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RE:Ἐκκλησία

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ekklesia, die Volksversammlung aller Bürger in den griechischen Staaten
Band V,2 (1905) S. 21632200
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Ἐκκλησία heißt die Versammlung des Demos, die Volksversammlung. So in Athen, so in allen griechischen Staaten, in welchen nicht andere Ausdrücke, wie ἀλία, ἀλιαία, ἀπέλλα oder ἀγορά dafür verwendet werden. Sehr selten kommt ἐ. in einer andern als der eben angegebenen Bedeutung vor. Doch verdient Beachtung, dass auf Freilassungsurkunden von Elateia mit ἐν ἐννόμῳ ἐκκλησίᾳ. τῶν συνέδρων, selten nur ἐν ἐννόμῳ ἐκκλησίᾳ nicht die Volksversammlung, sondern die Versammlung des Rates bezeichnet wird. IG IX 120. 125. 126. 127 und dazu P. Paris Élatée 215 nr. 16 a. b; weiter IG IX 122. 124. In Elateia entsprechen wie auch anderswo die σύνεδροι der Bule, wofür IG IX 104: δεδόχθαι τοῖς τε συνέδροις καὶ τῷ δάμῳ, und 109: ἔδοξε τοῖς συνέδροις ... ἔδοξε καὶ ἐν τῷ δάμῳ als Beweis dienen mag. Für diesen Gebrauch von ἐ. finde ich sonst kein Beispiel.

Aus der Bedeutung von Volksversammlung entwickelt sich bei späten Schriftstellern auch diejenige von ,Ort oder Platz, wo Volksversammlungen abgehalten werden‘, wofür Schoemann De comitiis Atheniensium 28 Beispiele beigebracht hat, und weiter diejenige von ,Platz‘ ganz allgemein. Auf diesen Gebrauch von ἐ. hat v. Wilamowitz Gött. Gel. Anz. 1898, 676 hingewiesen und Oxyrhynchos Papyri XLIII verso: πρὸς τῇ βορινῇ ἐκκλησιᾳ in diesem Sinne erklärt.

In christlicher Zeit wird ἐ. zur Bezeichnung sowohl der Gemeinde der Gläubigen, als auch der Kirche verwendet. Das ist ja allgemein bekannt; es genüge, hier darauf hingewiesen zu haben.

Im folgenden wird ἐ. im Sinne von Volksversammlung behandelt werden.

Die übliche und meist vorkommende Schreibung ist ἐκκλησία. Daneben begegnet auch ἐκλησία: Ankyra, CIG 4028 = Arch.-epigr. Mitt. IX 117 nr. 74; [2164] Apollonia (Thraciae), CIG 2056d = Le Bas 1567 = Athen. Mitt. IX 216; Astypalaia, CIG 2484 = IG XII 3, 169; Delos, Bull. hell. X 37 nr. 25; Elateia, P. Paris Élatée 215 nr. 16 a; Eleutherna, 3. Jhdt. v. Chr., Bull. hell. XIII 47 nr. 1 Z. 14 = American Journal of Archaeology XI 583; Epiroten, 4. Jhdt. v. Chr., Arch.-epigr. Mitt. VI 33; Eresos, 4. Jhdt. v. Chr., IG XII 2, 526; Hieropolis, Journ. Hell. Stud. XI 250 nr. 25 a; Ilion (?), Le Bas 1743 c; Kos, Herzog Koische Forschungen 125 nr. 190; Kyaneai, Röm. Kaiserzeit, Heberdey-Kalinka Eine neue Ehrenliste aus Lykien (Serta Harteliana 1ff.) I 16 u. ö.; Lamia, 2. Jhdt. v. Chr., Athen. Mitt. VII 364 nr. 23; Lampsakos, CIG 3641 b; Laodikeia, Papers of the American School I 20 nr. 8; Magnesia a. Μ., 2. Jhdt. v. Chr., Kern Inschriften von Magnesia 103. 48; Mylasa, CIG 2693 c. 2694 b; Olbia, 3./2. Jhdt., CIG 2058 = Dittenberger Syll.2 226 = Latyschew 16, 57. 67. 85. 130, 1. Jhdt. Latyschew nr. 17 = Dittenberger Syll.2 324; Panamara, 2. Jhdt. v. Chr., Bull. hell. XVII 54; Rhodiapolis, 2. Jhdt n. Chr., Inschrift des Opramoas; Rhodos, IG XII 1, 3. Dazu kommt noch συνεκλησίαζειν, 2. Jhdt. v. Chr., IG IX 32 = Dittenberger Syll.2 426. Dazu kommen noch Fälle, wo ἐκλησία in der Bedeutung ,Kirche‘ sich inschriftlich findet, wie CIG 9268 = Wilhelm Wien. Denkschrift. XLIV 162 nr. 269; Delphi, Bull. hell. XXIII 274; Laodikeia Combusta, Athen. Mitt. XIII 252 nr. 55; Sabandja (Anatolien), Athen. Mitt. V 126; Phrygien, Journ. Hell. Stud. XVII 417 nr. 19. XXII 348 nr. 88. 362 nr. 126.

Diese Übersieht mag zeigen, daß in den verschiedenen Jahrhunderten und in den verschiedenen Orten die Schreibung mit einfachem κ vorkommt. Man beachte aber, daß an einem und demselben Ort, wie z. B. Astypalaia, Delos, Elateia, Kos, Magnesia, Mylasa, Olbia ἐκλησία die vereinzelte, ἐκκλησία aber die häufigere Schreibung ist. Man wird sich schwer entschließen, mit W. Schulze Ztschr. f. vergl. Sprachforschung XXXIII 369 anzunehmen, daß es eine weitverbreitete Nebenform mit einem κ, wenigstens auf griechischem Boden, gegeben habe. Ἐκλησία erklärt sich wie mir scheint nach Analogie anderer Fälle, wo statt Doppelkonsonanz der einfache Konsonant geschrieben wird. Man vgl. noch G. Meyer Griech. Grammatik 375. A. Wilhelm Gött. Gel. Anz. 1898, 203 und neuerdings Nachmanson Laute u. Formen der Magnetischen Inschriften 92.

Man unterschied ordentliche und außerordentliche Ekklesien. Ordentliche waren solche, welche zu einer bestimmten Zeit, zu der gesetzlich dafür vorgeschriebenen Zeit abgehalten, außerordentliche dagegen solche, welche in dringlichen Fällen außer der Zeit zusammenberufen wurden. Aischines II 72 nennt die ordentlichen Volksversammlungen τὰς τεταγμένας ἐκ τῶν νόμων im Gegensatz zu den außerordentlichen, die er συγκλήτους nennt. Und dieser Ausdruck σύγκλητος war außer in Athen (s. außer den Beispielen bei Reusch De diebus contionum ordinariarum apud Athenienses 5 noch Bull. hell. XVI 374 nr. 2 II 3) auch in andern Staaten üblich, wie in Larissa, Athen. Mitt. VII 61; beim Achaeischen Bunde, Polyb. XXIX 9. IG VII 411; Synonyme von σύγκλητος [2165] sind πρόσκλητος, Aigiale auf Amorgos, Athen. Mitt. X 120 nr. 21; Neapolis, IG XIV 757. 760; Delphi, Bull. hell. XXIII 493 Anm. 3 und ἐπείσκλητος Korkyra, Kern Inschriften von Magnesia 44. Hierher gehört doch wohl auch ἔσκλητος auf der Inschrift von Rheginm, IG XIV 612 = Dittenberger Syll.2 323: ἔδοξε τᾷ ἁλίᾳ καθάπερ τᾷ ἔσκλητῳ καὶ τᾷ βουλά; freilich wird hier ἔσκλητος für eine kleinere Versammlung erklärt, welche zwischen dem Rat und der ἁλία stand, was mir sehr mißlich erscheint. Kann es nicht so erklärt werden: Beschluß der (ordentlichen) Volksversammlung, wie auch der außerordentlichen und des Rates? – allerdings muß man dann annehmen, daß mit derselben Sache sich zwei Volksversammlungen beschäftigten, was vorkam und worüber weiter unten gehandelt werden wird. Bestätigt wird meine Annahme durch Akragas, IG XIV 952: ἔδοξε τᾷ ἁλίᾳ καθὰ καὶ τᾷ συνκλήτῳ; der Rat heißt da βουλά, und nicht wie man will σύγκλητος, das hier seine gewöhnliche Bedeutung hat. Für die ordentliche Ekklesie ist κυρία der gebräuchlichste Ausdruck. Athen s. Reusch a. a. O. 1ff.; Mylasa Le Bas 377f. = Dittenberger Syll.2 95; Milet Dittenberger Syll.2 314; Lissa Denkschriften Akad. Wien XLIV 19 nr. 1. Journ. Hell. Stud. IX 88 nr. 1. 2; Telmessos in Lykien Bull. hell. XIV 162 nr. 1; Praisos auf Kreta Museo Italiano III 600 nr. 30; Magnesia a. M. Kern Inschriften 9. 10. 11; Delos Bull. hell. X 35. 37 u. ö. Synonyme von κυρία sind ἔννομος, Thera IG XII 3, 325. 326; Antikyra und Ambryssos IG IX 1–3. 11; Demetrias Athen. Mitt. VII 71 II 2, vgl. mit I a 3; Chaleion CIG 1567 = Collitz Dial.-Inschr. 1476; Delphi Bull. hell. V 157, νομαία Samos Vischer Kl. Schrift. II 143; Magnesia a. M. Kern Inschriften 98 nr. 5 (hier νομαίας κυρίας), und νόμιμος Aitoler Bull. hell. VI 460; Ephesos Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCLXXXI 340. Hierher gehören auch die Ausdrücke ἀρχαιρεσιακὴ ἐκκλησία und ἀρχαιρετικὴ ἐκκλησία, welche dem Gegenstande, weicher allein oder doch wenigstens ausschließlich in dieser Ekklesie, welche natürlich eine ordentliche war, verhandelt wurde, entlehnt sind; s. Lykischer Bund (Petersen Reisen in das südwestl. Kleinasien II 184 nr. 236 und Opramoasinschrift) und Olbia Dittenberger Syll.2 324.

Während naturgemäß die außerordentlichen Volksversammlungen nur nach Bedarf einberufen wurden, ihre Zahl also nicht bestimmt war, gilt für die ordentlichen der Grundsatz, daß sie in bestimmten und gesetzlich geregelten Perioden zusammentraten. In Athen fanden anfangs in der Prytanie drei, später vier Ekklesien statt. Die Zeugnisse findet man bei Reusch De diebus contionum ordinariarum apud Athenienses 49 zusammengestellt, wozu jetzt Aristoteles Ἀθ. πολ. 44 hinzukommt, vgl. noch B. Keil Herm. XXXIV 199. In Kyzikos fanden im Monat drei Volksversammlungen statt, das erhellt aus der Formel: ὁ δεῖνα μέσης ἐπὶ τοῦ δεῖνα εἶπεν, S.-Ber. Akad. Berl. 1874, 16 nr. 3 = Bull. hell. VI 613 ebd. nr. 4 = Dittenberger Syll.2 365. Athen. Mitt. XVI 141 = Dittenberger Syll.2 366. CIG 3657. Richtig wird μέσης (sc. ἐκκλησίας) auf die Ekklesie bezogen, also daß, wo es eine μέση ἐκκλησία gab, auch eine erste und dritte abgehalten [2166] sein müssen und zwar, da es in Kyzikos, wie wir weiter unten sehen werden, monatlich wechselnde Prytanien gab, im Laufe eines Monats oder einer Prytanie. Daß aber hier ebensowenig wie in Athen die drei Ekklesien jeden Monats an einen bestimmten Tag gebunden waren, zeigen die überlieferten Daten. Anderswo fand monatlich nur eine Ekklesie statt, selbst in so großen Gemeinwesen wie in Rhodos; für letzteren Ort erhellt das deutlich aus IG XII 1, 3 ἐν τᾷ ἐκκλησίᾳ ἐν τῷ Άρταμιτιῶνι μηνί, verglichen mit Denkschriften Akad. Wien a. a. O.: τοῖσδε ἐδόθησαν προξενῖαι· ἐπὶ μίαν ἐκκλησίαν· Δαισίου· Βαδρομίου· ἔδοξεν τῷ δάμῳ ἐν τᾷ δεύτερον ἐκκλησία – hätten in Rhodos monatlich mehrere Ekklesien gesetzlich abgehalten werden müssen, wäre doch das Datum hinzugesetzt worden, außerdem weist doch in der zuerst angeführten Inschrift der hinzugefügte Artikel (ἐν τᾷ ἐκκλησίᾳ ἐν τῷ Άρταμιτιῶνι μηνί) darauf hin, daß nur eine, und zwar die ordentliche Ekklesie des Monats gemeint sein kann. Gerade dieser bestimmte Artikel kehrt auch auf einer delphischen Inschrift wieder καταγραψάντω οἱ ἀρχοντες ἀεὶ οἱ ἔναρχοὶ ἐν τῷ μηνὶ τῷ Ποιτροπίῳ ἐν τᾷ ἐννόμῳ ἐκκλησίᾳ (Bull. hell. V 157 = Dittenberger Syll.2 306), woraus Dittenberger den Schluß zog, singulas singulis mensibus fuisse contiones ordinarias. Für Magnesia a. M. hat v. Wilamowitz (Gött. Gel. Anzeigen 1900, 579) aus den Tagdaten vermutet, daß mindestens eine νομαία im Monat gehalten ward. Dasselbe gilt für Demetrias: ὅταν δὲ ᾖ ἔν[νομος ἐκκλη]σία ἐν τῷ Άφροδισιῶνι μηνί und τοῦ Άρτεμισιῶνος μηνὸς πρὸ τῆς ἐκκλησίας ἐννόμου, Athen. Mitt. VII 71 II 2 = Dittenberger Syll.2 790 und I a 3. Die Lesung ὅταν δὲ ᾖ ἔννομος ἐκκλησία bestätigt Kern Festschrift für Otto Hirschfeld 323.

Für Athen und auch für Kyzikos, wie wir oben gesehen haben, lassen sich keine bestimmten Tage für die Ekklesien nachweisen. Es gilt als Ausnahme, wenn eine Ekklesie auf einen bestimmten Tag fällt, wie in Athen die erste Volksversammlung des Jahres regelmäßig am elften Tag der ersten Prytanie, das ist am 11. Hekatombaion (R. Schoell S.-Ber. Akad. Münch. 1886, 85 und Reusch a. a. O. 57. 95), und die ἐκκλησία ἐν Διονύσου am Tag nach dem Fest der Pandien abgehalten zu werden pflegte. Aus andern Städten erfahren wir, daß z. B. in Magnesia a. M. am 2. Artemision, in Epidauros am 4. Apellaios regelmäßig in jedem Jahre eine Ekklesie stattfand. Kern Inschriften von Magnesia 100 = Dittenberger Syll.2 552. 75. IG IV 925. Ἐφημ. ἀρχ. 1901, 60. Die Ekklesien der übrigen Monate scheinen aber nicht an einen bestimmten Tag gebunden gewesen zu sein.

Anderwärts wieder ist die Versammlung jeden Monats auf einen bestimmten Tag fixiert. In Iasos ist es der sechste Monatstag, Bull. hell. VIII 219 = Journ. Hell. Stud. VIII 104. CIG 2676. Journ. Hell. Stud. VIII 101. IX 340 nr. 2. 3. 4, darnach ist Bull. hell. XIII 25 Z. 22 zu ergänzen; in Olymos der zwanzigste Monatstag, Le Bas 328. 339. = Athen. Mitt. XIV 387. 391. Athen. Mitt. XIV 384 nr. 8. Das sind Volksbeschlüsse; die sonst daher erhaltenen Tagesdaten: δευτέρᾳ Le Bas 327 = Athen. Mitt. XIV 371; [2167] wonach 370 nr. 2 zu ergänzen ist, τετράδι ἀνιόντος Athen. Mitt. XIV 376 nr. 4, τρίτῃ ἐπὶ δέκα S.-Ber. Akad. Wien CXXXII 4 nr. 1 entstammen nicht Psephismen, sondern sind Daten der Einschreibung der betreffenden Pächter in die städtischen Register oder der Übernahme der Pacht oder dgl. Hierher gehört, wie ich glaube, auch die Stadt Demetrias, deren Beschlüsse am zehnten Monatstag abgefaßt sind, so Athen. Mitt. VI 304, dazu Holleaux Revue des études grecques X 279. VII 71 I Z. 1 (Monat Areios). II 21 (Artemision). VI 75 mit Wilhelms Bemerkungen. XV 285 (Aphrodision). XV 283 mit Holleaux’ Bemerkung a. a. O. 302 Anm. 3, das unmittelbar davor stehende Datum μηνὸς Ά]φροδισιῶνος ιη' ist, wie Wilhelm angibt, durch freien Raum von dem Folgenden getrennt und gehört offenbar nicht dazu, die Beziehung der zwei Daten μηνὸς Ἀ]φροδισιῶνος ιη'. Σ[τρατηγοῦντος τοῦ δεῖνα· μη]νὸς Ἀφροδισιῶνος δεκάτηι auf die verschiedenen Stadien des Zustandekommens des Beschlusses, so daß derselbe am 18. Artemision in der Ekklesie, am 10. dagegen im Synedrion zur Annahme gelangt sei, ist ohne Analogon und widerspricht dem überall beachteten Grundsatz, daß der Beschluß der vorberatenden Synedroi an sich ganz nichtig ist und erst durch seine Annahme und Gutheißung in der Ekklesie überhaupt gültig wird. Diesen fünf Angaben des zehnten Monatstags steht entgegen Athen. Mitt. VII 71 Ι a = Holleaux Revue de philologie XXI 186: τάς δὲ τούτων δορὰς πωλεῖσθαὶ ἀπὸ τοῦ [παρόντος κατ'] ἐνιαυτὸν ὑπὸ κήρυκα τῆς ἕκτηι ἐπὶ δέκα τοῦ Άρτεμισι[ῶνος μη]νὸς πρὸ τῆς ἐκκλησίας γινομένης ἐννόμου ἀπὸ τοῦ [συνεδ]ρίου ὑπὸ τῶν προγεγραμμένων ἀρχόντων. Ist Holleaux’ Ergänzung συνεδρίου und seine Erklärung desselben als Bundesrat der Magneten richtig, dann haben wir ja überhaupt kein Psephisma der Stadt Demetrias, sondern des Magnetischen Bundes vor uns. Von diesem Gesichtspunkt aus erkläre ich auch auf der eben besprochenen Inschrift den 10. Aphrodision als Sitzungstag der Stadt Demetrias, den 18. dagegen als solchen des Magnetischen Bundes. Der Stein hat also zwei verschiedene Beschlüsse getragen.

