ADB:Breitkopf und Härtel
Bernhard Christoph B., einer harzischen Bergmannsfamilie entsprossen, deren Traditionen auf hussitische Einwanderung aus Böhmen zurückweisen, hat zuerst den Breitkopfischen Namen in der litterarischen Welt bekannt gemacht. Er ward am 2. März 1695 in Clausthal geboren, trat in Goslar beim Buchdrucker G. Dunker 1709 in die Lehre, verschenkte dort nach ehrlich überstandener Lehrzeit sein Postulat und wanderte ein Jahr später am 6. Oct. 1714 nach Leipzig, blieb jedoch dort, wo man ein neues Postulat ihm abnöthigte, nur ein Jahr in der König’schen Druckerei, arbeitete dann mehrere Monate in Jena bei Erich und fast 3 Jahre in Halle bei Zeitler und Orban. Am 3. Oct. 1718 zog er von neuem in Leipzig ein, nahm zunächst bei Tietz Arbeit und vermählte sich am 24. Jan. 1719 „mit Frau Maria Sophia Müllerin, geb. Hermannin, weyland sehl. Herrn Johann Caspar Müller Vornehmen Bürger und Buchdrucker, so auch weitberühmten Schriftschneiders und Schriftgießers in Leipzig Wittwe“, die ihn noch im selben Jahre mit einem Sohne, sowie 1724 mit einer Tochter, die im 14. Jahre wieder starb, beschenkte. Das Müller’sche Geschäft, aus der 1664 von Joh. Georgi begründeten Druckerei hervorgegangen, 1701–1717 von J. C. Müller betrieben, dann von Nic. Spindler verwaltet, war arg in Verfall gerathen. In redlicher Arbeit suchte B. die Druckerei zu heben, sein Bemühen wäre aber trotz Energie und Geschicklichkeit seiner geringen Mittel wegen gescheitert, hätte nicht seine Rechtschaffenheit und Tüchtigkeit ihm Freunde geworben; die Professoren v. Mascow und Reineccius traten mit hinreichenden Mitteln für ihn ein, so daß er es bereits 1732 unternehmen konnte, neben seiner kleinen Druckerei am Sperlingsberge nach Abbruch des Ausspanngasthofes zum „Goldnen Bär“ ein stattliches Haus aufzurichten, welches das Geschäft 135 Jahre beherbergt und ihm das Druckerzeichen des Bären verliehen hat. Zunächst entstand, das erweiterte Geschäft zu bergen, das Hintergebäude, 1738 wurde das Vordergebäude völlig eingeräumt, erst 1765–67 der „Silberne Bär“ gegenüber erbaut. Die Druckerei strebte, wie das von des Sohnes Hand gefertigte chronologische Verzeichniß ihrer Druckwerke bezeugt, rasch auf, 1722 die dreizehnte in der Rangordnung war sie 1742 bei verdreifachter Gesellenzahl die dritte des Ortes. Der Druckerherr selbst in der Innung bald hochgeehrt, von 1722 an beim General-Sitz des öfteren Assessor der Herren, dann Ladenvater, durfte nach dem „Gepriesenen Andenken von Erfindung der Buchdruckerey“ 1740 das Buchdruckerjubiläum als Oberältester der Innung begehen. Auf dem Boden tüchtigen Druckerhandwerks erwuchs bald ein ansehnlicher Bücherverlag, über dessen bescheidene Anfänge Gottsched berichtet: „Ich wandte mich an den verständigen Herrn Breitkopf, bey dem ich bereits etliche Bogen Verse hatte drucken lassen, der aber noch kein Buch auf eigenen Verlag zu drucken gewaget hatte. Hier kam also ein neuer Schriftsteller und ein neuer Verleger zusammen: und sie wurden eins, ihr Heil zu versuchen. Herr B. las meine Uebersetzung und meine Anmerkungen durch, und fand so viel Vergnügen dran, daß er sich entschloß, selbst eine Probe damit zu machen: ob er künftig einen glücklichen Verleger abgeben könnte. Er druckete auch in der That diesen fontenellischen Tractat so sauber, daß dieß Büchlein, so zu reden, den Anfang der Epoche von schön gedruckten deutschen Büchern in diesem Jahrhundert abgab. Dies geschah 1726.