Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl/Der Pfälzer Streit

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« Der Bremer Streit Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid
Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl
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Das Eintreten der Würtemberger Theologen in den Streit »
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III. zu dem Pfälzer Streit.

 Dieser nahm die üble Wendung, dass ein grosses Land für die lutherische Kirche verloren ging und zur reformirten Confession übergeführt wurde.

 So wenigstens sind die Vorgänge in der Pfalz bis an die neuere Zeit heran allseitig aufgefasst worden.

 Zu diesem Abfall kam es in folgender Weise:

 Im Jahr 1558 war Tilemann Heshus von dem Kurfürsten Otto Heinrich von der Pfalz als Professor der Theologie, als Pastor an der Kirche zum heiligen Geist, als Generalsuperintendent und Präsident des Kirchenraths nach Heidelberg berufen worden. Auf diesen Mann wird die Katastrophe in der Pfalz zurückgeführt. Heppe nennt ihn[1] „einen der widerwärtigsten lutherischen Theologen seiner Zeit, von dessen zahlreichen Bannflüchen und Amtsentsetzungen, die er erfahren hatte, man aller Orten zu erzählen wusste.“ Allerdings war er vor seinem Amtsantritt in Heidelberg zweimal seines Amtes entsetzt worden. Aber was waren die Ursachen davon?

|  In Goslar, wo er als 26jähriger Mann auf Empfehlung Melanchthons Superintendent geworden war, ward er entlassen, weil er kirchliche Zucht handhaben wollte. War die aber nicht angezeigt in einer Stadt, in welcher der Sohn des ersten Bürgermeisters seine Gattin verstossen und vom Vater ungestraft den ihn tadelnden Oheim bei einem Gastmahl durchbohrt hatte; und in welcher der zweite Bürgermeister Kircheneinkünfte zurückhielt?[2] In Rostock (er war nach kurzem Aufenthalt in Magdeburg, wo er mit in die Arbeit an den Magdeburger Centurien einzutreten gedachte, in Mitte des Jahres 1556 dahin als Professor der Theologie und Pastor zu St. Jakobi berufen worden) war er entlassen worden, weil er, wie Leukfeld erzählt, „sich bald einige Feindschaft auf den Hals geladen hatte, sintemal er eiferte über die Feier des Sonntags, und nicht zugeben wollte, dass an demselben Tage Hochzeiten oder andere Wirtschaften gehalten würden, weil der öffentliche Gottesdienst versäumt, und sonst viel Böses dabei verübt werde, daher er öffentlich abkündigte, dass er Sonntags Niemanden mehr kopuliren werde;“ dann, weil er den Rathsherrn Brummer in den Bann gethan, der das Predigtamt gelästert, und Heshusen mit seinen Freunden eine pharisäische Sekte genannt hatte.[3]

 Seinem Ruf können die Amtsentsetzungen, die er erfahren, damals noch nicht geschadet haben, denn Melanchthon hätte ihn jetzt gern als Pastor an der Wittenberger Schlosskirche gehabt und Chytraeus,[4] sein Rostocker College, empfahl ihn dem Superintendenten Marbach in Strassburg. Er wurde von diesem, der die Pfälzer Kirche geordnet hatte, für Heidelberg vorgeschlagen und der Kurfürst berief ihn, nachdem auch Melanchthon ihm ein günstiges Zeugniss ausgestellt hatte. Heshus hatte damals zwischen diesem Ruf und einem von dem König von Dänemark an ihn ergangenen zu wählen. Er zog den ersteren vor.

|  Gleich aus der ersten Zeit seines Aufenthaltes in Heidelberg werden dann freilich Dinge erzählt, welche einen Schatten auf seinen Charakter zu werfen geeignet sind. Es fragt sich aber, ob die, welche davon erzählen, seine Handlungsweise auch richtig deuteten.

 Es wird erzählt, der Kurfürst Otto Heinrich habe beabsichtigt, noch bei seinen Lebzeiten sich als dem Letzten seines Geschlechts ein Monument in der heil. Geistkirche setzen zu lassen, die Geistlichkeit aber habe, weil an demselben heidnische Embleme angebracht waren, gegen die Aufstellung desselben in der Kirche Einsprache gethan, nur Heshus, den der Kurfürst um seinen Rath befragt, habe nichts Anstössiges daran gefunden: denn das sei eine bei Fürsten und Königen hergebrachte Sitte. Die Berichterstatter deuteten das dem Heshus als eine Schmeichelei gegen den Fürsten, schon Häusser[5] aber hält es für möglich, dass Heshus in der Verdammung des Monuments Bilderstürmerei der Reformirten gewittert habe.

 Es wird weiter erzählt, er habe sich eine übermässige Autorität angemasst, sich Generalissimum aller Superintendenten der Pfalz genannt, er habe die Candidaten allein examinirt, er habe im Ehegericht des Kurfürsten Stuhl, der bisher immer für diesen leer gestanden, eingenommen.

 Es wird endlich erzählt, er habe viele Dinge in der Pfalz abgeschafft, die vor ihm eingeführt waren. Bisher hätten bei der Communion die Communicanten das Brod aus der Hand des Priesters genommen, wie das Sitte der Reformirten war, Heshus habe es untersagt. Bisher habe man die Psalmen Davids aus dem Bremer Gesangbuch gesungen, Heshus habe dieses Gesangbuch abgeschafft und angeordnet, dass keine anderen Lieder, als die Luthers gesungen würden. Auch die Zeit der Communion habe er verändert, die Hostien habe er sorgfältig zählen und den übriggebliebenen Wein nicht wieder in die Kanne giessen lassen. Waren beim Abendmahl die Hostien ausgegangen, und mussten noch mehrere consecrirt werden, so mussten die Schüler auf dem Chor von neuem zu singen anfangen, bei| den Worten der Einsetzung habe er sich mit dem Gesicht zu dem Altar gekehrt, den Catechismus von Brenz habe er abgeschafft und den von Luther eingeführt.[6]

 Wenn Heshus durch diese Veränderungen Missstimmung erregte, so begreift sich das leicht. Leicht ist es dann aber auch möglich, dass unter dem Eindruck dieser Missstimmung die übrige Handlungsweise Heshusens falsch gedeutet wurde[7], und leicht möglich, dass, was zuvor erzählt wurde von den Titeln, die er sich gegeben u. s. w., eine bessere Auslegung zulässt, obwohl es auch für die Sache wenig austrägt, wenn man annimmt, dass er ein sehr starkes Bewusstsein von seiner kirchlichen Würde gehabt habe.

 Die Missstimmung gegen Heshus erklärt sich, sein Verfahren aber auch. Heshus wird sofort inne geworden sein, dass er sich in einem Land und einer Umgebung befinde, in welchem dem lutherischen Bekenntniss nicht genug Rechnung getragen werde. Es sah zu der Zeit, als Heshus in das Land kam, in der That ziemlich bunt darin aus. Das hätte ihm schon Melanchthon sagen können, denn der äusserte sich schon 1557 in diesem Sinne,[8] zunächst über Heidelberg, es galt aber wohl auch von dem Lande. Im Kirchenrath, dem geistlichen Ministerium, sassen neben Heshus der Hofprediger Diller, der sich bald als schwankend erwies, und die dem reformirten Bekenntniss zugethanen Räthe Thomas Erast, der geistig sehr bedeutende und auf die Kurfürsten grossen Einfluss übende Mediciner, Christoph Ehem und Michael Beuther. An der Universität waren eifrige Calvinisten der Theologe Boquin und der Jurist| Balduin.[9] Am Hof waren nur die beiden, der Hofrichter Erasmus von Venningen und der Kanzler von Minkwitz, eifrige Lutheraner, die Grafen von Erbach mehr Melanchthonianisch.[10] Es gab also Lutheraner, Melanchthonianer und Zwinglianer, von denen die letzteren sich freilich nicht offen zu erkennen gaben.

 Dieser bunte Zustand erklärt sich leicht.

 Der Kurfürst Otto Heinrich hatte sich freilich an die Augsburgische Confession angeschlossen und hatte von gut lutherischen Theologen, von Heinrich Stolo und dem Strassburger Theologen J. Marbach, eine Kirchenordnung entwerfen lassen, welche am 4. April 1556 publicirt worden war. Aber seit lange stand die Pfalz in Beziehung zur Schweiz und zu Strassburg, und blieb von Zwinglischem Einfluss nicht unberührt. Vor allem aber stand Melanchthon im Land in hohem Ansehen. Schon als Friedrich II. die Einführung der Reformation vorzubereiten begonnen, hatte er sich ein Gutachten von Melanchthon eingeholt, Melanchthon blieb auch mit dessen Nachfolger in steter brieflicher Verbindung, und wurde bei allen wichtigen Angelegenheiten um Rath gefragt: er nahm auch an dem Land, als seinem engeren Vaterland, stets besonders regen Antheil. Dass durch ihn Männer seiner Richtung nach der Pfalz kamen, ist also natürlich. Nun ist es freilich falsch, wenn man sich den Melanchthon in einem ausgesprochenen Gegensatz gegen Luther denkt, und noch falscher, wenn man von einer Melanchthonischen Basis spricht, auf welcher das gesammte Kirchenwesen der Pfalz sei organisirt gewesen, in dem Sinne, dass das Lutherthum dadurch wäre ausgeschlossen gewesen.[11] Allein das ist freilich richtig, dass Melanchthon Luthers Lehre vom Abendmahl nicht in allen Stücken theilte, und so wird es sich bei den Schülern von ihm, die sich im Lande befanden, auch verhalten haben. Vergegenwärtigt| man sich nun, dass in der Zeit des Interims die Abendmahlsfrage in den Hintergrund getreten war, dass durch den consensus Tigurinus die Schweizer Lehre vom Abendmahl einen Ausdruck gefunden hatte, welcher die Härte der Zwinglischen Auffassung vermied, so begreift man es leicht, dass die Melanchthonianer einen Zug zu diesem consensus empfanden, und sich lieber auf dessen Seite als auf die Luthers stellten, so weit es ohne Gefahr geschehen konnte. Einen gewissen Gegensatz gegen das Lutherthum repräsentirten diese Melanchthonianer also doch.