Wo fanden die Ekklesien statt? Ein eigenes Gebäude, das wie von βουλὴ βουλευτήριον so von ἐκκλησία ἐκκλησιαστήριον genannt wurde, für die Abhaltung der Volksversammlungen wird nur vereinzelt erwähnt, wie es auf delischen Inschriften häufiger ἐκκλησία κυρία ἐν ἐκκλησιαστηρίῳ heißt, Bull. hell. X 35 nr. 19. 37 nr. 25. XIII 250 nr. 13. 420. CIG 2270, und in Olbia ἐπὶ τοῦ λίθου τοῦ ἐν τῷ ἐκκλησιαστηρίῳ, Latyschew Inscriptiones Orae sept. Ponti Euxini I 11 = Dittenberger Svll.2 546. In Trailers erwähnt ein Ekklesiasterion Vitruv VII 5, 5. H. Schrader Archaeol. Anzeig. XII 184 entdeckte in Priene einen rechteckigen Bau, der große Ähnlichkeit mit einem griechischen Theater hat – man vgl. Vitruv a. a. O.: cum Apaturius Alabandeus eleganti manu finxisset scaenam in minusculo theatro quod ἐκκλησιαστήριον apud eos vocitatur – und schwankte bei der Bestimmung desselben zwischen einem Buleuterion oder einem Volksversammlungshaus, ist aber hauptsächlich durch die an allen drei Außenseiten des Gebäudes sich findenden Zeichen ↀΕ, [2168] die Benndorf in ὅρος ἐκκλησιαστηρίου auflöste, bewogen mehr geneigt, ein Volksversammlungshaus darin wiederzuerkennen. Benndorfs Auflösung der Zeichen ist nicht einleuchtend, denn was soll ὅρος? Weiter hat das Gebäude nur Platz für 600 Personen, wie Schrader selbst angibt, das spricht nicht für ein Ekklesiasterion. Nun ist aber ein gleichartiger Bau in Milet gefunden worden, der inschriftlich als Buleuterion nachgewiesen ist, Wiegand S.-Ber. Akad. Berlin 1901, 904 und Hülsen Das humanistische Gymnasium XIV 24. Damit ist auch die Frage für Priene erledigt. Ähnliche Bauten wie in Priene sind auch in Lusoi (Österr. Jahresh. IV 22), in Thera (Studniczka Gött. Gel. Anzeigen 1901, 549) und Herakleia am Latmos (Fredrich Westermanns Monatshefte 1901, 62) aufgefunden und als Buleuterien angesprochen worden. Gewöhnlich wurden aber die Ekklesien entweder auf eigenen, dafür hergerichteten Plätzen oder aber in Gebäuden, die eigentlich andern Zwecken dienten, abgehalten. In Sparta wurden die Volksversammlungen auf einem Platz zwischen Babyka und Knakion (Plut. Lyk. 6), später aber in einem Gebäude, das Skias genannt wurde, abgehalten (Paus. III 12, 8. Urlichs Rh. Mus. VI 216), in Athen versammelte sich das Volk auf der Agora, und zwar in allen Fällen, wo κρύβδην abgestimmt und für die Gültigkeit des Beschlusses 6000 Stimmen erfordert wurden (s. u.), Philochoros FHG I 396, ferner auf der Pnyx, hier regelmäßig, wenn es nicht auf der Agora oder im Dionysostheater tagte, bis zur demosthenischen Zeit, später nur bei den Archairesien, Pollux VIII 132, im Dionysostheater, hier früher nur in bestimmten Fällen, später allgemein, und endlich im Peiraieus, und zwar im Dionysostheater, am Abhang des Munychiahügels, hier bei allen die Werften oder Seerüstungen und ähnliche Angelegenheiten betreffenden Beratungen. Wachsmuth Die Stadt Athen I 320. II 6. 312 u. ö. Auf Inschriften begegnen daher oft Wendungen wie ἐκκλησία ἐν Διονύσου oder ἐν Πειραιεῖ, wofür ich auf Dittenberger Syll.2 495. 635 und Bull. hell. XVI 370 verweise. Wie in Athen tagte auch in andern Städten die Volksversammlung im Theater, wie in Milet, Dittenberger Syll.2 314, 46, Ephesos, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCLXXXI, Rhodos, Cic. de rep. III 48, Syrakus, Iustin. XXII 2, 9. Auch in einem Tempel fanden Ekklesien statt, wie in Arkesine auf Amorgos ἐν τῷ ναῷ τοῦ Δηλίεως Ἀπόλλωνος, Athen. Mitt. XI 112 = Dümmler Kl. Schriften II 510, womit man vergleichen kann, daß auf Delos das κοινὸν τῶν Τυρίων Ήρακλειστῶν ἐμπόρων καὶ ναυκλήρων seine ἐκκλησία ἐν τῷ ίεροῷ τοῦ Ἀπόλλωνος abhält, CIG 2271 = Michel Recueil 998. Was man unter dem Odysseion auf Ithaka, worin die ἐ. tagte (Kern Inschriften von Magnesia 36), sich vorzustellen hat, weiß ich nicht: so sehr das Odysseion zu Ithaka paßt, so wenig will es mir einleuchten, daß es ein eigens für die Volksversammlungen errichteter Bau gewesen sei, wie das Ekklesiasterion in Delos. Übrigens wird wie in Athen so auch in Halikarnass die Agora (Dittenberger Syll.2 10) als Versammlungsort des Volkes erwähnt. Bei den Bünden wird als Synedrionlokal der Amphiktionen die Πυλαία und als das der [2169] Phoker τὸ Φωκικόν genannt; Pomtow Beiträge zur Topographie Delphis 74. Paus. X 5, 1.

Die Zahl der Teilnehmer an einer Volksversammlung war keine fest normierte und bestimmte, sondern jeder Bürger hatte das Recht der Teilnahme. In dem Sympolitievertrag zwischen Stiris und Medeon (2. Jhdt. v. Chr., IG IX 32) wird ausdrücklich festgesetzt: εἶμεν τοὺς Μεδεωνίους πάντας Στιρίους ἴσους καὶ ὁμοίους καὶ συνεκλησιάζειν καὶ συναρχοστατεῖσθαι μετὰ τᾶς πόλιος τᾶς Στιρίων. Und Bürger war wie in Athen so anderswo jeder, welcher von Vaters- und Muttersseite von Bürgern abstammte, ein bestimmtes Alter (meist wohl wie in Athen 18 Jahre) erreicht hatte und in die Bürgerrolle eingetragen war, Aristot. Ἀθ. πολ. 42. In Sparta mußte jeder Besucher der Volksversammlung das 30. Lebensjahr überschritten haben, s. Gilbert Handb. d. griech. Staatsaltertümer I 55, das ist, soviel ich weiß, das einzige Beispiel, sonst bekam, wie es scheint, jeder Grieche, sobald er volljährig war, auch das Recht, an der Ekklesie seiner Vaterstadt teilzunehmen. Freilich ist es fraglich, ob er es auch tatsächlich sofort nach der Volljährigkeitserklärung ausübte; in Athen wenigstens werden tatsächlich die Epheben wohl selten an den Ekklesien teilgenommen haben, weil sie noch militärisch ausgebildet wurden, das darf man wohl schließen aus Aristoteles Worten: καὶ δίκην οὔτε διδόασιν οὔτε λαμβάνουσι ἴνα μὴ πρόφασις ᾗ τοῦ ἀπίεναι, denn der Grund für die Nichtteilnahme ist doch in beiden Fällen derselbe. In der Praxis werden also die Bürger erst mit dem 20. Jahr an der Ekklesie teilgenommen haben. In einer Inschrift aus Ptolemais – Bull. hell. XXI 189 n. 3 – worin Prytanen wegen Wiederherstellung der Ordnung in der Volksversammlung belobt werden, kommen auch οἱ νεώτεροι καὶ οἱ ἄλλοι πολῖται vor, aber abgesehen davon, dass der Text vielfach zerstört und keineswegs sicher hergestellt ist, wissen wir ja auch gar nicht, was für ein Lebensalter die νεώτεροι umfassen. Der Herausgeber Jouguet setzt sie den νέοι gleich und vergleicht sie den athenischen Epheben, aber das ist doch ganz unsicher, in der Tat steht doch νεώτεροι nicht νέοι auf dem Stein. Wenn aber gesagt war, daß jeder Bürger das Recht der Teilnahme an der Ekklesie hatte, so ist doch noch zu bemerken, daß dieser Bürger im Vollbesitz der politischen Rechte sein mußte; ausgeschlossen vom Besuche waren alle, welche ἄτιμοι waren, welchen also die politischen Rechte entzogen waren. Und die Atimie konnte eine vollständige oder teilweise sein; zu der letzteren Kategorie gehörten die Staatsschuldner oder die Schuldner an Tempeln und Heiligtümern; wenn sie ihre Schulden bezahlt hatten, waren sie wieder ἐπίτιμοι. Dafür verweise ich auf die Inschrift von Oiantheia IGA 322 ἀπὸ Λοκρῶν εἶμεν ἔντε κ' ἀποτείσῃ τὰ νόμια Ναυπακτίοις, wozu man vgl. ὄστις δὲ κα ζαμίαν ὀφείλῃ ἄτιμος ἔστω Ιέντε κ' ἀποτείσῃ in der Labyadeninschrift Bull. hell. XIX 1. Keil Herm. XXXI 515. Wenn also eine Ekklesie so viele Teilnehmer haben konnte als Bürger da waren und die Höchstzahl der Besucher nicht begrenzt war, so war auf der andern Seite eine Mindestzahl derselben an manchen Orten vorgeschrieben, welche zur gesetzlichen Beschlußfassung nötig war. Bekannt [2170] ist auf delphischen Inschriften die Formel σὺν ψάφοις ταῖς ἐννόμοις oder σὺν ψάφω τᾷ ἐννόμῳ, Bull. hell. XIV 136. XXIII 542 u. ö., wozu man noch vgl. Magnesia a. M. ἐκκλησίας κυρίας γενομένης ὑπὲρ ἐξακοσίων, Kern Inschriften 4. 5. 9–11. Hier waren also wenigstens 600 Stimmen nötig, und zwar offenbar in allen Fällen, während in Athen nur in gewissen Fällen wenigstens 6000 Stimmen abgegeben werden mußten, um einen gültigen Beschluß zu fassen. Diese Mindestzahl von 6000 Stimmen war erforderlich bei allen ψηφίσματα ἐπ' ἀνδρί, so bei Bürgerrechtsverleihung, ἄδεια und Ostrakismos, Szanto Bürgerrecht 40.

Auf Inschriften finden sich folgende Zahlen von abgegebenen Stimmen. Athen 3461 gegen 155 Stimmen mit ,Nein‘ Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 165; in IG II 488. II 5, 489 d sind die Zahlen zerstört; Magnesia a. M. 4678, das andremal 2113, das drittemal 3580 (Kern Inschr. v. Magnesia 92 a. 92 b. 74); in Knidos Ancient Greek Inscriptions in the Brit. Mus. DCCLXXXVIII u. Kos, Paton-Hicks Inscriptions of Cos 384 sind die Zahlen weggebrochen; in Halikarnass im Rat 100, in der Ekklesie 4000 (Paton-Hicks Inscriptions of Cos 13) und 92 bzw. 1200 Bull. hell. XIV 96. Die Inschriften aus Anaphe, IG XII 3, 249 (95 Stimmen) und aus Aphrodisias, Bull. hell. IX 76 (200), beziehen sich auf Abstimmungen in der Bule. Leider ist aber das Material, welches uns die Zahl abgegebener Stimmen kennen lehrt, zu gering, um irgendwie Schlüsse daraus zu ziehen, es sei denn, daß man sich die sehr schwankende Zahl der an den Ekklesien Teilnehmenden daran veranschaulichen kann. Jedenfalls war die geringe Beteiligung wohl der Hauptgrund, daß in vielen griechischen Staaten ein Sold für den Besuch der Volksversammlungen eingeführt wurde, wie auch Aristot. Ἀθ. πολ. 41 annimmt. Natürlich hatte der geringe Besuch der Ekklesien in allen den Fällen nachteilige Folgen für das ganze Staatswesen, in welchen, wie wir gesehen haben, eine Mindestzahl von Stimmen zur Fassung eines gesetzmäßigen Beschlusses erforderlich war. Wenn naturgemäß die Einführung des Soldes wie in Athen so auch in anderen Staaten den Armen und Ärmsten den Besuch der Volksversammlungen ermöglichte und damit das demokratische Element stärkte – εἰς αὐτόν γὰρ ἀνάγει τὰς κρίσεις πάσας ὁ δῆμος εὐπορῶν μισθοῦ sagt Aristoteles Pol. VII 2 –, so mag dies neben dem oben Angeführten ein weiterer Grund dafür gewesen sein. Jedenfalls finden wir außer in Athen auch anderswo das ἐκκλησιαστικόν eingeführt. In der zuerstgenannten Stadt betrug es anfangs 1 Obol, dann 3 Obolen, so Aristophanes Ekkl. 292. 300. 380. 392; Plut. 329 oder genauer anfangs 1 Obol, dann 2 Obolen, schließlich 3 Obolen, so Aristoteles Ἀθ. πολ. 41, während ebd. 42: μισθοφοροῦσιν δὲ πρώτον ταῖς μὲν ἄλλαις ἐκκλησίαις δραχμήν, τῇ δὲ κυρίᾳ ἐννέα ⟨ὀβολούς⟩ stark verderbt ist und durch die Einschiebung von μὲν ὁ δῆμος nach πρῶτον nicht genügend geheilt scheint, da der Widerspruch alsdann mit cap. 41 bestehen bleibt; statt μὲν ὁ δῆμος ist etwa einzusetzen: ὁ μὲν δῆμος τρεῖς ὀβολούς. οἱ δὲ πρόεδροι ταῖς μὲν ἄλλαις ἐκκλησίαις δραχμήν, τῇ δὲ κυρίᾳ ἐννέα ὀβολούς. In Iasos war auch ein ἐκκλησιαστικόν eingeführt, und hier empfangen deutlich [2171] die Leiter der Ekklesie und neben ihnen die mit gewissen Geschäften zur Aufrechterhaltung der Ordnung und mit Auszahlung des Ekklesiastikons betrauten Neopoien mehr als die andern Teilnehmer: τοὺς μὲν [πρυτάνεις κ]αὶ τοὺς [ν]εωποίας ἑκάστου μηνὸς τῇ νουμηνίᾳ [λαβεῖν δραχμὰς ἑκα]τὸν ὀγδοήκοντα ἐκκλησιαστικὸν, τοὺς δ[ὲ ἄλλους τριώβολον (?) ἑκά]στου μηνὸς ἕκτῃ ἱσταμένου, Bull. hell. VIII 218 = Journ. Hell. Stud. VIII 103. Diese Herstellung trifft im ganzen wohl das Richtige, mögen im einzelnen auch neue Funde uns eines Besseren belehren. Klar ist ja der Gegensatz zwischen den Beamteten und den gewöhnlichen Besuchern der Volksversammlung, klar auch, dass für die ersteren ein höherer Betrag ausgeworfen ist, als für die letzteren, klar auch die Verschiedenheit des Terrains der Auszahlung; der sechste Tag jeden Monats ist in Ιasos der Tag der regelmässigen Ekklesie, s. o. Nach dieser Analogie darf man wohl auch in Athen einen höheren Betrag für die Leiter als für die Besucher der Ekklesie voraussetzen und unter dieser Voraussetzung auch die angeführte Aristotelesstelle anders ergänzen, als man gewöhnlich zu tun pflegt. Außer in Athen und Iasos gab es auch in Rhodos einen Ekklesiastensold, Aristot. Pol. VIII 5. Cic. de rep. III 48, der das griechische Ekklesiastikon conventicium nennt.

Um nun Nichtberechtigte vom Besuch der Volksversammlung fernzuhalten, was an sich immer wichtig und nötig war, eine erhöhte Bedeutung aber noch gewann seit der Einführung des Ekklesiastikons, waren in verschiedenen Staaten verschiedene Beamte bestellt. In Iasos waren die Neopoien, je einer für jede Phyle, damit betraut, von jedem Besucher eine Marke entgegenzunehmen und alle abgegebenen Marken in ein neben ihnen stehendes κιβώτιον zu werfen, das versiegelt war und von denen jedes den Namen einer Phyle trug. Das nach dem Schluß der Ekklesie entsiegelte und geleerte Gefäß ergab also Zahl und Namen der Teilnehmer – es versteht sich von selbst, daß die Marke den Namen des Besitzers trug, vgl. ὁ νεωποίης καλείσθω τὰ ὀνόματα πατρόθεν, die er doch wohl abgelesen haben wird – und die darin gefundenen Marken galten als Ausweis für den Besuch der Ekklesie und als Legitimation für den Empfang des Soldes, Bull. hell. VIII 218 = Journ. Hell. Stud. VIII 103. Ähnliche Einrichtungen haben natürlich überall bestanden. Mit der Kontrolle der zur Volksversammlung Kommenden waren in Athen die sechs ληξίαρχοι und die 30 Beigeordneten, die συλλογεῖς τοῦ δήμου oder die τριάκοντα des Pollux, eine Kommission aus je drei Mann aus jeder Sektion des Rates, betraut; Köhler Athen. Mitt. VII 103. Dieselbe Kommission verteilte auch die Marken, die σύμβολα, welche bei dem Besuch der Ekklesie von ihren Inhabern abgegeben wurden, um später beim Auszahlen des Ekklesiastikon als Legitimation zu dienen, IG II 872 mit Köhlers Bemerkungen a. a. O., vgl. Wiener Studien 1881, 209. Wer die Marke in Empfang nahm, die Ekklesie aber nicht besuchte, wurde bestraft: ληξίαρχοι ... unter Assistenz der τριάκοντα (das sind die eben erwähnten συλλογεῖς τοῦ δήμου) τοὺς μὴ ἐκκλησιάζοντας ἐζημίουν καὶ τοὺς ἐκκλησιάζοντας ἐξήταζον sagt Pollux VIII 104. [2172] Eigentümlich war den griechischen Ekklesien, gegenüber den römischen Comitien, daß die Teilnehmer an denselben saßen. Das hebt Cicero pro Flacc. 16 besonders hervor: Graecorum autem totae respublicae sedentis contionis temeritate administrantur ... cum in theatro (wo die Volksversammlung tagte) imperiti homines rerum omnium rudes ignarique consederant ... Schon in der heroischen Zeit saß man in der Volksversammlung und ebenso auch überall in der späteren Zeit. Curtius Griech. Geschichte I3 172 zwar behauptet, daß in Sparta die Volksversammlungen stehend abgemacht seien; aber nach Thukydides Beschreibung der Vorgänge einer solchen Ekklesie kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Curtius Ansicht verkehrt ist. Denn ausdrücklich legt er (I 87) dem Präsidenten Sthenelaidas die Worte in den Mund: ὅτῳ μὲν ὑμῶν δοκοῦσὶ λελύσθαι αἱ σπονδαὶ ... ἀναστήτω ἐς ἐκεῖνο τὸ χωρίον · ὅτῳ δὲ μὴ δοκοῦσιν, ἐς τὰ ἐπὶ θάτερα und ihnen entspricht genau das Folgende: ἀναστάντες δὲ διέστησαν – also die Spartaner erhoben sich von ihren Sitzen und traten dann auf die eine oder andere Seite, je nachdem sie für oder gegen den Krieg waren. Damit fällt denn auch Curtius in den Attischen Studien I 56 u. ö. geäusserte Ansicht, daß das Sitzen in der Ekklesie in demokratischen, das Stehen in derselben in monarchischen oder aristokratischen Staaten üblich gewesen sei. Eingehend hat darüber W. Vischer Kl. Schriften I 402 gehandelt. Interessant und einzig in ihrer Art ist eine Inschrift aus Arkesine auf Amorgas (Dümmler Kl. Schr. II 510 = Athen. Mitt. XI 112), worin es heißt von dem Präsidenten der ἔννομος ἐκκλησία: ἀνα]στὰς εἶπεν, worauf einige Worte seiner Rede folgen.

Die Versammelten saßen in Athen ohne Rücksicht auf die Phylen, zu denen sie gehörten, also wie sie kamen oder wie sie wollten. Nur bei den Versammlungen, in denen Beschlüsse, worüber man mit Stimmsteinen abstimmte, gefaßt wurden, fand eine Sonderung nach Phylen statt, wofür ich auf Busolt Staatsaltert. 259 und Fränkel Ztschr. f. Numism. III 386 verweise. Dies gilt für Athen. In Ephesos dagegen tagte die Volksversammlung im Theater und hier waren jedenfalls im 2. Jhdt. n. Chr. den einzelnen Phylen einzelne Keile – σελίδες – des Zuschauerraumes zugewiesen. Ancient greek Inscriptions in the Brit. Mus. CCCCLXXXI. DXCIV = CIL III 6065,[1] vor allem aber Österr. Jahresh. II Beibl. 44. Auch in Iasos – Bull. hell. VIII 218 = Journ. Hell. Stud. VIII 104 – scheint man phylenweise gesessen zu haben, jedenfalls waren hier bei den Volksversammlungen Urnen, jede mit dem Namen einer Phyle bezeichnet, aufgestellt und jeder Teilnehmer gab seine Marke dem Neopoios seiner Phyle, der sie dann in die Urne warf.