“ Thatsächlich war die Verlagsthätigkeit bereits 1723, wo er eine hebräische Handbibel auf Subscription druckte, im Gange. Die Meßkataloge, in denen Breitkopf’s Name zuerst 1725 auftritt, weisen von 1725–1761 unter seinem Namen 656 Verlagswerke fach- und schönwissenschaftlicher Natur, auf; der geistige Gehalt dieser Werke steht zumeist auf der Höhe jener Zeit, in der freilich die deutsche Wissenschaft und Poesie der Selbständigkeit ermangelte. In hervorragender [297] Weise ist der wissenschaftliche Bibelverlag gepflegt, neben der hebräisch-griechischen Originalausgabe und der deutschen und lateinischen Uebersetzung veranstaltete er umfängliche exegetische Bibelwerke, so die „Vollständige Erklärung der heiligen Schrift“ nach englischen Gelehrten von R. Teller, S. J. Baumgarten, J. Brucker und J. A. Dietelmaier herausgegeben in 19 starken Quartbänden, wie auch Ch. Starke’s „Synopsis bibliothecae exegeticae“ in 9 Bänden. Fast durch ein Menschenalter verlegte er eine theologische Litteraturzeitung, die „Neue theologische Bibliothek“ von F. W. Kraft (1746–59) und J. A. Ernesti (1760–73). Von historischen Schriften sind die s. Zeit vielbegehrten Schriften von J. J. v. Mascow und A. L. Muratori’s Geschichte von Italien, aus der schönen Litteratur poetische Werke von Clodius, Cramer, Lichtwer, Uz zu nennen. Den wesentlichen Charakter aber erhielt der Verlag durch die engen Beziehungen des Verlegers zu J. Ch. Gottsched und seiner Frau Luise Adelgunde Victorie geb. Kulmus. Gottsched hat seit seinem Einzug in Leipzig treue Freundschaft mit B. gehalten, zwei herzlich warme Gedichte, das eine 1736 bei Errichtung des „Goldenen Bären“, in dem er bis zu seinem Ende Hausgenosse war, das andere 1766 bei Aufrichtung des „Silbernen Bären“, kurz vor seinem Tode dargebracht, legen davon Zeugniß ab. Eine große Reihe der von ihm verfaßten, in vielen Auflagen verbreiteten Lehrbücher, in denen er in seiner Weise dem deutschen Geschmacke Gesetze dictirte, sowie von ihm geleitete schönlitterarische Sammelwerke, auch verschiedene von ihm und seiner Frau übertragene und zurechtgestutzte Werke fremder Litteraturen, gingen durch Breitkopf’s Presse. B., der nach seiner Frau Tode 1739 mit Theodore Sophia Kayser eine neue 33 Jahre währende glückliche Ehe einging, übergab bereits 1745 seinem einzigen Sohne die Druckerei, zu der er 1746 die Holle’sche und 1771 die Eisfeldische Druckerei hinzukaufte, die er früher einem Stiefschwiegersohn und einem Clausthaler Neffen hergerichtet hatte. 1762 nahm er, selbst noch bis an sein Ende thätig, den Sohn auch in die Verlagshandlung auf, die nun mit der Buchdruckerei Bernhard Christoph Breitkopf und Sohn firmirte. Am 26. März 1777 starb der 83jährige Greis, nach einem in hohem Alter gemalten Bilde ein treuherziger, gescheidter, charaktervoller Kopf; vom schlichten Harzer Druckergesellen hat er sich zum ersten Buchdrucker Deutschlands aufgeschwungen und in seinem Verlage den besten Interessen seiner Zeit in bürgerlicher Tüchtigkeit gedient. Er hat das Glück erlebt, das ihm Gottsched 1736 prophezeit hat, von seinem Sohne überstrahlt und verdunkelt zu werden.