 Auch auf die Stellung der Fürsten dieses Landes war dieser Zustand der Dinge von Einfluss. Weil die Reformation in die Zeit fällt, in welcher die Abendmahlslehre in den Hintergrund getreten war und viele der Meinung waren, der Gegensatz zwischen der Schweiz und dem lutherischen Deutschland sei ausgeglichen, so wird auch der Kurfürst Otto Heinrich von diesem Gegensatz wenig Kenntniss gehabt haben, und lässt es sich erklären, dass er arglos Männer heranzog, welche nichts weniger als gut lutherisch waren, oder dass er solche, welche er von seinem Vorgänger überkommen hatte, wie den Ehem und Erast, in sein Vertrauen zog.[12] Darum hat er auch die Warnung, welche ihm Brenz bei Gelegenheit der Reorganisation der Universität gegeben hatte, er möge sich vor Märtyrern, Mäusen und Ratzen hüten, womit er den Peter Martyr und den Wolfgang Musculus meinte,[13] nicht beachtet oder vielleicht gar nicht verstanden, denn er versuchte gerade diese beiden nach Heidelberg zu ziehen, und nahm um dieselbe Zeit das Anerbieten des Boquin, vorerst als professor extraordinarius zu dienen, an: denn als eine Hinneigung zu dieser Richtung kann es dem Kurfürsten nicht gedeutet werden, sonst hätte er trotz der Empfehlung Melanchthons nicht das Jahr darauf den Heshus berufen, da er dessen Beziehungen zu Magdeburg doch gewiss kannte.

 Bei dieser Lage der Dinge, welche Heshus auf den ersten Blick erkannt haben wird, erklären sich die Veränderungen,| welche er vornahm, und die Einrichtungen, welche er traf. Der Sinn desselben war der, der Pfälzer Kirche den bestimmten Charakter der lutherischen Kirche aufzudrücken. Darin war Heshus in seinem guten Recht: denn der Kurfürst Otto Heinrich hatte sich an die Augustana angeschlossen und sein Land auf Grund derselben reformiren lassen, die Pfälzer Kirche war also eine lutherische: denn dass der Kurfürst, wie Alting schon behauptet,[14] die Verfasser seiner Kirchenordnung angewiesen habe, diese nach der von Melanchthon geänderten Augsburgischen Confession einzurichten, widerlegt sich schon dadurch, dass gut lutherische Theologen, unter denen Marbach oben anstand, diese Kirchenordnung abfassten. Diese hätten sich gewiss nicht dazu verstanden, der Augustana eine Deutung zu geben, welche gegen Luther gerichtet war. War dann auch in dieser Kirchenordnung die Lehre vom Abendmahl mit den Worten der confessio variata ausgedrückt, so geschah das, wie es damals wohl geschehen konnte, unbefangen und nicht in gegensätzlichem Sinn gegen die Fassung der Lehre in der conf. invariata.[15]
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 Je bälder nun Heshus inne geworden sein mag, wie nicht Wenige in der Pfalz zweideutig zur Augustana und also zu dem Bekenntniss der lutherischen Kirche standen, desto näher lag es ihm, dem lutherischen Bekenntniss einen recht bestimmten Ausdruck zu geben und die kirchlichen Sitten, welche etwa aus| der Strassburger (von Capito und Bucer aufgesetzten) Kirchenordnung, die man ja mit zu Grund gelegt hatte,[16] unbefangen beibehalten worden waren, durch bestimmter lutherische zu ersetzen. Es fehlt auch sonst nicht an Anzeichen, aus denen hervorgeht, dass Heshus den Zustand der Dinge genau kannte, und entschlossen war, die unlutherischen Elemente zu verdrängen. Dass er mit Weisheit und Mässigung verfahren ist, wird man freilich nicht sagen können,[17] und wenn auch nur ein Theil von dem, was Klebitz ihm alsbald vorwarf, wahr ist, so hat er Universität und Geistlichkeit durch hochfahrendes Benehmen gereizt. Darum war er auch kaum in Heidelberg, so entstanden Reibungen. Mitten in die Veränderungen hinein, die er mit den kirchlichen Sitten vornahm, fällt eine solche, zu welcher ein Schullehrer, Bernhard Herxhamer aus Odikoven (Edenkoben?), den man wegen Hinneigung zu Schwenkfeld zur Verantwortung gezogen hatte, den Anlass gab. Heshus erstattete darüber einen Bericht an den Kurfürsten, den Klebitz zu unterschreiben sich weigerte, weil Heshus darin den Zwingli und Schwenkfeld in Eine Klasse gesetzt und dem Herxhamer einen Vorwurf daraus gemacht hatte, dass er den Genuss des Leibes und Blutes von Seite der Unwürdigen im Abendmahl geläugnet hatte. Klebitz liess es aber auch nicht bei der Weigerung der Unterschrift bewenden, sondern nahm von diesem Vorgang Anlass, ein Privatschreiben an Heshus zu richten, in welchem er nicht nur über dessen Bericht sich tadelnd ausliess, sondern ihm auch darüber Vorwürfe machte, dass er die sächsischen Theologen vorziehe, nur diese für gute Lutheraner halte, und den Kurfürsten verleite, wohlverdiente Pfälzer Theologen zurückzusetzen.
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 Es war nahe daran, dass der Streit zwischen Heshus und Klebitz jetzt schon ausgebrochen wäre, denn Klebitz hatte in dem Schreiben seine calvinische Gesinnung schon deutlich genug an| den Tag gelegt[18] und es war bereits dahin gekommen, dass der Kurfürst von beiden Theilen die Vorlage einer Confession begehrte, da starb der Kurfürst (am 12. Februar 1559). Während nun sein Nachfolger, Friedrich III., noch mit sich zu Rath ging, ob er die eingelaufenen Confessionen auswärtigen Theologen zur Untersuchung schicken, oder gar vor eine Synode bringen solle, fuhr Heshus in seinen Neuerungen fort, musste aber bald inne werden, dass er an dem neuen Kurfürsten einen geringeren Rückhalt habe.

 Ein aus Gröningen gebürtiger Theologe, Stephan Sylvius, hatte sich im März 1559 in Heidelberg um den theologischen Doctorgrad gemeldet, Heshus aber, der damals Dekan der Fakultät war, und dem seine Lehre verdächtig schien, hatte ihn erst abgewiesen, dann verlangt, dass er über Sätze, welche er selbst aufstellen wollte, disputiren solle. Seiner nahm sich aber der damalige Rektor, Erast, an, weil diese Zumuthung wider die Gesetze der Universität sei, und erwirkte von der Regierung die Erlaubniss, den Sylvius promoviren zu dürfen. Weil aber Heshus darüber erbittert, auf der Kanzel und vom Katheder herab alle die, welche an dem Doctorschmauss theilgenommen, schmähte, schloss ihn der Kurfürst vom Senat aus, bis er diesem Genugthuung geleistet haben würde.[19]

 Man sieht aus diesen Vorgängen schon, dass sich eine Opposition wider Heshus gebildet hatte. Man wusste, worauf| Heshus sein Absehen gerichtet hatte, und man war entschlossen, dem entgegenzutreten. Das war ausgesprochen das Motiv bei Klebitz, als er eine Abwesenheit von Heshus benützte, um als Baccalaureus der Theologie in Heidelberg aufgenommen zu werden. Er bekannte es ausdrücklich, dass er nach dieser Würde begehrt habe, um für seinen Kampf gegen Heshus einen Rückhalt an der Universität zu haben.[20] Dass ihn aber die Fakultät gerade in Abwesenheit des Heshus promovirte, deutet doch auch darauf hin, dass Klebitz richtig rechnete, wenn er sich von der Fakultät einen Rückhalt versprach.

 Heshus nahm also nur den hingeworfenen Handschuh auf, als er nach seiner Rückkehr die Thesen des Klebitz anfocht und ihn als Calvinisten bezeichnete und behandelte, denn diese Thesen tragen das unverkennbare Gepräge des Calvinismus. Klebitz wollte, dass die Einsetzungsworte tropisch ausgelegt würden. Er unterschied im Abendmahl ein irdisch und ein himmlisch Ding, als das erstere bezeichnete er Brod und Wein, als das andere die Mittheilung des Leibes und Blutes Christi. Das erstere, sagte er, werde mit dem leiblichen Mund, das andere mit dem Mund der Seele d. i. dem Glauben genommen; die Worte des Herrn „der für Euch gebrochen“ dürften von den vorangehenden Worten „das ist mein Leib“ nicht in der Art getrennt werden, dass die letzteren sich auf die res sacramenti, die ersteren nur auf die Wirkung bezögen: wo also Mittheilung des Leibes sei, da habe diese immer auch die Wirkung lebendig zu machen.[21]

|  Diese Thesen hatten schon vor Heshusens Ankunft viel Widerspruch erfahren und schon hatte man auf den Kanzeln Heidelbergs angefangen, gegen Klebitz zu predigen. Nachdem Heshus zurückgekehrt war, begehrte er sofort einen Widerruf von Klebitz, wollte auch nicht gestatten, dass derselbe Vorlesungen an der Universität halte, und schickte die Thesen an auswärtige Theologen. Graf Georg Erbach, den der Kurfürst während seiner Abwesenheit zum Statthalter gesetzt hatte, suchte Ruhe zu stiften. Beide, Heshus und Klebitz, sollten schweigen. Er liess sämmtliche Prediger zu sich kommen und ermahnte sie mit beweglichen Worten, Frieden zu halten. Heshus deutete ihm seine Parteilosigkeit als Begünstigung der Sacramentirer und that ihn in den Bann. Es kam zu den ärgerlichsten Auftritten zwischen Heshus und Klebitz. Als eines Sonntags zwei vornehme Männer zum Abendmahlstisch gingen, forderte Heshus dem Klebitz den Kelch ab und wollte ihn selbst reichen, und als Klebitz sich dess weigerte, befahl er dem anderen Geistlichen, ihm den Kelch zu entreissen. Klebitz aber hielt ihn so fest, dass dieser ihm nichts anhaben konnte.