Die Volksversammlungen fanden meist früh am Morgen statt. Für Athen steht das durch zahlreiche Zeugnisse fest, Aristoph. Thesm. 376; Eccl. 20. 85. 291; Ach. 20, was Plat. leg. XII 961 B bestätigt: δεῖ δὲ ὄρθριον εἶναι τὸν σύλλογον. Aus andern Staaten steht mir für diesen Brauch nur ein Zeugnis zur Verfügung, nämlich in Iasos heißt es in der bereits besprochenen Inschrift, welche den Empfang des Ekklesiastensoldes regelt: καὶ ταῖς [ἐκκλη]σίαις ἐκτιθέναι ἅμὰ τῇ ἡμέρᾳ [2173] κεράμιον, und dies ἅμα τῇ ἡμέρᾳ wird unmittelbar darauf durch ἅμα τῷ ἡλίῳ ἀνατέλλοντι erläutert, Bull. hell. VIII 218 = Journ. Hell. Stud. VIII 103. Die Volksversammlung, welche in Athen nach der Arginusenschlacht mit dem Schicksal der Feldherren sich beschäftigte und nach Xen. hell. I 7, 7 abgebrochen wurde, τότε γὰρ ὀψὲ ἧν καὶ τὰς χεῖρας οὐκ ἂν καθεώρων, kann sehr wohl am frühen Morgen begonnen haben. Schon in homerischer Zeit war die Abhaltung einer Volksversammlung am Nachmittage etwas Ungewöhnliches und Ordnungswidriges, Od. III 137.

In Athen wurde kurz vor dem Beginn der Volksversammlung ein σημεῖον, wohl eine Fahne, da wo dieselbe stattfinden sollte, aufgezogen, Aristoph. Thesm. 277. Suid. s. σημεῖον. Die Volksversammlung selbst begann – nachdem vorher die Prytanen über ihren voraussichtlich guten Verlauf durch dargebrachte Opfer sich vergewissert hatten, τὰ πρὸ τῶν ἐκκλησιῶν ἔθυον heißt es auf Inschriften; bei einem schlechten Ausfall der Opfer konnte sie natürlich nicht abgehalten werden – mit einem religiösen Akt. Unter Vortritt eines priesterlichen Beamten, des περιστίαρχος, wurden geschlachtete Ferkel um das versammelte Volk herumgetragen und mit ihrem Blut die Sitze besprengt, Suid. s. περιστίαρχος. Harpokr. Poll. VIII 104. Aristoph. Ekkl. 128; Acharn. 43. Aeschin. I 23. Nach dem Peristiarchos schritt der Herold mit Räucherwerk, dann erst eröffnete er die Versammlung mit einem Gebet an die Götter um Segen für die, welche Gutes raten und das Wohl des Landes fördern, und mit einem Fluch über die, welche Tyrannis für sich oder andere erstreben, die Psephismen und Gesetze aus eigennütziger Absicht ändern, die Eide übertreten, den Feinden ἀπόρρητα verraten, die Meder ins Land bringen und Münze und Maße fälschen. Eine freie Nachbildung dieser ἀρά bei Aristoph. Thesm. 295f., dazu v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 443.

Das meist vorkommende Wort für das Leiten der Verhandlungen in der Volksversammlung ist ἐπιστατεῖν. So heißt es in Athen regelmäßig vor Euklid und auch noch einige Zeit nach Euklid ὁ δεῖνα ἐπεστάτει. Auch in andern Staaten ist dies Wort in diesem Sinne üblich wie Kos, Herzog Koische Forschungen nr. 3; Astypalaia IG XII 3, 169. 170: Aigiale Dittenberger Syll.2 255. Bull. hell. VIII 450. XXIII 392 nr. 2; Zeleia Athen. Mitt. VI 229 = Dittenberger Syll.2 154; Skepsis Österr. Jahresh. III 54; Kyzikos Athen. Mitt. VI 121; Kyme Michel 511 u. ö. Neben ἐπιστατείν kommt in demselben Sinne sehr oft ἐπιψηφίζειν oder ἐπιψηφίζεσθαι vor, das von einer markanten Tätigkeit des Vorsitzenden, dem Abstimmenlassen, ausgehend allmählich eine allgemeinere Bedeutung erhielt. In Athen ist die Formel τῶν προέδρων ἐπεψήφιζεν, seit 378/77 v. Chr. beginnend, seit 347/46 regelmäßig, bis sie seit 319/18 durch den Zusatz καὶ συμπρόεδροι erweitert wird, Hartel Studien zum attischen Staatsrecht 16. In andern Städten kommt gleichfalls ἐπιψηφίζειν vor, wie Delos Bull. hell. XX 504f.; Orchomenos IG VII 3172; Oropos Bull. hell. XV 490. Ἐφημ, ἀρχ. 1892, 46 nr. 74: ἐπιψηφίζεσθαι Anaphe IG XII 3, 247; Thera ebd. 326; Aigiale Bull. hell. XV 573. 584. Athen. Mitt. X 117 [2174] (alle drei aus der Kaiserzeit). Seltene Ausdrücke sind für diesen Begriff: ἀγορανομεῖν, Larissa, Athen. Mitt. VII 61 und B. Keil Herm. XXXIV 196, wohl herzustellen Phalanna, Athen. Mitt. VIII 107; ἐπιμηνιεύειν τῆς ἐκκλησίας, Istros, Arch.-epigr. Mitt. VI 36 nr. 78 = Dittenberger Syll.2 325, vgl. die ἐπιμήνιοι τῆς βουλῆς CIG 3137; προστατεύειν τῆς ἐκκληοίας, Lamia, Athen. Mitt. VII 364 nr. 23; Hypata, Collitz Dial. Inschr. 1435; τῶν τε ἀρχόντων πάντων καὶ τῆς βουλῆς προκαθημένος καὶ τοῦ δήμου παντός, Arkesine, Athen. Mitt. XI 112 = Dümmler Kl. Schriften II 510. Auch das auf peloponnesischen Inschriften begegnende ἀρήτευε, Mykenai, Ἐφημ. ἀρχ. 1887, 155 = Dittenberger Syll.2 271 und Argos, IG XII 3, 1259 wird in dem Sinne gebraucht, daß damit der Vorstand eines Kollegiums oder der Leiter einer Versammlung bezeichnet wird. Das ist ganz klar auf einem der Hera Argeia geweihten Telamon, worauf auf ἰαρομνάμονες τοίδε vier Namen, je einer aus jeder Phyle, folgen und hinter dem ersten Namen ἀϝρήτευε steht; das ist doch sicher der Vorsitzende des Hiaromnamonenkollegs, IG IV 517 = Papers of American School at Athens VI 283. Nach dieser Analogie fasse ich Dittenberger Syll.2 271 = IG IV 497 ἁλιαίαι ἔδοξε τελαίαι τῶν Μακανέων Datum ἀρήτευε δαμιοργῶν Δελφίων so, daß Delphion als Damiurg (also δαμιοργῶν ist Partizip, nicht Genetiv pluralis) der mykenischen Haliaia vorsaß. Auch IG XII 3, 1259 ist so zu erklären, daß ἀρήτεyε Λέων βωλᾶς σευτέρας zusammengehört; ἀρήτευε kommt noch IG IV 498. 553. 616. 923 vor, ohne daß sich Näheres über seine Bedeutung daraus ergäbe, s. noch Fränkel S.-Ber. Akad. Berl. 1898, 637.

Befugnisse des Vorsitzenden. Aristoteles Ἀθ. πολ. 44 beschreibt dieselben folgendermaßen: οἳ δὲ (nämlich die προέδροι) παραλαβόντες (nämlich τὸ πρόγραμμα) τῆς τε εὐκοσμίας ἐπιμελοῦνται, καὶ ὑπὲρ ὧν δεῖ χρηματίζειν προτιθέασιν, καὶ τὰς χειροτονίας κρίνουσιν, καὶ τὰ ἄλλα πάντα διοικοῦσιν καὶ τοῦ ἀφεῖναι κύριοί εἰσιν. Das Recht der Einberufung stand in Athen den Prytanen zu, vgl. neben Aristoteles a. a. O. die Inschriften, worin dieselben wie für die Darbringung der ihnen obliegenden Opfer, so für die συλλογὴ τῆς βουλῆς καὶ τοῦ δήμου belobt werden, IG II 390. 392. 408. 417. 425. 426. 431. 459. Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 151. Da die athenischen Proedren nur ein Teil der Prytanen sind und erst seit dem Anfang des 4. Jhdts. für die jeweilig stattfindenden Versammlungen des Rates, wie des Volkes erlost zu werden pflegen, so darf man das Recht, eine Volksversammlung einzuberufen, dem mit der Leitung derselben amtlich betrauten Organ zuschreiben. So war es in Athen, so war es auch in den andern griechischen Staaten. Der gangbare Ausdruck für ,einberufen‘ ist συνάγειν τὴν βουλήν oder τὸν δῆμον, so Aristot. a. a. O. Poll. VIII 96, ebenso in Eleutherna (Kreta), Bull. hell. XIII 47 nr. 1; Olbia, Dittenberger Syll.2 226; Milet, Dittenberger Syll.2 314; Arkesine auf Amorgos, Bull. hell. XV 595 nr. 17; Derriopos in Makedonien Σύλλογος Φιλολ. ἐν Κωνστ. V/VI 89 (1. Jhdt. n. Chr.); bei den Achaeern, IG VII 411 = Dittenberger Syll.2 308 u. Polyb. XXIX 9; bei den Labyaden in Delphi, Bull. hell. XIX 1. Seltener ist ποιεῖν ἐκκλησίαν wie Demosthenes XXI 8 und XXIV 20, [2175] von den Prytanen gesagt, und bei der Phratrie der Labyaden in Delphi, Bull. hell. XIX 1; vereinzelt ἀθροισάτω ἐκκλησίαν in Athen von dem Strategen gesagt, IG III 38.

Die Einberufer sind in Athen wie gesagt die Prytanen, in Olbia die Archonten, in Eleutherna die Kosmoi (nach sicherer Ergänzung, wie aus dem Zusammenhang der Inschrift hervorgeht), in Derriopos die Politarchen.

Die nächste, den Leitern der Volksversammlung obliegende Pflicht ist die Aufstellung eines Programms für die Verhandlungen, das, wie wir es aus Athen wissen, einige Tage vorher bekannt gegeben werden mußte, und die Sorge für die richtige Erledigung der zur Verhandlung stehenden Gegenstände, ὑπὲρ ὧν δεῖ χρηματίζειν προτιθέαοιν καὶ τὰς χειροτονίας κρίνουσιν sagt Aristoteles; sie stellen also die im Programm genannten Gegenstände der Reihe nach zur Debatte und, was aufs engste damit verbunden ist, führen eine Abstimmung darüber herbei, sobald die Debatte geschlossen ist. Diese beiden Seiten der präsidialen Tätigkeit finden sich oft auf Inschriften vereint, für die erstere derselben ist προτιθέναι, für die zweite ἐπιψηφίζειν oder ἐπιψηφίζεσθαι das legale Wort. In Arkesine auf Amorgos heißt es: ἐὰν δὲ ὁ πρύτανις προτιθῇ ἢ ἐπιψηφίζῃ und μηδὲ πρύτανις προτιθέτω μηδὲ ἐπιψηφιζέτω, Bull. hell. XII 230; Mylasa καὶ μήτε προτιθέναι μήτε ἐπιψηφίζειν μηδένα, Dittenberger Syll.2 95; Teos ἤν δὲ ἤ ἄλλος τις ἄρχων ἤ ἰδιώτης εἴπῃ ἤ πρήξηται ἤ προθῇ ἤ ἐπιψήφισῃ usw., CIG 3059 = Bull. hell. IV 114. In Chalkedon kommt in diesem Sinne προαισιμνᾶν vor: ὃς δέ κα εἴπῃ ἢ προαισιμνάσῆ ἢ ἐν βουλᾷ ἢ ἐν δάμῳ, Collitz Dial. Inschr. 3052. 3052 a.

Das προτιθέναι, also das zur Debatte Stellen, findet sich auch inschriftlich in Mytilene, περὶ ὧν οἱ στρόταγοι προτίθεισι προσταξαίσας τᾶς βόλλας, IG XII 2, 15 (darnach wohl 18 und 5 zu verbessern); Kierion τοῦν ταγοῦν τὸν λόγον προθέντουν περὶ προξεννίουν, Bull. hell. XIII 400; ähnlich sagt Aristophanes in den Ekklesiazusen 397 γνώμας περὶ σωτηρίας τῆς πόλεως προθεῖναι; vgl. 401 καὶ ταῦτα περὶ σωτηρίας προκειμένου. Hierher gehört vor allem, daß in Athen die Proedren es sind, welche mit dem Vorlegen der προβουλεύματα des Rates in der Ekklesie betraut werden, wofür vereinzelt wie IG II 47, 76 ποοθεῖναι, meist aber χρηματίσαι gebraucht wird. In Iasos heißt es πρύτανεων γνώμη· περὶ ὧν ἐπῆλθεν Δημαγόρας oder περὶ ὧν ἐπῆλθον προστάται καὶ στρατηγοί, Bull. hell. VIII 454. XIII 23, wo also klärlich der Antrag von andern Leuten beantragt ist, während dessen Einbringen in die Ekklesie den Prytanen, also den Präsidenten derselben zusteht. Daher ist der Vorsitzende der Volksversammlung oft zugleich auch derjenige, welcher die vom Rate eingebrachte Vorlage beim Volke einführt und sie bei ihm vertritt, wofür das meist vorkommende Wort εἶπεν ist. Larissa ἀγορανομέντος Ἀλεξίππου· περ ἰέρουν. Ἀλεξίππου λέξαντος, Athen. Mitt. VII 64, 40 (vgl. o.); Arkesine auf Amorgos, Dümmler Kl. Schriften II 510; Kyme, Bull. hell. XII 360 τάγ γνώμαν εἶπεν Ἀριστογείτων Ἡρακλείδα· τᾷ ἐκκλησία ἐπέστακε Ἀριστογείτων Ἡρακλείδα; Olbia οἱ ἄρχοντες καὶ οἱ ἑπτὰ εἶπαν, vgl. mit Ζ. 84 τῶν δὲ ἀρχόντων συναγαγόντων [2176] έκλησίαν, Dittenberger Syll.2 226; Oropos, IG VII 378 Σωσθένης Εὐθυδήμου εἶπεν· ... ἐπεψήφιζεν Σωσθένης Εὐθυδήμου.

Die Tätigkeit des Vorsitzenden, welche darin besteht, daß er einen Gegenstand zur Abstimmung bringen läßt, wird wiederholt auf Inschriften erwähnt. Neben dem oben besprochenen Wort ἐπιψηφίζειν kommen dafür auch andere Wendungen vor. In Athen δούναι δὲ τὴν φῆφον τῷ δήμῳ περὶ ... τοὺς πρυτάνεις Dittenberger Syll.2 161. 179 u. ö.; Andania οἱ δαμιοργοὶ ... ἀποδόντω τῷ δάμῳ χειροτονίαν Le Bas-Foucart 326 a; Samothrake τοὺς ἐπιστάτας ... συντελέσαι καὶ την ψηφοφορίαν Athen. Mitt. XXV 118; Magnesia a. M. ποιῆσαι τὴν ψηφοφορίαν Kern Inschriften 92 a. b, wo es auf zwei Inschriften für denselben Mann das einemal die πρόεδροι, das andremal die ἄρχοντες tun sollen und wohl mit Hiller v. Gaertringen Athen. Mitt. XIX 10 unter ἄρχοντες die jeweilig Beamteten, also hier die πρόεδροι, zu verstehen sind.

Weiter liegt den Präsidenten die Sorge für einen geordneten und ungestörten Verlauf der Versammlung ob: τῆς εὐκοσμίας ἐπιμελοῦνται sagt Aristoteles a. a. O. und Aischines läßt I 34 τοὺς νόμους τοὺς περὶ τῆς εὐκοσμίας κειμένους τῶν ῥητόρων verlesen. Diese Gesetze enthielten genaue Vorschriften und gaben dem Leiter der Verhandlungen das Recht, jede Unterbrechung und Störung derselben zu ahnden und mit einer Strafe bis zu 50 Drachmen, ja in schwereren Fällen bis zu 500 Drachmen zu belegen. Belegstellen und weitere Ausführung findet man bei Schoemann Attischer Prozeß 718. So war es in Athen. In anderen Städten war es ebenso, obwohl nur vereinzelte Zeugnisse uns dafür zur Verfügung stehen. In Syrakus hält Dionysios eine Rede in der Ekklesie, τῶν δ' ἀρχόντων ζημιούντων τὸν Διονύσιον κατὰ τοὺς νόμους ὡς θορυβοῦντα, Diodor. XIII 91, 4. In Ptolemais in Ägypten werden die Prytanen, also die Leiter der Volksversammlung, gelobt, weil sie der darin überhand nehmenden Unordnung gesteuert haben: ἐπέστησαν τῇ κακουργίᾳ καὶ ταραχῇ τοῖς ἐκ τῶν νόμων ἐπιτίμοις. Bull. hell. XXI 189 nr. 3. Also hier wie in Athen und Syrakus werden ausdrücklich Gesetze erwähnt, welche für Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe in der Ekklesie erlassen sind. Auch bei der Phratrie der Labyaden in Delphi, welche ihre Ordnungen denen des Staatswesens, von dem sie nur ein Teil ist, unverkennbar nachgebildet hat, ist sowohl auf das Fehlen als auf die Ruhestörung in der Versammlung eine Strafe gesetzt, s. Bull. hell. XIX 1 und B. Keil Herm. XXXI 514. In diesen Zusammenhang gehört meines Erachtens auch die Inschrift bei Schliemann Ilios 704. verbessert herausgegeben Athen. Mitt. XXIV 451: ἐζημιωμένον ὑπὸ τῶν προτάνεων τῶν περὶ, was oft wiederkehrt mit Angabe der Strafsumme. Nach Brückner wären die ilischen Leute bestraft wegen Fehlens in der Ratsversammlung; dagegen spricht aber bei Ἐργόφιλον der Zusatz πατρὸς οὖ ἄν χρηματίσζῃ, der anzeigt, daß er keinen Vater hatte, also wohl Sklave, Metöke oder dgl. war, und der mir bei einem Ratsherrn ganz unmöglich scheint, gerade wie bei jedem berechtigten Besucher der Ekklesie. Das mußten Vollbürger sein, also Leute, die einen Vater hatten [2177] und bei denen man nicht sagen konnte πατρὸς οὗ ἄν χρηματίσῃ. Dieser Zusatz weist meines Erachtens darauf hin, daß jedenfalls Ergophilos seine Strafe einem unberechtigten Eindringen in die Ekklesie verdankte. Die – mit einer nur scheinbaren Ausnahme, wo drei Leute jeder sechs Stateren Strafe zu zahlen hat, was sich daraus erklärt, daß das strafbare Vergehen an drei verschiedenen Tagen, also dreimal nacheinander, sich wiederholte – immer gleiche Strafsumme von zwei Stateren weist darauf hin, daß auch das Vergehen bei den anderen Leuten das gleiche war wie bei Ergophilos – also, wie ich meine, das unbefugte Eindringen in die oder die unberechtigte Teilnahme an der Ekklesie. Während bei Ergophilos das Fehlen des Vaternamens uns einen Fingerzeig gibt, lassen sich bei den übrigen Bestraften, die alle einen Vatersnamen hatten, also offenbar Bürger waren, verschiedene Gründe namhaft machen, weshalb sie von der Teilnahme an der Ekklesie ausgeschlossen waren, wie dauernde oder zeitweise Atimie u. dgl.