Breitkopf und Härtel, Buchdrucker, Buch- und Musikalienhändler in Leipzig.Johann Gottlob Immanuel B., des vorigen Sohn, hat sich als Förderer und gelehrter Geschichtsschreiber der Buchdruckerkunst wie als Begründer des Musikalienhandels hervorgethan. Er ward am 23. Nov. 1719 geboren und vermählte sich am 25. Sept. 1746 mit Maria Friederike Constantia Brix, die ihm acht Kinder schenkte, von denen ihn die beiden Söhne Bernhard Theodor und Christoph Gottlob sowie eine Tochter überlebten. Er besuchte mehrere Jahre die Nicolaischule und den Privatunterricht des Mag. J. J. Schwabe, indem er zugleich die Druckerei erlernte, und ward 1736 als Geselle bei der Buchdruckerinnung eingeschrieben, doch zeigte der geistig angeregte wißbegierige 17jährige Jüngling entgegen dem Wunsche des Vaters wenig Neigung dessen Nachfolger im Geschäfte zu werden. Aus dem Widerstreite der Wünsche von Vater und Sohn ging eine fruchtbringende Vereinigung von Studium und Geschäftsthätigkeit hervor. Zunächst widmete er sich nach erfolgter Inscription den humanistischen Wissenschaften, trieb eifrig alte und neue Sprachen, Litteratur bei Christ, Geschichte bei Mascow, Philosophie und deutsche Sprache bei Gottsched, der ihn namentlich in Disputationen und Reden übte, auch vier Uebungsreden Breitkopf’s in einer Sammlung 1743 abdrucken ließ. Bald jedoch ward B. der [298] scholastischen Philosophie und der zum Nachtheil der deutschen Litteratur einseitigen Anbetung des Alterthums müde, während ihn die historische und mathematische Betrachtung der Druckkunst zu einer höhern Würdigung des väterlichen Kunsthandwerks führte. Mit Feuereifer gab er sich nun der Buchdruckerkunst hin, so daß 1745 der Vater ihm in seinem 26. Jahre die erweiterte Buchdruckerei übergeben konnte, die nun seinen Namen und im Druckerzeichen des Bären einen Pallaskopf führte; ein Sammelband in Folio seiner künstlichen Druckblätter aus diesem Jahre ist noch erhalten. Die im folgenden Jahre begründete Häuslichkeit ward bald eine gute Stätte für jede Kunstbestrebung und edle Geselligkeit; Goethe, als junger Student in Breitkopf’s Hause wie ein naher Verwandter aufgenommen, hat dort in freundschaftlichem Verkehre, bei musikalischen und dramatischen Aufführungen, bei Ordnung der Antikensammlung wie Benutzung der reichen Bibliothek manche Anregung fürs Leben erfahren. Persönlicher Verkehr mit anerkannten Gelehrten und ein gelehrter Briefwechsel, von dem Bruchstücke in drei Bänden verwahrt werden, verband B. den Besten der Nation, einem Lessing und Winkelmann. Der bedeutende Umfang seines Interessenkreises ist aus der von ihm hinterlassenen Bibliothek zu ersehen, deren 1795 und 1799 ausgegebener Katalog in 2 Bänden 19511 Nummern umfaßt. Durch ein reiches Leben bethätigte er ein von Erfolg belohntes Streben, die Druckkunst durch gelehrtes Studium, Erfindsamkeit und praktischen Betrieb zu heben; als wissenschaftliche Lebensaufgabe betrachtete er eine zu schreibende „Kritische Geschichte der Buchdruckerkunst“, von der jedoch nur wenige Bogen gedruckt worden sind, während der erste Theil in der Handschrift nahezu vollendet, ein anderer Theil in vielen ungeordneten Notizen vorliegt; die Eintheilung des Werks hat er in seiner Schrift „Ueber die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst“ 1779 niedergelegt, eine Vorgeschichte zu demselben bildet sein Buch „Versuch den Ursprung der Spielkarten, die Einführung des Leinenpapiers, und den Anfang der Holzschneidekunst in Europa zu erforschen“, dessen erster Theil 1784 erschien und in dem 1801 von Roch herausgegebenen zweiten Theile eine Art Ergänzung fand. Er schrieb mehrfach für Journale, so einen Aufsatz „Ueber die Schriftgießerey und Stempelschneiderey“, „Ueber Buchdruckerey und Buchhandel in Leipzig“, seine letzte Schrift „Ueber Bibliographie und Bibliophilie“ (1793 war bestimmt, unter Anlehnung an die Nürnberger Bestrebungen Koburger’s, Dürer’s und Neudörffer’s mit gelehrtem Rüstzeuge für seine praktischen und von Jugend an mit Erfolg verfochtenen Bestrebungen zu Gunsten der national deutschen Fracturschrift einzutreten, der er durch Schnitt geschmackvoller Typen selbst bedeutsame Fortbildung hat angedeihen lassen.
