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Drei Erzählungen (Patkanjan)/Der verödete Hof

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Mein Nachbar Drei Erzählungen
von Rafael Patkanjan
Ich war verlobt
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II.
Der verödete Hof.
(Raz asbar.)



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[39] Vor einigen Tagen wollte ich einen Bekannten besuchen, aber ich traf ihn nicht zu Hause an. Ich ging also wieder durch das Thor auf die Strasse hinaus und mich nach rechts und links umschauend, dachte ich darüber nach, wo ich denn noch hingehen könne. Vor mir befand sich ein öder Hof, der jedoch anderen leeren oder öden Höfen nicht ganz ähnlich war. Es war in demselben weder Haus, Scheuer noch Stall, nein, von alledem war nichts da, aber es war augenscheinlich, dass dieser Hof vor nicht allzu langer Zeit von seinen Bewohnern verlassen worden sein musste; auch musste das Haus meiner Meinung nach niedergerissen worden sein, denn von Brandspuren wie z. B. verkohlte Balken, zerfallene Öfen, Schutthaufen war keine Spur vorhanden. Mit einem Worte, es war deutlich zu erkennen, dass das Haus, welches hier gestanden, abgebrochen und seine Balken und Bretter weggeschafft worden waren. In der Mitte des [40] Gehöftes, nahe am Nachbarzaune, standen mehrere hohe Bäume, Akazien, Feigen- und Pflaumenbäume, dazwischen vereinzelte Stachelbeersträucher, Rosenstöcke und Schlehdornsträucher und endlich nach der Strasse hin, gerade auf der Stelle, wo die Fenster des Hauses hingehen mochten, stand ein hoher grüner Feigenbaum.

Ich habe so manchen verödeten Hof gesehen und doch niemals im Vorübergehen darüber nachgedacht, wem er wohl gehört haben, wer wohl darin gewohnt haben mochte und wo wohl gegenwärtig seine einstigen Besitzer sein mögen. Sonderbarer Weise rief der Anblick dieses Hofes derlei Betrachtungen in mir hervor und wie ich ihn so anschaute, kamen mir die verschiedensten Gedanken in den Sinn. „Vielleicht,“ dachte ich bei mir, „hat hier ein kinderloser Junggeselle unter Seufzen und Klagen sein Alter verbracht und wie sein Leben ausging, sind auch die Wände vermodert. Dann ward das Haus herrenlos, die Fenster und Thüren standen offen und als die finstern Winternächte kamen, fielen die Nachbarn darüber her und schleppten ein Brett nach dem andern fort.“ Ja, verschiedene Gedanken kamen mir in den Kopf … Ach, so schwer ist es ein Haus zu bauen, und so leicht es niederzureissen!

[41] Als ich so in meine Gedanken versunken dastand, kam auf einen Stab gestützt ein altes Weib an mir vorüber. Beim ersten Blicke erkannte ich sie nicht sogleich, aber als ich ihr nachschaute, sah ich, dass es Hripsime war.

Muhme Hripsime war eine Frau von fünf und siebenzig Jahren, doch ihrem sichern Gange, ihrer lebhaften Rede und ihren feurigen Augen nach zu urteilen, schien sie kaum eine Fünfzigerin zu sein. Sie war kräftig und kerngesund, urteilte wie ein Mann und war schneidig in ihrer Rede. Hätte sie nicht Weiberkleidung getragen, man hätte sie wirklich für einen Mann halten können. Ja, im Gespräch nahm sie es mit zehn Männern auf. Einmal, ich weiss nicht warum, wurde sie vor Gericht gefordert. Sie ging hin, stellte sich vor die Richter und sprach so tapfer, dass jene die Mäuler aufsperrten und sie wie ein Wundertier anglotzten. Ein anderes Mal drangen bei Nacht Diebe in ihr Haus ein, und zwar war sie da mutterseelenallein wie eine Eule im Hause. Die Diebe fingen an mit Brecheisen die Thür aufzubrechen und als das Muhme Hripsime hörte, sprang sie hurtig aus dem Bette, ergriff ihren Stock in der Ecke und fing an zu schreien: „Holla, Simon, Gabriel, Mathes, Stepan, Aswadur, steht schnell auf, ergreift Äxte und Stricke! Es sind Diebe da, [42] packt die Halunken, bindet sie, haut sie, schlagt sie tot!“ Die Diebe wussten wahrscheinlich nicht, mit wem sie zu thun hatten und als sie an dem Rufen der Alten bemerkten, dass ein halbes Dutzend handfester Kerle im Hause sei, machten sie sich davon. Ja, so ein schlaues, unerschrockenes Weib war Tante Hripsime!

„Guten Morgen, Muhme!“ sagte ich.

„Gott grüss’ dich,“ erwiderte sie.

„Woher kommst du denn?“

„Ich war bei einem Kranken,“ versetzte sie.

Ach ja, ich habe ganz vergessen, hier mitzuteilen, dass Muhme Hripsime, obgleich sie weder lesen noch schreiben konnte, eine tüchtige Ärztin war. Sie legte die Kranken ins Gras, gab ihnen Sorbet ein, kurierte Hämorrhoiden, die Fallsucht auch, und besonders in Frauenkrankheiten war sie sehr erfahren. Ja, für ihre Kunst kann ich selbst Zeugnis ablegen. Vor ungefähr vier Jahren bekamen meine Kinder in den Hundstagen den Durchfall und meine Frau hatte schon drei Jahre lang das Fieber, so dass sie ganz kraftlos war. Da sagten die Töchter des Goldarbeiters Arutin und die Frau des Ziegelstreichers Saak: „Es giebt ja hier eine vortreffliche Ärztin, sie nennen sie Hripsime, lasst sie doch einmal holen, Ihr werdet es nicht bereuen!“

[43] Aufrichtig gestanden, habe ich bei unseren Doktoren nie viel Grütze im Kopfe gefunden; sie drehen sich auf den Absätzen herum, schmieren eine Menge Rezepte zusammen, aber ihre Kunst ist nicht einen Pfifferling wert. Ich liess also Hripsime holen und siehe da! es vergingen nicht drei Tage und das Fieber meiner Frau hörte auf und die Bauchschmerzen meiner Kinder waren auch vorbei. Seit vier Jahren hat nun, Gott sei Dank, keine Krankheit mein Haus heimgesucht. Ob das an der Geschicklichkeit und Leichtheit ihrer Hand oder an den Arzeneien liegt, weiss ich nicht, nur so viel weiss ich, dass Muhme Hripsime bis heute mein Hausarzt ist. Und was zahle ich ihr denn! Fünf Rubel jährlich, nicht weniger und nicht mehr. Wenn sie zu uns kommt, da giebt’s einen wahren Feiertag für meine Kinder; so süss spricht sie mit ihnen und weiss die Herzen zu gewinnen. Ja, wäre ich ein Sultan, ich machte sie zum Vezier.

„Wie steht es denn um die Krankheiten in der Stadt? ’ fragte ich sie.