Eine Reihe sonstiger noch den Leitern der Volksversammlung obliegender Geschäfte – Aristoteles sagt sehr allgemein καὶ τὰ ἄλλα πάντα διοικοῦσιν – lernen wir gelegentlich aus den Inschriften kennen. Dahin gehört die Einführung der Gesandten fremder Staaten, der Proxenoi, der Bittenden aller Art in die Ekklesie. In Athen tun dies die Proedren, Dittenberger Syll.2 57; in Magnesia die Proedren, Kern Inschriften 7 b = Dittenberger Syll.2 480; in Aigiale auf Amorgos die Prytanen, Bull. hell. XXIII 392; in Eleutherna die Kosmoi, Bull. hell. XIII 47. In Eretria Ἐφημ. ἀρχ. 1887, 77 nr. 1 heißt es in einem Proxeniedekret: καὶ τὴν ἀρχὴν τὴν ἀεὶ προκαθημένην ἐπιμελεῖσθαὶ αὐτοῦ ὑπὲρ ὧν ἂν ἀεὶ δέηται καὶ προσάγειν ἄν τε πρὸς βουλήν ἄν τε πρὸς δῆμον βούληται προσιέναι. Schließlich mußten sie die Versammlung schließen, λύειν. Das geschah, wenn die Tagesordnung erschöpft war, oder wenn wegen Ruhestörung und Unordnung ein geordneter Gang der Verhandlung nicht mehr möglich schien (s. das Gesetz bei Aesch. I 35), oder wenn Naturereignisse, διοσημίαι, wie Blitz, Donner, Regen, Sonnenfinsternis, Erdbeben u. dgl. eintraten, bei denen zu verhandeln verboten war. Dies steht für Athen fest, aus anderen Städten fehlen meines Wissens direkte Zeugnisse, aber gewiß ist es ebenso gewesen.

Der Strafbefugnis, welche den Präsidenten griechischer Volksversammlungen eingeräumt war, entspricht es, daß sie selbst straffällig wurden, wenn sie nicht das taten, was sie gesetzlich tun mußten. Aus Demosthenes XXIV 8 erfahren wir, daß die Prytanen, welche nicht κατὰ τὰ γεγραμμένα die Ekklesie beriefen, 1000 Drachmen, die Proedren aber, welche die Versammlung nicht κατὰ τὰ γεγραμμένα leiteten und nicht das auf die Tagesordnung stellten und zur Abstimmung brachten, wozu sie gesetzlich verpflichtet waren, deren 10000 als Strafe zahlen mußten, womit IG II 115 b = Dittenberger Syll.2 137 übereinstimmt. In Chalkedon mußte gleichfalls sowohl derjenige, welcher einen ungesetzlichen Antrag stellte, als auch der Vorsitzende, welcher denselben zur Debatte und Abstimmung zuließ, 1000 Drachmen Strafe zahlen, Collitz Dial.-Inschr. 3052, 3052 a. [2178]

Soweit über die Befugnisse des Präsidenten der Ekklesie. Eine genauere Durchmusterung des Vorhergehenden ergibt, daß die verschiedensten Namen für denselben üblich waren: Prytanen, Proedren, Archonten, Kosmoi, Strategen, Damiurgoi usw. Nun ist es ja bekannt genug, daß oft mit demselben Namen ganz verschiedene Funktionen der staatlichen Tätigkeit in verschiedenen Städten Griechenlands bezeichnet werden – Prytanen in Athen und Korkyra z. B. sind ganz verschieden von einander. Wir werden also uns nicht an die Namen halten können, wenn wir im folgenden festzustellen uns bemühen werden, welcher Art das Amt des Präsidenten in einer griechischen Ekklesie war. Man kann wohl als Grundsatz aufstellen, daß nirgendwo auf griechischem Boden der Präsident aus der Versammlung selbst heraus gewählt oder erlost wurde; das ist ganz unerhört. Vielmehr wurde derselbe jedesmal, wenn die Ekklesie tagte, ihr von einer anderen staatlichen Körperschaft gestellt; zu den Funktionen eben dieser Körperschaft gehörte auch die Leitung der Volksversammlung. Daraus ergibt sich weiter der Grundsatz, daß die Vorsteherschaft der Ekklesie zeitlich von kurzer Dauer war.

Es ist ja bekannt, daß in Athen aus dem Rat der 500 für die Dauer des zehnten Teils eines Jahres eine Phyle die Führung der laufenden Geschäfte übernahm. Diese Phyle heißt πρυτανεύουσα und die ihr angehörenden Buleuten hießen Prytanen, ihnen lag die Pflicht ob, Rat und Volksversammlung einzuberufen und das Präsidium in beiden Körperschaften zu führen. Der Epistates der Prytanen war zugleich Präsident der Bule und auch, wenn sie tagte, der Ekklesie. Im 4. Jhdt. v. Chr. übernahm dann statt der Prytanen ein Kollegium von 9 Proedroi den Vorsitz und die Geschäftsführung in der Volksversammlung, und der ἐπιστάτης τῶν προέδρων ist fortan ihr Präsident. Das Wesen der Sache wurde durch diese Änderung nicht berührt; an die Stelle eines fünfzigköpfigen Kollegiums trat ein neunköpfiges, das nach wie vor aus dem Rate hervorging, und mochte der Prytanenvorsteher oder der Proedrenvorsteher der Ekklesie präsidieren, immer trat er von diesem Amt zurück, sobald er die Versammlung geschlossen hatte (s. u.). Analoge Einrichtungen wie in Athen selbst finden sich auch in seinen Kleruchengemeinden: die prytanierende Phyle und die aus den Prytanen erlosten Proedren in Delos Bull. hell. XVI 374 nr. 2 aus dem J. 130 v. Chr. 370 nr. 1. X 35 nr. 19 = XIII 245, 1. Jhdt. v. Chr. 37 nr. 25. XIII 409, so in Hephaistia IG II 409 mit Wilhelms Restitutionen Arch.-epigr. Mitt. XVII 39. Auch in Magnesia a. M. gab es Proedroi, ein Kollegium von mehreren Personen, dem vor allem die Leitung der Volksversammlungen obliegt, daher die auf magnetischen Inschriften des 3./2. Jhdts. v. Chr. überaus oft vorkommende Formel: προέδρων ἐπεστάτει ὁ δεῖνα und der an sie gerichtete Auftrag in einem Psephisma: ἐπάγειν δ' αὐτοὺς τοὺς προέδρους εἰς τὴν ἐκκλησίαν und die durch sie vorgenommene Psaphophorie, Kern Inschriften von Magnesia 7. 74. 92 a. b. Da hier wie in Athen der die laufenden Geschäfte besorgende Ausschuß des Rates eine ganze Phyle war, so darf man auch die Proedren nur mit der Geschäftsführung des Vorsitzes in [2179] dem Rat und in der Volksversammlung betraut sich denken, Kern Inschriften 2–6. 9–11. 13–15. In Milet waren ähnliche Einrichtungen; eine prytanierende Phyle, wechselnde (τοὺς ἀεὶ καθιστaμένους) Prytanen sind bekannt S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 904. Revue de philol. XXIV 245. Dittenberger Syll.2 314. Ein οὄκημα πρυτανικόν wird in den Rechnungen des didymäischen Tempels erwähnt, s. Haussoullier Revue de philol. XXIII 7. In der römischen Zeit ist hierin eine Änderung eingetreten; jedenfalls in der Kaiserzeit gab es sechs Prytanen mit einem ἀρχιπρύτανις an der Spitze. Diese Prytanen der Kaiserzeit sind offenbar nicht mehr dem Rate entnommen, also eine für eine kurze Zeit mit der Geschäftsführung betraute Ratsabteilung, sondern sind Magistrate; das ist zu schließen aus dem auf sie angewandten Wort ἀρχή (bzw. συναρχόντων) und namentlich aus der beim Archiprytanis zugefügten Iterationsziffer (ἀρχιπρυτάνιδος τὸ ß'), die durchaus den Magistraten eignet, aber bei den Prytanen, welche als Ratsherren mit der Leitung der Ekklesie betraut werden, unerhört ist. Belege sind CIG 2878 = Le Bas 212. Revue archéologique XXVIII (1874) 110. 111. Revue de philol. XIX 131. In Kyzikos andererseits bestand die Kaiserzeit hindurch von frühester Zeit an ein monatlich wechselndes Prytanenkollegium, das, wie in Athen, phylenweise erlost wurde. Die Zahl desselben schwankte, teils 51 teils 42 finden sich; die reguläre Zahl war wohl 50 (51 ist wohl ein Irrtum, 42 wohl, weil acht Prytanen an dem betreffenden Akte teilzunehmen verhindert waren). In der nachhadrianischen Zeit tritt eine Änderung ein, insofern von da abwärts nicht mehr eine Phyle eine Prytanie bildet, sondern zwei Phylen zusammen eine Prytanie ausmachen. Daß diese Prytanen mit der Leitung der Ekklesie betraut waren, ergeben die Präscripte der Psephismen. Ἐλληνικὸς φιλολ. Σύλλογος XVII (1889) παράρτημα 4 nr. 2. Athen. Mitt. VI 42. XIII 304. XVI 437. XXVI 121. CIG 3661–3664.

Derartige von Monat zu Monat wechselnde Ausschüsse des Rates mit dem Namen πρυτάνεις sind weiter bezeugt in Delos (natürlich zur Zeit seiner Selbständigkeit) πρυτάνεις οἱ κατὰ μῆνα Bull. hell. VI 6; wie in Athen der Vorstand der Prytanen den Schlüssel zum Staatsschatz und zum Archiv bewahrte, so konnte auch in Delos ohne die Prytanen das Aerar nicht geöffnet werden. Bull. hell. VI 59, 2. Als Vorsitzender der delischen Ekklesie wird immer ein Mann ohne Titel erwähnt ὁ δεῖνα ἐπεψήφισεν (Bull. hell. X 102. 125. XVIII 147. 161. XX 509. 521. 522), der natürlich aus der Zahl der Prytanen genommen wurde. Man vgl. noch V. de Schoeffer De Deli insulae rebus 114; Astypalaia IG XII 3. 169. 170: Aigiale auf Amorgos, Bull. hell. XXIII 392 nr. 2; sie sind auch Leiter der Ekklesie, ihnen nämlich liegt die Pflicht der Einführung der darum Nachsuchenden in dieselbe ob. Der als Leiter mit ὁ δεῖνα ἐπεστάτει bezeichnete Mann ist also Prytane, a. a. O. Dittenberger Syll.2 255 = CIG 2263 c; Andros. Athen. Mitt. XXIV 352: τοῦ δεῖνα] ἄρχοντὸς ... Εὐτυχέω τῶν πρυτά[νεων τῆς ἐκκλησίας] προεδρεύοντας, Χαιρέου γραμματεύοντος, die vor προεδρεύοντας erhaltenen Zeichen ΛΑ vermag ich nicht zu deuten, Genetiv eines Eigennamens [2180] können sie nach dem Zusammenhang unmöglich sein; vgl. zur Ausdrucksweise προστατεύοντος τᾶς ἐκκλησίας τῶν ταγών Φίλωνος Lamia, Athen. Mitt. VII 364 nr. 23; a. a. O. wird auch ein γραμματεὺς τῶν πρυτάνεων erwähnt, derselbe wohl, der im Präscript genannt ist. Auch Athen. Mitt. I 237 Z. 9 ist τὸν δὲ γραμματέα τῶν πρύτανεων herzustellen; Kius, CIG 3723. Le Bas 1140, beide aus demselben Jahr, aber aus verschiedenen Monaten, das einemal Αὐτονόμου πρυτανεύοντος, das andremal Κόνων ἐπρυτάνευε; Halikarnass, CIG 2656 = Ancient greek Inscriptions in the British Museum DCCCXCV τῶν πρυτανευόντων τὴν μῆνα τὸν Ἡράκλειον, dementsprechend im Präscript ἐπὶ πρυτανείας τῆς μετὰ τoῦ δεῖνoς, a. a. O. Classical Review VIII 217.

Anderswo hieß der monatlich wechselnde Ratsausschuß anders, so αἰσιμνῆτες in Chalkedon, CIG 3794, Journ. Hell. Stud. VII 154, ihr Vorstand hieß ἁγεμὼν βουλᾶς, die Tätigkeit desselben προαισιμνᾶν. Daß sie auch die Leitung der Ekklesie hatten, beweist die Wendung: προαισιμνάσῃ ἢ ἐν βουλᾷ ἢ ἐν δάμῳ. Collitz Dial.-Inschr. 3052. 3052 a. Auch in anderen Kolonien Megaras wie in der Mutterstadt selbst sind Aisimneten nachweisbar, welche offenbar dieselbe Stellung hatten, wie in Chalkedon, προαισυμνῶντος τοῦ δεῖνα am Ende eines Psephisma in Chersonesos Taurica, Dittenberger Syll.2 326.

Gegenüber unseren heutigen Präsidenten ähnlicher Körperschaften, die stets für eine längere Zeit erwählt zu werden pflegen, fällt in den griechischen Staaten namentlich auf, daß hier die Vorsitzenden der Volksversammlungen auf eine möglichst kurze Zeit ihres Amtes walten. Aristoteles Ἀθ. πολ. 44 sagt von dem athenischen Epistates: καὶ ἐπιστατῆσαι μὲν οὐκ ἔξεστιν πλεῖον ἢ ἅπαξ ἐν τῷ ἐνιαυτῷ, προεδρεύειν δ' ἔξεστιν ἅπαξ ἐπὶ τῆς πρυτανείας ἑκάστης. Das heißt also verglichen mit den vorangehenden Worten: καὶ ἐπειδὰν συναγάγωσιν οἱ πρύτανεις τὴν βουλὴν ἢ τὸν δῆμον, οὗτος (nämlich der ἐπιστάτης τῶν πρυτάνεων) κληροῖ προέδρους ἐννέα ... καὶ πάλιν ἐκ τούτων ἐπιστάτην ἕνα, daß in jeder athenischen Volksversammlung der Vorsitz wechselte, daß jedesmal, sobald das Volk zur Tagung zusammengerufen wurde, ein neuer Präsident ausgelost wurde. Und hiermit stimmen die Inschriften überein; die unter demselben Archonten und in derselben Prytanie, aber an verschiedenen Tagen abgehaltenen Ekklesien haben verschiedene Vorsitzende, wie IG II 259/260. 262/263. 124/125 und 50/52 c = Dittenberger Syll.2 92/91, während andererseits unter demselben Archon in derselben Prytanie und unter demselben Epistates abgehaltene Volksversammlungen an demselben Tage stattfanden, wie IG II 263/264. 125/126. 109/II 5. 109 b = Dittenberger Syll.2 125/129. Dieselbe Erscheinung ist in Magnesia a. M. zu konstatieren; die unter demselben Stephanephoros, nach dem datiert wird, und demselben Schreiber, aber in verschiedenen Monaten abgehaltenen Volksversammlungen haben verschiedene Präsidenten. Kern Inschr. von Magnesia 9. 10. II und dazu 220: Θεμίσων Ἀπολλωνίου καὶ ὁ υἱὸς αὐτοῦ Νικάνωρ προεδρεύσαντες τὸν μῆνα τὸν Ζμισιῶνα τὸν ἐπὶ Κλεαίνου τὴν ἐστίαν ἀνέθηκαν; da in Magnesia wohl nur, wie gemeiniglich in den griechischen [2181] Staaten, monatlich eine Volksversammlung stattfand und der Vorsitzende derselben aus den Proedroi genommen wurde – vgl. die Formel der magnetischen Psephismen: προέδρων ἐπεστάτει ὁ δεῖνα –, so ist hier, wie in Athen, für jede Versammlung des Volkes auch ein neuer Vorsitzender bestellt worden. Unter derselben Voraussetzung gilt dasselbe für Kius, CIG 3723. Le Bas 1140, wo im selben Jahr in einem Monat Autonomos, in einem anderen Monat Konon als Vorsteher der Prytanen und, was damit zusammenhängt, als Leiter der Volksversammlung genannt ist. Leider fehlen, soviel ich sehe, aus anderen Staaten verschiedene Psephismen eines und desselben Jahres, aber man darf wohl sagen, daß es überall, wo die Prytanen monatlich (oder prytanienweise) wechselten, auch in jeder Ekklesie einen anderen Leiter gab.

Gegenüber diesem weitverbreiteten Brauch, den Präsidenten der Volksversammlung dem Rate, bzw. dem monatlich wechselnden Ratsausschuß zu entnehmen, steht in anderen Städten die Leitung und Geschäftsführung der Ekklesie einem ordentlichen Magistratskollegium zu, so den Polemarchen in Orchomenos IG VII 3172 (3. Jhdt. v. Chr.), wo aus einer Vergleichung der Zeilen 109 und 142 mit 103 sich ergibt, daß beide Präsidenten Polemarchen waren, vgl. noch Swoboda Zum griechischen Staatsrecht in Festgaben für Büdinger 57; den Tagoi in vielen Städten Thessaliens, wie Lamia, Athen. Mitt. VII 364 nr. 23; Larissa, ebd. VII 61; Kierion, Bull. hell. XIII 400 (alle drei aus dem 2. Jhdt. v. Chr.); den Strategen in Kyme, Bull. hell. XII 360 nr. 4. 362 nr. 6 (2. Jhdt. v. Chr.); Mytilene, IG XII 2, 15; Ephesos, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCLXXXII: ἐπεψήφισαν οἱ στρατηγοί aus dem J. 160 n. Chr.; Syrakus, wofür ich auf Swoboda Griech. Volksbeschlüsse 171 verweise; den Archonten in Olbia, Dittenberger Syll.2 226 (3. Jhdt. v. Chr.); Mylasa, Le Bas 394 (2./1. Jhdt. v. Chr.); den Demiurgen in Mykenai IG IV 397 = Dittenberger Syll.2 271 (3./2. Jhdt. v. Chr.); Andania, Le Bas 326 a. Den Charakter von Magistraten haben auch die Prytanen, welche im Gegensatz zu den vorhin besprochenen Prytanen mindestens sechs, hier und da wohl auch zwölf Monate im Amte bleiben, in ihrer Anzahl beschränkt sind – es gab ihrer fünf, hier und da sechs, zuweilen noch weniger – und nachweislich die Leitung der Ekklesie haben, während ihr Zusammenhang mit der Bule nicht bemerkbar ist oder mindestens bis jetzt nicht anders nachzuweisen ist, wie bei allen Magistraten. Ihren Charakter als ordentliche Beamte heben die Inschriften von Tenos und Iasos besonders hervor. Ich führe einige Beispiele dafür an.

So in Rhodos, wo es fünf Prytanen gab. s. Selivanov und Hiller v. Gaertringen Herm. XXXVIII 147, die je ein Halbjahr ihres Amtes walten. Denkschr. Wien. Akad. XLIV 109. Kern Inschriften von Magnesia 55. Hiller v. Gaertringen Österr. Jahresh. IV 159. Daß sie die Leitung der Ekklesie hatten, steht fest.

Iasos. Bull. hell. V 493 = Dittenberger Syll.2 96 werden die πρυτάνεις beim Verkauf konfiszierter Güter unter den Magistraten aufgeführt, die von Privatleuten oder den ordentlichen Behörden [2182] gestellten Anträge werden von ihnen dem Volke vorgelegt, daher πρύτανεων γνώμη· περὶ ὧν ἐπῆλθεν Δημαγόρας Bull. hell. VIII 454 oder περὶ ὧν ἐπῆλθον προστάται καὶ στρατηγοί XIII 23. Ihre Zahl betrug sechs und aus ihnen wurde der Epistates der Ekklesie genommen, wie CIG 2671. 2677 b. Bull. hell. XIII 25, wo allemal der Name des Epistaten sich auch unter den namentlich aufgeführten Prytanen findet. Nun fragt es sich allerdings, ob das Amt, der Ekklesie zu präsidieren, unter den Prytanen abwechselte, oder aber, ob dasselbe dauernd für die ganze Zeit der Wahlperiode einem und demselben Prytanen zufiel. Die erstere Annahme scheint mir die wahrscheinlichere zu sein.