Seine Bestrebungen, die Technik der Druckkunst, deren tiefen Verfall er erkannt hatte, zu heben, sind von Epoche machendem Erfolge gewesen. 1754 gelang ihm der Wurf, den Satz von theilbaren und beweglichen Notentypen in solcher Einfachheit herzustellen, daß es möglich ward, gedruckte Musikalien mit Erfolg zum Gegenstande des Verlags zu machen. Der Musikalienhandel jener Zeit, auf kostspieligen Kupferstich, unbehülflichen Typendruck und zumeist auf Schreiberhände angewiesen war kaum höher entwickelt als der Buchhandel vor Guttenberg; Musikverleger von Beruf gab es nicht, so daß z. B. von Johann Seb. Bach’s Werken nur wenige durch den Druck veröffentlicht wurden, die der Componist zum Theil selbst in Kupfer stechen mußte, und zwar nicht eines Verlagsgewinnes halber, sondern um einen Vortheil nur aus der Widmung zu ziehen. Hier griff der scharfblickende B. ein, und es gelang ihm, dem Musikhandel neue Bahnen zu weisen. Er begann die Reihe der musikalischen Typendruckwerke sofort mit der gewichtigen Prachtausgabe einer dreibändigen Opernpartitur „Il trionfo della fedeltà. Dramma per musica di E. T. P. A.“ (d. h. [299] der unter dem Schäfernamen Ermelinda Talia Pastorella Arcada schreibenden Kronprinzessin von Sachsen); am Schlusse des Werkes sind die Worte aufgedruckt: „Stampato in Lipsia nella stamperia di Giov. Gottlob Immanuel Breitkopf inventore di questa nuova maniera di stampar la musica con carratteri separabili e mutabili è questo dramma pastorale la prima opera stampato di questa nuova guisa; comminciata nel mese di luglio 1755, e terminata nel mese d’aprile 1756.“ Ein Sonnet auf diese Oper, von J. F. Gräfe in Musik gesetzt, ging der Partitur voran und mag als erste veröffentlichte Probe des neuen Notensatzes gelten. Aus Breitkopf’s Pressen gingen von da ab eine Reihe bedeutsamer Compositionen, theils in Verlag und Commission, theils für Rechnung Anderer hervor, so Werke von Ph. E. Bach, C. H. Graun, J. A. Hiller, Leop. Mozart u. A., doch bürgerten sich die gedruckten Musikalien nicht rasch ein, noch 1770 hatte B. zu klagen, daß die Liebhaber „nicht nach gestochenen und gedruckten Musikalien zu spielen sich gewöhnen, sondern öfters lieber Abschriften theurer bezahlen, als diese haben wollen“, so daß er Abschriften neben den gedruckten Exemplaren zu führen genöthigt war. Seine rastlose Thätigkeit umfaßte bald das ganze Gebiet der Musik, er errichtete inmitten der Stürme des siebenjährigen Krieges im großen Stile ein Lager von deutschen und bald auch englischen, französischen und italienischen, handschriftlichen und gedruckten Musikalien und schuf die ersten Mittel zu einem geordneten Betriebe des Musikhandels durch erstmalige Veröffentlichung von systematischen und thematischen Katalogen, die an sein Lager sich anlehnend die ganze Musiklitteratur umfassen sollten. Ein Katalog umfaßte in 6 Ausgaben 1760–80 gedruckte Musikalien zur Theorie und Praxis, ein zweiter in 4 Ausgaben 1761–80 geschriebene Musikalien allein zur Praxis, ein dritter thematischer Katalog, für die Musikgeschichte von großer Bedeutung, in 5 Theilen und 16 Supplementen von 1762–87 handschriftliche Musikalien.