„Ach, davon sprecht lieber gar nicht!“ erwiderte Hripsime. „Noch zehn solcher Jahre und unsere ganze Stadt wird zu einem Spital. Ach, der Himmel weiss, was das für Krankheiten sind! Und dazu sind sie noch ganz sonderbarer [44] Art und sehr oft sterben die Leute ganz plötzlich. Die Glocken zerspringen fast von dem vielen Läuten, die Schaufel des Totengräbers ist stumpf geworden und von den vielen Nachfragen nach Särgen sogar das Holz im Preise gestiegen. Ja, was aus uns werden soll, weiss ich nicht.“

„Ist dir denn die Ursache dieser vielen Krankheiten nicht bekannt?“ fragte ich.

„Ach, das ist ja klar,“ entgegnete Muhme Hripsime, „es ist die Strafe für unsere Sünden. Was haben wir denn Gutes gethan, wofür wir Gnade von Gott zu erwarten hätten. Diebe, Falschmünzer, alles findest du unter uns. Das letzte Hemd ziehen sie dem Armen vom Leibe, unterschlagen Mündelgelder, Kirchengelder, mit einem Worte, es giebt keine Schandthat, die wir nicht des Nutzens wegen begängen. Wir dürfen uns also gar nicht wundern, wenn uns Gott dafür bestraft. Ja, Gott handelt ganz gerecht, gelobt sei sein heiliger Name! Im Gegenteil, es wäre zu verwundern, wenn uns Gott unbestraft liesse.“

Hripsime ereiferte sich nicht wenig und eben das hatte ich gewollt. Wenn sie einmal zu sprechen anfing, da hielt sie nicht mehr inne, die Worte quollen bei ihr wie aus einer Quelle hervor und je weiter, desto glatter ging es.

[45] „Weisst du was?“ begann ich wieder zu ihr, „ich stehe schon eine gute Weile vor diesem verlassenen Hofe und kann mich nicht erinnern, wessen Haus denn hier gestanden hat, weshalb man es abgebrochen und was aus seinen Bewohnern geworden ist. Du bist eine bejahrte Frau, hast in alle Winkel unserer Stadt geguckt und musst wohl etwas darüber zu erzählen wissen. Wenn du nichts Wichtiges vorhast, so thue mir doch den Gefallen und erzähle mir das, was du von den einstigen Bewohnern des verschwundenen Hauses weisst.“

Muhme Hripsime richtete ihre Blicke auf den öden Hof und den Kopf schüttelnd, sagte sie:

„Ach, lieber Sohn, die Geschichte dieses Hauses ist so lang wie unsere alten Märchen. Man muss sieben Tage und sieben Nächte erzählen, um zu Ende zu kommen.

„Dieser Hof war nicht immer so öde wie du ihn jetzt siehst. Einst stand hier ein nicht grosses, aber hübsches und sauberes Haus von Holz. Viel besser gefielen mir die hölzernen Häuser von früher als die jetzigen Steinhäuser, die von aussen wie Kasematten aussehen und im Innern wahre Kerker sind. Ein altes Sprüchwort sagt: „Im Stein- oder Ziegelhause wohnt es sich traurig.“

[46] „Hier an dieser Stelle, dem Feigenbaume gegenüber,“ fuhr sie fort, „stand ehemals ein Haus von fünf Fenstern Front, mit grünen Fensterladen und einem roten Dache. Weiter unten, dort bei den Akazien, stand ein Pferdestall, dann zwischen dem Hause und dem Stalle die Küche und der Hühnerstall, und da rechts vom Thore der Brunnen.“ Bei diesen Worten trat Muhme Hripsime einige Schritte vorwärts und sich umschauend sagte sie: „Was ist denn das? Der Brunnen ist ja ganz verschwunden! Ich erinnere mich wie heute, dass hier an dieser Stelle, wo ich stehe, ein süsswassriger Brunnen war. Was ist mit ihm geschehen? Ich weiss, dass jedes Ding verloren gehen kann, aber ein Brunnen, wie kann der verloren gehen?“ Hripsime bückte sich zur Erde und begann mit ihrem Stocke im Schutte zu scharren. „Schau her!“ sagte sie plötzlich, „böse Buben haben den schönen Brunnen ganz mit Erde und Steinen zugeschüttet! Ach, der Geier hole ihn! Wenn Jemandem der Kopf abgehauen worden ist, da weint man nicht um seinen Bart. Der Brunnen thut mir nicht leid, aber der arme Sarkis und seine Familie, ach die thun mir sehr leid.“

„Weisst du wirklich genau, dass hier des Spezereihändlers Sarkis Haus gestanden hat? [47] Den hatte ich ganz vergessen. Nun, sage mir doch, was ist denn aus ihm geworden? Wo ist er denn jetzt, lebt er noch oder ist er gestorben? Wo ist seine Familie? Ach, ich erinnere mich, er hatte eine hübsche Tochter und auch einen Sohn. Wo sind die jetzt?“

Muhme Hripsime antwortete nicht auf meine Frage und mit ihrem Stocke in der Erde scharrend, stand sie stillschweigend an der verschütteten Brunnenstelle.

Das Bild des Spezerei-Sarkis, wie wir ihn nannten, lebte plötzlich in meiner Erinnerung auf und mit ihm erwachte manches Erlebnis aus meinen Kindertagen. Ich erinnere mich, dass, als ich noch ein Knabe war, uns oft ein altes Mütterchen besuchte, die uns viel vom Spezerei-Sarkis erzählte, seine Frau und sein Hauswesen rühmte und uns immer seine Kinder als Muster vorhielt. Im Sommer, wenn das Frühobst reifte, besuchte sie oft sein Haus, pflückte in seinem Garten Früchte und kam dann immer mit gefüllten Taschen zu uns. Sie brachte uns Eierpflaumen, Safranäpfel, Feigenbirnen und noch viele andere Früchte. Seit dieser Zeit kannten wir Sarkis, und wenn meine Mutter eine Kleinigkeit fürs Haus brauchte, da holte ich sie immer in seinem Laden.

