleichung (5). Differenziren wir partiell nach , so ergibt sich
Es ist aber nichts anderes als multiplicirt mit der Function unter dem Integralzeichen, wenn man darin überall setzt. Dadurch wird , folglich auch . Wir erhalten also einfach
wofür man auch schreiben kann:
(13)
Die Function aus Gleichung (6) nehmen wir zunächst in der Form
(14)
indem wir uns vorbehalten, die Function so zu bestimmen, dass für die erste der Gleichungen (12) erfüllt werde.
|[107]
Nun ist aber durch Differentiation leicht zu beweisen, dass
wenn die Quadratwurzeln auf beiden Seiten positiv genommen werden. Folglich kann man auf das Integral in (14) die Integration nach Theilen anwenden. Man hat zunächst für das unbestimmte Integral die Gleichung
Der freie Theil ist Null für , dagegen gleich für . Folglich lautet das Resultat der Transformation:
(15)
und hier ist für dagegen für .
Wenn wir in (15) partiell nach differenziren, so ergibt sich
(16)
|[108]Der Beitrag , der auf der rechten Seite noch hinzugefügt werden müsste, fällt weg, weil ist.
Aus (13) und (16) erkennt man auf den ersten Blick, dass die erste der Gleichungen (8) in der That erfüllt ist.
Es kommt nun darauf an, die Function richtig zu bestimmen, so dass für auch wird. Dabei ist zu beachten, dass für die untere Grenze des Integrals in (15) übergeht in . Nun ist aber für die Function , und folglich wird dann der Werth von
völlig unbestimmt. Wir nehmen deshalb in dem zu ermittelnden Integral zunächst als untere Grenze und verstehen unter eine unbestimmte positive Constante und unter eine positive Grösse, die nachher der Null unaufhörlich angenähert werden soll. Unter dieser Verabredung bleibt zwischen den Integrationsgrenzen und die Function positiv. Folglich ist jetzt der Arcussinus , und das Integral in (15) hat für einen angebbaren, endlichen Werth, wenn als untere Grenze genommen wird. Dieser Werth geht für über in
also in einen Grenzwerth, der von der unbestimmten Grösse unabhängig ist. Dieser Grenzwerth ist der Werth des Integrals in (15), wenn als untere Grenze genommen und gesetzt wird. Daraus ergibt sich nun leicht, dass
(17)
sein muss, damit die erste der Gleichungen (12) erfüllt werde.
Die Function aus Gleichung (7) nehmen wir zunächst in der Form
|[109]
(18)
Durch Integration nach Theilen erhalten wir dafür
(19)
und es ist auch hier wieder für und für . Indem wir jetzt in (5) partiell nach , in (19) partiell nach differenziren und die Resultate vergleichen, finden wir, dass auch die letzte der Gleichungen (8) erfüllt ist.
Die Function wird auf demselben Wege bestimmt wie vorher die Function . Man gelangt zu dem Resultate, dass
(20)
genommen werden muss, damit die zweite der Gleichungen (12) erfüllt werde.
Nun bleibt von den Gleichungen (8) noch die zweite zu beweisen.
Nun ist für einen Punkt im Innern des unendlich langen Cylinders , also
In diesem Falle haben wir
Für einen Punkt im äusseren Raume ist dagegen die posisitive Wurzel der Gleichung
(22)
Daraus berechnet sich
(23)
Aus (17) und (20) geht dann durch Differentiation hervor
Es ist demnach sowohl für einen inneren, wie für einen äusseren Punkt die zweite der Gleichungen (8) erfüllt.
Wir gehen dazu über nachzuweisen , dass unsere Ausdrücke für auch den Gleichungen (9) und (10) Genüge leisten.
Aus der Gleichung (5) berechnen wir zunächst
(24)
|[111]Der Beitrag , welcher auf der rechten Seite noch hinzugefügt werden müsste, ist gleich Null, weil ist.
Die Function nehmen wir in der Form (15). Danach berechnet sich
Das erste Integral rechts lässt sich transformiren durch Integration nach Theilen. Wir erhalten
(25)
Auf demselben Wege berechnen wir
(26)
|[112]Aus den Gleichungen (24), (25), (26) ergibt sich unmittelbar durch Addition
Diese Gleichung reducirt sich noch, wenn man berücksichtigt, dass
ist. Man erhält
(27)
Nun ist zu unterscheiden, ob der Punkt im Innern des unendlich langen Cylinders liegt oder ausserhalb.
Für einen Punkt im Innern ist und in Folge davon
Für einen inneren Punkt geht also die Gleichung (27) über in folgende:
Dies ist die partielle Differentialgleichung (10).
Liegt der Punkt im äusseren Raume, so ist die eine positive Wurzel der Gleichung (22), also eine Function von und . Deshalb erhalten wir
|[113]
und ferner
Beachtet man nun, dass nach den Gleichungen (23)
ist, so erhält man für einen äusseren Punkt:
Die Gleichung (27) geht also für einen äusseren Punkt in folgende über:
Dies ist die partielle DifFerentialgleichung (9).
Endlich fragt sich noch, welche Werthe annehmen, wenn oder oder beide unendlich gross werden.
Dass wird, wenn man irgend eine der drei Coordinaten unendlich gross nimmt, ist leicht zu erkennen. Denn es wird dann . Die Grenzen des Integrals in (5) fallen also zusammen, und ausserdem wird die Function unter dem Integralzeichen zu Null für .
Für nehmen wir den Ausdruck (15) und führen unter dem Integralzeichen die vorgeschriebene Differentiation aus. Wird dann noch aus (17) genommen, so lässt sich schreiben:
|[114]
Das Integral wird zu Null, wenn wir irgend eine der Coordinaten unendlich gross nehmen. Denn es wird dann , die Grenzen der Integration fallen also zusammen. Die Function unter dem Integralzeichen wird für , selbst dann noch, wenn sein sollte. Denn vermöge der Gleichung kann nicht unendlich gross werden, wenn gesetzt wird und ist. Der Werth dieses Bruches ist endlich oder unendlich klein, je nachdem unendlich gross oder endlich ist, und folglich ist jedenfalls unendlich klein für .
Wenn also eine der Coordinaten unendlich gross wird, so hat man
Ist nun endlich, , so wird und in Folge dessen
. Ist , so nimmt der letzte Ausdruck für die Form
an. Wir schreiben ihn deshalb so:
und ermitteln den wahren Werth nach den Regeln der Differentialrechnung. Derselbe findet sich
wenn man und unendlich gross nimmt. Von den drei variabeln Factoren ist der letzte ein positiver echter Bruch, dessen
|[115]Werth höchstens gleich ist. Der erste hat den Grenzwerth , und der zweite den Grenzwerth Null. Denn vermöge der Gleichung (22) muss endlich sein, selbst wenn und unendlich gross genommen werden. Folglich ist
für .
Damit ist bewiesen, dass für .
Auf demselben Wege wird der Beweis geführt, dass für .
Die Richtigkeit der Ausdrücke für ist zwar im vorigen Paragraphen vollständig bewiesen. Doch erscheint es nicht unzweckmässig, einen Theil der Untersuchung noch auf einem anderen Wege vorzunehmen. Es ist dies namentlich die Bestimmung der Functionen und , wenn man dabei von den Gleichungen (14) und (18) des vorigen Paragraphen ausgehen will.