Kurz nach Erfindung der Musikcharaktere entwarf B. den Plan, Landkarten typographisch herzustellen, doch hat er erst 1777 durch Rivalen angeregt in der Schrift „Ueber den Druck der geographischen Charten. Nebst beygefügter Probe einer durch die Buchdruckerkunst gesetzten und gedruckten Landcharte“ hierüber gehandelt. Wohl bewußt, daß eine praktische Verwerthung der Erfindung in großem Stile nicht möglich sei, verwandte er, nachdem der hingeworfene Gedanke eines Schulatlas aufgegeben war, derartige Karten nur als gelegentliche Beigabe zu Büchern und für selbstverfaßte Gelegenheitsscherze, so zu „Beschreibung des Reichs der Liebe mit beygefügter Landcharte 1777“, einem Hochzeitsscherz, „in drey Tagen gedacht, entworfen, gezeichnet, gesetzt und gedruckt“, ferner zu „Der Quell der Wünsche. Zum Neujahr. Nebst einer Landcharte 1779“; von einem „Reich der Weisheit“ ist das Manuscript erhalten. Mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit wagte er sich in seinem Erfindungstrieb gelegentlich, wol mehr zum eigenen Ergötzen, auf ihm und der typographischen Kunst unzugängliche Gebiete. Ein Probeschnitt chinesischer Lettern im „Exemplum typographiae Sinicae figuris characterum ex typis mobilibus compositum 1789“ trug ihm zwar den Glückwunsch des Papstes ein, mißlang aber bei gänzlicher Unkenntniß der Sprache vollständig. Die von ihm mit typographischen Charakteren ausgeführten Zeichnungen antiker Köpfe u. drgl. sind schmuck gefertigt, erheben sich aber kaum über moderne Stickmuster. Neben der Druckerei und Gießerei sowie dem Musikhandel betrieb er eifrig den Bücherverlag, nachdem ihn 1762 der Vater auch für diesen Geschäftszweig als Theilhaber aufgenommen hatte; einige musiktheoretische Bücher hatte er schon 1757 unter seinem Namen ausgehen lassen. In ähnlicher Wirksamkeit wie einst Gottsched, dessen Stern inzwischen gesunken war, bethätigte sich nun J. Ch. Adelung mit Schriften und Hülfsleistungen für [300] den Verlag. B. selbst regte eine Reihe von Zeitschriften an, es erschienen bei ihm das „Magazin der neueren französischen Litteratur“, „Für ältere Litteratur und neuere Lectüre von Canzler und Meißner“, „Leipziger gelehrte Zeitung“, „Magazin des Buch- und Kunsthandels“. Sein ruheloser Geist trieb ihn zu immer neuen Unternehmungen, so übernahm er eine Buchhandlung in Dresden, für kurze Zeit auch in Bautzen; zudem hatte er 6 Häuser und sein Rittergut Abtnaundorf zu verwalten; 1770 gründete er eine Spielkartenfabrik, die er jedoch 1782 wieder verkaufte, während er die damit verbundene Buntpapierfabrik fortführte und die englischen Papiertapeten mit Cattunmustern zu verdrängen suchte durch vollständige Zimmerauskleidungen mit Verzierungen im „guten Geschmacke, den die griechische und römische Baukunst lehret“. Am 29. Jan. 1794 ging der rastlose Geist zur Ruhe ein. Ein Freund, Professor Hausius, entwarf in einer Biographie Breitkopf’s ein lebenswarmes Bild seines Strebens und Charakters; Porträts aus verschiedenen Zeiten geben die Züge des Mannes wieder, den die Geschichte der Druckkunst und des Musikhandels als Reformator ehrt.
Bernhard Theodor B., geb. 20. März 1749, und Christoph Gottlob B., geb. 22. Sept. 1750, Immanuel Breitkopf’s Söhne, Goethe’s Jugendfreunde und Studiengenossen, die als hervorragende Musikdilettanten sich auszeichneten, auch selbst componirten, waren liebenswürdige Künstlernaturen, dem Betriebe eines großen Geschäftes aber nicht gewachsen. Beide erlernten beim Vater die Buchdruckerkunst und wurden 1766 als Gesellen in die Leipziger Innung aufgenommen; der ältere, Magister Bernhard B., welcher 1769 Goethe’s erste Jugendlieder anmuthig componirt hat, ging nach Verlust seiner Frau 1777 nach Rußland und betrieb seit 1781 in Petersburg eine Druckerei mit Buchhandlung, später unterrichtete er dort an dem Fräuleinstift Smol, dessen Vorsteherin seine zweite Frau ward; er starb hochbetagt als russischer Staatsrath. Von Gottlob B. sagt Goethe in einem Brief an „Bruder Gottlob“: „Du warst von jeher ein guter Junge, und hattest Menschenverstand, und Gedanken wie ein Mensch der eine Sache begreifft, und Einfälle nicht wie jeder“; er hat sich im väterlichen Geschäft treulich bemüht, aber die Last des umfänglichen zumeist mit fremden Capitalien betriebenen Geschäftes allein zu tragen, war der liebenswürdige Dilettant nicht fähig. Nachdem zunächst sein vom Vater 1782 als Gesellschafter in die Firma aufgenommener Schwager Chr. G. Stopp einen nicht heilsamen Einfluß auf deren Leitung geübt hatte, gab Gottlob B. nach Jahresfrist Besitz und Leitung des verloren erachteten Geschäftes in seines Freundes G. C. Härtel’s Hände, den er zum Universalerben einsetzte. Eine 1793 geschlossene Ehe führte nach 3 Jahren zur Trennung, am 7. April 1800 starb tiefbetrauert von einem großen Freundeskreise der jüngste Sproß des tüchtigen Geschlechtes. Sein Bild bewahren gleich denen seiner Vorfahren die Geschäftsnachfolger.