Ich liebte ihn sehr, diesen Sarkis; er war [48] ein stiller, sanfter Mann, um dessen Mund immer ein Lächeln schwebte. „Was wünschest du, mein Kind?“ fragte er immer, wenn ich in seinen Laden trat. „Die Mutter lässt Sie grüssen!“ antwortete ich, „sie bittet Sie um das und das.“ – „Gut, gut, mein Kind, du sollst es haben,“ antwortete er gewöhnlich und gab mir noch immer ein Stück Zuckerkant mit den Worten: „Das ist für dich, iss es, das ist gut für den Husten!“ Es kam niemals vor, dass ich aus seinem Laden ging, ohne von ihm etwas bekommen zu haben. Mit Zuckerkant beschenkte er mich im Winter, zur Sommerszeit aber hatte er immer in seinem Laden ganze Schwingen voll Aprikosen, Pflaumen, Birnen und Äpfeln, was natürlich alles aus seinem eigenen Garten kam. Sein Garten stand damals – es werden dreissig oder fünf und dreissig Jahre her sein – in grossem Ruhme. Einmal schickte mich meine Mutter wieder zu Sarkis in den Laden, um, wie ich mich erinnere, Safran zum Pilaw zu holen. Sarkis gab mir, was ich verlangte, und da er wohl bemerken mochte, wie gierig ich die Obstschwingen anschaute, sagte er: „Nun, heute sollst du dir in meinem Garten gütlich thun, du weisst doch, wo mein Haus ist?“ – „Ja, ich weiss,“ antwortete ich, „nicht weit von der [49] Marienkirche.“ „Ja wohl, mein Sohn,“ sagte er, „du hast es gefunden, es hat grüne Fensterladen und davor steht ein Feigenbaum. Nun, nimm diesen Korb, trage ihn zur Tante[1] und sage, ich liesse ihr sagen, sie solle dich mit meinem Sohne Toros in den Garten hineinlassen und dort mögt ihr essen, was ihr wollet.“ Er gab mir einen sauberen Korb in die Hand und als ich hineinschaute, erblickte ich darin eine Hammelleber. Vor dieser ekelte mir so sehr, als wäre es ein krepierter Hund gewesen. Zu jener Zeit verabscheute man die Leberesser nicht weniger als Diebe und Falschmünzer; sie waren mit ihrer ganzen Familie dem Spotte ausgesetzt und ordentliche Leute gingen gar nicht mit ihnen um. In jenem Augenblicke vergass ich ganz und gar, dass Sarkis ein guter Mensch sei, ich vergass seinen Obstgarten und seine hübsche Tochter, von der mir unser altes Mütterchen so viel Schönes erzählt hatte. Die Leber hatte mit einem Male alles verdorben. Sarkis bemerkte das und fragte mich lächelnd: „Was ist denn mit dir?“ – „Habet Ihr einen Hund im Hofe?“ fragte ich ohne auf seine Worte zu achten. „Nein,“ sagte er. „Für wen ist denn also diese Leber?“ – „Für niemand anders als für uns, wir werden sie selbst essen.“ [50] Ich schaute Sarkis an, ob er nicht mit mir scherze, aber nein, in seinem Gesichte war keine Spur von Scherz zu bemerken. „Esst Ihr wirklich die Leber selbst?“ fragte ich. „Was wunderst du dich denn?“ entgegnete er, „ist denn die Leber nicht zum Essen?“ „Hunde fressen Lebern,“ sagte ich verletzt und wandte mich ab, denn Sarkis kam mir in jenem Augenblicke wie ein Leichenfresser vor.

Nach einer Weile kam ein hübscher, anständiger Knabe in den Laden. „Mama hat mich hierher geschickt, um das, was du auf dem Basar gekauft hast, abzuholen,“ sagte er. „Auf dem Herde ist längst Feuer.“ Ich erfuhr nun, dass dieser Knabe Toros, Sarkis’ Sohn war. Schon am Gesichte erkannte ich, dass Toros ein guter Junge war und ich gewann ihn von Herzen lieb. „Hier mein Söhnchen, nimm das!“ sagte Sarkis und reichte ihm den Korb, den ich bei Seite gestellt hatte. Toros blickte hinein und als er die Leber erblickte, sagte er: „Wir werden heute zum Mittagessen Pastete haben?“ dann setzte er die Mütze auf und wollte weggehen. „Toros!“ rief ihm der Vater zu, „nimm Melkon mit, führe ihn zu uns nach Hause und spiele mit ihm wie mit einem Bruder!“

Ich war sehr erfreut über diese Einladung und ging mit Toros hinaus. Als wir bei Sarkis’ [51] Hause ankamen und durch das Thor in den Hof traten, war es mir, als befände ich mich in einer ganz neuen Welt. Der Hof war sauber, nirgends lag Gemülle umher; hie und da liefen hübsche Hühner, Enten und Truthühner mit ihren Küchlein umher; auf dem Dache sassen Tauben der besten Art, dann war der Hof stellenweise von hübschen, grünen Bäumen beschattet, das Haus hatte einen sauberen Balkon und unter den Dachrinnen standen grün bemalte Fässer zum Aufnehmen des Regenwassers. In den Fenstern standen verschiedene Blumen, auf dem Balkon hingen Käfige mit Stieglitzen, Nachtigallen und Kanarienvögeln, mit einem Worte, alles, was ich sah, war sauber, heimlich und anmutig.

In der Küche wurde gekocht, denn dichter Rauch stieg aus dem Schornstein empor. An der Küchenthür stand Sarkis’ Frau, die wohl dreissig Jahre alt sein mochte und eine gesunde, rotwangige und kräftige Frau war. Vom Feuer, das auf dem Herde brannte, waren ihre Wangen noch mehr gerötet, so dass, wie man zu sagen pflegt, die Röte geradezu aus ihnen hervorquoll. Auf dem Balkon sass auf einer Holzbank ein Mädchen, das nach damaliger Mode einen roten Atlasfez auf dem Kopfe trug. Das war Toros’ Schwester. Ich [52] habe in meinem Leben viele schöne Mädchen gesehen, aber ein schöneres niemals. Ihr Name war Takusch.

Mit Erlaubnis der Mutter betraten wir den Garten, wo wir uns mit gutem Obste gütlich thaten und am Dufte der vielen Blumen ergötzten. Gegen Mittag kam Sarkis aus dem Laden und lud mich zum Mittagessen ein, während dessen meine Blicke fortwährend auf die schöne Takusch gerichtet waren … Ach, unvergessliche Jahre, wie schade, dass sie so schnell vergangen sind!

Zwei oder drei Monate später fuhr ich hinunter ans Schwarze Meer und trat dort bei einem Kaufmann in die Lehre. Seit dieser Zeit war ich vierundzwanzig Jahre lang nicht in meiner Vaterstadt und alles, was ich jetzt eben erzählt habe, ist bei meiner Begegnung mit Hripsime blitzschnell in meiner Erinnerung erwacht.

Die Alte stand immer noch an der Stelle des zugeschütteten Brunnens und scharrte mit ihrem Stocke im Boden herum.

„Nun, Muhme Hripsime, wo ist denn jetzt Sarkis und seine Familie?“ fragte ich.

„Hast du ihn denn gekannt?“ fragte sie verwundert.

„Ja, ein wenig,“ entgegnete ich.

[53] „Deine Eltern hatten wohl Umgang mit ihm?“

„Nein, ich war nur einmal in seinem Hause und zwar noch als Knabe.“

„Ach, damals! O das war seine glücklichste Zeit. Ach, welche Belustigungen wir oft in seinem Garten hatten. Ja, früher war es nicht so wie jetzt. Nicht eine Spur ist von diesem herrlichen Garten geblieben. Auch das Haus ist verschwunden. Sieh’ mal, dort war die Küche, dort der Hühnerstall, dort die Scheune, hier der Brunnen.“

Bei diesen Worte wies sie mit ihrem Stocke nach jeder Stelle, aber von den von ihr genannten Gebäuden war keine Spur mehr vorhanden.