Samos. Daß hier die Prytanen – fünf an der Zahl – ein jähriges Kollegium bildeten, beweist der Schiedsspruch der Rhodier zwischen Samos und Priene, Anc. greek Inscriptions in the British Museum CCCCIII e: δεδώκαμεν τὸ μὲν ἐν (sc. ἀντίγραφον) τοῖς πρυτάνεσι τοῖς Σαμίων folgen fünf Namen und der Ratsschreiber, ὡς μὲν Ῥόδιοι ἄγοντὶ ἐπὶ ἰερέως Πρατο... und γνώμη πρύτανεων aus Inschriften, Vischer Kl. Schriften II 140. 143. Athen. Mitt. IX 194. Bull. hell. V 477 u. ö., vgl. τῆς δὲ ἐπικληρώσεως καὶ τῆς ἀναγραφῆς ἐπιμεληθῆναι τοὺς πρυτάνεις καὶ τὸν γραμματέα τῆς βουλῆς, Vischer a. a. O. 140 = C. Curtius Samos nr. 9.

Tenos. Ross Inscriptiones ineditae II 98 οἷδε ἦρξαν τὴν πρώτην (δευτέραν) ἐξάμηνον, darunter drei Prytanen auf sechs Monate; πρυτάνεων γνώμη, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCLXXIII = CIG 2329.

In diesen Zusammenhang gehören wohl auch die προστάται τοῦ δήμου, Tegea, Dittenberger Syll.2 476, die drei an der Zahl mit den Strategen, dem Hipparchen, Schreiber und Athenapriester an der Spitze eines Proxeniedekrets stehen und an deren magistratischem Charakter man nicht leicht zweifeln wird. Freilich über ihre Funktionen weiß man nichts. Ein προστάτας (ohne τοῦ δάμου), aber gleichfalls unter einer Reihe anderer Magistrate an der Spitze einer Politieverleihung, findet sich in Olenos, Bull. hell. II 41. Man ist geneigt, sie als Präsidenten der Volksversammlung aufzufassen, zumal, da in Lamia, Athen. Mitt. VII 364, und Hypata, Collitz Dial.-Inschr. 1435, der Ausdruck προστατεύοντος (oder προστατευόντων) τᾶς ἐκκλησίας begegnet; freilich war dieser Mann in Lamia ein Tagos, also kann, wenigstens hier, sein Titel als Präsident der Volksversammlung nicht προστάτας τᾶς ἐκκλησίας gewesen sein. Auch anderswo gab es προστάται (ohne Zusatz), namentlich in Knidos, Kalymna und Kos, ohne dass man über ihren Charakter Näheres wüßte. Anderswo wieder kommen andere Titel vor wie πρόβουλοι, προάγοροι, ἐπιστάται, aber sie sind so allgemein, namentlich προστάται (ohne näheren Zusatz) und ἐπιστάται, daß man daraus nichts weiter schließen kann. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Titel näher einzugehen; nicht einmal, sie alle zusammenzustellen und mit Beispielen zu belegen, scheint mir hier Zweck zu haben und Nutzen zu versprechen. An sicheren Beispielen haben wir gezeigt, daß die Präsidenten der Ekklesie entweder aus dem Schoße des Rates oder aber aus der Mitte der [2183] Magistratskollegien, nie aus der Ekklesie selbst hervorgehen.

Für die Verhandlungen in der Ekklesie gilt allgemein als oberster Grundsatz, daß kein Gegenstand zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt werden darf, über den nicht ein Ratsgutachten – προβούλευμα – vorlag. Für Athen bezeugt das Aristoteles Ἀθ. πολ. 45, 4: προβουλεύει δ' εἰς τὸν δῆμον (sc. ἡ βουλή) καὶ οὐκ ἔξεοτιν οὐδὲν ἀπροβούλευτον οὐδ' ὅτι ἂν μὴ προγράψωσιν οἱ πρύτανεις ψηφίσασθαι τῷ δήμῳ, womit Plutarch Solon 19: μηδὲν ἐᾶν ἀπροβούλευτον εἰς ἐκκλησίαν εἰσφέρεσθαι übereinstimmt. In diesem Probuleuma machte der Rat entweder positive Vorschläge, was das Gewöhnliche war, oder begnügte sich damit, die Angelegenheit formell bei der Ekklesie einzuführen; in letzterem Falle überließ er der Ekklesie, die Entscheidung selbst zu finden, während er in dem ersteren ihr über die betreffende Angelegenheit in der von ihm selbst vorgeschlagenen Weise zu entscheiden anheimstellte. Hierfür lautete die Formel: ἐψήφισται τῇ βουλῇ τοὺς προέδρους οἳ ἂν λάχωσιν προεδρεύιειν εἰς τὴν πρώτην ἐκκλησίαν χρηματίσαι περὶ τούτων, γνώμην δὲ ξυμβάλλεσθαι τῆς βουλῆς εἰς τὸν δῆμον ὅτι δοκεῖ τῇ βουλῇ, worauf alsdann folgt, wie der Rat die Sache zu erledigen vorschlägt. Dies ist die probuleumatische Formel, über deren allmähliches Entstehen ich auf Hartel Studien über attisches Staatsrecht und Urkundenwesen 166 verweisen muß. Scharf unterschieden davon ist eine andere Formel, wodurch der Rat, auf positive Vorschläge verzichtend, wie sie auf das ὅτι δοκεῖ τῇ βουλῇ zu folgen pflegen, dem Demos die geeigneten Wege zur Entscheidung der Angelegenheit selbst zu finden anheimstellt (der Anfang, von kleinen Varianten abgesehen, ebenso wie in der ersteren Formel): ὅτι δοκεῖ τῇ βουλῇ τὸν δῆμον βουλεύσασθαι ὅτι ἂν αὐτῷ δοκεῖ ἄριστον εἶναι, IG II 168. Gerade so ist das von Aristophanes in der Weiberversammlung am Thesmophorienfeste (v. 372) vorgebrachte Probuleuma, es nennt die in der Weiberversammlung zur Beratung zu stellende Angelegenheit – die Bestrafung des Euripides –, überläßt aber Mittel und Wege, dieselbe ins Werk zu setzen, der Ekklesie. Über diese und ähnliche Fälle handelt O. Miller De decretis atticis quaestiones epigraphicae (Breslauer Diss. 1885) 29f. Der Unterschied in der Stellung des Rates zu den verschiedenen der Ekklesie vorzulegenden Gegenständen rührt von dem verschiedenen Ursprung der Anträge her, welche diese Gegenstände zur Beratung zu ziehen bezwecken; den aus dem Schoße des Rates selbst hervorgehenden Anträgen gegenüber enthält das Probuleuma genaue Vorschläge, wie die betreffende Sache zu erledigen ist, den aber aus der Ekklesie hervorgegangenen Anträgen gegenüber begnügt sich der Rat, dieselben auf die Tagesordnung setzen zu lassen – womit er also ausspricht, daß die Anträge an sich nicht gegen die bestehenden Gesetze verstoßen – und der Ekklesie dann das weitere zu überlassen. Hieraus ist weiter auch die verschiedene Formulierung der Präscripte zu erklären: 1. ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ, 2. ἔδοξεν τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ mit der oben angeführten probuleumatischen Formel, 3. ἔδοξεν τῷ δήμῳ mit der probuleumatischen Formel; diese Sanktionierungsformeln [2184] stehen 4. dem ἔδοξε τῷ δήμῷ gegenüber und werden verständlich durch die verschiedene Art, wie der Rat in seinen Probuleumaten verfuhr, indem er entweder positive Vorschläge machte (Sanktionierungsformel 1–3), oder nur mit der Einbringung des rein formellen Vorschlags sich begnügte, das Volk möge weiter beschließen, was ihm gut dünke (Sanktionierungsformel 4). Miller a. a. O. 41. Swoboda Griechische Volksbeschlüsse 57.

Außerhalb Athens findet sich die probuleumatische Formel nirgends, s. Swoboda Griech. Volksbeschlüsse 43. Die Sanktionierungsformel tritt überall auf, am häufigsten in der Formel: ἔδοξε τῇ βουλῇ (oder τοῖς συνέδροις) καὶ τῷ δήμῳ oder ἔδοξε τῇ βουλῇ (oder τοῖς συνέδροις) καὶ τῇ ἐκκλησίᾳ. Daneben findet sich aber auch die Formel ἔδοξε τῇ πόλει, wo also die beiden Körperschaften, auf deren Mitwirkung der Beschluß beruht, in πόλις (natürlich mit folgendem Genetiv ihres Namens) zusammengefaßt sind, z. B. Tegea, Bull, hell. XVI 544, Telmessos ebd. XIV 162 nr. 1, Thaumakoi, Athen. Mitt. VIII 128, Praisos, Monumenti antichi VI (1895) 299 = Dittenberger Syll.2 427 (hier ἔδοξε τῷ κόσμῳ καὶ τᾷ πόλι τᾷ Πραισίων), oder ἔδοξε τοῖς πολίταις, so Z. B. Kyzikos, CIG 3658, Lusoi, Österr. Jahresh. IV 65 nr. 6, Olus, Bull. hell. XXIV 224, Kalaurea, Athen. Mitt. XX 288, Mantineia = Antigoneia (hier δεδόχθαι τοῖς συνέδροις καὶ τοῖς λοιποῖς πολίταις), Bull. hell. XX 119, Ephesos (hier δεδόχθαι τοῖς παραγινομένοις τῶν πολιτῶν), Wood App. II nr. 12, oder ἔδοξε τῷ κοινῷ τᾶς πόλιος, Larissa, Ἐφ. ἀρχ. 1900, 51, Praisos (hier ἔδοξε Πραισίων τᾶι βουλᾶι καὶ τῶι κοινῶι · ἐκκλησίας κυρίας γενομένας), Museo italiano di antichità classica III 600 nr. 30. Es gilt auch für alle griechischen Staaten wie für Athen der Grundsatz, daß jedem Beschluß der Ekklesie ein Probuleuma des Rates zu Grunde liegt. Das beweisen nicht bloß diese Sanktionierungsformeln, das beweisen ebensosehr die auf Inschriften uns erhaltenen Probuleumata und die oft wiederkehrenden Angaben, daß dem Psephisma ein Antrag des Rates zu Grunde liegt. Die einfachste Form dafür ist: ἔδοξε τῷ δήμῳ· γνώμη τῆς βουλῆς (oder in umgekehrter Folge; die dialektischen Varianten: δάμῳ, βουλᾶς, βόλλας usw. bleiben hier unberücksichtigt) wie Kyme, Bull. hell. XII 360; Nisyros IG XII 3, 91, darnach herzustellen 88 u. 90; Milet, Revue des études grecq. 1901. 94 = Revue de philologie XXIV 245 (hier γνώμη συνέδρων, aber die σύνεδροι, sind die Ratsherren); Thera, Hermes XXXVI 445 u. ö.

Da in den meisten Staaten aus dem Rat eine geschäftsführende Kommission, die Prytanen, gebildet wird, gehört hierher auch die Angabe, daß dem Beschluß des Demos ein Antrag der Prytanen zu Grunde liegt, daher so oft γνώμη πρυτάνεων mit vorangehendem ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμω wie Astypalaia. IG XII 3, 169. 170 u. ö.

Erhalten sind Probuleumata aus Samothrake, Athen. Mitt. XVIII 346 = Dittenberger Syll.2 221, eingeleitet mit ἡ [δὲ βου]λὴ προβεβούλευκεν ... δεδόχθαι τῷ δήμῳ, ebenso XXV 118. Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCXLIV.

Mytilene und Eresos περὶ ὧν ἀ βόλλα προεβόλλευσε [2185] .. δεδόχδάι τῷ δάμῳ IG XII 2, 5, dazu Wilhelm Österr. Jahreshefte III 526; oder περὶ ὧν οἱ στρόταγοι προτίθεισι προοταξαίσας τὰς βόλλας, IG XII 2, 15 in Mytilene.

Elatea, IG IX 309: ἔδοξε τοῖς συνέδροις folgt das Probuleuma mit dem Schluß: εἴ κα καὶ ἐν τῷ δάμῳ δόξῃ · ἔδοξε καὶ ἐν τῷ δάμῳ γενομένας ψαφοφορίας κατὰ τὸν νόμον.

Anaphe, IG XII 3, 248: περὶ δὴ τούτων δεδόχθαι τᾶι βουλᾶι καθάπερ αἰτεῖται (dies faßt kurz nochmals zusammen das ausführlich im Vorhergehenden mitgeteilte Probuleuma) αἴ κα δόξηι τᾶι ἐκκλησίαι und 249, hier κυρωθείσας τᾶςδὲ τᾶς γνώμας statt des αἴ κα δόξηι τᾶι ἐκκλησίαι und mit dem Schluß: ἔδοξε ἁ γνώμα mit 95 Stimmen.

Astypalaia, IG XII 3, 169. 170 ebenfalls mit der Formel αἴ δέ κα δόξῃ und dem Schluß (nur erhalten in 170) ἔδοξε στεφανῶν.

Adramytion, CIG 2349 b περὶ ὧν προεγράψαντο (nämlich οἱ ἄρχοντες) καὶ ἡ βουλὴ προεβούλευσεν.

Hierher gehört auch der selten bezeugte Fall einer Abstimmung erst im Rat, dann in der Ekklesie, wodurch der Beschluß zu stande kam. Knidos, Ancient greek Inscriptions in the British Museum DCCLXXXVIII; Halikarnass. Bull. hell. V 211 nr. 6.

Auch wo ausdrücklich durch die Formel γνώμη τοῦ δήμου bezeugt ist, daß die Initiative zu dem Beschluß von dem Demos selbst ausgeht, bezeugt die Sanktionierungsformel ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ δῄμῳ, daß der Vorschlag des Volkes, bevor er zum endgültigen Beschluß erhoben wurde, den Rat passieren und von ihm begutachtet werden mußte. Magnesia a. M., Kern Inschriften 98; Assos, Papers of American School of classical studies at Athens 50 nr. 26 = Dittenberger Syll.2 364; unbekannte Stadt, Inschrift aus Eresos, IG XII 2, 530. Hieran reihen sich einige andere Fälle, aus denen deutlich hervorgeht, daß der Demos erst ein Ratsgutachten über eine Angelegenheiten einholt, bevor er über dieselbe eine definitive Entscheidung trifft. So heißt es in Lampsakos Athen. Mitt. VI 96 frg. I τοῦ δήμου ψηφισαμένου ... ἵνα ὅταν ἐπανέλθωσιν οἱ πρεσβευταὶ βονλεύσῃ ἡ βουλὴ καθότι τιμηθήσονται – also erst auf Grund der Vorlage der Bule über die den Gesandten nach ihrer Heimkehr zu bewilligenden Ehren kann der Demos darüber in eine Verhandlung eintreten. Byzanz, CIG 2060: ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ δάμῳ · οἱ στραταγοὶ εἶπαν, worauf die Begründung des Antrages folgt, und darin steht ὅ τε δᾶμος ἐνεκελεύσατο τοῖς στραταγοῖς τειμᾶσαι τὸν ἄνδρα, also das Volk wollte den Mann (Orontas) ehren; dazu befahl es seinen Strategen, einen Antrag bei der Bule und von da aus auch in der Ekklesie zu stellen. In Rhodos nimmt die Ekklesie die Einladung Magnesias an der Festfeier für die Artemis Leukophryene teilzunehmen an, aber in diesem generellen Beschluß steht noch die spezielle Anweisung an die jeweils im Amte befindlichen Prytanen, durch schriftlichen Antrag bei der Bule und dem Damos – γράψαντες εἰςφερόντων ἐς τάν βουλὰν καὶ τὸν δᾶμον – zu geeigneter Zeit, d. h. dann, wenn die Magneten der Artemis das Opfer darbringen, einen Beschluß heibeizuführen, καθότι ἁ θυσία ἀποσταλησεῖ ὑπὸ τοῦ δάμου κατὰ τὰ νομιζόμενα (Kern Inschriften [2186] von Magnesia 55). Hierher gehört auch Samos, Bull. hell. V 471 nr. 1 = Revue des études grecques X 24: ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ · γνώμη πρύτανεων ὑπὲρ ὧν ὁ δῆμος πρότερον ἐψηφίσατο – hier ist ἐψηφίσατο schwerlich in dem Sinne eines endgültigen, rechtskräftigen Beschlusses zu verstehen, sondern vielmehr – vgl. oben Lampsakos, auch Byzanz – so aufzufassen, daß das Volk, um den betreffenden Mann zu ehren, seine Prytanen um eine Vorlage des darauf bezüglichen Antrages anzugehen beschloß. Wie die Rhodier nehmen auch die Parier (Kern Inschriften von Magnesia 50 = Dittenberger Syll.2 261) die Einladung an dem Fest der Artemis Leukophryene teilzunehmen an und beschließen, einen Theoren dahin zu senden, περὶ δὲ τῆς ἀποστολῆς καὶ τοῦ ἀναλώματος τοῦ εἰς ταῦτα προγράψασθαι τοὺς ἄρχοντας τοῦ μηνὸς τοῦ Ποσιδεῶνος. Endlich gehört hierher noch Ephesos Le Bas 136 a = Dittenberger Syll.2 329, wo die Strategen und der Ratsschreiber und die Proedren ein Psephisma καὶ περὶ φιλανθράπων (d. h. natürlich hier einen Antrag, der erst durch die Beschlußfassung der Ekklesie zu einem Psephisma wird) einzubringen aufgefordert werden. Unmittelbar darauf folgt dann das auf Antrag der vorher genannten Organe abgefaßte Psephisma.