 Arg war sonach die Verwirrung, als der Kurfürst Friedrich III. zurückkam. Er fand die Bürger und die Geistlichkeit in Parteien gespalten, und beide Parteien hofften, ihn für sich zu gewinnen. Noch hatte er in dieser Angelegenheit keinen Spruch gethan, als Heshus, noch weiter gehend, am 6. September öffentlich den Bann über Klebitz aussprach. Niemand, befahl er, solle mit Klebitz das heilige Abendmahl austheilen, niemand von ihm das Abendmahl sich reichen lassen, niemand seine Predigten besuchen. Keiner solle sein Kind bei ihm taufen lassen, kein Kranker von ihm sich trösten lassen, man solle ihm die christliche Gemeinschaft versagen, die Obrigkeit ihn nicht länger in seinem Amt lassen.

|  Da schritt der Kurfürst ein. Er liess sämmtliche Professoren und Prediger vor sich fordern, ermahnte sie, sich des Zankens zu enthalten, und wollte, beide Theile sollten darin übereinkommen, bei dem Abendmahl sich der Ausdrücke in und sub nicht mehr zu bedienen, sondern bei dem einfachen cum stehen zu bleiben, wie das in der Augustana geschehe. Zugleich hob er den über Klebitz verhängten Bann auf und sicherte beiden Vergeben und Vergessen zu. Der Hofprediger Diller musste dann die vorgeschriebene Uebereinkunft am nächsten Sonntage von der Kanzel verlesen. Der ganze Hof wohnte dem Gottesdienst bei und communicirte nach der Predigt. Die lutherische Partei war aber keineswegs gewillt, der Vorschrift des Kurfürsten sich zu fügen, Pantaleon polemisirte noch an demselben Sonntag des Nachmittags gegen die verlesenen Artikel. Das Gleiche that Heshus am 13. September, und weil die Uebereinkunft mit Hinblick auf die confessio variata getroffen war, brachte er den Unterschied zwischen der confessio variata und invariata zur Sprache, und behauptete, eine Synode müsse erst ausmachen, wie die Augsburgische Confession zu deuten sei, bis dahin müsse man sich an die Schmalcalder Artikel halten.[22] Ein dritter lutherischer Prediger, Caspar Neser, erklärte in einer Predigt am 15. September, der Bann wider Klebitz müsse aufrecht erhalten werden, denn er sei ein Ketzer. Darüber setzte ihn Klebitz gleich beim Ausgang aus der Kirche zu Rede und es fehlte wenig, so wären beide Handgemein geworden. Da fuhr der Kurfürst drein. Er entsetzte am 16. September beide, den Heshus und den Klebitz, den letzteren, weil auch er sich nicht des weiteren Streites enthalten habe. Dem Ersteren gestattete er, noch ein halbes Jahr unter Fortbezug seines Gehalts in der Pfalz zu bleiben, dem anderen stellte er ein günstiges Zeugniss aus.[23]

 Bilden wir uns jetzt ein Urtheil über diese Vorgänge!

|  Es kann uns nicht beikommen, das Verfahren von Heshus nach allen Seiten hin zu rechtfertigen. Sein Verfahren ist ein trotziges, gewaltsam durchfahrendes. Flugs greift er zu dem Bann, als dem Mittel, welches ihm als Generalsuperintendent zu Gebot stehe. Wir hören wenigstens nichts davon, dass er auch freundlicher Mittel sich bedient hatte, freilich aber sind die Berichte, aus denen wir die Kunde dieser Vorgänge schöpfen, einseitig, sie stammen meist von Klebitz her. und freilich ist Heshus durch seine Gegner sehr provocirt worden. Er hatte kaum sein Amt angetreten, als er inne wurde, dass in der Pfalz eine starke antilutherische Strömung herrsche, ihr entgegenzutreten hielt er für seine Pflicht, und sie war das auch. Darum richtete er alles auf strenglutherischen Fuss ein, und wahrte er insbesondere die lutherische Lehre vom Abendmahl. Er stiess da aber auf Männer, welche durchaus nicht gewillt waren, von ihrem Standpunkt abzugehen. Sie hatten sich von Luthers Lehre vom Abendmahl ab- und der Lehre zugewendet, welche durch den consensus Tigurinus in Umlauf gekommen war. Auf diesem Standpunkt waren sie eine Weile unangefochten geblieben, bis Heshus zu ihnen kam und ihnen wehren wollte. Durch ihn wollten sie um so weniger sich einschüchtern lassen, als sie wussten, dass ihre Richtung in der Pfalz zahlreich vertreten war, und als Heshus das Lutherthum in einer Strenge und Consequenz zur Geltung zu bringen suchte, welche allerdings in der Pfalz neu war. Dass sie dabei ein gutes Gewissen hatten, davon wird man sich nicht so leicht überzeugen können. War es doch erst wenige Jahre her, dass die Pfälzer Kirche sich förmlich zur Augustana bekannt, also an die lutherische Kirche sich angeschlossen hatte. Sie mögen dann etwa, wie wir schon gesehen haben, dass es von Anderen geschah, sich eingeredet haben, dass die Lehre Luthers vom Abendmahl nur dessen Privatlehre gewesen sei, dass der frühere Gegensatz zwischen ihm und den Schweizern nicht mehr bestehe, weil man im consensus Tigurinus über Zwingli hinausgegangen sei. Sie mussten aber doch wissen, dass sie damit ihre Stellung zur lutherischen Kirche nicht rechtfertigen konnten. Und gerade dadurch verriethen sie ein böses Gewissen, wenn sie, was auch geschah, die confessio variata| für sich anführten, denn das wussten sie doch wohl, dass diese nicht die Lehre Luthers ausschliessen wollte. Die Wahrheit war doch, dass sie es für gefährlich hielten, offen ihren dissensus mit der lutherischen Kirche zu bekennen, und Heshus hatte ganz Recht, wenn er sie für Cryptocalvinisten erklärte. In der Sache müssen wir ihm also vollkommen Recht geben, bei der Weise der Bekämpfung aber, die er einschlug und die wir nicht billigen, doch zu erwägen geben, dass er durch eine systematische Opposition, und obendrein durch Klebitz, einen Mann, der an hochfahrendem Wesen dem Heshus zum wenigsten nichts nachgegeben hat,[24] stark gereizt war. Aus dieser Gereiztheit allein lässt sich auch sein Benehmen gegen den Grafen Erbach und gegen den Kurfürsten erklären. Wenn er den Ersteren in den Bann that, weil er ihm gleich dem Klebitz Stillschweigen und Ruhe geboten, so lässt sich das nur so erklären, dass er meinte, des Grafen Pflicht sei es gewesen, sich auf seine Seite zu stellen, weil er die Sache der lutherischen Kirche vertreten, nachdem dieser es nicht gethan, müsse und dürfe er seine geistliche Gewalt in vollem Umfang gegen ihn brauchen. Das war aber eine arge Ueberschätzung dieser Gewalt, ja ein Missbrauch, denn es steht sehr in Frage, ob er als Einzelner das Recht des Bannes hatte.

 Milder wird man sein Benehmen gegen den Kurfürsten zu beurtheilen haben. Wenn dieser den Geistlichen eine Weise vorschrieb, wie sie über das Abendmahl lehren sollten, und diese von der Kanzel herab verlesen liess, so war Heshus in seinem Recht, wenn er dagegen Zeugniss ablegte, denn das lutherische Bekenntniss war damit verdrängt, aber in submisseren Formen hätte er es ablegen sollen.

 Fassen wir nun den weiteren Verlauf der Dinge ins Auge!

 Die Entlassung des Heshus konnte man noch nicht als einen dem Lutherthum angethanen Schlag betrachten, denn der Kurfürst hatte ja auch den Klebitz entlassen, achtete auch der Verwendung der Züricher für ihn nicht, und scheint auf diese damals| nichts gehalten zu haben.[25] Er entfernte beide als Urheber der Unruhen, und liess ihnen noch ein Paar Andere nachfolgen, dann wendete er sich an Melanchthon und bat ihn um ein Gutachten über die Vorgänge in Heidelberg und seine Maassregeln.

 Man findet zumeist diesen Schritt ganz den Umständen angemessen. Salig sagt: „ein jeder christliche Leser erwäge doch unparteiisch die bisherige Erzählung, die gottlose Aufführung der Theologen, und wie sich der Kurfürst dabei verhalten, ob ers wohl anders machen können, als ers gemacht? Da der eine „in“, der andere „mit“, der dritte „unter“, der vierte alles dreies, bald einer das Wort „wesentlich“, dann wieder ein anderer „leiblich“ aufbrachte, und dem Verräther Judas ebensowohl als den anderen Aposteln ein wahres leibliches Geniessen zuschrieb: konnte wohl ein grosser Herr sich die Mühe nehmen, die Zänkereien zu untersuchen und zu sagen, der hat Recht und jener Unrecht? War es nicht löblicher, wenn er Frieden gebot, auf die Augsburgische Confession verwies, und die Zänker von beiden Seiten, wenn sie keinen Frieden halten wollten, ihrer Dienste entliess?“[26]

 Man muss anerkennen, dass die Lage der Dinge so war, dass sie den Kurfürsten, der ja kein Theologe war, verwirren konnte. Aber sie war durch Schuld der Cryptocalvinisten eine so verwirrte geworden. Weil diese ihren Sinn in die Augustana hineinzutragen suchten, waren die Lutheraner genöthigt worden, den wahren Sinn der Augustana in andere Ausdrücke zu fassen, und der Kurfürst hätte immerhin durch das Bekenntniss, welches Heshus ihm schon am 1. September übergeben hatte, eines besseren belehrt werden und einsehen können, dass ein aufrichtiger Lutheraner bei der von ihm vorgeschriebenen Formel sich nicht beruhigen könne. Heshus hatte in diesem Bekenntniss klar auseinandergesetzt, warum und in welchem Sinn die Lutheraner die Ausdrücke in und cum brauchten, und hatte| erklärt, dass er damit bei der Augustana bleibe, wenn man sie nur in dem Verstand nehme, wie Luther sie oft erklärt habe.[27] Doch wollen wir dem Kurfürsten keinen so grossen Vorwurf daraus machen, dass er sich einer Verwirrung nicht entzogen hat, in welche damals so Viele verstrickt waren, einen um so schwereren Vorwurf müssen wir, so schwer es uns ankommt, gegen Melanchthon erheben, dass er durch sein Gutachten (vom 28. Octbr.) den Kurfürsten in seiner Stellung zur Sache bestärkt hat. Er billigt es, dass der Kurfürst beiden streitenden Theilen Stillschweigen auferlegt hat, und sein Rath geht dahin, dass man über eine bestimmte Formel übereinkomme. Für die geeignetste hält er die Worte des Apostel Paulus (1 Cor. 10, 16) und erklärt diese so, dass die Ausdrücke: panem esse substantiale – esse verum corpus Christi ausgeschlossen sind, nicht beachtend, dass Luther selbst in seinem letzten Bekenntniss vom Abendmahl gesagt hatte: panis D. in coena est ipsum naturale corpus Christi. Den| Ausdruck κοινωνία erklärt er zwar mit: quo fit consociatio cum corpore Christi, quae fit in usu, dieses aber später durch die Worte Christi: ich bin in meinem Vater, Ihr in mir und ich in Euch. Wer mit der von dem Kurfürsten vorzuschlagenden Formel nicht zufrieden sei, dem möge man gestatten, dass er von der Communion wegbleibe, solle ihm aber wehren, in der Gemeinde Unruhen anzurichten. Ein Zeugniss für die Lehre Luthers sollte Solchen also verwehrt sein.