Es handelt sich darum, den Werth von aus der Gleichung (14) des vorigen Paragraphen zu ermitteln für . Man hat dabei zu beachten, dass für die Grösse übergeht in . Dadurch wird aber der Werth des Integrals in (14) unendlich gross, und der erste Bestandtheil von nimmt in Gleichung (14) die unbestimmte Form an.
Um den wahren Werth zu ermitteln, kann man statt des reellen Integrationsweges einen anderen einschlagen, welcher durch
complexe Werthe der Variablen führt.
Wir denken uns nach dem Vorgange von Gauss eine complexe Zahl repräsentirt durch den Punkt einer Ebene, dessen rechtwinklige Coordinaten sind. Die Zahl nimmt dann alle möglichen complexen Werthe an, wenn der Punkt in der unbegrenzten Ebene in alle möglichen Lagen gebracht wird. Die Werthe von ändern sich stetig, wenn der Punkt eine ununterbrochene Linie stetig durchläuft. Wir sagen dafür der Kürze wegen: die complexe Variable durchläuft die Linie.
Die Ebene, in welcher der Punkt beweglich ist, heisst die Zahlenebene. Es ist vortheilhaft, sie im Unendlichen als geschlossen anzusehen, d. h. sie als eine Kugel von unendlich grossem
§. 27.
Fortsetzung: Integration durch complexe Werthe der Variablen.
Die Richtigkeit der Ausdrücke für ist zwar im vorigen Paragraphen vollständig bewiesen. Doch erscheint es nicht unzweckmässig, einen Theil der Untersuchung noch auf einem anderen Wege vorzunehmen. Es ist dies namentlich die Bestimmung der Functionen und , wenn man dabei von den Gleichungen (14) und (18) des vorigen Paragraphen ausgehen will.
Es handelt sich darum, den Werth von aus der Gleichung (14) des vorigen Paragraphen zu ermitteln für . Man hat dabei zu beachten, dass für die Grösse übergeht in . Dadurch wird aber der Werth des Integrals in (14) unendlich gross, und der erste Bestandtheil von nimmt in Gleichung (14) die unbestimmte Form an.
Um den wahren Werth zu ermitteln, kann man statt des reellen Integrationsweges einen anderen einschlagen, welcher durch
complexe Werthe der Variablen führt.
Wir denken uns nach dem Vorgange von Gauss eine complexe Zahl repräsentirt durch den Punkt einer Ebene, dessen rechtwinklige Coordinaten sind. Die Zahl nimmt dann alle möglichen complexen Werthe an, wenn der Punkt in der unbegrenzten Ebene in alle möglichen Lagen gebracht wird. Die Werthe von ändern sich stetig, wenn der Punkt eine ununterbrochene Linie stetig durchläuft. Wir sagen dafür der Kürze wegen: die complexe Variable durchläuft die Linie.
Die Ebene, in welcher der Punkt beweglich ist, heisst die Zahlenebene. Es ist vortheilhaft, sie im Unendlichen als geschlossen anzusehen, d. h. sie als eine Kugel von unendlich grossem
|[116]Radius aufzufassen. Dem Werthe entspricht dann nur ein einziger Punkt, welcher auf der unendlich grossen Kugel dem Nullpunkte diametral gegenüberliegt.
Wir zeichnen in der Zahlenebene eine in sich zurücklaufende Linie (Fig. 18), welche sich selbst nicht durchschneidet und einen
Theil der Ebene vollständig begrenzt. Innerhalb dieses abgegrenzten Theiles soll die Axe der positiven von bis liegen, ausserhalb dagegen die Punkte, welche die beiden negativen Wurzeln der Gleichung (2) des vorigen Paragraphen repräsentiren. Dann liegen auch die beiden Punkte der Abscissenaxe und ausserhalb. Der Punkt soll nur dann innerhalb des abgegrenzten Gebietes liegen, wenn und ist, d. h. wenn und .
Wir wollen nun zunächst in dem Ausdrucke für den reellen Integrationsweg durch einen complexen ersetzen.
Für jeden Werth, den die Variable annimmt, hat die Function
zwei Werthe, weil die Quadratwurzel zweideutig ist. Diese beiden Werthe sind innerhalb des abgegrenzten Flachenstückes an zwei Stellen einander gleich, und zwar , wenn nemlich und wenn . Für alle übrigen Werthe von innerhalb und auf der Begrenzung des Flächenstückes soll nur ein Werth von in Betracht gezogen werden, und zwar nach folgender Vorschrift. Wir zerschneiden die Zahlenebene längs der reellen Zahlenaxe von bis und setzen fest, dass die Variable bei ihrer Bewegung in der Ebene diesen Schnitt nicht überschreiten, wohl aber umgehen darf. Soll sie also die reelle Zahlenaxe von bis durchlaufen, so ist zu unterscheiden, ob dies unendlich nahe an dem Schnitt auf der rechten oder auf der linken Seite geschieht. Für solche Werthe von ist reell. Wir setzen fest, dass der positive Werth von genommen werden soll, wenn unendlich nahe an dem Schnitt auf der rechten (unteren) Seite liegt, und der negative Werth von , wenn unendlich nahe an dem
|[117]Schnitt auf der linken (oberen) Seite liegt. Wir lassen dann die Variable von dem Rande des Schnittes aus im Innern des begrenzten Flächenstückes eine Linie stetig durchlaufen, die im Innern oder auf der Begrenzung endigt. Dabei soll, wie wir ferner festsetzen, von den beiden Werthen der Function nur die stetige Fortsetzung des Anfangswerthes in Betracht kommen. Dadurch wird erreicht, dass auf der Linie und im Innern des von ihr begrenzten und von bis zerschnittenen Flächenstückes die Function überall einwerthig, endlich und stetig variabel ist. Nur wenn ist, wird die Function an einer Stelle des Flächenstückes unendlich, nemlich an der Stelles . In diesem besonderen Falle legen wir um den Unstetigkeitspunkt einen Kreis von beliebig kleinem Radius , schliessen das Innere desselben von dem betrachteten Flächenstück aus und lassen schliesslich werden.
Wir setzen nun einen Fundamentalsatz aus der Theorie der Functionen einer complexen Variablen als bekannt voraus. Derselbe lautet:
Wenn für alle Werthe von innerhalb eines vollständig begrenzten Gebietes der Zahlenebene und auf der Begrenzung die Function überall einwerthig, endlich und stetig variabel ist, so hat das Integral
ausgedehnt durch die ganze Begrenzung, den Werth Null.
Ist also von Null verschieden, so hat man folgenden Integrationsweg (Fig. 19):
Von bis unendlich nahe an dem Schnitt auf der rechten (unteren) Seite, von bis ebenso auf der linken (oberen) Seite, dann von durch die Linie um herum bis in der Richtung der Pfeile.
Das Integral auf dem reellen Wege von bis und von bis hat den Werth
|[118]
(2)
wenn die Quadratwurzeln positiv genommen werden. Mit Hülfe des eben citirten Satzes findet sich also
(3)
und es ist das Integral durch complexe Werthe von zu nehmen längs der Linie von bis in der Richtung der in Fig. 18 angegebenen Pfeile.