Gottfried Christoph Härtel, Sohn des Bürgermeisters Dr. Christoph H. in Schneeberg, ward als Jüngster von mehr als 12 Geschwistern am 27. Jan. 1763 in Schneeberg geboren, besuchte die lateinische Schule in Annaberg und gehörte seit 1780 der Universität Leipzig an; zunächst studirte er die Rechte, beschäftigte sich als Hauslehrer in Dresden, sowie 1789 bis 1794 als Privatsecretär des Grafen Schönburg in Glauchau mit Kunst- und Alterthumswissenschaften, war dann in Leipzig litterarisch thätig und gedachte sich der Diplomatie zu widmen, als ihm Gottlob Breitkopf sich und „seiner Väter Werk vertrauensvoll übergab“. In rascher wohlgeordneter großartiger Thätigkeit hob er das Geschäft, das nun Breitkopf und Härtel firmirte, indem er sofort Musikverlagsunternehmungen ersten Ranges einleitete; seine autorisirten und sorgfältig veranstalteten Gesammtausgaben von Werken W. A. Mozart’s in 17 Bänden (1798 bis 1816), J. Haydn’s in 12 Bänden (1800–1806), M. Clementi’s in 13 [301] Bänden (1803–1818), J. L. Dussek’s in 12 Bänden (1814–1818), haben wesentlich zur Einbürgerung der Werke jener Meister beigetragen und sind als würdige Vorläufer sowol der modernen Volksausgaben als der kritischen Gesammtausgaben zu betrachten. 1798 begründete er als erste ihrer Art die „Allgemeine musikalische Zeitung“, die über ein halbes Jahrhundert in Ehren der Musik gedient hat, bis 1827 unter F. Rochlitz, dann unter G. W. Fink u. A. Neben dem umfänglichen Musikverlage setzte er den wissenschaftlichen Bücherverlag fort, und gab seit 1812 die „Leipziger Litteraturzeitung“ heraus, die bis 1834 bestanden hat. Auch die Verbesserung der Technik des Drucks ließ er sich angelegen sein, wie ein Artikel der Allg. musikal. Zeitung 1804 Nr. 45, dem der Verleger nicht fern gestanden hat, zeigt. Breitkopf’s Notentypen verbesserte er ganz wesentlich, G. B. Bierey’s Marsch für Pianoforte dient hierfür als erste Probe, auch errichtete er eine Notenstecherei und -Druckerei unter Anwendung der noch jetzt üblichen Platten einer Zinn- und Bleimischung, 1805 fügte er eine Steindruckerei hinzu, indem er zum Erfinder A. Senefelder persönlich in Beziehung trat. Die 1806 von ihm unter Herbeiziehung von Wiener Arbeitern begründete Pianofortefabrik war wol die erste in Mitteldeutschland und gab den ersten Anstoß zum Betriebe dieses Fabrikzweiges für weite Kreise.
Dem ästhetischen Lebensideale des humanistisch fein gebildeten Mannes entsprach eine geschäftliche Thätigkeit nicht, aber vom Geschick berufen diente er der geschäftlichen Pflicht in selbstloser Hingabe. Ein Oelbild aus seiner Jugendzeit stellt ihn als schwärmerischen Jüngling dar, ein peinlich treues aus dem Alter als freundlichen aber zurückhaltenden Geschäftsherrn. Er starb, nachdem ihm seine Frau Amalie Eleonore geb. Klötzer vorangegangen, zwei Söhne und drei Töchter hinterlassend, am 25. Juli 1827 auf seinem Rittergute Cotta. Mit der Fortführung des Geschäfts wurde zunächst einer der in demselben thätigen Neffen Florenz Härtel betraut, bis die Söhne in die Arbeit des Vaters eintraten.