 Der Kurfürst war natürlich über dieses Gutachten Melanchthons sehr erfreut, verbot mit Berufung auf dasselbe allen weiteren Streit über das Abendmahl, setzte auch sofort mehrere Prediger, welche sich dem Verbot nicht fügen wollten, ab, und liess nach dem bald darauf erfolgten Tod Melanchthons das Gutachten im Druck ausgehen.

 Dabei blieb er aber nicht stehen. Er war einsichtig genug, um zu erkennen, dass mit dem blossen Verbot des Streitens die Quelle des Haders nicht verstopft sei, er wollte eine einhellige Lehre vom Abendmahl für die Pfalz erzielen. Das war die Aufgabe, welche er, der energische Fürst, sich stellte. Darauf deutete schon das hin, dass er die Stelle eines Generalsuperintendenten nicht wieder besetzte, sondern (noch im Jahr 1559) einem Kirchenrath, bestehend aus 3 Theologen und 3 Juristen, die Leitung der Kirchengeschäfte übertrug.[28] Die Allgewalt der Theologen gedachte er dadurch zu brechen. Sodann machte er sich daran, sich selbst eine feste Ueberzeugung über die Lehre vom Abendmahl zu bilden. Er las Schriften über dasselbe, und liess sich in dieser Arbeit vorzugsweise von dem Mediciner Thomas Erast leiten.[29] Welcher Lehre dieser Mann zugethan war, erkennt man sehr deutlich aus seiner Schrift, welche 1562 auf kurfürstlichen Befehl gedruckt wurde,[30] diese enthält aber ein| Gutachten, welches, wie Salig vermuthet, Erast schon früher dem Kurfürsten ausgestellt hatte.

 Wer kann zweifeln, dass diese Schrift ganz den zwinglisch-calvinischen Typus an sich trägt! „Paulus, führt Erast darin aus, nennt das Brod die Gemeinschaft des Leibes Christi. Gemeinschaft des Leibes Christi haben bedeutet aber Vollmacht haben, sich neben allen Gläubigen des heiligen Leibes Christi sammt seinen Gütern und Verdiensten anzunehmen. Das Brod ist Wahrzeichen, Pfand und Siegel, dadurch wir versichert werden, dass wir in der Gemeinschaft des Leibes Christi begriffen sind. Wie aber ein Brief und Siegel nicht das Bürgerrecht selbst, sondern ein Zeugniss des Rechts ist, so ist auch das Brod nicht die wesentliche Gemeinschaft selbst, sondern ein Wahrzeichen, Siegel und Pfand der Gemeinschaft selbst. Das Brod ist also darum die Gemeinschaft des Leibes Christi, weil es uns der Gemeinschaft desselben versichert. – Was heisst aber, den Leib Christi essen und sein Blut trinken? Es heisst, festiglich in seinem Herzen glauben, dass uns Christi Blut und Tod von aller Verdammung erlöst hat. Das beweist Joh. VI. Im Abendmahl ist also nicht Christi Leib gegenwärtig, sonst würde Christus nicht sagen, dass wir das zu seinem Gedächtniss thun sollen. Christus hat nie von der Substanz seines Leibes und Blutes geredet. Der Sinn der Einsetzungsworte ist also: dieser Wein ist ein ungezweifelt Pfand, Siegel, Sacrament, Zeugniss oder Wahrzeichen meines letzten Willens, Euch zu vergewissern, dass ich Euch mit meinem für Euch gekreuzigten Leib und vergossenen Blut wahrhaftig speise und tränke zum ewigen Leben, Euch mir einverleibe und zu lebendigen Gliedern mache ...“

 Gleich diese ersten Schritte des Kurfürsten wurden in Heidelberg so gedeutet, dass er von der lutherischen Kirche sich abzuwenden anfange;[31] ausserhalb der Pfalz erhob natürlich Heshus diese Klage. Sobald der Herzog Johann Friedrich der Mittlere von Sachsen, der Fürst, der so eben das Confutationsbuch hatte ausgehen lassen, Kunde von den Vorgängen in Heidelberg erhielt, eilte er dahin, um den Kurfürsten, seinen| Schwiegervater, von weiteren Schritten in dieser Richtung abzuhalten. Mit Mühe brachte er es dahin, dass der Kurfürst sich von ihm zwei lutherische Theologen schicken liess, welche mit kurfürstlichen Theologen über das Abendmahl disputiren sollten. Der Herzog hätte sich und seinen Theologen die Mühe ersparen können. Denn nicht schickte er sie, um den kurfürstlichen Theologen zu beweisen, dass ihre Lehre vom Abendmahl eine unlutherische sei, sondern den Beweis für die Wahrheit und Schriftmässigkeit der lutherischen Lehre sollten sie zu liefern sich anheischig machen. Auf eine Disputation auf diesen Grundlagen liessen sich die Cryptocalvinisten um diese Zeit ganz gern ein, ja eine solche wollten sie gerade: denn dadurch trat die Frage, wie sie zu dem lutherischen Bekenntniss stünden, zurück hinter die, welche Lehre überhaupt die wahre sei, und wo ist man je bei einer Disputation mit dieser Frage zu einem Ziel gekommen? So war es auch hier. Die sächsischen Theologen, welche der Herzog geschickt hatte, waren Mörlin und Stössel. Sie stellten 24 Thesen auf, in denen sie die lutherische Lehre darlegten. Die kurpfälzischen Theologen waren durch Peter Boquin vertreten, welcher die uns schon bekannten Thesen des Klebitz sich aneignete. Fünf Tage lang, vom 3. Juni 1560 an, wurde disputirt.[32]

 Zum Eingang bemerkte zwar Stössel, der sächsischer Seits das Wort führte, dass die Thesen Boquins die Zwinglische Lehre enthielten, und nicht mit der Augustana stimmten, aber gleich erwiederte Boquin, sie seien nicht zusammengekommen, um über Zwingli zu streiten, sondern über die Frage, ob die Thesen wahr seien oder nicht. Da wurde denn, am längsten, über die Frage gestritten, ob die Einsetzungsworte im eigentlichen Sinn aufzufassen seien: ohne Erfolg über diese Frage, wie über die von dem mündlichen Genuss des Leibes Christi und über den Genuss der Ungläubigen.

 Unverrichteter Sache zog der Herzog mit seinen Theologen ab, der Kurfürst aber ging raschen Schritts auf der betretenen| Bahn vorwärts. Er überliess sich jetzt ganz dem Rath und der Leitung des Erast, und umgab sich mit Theologen seiner Richtung. Gern hätte er den Peter Martyr von Zürich und den Wolfgang Musculus von Bern zu sich gezogen, beide aber lehnten ihres Alters wegen den Ruf ab.[33] Statt ihrer berief er die Theologen Caspar Olevianus, Zacharias Ursinus und Tremellius; den ersteren 1560, die beiden anderen 1561. Alle drei nennt Herr von Venningen, derjenige unter den Räthen des Kurfürsten, welcher von Anfang an die Abweichung vom Lutherthum gemissbilligt hatte, „beschreite Sectarii und Zwinglianer.“[34] Der Erstere hatte sich in der Schweiz, in Genf und Zürich, gebildet und hielt sich gerade zu der Zeit in Zürich auf, als Bullinger seinen lateinischen Catechismus verfasste.[35] Der Andere hatte erst in Wittenberg studirt und war da dem Melanchthon sehr nahe gestanden, dann hatte er sich geraume Zeit in der Schweiz aufgehalten, zweimal längere Zeit in Zürich. In Breslau angestellt, hatte er unter dem Verdacht des Philippismus zu leiden, legte darum die Stelle nieder und begab sich wieder nach Zürich zu Peter Martyr, der ihn dem Kurfürsten empfahl.[36] Der Dritte, Tremellius, stammte aus Ferrara, war ein getaufter Jude, war durch Peter Martyr für die Reformation gewonnen worden und begleitete zu der Zeit, als der Ruf an ihn kam, eine Lehrerstelle an einem Zweibrückischen Gymnasium.[37] Von den früheren Heidelberger Theologen dienten dem Kurfürsten Diller, Boquin und Dathenus. Mit deren Hülfe reformirte er den Gottesdienst.
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 Die Bilder wurden aus den Kirchen geschafft, die Taufsteine entfernt, die Nothtaufe wurde abgeschafft, die Altäre wurden abgerissen und an deren Stelle Tische gesetzt, statt der Hostien wurden beim Abendmahl Semmeln eingeführt und diese gebrochen, die Privatcommunion bei Kranken wurde dahin eingeschränkt,| dass Andere mit communiciren sollten. Die Orgeln wurden geschlossen, der lateinische Choral abgeschafft und an dessen Stelle die Psalmen Luthers eingeführt. Auch die Marien-, Apostel- und Heiligenfeste wurden abgeschafft.. Die Geistlichen, welche dieser Ordnung sich nicht fügen wollten, wurden abgesetzt und durch reformirte ersetzt, welche zumeist aus den Niederlanden kamen.[38]

 Auf die Intercessionen der Fürsten, des Herzogs Johann Friedrich und Christoph von Würtemberg, achtete der Kurfürst nicht mehr. Er liess in weiterer Folge auch einen neuen Catechismus, den berühmten Heidelberger, anfertigen. Mit dieser Arbeit betraute er den Olevianus und Ursinus. Dieser Catechismus ist aus zwei Catechismen entstanden, einem grösseren und einem kleineren, die Ursinus verfertigt hatte und aus einer Erläuterung, welche von Olevianus herrührte.[39] Nachdem der Catechismus zu Stande gebracht war, legte ihn der Kurfürst Ende des Jahres 1562 den Inspectoren und Predigern des Landes vor, welche er zu diesem Endzweck nach Heidelberg kommen liess, liess ihn auch ins Lateinische übersetzen, dann veröffentlichte er ihn 1563 in beiden Sprachen, der deutschen und lateinischen, und führte ihn in den Pfälzer Kirchen ein. Und noch in demselben Jahr wurde auch die bereits angefangene Kirchenordnung vollends zu Stande gebracht und am 15. November publicirt.