Die Gleichung (3) bleibt gültig, auch wenn und ist. Der Integrationsweg (Fig. 20) führt jetzt von bis an dem unteren Rande
des Schnittes, dann durch die Peripherie des um gelegten Kreises, hierauf von bis an dem oberen Rande des Schnittes und schliesslich längs der Linie von bis , immer in der Richtung der Pfeile. Soweit der Integrationsweg reell ist, erhält man für das Integral (2). Das Integral, durch die Kreisperipherie erstreckt, hat den Grenzwerth Null. Denn es geht für die Function über in
und diese wird für unendlich wie Folglich wird der Integralwerth an dieser Stelle Null wie . Wir kommen demnach auf die Gleichung (3) zurück. Nur ist jetzt der Integrationsweg so zu legen, dass er die Stelle mit umschliesst.
Soll nun auch in der Gleichung (14) des vorigen Paragraphen ein complexer Integrationsweg eingeschlagen werden, so haben wir
|[119]
(4)
und es ist die Integration durch die Linie (Fig. 18) zu erstrecken von bis in der Richtung der vorgeschriebenen Pfeile.
Für wird In diesem Falle ist für das Integral in (4) die Linie so zu legen, dass sie den Punkt mit umschliesst, nicht aber die beiden anderen Wurzeln der Gleichung . Das Integral ist mit besonderer Vorsicht zu behandeln, weil für die Function wird, und in Folge davon die Function unter dem Integral unendlich gross. Wir wählen auf
der Linie zwei Punkte und . Durch sie und den unendlich entfernten Punkt wird die ganze Linie in drei Bestandteile zerlegt. läuft von bis von bis von bis . Wir ziehen ferner von nach durch das Innere des von begrenzten Flächenstücks eine Linie (Fig. 21), so dass und ein Flächenstück begrenzen, innerhalb dessen der Punkt liegt. Das Integral
(5)
durch die ganze Linie erstreckt, soll mit bezeichnet werden, mit dagegen die drei Bestandtheile, die sich ergeben bei der Integration von bis längs der Linie von bis längs von bis längs . Endlich soll der Werth des Integrals von bis durch genommen, sein. Dann hat man
Hierin ist ein Integral von endlichem Werthe. Also hat man
für
|[120]Das Integral kann durch irgend ein anderes ersetzt werden, dessen geschlossener Integrationsweg um herumführt. Wir machen zum Mittelpunkt eines Kreises vom Radius , der so gewählt ist, dass die Peripherie ganz in das von und begrenzte Flächenstück hineinfällt. Wenn man dann das Integral (5) in der Richtung des Pfeiles (Fig. 21) durch die Kreisperipherie erstreckt, so ist sein Werth . Dieses Integral bedarf noch der Untersuchung. Es ist
daraus ergibt sich durch Subtraction
Wir nehmen auf beiden Seiten Logarithmen und erhalten durch Differentiation
wenn mit eine Function bezeichnet wird, die auf der Peripherie und im Innern des Kreises endlich und stetig variabel ist, auch für . Dann ist zunächst das Integral
durch die Kreisperipherie erstreckt, unter keinen Umständen unendlich gross. Denn setzt man , so erhält man unter dem Integralzeichen ein Product, dessen einer Factor ist, und dessen anderer Factor auf der Kreisperipherie und im Innern des Kreises überall endlich ist. Da nun das unbestimmte Integral
auf dem ganzen Integrationswege endlich bleibt, so ist auch, durch die Kreisperipherie erstreckt,
|[121]
endlich, und der Werth dieses Integrals nähert sich der Grenze Null, wenn man den Radius des kreisförmigen Integrationsweges unendlich klein werden lässt.
Es bleibt also nur noch das Integral
zu ermitteln, worin wir der Kürze wegen
(6)
gesetzt haben. Wir führen nun Polar-Coordinaten ein, so dass
zu setzen ist . Demnach haben wir . Für Punkte auf der Kreisperipherie ist constant, folglich
Die Richtung des Integrationsweges ist dieselbe wie die Richtung des wachsenden Bogens. Demnach ergibt sich
Nun darf man den Radius beliebig klein wählen. Wir lassen ihn unendlich abnehmen und erhalten
(7)
Die gewonnenen Resultate beantworten die Frage, was aus der Gleichung (4) wird für . Die linke Seite soll nach der Bedingung (12) des vorigen Paragraphen in Null übergehen. Auf der rechten Seite hat man für das Integral einzusetzen und hierauf den Grenzwerth zu ermitteln für . Es ist aber, wie schon bewiesen:
|[122]
für
Ferner ist nach Gleichung (7)
und es ist oder , je nachdem das reelle positiv oder negativ genommen wird.
Soll nun werden für , so sieht man, dass in Gleichung (4) zu setzen ist:
(8)
Dies Resultat stimmt mit der im vorigen Paragraphen gewonnenen Gleichung (17) überein.
In derselben Weise kann man verfahren, um die Function zu bestimmen.
§. 28.
Fortsetzung: Die Componente kann als Potentialfunction einer Ellipsenfläche aufgefasst werden.
Es sollte die Potentialfunction bezeichnen für den Fall, dass der von der Fläche (1) des §. 26 begrenzte cylindrische Raum von bis mit Masse von der constanten Dichtigkeit und von bis mit Masse von der constanten Dichtigkeit erfüllt ist. Dann ist, wie wir gesehen haben,
die Potentialfunction des Cylinders von der Dichtigkeit , der von den Endflächen und begrenzt wird. Lässt man nun unendlich klein werden, so erhält man
d. h.
als Potentialfunction des Cylinders, der von den Endflächen und begrenzt wird. Ein Element dieses Cylinders enthält die Masse . Man kann sich dies auch so vorstellen, als ob die Masse mit der Dichtigkeit auf der Basisfläche des
|[123]Cylinders ausgebreitet wäre. Folglich ist die Potentialfunction der Ellipsenfläche
über welche die Masse mit der constanten Dichtigkeit ausgebreitet ist.
Wir wollen nun direct beweisen, dass der Ausdruck (5) des §. 26 allen den Bedingungen Genüge leistet, durch welche die Potentialfunction der eben genannten Ellipsenfläche eindeutig bestimmt ist. Es ist dies eine zweite Art, den Ausdruck für zu verificiren.
Es kömmt darauf an zu beweisen, dass
(1)
im ganzen unendlichen Räume, dass
(2)
für jeden Punkt der anziehenden Fläche, und dass
(3)
ist, wenn eine der drei Coordinaten unendlich gross genommen wird.
Wir gehen aus von der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen, nemlich
(4)
Die Integration ist durch die Linie (Fig. 18) zu erstrecken. Zur Abkürzung schreiben wir
Folglich vereinfacht sich die Gleichung (5). Man erhält nemlich
(6)
Mit Hülfe dieser Gleichung ergibt sich
(7)
Das Integral ist zu erstrecken durch die Linie (Fig. 18) von |[125]um herum bis . Das unbestimmte Integral lässt sich ausrechnen, nemlich
Diese Function ist auf dem ganzen Integrationswege einwerthig, endlich und stetig variabel. Man findet also das bestimmte Integral gleich der Differenz der Werthe des unbestimmten Integrals an den Grenzen. Diese Werthe sind aber an den Grenzen beide gleich Null. Folglich
(8)
Dies ist die zu beweisende Gleichung (1).