„Ach, ach, mein Sohn!“ fuhr sie weiter fort. „Der, der das Glück dieser guten, Gott wohlgefälligen Leute zerstört, der ihr Haus niedergerissen und die ganze Familie nach allen Winden auseinander gejagt, der wie ein Wolf über ihr Hab und Gut hergefallen ist, der mag von Gott gerichtet werden. Ich wünsche diesem Menschen kein Übel, aber, wenn es einen Gott im Himmel giebt, mag dieser Mensch keine Ruhe in seinem Hause finden, mögen ihm seine Kinder keine Freude bereiten und mag er in seinen vier Mauern [54] nie des Glückes ansichtig werden! Wie er diese vier armen Schlucker zu Grunde gerichtet und ihren frühen Tod verschuldet hat, so mag auch er dafür in der weiten Welt unstät umherirren und auch im Schlafe keine Ruhe finden. Ja, mag mit seinem Reichtum an Gütern auch sein Kummer und Weh wachsen!

„Ich kannte Sarkis schon, als er noch ein Knabe war. Um die Zeit, als du ihn kennen lerntest, mag er wohl schon an vierzig Jahre alt gewesen sein. So wie du ihn gesehen hast, war er immer, nämlich schweigsam, bescheiden, fromm, mildthätig gegen die Armen und gastfrei. Es kam niemals vor, dass er seine Frau barsch angeredet oder die Hand gegen seine Kinder erhoben hätte. Immer war er zufrieden mit dem, was er hatte, nie beklagte er sich, dass er zu wenig habe, niemals begehrte er das Gut eines Andern. Ja, ein so Gott wohlgefälliger Mann war Sarkis und dieselben Tugenden besass seine Frau. Noch in früher Kindheit verlor sie ihre Eltern, worauf sie Verwandte ihrer Mutter zu sich nahmen, aber sehr schlecht behandelten. Ja, bitter ist das Los der Waisen, denn selbst, wenn sie Vermögen haben, sind sie nicht besser daran als arme. Man sagte, dass, als ihr Vater starb, er ihr [55] einen Laden mit Waren im Werte von 3000 Rubeln und ausserdem noch 2000 Dukaten bares Geld hinterliess, aber kaum war er gestorben, als die Verwandten kamen und als Vormünder der Waise die Waaren und das Gold in Sicherheit brachten. Als sie vierzehn Jahre alt war, freite einer nach dem andern um sie, aber wie die Brautwerber erfuhren, dass von dem Vermögen nichts mehr da sei, suchten sie das Weite und das Mädel blieb sitzen. Zum Glücke für sie erschien Sarkis. Dieser sagte: „Ich will eine Freundin haben, ich suche kein Vermögen,“ und die Verwandten gaben sie ihm natürlich sofort und mit ihr auch allerlei alte Lumpen, einige halb zerbrochene Möbel und mehrere alte Goldstücke. „Das ist alles, was ihr Vater hinterlassen hat,“ sagten sie. Dann verlangten sie noch von ihm einen Empfangschein über die ganze Hinterlassenschaft des Vaters und schafften sie sich so vom Halse.

„Zu jener Zeit hatte Sarkis selbst noch nichts und war eben so ein armer Schlucker wie seine Frau. Er war Ladendiener und bekam wohl jährlich nicht mehr als 150 Rubel in Assignaten, was nach heutigem Gelde kaum den dritten Teil ausmacht. Ja sie waren Beide arm, aber Gottes Barmherzigkeit ist gross und [56] niemand ergründet seine Ratschlüsse. In demselben Jahre starb plötzlich der Kaufmann, bei welchem Sarkis diente und vermachte ihm den ganzen Laden mit allem, was darin war unter der Bedingung, der hinterbliebenen Wittwe jährlich eine gewisse Summe auszuzahlen. Sarkis übernahm das Geschäft und wurde nach drei Jahren alleiniger Besitzer desselben. Allmälig vergrösserte er es und auf diesem Grundstücke, das er von seinem Vater geerbt hatte, führte er ein nettes Haus auf und bezog es. In demselben Jahre schenkte ihm Gott eine Tochter, der er den Namen Takusch gab, vier Jahre später kam sein Sohn Toros zur Welt.

„Ja, so gründeten sich diese beiden Waisen eine hübsche Wirtschaft und wurden zu Leuten. Diejenigen, die früher über sie gelacht hatten, suchten jetzt ihren Umgang[WS 1] und fingen an sich in Lobeserhebungen über Sarkis zu ergehen, aber Sarkis blieb derselbe gottesfürchtige Sarkis. Er sagte niemand ein böses Wort und machte auch den Verwandten, die seine Frau so bestohlen hatten, keine Vorwürfe. Ja als die Verwandten jene Erbschaft durchgebracht hatten und in Not gerieten, unterstützte er sie sogar.

„Wie gesagt, Sarkis versagte niemand seinen Beistand, aber auch seine Frau hatte [57] ein gutes Herz. Was sie gutes that, lässt sich gar nicht erzählen. Wie oft buk sie Prezeln, Kuchen, Milchbrode und Zuckerzwieback und schickte ganze Bleche davon denen, die das nicht haben konnten, denn sie sagte: „Mögen die, die vorübergehen und den Duft meiner Kuchen riechen, nicht umsonst danach verlangen!“

„Um jene Zeit starb mein Mann (Gott mache ihn selig!) und ich blieb mutterseelen allein. Da kam Sarkis’ Frau zu mir und sagte: „Was wirst du da so einsam in deinem Hause wohnen, vermiete es und komme zu uns!“ Ich zögerte natürlich nicht lange, legte alle meine Sachen in einen grossen Kasten und zog zu ihnen und bald lebten wir wie zwei Schwestern mit einander. Takusch war damals fünf Jahre alt, Toros aber war noch ein Säugling. Zehn Jahre wohnte ich in ihrem Hause und hörte während dieser Zeit nicht ein einziges barsches Wort von ihnen. Nicht ein einziges Mal sagten sie zu mir: „du isst unser Brod, du trinkst unser Wasser, du trägst unsere Kleider!“ Nein, solche Reden führten sie nie und im Gegenteil, sie setzten mich an den Ehrenplatz. Ja, so ehrten sie mich. Und du lieber Gott, was war ich denn für sie? Weder eine Mutter, noch Schwester, noch Tante, noch irgend eine [58] Anverwandte! Ich war für sie eine von der Strasse gekommene Fremde!

„Ja, solche gottesfürchtige Leute waren Sarkis und seine Frau. Die armen Schlucker glaubten, alle Menschen wären so reinen Herzens wie sie. Ich hatte schon damals eine Ahnung, dass das nicht gut enden würde und machte ihnen oft Vorstellungen und bat sie, sie möchten sich etwas vor den Leuten vorsehen, aber da hatte ich gut reden, denn sie sangen ihr altes Lied weiter.