 Sollen wir nun die durch die jüngsten Geschichtschreiber (Ebrard und Heppe) angeregte Frage antreten, ob die Pfälzische Kirche durch diese Anordnungen des Kurfürsten eine reformirte geworden war, oder ob damit nur der Melanchthonianische| Kirchentypus aufrecht erhalten worden ist? Es ist schwer auf diese Frage zu antworten, da die, welche sie angeregt haben, in ihren Behauptungen nicht übereinstimmen. Heppe[40] sagt von dem Heidelberger Catechismus, er enthalte nichts Neues, nichts Calvinisches, und meint, bei der neuen Kirchenordnung habe das geheime Streben nach einer gewissen Conformation mit calvinischen Institutionen nur in untergeordneter Weise mitgewirkt. Ebrard[41] aber gibt dem Brenz sehr Recht, wenn dieser von dem Catechismus sagt, er sei völlig calvinisch, findet aber zu gleicher Zeit in Betreff des Abendmahls die calvinisch-melanchthonische Lehre in aller Schärfe und Klarheit darin ausgesprochen, und behauptet, im kirchlichen Leben habe sich der Typus der deutsch-reformirten d. h. melanchthonisch-reformirten Kirche ausgebildet, in welcher sich eine höhere Einheit zwischen lutherischem und calvinischem Kirchenwesen darstelle. Das modificirt er aber (in seinem Handbuch der Kirchen- u. Dogmengeschichte III, 216) dahin: der Heidelberger Catechismus sei weder eine blosse Darstellung des Frankfurter Recesses und Philippismus, noch „ein Abfall oder Uebertritt zum Calvinismus“, sondern „eine Fortentwicklung der in Deutschland von Anfang an (von Butzer her) vorhanden gewesenen deutsch-reformirten (oberländischen), vermöge der Wittenberger Concordie berechtigten, jetzt in der Pfalz seit 1560 allein vertretenen Lehre von ihrer verhüllten philippistischen Form zu ihrer explicirten und bewussten Darstellung. Mit Calvins Lehre sei diese Lehre allerdings identisch, sei aber nicht von Calvin und Genf aus jetzt erst in die Pfalz hereingekommen, sondern habe daselbst von Anfang an Heimathrecht gehabt.“
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 Da steht Ebrard der Wahrheit wenigstens näher als Heppe, es ist der Streit mit Beiden aber ein ziemlich unnützer. Dass die Kirchenordnung den calvinischen Typus an sich trägt, läugnet keiner von Beiden, und dass der Heidelberger Catechismus eine Lehre vom Abendmahl bekennt, welche jeder Reformirte als die seinige anerkennt,[42] kann auch niemand in Abrede stellen. So| hätte man also nur über die Frage zu streiten, ob und wie weit Melanchthonianismus und Calvinismus identisch sind, ob beide von Anfang an zusammengefallen sind, oder ob, wie Ebrard annimmt, der Melanchthonianismus den bis auf die letzte Consequenz dringenden Angriffen der Flacianer gegenüber nicht anders konnte, als sich seiner eigenen Lehrconsequenzen bewusst zu werden? Wie wir aber zu dieser Frage stehen, beantwortet sich aus unserem ganzen Buch.

 Es liegt also das Faktum vor, dass in der Pfalz eine Lehre geltend gemacht wurde, welche die lutherische Lehre ausschloss. Freund[43] und Feind haben damals dieses Faktum als einen Uebertritt der Pfälzer Kirche zum Calvinismus bezeichnet, nur in der Pfalz bezeichnete man das nicht mit diesem Namen, da behauptete man vielmehr, man stehe nach wie vor auf dem Boden der Augustana.

 Wenn dieses Ereigniss, dem zufolge aus einem ganzen Land, das man bis dahin zu den lutherischen zählte, das lutherische Bekenntniss ausgeschlossen war, zu jeder Zeit ein die lutherische Kirche sehr schmerzlich berührendes war, so wurde es das bei den Umständen, unter denen es geschah, noch mehr. Das Ereigniss fällt ja in dieselbe Zeit, in welcher lutherischer Seits immer behauptet wurde, dass der Calvinismus auch in die deutschen Kreise eingedrungen sei. An anderen Orten wollte man das nicht Wort haben, und die lutherischen Theologen hatten das saure Geschäft, die Leute zu überführen, dass sie Calvinisten seien. Wo das erwiesen wurde, da galt es auch als ausgemacht, dass sie ihr Bürgerrecht in der lutherischen Kirche verloren| hätten. Hier aber, in der Pfalz, bekannte man sich, wenn nicht dem Namen, doch der Sache nach zum Calvinismus, war jedoch so wenig gewillt, seinen Platz in der lutherischen Kirche aufzugeben, dass man vielmehr die hinausdrängte, welche an dem lutherischen Bekenntniss festhielten, und sich dafür auf die Augustana berief. Und der Augustana gab man, wie wohl zu beachten ist, nicht nur die Deutung, dass sie der Lehre, zu welcher man sich jetzt bekannte, nicht zuwider sei, sondern die, dass sie die Lehre, welche die Lutheraner die lutherische nannten, ausschliesse. Was sollte da aus der lutherischen Kirche werden, wenn die in Deutschland zerstreuten Cryptocalvinisten sich diese Vorgänge zu Nutze machen wollten! In ihrem ganzen Bestand also war die lutherische Kirche dadurch bedroht. So sahen es lutherische Theologen und sahen es lutherische Fürsten an.

 Man kann es Beiden nicht verargen, wenn sie in hohem Grade entrüstet waren, man muss aber in dem Urtheil über die Theologen der Pfalz und in dem über den Kurfürsten unterscheiden. Die Ersteren konnten unmöglich ehrlich und aufrichtig glauben, dass sie mit ihrer Lehre auf dem Boden der Augustana standen, das erkennt auch Planck[44] an, anders scheint es bei dem Kurfürsten gestanden zu haben. Wenigstens seine ersten Schritte und Verfügungen scheinen mit einer gewissen Unbefangenheit geschehen zu sein, wirklich in dem Glauben, dass er damit nichts gegen die lutherische Kirche unternehme. Das lässt sich auch recht wohl erklären.

 Friedrich, der noch, als er 1537 in die Ehe trat, dem katholischen Glauben, welcher der seines Vaters, des Pfalzgrafen Johann II., war und blieb, zugethan war, hat sich zwar bald darauf zum evangelischen Glauben bekannt, wohl unter dem Einfluss seiner Gemahlin Maria, der Tochter des Markgrafen Casimir von Brandenburg-Culmbach, einer dem lutherischen Glauben eifrig ergebenen, klugen Frau, und hat diesen von da an in einem frommen Herzen bewahrt und gepflegt. Aber er war mit dem lutherischen Glauben doch gerade zu der Zeit bekannt geworden, als die Gegensätze zwischen den Lutheranern| und Reformirten in Vieler Augen ausgeglichen oder doch auf dem Weg der Ausgleichung begriffen schienen. Auch liegen keine Anzeichen vor, dass er der Lehre, welche unter Lutheranern und Reformirten streitig war, näher nachgegangen wäre, und bis zum Jahr 1559 von den Erörterungen, welche darüber zwischen beiden Theilen gepflogen wurden, Notiz genommen hätte. Sein Standpunkt scheint der Melanchthonische gewesen zu sein. Von diesem damals in weiten Kreisen herrschenden Melanchthonianismus sagt Kluckhohn[45] richtig: dass derselbe mit dem Calvinismus zusammengefallen sei, wäre nur einzelnen Theologen klar gewesen, diese aber hätten es nicht wagen dürfen, sich offen zur reformirten Abendmahlslehre zu bekennen. „Die Masse der Menschen war und blieb lutherisch, und lutherisch fassten sie die diplomatischen Formeln, in denen Melanchthon sich gern bewegte. Sie würden sich erschreckt von ihm abgewendet haben, wenn sie seine Vermittlungstheologie als Calvinismus erkannt hätten. Galt doch der Calvinismus, den man lange nicht einmal vom Zwinglianismus zu unterscheiden vermochte, noch allgemein als eine verwerfliche Irrlehre..“ Auf diesem Standpunkt stehend war Friedrich auch ganz mit dem Frankfurter Recess von 1558 einverstanden. Er hielt ihn für gut lutherisch, weil darin die Irrlehre Zwinglis ausdrücklich verworfen, und die wesentliche Gegenwart Christi im Abendmahl betont war. Was Kluckhohn aus dieser Zeit mittheilt,[46] ist recht geeignet, uns den Standpunkt und die Sinnesweise Friedrichs klar zu machen. Er missbilligte es, dass sein Schwiegersohn, Johann Friedrich der Mittlere, die Unterschrift des Frankfurter Recesses von der Bedingung abhängig gemacht hatte, dass die Sekten und Rotten, vor allem die Zwinglianer, ausdrücklich verdammt würden, aber er lehnte es doch ab, seinen Schwiegersohn in Augsburg auf jede Weise zur nachträglichen Unterzeichnung des Frankfurter Recesses zu bewegen, denn, sagte er, der Frankfurter Recess sei kein Evangelium, das jeder gutheissen oder unterschreiben müsse, und er wisse deshalb in den, der Einrede dawider habe, nicht zu dringen. Das wurde ihm aber mit Unrecht als Lauheit| gegen den Frankfurter Recess ausgelegt, denn an demselben Ort, auf dem da zusammengetretenen Reichstag, vertrat er mit grösstem Nachdruck den Gedanken der Einigkeit aller evangelischen Stände, und nur, um die Kluft zwischen den Unterzeichnern des Frankfurter Recesses und Johann Friedrich nicht dadurch zu verschärfen, dass man letzteren fort und fort dränge, hatte er das obige Ansinnen abgelehnt.