Hermann H., Gottfried Härtel’s ältester Sohn, geb. 27. April 1803, im Hause sorgfältig erzogen und frühzeitig vom Vater in der Kunstwissenschaft unterwiesen, studirte die Rechte, erhielt 1827 die Zulassung zur Advocatur und ward 1828 Doctor juris; bald gewannen Kunstinteressen die Oberhand und zwei bedeutsame Jahre in Italien 1829 und 1830 reiften in dem reich begabten und edel angelegten Jüngling Sinn und Befähigung für die Kunst, der er in edler Häuslichkeit, als Sammler seltener Kunststichblätter und Erbauer des „Römischen Hauses“, wie als Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Leipziger Kunstvereins, als Mitglied der Direction der Gewandhausconcerte und Musikverleger gedient hat. Die Verhältnisse wiesen ihn jedoch auf eine praktische Laufbahn; auf das Andrängen seiner Geschwister trat er am 19. Aug. 1835 an die Spitze des väterlichen Geschäftes, das er in treuer Gemeinschaft mit dem jüngeren Bruder Raymund H., der bereits 1832 22jährig in die Firma eingetreten war, durch 40 Jahre mit Energie und Umsicht geleitet hat. Er hielt auf Ehre in seinem Stande und hat in Vergleichsausschüssen, im Sachverständigen-Verein, als Vertrauensmann von Regierungen und Volksvertretungen, wie seit 1852 als Secretär des Vereins der deutschen Musikalienhändler erfolgreich für Klärung und Fortbildung der litterarischen Rechtsbegriffe gewirkt. Schroff wies er von der Hand, was vom Wege des Rechtes und der wahren Kunst seitab lag, auch der niedriger Denkende raffte sich in unwillkürlichem Respecte vor seiner geschlossenen Persönlichkeit zusammen. Er schied am 4. Aug. 1875 aus seiner Familie, von der ein hartes Geschick nur zwei Töchter verschont hatte, und aus einem Kreise von Freunden, die als Gelehrte und Künstler zu den Ersten unseres Volkes zählen. Der Musikverlag nahm ein Jahrzehnt nach Gottfried Härtel’s Tode einen neuen Aufschwung, der mit dem Aufkommen des Virtuosenthums und der [302] Herausgabe von Werken S. Thalberg’s begann; es war dem Bruderpaare Härtel vergönnt, in bester Manneskraft eine neue Blütheperiode der Musik zu erleben, deren hervorragende Vertreter Mendelssohn, Schumann, Chopin ihrem Verlage die bedeutendsten Schöpfungen anvertrauten, während die Werke Schubert’s und Weber’s nach Heimfall des Eigenthumsrechts an die Nation in revidirten Ausgaben veröffentlicht wurden. Das bis Ende 1874 ergänzte Musikverzeichniß (XCII, 470 S.) umfaßt in mehr als 14000 Werken das gesammte Gebiet der Musik, von den „Alten Meistern“ bis zum Schöpfer des deutschen Musikdrama fehlt kaum ein gefeierter Name. Dem modernen Bedürfniß nach billigen Volksausgaben, welchem die „Edition Peters“ und „Collection Litolff“ in hervorragender Weise dient, ward seit 1866 durch Veranstaltung einer „Ausgabe Breitkopf und Härtel“ genügt, welche in eleganten rothen Bänden eine Bibliothek classischer und moderner Meisterwerke zu billigen, nicht billigsten Preisen bietet. Unternehmen von Epoche machender Bedeutung sind die von der Firma nach den Grundsätzen musikwissenschaftlicher Kritik veranstalteten monumentalen Gesammtausgaben musikalischer Classiker; um das Zustandekommen einer Partiturausgabe von J. S. Bach’s Werken, deren 24. Folioband in Vorbereitung ist, machte sie sich durch Mitbegründung der Bachgesellschaft und technische Ausführung verdient, die sie auch der Händelgesellschaft widmete; die vollständige Ausgabe in Partitur und Stimmen von L. v. Beethoven’s Werken in kritischer Revision von S. Bagge, F. David, F. Espagne, M. Hauptmann, O. Jahn, G. Nottebohm, C. Reinecke, E. F. Richter, J. Rietz ward von 1862 bis 1866 zu Ende gebracht, eine gleiche Ausgabe von F. Mendelssohn Bartholdy’s sämmtlichen Werken kritisch durchgesehen von J. Rietz ist seit 1874 im Gange.