„Wie ein süsser Traum vergingen mir die zehn Jahre bei diesen guten, von reiner Muttermilch genährten Leuten. Ich kannte weder Schmerz noch Trauer, noch dachte ich daran, was ich morgen essen oder womit ich mich bekleiden würde. Wie Gottes Hand freigebig ist, war auch ihr Haus für mich. Zwölf Monate lang im Jahre sass ich ruhig an meinem Spinnrade und besorgte mein Geschäft.

„Einmal während der Hundstage – Takusch war damals schon fünfzehn Jahre alt und begann ihr sechzehntes – breiteten wir gegen Abend nach alter Sitte im Garten einen Teppich aus, stellten ein Tischchen darauf und setzten uns um denselben herum, um Thee zu trinken. In unserer Nähe dampfte und siedete die glänzend reine Theemaschine und um uns [59] her verbreiteten Rosen und Nelken ihre Wohlgerüche. Es war ein schöner Abend und er wurde noch schöner, als der Vollmond wie eine goldene Schüssel am Himmel aufstieg. So lebhaft erinnere ich mich an diesen Abend, als wäre es gestern gewesen. Takusch goss den Thee ein und Muhme Mairam, Sarkis’ Frau, nahm eine Tasse, aber wie sie sie an die Lippen führte, fiel sie ihr aus der Hand und der Thee floss ihr aufs Kleid. Mir wurde sonderbar zu Mute, als ich dies sah, denn mein Herz sagte mir, dass das etwas Schlimmes zu bedeuten habe. „Das Böse bleibe fern, das Gute komme!“ flüsterte ich und bekreuzte mich im Stillen. Dabei blickte ich auf Takusch und sah, dass die Arme die Farbe gewechselt hatte, denn auch ihre unschuldige Seele mochte etwas Böses ahnen. Sarkis und Mairam blieben jedoch munterer Dinge und dachten gar nicht an derartige Dinge. Mochten sie auch tausend Mal nicht daran glauben, was kommen soll, kommt doch! Mairam nahm das Mundtuch, wischte sich das Kleid ab, Takusch goss ihr eine frische Tasse ein. „Es wird gewiss ein Gast mit süsser Zunge kommen,“ sagte Sarkis lächend, „Mairam, stehe auf und ziehe ein anderes Kleid an, denn sonst musst du dich schämen, wenn Jemand kommt!“ – „Wer [60] könnte denn heute noch kommen!“ entgegnete Mairam lächelnd, „und übrigens wird ja das Kleid schnell trocknen.“

„Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, als die Gartenthür mit Geräusch geöffnet wurde und ein Herr im Hute hereintrat. Kaum war er in den Garten getreten, als er auch schon seine Ziegenstimme hören liess und wie eine Windmühle zu plappern anfing. „Guten Abend, wie geht’s? … Ihr trinkt Thee, ja? … Das ist sehr schön von euch … Ach was für eine prächtige Luft hier ist! … Guten Abend, Herr Sarkis! Guten Abend, Frau Mairam, guten Abend, Hripsime! Was macht ihr? … Ich trinke auch sehr gern Thee im Freien. Was für einen schönen Garten ihr habet! Darf ich diese Kirschen kosten? … Hm, sie sind nicht schlecht! Nein, das sind prachtvolle Kirschen! Wenn ihr mir so ein Tuch voll von diesen Kirschen geben möchtet, ich würde sie meiner Frau nach Hause tragen. Und was sind das für prächtige Aprikosen! Herr Sarkis, weisst du was? Verkaufe mir dein Haus! … Nein, ich will dir etwas Besseres sagen. Komm mal in meinen Laden, du weisst ja, wo er ist! Dort in dem neuen zweistöckigen Hause. Ja, ja, komm einmal zu mir! Da setzen wir uns ganz gemütlich vor den Schreibtisch und werden [61] von verschiedenen Moskauer Fabriken plaudern.“

„Wir waren wie versteinert. Es giebt in der Welt verschiedene[WS 2] verrückte Kerle, Plaudertaschen und Windbeutel, aber so ein Geschöpf sah ich zum ersten Male im Leben. Und weisst du, wer das war? Der Hämorrhoidenhans!“

„Hast du von ihm gehört, hast du diese Gottesgeisel gesehen?“ fuhr Hripsime fort.

„Nein, ich kenne ihn nicht,“ sagte ich.

„Was? du wohnst doch in unserer Stadt! Giebt es denn hier Jemand, der diesen Schurken nicht kannte? Geh nur zu den Mäklern, die werden dir erzählen, wieviel Leute er durch Betrug um Haus und Hof gebracht und aus der Stadt hinausgejagt hat. Hast du gesehen, wie die Vogelsteller die Vögel in ihre Netze locken, wie sie ihnen Lieder vorpfeifen? So lockt auch dieser Hans die Leute in seine Falle. Heute stellt er sich ganz dumm, morgen ist er plötzlich klug und versteht die Sache, dann ist er wieder ganz einfältig und das reine Lamm, einmal ist er geizig, dann wieder freigebig und so treibt er es fort. Ja, wie ein Fuchs schleicht er mit dem Schwanze wedelnd unter den Leuten herum, bohrt, wenn er sich ein Opfer ausersehen, diesem seine Krallen in [62] den Nacken und der arme Schlucker ist verloren. Entweder macht er ihn für immer zu seinem Schuldner und lässt ihn vor Zinsenzahlung gar nicht zu Atem kommen oder er zieht ihn gleich bis aufs Hemd aus und lässt ihn laufen. Nun, höre nur zu, wie die Geschichte weiter ablief!“

„Guten Abend!“ sagte Sarkis, als er den Hämorrhoidenhans bemerkte und reichte ihm die Hand entgegen. „Welcher Wind hat euch denn hierher geweht? Mairam, giesse unserem geehrten Herrn Johannes eine Tasse Thee ein.“

„Herr Sarkis, weisst du, warum ich zu dir gekommen bin?“ begann Hans. „Die ganze Welt ist voll von deinem Lobe; überall spricht man von dir, und da dachte ich bei mir: „Ich muss doch einmal hingehen und sehen, was das für ein Mann ist, dieser Sarkis!“ Und da bin ich halt gekommen, entschuldige meine Dreistigkeit! Ich bin einmal so, ich gleiche in nichts unseren Stubenhockern. Ich bin so etwas, weisst du, nach europäischer Façon, wer mir gefällt, den besuche ich ganz einfach, stelle mich ihm vor und mache seine Bekanntschaft. Dann lade ich ihn in mein Haus ein, gehe wieder zu ihm und bringe auch meine Familie mit. Ja, so ein Kerl bin ich, mag mich auslachen, wer da will!“

[63] „Ach,“ dachte ich, „der arme Sarkis ist schon in seine Netze gefallen und mit ihm seine Familie.“

„Unterdessen hatte Mairam Thee eingegossen, stellte die Tasse auf ein Theebrett und Takusch setzte sie dem Hans vor. „Wo kauft ihr denn den Thee?“ begann dieser die Tasse nehmend. „Wenn ihr Thee wollt, so kauft doch welchen bei mir, ihr wisst ja, wo mein Laden ist! Ich kann euch jede beliebige Sorte geben und noch dazu zu billigem Preise. Den Thee, der zwei Rubel kostet, gebe ich euch für einen Rubel und fünf und neunzig Kopeken. Ja, euch will ich ihn sogar mit Verlust verkaufen. Ach, was ihr für schlechten Thee trinket! Solchen Thee gebe ich nur meinen Arbeitsleuten zu trinken.“ Dabei fing er an zu schlürfen und leerte im Nu die Tasse. „Seid so gut und gebt mir noch eine Tasse,“ sagte er, „in der frischen Luft bekommt man Appetit. Wenn ich mit Genuss Thee trinken will, lass’ ich mir immer meinen Wagen anspannen und fahre hinaus in den Klostergarten. Dort trinke ich im Freien zwei, drei Gläser und abgemacht. Ja, solche europäische Gebräuche gefallen mir.“

„Wohl bekomms dir!“ sagte Sarkis.