 Friedrich, das ersehen wir daraus, wollte vor allem Einheit aller evangelischen Stände, eine compakte Einheit den katholischen Ständen gegenüber. Zu diesem Endzweck sollten „die dogmatischen Streitigkeiten der Evangelischen unter einander bis auf gelegene Zeit verspart werden“, und deren Bedeutung schlug er auch nicht hoch an, und hatte wohl auch die strenger gesinnten Theologen in dem Verdacht, dass sie zanksüchtig seien und die Bedeutung der Differenzen übertrieben.[47]

 Für einen Fürsten, der den Differenzen keine grössere Bedeutung abgewinnen konnte und keine tiefere Einsicht in die Lehre, um die es sich da handelte, hatte, war es in der That ein sehr würdiger Standpunkt, den er einnahm, wenn er mit unnöthigen Streitigkeiten unverworren bleiben wollte, aber auch zugleich ein Standpunkt, bei dem man in dem zwischen Heshus und| Klebitz ausgebrochenen Streit kaum eine andere Stellung von ihm erwarten konnte, als die, welche er einnahm; und am wenigsten hat wohl seine gut lutherische Gemahlin eine andere Stellung erwartet, denn sie theilte die Hoffnung ihres Schwiegersohns, dass Friedrich, der im März 1559 die Kurwürde überkam, die christliche Religion in der Pfalz wieder aufrichten, und des „Teufels Geschmeiss,“ d. h. die Zwinglianer und Calvinisten, so weit diese unter Otto Heinrich schon eingedrungen waren, hinwegthun werde, gerade nicht. Sie fürchtete den Einfluss von hochgestellten, der reformirten Richtung zugethanen Räthen. „Ich besorge, schrieb sie am 30. März 1559, „es werde der Teufel den zwinglischen Samen unter den guten Waizen säen, denn ich ihrer wohl weiss, die wahrlich gar zwinglisch sein unter den Räthen.“[48] Ihre Besorgniss ging in Erfüllung. War der Kurfürst auch noch, als er die Regierung des Landes antrat, weder zwinglisch noch calvinisch, so wurde er doch in Bälde calvinisch und in gewissem Sinn hat Salig Recht, wenn er sagt, die Theologen machten ihn erst dazu.[49] Einem Fürsten, der die Bedeutung der Differenzen so wenig zu würdigen wusste, wie Friedrich, lag es nahe, gegen Theologen, welche denselben einen solchen Werth beilegten und bei denen er mit seinen vermittelnden Formeln keinen Eingang hatte finden können, ein Misstrauen zu fassen. Fragte ein Theologe, wie Salig, noch 170 Jahre nachher: „da der eine Theologe „in,“der andere „mit,“ der dritte „unter,“ der vierte alles dreies, bald einer das Wort „wesentlich,“ dann wieder ein anderer „leiblich“ aufbrachte, und dem Verräther Judas eben so wohl als den anderen Aposteln ein wahres, leibliches Geniessen zuschrieb: konnte wohl ein grosser Herr die Mühe sich nehmen, die Zänkereien untersuchen und sagen, der hat Recht und jener Unrecht?“, so wird man dem Kurfürsten nicht eine bessere Einsicht zumuthen dürfen und es begreifen, dass er von diesen Theologen sich abwendete. Ein solches sich Abwenden von den lutherischen Theologen war aber gleichbedeutend mit einem sich Hinwenden zu den calvinisch Gesinnten. Kluckhohn bemerkt zwar, es hätte sich keiner rühmen| dürfen, der Lehrer des Kurfürsten zu sein oder ihm als entscheidender Rathgeber zu dienen,[50] aber wir erinnern uns doch, dass Erast schon früh dem Kurfürsten ein Gutachten ausgestellt hat, und wir wissen doch, wie er zu den calvinistisch gesinnten Männern, die er schon in Heidelberg vorfand, vom Jahr 1560 an noch eine Reihe von gleichgesinnten Männern herangezogen hat. Mochte er noch so sehr bemüht sein, bei den theologischen Studien, in welche er sich etwa vom Jahr 1560 an vertiefte, sich seine Selbständigkeit zu wahren, unter ihrem Einfluss machte er sie doch. Und zu deren Einfluss kam dann auch der von Schweizer Theologen hinzu, mit denen er theils wie mit Theodor Beza schon von früher her in Verbindung stand, theils in der späteren Zeit solche anknüpfte.[51] So langte er allmählig in seiner Ueberzeugung bei dem calvinischen Bekenntniss an, und erwies sich dann bald als einen in der reformirten Lehre sehr feststehenden und mit ihr sehr vertrauten Mann.[52]
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 Er langte aber freilich bei diesem Bekenntniss an, ohne zu| wissen, dass es das calvinische sei. Das konnte in der damaligen Zeit auch ganz gut geschehen, denn die reformirten Theologen pflegten nicht so wie es in lutherischen Kreisen Luthern gegenüber geschah, ihre Uebereinstimmung mit Zwingli oder Calvin zu betonen, sondern von ihrer Lehre zu sagen, sie sei die schriftgemässe. So glaubte denn auch der Kurfürst, die Lehre, welche ihm doch aus den calvinischen Kreisen zugekommen war, aus der heiligen Schrift geschöpft zu haben, und darauf legte er auch so grossen Werth, dass er bei Gelegenheit ausdrücklich hervorhob, er habe Calvins Schriften gar nicht gelesen.[53]
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|  Er liess sich darum auf die Frage, ob er reformirt oder lutherisch sei, gar nicht ein, wie sehr er aber reformirt geworden war, beweisen die Aenderungen, die er in den kirchlichen Ordnungen vornahm und beweist der von ihm approbirte Heidelberger Catechismus. Man sollte nun freilich erwarten, dass der Kurfürst, nachdem er zu solcher Ueberzeugung gekommen war, auch eingesehen und bekannt hätte, dass er sich von der lutherischen Kirche abgewendet habe, aber das hatte er eben mit den Reformirten gemein oder vielmehr von ihnen sich angeeignet, dass er die historische Berechtigung, welche das lutherische Bekenntniss doch schon gewonnen hatte, nicht anerkannte, und das, was ihm das Schriftgemässe schien, zur einzigen Norm machte. Bei der Stellung, welche die Fürsten sich damals zuwiesen, konnte er es dann auch für sein Recht, ja für seine| Pflicht halten, diejenigen Geistlichen nicht zu dulden, welche in der Schrift nicht fanden, was er darin fand, und seinem Lande sein Bekenntniss und seine Kirchenordnungen aufzunöthigen. So wenig wir das nun billigen, so müssen wir doch anerkennen, dass der Kurfürst mit Wärme und aufrichtiger Frömmigkeit seinem Glauben zugethan war, und grosse Glaubensfestigkeit an den Tag legte. Er bezeugte diese namentlich auf dem Augsburger Reichstag von 1566, wo die Gefahr, von dem Religionsfrieden ausgeschlossen zu werden, sehr nahe an ihn heran trat. Die Gefahr ging damals an ihm vorüber. Gerade die Glaubensfreudigkeit, welche der Kurfürst in seiner Erklärung an den Kaiser und die Stände aussprach, machte besonders auf den Kurfürsten August von Sachsen einen so günstigen Eindruck, dass er jenen Fürsten, welche auf Ausschluss des Kurfürsten von dem Religionsfrieden drangen (es waren besonders der Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken und der Herzog Christoph von Würtemberg), entgegentrat. Aber das will doch bemerkt sein, dass auch die Stände, als sie sich wider den Ausschluss des Kurfürsten erklärten, anerkannten, dass er von der Augustana abgewichen sei. Und so hat auch der Kaiser[54] die gegen den Kurfürsten gerichtete Anklage| nur unter der Annahme fallen lassen, dass die Stände sich bemühen würden, den Kurfürsten zum Bekenntniss der Augustana wieder zurückzuführen.