Fest steht also, daß jeder Beratung und Beschlußfassung der Ekklesie ein Probuleuma zu Grunde liegen mußte. Ferner mußten die Leiter der Volksversammlung ein Programm aufstellen und vorher veröffentlichen, welches diejenigen Gegenstände enthielt, welche zur Debatte gestellt werden sollten. Aristoteles Ἀθ. πολ. 43. 44. 45. Und bei der Aufstellung des Programms mußten sie darauf sehen, daß die ihnen vorliegenden und von ihnen weiter der Ekklesie vorzulegenden Ratsgutachten je nach dem Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigten, richtig auf die verschiedenen Ekklesien jeder Prytanie verteilt wurden. Das gilt für Athen, wo, wie wir sahen, vier Ekklesien in jeder Prytanie stattfanden und wo für jede derselben eine bestimmte Tagesordnung festgesetzt war. So war für die κυρία festgesetzt die Epicheirotonie der Beamten, die Beratung über die Verproviantierung und Sicherheit des Landes, die Einbringung von Eisangelien, die Verlesung eines Verzeichnisses der eingezogenen Güter und der auf Erbschaften und Erbtöchter erhobenen Ansprüche. Hinzu kam für die κυρία ἐ. der sechsten Prytanie die Abstimmung, ob der Ostrakismos anzuwenden sei oder nicht, und die Entscheidung über etwaige προβολαί, welche gegen Sykophanten erhoben wurden, und wenn einer ein dem Volke geleistetes Versprechen nicht erfüllt hatte, und für die κυρία der ersten Prytanie, wie wir aus Demosthenes XXIV 20 wissen und worüber R. Schoell S.-Ber. Akad. Münch. 1886, 83 erschöpfend gehandelt hat, die Epicheirotonie der Gesetze. Für die zweite Ekklesie war die Entgegennahme und Entscheidung über Bittgesuche in privaten und öffentlichen Angelegenheiten festgesetzt, in der dritten und vierten endlich schreiben die Gesetze vor: τρία μὲν ἰερῶν χρηματίξειν, τρία δὲ κήρυξιν καὶ πρεσβείαις, τρία δὲ ὁσίων. Dieselbe Tagesordnung führt Aischines I 23 an: περὶ ἰερῶν τῶν πατρίων καὶ κήρυξι καὶ πρεσβείαις καὶ ὁσίων. Und damit stimmt ferner, daß in der [2187] vierten Ekklesie der ersten Prytanie – in dem Falle nämlich, wenn die oben erwähnte Epicheirotonie der Gesetze eine Revision dieses oder jenes Gesetzes hat nötig erscheinen lassen – die Proedren auf die Tagesordnung zu setzen verpflichtet sind πρῶτον μετὰ τὰ ἱερά περὶ τῶν νομοθετᾶν, Demosthenes XXIV 21 und daß für die am Tage nach den Pandien stattfindende ἐκκλησία ἐν Διονύσου πρῶτον μὲν περὶ ἱερῶν, dann weiter aber über die aus Anlaß des Festes erhobenen Probolai verhandelt werden soll, Demosth. XXI 8. Und wenn in Athen – abgesehen von den Gegenständen, welche allgemeine Staats- und Kultusangelegenheiten betrafen und dementsprechend auf die vier Ekklesien jeder Prytanie verteilt waren – für die κυρίαι ἐκκλησίαι der ersten und sechsten Prytanie, für die vierte ἐ. der ersten Prytanie und die ὲ. ἐν Διονύσου noch spezielle gesetzliche Vorschriften bestanden, welche Sachen hier zur Verhandlung kommen sollten, so können wir dasselbe auch in anderen Staaten beobachten. In Magnesia a. M. (Kern Inschriften 100 = Dittenberger Syll.2 552, 75) werden der Ratsschreiber und der Gegenschreiber angewiesen καθ' ἕκαστον ἔτος τοῦ μηνὸς τοῦ Ἀρτεμισιώνος τῇ δευτέρᾳ μετὰ τὸ τὴν αἵρησιν γενέσθαι τῆς τε ἰερείας καὶ τοῦ στεφανηφόρου παραναγινώσκειν ἐπάναγκες τὸ ψήφισμα τὸ εἰσενεχθὲν ὑπὸ Διαγόρου, in Kyme, Bull. hell. XII 363 heißt es: ἀναγινώσκεσθαι δὲ τοῦτο τὸ ψάφισμα κατ' ἐκάσταν ἐκκλησίαν ἐπεί κε ἀποδείχθη τὸ στρατάγιον, in Olbia (Latyschew 17 = Dittenberger Syll.2 324) στεφανοῦσθαὶ δὲ αὐτὸν καὶ καθ' ἕκαστον ἐνιαυτόν ἐν τῇ ἀρχαίρετικῇ ἐκλησίᾳ. Es ist also in verschiedenen Städten in bestimmten Volksversammlungen über bestimmte Gegenstände in einer bestimmten Abfolge verhandelt worden. Es hat auch hier ein bestimmtes Programm vorgelegen. Einen festen integrierenden Bestandteil des Programms bildete, wie in Athen so in anderen Staaten, die Verhandlung über die ἰερά. Darunter hat man sich in erster Linie die Entgegennahme der Berichte über die Ausführung der von den dazu befugten Personen im Interesse des Staates dargebrachten Opfer und im Anschluß daran die Verhandlung über etwaige, eben diesen Personen zu erteilende Anerkennung in Gestalt eines ἔπαινος, eines στέφανος oder dergleichen zu denken. In Athen berichteten die Prytanen über die von ihnen vor Beginn der Ekklesie dem Apollon Prostaterios und der Artemis Bulaia (einmal auch außer den genannten noch der Phosphoros) und den übrigen Göttern dargebrachten Opfer (IG II 390. 392. 408. 417. 425. 426. 431. 459. Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 151). Der Agonothet wie der Archon, die Epimeleten der Mysterien wie der δήμαρχος ὁ Ἐλευσινίωη berichteten über die ihnen obliegenden Opfer (IG II 307 = Dittenberger Syll.2 635. II 5, 87 nr. 318 b = Dittenberger Syll.2 636. II 315 = Dittenberger Syll.2 649. Ἐφημ. ἀρχ. 1887, 175 = Dittenberger Syll.2 650. 1890, 126 nr. 60). Der Demos nahm die Berichte entgegen (τὰ μὲν ἀγαθὰ δέχεσθαι τὰ γεγονότα ἐν τοῖς ἰεροῖς) und beschloß, die Betreffenden für ihre erfolgreiche Tätigkeit zu beloben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch aus anderen Staaten bekannt gewordene Ehrendekrete, welche ausdrücklich an die Ausführung einer glänzenden [2188] Pompe, eines wohlgelungenen Opfers anknüpfen, aus diesem den ἱερά gewidmeten Teile des Programms herstammen (z. B. Skyros, Bull. hell. III 62; Aigiale, Bull. hell. XXIII 392). Weiter gehörten hierher die Verhandlungen über eine von einer anderen Stadt ergehende Aufforderung, an einem Opfer sich zu beteiligen, wie die Inschrift aus Oropos Ἐφημ. ἀρχ. 1892 nr. 70 lehrt: Ἐπικράτης εἶπεν ὑπὲρ ἰερῶν · ἐπειδὴ die Stadt Akraiphiai durch Gesandte aufgefordert hat τὸν δῆμον συναύξειν τὴν θυσίαν τῷ Ἀπόλλωνι τῷ Πτωίῳ ... δεδόχθαι τέι βουλέι καὶ τῷ δήμῳ, oder über Wiederherstellung schadhaft gewordener Kultgegenstände, Oropos IG VII 303: Πίργης Ἀρχιππίδου εἶπεν ὑπὲρ ἰερῶν ... ἐπειδὴ συμβαίνει τίνα τῶν ἐπὶ τῆς τραπέζης τοῦ Ἀμφιαράου ἀργυρωμάτων ἀχρεῖα γεγονέναι. In Larissa, Athen. Mitt. VII 61, wird in dem für die Beratung der Kultussachen angesetzten Teile der Tagesordnung – ἀγορανομέντος Ἀλεξίππου περ ἰέρουν – ein Brief des Königs Philippos vorgelegt.

Daß die ἱερά zu einem festen Bestandteil des Programmes einer jeden griechischen Stadt gehörten, zeigt die Formel in den Proxeniedekreten: εἶναι αὐτῷ πρόσοδον πρὸς τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον πρώτῳ μετὰ τὰ ἱερά, wie sie erhalten ist in Inschriften aus Alexandria Troas, Athen. Mitt. IX 73; Athen, Dittenberger Syll.2 163. 520 u. ö.; Andros, Athen. Mitt. XXIV 352; Byzanz und Chalkedon, Denkschr. Akad. Wien XLIV 114; Chalkis, Bull. hell. XIV 100; Delos, Revue des études anciennes I 267. Bull. hell. XIII 233 nr. 3. 4. 6. 8. 9. XX 504 = Dittenberger Syll.2 285; Eretria, Ἐφημ. ἀρχ. 1892, 120 nr. 1. 126 nr. 2. 134 nr. 5. 1899, 142 nr. 8; Histiaia, Bull. hell. X 102; Hairai (westlich von Teos), Berl. philol. Wochenschr. XII 739; Halikarnass, Classical Review VIII 218; Iasos, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCXX; Magnesia a. M., Kern Inschriften von Magnesia 7 b = Dittenberger Syll.2 480, 2. 4. 5. 9. 10. 11; Mesembria CIG 2053 b = Athen. Mitt. IX 219; Minoa auf Amorgos, Athen. Mitt. I 337. XI 82. Bull. hell. VIII 440; Odessos, CIG 2056; Tralleis, Bull. hell. III 466; Samos, Dittenberger Syll.2 183. Thera, IG XII 3, 321; Tomi, Arch.-epigr. Mitt. XI 41 = XII 127. Beachtenswert sind aber noch besonders die Fälle, welche durch besondere Hervorhebung die ἱερά als besonderen, festen Bestandteil des Programms deutlich erkennen lassen, wie in Oropos: ὁ δεῖνα εἶπεν ὑπὲρ ἰερῶν, Ἐφημ. ἀρχ. 1892 nr. 70 und IG VII 303, und in Larissa: ἀγορανομέντος Ἀλεξίππου περ ἰέρουν, Athen. Mitt. VII 61.

Der Verhandlung über die ἱερά tritt in einigen Staaten vom Ende des 4. Jhdts. an diejenige über die βασιλικά zur Seite, denn in der oben angeführten Formel εἶναι αὐτῷ ἔφοδον ἐπὶ τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον πρώτῳ μετὰ τὰ ἱερά folgt auf ἱερά noch καὶ ἐπὶ τὰ βασιλικὰ. So in Samos, C. Curtius Studien zur Geschichte von Samos nr. 8 = Dittenberger Syll.2 183, in Bargylia, Dittenberger Syll.2 216 = Le Bas 87. Später begegnet einmal die Formel μετὰ τὰ ἱερὰ καὶ τὰ Ῥωμαίων Athen. Mitt. IX 196.

Es war das Natürlichste und Gewöhnliche, daß ein Präsident die Versammlung leitete und alle auf die Tagesordnung gesetzten Gegenstände [2189] zur Verabschiedung brachte. So hat in Athen derselbe Epistates, wie wir oben sahen, der unter demselben Archon und derselben Prytanie abgehaltenen Ekklesie präsidiert und die einzelnen Teile des Programms – es stand z. B. darauf Abschluß eines Freundschafts- und Symmachievertrages mit Mytilene und Beschluß wegen Belobigung und Bekränzung der Söhne des bosporanischen Königs Leukon, Dittenberger Syll.2 125. 129 – durchberaten lassen. Es fragt sich aber doch, ob nicht anderswo anders verfahren wurde. Ich will nicht zu großes Gewicht darauf legen, daß in Tanagra unter dem Archon Xenaristos am viertletzten Tage des Monats Alalkomenios einmal Ὀ[νασιμ]ίδας Ἀμουνίαο, das andremal Ἀχηός (dies ist derselbe Mann, der unter Onasimidas den Antrag befürwortete) präsidierte, ἐπεψάφιδδε, IG VII 504. 506, das kann Zufall sein und auf irgend einem zufälligen Umstand, der uns entgeht, beruhen, zumal da in Tanagra unter dem Archon Timon μηνὸς Δαματρίου νουμενίη derselbe Apollodoros, Sohn des Asopon, in zwei verschiedenen Psephismen als Präsident genannt wird, IG VII 523-524. Dagegen ist doch zu beachten, daß in Larissa es heißt: ἀγορανομέντουν τοῦν ταγοῦν πάντουν und nun Alexippos – das ist einer der Tagoi – nicht als Leiter schlechthin und im allgemeinen, sondern als Leiter eines Teiles der Verhandlungen genannt wird: ἀγορανομέντος Ἀλεξίππου περ ἰέρουν, Athen. Mitt. VII 63 Z. 10 vgl. mit 40 u. 24. Ohne allen Zweifel wird in Kierion, Bull. hell. XIII 400, mit der Formel τοῦν ταγοῦν τὸν λόγον προθέντουν περὶ προξεννίουν der Teil der Tagesordnung, in dem über die Verleihung der Proxenie beraten wurde, von anderen Teilen derselben geschieden; denn daß auch in Kierion die ἱερά einen Bestandteil des Programms bildeten, scheint mir aus dem Vorhergehenden klar zu sein. Freilich ist hier nicht, wie in Larissa, aus den namentlich aufgeführten Tagoi ein Mann als Leiter des speziell genannten Teiles der Tagesordnung namhaft gemacht. Und doch haben die aus Larissa und Kierion beigebrachten Beispiele das Gemeinsame, daß sie die einzelnen Teile der Tagesordnung scharf hervorheben. Es versteht sich wohl von selbst, daß gleichzeitig die sechs Tagoi in Kierion nicht präsidieren konnten, sondern daß nur einer von ihnen die jeweiligen Geschäfte der Leitung übernehmen mußte, wie es denn auf einer gleichzeitigen Inschrift aus Lamia, Athen. Mitt. VII 364 nr. 23, heißt: προστατεύοντος τὰς ἐκλησίας τῶν ταγών Φίλωνος. Darf man hieraus schließen, daß in einzelnen Städten nicht ein Präsident für alle Verhandlungen einer und derselben Ekklesie, sondern daß aus einem Kollegium je ein Leiter für je einen Teil der Tagesordnung bestellt wurde? Eigentümlich ist auch auf einer Inschrift aus Hypata, Cοllitz Dial.-Inschr. 1435, die Nennung zweier Präsidenten der Ekklesie προστατευόντων τᾶς ἐκκλησίας Πλέμωνος τοῦ Φειδία, Ἀρισστέα τοῦ Κλεοξένου, die ja auch nicht gleichzeitig präsidieren konnten. Hat da der eine den einen, der andere den andern Teil der Tagesordnung geleitet?

Nach den schon oben erörterten religiösen Zeremonien trat die Ekklesie in die Beratung der einzelnen auf dem Programm stehenden Gegenstände ein. Und das erste, was die Präsidenten [2190] vornahmen, war die Procheirotonie; das geht klärlich aus Aischines I 23 hervor, womit man Demosthenes XXIV 11 vergleiche. Über diese προχειροτονία ist viel geschrieben und gestritten worden, s. Lipsius Leipziger Studien XVII 405. v. Wilamowitz Aristoteles und Athen II 252. B. Keil Hermes XXXIV 197. Gilbert Handb. der griech. Staatsaltertümer I 327, wo man mehr Literatur findet. Nach Lipsius ist προχειροτονία eine Vorabstimmung darüber, ob in die Beratung und Beschlußfassung über einen Gegenstand einzutreten sei. Ist diese Erklärung, woran ich nicht zweifle, richtig, so besagen die Worte des Aristoteles Ἀθ. πολ. 43, 6: χρηματίζουσιν δ' ἐνίοτε καὶ ἄνευ προχειροτονίας, daß in allen Fällen, in denen die Procheirotonie wegfiel, gesetzlich der ersten Beratung eine zweite zu folgen hatte, wie bei der Ostrakophorie, der Erteilung der πολιτεία und der ἄδεια, also in allen Fällen, wo, wie wir weiter unten sehen werden, eine doppelte Lesung vorgeschrieben war. Kam also ein Gegenstand der besagten Kategorie zum zweitenmal auf die Tagesordnung, so fiel die Procheirotonie weg. Außerhalb Athens begegnet meines Wissens der Ausdruck προχειροτονία nicht; daß sie aber auch anderswo in Gebrauch war, möchte ich daraus schließen, daß, wie in Athen, so auch in anderen griechischen Städten in bestimmten Fällen, namentlich bei Erteilung der Proxenie und Politie, zwei Beschlußfassungen des Demos über dieselbe Angelegenheit nachweisbar sind.

Das eingebrachte Probuleuma konnte einfach angenommen oder aber auch durch dazu gestellte Anträge in veränderter Fassung zum Beschluß erhoben werden. Diese Art Anträge wurden natürlich nicht erst wieder in die Bule zurückverwiesen – denn ihnen lag ja ein Probuleuma zu Grunde, sie ergänzten oder führten dasselbe nur weiter aus. Inschriftlich ist oft bezeugt, daß das Probuleuma nicht so, wie es vom Rate einging, sondern so, wie es durch die Amendements abgeändert war, zum Volksbeschluß erhoben wurde. Die Formel für Amendements lautete τὰ μὲν ἄλλα καθάπερ ὁ δεῖνα (nämlich der Vertreter – εἶπεν – des Probuleuma) oder τὰ μὲν ἄλλα καθάπερ τῇ βουλῇ oder τὰ μὲν ἄλλα τὴν τῆς βουλὴς, wobei γνώμην zu ergänzen ist. Die einfachste Art eines Amendements ist diejenige, welche nur formell an dem eingebrachten Probuleuma etwas ändert, wofür Athen IG I Suppl. 3 p. 166 = Dittenberger Syll.2 54 ein signifikantes Beispiel ist: τὰ μὲν ἄλλα καθάπερ τῇ βουλῇ, ἐς δὲ τὴγ γνώμην μεταγράψαι ἀντ[ὶ τοῦ Σ]κιαθίου ὅπως ἄν ᾖ γεγραμμένον Οἰνίαδης τὸν Παλαισ[κιάθιον] – also der Οἰνιάδης ὁ Σκιάθιος wurde in Οἰνιάδης ὁ Παλαισκιάθιος amendiert, wie es denn auch so auf dem Stein steht. Oder aber das Probuleuma erfuhr durch das Amendement eine Ergänzung, wie das für Leukons Söhne, das ursprünglich die Ehrungen nur dem Spartokos und Pairisades zu teil werden lassen wollte, durch Antrag des Polyeuktos aber dahin abgeändert wurde, daß dieselben auch dem Apollonios, ebenfalls einem Sohn des Leukon, zugebilligt wurden, wonach denn auch die Überschrift des Psephisma alle drei Söhne des bosporanischen Königs nennt, IG II 5. 109 b = Dittenberger Syll.2 129. Diese Beispiele mögen genügen, um eine Vorstellung von den [2191] Amendements zu vermitteln. Andere Beispiele aus Athen sind IG II 38 = Dittenberger Syll.2 74. ebd. 86 = Dittenberger Syll.2 118. Bull. hell. III 473 = Dittenberger Syll.2 88 u. ö. An den Volksbeschluß für die Samier mit seinen Amendements Dittenberger Syll.2 56 u. 57 hat sich eine ganze Literatur angeschlossen, s. Hartel Studien 209. Dittmar Leipziger Studien X 190. Swoboda Symbolae Pragenses 217. Foucart Revue des études anciennes I 183. Hier kann darauf nicht näher eingegangen werden. Außerhalb Athens habe ich Amendements gefunden in Paros, Dittenberger Syll.2 261; Arkesine auf Amorgos, Bull. hell. XII 229 nr. 3 = Dittenberger Syll.2 511; Halikarnass, Journ. Hell. Stud. II 98; Ilion CIG 3600. Hartel a. a. O. 221 giebt eine Zusammenstellung der auf attischen Dekreten sich findenden Amendements, dazu vgl. Miller De decretis atticis quaestiones epigraphicae 46.