„Nun, wie steht’s, Herr Sarkis, kommst du morgen zu mir?“ fragte der Hämorrhoidenhans.

[64] „Ich werde sehen,“ entgegnete Sarkis.

„Was ist da zu sehen? Wenn du kommen sollst, da komme! Wir setzen uns hinter den Ladentisch, trinken unser Glas Thee und werden plaudern. Ja, dann und wann werden wir etwas über europäische Dinge sprechen, von Buchführung, Zeitungen und anderen Dingen!“

„Gut, gut, ich werde schon kommen, es läuft ja nicht fort.“

„Nun gut, für mich ist es schon Zeit abzuschieben, denn ich muss heute noch zwei Besuche machen,“ bemerkte der Hämorrhoidenhans.

„Macht man denn um diese Stunde Besuche?“ versetzte Sarkis. „Es muss doch schon gegen zehn Uhr sein. Takusch, zünde ein Licht an!“

„Takusch ging in das Zimmer und kehrte bald darauf mit einem Lichte zurück. Sarkis zog nun seine Uhr aus der Tasche und sie dem Lichte nähernd, sagte er: „Siehst du, es ist schon drei Viertel auf zehn!“ Hans schaute hin und rief sogleich aus: „Ach, Herr Sarkis, was für eine prächtige Uhr hast du da! Woher hast du sie? Das scheint mir eine kostbares Ding zu sein. Zeige sie doch einmal!“

„Diese Uhr habe ich von unserem verstorbenen Kaiser zum Geschenk erhalten,“ [65] erzählte Sarkis. „Du weisst doch, dass vor einigen Jahren der verstorbene Kaiser Taganrog besuchte. Bei dieser Gelegenheit wollten ihm die Taganroger ein prächtiges Pferd schenken, aber sie konnten keinen anständigen Sattel finden. Zufälliger Weise besass ich einen solchen und als sie dies erfuhren, kamen sie zu mir und sagten mir wozu sie den Sattel brauchten. Nun, wer wäre denn für den Kaiser zu einem solchen Opfer nicht bereit; ja, nicht nur einen kostbaren Sattel (der ist ja nicht viel wert), aber sogar sein Leben wird Jeder gern opfern. Ich mietete also sogleich einen Wagen, nahm den seltenen Sattel mit und vorwärts nach Taganrog zum Gouverneur. „Eure Durchlaucht sucht einen Sattel?“ fragte ich. „Ja wohl,“ antwortete er, „hast du denn so einen?“ – „Da ist er!“ sagte ich. „Danke dir!“ sagte er und drückte mir die Hand. Dann führte er mich in seine Zimmer. Donnerwetter! es sah dort aus wie in einem Königsschlosse! Er liess mich setzen, bewirtete mich mit Thee, lud mich zum Mittagessen an seinen Tisch, mit einem Worte, er behandelte mich anständig. Beim Abschiede nahm er aus einer Schublade einen Ring mit echten Brillanten, gab ihn mir und sagte: „Nimm das von mir zum Geschenk und was ich vom [66] Kaiser bekomme, gebe ich dir auch.“ Und er hielt sein Wort. Der Kaiser kam wirklich, man schenkte ihm das Ross mit dem Sattel, Seine Majestät dankte dafür und gab mir diese Uhr. Schaue nur, was das für ein schönes Ding ist!“

„Ja, wirklich, das ist ein hübsches Ding, zeige es doch einmal, ich will sehen, was das für eine Uhr ist,“ sagte der Hämorrhoidenhans, die Uhr betrachtend. „Und den Ring hast du bei dir? Ja? Kann ich ihn sehen? Ach, lass mich einmal sehen, was das für ein Ding ist. Ich sehe solche Sachen sehr gern, besonders wenn sie von hohen Personen herrühren.“

„Ist der Ring nicht in der Kommode?“ fragte Sarkis seine Frau anschauend.

„Ja, ich habe ihn dort aufgehoben,“ entgegnete’ Mairam zaghaft, denn sie mochte wohl etwas Schlimmes ahnen. „Wer ward denn jetzt in der Nacht in der Kommode herumwühlen!“

„Gute Muhme Mairam!“ begann Hans mit schmeichlerischem Tone, „ich bitte, bringen Sie den Ring, zeigen Sie mir ihn. Seien Sie so gut! Wenn ich solche seltene Sachen sehe, da hüpft mir das Herz in der Brust vor Wonne. Es ist eine wahre Freude für mich, solche Sachen in der Hand zu halten und sie zu betrachten. Ich bitte, bringen Sie den Ring!“

[67] „Ich schaute ihn in diesem Augenblicke an und er erschien mir wirklich wie ein echter Zigeuner. Hätte ich nicht auf die Anwesenden Rücksicht nehmen müssen, ich hätte ihm sicherlich ins Gesicht gespuckt, so zuwider war mir dieser Schurke. Ja, es ist wahr, was das Sprüchwort sagt: „Wenn ein Reicher verarmt, so duftet er noch vierzig Jahre lang nach Reichtum, wenn aber ein Armer reich wird, so stinkt er vierzig Jahre lang noch nach Armut.“ So war es auch mit diesem Hämorrhoidenhans. Ach, wenn es in meiner Macht gelegen hätte, ich hätte den Kerl beim Kragen gepackt und zum Thore hinausgejagt, aber Sarkis war nicht nach meinem Temperamente, der hatte ein weiches Herz und war sanft wie ein Lamm. Ich trat zu ihm, stiess ihn an den Ellenbogen und flüsterte ihm zu: „Was machst du denn, du gutmütiger Narr? Warum hast du ihm die Uhr in die Hand gegeben und willst ihm gar noch den Ring zeigen? Du wirst sehen, er hat böse Gedanken. Ich wette um meinen Kopf, dass er dir ein Unheil auf den Hals bringt. Siehst du denn nicht seine gierigen Augen? Er will ja dich samt Haus und Hof verschlingen!“

„Aber da hatte ich gut reden! Obgleich ein Mann in reifem Alter, war Sarkis doch [68] nur wie ein Knabe und glaubte, alle Leute wären so redlich wie er. Gott weiss, vielleicht war ihm nun einmal so ein Schicksal beschieden und es war ihm unmöglich dem Unglücke aus dem Wege zu gehen. Mairam brachte den Ring und als ihn der Schurke nur erblickte, riss er ihr ihn sofort aus der Hand und steckte ihn sich auf den Finger.