Um die zweite Eigenschaft der Function nachzuweisen, stellen wir her nemlich
(9)
Soll hier genommen werden, so muss der Integrationsweg von nach durch eine geschlossene Linie führen, welche den Punkt mit umschliesst. Dabei ist zu unterscheiden, ob oder ist.
Es sei erstens. Dann können und dürfen wir die Linie so legen, dass der Punkt ausserhalb des umschlossenen Flächenstücks liegt. Das Integral auf der rechten Seite von (9) kann ersetzt werden durch den doppelten Werth des Integrals zwischen den reellen Grenzen und . Nun wird zwar für die Function unter dem Integralzeichen unendlich wie , aber das unbestimmte Integral wird an dieser Stelle Null wie , und daher hat das bestimmte Integral einen angebbaren endlichen Werth. Folglich ist für auch , gleichgültig, ob von der positiven oder von der negativen Seite in Null übergeht. Wir haben also (für )
(10)
wenn , d. h. wenn . In diesem Falle liegt der
|[126]Punkt zwar in der Ebene, aber nicht an einer mit Masse erfüllten Stelle.
Es sei zweitens. Dann umschliesst die Linie den Punkt . In ihm wird die Function unter dem Integralzeichen unendlich. Wir zerlegen jetzt das Integral (9) in zwei Bestandtheile. Für den ersten Bestandtheil ist der Integrationsweg zusammengesetzt aus der Linie (Fig. 21) von bis , der Linie von bis und der Linie von bis . Für den zweiten Bestandtheil wird die Integration erstreckt von bis längs der Linie und von bis längs der Linie . Der erste Bestandtheil hat einen endlichen Werth. Multiplicirt man diesen mit , so wird für das Product zu Null, gleichgültig, ob von der negativen oder von der positiven Seite in Null übergeführt ist. Es bleibt also nur der zweite Bestandtheil des Integrals (9) zu berücksichtigen. Für diesen kann der Integrationsweg ersetzt werden durch einen Kreis, der den Punkt zum Mittelpunkt hat. Setzen wir dann zur Abkürzung
so ist das Integral, um das es sich handelt,
Der Radius des Kreises darf unendlich klein genommen werden. Das Integral bat also den Werth
d. h. mit Rücksicht auf den Werth von :
Folglich erhält man aus der Gleichung (9)
(11)
wobei oder , je nachdem von der positiven oder von der negativen Seite in Null übergeht. Demnach findet sich (für ):
|[127]
(12)
unter der Voraussetzung, dass , d. h. dass ist.
Damit ist bewiesen, dass auch der Bedingung (2) Genüge leistet.
Endlich muss sein, wenn der Punkt in unendliche Entfernung rückt. Dass dies wirklich eintrifft, ist schon in §. 26 bewiesen.
Die Function genügt also in der That den Bedingungen (1), (2), (3).
§. 29.
Beispiel: Potentialfunction einer nicht homogenen Kugel.
Wir wollen die Potentialfunction einer kugelförmigen Masse bestimmen, wenn die Dichtigkeit nicht constant ist und der Werth von in der Oberfläche als gegeben vorausgesetzt wird. Der Radius der anziehenden Kugel sei . In ihren Mittelpunkt legen wir den Anfangspunkt des rechtwinkligen Coordinatensystems.
Zunächst kömmt es darauf an, von den rechtwinkligen Coordinaten zu Kugel-Coordinaten als unabhängigen Variabeln überzugehen.
Wir legen den Mittelpunkt der Kugel-Coordinaten in den Anfangspunkt des rechtwinkligen Systems. Auf der Kugel vom Radius , welche diesen Punkt zum Centrum hat, wählen wir den Pol an der Stelle, welche von der Axe der positiven getroffen wird. Als Anfangsmeridian soll der vom Pol zum Gegenpol verlaufende grösste Halbkreis genommen werden, den die Axe der positiven durchschneidet. Der Punkt, dessen rechtwinklige Coordinaten sind, hat den Radiusvector. Dieser schneidet die Kugel vom Radius in einem Punkte, dessen Poldistanz mit und dessen geographische Länge mit bezeichnet werden möge. Der Zusammenhang von mit wird durch die Gleichungen ausgesprochen:
(1)
|[128]Auf Grund dieser Gleichungen könnte man den Ausdruck
durch blosse Rechnung transformiren. Wir ziehen es vor, den neuen Ausdruck direct herzuleiten, indem wir den Satz von Gauss
(§.12) auf ein Raumelement des Kugelcoordinaten-Systems anwenden. Dieses Raumelement (Fig.22) wird begrenzt von zwei concentrischen Kugelflächen, die mit den Radien und um den Mittelpunkt der Kugel-Coordinaten beschrieben sind, ferner von zwei Kegelflächen, welche die Axe zur Axe haben, und deren Erzeugende mit dieser Axe die Winkel und resp. einschliessen, endlich von zwei Meridian-Ebenen, die mit der Ebene des Anfangsmeridians die Winkel und bilden. Die sechs Begrenzungsflächen durchschneiden sich in zwölf Kanten. Je drei von ihnen, welche eine dreiseitige Ecke bilden, stehen rechtwinklig aufeinander.
Der Satz von Gauss lautet:
(2)
wenn die Integration über die Oberfläche des Raumelementes erstreckt wird. ist die Componente der Anziehung in der Oberfläche, genommen in der Richtung der nach innen gezogenen Normale, und die Masse im Innern des Raumelementes.
Das Integral zerlegt sich in sechs Bestandteile, deren jeder von einer Seitenfläche herrührt. Wir haben zunächst zwei Seitenflächen, rechtwinklig gegen den Radius vector . Der Flächeninhalt derselben ist und resp. . Für die erste ist , für die andere . Folglich liefern diese beiden Seitenflächen zu dem Integral den Beitrag
|[129]
Es kommen ferner in Betracht zwei Seitenflächen, rechtwinklig gegen den Meridian. Ihr Flächeninhalt ist und resp. . Für die eine ist , für die andere . Folglich lautet der Beitrag zu dem Integral
Endlich handelt es sich noch um zwei Seitenflächen, rechtwinklig gegen den Parallelkreis. Jede von ihnen hat den Flächeninhalt . Für die eine ist , für die andere . Wir erhalten also zu dem Integral den Beitrag
Fassen wir diese Beiträge zusammen, so wird aus der linken Seite der Gleichung (2):
Auf der rechten Seite ist
Stellt man hiernach die Gleichung (2) auf und dividirt auf beiden Seiten durch , so ergibt sich:
(3)
|[130]Dies ist die partielle Differentialgleichung, welche für Kugel-Coordinaten an die Stelle der Gleichung (4) des §. 13 tritt.
Die Gleichung von Laplace lautet demnach für dieses Coordinatensystem:
(4)
§. 30.
Fortsetzung: Die Function .
Soll zunächst die Function für irgend einen Punkt im Innern der Kugel vom Radius hergestellt werden , so handelt es sich nach Green's Methode darum, eine Function ausfindig zu machen, die den folgenden Bedingungen Genüge leistet:
(1)
im Innern der Kugel vom Radius
(2)
in der Oberfläche
(3)
im Punkte
wie der reciproke Werth der Entfernung von diesem Punkte.