  1. Geschichte des deutschen Protestantismus II, 306.
  2. Tilemann Heshusius von C. H. Wilkens. Leipzig 1860. p. 28.
  3. Beides bei C. von Helmolt, T. Heshus und seine sieben Exile. Leipzig 1859. p. 28 u. 32.
  4. Chytraeus nennt ihn in dem Brief an Marbach der Universität ornamentum et praesidium. Helmolt p. 37.
  5. L. Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz II, 10.
  6. Salig III, 443.
  7. Gehässig ist doch die Aeusserung von Erast über ihn: „der Mensch ist eine grosse Figur, mit langem dichtem Bart, der, wenn er den Kopf schüttelt, wunderliche Bewegungen macht; er trägt seidenes Fusswerk und einen kleinen Hut über dem grossen, um auch durch den Anzug sich als Rabbi über alle Rabbi zu zeigen“ Wilkens p. 45.
  8. In einem Brief d. d. 5. April 1557 an Mordeisen. C. R. IX, 127. Scio Heidelbergae magnam esse voluntatum dissimilitudinem et diversarum nationum homines, Belgas, Gallios et alios. Est et opinionum diversitas. Etsi igitur patria est, et scio ibi quosdam viros doctos et candidos esse, quorum mihi consuetudo suavis est, tamen migrationem non appeto.
  9. Kluckhohn, Wie ist Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz Calvinist geworden? 1866 p. 18.
  10. Häusser II, 8. Nach Kluckhohn nahm Georg von Erbach eine vermittelnde Stellung ein, war aber der Graf Valentin zu Erbach mehr oder wenig der zwinglischen Richtung zugethan.
  11. Gegen Heppe I, 305.
  12. Kluckhohn ibid. p. 18.
  13. Struve, Pfälzische Kirchenhistorie p. 53.
  14. Hist. eccl. Palatina p. 161.
  15. Noch weniger kann man also (mit Ebrard II, 579) sagen, dass die in dem christlichen Unterricht, welcher der Kirchenordnung sich anschliesst, auf die Frage: was wird im Abendmahl ausgetheilt und empfangen? gegebene Antwort: „wahrer Leib und Blut des Herrn Jesu Christi. Denn der Herr Jesus Christus hat diese Niessung eingesetzt, dass Er bezeugt, dass Er wahrhaftiglich und wesentlich bei uns und in uns sein will und will in den Bekehrten wohnen, ihnen seine Güter mittheilen und in ihnen kräftig sein, wie er spricht Joh. 15“ eine officielle Interpretation der Augsb. Confession in Melanchthonischem Sinne sei. – Es möchte wohl auch zu beachten sein, dass in der Kirchenordnung, welche das Jahr darauf (1557) der Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken nach dem Exempel des Kurfürsten gab, und die in vielen Punkten wörtlich mit der des Kurfürsten übereinstimmte, ausdrücklich die Confession bezeichnet ist, welche 1530 dem Kaiser übergeben worden. Struve p. 56.
  16. Struve p. 44.
  17. Sulcer in Fechtii epistolis theologicis IV. ep. XXXVI: optandum esset, ut Heshusii zelus intempestivus spiritu mansuetudinis temperaretur et magis accommodarentur, quae habet vir ille, illustria dona ad ecclesiae aedificationem. (Struve p. 77.)
  18. Wir besitzen das Schreiben des Klebitz meines Wissens nicht. Er selbst aber drückt in der später geschriebenen Schrift: victoria veritatis ac ruina papatus Saxonici etc. Friburg 1561 die Vorwürfe in folgender Weise aus: cum Saxonicum tuum papatum stabilire studeres, magistros Saxonicos magnis pecuniis ab electore vocari voluisti, ac viros doctissimos Palatinae regionis incolas, bene de ecclesia meritos et adhuc in dies bene merentes, tanquam indoctos neglexisti. Magistri Saxonici aliis praelati sunt, quia illi erant primogeniti. Reliqui omnes, tanquam gregarii milites vel Sacramentarii sunt praeteriti. Quare? quia non erant de primogenitura. Magistri vero Wittebergenses, magnis hisce titulis cancellariae fuerunt commodati: ecce, hic est sincerus, damnat Calvinum, novit locos communes Philippi, examen didicit ad unguem. Huic numerate pecunias. Geld her ...
  19. Der Bericht des Erast über diese Vorgänge in einem Brief an Hardenberg bei Struve p. 78.
  20. Klebitz: Gradum hunc petii non propter honorem sed quinque hisce de causis: 1. ut ederem confessionem meae fidei, quia publice haereseos macula mihi fuit aspersa. 2. ut magis incorporarer academiae. 3. ut academiae magis unitus plus ab ea defensionis contra tuam tyrannidem haberem. 4. ut esset mihi exercitium legendi. 5. ut contra te munitus essem sigillo facultatis tuae.
  21. Ebrard findet darin die calvinisch-melanchthonische Lehre. Dass auch die Melanchthonianer sich diese Fassung aneignen konnten, soll nicht bestritten werden, aber so präcisirt hatten die Melanchthonianer diese Lehre nicht, wohl aber war sie von der Zeit des consensus Tigurinus an so präcisirt worden. Warum will man in Abrede stellen, was die alten reformirten Geschichtschreiber kein Hehl hatten, wie Hospinian, der ausdrücklich von Klebitz sagt (p. 260), er habe Zwinglis und Calvins Meinung vertheidigt. So erzählt [204] auch Salig (III, 445): Klebitz habe selbst geschrieben, dass ihn ein englischer Exulant, Johann Pedder, welchen die Zweibrückischen Theologen für einen Ketzer erklärt hätten, von dem Geheimniss des Abendmahls recht unterrichtet und ihn auf den rechten Weg gebracht habe. Wie hätte auch Klebitz dazu kommen sollen, seine Lehre aus Melanchthon zu schöpfen, da er doch geringschätzig genug sich über Melanchthon äusserte? (cf. Anm. I. p. 202.)
  22. Salig (III, 455): „Er, Heshus, beschuldigte den Kurfürsten eines Abfalls von der Augsburgischen Confession, nannte die A. C. einen polnischen Stiefel und einen weiten Mantel, darunter Gott und der Satan sich verbergen könnte. Sie wäre, sagte er, wohl sechsmal geändert.“
  23. Kluckhohn p. 26. 27.
  24. Zanchius nennt ihn einen Mann, der nicht froh gewesen, wenn er nicht in irgend einem Hader steckte. Zanch. epp. I, 342. bei Wilkens p. 42.
  25. Salig (III, 458) führt, wohl aus einem Brief, die Worte an: Tigurinis electorem non tribuere, quod sunt boni. Belege dafür, dass der Kurfürst damals noch nicht mit der lutherischen Kirche zu brechen gedachte, bei Kluckhohn p. 27–29.
  26. Salig ibid. p. 459.
  27. Dieses Bekenntniss ist das Jahr darauf mit dem Bekenntniss der Bremer Prediger gedruckt worden. Heshus sagt darin: „Wir können bessere Form nicht brauchen, denn Christus und Paulus gebraucht haben, nemlich: das Brod im Abendmahl ist der Leib Jesu Christi. Der gesegnete Kelch ist die Gemeinschaft des Leibes Christi.. Dass man in unseren Kirchen auch sagt, cum pane oder in pane .. ist recht geredet, und geschieht darum, dass man nicht gedenke, das Brod verliere sein Wesen .. Und zwar die Calvinisten brauchen auch die phrasin „mit dem Brod,“ wollten aber gern ein cothurnum daraus machen, der Zwingli und Lutheri Fuss eben gerecht wäre. Und deuten es also: mit dem Brod, d. i. durch das Mittel empfangen wir die geistliche Niessung des Leibes Christi, allerding gleich, wie durch die Predigt des Evangelii, welche Deutung ich ganz verwerfe. Denn mit dem Brod gilt mir so viel als im Brod, d. i. zweierlei empfange ich im Abendmahl: erstlich Brod und Wein, das ich sehe, fühle und schmecke; dazu empfange ich im Brod und Wein, d. i. wenn ich das gesegnete Brod esse und den gesegneten Wein trinke, so esse ich und trinke ich den Leib und das Blut Jesu Christi, nicht allein allegorice, metonymice, geistlich, sondern auch leiblich und wesentlich mit dem Munde, wiewohl ichs nicht fühle, noch mit einigen Sinnen empfinde... Die Calvinisten wollen nicht bekennen, dass der Leib Christi substantialiter, wesentlich, im Abendmahl gegenwärtig sei, sondern die Gottheit Christi und das Verdienst, die Kraft und Wirkung, die Gnade und der Geist Christi sei nur da. Wenn sie sagen: Christus ist wesentlich im Abendmahl, verstehen sie per communicationem idiomatum allein von der Gottheit. Aber ich bekenne, dass der Leib Christi im Abendmahl gegenwärtig sei..
  28. Zum Präsidenten des Kirchenraths machte er den 1560 herbeigerufenen Wenceslaus Zuleger, einen Böhmen von Geburt, der in Genf Theologie und Jurisprudenz studirt hatte. Kluckhohn p. 67.
  29. Salig III, 465.
  30. Gründlicher Bericht, wie die Worte Christi, das ist mein Leib, zu verstehen seien, aus den Worten der Einsetzung und der Erklärung Christi selbst genommen, daraus ein jeder leicht lernen mag, wessen er sich in diesem Zank verhalten solle.
  31. Struve p. 88.
  32. Die Thesen und die aber nicht ganz vollständigen Akten des colloquii in Wigand, de sacramentariismo. p. 440.
  33. H. Altingii hist. eccl. Palatina. p. 183.
  34. Venningens Brief an Marbach d. d. 25. März 1561 bei Struve p. 89: „So hat Boquinus des Calvini Catechismum in linguam graecam vertirt, damit er desto mehr ins Licht bracht.“
  35. Bullinger von Pestalozzi p. 415.
  36. Carl Sudhoff, Olevianus und Ursinus. 1857 p. 11.
  37. Alting p. 185.
  38. Salig III, 714. Nach Alting (p. 183), auf den sich Struve (p. 106) beruft, sind diese Aenderungen schon vor dem Naumburger Fürstentag vorgenommen worden. Kluckhohn (p. 77) bestreitet das, und lässt sie mit Berufung auf Wundt (II, 55) erst ungefähr ein Jahr vor dem Erscheinen des Catechismus eintreten. Es mag sein, dass ein Theil dieser Veränderungen erst in diese Zeit fallen, dass aber der Anfang damit schon früher gemacht worden, beweist ein Brief Olevians an Calvin d. d. 12. April 1560 p. 80 (bei Sudhoff p. 80).
  39. Bezeichnend für die Stellung des Kurfürsten ist, dass auf seine Veranlassung hin in der 80sten Frage des Catechismus die Polemik gegen die katholische Messe verschärft wurde. Kluckhohn p. 80–82.
  40. I. p. 446.
  41. Lehre vom Abendmahl p. 604.
  42. Olevian an Bullinger bei Uebersendung des Catechismus 14. April 1563: „Gewiss, wenn irgend Durchsichtigkeit sich darin findet, so haben wir ein [216] gut Theil davon Dir und den hellen Geistern des Schweizerlandes zu danken.“ Bullinger antwortet: Den Catechismus .. habe ich mit grosser Begierde gelesen .. die Anordnung dieses Buches ist klar, sein Inhalt lautere Wahrheit .. H. Bullinger von Pestalozzi p. 415.
  43. Hospinian II, 264. Elector .. permotus sacrae scripturae perspicuis testimoniis et veteris ecclesiae ac purioris antiquitatis doctrina, Philippique auctoritate veritati cessit et instituta generali reformatione academiae et ecclesiarum Palatinatus, undiquoque orthodoxos ministros, doctores et professores vocavit, et dissentientes placide dimisit. Anno etiam sequenti tertio et quarto die Junii in publica disputatione orthodoxam sententiam defendit et de mutata religione piis omnibus satisfecit.
  44. Planck II, 2. p. 355.
  45. Kluckhohn ibid. p. 8 sq.
  46. Kluckhohn p. 12–16.