„Was das für ein hübsches Ding ist!“ sagte er schmunzelnd. „Wie das glänzt, was für ein seltener Ring, was für ein wunderschöner Brillant! Was soll ich dir für diesen Ring geben? Verkaufe ihn mir. Mir gefällt er ausserordentlich, ja, ohne Scherz, verkaufe ihn mir … Nein, wir wollen es anders machen. Ich will dir dafür aus meinem Laden allerlei Waren zu sehr billigem Preise geben. Ja, sehr billig, es soll mich der Schlag rühren, wenn ich etwas dabei verdienen will. Ich verkaufe dir alles zum Einkaufspreise, und wenn du willst, gebe ich dir noch am Rubel zehn Kopeken Rabatt.“

„Nein, lieber Herr!“ sagte Mairam verlegen, „kann man denn ein Andenken vom Kaiser und einem so hohen Würdenträger verkaufen? Wir haben es ja auch nicht nötig. Wir sind ja keine Juden, die alles verschachern und zu Gelde machen, was ihnen in die Hände kommt. Sind wir denn solche arme Schlucker, [69] um nicht etwas Gutes und Wertvolles im Kasten haben zu können? Nein, Herr Johann, was du sprichst, das kommt mir ganz absonderlich vor. Du bist ja reich und sagst, du hättest in deinem Leben keine goldene Uhr noch einen Ring mit Brillanten gesehen! Das ist mir eine schöne neue Sitte, dass man das, was man sieht, sogleich haben will. Nein, lieber Herr, richte deine Blicke nicht auf unser Gut und sei zufrieden mit dem, was du selbst hast.“

„Frau Mairam!“ sagte der Schurke schmunzelnd, „warum bist du denn gleich so böse, darf man denn mit dir nicht scherzen?“

„Ein schöner Scherz!“ sagte ich meinerseits. „Du hast die Bäume erblickt und gleich wolltest du sie umhauen. Wie ein Wolf bist du übers Obst hergefallen. Hast den Garten erblickt und gleich willst du ihn kaufen. Auch den Ring willst du haben und ihn gegen deine Waren eintauschen. Was für Albernheiten schwatzt du uns denn da vor? Entweder bist du selbst verrückt oder du willst andere verrückt machen. Ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamme, das sieht man an dir!“

„Muhme Hripsime, was bist du so böse auf mich? darf man denn nicht scherzen?“

„Genug, genug, ich verstehe schon deine Scherze!“ rief ich entrüstet.

[70] „Ja, wir Weiber wuschen ihm ganz gehörig den Kopf, aber Sarkis sagte kein Sterbenswörtchen. Wie dieser Stock hier in meiner Hand, so sass er stumm und wortlos da. Der Herrgott hatte ihm ja auch eine Zunge zum Sprechen gegeben, aber du lieber Himmel! Er sass da wie ein Klotz und brachte keinen Laut heraus und ich, ich wäre beinahe vor Wut geplatzt.

„Und jener gewissenlose Kerl wiederholte noch sein Gerede: „Versteht ihr denn keinen Spass? Versteht ihr denn keinen Spass?“ Schöne Spässe! Er wollte uns übers Ohr hauen und das nannte der Kerl einen Spass! Und wie der Kerl aussah! Sein Gesicht glich ganz einem Trommelfell. Es war als ob man von dieser Fratze das heilige Salböl mit einem Fleischerschwamme abgewischt hätte. Ja, da siehst du, wie die Leute reich werden, wie sie sich zu Eigentümern fremden Gutes machen. Das Gewissen jagen die Schurken zum Geier, lassen sich die Gesichtshaut dick wachsen, stellen sich äusserlich dumm, wenn man ihnen ins Gesicht spuckt, nehmen sie das auf wie einen Mairegen, wenn man sie ausschimpft und ihnen Schurkereien vorwirft, nehmen sie das wie einen Scherz entgegen und so werden die Halunken schon reich. Ja, aber zu so etwas [71] muss man geboren werden, anders verstehe ich’s nicht. Ach, wenn du wüsstest, was wir diesem Schurken alles ins Gesicht sagten, ja, beinahe hätten wir ihn am Kragen gepackt und zum Thore hinausgeführt. Der abgebrühte Kerl that dabei wie dumm, schwieg und lachte uns ins Gesicht, als hätten wir gar nicht zu ihm, sondern zu einem andern gesprochen! Weder die Uhr zog er aus der Tasche, noch den Ring vom Finger. Da dachte ich endlich bei mir: „Ich will doch schweigen und sehen, was daraus werden wird!“

„Und weisst du, was dieser gewissenlose Schurke nach kurzem Schweigen zu unserem Sarkis sagte? „Gevatter!“ sagte er, „deine Uhr und dein Ring gefallen mir sehr; gieb sie mir auf einen oder zwei Monate, ich will sie nach Moskau schicken und mir ganz ähnliche machen lassen. Sobald ich sie zurück bekomme, gebe ich sie dir unversehrt zurück.“

„Unser dummer Sarkis wagte nicht „nein!“ zu sagen und ging darauf ein.

„Nimm sie!“ sagte er, „aber sei vorsichtig, damit sie nicht verloren gehen, denn …“

„Aber was glaubst du denn?“ antwortete Jener, „bin ich denn? …“

„Wo kauft ihr denn den Zitz?“ begann der Schurke nach einer Weile. „Wieviel zahlt ihr [72] für die Elle? Wo kauft ihr die Leinwand? Wie hoch kommt euch die Elle Tuch zu stehen? Wo kauft ihr die Seide und wo den Sammet?“ Gott weiss was er noch alles zusammen plapperte und Sarkis stand ihm Rede und erzählte alles, wie es in Wirklichkeit war. „Wir,“ sagte er, „kaufen die Manufakturwaren beim gelben Pogos,“ und ohne etwas zu verheimlichen, sagte er ihm noch die Preise dazu. „Hast du denn den Verstand verloren?“ rief der Hämorrhoidenhans aus, „kann denn ein Mensch bei vollen Sinnen etwas beim gelben Pogos kaufen! Weisst du denn nicht, dass das ein Gauner ist? Warum kaufst du denn deine Waren nicht bei mir? Ich gebe sie dir um die Hälfte billiger.“ Hierauf erwiderte ihm Sarkis: „Wenn ich wieder etwas brauche, werde ich es bei dir kaufen.“