Der Bücherverlag enthält in erster Linie nächst den aus früherer Zeit überkommenen und fortgesetzten Unternehmungen ernste Werke der Musikgeschichte, wie Kiesewetter’s Schriften, die Sammelwerke evangelischen Kirchengesangs von G. v. Tucher und C. v. Winterfeld, die Biographien J. S. Bach’s von Ph. Spitta, G. F. Händel’s von F. Chrysander, W. A. Mozart’s von O. Jahn, thematische Verzeichnisse von Beethoven’s und Mozart’s Compositionen, musiktheoretische Lehrbücher von E. F. F. Chladni, M. Hauptmann, L. Köhler, J. C. Lobe, A. B. Marx, E. F. Richter, J. G. Schicht, W. Volkmar u. A.; auch Wissenschaft und schöne Litteratur sind vertreten, so die Theologie durch C. Hase’s kirchengeschichtliche Schriften, die Jurisprudenz durch R. v. Ihering’s Geist des römischen Rechts und G. F. Puchta’s Institutionen, Naturwissenschaft, Medicin und Philosophie durch Werke des Physiologen A. Volkmann, des Chirurgen R. Volkmann und G. Th. Fechner’s Psychophysik, die classische Philologie durch von Bursian, Jahn, Michaelis, Nipperdey, Petersen veranstaltete Ausgaben von Schriften des Apuleius, Cäsar, Livius, Persius, Seneca, Theophrast, die Kunstarchäologie durch Publicationen von Benndorf, Conze, Helbig, Jahn, Michaelis, Schöne, Stephani; ferner sind Goethe’s Briefe an Leipziger Freunde, C. v. Wolzogen’s Nachlaß, poetische Werke von R. Leander und F. Dahn, sowie als größere Buchhändlerunternehmen das sechsbändige „Hauslexikon, eine Encyklopädie praktischer Lebenskenntnisse“ in 1. und 2. Aufl. von G. Th. Fechner, in 3. Aufl. von H. Hirzel herausgegeben, sowie die „Bildnisse berühmter Deutschen“ zu nennen. Die technischen Zweige des Geschäfts, welches gegenwärtig an 400 Personen beschäftigt, erfuhren eine derartige Ausdehnung, daß 1867 der „Goldene Bär“ verlassen werden mußte, um das gesammte Geschäft in einem neuerbauten Fabrikgebäude zu bergen. Die wachsende Bedeutung der Buch- und Notendruckerei, welche jetzt mit 26 Schnellpressen und 31 Handpressen betrieben wird, hat auch die Räume der Pianofortefabrik in Beschlag genommen, deren Betrieb 1871 aufgegeben wurde.
[303] Als 1869 die Firma ihr 150jähriges Jubiläum feierte, widmete das Personal eine von Prof. Otto Jahn verfaßte Votivtafel den Leitern des Geschäftes, „welches während hundert und fünfzigjährigen Bestehens in stetem Wachsen und Fortschreiten alle Zweige des Buch- und Musikalienhandels, des Buch- und Notendrucks, der Schriftgießerei und Stereotypie, der Lithographie, des Instrumentenbaues aufgenommen und durch nicht ermüdende Erfindsamkeit und Wachsamkeit fortgebildet mit großartigen Mitteln und Kräften die höchsten Interessen der Wissenschaft und Kunst, des Gewerbebetriebs und Handelsverkehrs in bewußter Einsicht und liebender Gesinnung unausgesetzt gepflegt und gefördert hat“.
Zur Zeit steht an der Spitze des Hauses Stadtältester Raymund Härtel, Gottfried Härtel’s jüngster Sohn, ihm zur Seite ein Enkelpaar Gottfried Härtel’s: Wilhelm Volkmann, Sohn des Hallenser Physiologen und Dr. Georg Oscar Immanuel Hase, Sohn des Jenaer Kirchenhistorikers. An einer in Vorbereitung begriffenen vollständigen Partiturausgabe von W. A. Mozart’s Werken wird sich die sechste Mannesfolge des altwürdigen Druckerhauses zunächst zu erproben haben.