Die partielle Differentialgleichung (1) lässt sich durch eine andere ersetzen, wenn man eine Function einführt durch die Gleichung:
(4)
und als Variable nimmt statt . Es ist nemlich
folglich
Aus der Gleichung (4) findet sich durch Differentiation
|[131]Führt man dies in die partielle Differentialgleichung (1) ein, so erhält man, nach Wegwerfung des Factors :
(5)
Ist
(6)
eine Lösung dieser partiellen Differentialgleichung, so kann man darin ersetzen durch und erhält dadurch eine neue Lösung. Man überzeugt sich davon leicht, wenn man bemerkt, dass in (5) nur vorkommt. Es ist also auch
(7)
eine Lösung, wenn genommen wird.
Gehört nun zu einem Punkte innerhalb der Kugel, so lässt es sich leicht einrichten, dass einem äusseren Punkte angehört. Man hat nur
(8)
d. h.
zu setzen. Zwei solche Punkte, welche auf demselben Radius vector liegen, und deren Abstände vom Mittelpunkte und der Gleichung (8) Genüge leisten, sollen der eine der Bildpunkt des anderen genannt werden.
Vermöge der Gleichungen (6), (7) und (8) ist es nun leicht, die Function über die Oberfläche der Kugel hinaus so in den äusseren Raum fortzusetzen, dass sie überall der partiellen Differentialgleichung (5) genügt, und dass sie in der Oberfläche der Kugel an jeder Stelle den Werth Null annimmt.
Man braucht nur die Bestimmung zu treffen, dass die Functionswerthe und einander entgegengesetzt gleich sein sollen für zwei Punkte und , von denen der eine des anderen Bildpunkt ist. Also
(9)
Daraus geht zunächst hervor
(10)
Ferner, wenn man mit die Derivirte nach bezeichnet:
(11)
|[132]Für zeigt sich, dass die Derivirte in der Oberfläche denselben Werth annimmt, der Punkt mag von aussen oder von innen in die Oberfläche hineinrücken.
Durch die Bestimmung, die wir über die Fortsetzung der Function getroffen haben, wird auch über die Kugeloberfläche vom Radius nach aussen fortgesetzt. Und zwar genügt bei dieser Art der Fortsetzung die Function im ganzen unendlichen Raume der partiellen Differentialgleichung (1). Sie hat in der Oberfläche an jeder Stelle den Werth Null. Es ist also nur noch darauf Acht zu geben, dass überall endlich und stetig variabel sein soll, ausser in dem Punkte und in seinem Bildpunkte .
Bezeichnen wir mit und die Werthe der Function für zwei gegenseitige Bildpunkte, so findet sich aus (9) und (4):
also
(12)
Diese Relation lässt sich zur Herstellung des Ausdruckes für die Function verwerthen, wenn man noch ihr Verhalten in der Nähe des Unstetigkeitspunktes im Innern und seines äusseren Bildpunktes beachtet. Es seien die Coordinaten des inneren Unstetigkeitspunktes und die Coordinaten seines äusseren Bildpunktes, so dass . Ferner seien und resp. die Coordinaten von zwei gegenseitigen Bildpunkten, welche mit den Unstetigkeitspunkten auf demselben Radius vector liegen. Nehmen wir unendlich klein, so hat die Function im Punkte [7] den Werth
(13)
wenn mit eine Function bezeichnet wird, welche für endlich und stetig bleibt. In dem äusseren Bildpunkte erhält man nach Gleichung (12)
wenn eine Function bezeichnet, welche für endlich und stetig bleibt. Nun ist aber
|[133]
folglich
Demnach kann der Ausdruck für auch so geschrieben werden
(14)
Jetzt ist es leicht, für eine beliebige Lage des Punktes einen Ausdruck aufzustellen, der in (13) oder (14) übergeht, je nachdem der Punkt unendlich nahe an den inneren Unstetigkeitspunkt oder an dessen äusseren Bildpunkt heranrückt. Wir bezeichnen mit und die Abstände des Punktes von dem inneren Unstetigkeitspunkte und resp. von dessen äusserem Bildpunkte . Dann ist
(15)
die Function, welche allen gestellten Bedingungen Genüge leistet.
Es bleibt noch übrig, die Abstände und durch die Coordinaten und die Coordinaten des Unstetigkeitspunktes und seines Bildpunktes auszudrücken. Bezeichnen wir mit den Winkel, welchen die Radien und mit einander einschliessen, so findet man (Fig. 23):
(16)
Um auszudrücken, legen wir um den Mittelpunkt des Kugelcoordinaten-Systems die Kugel vom Radius . Auf ihr merken wir ausser dem Pol und dem Anfangsmeridian die Punkte an, welche von den Radien und getroffen werden (Fig. 24). Die Poldistanzen dieser beiden Punkte sind und , und ihre sphärische Entfernung ist . Die Meridiane, auf welchen und |[134]gezählt werden, schliessen den sphärischen Winkel ein. Folglich haben wir
(17)
Wenn die Wahl des Coordinatensystems freisteht, so dient es zur Vereinfachung, die Axe des rechtwinkligen Systems (und folglich auch die Polaraxe des Kugelcoordinaten-Systems) durch den Unstetigkeitspunkt zu legen. Dann ist ferner beliebig und folglich . Die Gleichung (15) geht dadurch über in
(18)
Aus der Gleichung (15) kann man noch die mechanische Bedeutung der Function herauslesen. Es ist die Potentialfunction für den Fall, dass im Punkte die Masse , in seinem Bildpunkte die Masse concentrirt ist.
Uebrigens kann auch der Punkt ausserhalb der Kugel liegen. Dann ist sein Bildpunkt ein innerer Punkt. Der Ausdruck für wird derselbe wie in Gleichung (15).
Versteht man unter einen Punkt ausserhalb der Kugel, so ist die Hülfsfunction, welche dazu dient, die Function für den äusseren Raum herzustellen. Denn in der That genügt diese Function im ganzen äusseren Raume der partiellen Differentialgleichung (1). Sie hat den Werth Null in der Begrenzung des äusseren Raumes, d. h. in der Oberfläche der Kugel vom Radius und in einer Kugelfläche von unendlich grossem Radius. Sie ist im ganzen äusseren Räume endlich und stetig variabel, ausser im Punkte , wo sie in vorgeschriebener Weise unendlich wird.
§. 31.
Fortsetzung: Die Masse ist nur in der Oberfläche ausgebreitet, in der Oberfläche gegeben.
Wir wollen speciell voraussetzen, dass im Innern der Kugel und in dem ganzen äusseren Räume keine anziehende Masse vor-
|[135]handen sei. Die Masse soll vielmehr über die Oberfläche vertheilt sein, und zwar in der Weise, dass für jeden Punkt der Oberfläche die Potentialfunction einen gegebenen Werth besitzt.
(1)
für
Die Function soll einwerthig und endlich sein für jede Werthencombination der Variablen und zwischen den äussersten Werthen und von und den äussersten Werthen und von .