Das Recht, einen Antrag zu stellen, hatte jeder Bürger wie jeder Beamte. Das besagen deutlich auf den Inschriften Formeln wie αἰ δὲ κέ τις ἢ ῥήτωρ εἴπῃ ἢ ἄρχων ἐσαγάγῃ ἢ ἐπιμήνιος ἐσενίκῃ, wo also den weltlichen und kultlichen Beamten – ἄρχων, ἐπιμήνιος – der Rhetor d. h. jeder beliebige Bürger, sofern er als Redner und Antragsteller auftritt, gegenübersteht, IG XII 2, 645 b Z. 39 bei den Nesioten; ἢν δὲ ἢ ἄλλος τις ἄρχων ἢ ἰδιώτης εἴπῃ ἢ πρήξηται ἢ προθῇ ἢ ἐπιψηφίσῃ ἢ νόμον προθῇ ἐναντίον τούτῳ Teos, CIG 3059 = Bull. hell. IV 114 Z. 41; εἰ δὲ τις ακύρους ἐρεῖ τάσδε τὰς συνθήκας ἢ ἄρχων ἢ ἰδιώτης Eretria, Dareste-Reinach Inscriptions juridiques nr. 9; ἐὰν δέ τις εἶπῃ ἢ ἐπιψηφίση ἢ ἄρχων ἢ ἰδιώτης παρὰ τόδε τὸ ψήφισμα, Athen, IG II 17 = Dittenberger Syll.2 80. Diese Beispiele mögen genügen. Aber beide, sowohl der Privatmann als auch der Beamte, mußten, sofern sie einen Antrag zur Beschlußfassung vorbringen wollten, entweder in der Ekklesie das Volk dafür zu gewinnen suchen und, wenn dies geschehen war, dasselbe bitten, den Rat um ein darauf bezügliches Probuleuma anzugehen, oder aber in der Bule ihre Sache vorbringen, um dadurch diese Körperschaft dafür zu gewinnen und dieselbe zur Vorlegung eines Probuleuma zu veranlassen. Daher heißt es so oft auf Inschriften ὁ δεῖνα ἔφοδον ἀπογραψάμενος ἐπὶ τὴν βουλὴν εἶπεν, Syros, Athen. Mitt. XI 115. 447 = Dümmler Kl. Schriften II 511. CIG 2347 c. Le Bas 1885; ὑπὲρ ὧν ὁ δεῖνα τὴν πρόσοδον ἐποιήσατο, Andros, Athen. Mitt. I 236. XXIV 352; πόθοδον ποιησαμένου τοῦ δεῖνα ὅπως, Troizen, Bull. hell. XVII 95 nr. 11. 107 nr. 26. 109 nr. 27; περὶ ὧν εἰσεγράψατο. Mylasa Le Bas 394 (darnach zu verbessern 373); περὶ ὧν ἐπῆλθον οἱ δεῖνοὶ ἵνα ἡ βουλὴ καὶ ὁ δῆμος βουλεύσηταὶ, Iasos, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCXX; ἐπειδὴ ὁ δεῖνα ἐπελθών ἐπὶ τὰν βουλὰν ἔφη, Byzanz, Denkschriften Akad. Wien XLIV 114; ἀρχόντων καὶ βουλᾶς γνώμα ὑπὲρ τῆς ἐφόδου ἃς ἐποιήσατο Τιμόθεος, Anaphe, IG XII 3, 248. Dasselbe gilt von den Beamten. Die solennen Wörter für ,einen Antrag stellen‘ sind προγράφεσθαι mit oder ohne den Zusatz εἰς τὴν βουλήν, wie Ephesos, IG XII 3, 171; Priene, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCXX; Paros, Kern Inschriften aus [2192] Magnesia 50 = Dittenberger Syll.2 261, ebd. 49, wonach Z. 2 zu lesen ist: ὑπὲρ ὧν οἱ ἄρχοντες προεγράψαντο ὑπὲρ τοῦ ψηφίσματος τοῦ ἐκ Μαγνησίας; Minoa auf Amorgos, Bull. hell. XXIII 390 nr. 1; Adramyttion, CIG 2349 b: ἀρχόντων γνώμη · περὶ ὧν προεγράψαντο καὶ ἡ βουλὴ προεβούλευσεν, wo also ganz deutlich wird, daß auch überall da, wo dem προγράφεσθαι der Zusatz εἰς τὴν βουλήν fehlt, doch das Anschreiben der Magistrate an den Rat gerichtet ist, bei dem sie ihre Anträge vorbringen, oder εἰσαγγέλλειν bzw. εἰσαγγέλλεσθαι wie Mylasa: τῶν ἀρχόντων εἰσαγγειλάντων τῇ βουλῇ, S.-Ber. Akad. Wien CXXXII 2, 12; Ephesos, Dittenberger Syll.2 329; Chalkedon τοὺς στραταγοὺς ... εἰσαγγεῖλαι εἰς τὰν βουλάν Denkschriften Akad. Wien XLIV 114 und S.-Ber. Akad. Berl. 1855, 187, die nach der oben angeführten Inschrift herzustellen ist; Synnada, Bull. hell. XI 220 nr. 13, oder εἰσηγεῖσθαι, Kyzikos, Dittenberger Syll.2 365, wo auf εἰσηγησαμένων τῶν ἀρχόντων πάντων folgt: γραμματεὺς βουλῆς ... εἶπεν, wo also mit εἰσηγησαμένων das ordnungsmäßige Einbringen des Antrages, mit εἶπεν die Vertretung desselben bei der Ekklesie, nachdem er des Rates Zustimmung fand, gemeint ist; Aigiale auf Amorgos, Athen. Mitt. X 117 nr. 19–21. Bull. hell. XV 573; Mytilene (?), S.-Ber. Akad. Wien LXXI 335; oder schließlich γνώμη mit darauf folgendem Genetiv der betreffenden Magistrate, wofür es keiner Beispiele bedarf.

Hierher gehört auch das Wort προβουλεύεσθαι Megara, IG VII 15 = Dittenberger Syll.2 297 συναρχίαι προεβουλεύσαντο ποτί τε τοὺς αἰσιμνάτας, τὰν βουλὰν καὶ τὸν δᾶμον, ähnlich in Aigosthena, IG VII 225; Akraiphiai, ebd. 2713 = Dittenberger Syll.2 376, wo der Archiereus τῶν Σεβαστῶν als Antragsteller sagt: προβεβουλευμένον ἑαυτῷ εἶναι πρός τε τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον; προβουλεύεσθαι heißt hier einen Antrag stellen oder besser noch durch einen Antrag beim Rat ein Probuleuma hervorrufen. In Boiotien findet sich auf Inschriften sehr oft die Wendung, daß der Antragsteller seinen Antrag als ordnungsmäßig eingebracht und als ordnungsmäßig von dem Rat vorberaten mit den Worten bezeichnet προβεβουλευμένον εἶναι αὑτῷ, mit oder ohne den Zusatz πρός τε τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον oder mit dem Zusatz πρὸς τὸν δῆμον, wofür man Belege in Dittenbergers Index zu IG VII und IX findet.

Auch Ausländer konnten an den Rat sich wenden, um einen für sich selbst oder für andere günstigen Ratsbeschluß zu erlangen, um dann dies Probuleuma zum Volksbeschluß erheben zu lassen. So in Sparta Vischer Kleine Schriften II 22 nr. 30: πόθοδον ποιησαμένου Δαμίωνος ... Ἀμβρακίωτα περὶ προξενίας καὶ ἐπελθόντος ἐπί τε τὰς συναρχίας καὶ τὸν δᾶμον καὶ ἀπολογισαμένου ἃ ἧν πεποιηκώς εὔχρηστα ... ἔδοξε τῶω δάμωι.

Wenn eine Tempelbehörde aus irgend einem Grunde einen um ihren Tempel oder ihre Gottheit verdienten Mann durch die Stadt geehrt zu sehen wünschte, brachte sie beim Rate einen darauf bezüglichen Antrag ein. Auf einer Inschrift aus Ephesos, Greek inscr. Brit. Mus. CCCCXLIX = Dittenberger Syll.2 186 heißt es: ἔδοξεν τῇ βουλῇ [2193] καὶ τῷ δήμῳ· Ἡρογείτων εἶπεν· περὶ ὧν οἱ νεωποῖαι καὶ οἱ κούρητες κατασταθέντες διελέχθησαν τῆι βουλῆι καὶ τὸ ψήφισμα ἤνεγκαν τῆς γερουσίας καὶ τῶν ἐπικλήτων ὑπὲρ Εὐφρονίου πολιτείας δεδόχθαι τῇ βουλῇ und ähnlich Greek inscr. Brit. Mus. CCCCLXX, wo der Anfang weggebrochen ist, κατασ[ταθέντων ἐπὶ τ]ὴμ βουλὴν τῶν νεω[ποιῶν κα]τὰ τὸ ψήφισμα τῆς γερ[ουσίας καὶ τῶ]ν ἐπικλήτων ὑπὲρ ... δεδόχθαι τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ. Die Neopoien und Kureten handeln nach dem Beschluß, κατὰ τὸ ψήφισμα, der ihnen vorgesetzten Behörde, in diesem Falle der γερουσία und der ἐπίκλητοι. Gerusie und Epikletoi können hier nicht, wie man wohl geglaubt hat, von Lysimachos herrührende und zwar im oligarchischen Interesse gemachte Einrichtungen sein; denn in beiden Inschriften steht bei Rat und Volk die oberste Entscheidung über den von den Neopoien eingebrachten Antrag, nicht bei der Gerusie und den Epikletoi, wie man es erwarten müßte. Offenbar sind hier Gerusie und Epikletoi dem Rat und Volk nachgeordnet, denn erst auf ihren Beschluß hin wenden sich ihre Organe, die Neopoien und Kureten, an den Rat und durch den letzteren eben auch an das Volk. Gerusie und Epikletoi haben mit dem Artemistempel zu tun, vgl. CCCCXLIX Z. 4: ἀποσταλείσης πρεσβείας πρὸς Πρεπέλαον ὑπὸ τῆς γερουσίης καὶ τῶν ἐπικλήτων ὑπὲρ τοῦ στάθμου τοῦ ἱεροῦ καὶ τῆς ἀτελείας τῇ θεῷ.

Die Abstimmung geschah entweder durch χειροτονία d. i. Aufheben der Hände oder durch ψηφοφορία d. i. geheime Abstimmung durch Stimmsteine. Die gewöhnliche Form ist die Cheirotonie. In Athen wurden auf diese Weise in den Ekklesien sowohl Beschlüsse gefaßt – mit Ausnahme der unten näher zu erörternden Fälle – als auch diejenigen Beamten, welche nicht erlost wurden, gewählt, s. Aristot. π. Ἀθ. 43. Aus andern Staaten sind folgende Fälle von Cheirotonie bezeugt: Kos, Paton-Hicks Inscriptions of Cos 5 bei Verleihung eines Kranzes; Chios, Dittenberger Syll.2 206 ὅταν τόδε τὸ ψήφισμα χειροτονηθῆι; Epidauros, Verse des Isyllos (Baunack Studien I 150 = v. Wilamowitz Philol. Untersuchungen IX 9. 39): καὶ νιν ἅπας δᾶμος θεθμὸν θέτο πατρίδος ἀμῦς, χεῖρας ἀνασχόντες μακάρεσσιν ἐς οὐρανὸν εὐρύν; Lete, Dittenberger Syll.2 318 a. E.; Mylasa, Bull. hell. XII 17 nr. 5; Andania bei der Wahl einer Kommission, Le Bas 326 a = Dittenberger Syll.1 388; Chalkis, Athen. Mitt. VI 165: ὅτῳ δοκεῖ ... ἀράτω τὴν χεῖρα, sowohl in der Bule als auch in der Ekklesie; auf diese offenbar vom Vorsitzenden der beiden Körperschaften ausgehende Aufforderung folgt einmal: ἐβ(όησαν) οἱ σύνεδροι, das andremal ἐβ(όησεν) ὁ δ(ῆμος). Hier ist eine Verbindung von Cheirotonie mit der unten zu besprechenden Akklamation, es ist die Stimmung für den eingebrachten Antrag eine allgemein so günstige, daß die Ratsherren und der Demos nicht nur die Hände erhoben, sondern auch ihre Abstimmung mit lauten Rufen begleiteten.

Ein solches Resultat bei der Abstimmung wie in Chalkis ist nicht immer der Fall, es kann auch zweifelhaft sein, ob die Zahl der ihre Hände Erhebenden größer ist, als diejenige der sie nicht Erhebenden. In solchen Fällen mußte Abstimmung mittelst Probe und Gegenprobe erfolgen. [2194] Dies heißt διαχειροτονεῖν, s. Schoell S.-Ber. Akad. Münch. 1886, 112.

Gebraucht wird das Wort διαχειροτονεῖν auch bei einer Alternative zwischen zwei Anträgen, so ist es inschriftlich in Athen überliefert, IG I 40 = Dittenberger Syll.2 33. IG II 5, 14 b = Dittenberger Syll.2 73, in beiden Fällen lautet der Antrag: das Volk solle διαχειροτονῆσαι εἴτε ... εἴτε, worauf folgt: ἐγειροτόνησεν ὁ δῆμος; ähnlich in Kos (Paton-Hicks Inscriptions of Cos 10 a, 15): ὁ δὲ δᾶμος διαχειροτονείτω τὰν ἀξίαν τᾶς δωρεᾶς καὶ εἴ κα δοκῇ λαμβανέτω, worauf folgt: τῶν δὲ χειροτονηθέντων τὰ ὀνόματα ἀναγραψάντω, καταχρηματισάντω δὲ καὶ εἴ κά τινων ἀποχειροτονηθῇ ἁ ἐπαγγελία. Hierher gehört auch Minoa auf Amorgos, Ross Inscript. graecae ineditae III 58 nr. 314 = Dittenberger Syll.2 645.

Hierher gehören auch die inschriftlich erwähnten χειροκρίται in Magnesia a. M. (Kern Inschriften von Magnesia 110) und in Mylasa (Le Bas 419, 13. S.-Ber. Akad. Wien CXXXII ΙΙ 12. CXLII IV 5 mit Wilhelms Anmerkung) und der χειροσκόπος in Elatea IG IX 109. Das waren offenbar Leute, welche den Vorsitzenden bei dem Akt der Cheirotonie unterstützen mußten. Suidas χειροσκόποι · οἱ τὰς χειροτονίας ἔπισκοποῦντες.

Eigentümlich wegen der Verbindung, worin ψᾶφοι mit der Cheirotonie genannt werden, ist eine Inschrift aus Knidos, Ancient Greek Inscriptions in the Brit. Mus. DCCLXXXVIII: ἐκυρώθη χειροτονίᾳ ἐν βουλᾷ · ἐκυρώθη καὶ ἐν τῷ δάμῳ χιροτονίᾳ· ψᾶφοι αἷς ἔδοξε κυροῦν ..., αἷς δὲ μὴ, οὐδεμία in einem Ehrendekret, aber hier ist die ursprüngliche Bedeutung von χειροτονία sehr verblaßt und es heißt wohl allgemein ,Abstimmung‘, ohne die besondere Art derselben hervorzuheben. In Knidos kannte man Abstimmung mittels Stimmsteinen.

In Athen fand die Psephophorie statt, und zwar wurde geheim abgestimmt regelmäßig in allen denjenigen Fällen, wo, wie wir oben sahen, mindestens 6000 Stimmen zu einem gültigen Beschluß erforderlich waren, s. Szanto Griech. Bürgerrecht 46. Daher heißt es in den Psephismen über Bürgerrechtsverleihungen δοῦναι δὲ τοὺς πρυτάνεις τὴν ψῆφον τῷ δήμῳ wie Dittenberger Syll.2 161. 179 u. ö. In Samothrake findet gleichfalls bei Verleihung der πολιτεία Psephophorie statt, Athen. Mitt. XXV 118 = Conze Reisen auf den Inseln 66. Außer in den eben besprochenen Fällen wird in Athen nur vereinzelt mit Stimmsteinen abgestimmt, wie in dem Feldherrnprozeß nach der Arginusenschlacht, Xen. hell. I 7, 9, und in drei sehr verstümmelten Inschriften des 1. Jhdts. v. Chr., wo von ψῆφοι die Rede ist, IG II 488. II 5, 489 d. Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 165 mit Wilhelms Bemerkungen und Ergänzungen Arch.-epigr. Mitt. XX 82. Sonst begegnet die Psephophorie noch in Astypalaia in einem Psephisma über die Aufschreibung der Proxenoi, IG XII 3, 168: τόδε τὸ ψάφιομα ἔδοξε πάσαις (scil. ψάφοις s. Wilhelm a. a. O. 79); Anaphe in einem Ehrendekret IG XII 3, 249; Kos, Paton-Hicks Inscriptions of Cos 384; Magnesia a. M., Kern Inschriften 74. 92 a. b; Elatea in einer Freilassungsurkunde, IG IX 109; Alabanda, Bull. hell. X 301; Iasos, Revue des études grecques 1893, 169 mit Wilhelms Ergänzungen a. a. O. 82; [2195] Halikarnass, Bull. hell. XIV 96. V 211 nr. 6 = Paton-Hicks Inscriptions of Cos 13; Delphi, wo es in Inschriften so oft heißt σὺν ψάφῳ τᾷ ἐννόμῳ oder σὺν ψάφοις ταῖς ἐννόμοις; Berenike in der Judengemeinde, CIG 5361. 5362; Eresos, IG XII 2, 526. Auch bei Vereinen und Genossenschaften wurde die Psephophorie angewandt, heim Koinon der Soteriasten in Athen, IG II 5, 630 b; bei der Phratrie der Labyaden in Delphi, Bull. hell. XIX 7 = Michel 995. Bei den großen nationalen Koina finde ich Abstimmung mittels Stimmsteinen bei den Amphiktyonen, Wescher Monument bilingue 54, wozu man noch die Fragmente p. 119 und 122 vergleiche.

Über die Art wie die Abgabe der Stimmsteine gehandhabt wurde, erfahren wir, daß zwei Urnen aufgestellt wurden, ἀπολύων und ἀπολλὺς καδίων, und ψῆφοι πλήρεις ,Ja‘, ψῆφοι τετρυπημέναι ,Nein’ bedeuteten, Loeschcke Jahrb. f. Philol. CXIII 757. IG II 5, 489 d. Εφημ. αρχ. 1884, 165. In anderen Städten scheinen die Stimmsteine durch ihre Farbe verschieden gewesen zu sein und daher verschiedene Bedeutung gehabt zu haben. In der Judengemeinde zu Berenike bedeuteten weiße Stimmsteine ,Ja‘, CIG 5361. 5362: λευκαὶ πᾶσαι.

Ganz wie διαχέιροτονεῖν wird διαψηφίζεσθαι gebraucht, wo es sich um eine Alternative zwischen zwei Anträgen handelt, so Xen. hell. I 7, 9 und so auch in Astypalaia, IG XII 3, 169. 170, wo offenbar die Entscheidung zwischen einfachem Lobe oder Bekränzung der betreffenden Agoranomen dem Damos anheimgestellt wird. Über die Inschrift aus Anaphe, IG XII 3, 249, läßt sich wegen ihrer schlechten Erhaltung nicht sicher urteilen.

Außer diesen beiden Arten der Abstimmung finden wir noch die Akklamation. Im Vorhergehenden habe ich schon darauf hingewiesen, daß wir in Chalkis die Cheirotonie mit lauten Rufen der Stimmenden begleitet finden. Von Sparta sagt Thukydides I 87 κρίνουσι γὰρ βοῇ καὶ οὐ ψήφῳ – aber im selben Kapitel berichtet er, daß bei einer besonders wichtigen Abstimmung der Präsident die Parteien auf verschiedene Seiten treten ließ. Und so wird es wohl überall, nicht bloß bei wichtigen Abstimmungen, sondern auch da, wo das Resultat der Abstimmung nicht klar und deutlich war, geschehen sein. Denn die Akklamation, die βοή, ist doch ein unvollkommenes Mittel. Inschriftlich begegnet sie häufiger – ich glaube überall wie in Chalkis als Zeichen dafür, daß der im Psephisma genehmigte Antrag mit allgemeiner Zustimmung durchging. Solche Akklamationen finden sich Chalkis, Athen. Mitt. VI 165 (vgl. o.): ἐβ(όησεν) ὁ δῆμος· πολλοῖς ἔτεσι [τοὺς ν]εωκόρους; Mylasa, Bull. hell. XX 528: succlam(atum) est ἐς αἰῶνα; Tyros, CIG 5853 ἐπεφώνησαν καλῶς, und ohne daß das, was gerufen ist, angegeben wird, Thera, IG XII 3, 326; unbekannte Stadt Kariens, Journ. Hell. Stud. XX 74 nr. 2 = Bull. hell. XIV 605; lykischer Bund. Reisen im südwestlichen Kleinasien II 121 u. ö., auch Opramoasinschrift; Puteoli, IG XIV 830; übrigens sind diese Inschriften späten Datums.