  47. So schrieb er an seinen Schwiegersohn: „an Sekten und Rotten habe er keinen Gefallen, und wolle diese viel lieber helfen vertilgen und ausrotten,“ setzte aber hinzu: „dass aber jemand unerhörter Dinge condemnirt würde, das wäre auch beschwerlich, denn man mit dem allerärgsten Uebelthäter das Widerspiel hält.“ Und an den Theologen Gallus, der ihm eine streng lutherische Druckschrift zugeschickt hatte, schrieb er (am 7. Januar 1559): „wir vernehmen auch, dass Ihr den Religionsfrieden in Eurem Schreiben anzieht, als würde man sehen, welcher Theil denselben verwirkt hätte; item dass ihr eine neue und eine alte Augsburgische Confession meinen wolet: das dünkt uns gleichwohl ein Ueberfluss zu sein. Denn es wäre gar ohne Noth, dass wir, die Religionsverwandten, die wir in der Hauptsache nicht dissentiren, solch’ Gezänk erwecken und damit unsern Widersachern, auch dem Teufel selbst Raum und Ursache, ja das Schwerdt selbst in die Hand geben. Und möchten wohl leiden, Ihr und Andere, die Lust haben zu zanken, fingens mit Anderen als Religionsverwandten selbst ab. Aber es müssen Aergernisse sein, wie der Herr selbst sagt; wehe aber denen, durch welche sie kommen.“ Des Gallus Druckschrift nennt er ein Calumnien- oder Schmähbüchlein. Kluckhohn p. 16 u. 12.
  48. Kluckhohn p. 15.
  49. Salig III, 460.
  50. Kluckhohn p. 67.
  51. Kluckhohn p. 69: „Auch mit Bullinger trat Friedrich im Lauf der Zeit in Beziehung, so dass es ihm an Mitteln und Wegen nicht fehlte, sich eine gründliche Kenntniss der verschiedenen Nuancen des reformirten Wesens zu verschaffen.“ Es geschah das besonders von der Zeit an, als der Kurfürst wegen seiner Abweichung von der lutherischen Lehre von den Fürsten angefochten zu werden fürchten musste. Er wendete sich damals, um dem Vorwurf begegnen zu können, als wären die Reformirten uneins und vielen Irrthümern ergeben, an mehrere Vorsteher reformirter Kirchen, auch an Bullinger, und erbat sich seinen Rath. Bullinger überschickte ihm dann auch mit seinem Gutachten die von ihm verfasste zweite helvetische Confession (herausgegeben 1566) und „der Kurfürst bat sich von ihm die Erlaubniss aus, sie ins Deutsche übersetzen und noch vor dem Reichstag (dem Augsburger 1566) lateinisch und deutsch drucken zu lassen, um zu beweisen, dass er (der Kurfürst) keine besondere Lehre habe, sondern eben dieselbe, welche auch in vielen anderen und volkreichen Kirchen gepredigt werde, und dass der Vorwurf, als ob die Reformirten unter sich uneins in Sekten zerfallen wären, Unwahrheit sei.“ Bullinger von Pestalozzi p. 417.
  52. Wie fest der Kurfürst in der reformirten Anschauung stand, erkennt man aus den Briefen, die er von 1563 an an den Herzog Johann Friedrich, an Christoph von Würtemberg u. a. schrieb (bei Struve p. 153 sq.), vor allem aus seinem kurz vor seinem Tod aufgesetzten Glaubensbekenntniss (bei Struve p. 275 sq.).
  53. In einem Brief an seinen Schwiegersohn Johann Friedrich d. d. 24. Oct. 1559 schreibt Friedrich: „ .. das schreib ich aber deren ursach halb nit, das ich Zwinglium oder jemants der irrigen oder verfürerischen lehrer vertheidingen wolle Dan ich muss mit grundt der Wahrheit bekennen, (wie ich davon oben gemelt), dass ich Zwingli schrifften nit gelesen ...“ (Kluckhohn p. 26). Derselbe sagt aber von der späteren Zeit Friedrichs p. 68: „Zwar Zwingli’s und Calvin’s Arbeiten vermied er zu lesen und obwohl Calvin ihm eine seiner Schriften widmete (mon. Piet. p. 292), wurde doch keine Verbindung zwischen beiden angeknüpft. Anfangs mag den Kurfürsten ein gewisses Vorurtheil, das auch ihm gegen Calvin eingepflanzt worden war, abgehalten haben; später aber kam es ihm, wie es scheint, darauf an, denjenigen, die ihn als einen Anhänger des Genfer Reformators verketzerten, seine Unbekanntschaft mit dessen Schriften entgegen halten zu können.“
     Kluckhohn (p. 62 sq.) erklärt den Uebergang Friedrichs zum Calvinismus etwas anders, er datirt ihn vom Naumburger Fürstentag an. Dieser habe den Kurfürsten zu der Entdeckung geführt, dass die Augsb. Conf. in ihrer ursprünglichen Gestalt vom Abendmahl des Herrn „papistisch“ lehrte. Dadurch sei die Autorität, welche jene Bekenntnissschrift für ihn hatte, erschüttert worden, und habe er noch entschiedener als früher sich auf die heil. Schrift als die einzig untrügliche Norm des Glaubens hingewiesen gesehen. Das sei die erste Stufe zu einem ächt reformirten Standpunkt gewesen. Jene Entdeckung habe aber für den Kurfürsten noch eine weitere Bedeutung gehabt. Sie habe ihm bewiesen, dass die grossen Reformatoren, Melanchthon nicht minder als Luther, sogar in den wichtigsten Lehren nur allmählig zur Erkenntniss der Wahrheit vorgedrungen, und selbst da noch in Irrthum befangen gewesen wären, als sie das Evangelium schon in seiner Reinheit hergestellt zu haben glaubten. Von da an habe er sich entschiedener dem Einfluss von Männern hingegeben, welche die reformirte Richtung vertraten, habe er sich mit den Schriften der Reformatoren Frankreichs und der Schweiz näher bekannt gemacht, und sei er, je mehr er das reformirte Lehrsystem [223] geprüft habe, von der Schriftgemässheit desselben überzeugt worden.“ Wir können dieser Erklärung des Uebertritts des Kurfürsten nicht beistimmen. Wollten wir auch annehmen, dass der Kurfürst um diese Zeit die Wahrnehmung zu machen geglaubt hat, dass die Augsb. Conf. in ihrer ursprünglichen Gestalt vom Abendmahl des Herrn papistisch lehrte, so würde diese Wahrnehmung den Glauben des Kurfürsten an die Autorität der Augsb. Conf. und in weiterer Folge an die Autorität der lutherischen Reformatoren gewiss nicht so erschüttert haben, dass er jetzt zu den Schriften der Reformirten sich gewendet hätte, wenn er nicht zuvor schon in der Abendmahlslehre ihnen näher gestanden wäre, als dem Lutherthum. Ueber sie dachte er von Anfang an Melanchthonisch, und vom Melanchthonianismus glitt er dann ab zum calvinischen Bekenntniss, wie das bei so Vielen damals der Fall war. Dass aber die Vorgänge während des Naumburger Fürstentags den Anstoss zur Entscheidung für den Kurfürsten gaben, nehmen wir mit Kluckhohn an. Der Kurfürst konnte da schon sich zur Unterschrift der Augustana nur unter der Bedingung bereit erklären, dass es ihm gestattet war, die Abendmahlslehre so zu deuten, wie es auf Grund der Ausgabe von 1540 zulässig war, wurde aber schon in Naumburg inne, dass es Fürsten gab, welche seine Auslegung des Abendmahls für eine unlutherische erklärten. Als dann aber das ganze Werk des Naumburger Fürstentags an dem Widerspruch des Herzogs Johann Friedrich von Sachsen scheiterte, musste er erkennen, dass er mit den lutherischen Ständen nicht mehr auf gleichem Boden des Bekenntnisses stehe. Damit war das Band zwischen ihm und ihnen zerrissen, und nahm er nun keinen Anstand mehr, sich den Reformirten näher zu stellen, und nun auch jene Aenderungen im Cultus vorzunehmen, welche der Kirche seines Landes ein reformirtes Gepräge gaben.
  54. Die Resolution des Kaisers bei Struve p. 194. Er verlangt, dass die Stände in den Kurfürsten dringen sollten, dass er „nicht allein mit dem Mund, sondern auch wirklich sich zu der Augsb. Conf., derselben Lehre, Ceremonien und Kirchengebräuchen bekenne und dessen zu mehrerer Gewissheit, was Seine Kurfürstliche Gnaden solcher Augsb. Conf. zuwider in den Kirchen, Städten, Ländern und Schulen in der Lehre insgemein und Reichung der heil. Sacramente insonderheit einreissen lassen, dasselbe alles vermöge des Religionsfriedens wiederum ändere und abstelle, auch die verführerischen Kirchen- und Schuldiener, die Catechismen, Traktätle, und Bücher, darin der Calvinische Irrthum gelehrt und vertheidigt wird, gänzlich abschaffe.“
     Die Antwort der Stände vom 26. Mai: Sie versprechen, „an den Kurfürsten eine Erinnerung und Vermahnung zu thun“, wollen aber nicht, „jemand so in etlichen Artikeln in ihrer Confession mit ihnen streitig in deutschen und fremden Landen in einige Gefahr, vielweniger aus dem Religionsfrieden setzen.“ Sie geben zu erwägen, „dass jetziger Zeit viele bedrängte Christen in Frankreich, Spanien, Niederlanden und anderen Orten sich befinden, welche die höchsten Punkte der christlichen Religion, de trinitate, de justificatione etc. lauter und nach Inhalt des göttlichen Worts und der Augsb. Conf. halten, daneben aber in dem Artikel des heil. Abendmahls von etlichen [225] Predigern und Lehrern nicht gleichförmig und der Augsb. Conf. gemäss durchaus geschrieben und gepredigt werde.“ Darüber bemerken sie dann weiter: sie wüssten gleichwohl auch, „dass unter denselben Scribenten und Predigern ein grosser Unterschied sei, denn Etliche unter ihnen den Zwinglianismum und Calvinismum.., die Andern aber einer solchen Obscurität sich gebrauchen, daraus nicht zu nehmen, was ihre gründliche Meinung, und ob sie sich mit den Ständen der Augsb. Conf. in dem vergleichen oder nicht. Nun lassen es die Stände an seinem Ort, können auch wohl glauben, dass diejenigen, so sich solcher Obscurität befleissigen, dem Calvinismo anhängig. Es sind aber ohne Zweifel unter dem gemeinen Mann der bedrängten Christen sehr viele, so die Lehre von wegen der Obscurität nicht verstehen, sondern sich an die Worte Christi halten, auch denselbigen dem einfältigen Verstand nach, wie sie de vera praesentia corporis et sanguinis Christi in usu gesetzt seyn, glauben und halten. Sollten dann nun nicht allein die Prediger, Lehrer und Scribenten, so sich gleichwohl allenthalben noch nicht erklärt, welche sich auch auf Unterredung referiren und sich weisen zu lassen entbieten; alsbald unerkannt, auch alle ihre Zuhörer mit dem Wort des Calvinismi und unter demselbigen Schein condemnirt, und aus dem Religionsfrieden oder in andere Gefahr gesetzt werden, so hätten sich dess nicht allein die Prediger, dass es wider die Form der christlichen Kirche geschehen, mit gutem Fug zu beschweren, sondern es würde auch viel armen Christen Gewalt und Unrecht dadurch geschehen ..“ Die Stände verstehen also das kaiserliche Decret nur dahin, „dass es allein in specie des Kurfürsten Person belange und eine ernstliche Vermahnung mit gebührlicher Bedrohung gegen Se. Kurfürstliche Gnaden von dem Calvinismo abzustehen in sich halte, dessen dann die Stände der Augsb. Conf. mit E. Kaiserl. Majestät wohl einig seien, sintemal sie dem Calvinismo mit nichten anhängig, auch derowegen den Kurfürsten selbst brüderlich, freundlich, unterthäniglich und zum emsigsten ermahnet und erinnert.
     „Ob auch solch Dekret darüber für gänzliche Exclusion des Kurfürsten Person vom Religionsfrieden also zu achten .. das haben die Gesandten der abwesenden Kur- und Fürsten sich zu erklären keinen Befehl, sie wollen aber solchem E. kaiserl. Majestaet Decret ausserhalb des klaren Buchstabens keinen Verstand nehmen noch geben.“ –


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