Für das Innere der Kugel und ausserhalb gilt dann überall die Gleichung von Laplace:
(2)
Der Satz von Green (§.21) gibt für irgend einen Punkt den Werth der Potentialfunction durch die Gleichung
(3)
Die Integration hat man über die Kugeloberfläche auszudehnen. Die Function ist in Gleichung (15) des vorigen Paragraphen ausgedrückt, und es ist
wobei das obere oder das untere Zeichen gilt, je nachdem grösser oder kleiner als ist, d. h. je nachdem der Punkt ) ausserhalb oder innerhalb der Kugel liegt.
Folglich haben wir
(4)
je nachdem .
Diese Formel drückt den Werth der Potentialfunction aus, wenn die anziehende Masse nur in der Oberfläche der Kugel vertheilt und der Werth der Potentialfunction in jedem Punkte dieser Oberfläche bekannt ist.
Es fragt sich dann noch, wie gross die Dichtigkeit in jedem Punkte der Kugeloberfläche ist. Diese Frage ist nach §. 14 Gleichung (6) zu beantworten. Man erhält
Der bei angehängte doppelte Index soll bedeuten, dass nach Ausführung der Differentiation und gesetzt werden soll.
Es bleibt noch übrig, in (4) und (5) die Function des vorigen Paragraphen wirklich einzusetzen und die vorgeschriebenen Differentiationen auszuführen. Wir wollen dabei die Polaraxe des Kugelcoordinaten-Systems durch den Punkt legen, für welchen der Werth der Potentialfunction ausgedrückt werden soll. Dann ist beliebig, und es gilt für die Gleichung (18) des vorigen Paragraphen. Danach findet sich
|[137]Setzt man dies in Gleichung (4) ein, so erhält man
(6)
und es gilt das obere oder das untere Zeichen, je nachdem positiv oder negativ ist.
Es fragt sich, welchen Werth annimmt für . Dies ist leicht vorauszusagen, wenn man daran denkt, dass der Punkt auf der Polaraxe liegt . Für rückt er also in den Pol der Kugeloberfläche, und für diesen ist und beliebig. Es muss also dann in den Werth übergehen, den für annimmt, und dieser Werth muss von unabhängig sein. Wir wollen zeigen, dass das wirklich aus der Gleichung (6) sich ergibt.
Wir setzen zur Abkürzung
Dann ist der Mittelwerth von allen den Werthen, welche die Function auf dem Parallelkreis von der Poldistanz annimmt. Bei dieser abgekürzten Schreibweise geht die Gleichung (6) in folgende über:
Betrachten wir zunächst das unbestimmte Integral, so gibt die Integration nach Theilen:
Geht man also zu der Integration zwischen den vorgeschriebenen Grenzen und über, so findet sich
|[138]
In dieser Gleichung gelten überall gleichzeitig die oberen Zeichen, wenn , und die unteren, wenn ist. Die Gleichung lässt sich kürzer schreiben:
(7)
Soll nun gesetzt werden, so erhält man
Das letzte Integral hat dann, aber auch nur dann, einen endlichen Werth, wenn ist. Wir wollen nachher zeigen, dass diese Bedingung im allgemeinen erfüllt ist. Unter dieser Voraussetzung reducirt sich die letzte Gleichung auf folgende:
für
Der letzte Ausdruck ist aber das arithmetische Mittel von allen den Werthen, welche die Function auf einem Parallelkreis von unendlich kleiner Poldistanz annimmt, d. h. da einwerthig vorausgesetzt ist, gleich dem Werthe dieser Function im Pole selbst. Und das war zu beweisen.
§. 32.
Fortsetzung: Die Dichtigkeit in jedem Punkte der Oberfläche.
Für die Dichtigkeit haben wir die Gleichung abgeleitet
(1)
|[139]Für nehmen wir am besten den Ausdruck (7) des vorigen Paragraphen. Dann findet sich
(2)
und daraus wird für
(3)
Das letzte Integral ist noch zu transformiren. Wir schreiben
Demnach ist
Der letzte Bestandtheil der rechten Seite verschwindet, wenn das Integral einen endlichen Werth hat, d. h. wenn ist. Den ersten Bestandtheil zerlegen wir weiter. Es ist nemlich
|[140]
Folglich
Danach geht die Gleichung (3) über in
und die Gleichung (1) gibt jetzt
(4)
Man sieht aus dieser Gleichung, wie die Dichtigkeit in irgend einem Punkte der Kugeloberfläche abhängig ist von den Werthe, welche die Potentialfunction in allen Punkten dieser Oberfläche besitzt.
Zur Berechnung von ist die Formel nicht brauchbar. Vielmehr hat man zu diesem Zweck sie in eine Reihe von Kugelfunctionen zu entwickeln. Die Convergenz der Reihe darf nicht a priori angenommen, sie muss vielmehr bewiesen werden. Das hat Dirichlet*)[8] gethan, indem er die Reihe summirt und allgemein nachweist, dass ihre Summe gleich dem obigen Integral-Ausdruck ist.
|[141]
Wir haben noch zu zeigen, dass im allgemeinen, d. h. abgesehen von einzelnen Ausnahmefällen, ist für . Zu dem Ende ziehen wir im Pol der Kugel (Fig. 25) zwei Tangenten, parallel resp. zu den Axen der positiven und der positiven , und
bezeichnen die auf ihnen gezählten Strecken resp. mit und . Nehmen wir dann auf irgend einem Meridian, der mit dem Anfangsmeridian den Winkel einschliesst, vom Pol aus eine unendlich kleine Strecke , so darf man diese durch ihre Tangente ersetzen und hat (unter Vernachlässigung der höheren Potenzen von ) die Gleichungen
Setzen wir voraus, dass in der Nähe des Pols endliche Derivirte hat, so können wir nach Taylor's Satze entwickeln
Dabei sind die nicht hingeschriebenen Glieder der zweiten und höheren Potenzen von proportional. Hieraus erhalten wir
In der Entwicklung von nach Potenzen von ist also der Coefficient der ersten Potenz gleich Null, d. h.
für
was zu beweisen war.
In besonderen Fällen können Ausnahmen eintreten, die dann eine besondere Untersuchung nöthig machen.
Wir gehen zu der Betrachtung der allgemeinen Eigenschaften der Function über. Sie ist im §. 21 durch drei charakteristische Merkmale definirt:
Erstens: Sie genügt im Innern des Raumes der partiellen Differentialgleichung
(1)
Zweitens: Sie hat in der Oberfläche des Raumes überall den Werth Null.