Über die Mehrzahl der Gegenstände genügte eine Verhandlung: in derselben Ekklesie wurde der betreffende Gegenstand zur Debatte gestellt und verabschiedet. Die von Hartel angenommene [2196] doppelte Lesung ist jetzt allgemein verworfen, vgl. A. Hug Studien aus dem klassischen Altertum 104. Nur in gewissen Fällen mußten bestimmte Gegenstände zweimal auf die Tagesordnung gestellt werden. Und das betrifft hauptsächlich die Bürgerrechtverleihung und in einigen Städten die Verleihung der Proxenie. Der in Bezug hierauf gestellte Antrag mußte in zwei Volksversammlungen verhandelt werden, in der ersten, ob er überhaupt in Erwägung zu ziehen sei, und, wenn diese Frage bejaht war, in einer zweiten, worin dessen definitive Genehmigung oder Verwerfung erfolgte. In Athen war zur Genehmigung eines solchen Antrages auf Verleihung der πολιτεία Einstimmigkeit von mindestens 6000 Stimmen erforderlich. In Athen lautete die Formel mit kleinen Varianten: εἶναι τὸν δεῖνα Ἀθηναῖον αὐτὸν καὶ ἐκγόνους αὐτοῦ καὶ εἶναι αὐτῷ γράψαοθαι φυλῆς καὶ δήμου καὶ φρατρίας ἧς ἂν βούληται · τοὺς δὲ πρυτάνεις δοῦναι περὶ αὐτοῦ τὴν ψῆφον τῷ δήμῷ εἰς τὴν πρώτην ἐκκλησίαν, IG II 51. 54. II 5 p. 64 nr. 231 b. II 243 u. ö. = Dittenberger Syll.2 89. 100. 161. 179, später noch erweitert durch die Vorschrift der Dokimasie der zu Neubürgern Ernannten von einem aus 501 Mitgliedern bestehenden Gerichte. Näheres findet man bei Gilbert I 204. Schoemann Altert. I 376. In anderen Staaten finden wir gleichfalls bei der Verleihung der Politeia ein auf zwei Ekklesien sich erstreckendes Verfahren; in Mytilene (Kenner S.-Ber. Akad. Wien LXXI 335) werden in der Ratsgnome die Strategen angewiesen, über Proxenie oder Politeia für den oder den einen Antrag beim Volke zu stellen, welches diesen Antrag gutheißt dadurch, daß es seinerseits die Strategen nach der gesetzlichen Zeit von neuem einen darauf bezüglichen Antrag einzubringen auffordert – also erst nach Ablauf einer bestimmten Frist und nach Einbringung eines zweiten Antrages konnte in Mytilene definitiv die Proxenie und Politie verliehen werden. In Samothrake (Athen. Mitt. XXV 118 = Conze Reisen auf den Inseln 66) heißt es δεδόχθαι τῷ δήμῳ τοὺς ἐπιστάτας ἐπερωτῆσαι τὴν ἐκκλησίαν κατὰ τὸν νόμον εὶ δοκεῖ δοῦναι πολιτείαν τῷ δεῖνι καὶ ἐὰν δόξη συντελέσαι καὶ τὴν ψηφοφορίαν ἐν τῇ καθηκούση ἐκκλησίᾳ καὶ ἐὰν ἐπιψηφισθῇ εἶναι αὐτὸν πολίτην. Hier sind also deutlich auch zwei Ekklesien zur Erledigung der Angelegenheit nötig; beachtenswert ist noch, daß hier gerade wie in Athen bei der zweiten Verhandlung mit Stimmsteinen gestimmt wird. Für Iasos gilt dasselbe, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCXX, auch hier wie oben in Mytilene war für die Einbringung des zweiten Antrags eine bestimmte Frist festgesetzt: ἐν τοῖς ἐννόμοις χρόνοις. Aus Rhodos ist auf einer in Seleukeia am Kalykadnos gefundenen Inschrift ein Auszug aus den λευκάματα erhalten (Denkschriften Akad. Wien XLIV 109); dort heißt es: unter dem Priester Damokles, dem Prytanenvorsteher Astymedes im Monat Dalios, Antrag des Epinikos Εὔδημον Νίκωνος Σελευκῆ πρόξενον εἶμεν Ῥοδίων, dann folgt unter demselben Priester und demselben Prytanenvorsteher: τοῖσδε ἐδόθησαν προξενίαι ἐπὶ μίαν ἐκκλησίαν. Δαισίου · Εὐδήμω Νίκωνος Σελευκεῖ, dann unter demselben Priester, aber einem anderen Prytanenvorsteher Βαδρομίου · ἔδοξεν τῷ δάμῳ ἐν [2197] τᾶι δεύτερον ἐκκλησία · τούσδὲ προξένους εἶμεν Ῥοδίων · Εὔδημον Νίκωνος Σελευκῆ, also im Monat Dalios wurde der auf Verleihung der Proxenie für Eudemos abzielende Antrag (natürlich bei der Bule) eingebracht, im Daisios in der ersten Volksversammlung beraten und im Badromios endlich in der zweiten, dafür nötigen Ekklesie definitiv bestätigt. Notwendig entspricht sich ἐπὶ μίαν ἐκκλησίαν und ἐπὶ τᾶι δεύτερον ἐκκλησίαι. In Rhodos war also bei Verleihung der Proxenie dasselbe Verfahren üblich wie in Athen, Samothrake, Iasos bei Verleihung der Politie; in Mytilene finden wir Proxenie und Politie vereint. Übrigens findet sich auf einer Inschrift von Ptolemais (Bull. hell. XXI 188) die Formel: ἔδοξεν τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ Πτολεμαιέων ἐπὶ δύο ἐκκλησίας, aber leider läßt sich über den Inhalt wegen der Zerstörung des Steines nichts sagen, wahrscheinlich jedoch hat es sich auch um Proxenie oder Politie oder beides darin gehandelt. In Chalkedon fand sicher bei Verleihung der Proxenie eine doppelte Verhandlung statt, ὄπως δὲ καὶ πρόξενος γένηται sollen die Strategen, so heißt es im Psephisma, bei der Bule einen Antrag einbringen, und dies Ratsprobuleuma wird natürlich erst durch eine Beschlußfassung des Demos rechtskräftig. Denkschriften der Akad. Wien XLIV 114 und S.-Ber. Akad. Berl. 1855, 187.

In dem Arch.-epigr. Mitt. 1894, 63 abgedruckten Beschluß aus Chalkedon, welcher eine gesetzliche Regelung der den Proxenoi der Stadt zustehenden Rechte enthält, ist es bemerkenswert, daß πολιτεία und ἰσοτέλεια ohne weiteres unter diesen erscheinen. In zwei Psephismen aus Alabanda CIG 2152 b glaubte Wilhelm Eφημ. ἀρχ. 1901, 149 aus dem etwas ungewöhnlichen und abweichenden Context auf ein dem besprochenen ähnliches Verfahren bei der Politieverleihung auch hier schliessen zu dürfen; das scheint mir aber doch zweifelhaft, jedenfalls tritt nicht in der Inschrift, die übrigens aus der Kaiserzeit stammt, die zweimalige Verhandlung des Gegenstandes so scharf hervor, wie in den oben besprochenen Inschriften. Hierher gehören aber sicher Akragas IG XIV 952 und Rhegion ebd. 617, wenn meine oben vorgetragene Erklärung des ἔδοξε τὰ ἁλίᾳ καθάπερ καὶ τᾷ ἐσκλήτῳ (bzw. καθὰ καὶ τᾷ συγκλήτῳ) richtig ist –, in beiden Fällen handelt es sich um Verleihung der Proxenie.

Es sei noch darauf hingewiesen, daß in Athen beim Ostrakismos und bei der ἄδεια ein ähnliches Verfahren statt hatte wie bei der πολιτεία, worüber man in den Handbüchern das Nähere findet; aus anderen Orten ist mir nichts hierher Gehöriges bekannt geworden. Hier beschränkte sich nach dem Stande unserer Kenntnisse die zweimalige Beratung über einen Gegenstand auf προξενία und πολιτεία.

Die Volksbeschlüsse mußten sich innerhalb der bestehenden und vorhandenen Gesetze halten. Die Ekklesien der griechischen Staaten konnten wohl Anregung zur Revision alter Gesetze und zum Erlaß neuer geben, nicht aber selbst Gesetze machen, sie waren wohl an den Vorbereitungen zur Gesetzgebung, nicht aber an dieser selbst beteiligt. In Athen, wie auch anderswo, ist die Legislation Sache der Thesmotheten. Aus diesem Grunde ist auch das Geldbewilligungsrecht der [2198] griechischen Ekklesie beschränkt, denn die für die einzelnen Zweige der Stadtverwaltung zu machenden Ausgaben pflegten auf legislativem Wege festgelegt und bestimmte Summen für sie ausgeworfen zu werden. Innerhalb dieser gesetzlichen Vorschriften konnten dann einzelne Ausgaben durch Volksbeschluß dekretiert werden, wollte aber der Demos eine Summe bewilligen, welche nicht unter die gesetzlich normierten Rubriken zu subsumieren war, oder welche die Höhe der im Gesetze dafür ausgeworfenen Summe überstieg, so bedurfte es eines Gesetzes, welches ihm die verlangte Summe zu bewilligen gestattete. In Athen war προσνομοθετεῖν der legale Ausdruck für ein Zusatzgesetz. Als die Athener dem Peisitheides aus Delos neben dem Bürgerrecht zugleich für die Dauer seines unfreiwilligen Aufenthalts in Athen eine jährliche Geldunterstützung gewähren wollten, bedurften sie für diese Aufwendung eines Gesetzes, IG II 115 b = Dittenberger Syll.2 137, ebenso mußte die Einstellung eines neuen Postens, der durch die Beteiligung an der Festfeier im Amphiareion nötig wurde, auf dem Wege der Gesetzgebung verfügt werden, IG VII 4254.

Auf Inschriften am häufigsten genannt ist die für Anschaffung von Kränzen wie auch für Aufstellung und Beschreibung von Stelen gesetzlich normierte Summe: τὰ κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῷ δήμῳ, IG II 115 b = Dittenberger Syll.2 137. IG ΙΙ 5 p. 64 nr. 231 b = Dittenberger Syll.2 161. 163, oder εἰς τὰ κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα, IG II 314 = Dittenberger Syll.2 197 und 235 = Dittenberger Syll.2 167. Weiterer Beispiele bedarf es hierfür nicht. Die Verteilung der Staatseinnahmen auf die einzelnen Verwaltungszweige in der gesetzlichen Höhe heißt μερίζειν, wie IG II 38 = Dittenberger Syll.2 74: μερίσαι δὲ τὸ ἀργύριον τὸ εἰρημένον τὸς ἀποδέκτας ἐκ τῶν καταβαλλομένων χρημάτων · ἐπειδὰν τὰ ἐκ τῶν νόμων μερί[σωσι], wo τὰ ἐκ τῶν νόμων die gesetzlich fixierten Budgetposten sind, vgl. noch ἐκ τῶν εἰς τὰ κατὰ ψηφίσματα τῷ δήμῳ μεριζόμενων, worin der Begriff der Zuweisung bestimmter Gelder an einen bestimmten Ausgabetitel schärfer hervortritt als in der eben besprochenen, häufiger vorkommenden Formel, IG II 5 p. 37 nr. 109 b = Dittenberger Syll.2 129. IG VII 4254.

In andern Staaten finden wir in Ehrendekreten bei Bewilligung eines Kranzes die höchste gesetzlich zulässige Summe, welche dafür verausgabt werden darf, erwähnt. Iasos Bull. hell. XI 76: χρυσῷ στεφάνῳ ἀπὸ πλήθους ὅσου πλίστου ἔξεστιν ἔκ τῶν νόμων, daher auch die Formel στεφανωθῇ τῷ ἐννόμῳ στεφάνῳ, Bull. hell. VIII 455 = Journ. Hell. Stud. VIII 101; Astypalaia IG XII 3, 194 und Pergamon, Inschrift von Perg. 252: στεφάνῳ τῷ ἐκ τοῦ νόμου μεγίστῳ, Kos, Dittenberger Syll.1 330: ὁ δᾶμος στέφανοῖ ... ἀπὸ ἀργυρίου οὗ ἐκ τῶν νόμων πλείστου κυρία ἐστὶν ἁ ἐκκλησία χειροτονίᾳ μεγίσταν δωρεὰν δόμεν. Die Formel στεφάνῳ τῷ κατὰ τὸν νόμον oder στεφάνῳ τῷ ἐκ τοῦ νόμου lesen wir auf Psephismen aus Mytilene. IG XII 2, 18; Sunion, Ἐφημ. ἀρχ. 1900, 134; beim Magnetenbund, Athen. Mitt. XIV 52 = Bull. hell. XIII 271; Olus auf Kreta. Bull. hell. XXIV 224; Minoa, Athen. Mitt. XI 81; Aigiale, Bull. [2199] hell. XXIII 392 nr. 2; Athen, Dittenberger Syll.2 242, Auch bei Psephismen von Demen begegnet dieselbe Formel: Antimachia (ὁ δᾶμος ὁ Ἱππιωτᾶν). Bull. hell. XVII 208.

Auch für die ξένια, also für die Gastgeschenke, waren Sätze gesetzlich fixiert; die dafür ausgeworfenen höchsten Summen werden erwähnt ξένια τὰ μέγιστα ἐκ τῶν νόμων, Milet, Dittenberger Syll.2 314; Epidauros, Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 67 nr. 2. 3; Megalopolis, Kern Inschriften von Magnesia 38 = Dittenberger Syll.2 258; Kotyrta, Ἐφημ. ἀρχ. 1600, 153; beim Koinon der Achaier, Kern Inschriften von Magnesia 39; Hermione IG IV 679.

Ohne allen Zweifel hatten die Ekklesien der griechischen Demokratien viel Gemeinsames; viele Einrichtungen und Gebräuche konnten durch eine Reihe von Staaten hindurch verfolgt werden. Durchgehende, etwa nach Stämmen und Landschaften sich richtende Verschiedenheiten konnten nicht konstatiert werden. Auch als viele dieser Städte einem der Diadochenreiche untertan geworden waren, bestand die Ekklesie in den gewohnten Formen weiter, und an dem Zustandekommen rechtmäßiger Beschlüsse sind dieselben Organe wie vorher beteiligt. Es gibt manche Psephismen aus untertänigen Städten, aber in keinem von diesen habe ich beobachtet, daß die Rechte der Ekklesie verkümmert oder beschränkt waren – daß sie keine auswärtige Politik, wie vordem, treiben und darauf bezügliche Beschlüsse fassen konnten, versteht sich von selbst; dafür sorgten ja schon die meist in sie gelegten Garnisonen der Diadochen. Aber sonst ließ man ihnen die altgewohnten, liebgewordenen Formen und störte sie nicht in ihren Gewohnheiten, Ekklesien abzuhalten und ihre eigenen Angelegenheiten darin zu verhandeln.

Die oft aufgestellte Behauptung, daß das Recht, in der Ekklesie Anträge zu stellen, ebenso wie das Recht, ihr zu präsidieren, zuerst in den Städten der Diadochenreiche, dann in denen des Römerreichs den Beamten zugefallen wäre, halte ich nicht für richtig. Ich habe oben nachgewiesen, daß Beamte vielfach als Präsidenten der Ekklesie auftreten – natürlich auch vor den Diadochen oder in Städten, in die ihr Einfluß nie gereicht hat. Und noch viel verbreiteter war das Recht der Magistrate, Anträge zu stellen, und nachdem der Rat sie gutgeheissen, der Ekklesie zur Beschlußfassung vorzulegen. Ich zitiere nur einige Fälle aus dem 4. Jhdt. v. Chr., um zu zeigen, daß dieses Recht alt und nicht erst eine Erfindung der Monarchien ist. Oropos. IG VII 4256. 4257, wo der Antragsteller Ἀμφίδημος Ἀμφιμήδους vorher unter den Polemarchen, wonach datiert wird, erscheint; in Eretria bringen die Polemarchen mit dem Dionysospriester den Antrag ein, CΙG 2144 = Dittenberger Syll.2 277 mit Corrig. a. E. des II. Bds. u. Foucart Revue des étud. grecq. X 157; Kius (um 358 v. Chr.), Antrag der Archonten und Strategen, Le Bas 1140 = Michel 539; ich glaube, daß man mit Schlüssen auf Veränderungen in der Machtsphäre der Ekklesie aus dem Auftreten der Beamten als Antragsteller sowohl wie als Präsidenten sehr vorsichtig sein muß. Und Swoboda selbst hat eine Fülle von Fällen zusammengestellt, worin auch in der Kaiserzeit [2200] Privatleute, ἰδιῶται, als Antragsteller in den Psephismen genannt sind. Dagegen begegnet uns zuerst in der Römerzeit – aus der Diadochenzeit ist mir kein Beispiel bekannt – ein Bestätigungsrecht der vorgesetzten Behörde, der die Beschlüsse der Volksversammlung vorzulegen waren. Das ist eine Beschränkung der Rechte der Ekklesie – vorher war sie souverän gewesen und ihre Beschlußfassungen hatten keinerlei Bestätigung bedurft. Zwar kommt in Mylasa unter der Herrschaft des Maussolos derartiges vor, indem den drei Phylen ein Bestätigungsrecht zusteht καὶ ἐπεκύρωσαν αἱ τρεῖς φυλαὶ, CIG 2691 c-e = Dittenberger Syll.2 95; aber dieser Fall ist ganz singulär und hängt sicher mit der Herrschaft des Maussolos zusammen, später jedenfalls hört man in Mylasa von dieser Formel nichts mehr. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist die Inschrift aus Halikarnass, Dittenberger Syll.2 10: τάδε ὁ σύλλογος ἐβουλεύσατο ὀ Ἁλικαρνασσέων καὶ Σαλμακιτέων - καὶ Λύγδαμις ἐν τῇ ἰερῇ ἀγορῇ], deren Fassung so ungewöhnlich ist, daß man daraus auf eine Mitwirkung des Lygdamis beim Zustandekommen des Beschlusses schließen muß, und diese Mitwirkung bestand doch wohl darin, daß er das, was die Volksversammlung von Halikarnass beschloß, bestätigte. Dies sind die einzigen mir bekannten Fälle einer Beschränkung der Ekklesie in alter Zeit. Die Inschrift von Rhegion IG XIV 617 = Dittenberger Syll.2 323 mit ihrem ἔδοξε τᾷ ἁλίᾳ καθάπερ καὶ τᾷ ἐσκλήτῳ καὶ τᾷ βουλᾷ, die man hierher gezogen hat, habe ich oben anders erklärt. Und die Inschrift aus Ephesos, Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCXLIX, aus der man auf eine von Lysimachos eingesetzte, der Ekklesie gleichsam übergeordnete Behörde hat schließen wollen, gehört gar nicht hierher, sondern in einen ganz andern Zusammenhang, wie ich oben angedeutet habe. Über die häutig vorkommende Formel κυρωθέντος τοῦδε τοῦ ψηφίσματος und Ähnliches hat trefflich und richtig Swoboda, Griechische Volksbeschlüsse 18, gehandelt. Um aber auf das Bestätigungsrecht der Statthalter in römischer Zeit zurückzukommen, so beschränke ich mich darauf, einige Fälle derart zusammenzustellen, Joseph. ant. Iud. XIV 244-247. Ancient greek Inscriptions in the British Museum CCCCLXXXI. CCCCLXXXII. IG XII 3, 326 (leider sehr zerstört), die Inschrift des Opramoas und andere lykische Inschriften, Österr. Jahreshefte III 1, und auf das hinzuweisen, was Mommsen in der Erklärung der zuletzt erwähnten Inschrift gesagt hat.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band S III (1918) S. 428
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S. 2171 zum Art. Ἐκκλησία:

Ἐκκλησιαστικόν ist nicht nur die Löhnung für den Besuch der Volksversammlung (= ἐκκλησιαστικὸς μισθός), sondern in IG II 5, 614 c (Archontat des Menekles, 284/3 v. Chr. nach Beloch Griech. Gesch. III 2, 50) eine Marke, gegen deren Vorweisung der Bürger bei einer öffentlichen Getreideverteilung seine Getreideration erhält, H. Francotte Mélanges de droit public grec (1910) 305, 4.

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Band R (1980) S. 103
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Ekklesia

Die Volksversammlung. S III.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6065,