Drittens: Sie ist im Innern des Raumes überall endlich und stetig variabel, ausser im Punkte , wo sie unendlich wird wie , wenn
Hiernach ist eine Function einerseits von den Coordinaten des Unstetigkeitspunktes, andererseits von den Coordinaten irgend eines Punktes im Innern oder auf der Oberfläche des Raumes . Wir wollen mit die Function bezeichnen,
welche im Punkte unendlich wird, und mit den Werth, welchen sie im Punkte annimmt. Ebenso soll die Function sein, welche im Punkte unendlich wird, und soll den Werth bezeichnen, den sie im Punkte annimmt. Um die Punkte und als Mittelpunkte legen wir zwei Kugelflächen mit den Radien und . Den inneren Raum dieser Kugeln schliessen wir
von dem Raume aus und bezeichnen mit den Raum, der übrig bleibt. Dann sind und , sowie ihre ersten Derivirten im Innern von überall endlich und stetig variabel. Ausserdem
|[143]genügen im Innern von beide Functionen der partiellen Differentialgleichung (1). Folglich ist nach dem Satze von Green (§. 20)
(2)
wenn das Integral über die Begrenzung von erstreckt wird und die in der Begrenzung nach dem Innern von gezogene Normale bezeichnet. Die Begrenzung von besteht aus der Oberfläche des Raumes und aus den beiden Kugelflächen um und In der Oberfläche von sind und beide gleich Null, folglich liefert diese Oberfläche zu dem Integral (2) ebenfalls den Beitrag Null. Für die Kugelfläche um (Fig. 26) fällt die Richtung von mit der Richtung der wachsenden zusammen. Das Oberflächen-Element ist , wenn mit das Element auf einer Kugel vom Radius 1 bezeichnet wird. Die um gelegte Kugelfläche liefert also zu dem Integral (2) den Beitrag
Nun sind und in der Kugelfläche endlich. Ferner ist in ihr
Folglich haben wir für ein unendlich abnehmendes
und der Beitrag, welchen die Kugelfläche um zu dem Integral (2) liefert, hat für den Grenzwerth
Ebenso findet sich der Beitrag, welchen die um gelegte Kugelfläche zu dem Integral (2) liefert. Sein Grenzwerth für ist
Der in Gleichung (2) ausgesprochene Satz lautet jetzt also
|[144]
oder kürzer
(3)
D. h. die Function ist eine symmetrische Function von und von .
§. 34.
Eindeutige Existenz der Function . Dirichlet's Princip.
Die Herstellung der Potentialfunction ist zuerst von Green auf die Herstellung der Function zurückgeführt in der oben (§. 20) citirten Abhandlung: an essay on the application of mathematical analysis to the theories of electricity and magnetism. Green gibt aber keinen Beweis dafür, dass für jede Gestalt des Raumes auch wirklich eine Function und nur eine existirt, die den gestellten Bedingungen Genüge leistet. Er beruft sich einfach auf die physikalische Bedeutung der Function .*)[9] Diese Lücke hat Gauss ausgefüllt.**)[10] Er bezeichnet mit eine Grösse, die in jedem Punkte der Oberfläche von einen bestimmten, endlichen, nach der Stetigkeit sich ändernden Werth hat, und mit die Potentialfunction einer über dieselbe Oberfläche auszubreitenden Masse . Die Ausbreitung der Masse darf so geschehen, dass die Dichtigkeit entweder überall positiv ist, oder dass sie in einzelnen Theilen der Fläche auch negativ sein kann. In dem zweiten Falle ist die algebraische Summe der positiven und der negativen Massen. Gauss beweist dann, dass es allemal eine und nur eine Vertheilung der Masse gibt, bei welcher die Differenz in allen Punkten der Fläche einen constanten Werth hat, und dass die Gesammtmasse so gewählt werden kann, dass dieser constante Werth ist. Bezeichnet man nun mit den Abstand eines Punktes der Oberfläche von dem gegebenen Unstetigkeitspunkte im Innern von , so hat die Eigenschaften, welche
|[145]Gauss seiner Function zuschreibt. Man darf also den Satz von Gauss speciell so aussprechen: Auf der Oberfläche eines gegebenen Raumes lassen sich immer in einer und nur in einer Weise entweder positive, oder theils positive, theils negative Massen so ausbreiten, dass die Function für jeden Punkt der Oberfläche den Werth Null hat. Diese Function befriedigt alle Bedingungen, welche Green für seine Function aufstellt.
Dieser Beweis ist, wie man sieht, nicht rein analytisch. Seine Einkleidung ist der Theorie der Potentialfunction selbst entnommen. Einen rein analytischen Beweis hat später Dirichlet gegeben.*)[11]
Der Satz von Dirichlet lautet:
Ist die Function einwerthig, endlich und stetig variabel für jeden Punkt in der Oberfläche eines begrenzten Raumes gegeben, so lässt sie sich immer und nur auf eine Weise für das Innere so bestimmen, dass sie auch da einwerthig, endlich und stetig variabel ist und der partiellen Differentialgleichung
(1)
Genüge leistet.
Um diesen Satz zu beweisen, bilden wir das über den Raum auszudehnende Integral
(2)
Darin soll mit eine Function bezeichnet werden, die in der Oberfläche des Raumes überall mit der gegebenen Function übereinstimmt, die aber im Innern des Raumes nur an die Bedingung geknüpft ist, dass sie selbst und ihre ersten Derivirten überall einwerthig, endlich und stetig variabel seien. Solcher Functionen gibt es unendlich viele. Bezeichnet man eine von ihnen mit so lässt jede andere sich in die Form bringen
wenn eine passend zu wählende Constante bedeutet und eine
|[146]Function von ist, die in der Oberfläche des Raumes den Werth Null hat, im Innern aber an dieselbe Bedingung geknüpft ist wie die Functionen .
Das Integral (2) hat unter dieser Voraussetzung einen endlichen, positiven Werth, der im allgemeinen ein anderer sein wird, wenn man von einer Function zu einer andern übergeht. Nun gibt es zwar unendlich viele Functionen , die den aufgestellten Bedingungen genügen, und folglich wird man ihnen entsprechend auch unendlich viele Integralwerthe erhalten. Die letzteren sind aber sämmtlich positiv und endlich. Demnach ist unter ihnen jedenfalls einer vorhanden, der kleiner als alle übrigen ist. Dieser kleinste Werth des Integrals kann nur in einem Falle gleich Null sein, nemlich wenn im Innern des Raumes die ersten Derivirten der zugehörigen Function überall gleich Null sind. Es müsste also diejenige Function , welche das Minimum zu Stande bringt, im Innern von constant sein, und da sie eine stetige Fortsetzung der in der Oberfläche gegebenen Function ist, so müsste auch diese an jeder Stelle der Oberfläche denselben constanten Werth haben. Schliessen wir diesen Specialfall durch die Voraussetzung aus, dass in der Oberfläche stetig variabel sein soll, so ist der Minimalwerth des Integrals um eine positive endliche Grösse von Null verschieden.
Diejenige Function , für welche das Integral (2) seinen kleinsten Werth annimmt, soll für das Innere des Raumes mit bezeichnet werden. Dann lässt sich jede andere Function in die Form bringen
Wir wollen nun die Constante unendlich klein nehmen. Dann lautet die Bedingung des Minimum
Wird nun für die Bedingung (3) befriedigt, so ist der Coefficient von auf der rechten Seite der Gleichung (4) nothwendigeweise gleich Null. Denn sonst könnte man das Vorzeichen von so wählen, dass das Product
negativ ausfiele, und den Zahlwerth von so klein, dass das positive Glied kleiner würde als der absolute Werth des vorhergehenden negativen Gliedes. Dann hätte man
was mit (3) im Widerspruch steht. Also ist
(5)
die nothwendige und, wie man leicht sieht, auch die ausreichende Bedingung für das Zustandekommen des Minimum Die linke Seite der Gleichung (5) transformiren wir nach §. 20 und erhalten
(6)
Das erste Integral auf der rechten Seite ist über die Oberfläche des Raumes zu erstrecken. Sein Werth ist null, da nach der Voraussetzung in jedem Punkte der Oberfläche ist. Die Bedingung (5) für das Minimum geht also über in
|[148]
(7)
Da aber im Innern des Raumes die Function gänzlich unbestimmt ist, so kann diese Gleichung nur dadurch erfüllt werden, dass im Innern überall
(8)
Nun existirt immer ein Minimum des Integrals . Folglich muss es unter den unendlich vielen Functionen welche in der Oberfläche von mit der dort gegebenen Function zusammenfallen, eine geben, welche jenes Minimum zu Stande bringt, und das kann nicht anders geschehen als durch Befriedigung der Gleichung (8). Diese Function ist die für das Innere von verlangte stetige Fortsetzung der in der Oberfläche gegebenen Function
Die Transformation (6), durch welche die Bedingung (5) in (8) übergeht, ist nach §. 20 nur dann zulässig, wenn die Functionen und und die ersten Derivirten von im Innern des Raumes überall endlich und stetig variabel sind. Diese Bedingung ist für und erfüllt. Denn wir haben von allen Functionen und vorausgesetzt, dass jede von ihnen mit ihren ersten Derivirten einwerthig, endlich und stetig variabel sei. Denken wir uns aber den Fall, dass die ersten Derivirten von im Innern des Raumes sich sprungweise änderten, wenn der Punkt von der negativen auf die positive Seite einer gewissen Fläche übertritt, so würde zu dem Oberflächen-Integral auf der rechten Seite von (6) noch der Beitrag hinzutreten
(9)
In diesem Beitrage ist ein Element der Unstetigkeitsfläche, die Normale. Die Integration ist über die ganze Unstetigkeitsfläche zu erstrecken. Zur Erfüllung der Bedingung (5) würde dann die Gleichung (8) nicht genügen. Es müsste ausserdem das Integral (9) den Werth Null haben, und das ist bei der Unbestimmtheit von nicht anders möglich, als wenn an jeder Stelle der angenommenen Unstetigkeitsfläche
(10)
|[149]Diese Gleichung sagt aber aus, dass, wenn ein Minimum ist, die ersten Derivirten von im Innern des Raumes nicht unstetig sind.
Es fragt sich noch, ob ausser der einen Function , welche das Integral zu einem Minimum macht, noch eine andere dieselbe Eigenschaft besitzt. Unter soll hier wieder eine Function verstanden werden, welche in der Oberfläche von den Werth Null hat und im Innern derselben Bedingung genügt wie die Functionen . Nun ist ein Minimum, wenn für eine Constante , die unendlich nahe an 1 heranrückt, die Bedingung erfüllt ist:
(11)
Wir haben nach den Gleichungen (4) und (5)
und wenn man hierin setzt:
Dadurch geht die Bedingung (11) in folgende über
(12)
Da man aber die Constante , die unendlich nahe an 1 liegen soll, nicht bloss grösser, sondern auch kleiner als 1 nehmen darf, so kann der Bedingung (12) nur dadurch genügt werden, dass man setzt:
(13)
Bei der eigenthümlichen Form des Integrals kann diese Gleichung nur dann zu Stande kommen, wenn im Innern des Raumes überall
(14)
d. h. ist. Der constante Werth von muss aber Null sein, weil in der Oberfläche ist.
Von allen den Functionen , welche die in der Oberfläche des Raumes gegebene Function ins Innere stetig fortsetzen, gibt es also eine und nur eine, die das Integral (2) zu einem Minimum macht. Diese Function und ihre ersten Derivirten sind im Innern von überall endlich und stetig variabel, und sie selbst erfüllt die partielle Differentialgleichung (8).
|[150]
Mit Hülfe dieses Satzes ist nun leicht zu beweisen, dass für jede Gestalt des Raumes eine und nur eine Function existirt, welche die von Green aufgestellten charakteristischen Eigenschaften besitzt. Wir setzen
(15)
wobei den Abstand des Punktes von dem inneren Unstetigkeitspunkte der Function bezeichnet. Dann hat man in der Oberfläche gleich zu nehmen und diese Function ins Innere des Raumes endlich und stetig variabel so fortzusetzen, dass
Das kann nach dem Satze von Dirichlet immer in einer und nur in einer Weise geschehen. Da nun der Gleichung von Laplace ebenfalls genügt, so ist die in (15) ausgedrückte Function in der That die von Green verlangte. Sie ist Null in der Oberfläche von , sie ist im Innern überall endlich und stetig variabel ausser im Punkte wo sie unendlich wird wie der reciproke Werth des Abstandes, und genügt im Innern von der Gleichung von Laplace.*)[12]
§. 35.
Eine Function , die der Gleichung von Laplace genügt, hat weder Maximum noch Minimum.
Wir wollen noch zeigen, dass eine endliche und stetige Function in keinem Theile des Raumes, wo sie die Gleichung von Laplace erfüllt, ein Maximum oder ein Minimum haben kann.
Die Function und die Function genügen beide der Gleichung von Laplace. Nach dem Satze von Green ist also
(1)
|[151]wenn man das Integral über die Oberfläche eines Raumes erstreckt, in welchem und nebst ihren ersten Derivirten endlich und stetig variabel sind. Einen solchen Raum erhalten wir zwischen zwei concentrischen Kugelflächen von den Radien und ,
deren Centrum in dem Punkte liegt, von welchem aus gezählt wird. Wir nehmen und lassen schliesslich werden. Die äussere Oberfläche (Fig. 27) gibt als Beitrag zu dem Integral (1)
für , d. h.
Die innere Oberfläche liefert dagegen den Beitrag
für , d. h.
Lässt man in Null übergehen, so nimmt dieser Beitrag den Grenzwerth an
Folglich erhalten wir aus Gleichung (1)
d. h. es kann nicht in allen Punkten der Kugeloberfläche vom Radius dasselbe Vorzeichen haben, und deshalb ist weder ein Maximum noch ein Minimum.
↑*) An essay on the application of mathematical analysis to the theories of electricity and magnetism.
↑WS: Fehler korrigiert. Im Original: Intetegrationsgrenzen.
↑*) Ueber diesen Satz vergleiche man die Abhandlung von Gauss: Theoria attractionis corporum sphaeroidicorum. In dem Artikel 1 findet man auch die Geschichte des Problems.
↑*) Man vergleiche auch: Ivory. (Philosophical Transactions. 1809.) Dirichlet. (Abhandlungen der Berliner Akademie. 1839.)
↑*) Dirichlet. Ueber einen neuen Ausdruck zur Bestimmung der Dichtigkeit einer unendlich dünnen Kugelschale, wenn der Werth des Potentials in jedem Punkte der Oberfläche gegeben ist. (Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1850. Seite 99.)
↑*) Green. An essay on the application etc. Art. 5. (Crelle, Bd. 44, S. 366, 367.) „To convince ourselves that there does exist a function as we have supposed U to be, conceive the surface to be a perfect conductor put in communication with the earth and a unit of positive electricity to be concentrated in the point p', then the total potential function arising from p' and from the electricity it will induce upon the surface, will be the required value of U.“
↑ *) In seinen Vorlesungen über die dem umgekehrten Quadrat der Entfernung proportional wirkenden Kräfte.
↑*) Man vergleiche die Abhandlung von Dirichlet: Sur un moyen général de vérifier l'expression du potentiel relatif à une masse quelconque, homogène ou hétérogène, (Crelle. Journal, Bd. 32. S. 80.)