„Ich wusste ganz genau, dass Sarkis damals nichts brauchte und es nur sagte um den Kerl loszuwerden. Aber dieser verstand ihn nicht oder stellte sich absichtlich so, als ob er ihn nicht verstände und begann wieder: „Nein, so mache es nicht! Komme morgen zu mir und suche dir aus, was dir gefällt. Du denkst doch nicht etwa, dass ich an dir etwas verdienen will! Mag die Ware bei dir im Schrank liegen, denn unter uns gesagt, in [73] diesem Jahre war die Ware in Moskau sehr billig, drum habe ich geschickt die Angel ausgeworfen und alles zum halben Preise gekauft. Für meine Abnehmer ist dieses Jahr so günstig, dass Jeder, wenn er die Ware einige Zeit liegen lässt, dann mit Bestimmtheit das Doppelte löst. Ja, kaufe, sage ich dir, aber nicht ellenweise, sondern stückweise und ich sage dir, du wirst es nicht bereuen. Wenn du willst, schicke ich dir morgen fünf oder sechs Stück von verschiedener Ware.“

„Aber wozu denn so eilen?“ sagte Mairain, „meine Kommode ist voll von Stoffen zu Kleidern und was ich anhabe, ist auch noch ganz neu. Wenn wir etwas brauchen sollten, werden wir selbst kommen.“

„Aber was sagst du da, Tante!“ versetzte der Hämorrhoidenhans. „Glaubst du mir denn nicht? Ich sage dir, in diesem Jahre könnt ihr für die Ware das Doppelte lösen und wenn ihr selbst nicht alles braucht, gebt’s den Nachbarn, ihr werdet ein gutes Geschäft machen. Ja, ich gebe euch mein Ehrenwort, dass ihr das Doppelte daran verdient. Werde ich denn eines solchen Quarkes wegen lügen? Wen glaubt ihr denn vor euch zu haben, für wen haltet ihr mich denn? Schliesslich ist das eine Kleinigkeit, aber ich werde euch etwas Besseres [74] sagen. Ihr müsst bei mir einen grossen Transport Thee nehmen, im Winter werden die Preise steigen und ihr könnt ein ungeheures Geld daran verdienen. Ich werde euch morgen einstweilen einige Kisten schicken. Gut? Nun gewiss, ich werde sie euch schicken!“

„Lieber Hans!“ versetzte Sarkis. „Du weisst, wie gefährlich es ist einen neuen Handel anzufangen. Mit Thee habe ich niemals gehandelt und die Sache scheint mir ziemlich gewagt. Ich kenne keine Theeabnehmer und verstehe mich auch nicht auf diese Ware. Wenn sie mir dann liegen bleibt und verdirbt …“

„Aber was für leeres Stroh drischst du da?“ rief der Hämorrhoidenhans. „Sobald nur die Leute erfahren, dass du Thee zu verkaufen hast, werden sie selbst in deinen Laden gelaufen kommen. Glaubst du denn, dass du sie zu suchen brauchst? In einer Woche oder in zwei wird auch keine Spur mehr von deinem Thee da sein. Ich spreche mit Geschäftskenntnis. In diesem Jahre hat man aus Sibirien sehr wenig Thee gebracht und der, den man gebracht hat, ist fast ganz in meine Hände gefallen. Glaube nicht, dass ich in dir einen Käufer suche! Behüte Gott! Als ich erfuhr, dass du ein so guter Mensch seiest, [75] dachte ich bei mir, „dem muss ich etwas zu verdienen geben, ja, mag er ein paar Kopeken verdienen!“ Glaubst du denn, dass es mir an Käufern fehlt? Nun, Sarkis, also morgen schicke ich dir die Ware, was?“

„Bei Gott, ich weiss nicht, was ich dir antworten soll, weisst du, ich fürchte mich,“ entgegnete Sarkis.

„Weiter konnte der Arme nichts sagen, denn er war ein so braver, gutmütiger Kerl, dass es ihm schwer war Jemandem etwas abzuschlagen. Das Wort „nein“ bestand für ihn gar nicht.

„Du sprichst Dummheiten!“ begann der Hämorrhoidenhans von neuem. „Mach’ deine Spezereibude zu und gründe einen Grosshandel, betreibe das Geschäft auf europäische Art und du wirst sehen, wie du mir mit der Zeit dankbar sein wirst. Glaubst du denn, ich sei dein Feind? Würde ich dir denn Schlimmes raten? Nun, die Sache ist abgemacht, morgen schicke ich dir einige Kisten Thee und die stelle in deinen Laden. Du weisst ja, dass dir der Hämorrhoidenhans nichts Böses wünscht. Ja, ich will dir noch etwas Besseres sagen. Du weisst was „Machorka“ ist? Das ist ein gemeiner Tabak, den das niedere Volk raucht. Was meinst du von dieser Ware? Glaubst du, es gebe jetzt eine vorteilhaftere Ware als [76] diese? Die Leute verdienen Tausende daran und bauen sich dafür grosse Häuser. Und was hat man da für Ausgaben? Stelle den Tabak in einen leeren Stall oder Schuppen und mag er da stehen. Eine Kiste davon stelle in deinen Laden und ich sage dir, wenn du dabei nicht einen Rubel am Rubel verdienst, spucke mir ins Gesicht! Im Frühjahre war viel von dieser Ware in den Händen eines Kosaken. Der dumme Kerl wusste nicht, was er damit anfangen sollte und brauchte Geld, dieser Gänserich! Ich brachte ihn zu mir nach Hause, liess Schnaps, Brod und Schinken bringen und nach einigem Hin- und Herreden kaufte ich von ihm vierhundert Kisten zum halben Preise. Die Hälfte zahlte ich bar, die andere Hälfte in achtzehn Monaten. Nun, war das nicht ein gutes Geschäft? Wenn ich nicht meine drei Tausend Rubel daran verdiene, will ich ein Narr heissen. Wenn du willst, schicke ich dir auch von dieser Ware etwas. Stelle sie in deinen Laden oder in deinen Schuppen und mag sie da liegen! Sie frisst und trinkt ja nichts. Du wirst sehen, wie die Preise steigen werden. Ja, ich sage dir, wenn du nicht hundert Prozent daran verdienst, da spucke mir ins Gesicht! Nun, soll ich dir einige Kisten davon schicken?“

[77] „Bei Gott, ich kann nicht darauf eingehen,“ erwiderte Sarkis. „Weisst du was? Ich fürchte mich einen neuen Handel anzufangen. Wenn dann die Ware nicht geht oder verdirbt, oder die Preise fallen, was soll ich da machen? Du weisst doch, dass unser Kapital nur aus ein paar Kopeken besteht. Was wir verdienen, verzehren wir auch. Wenn ich den Rubeln nachlaufe und dabei die Kopeken verliere, wer wird mir dann etwas zu essen geben?“ schloss der arme Schlucker als ob er etwas Schlimmes geahnt hätte.

„Aber konnte sich denn einer von diesem Satan von Hämorrhoidenhans losmachen? Wie ein Blutegel hatte er sich an seinen Hals festgesaugt und verlangte von ihm seine Ware zu kaufen.

„Nun Sarkis?“ fing er wieder an, „unsere Sache ist abgemacht. Ich schicke dir morgen Manufakturwaren, Thee und Tabak. Gut?“

„Ich werde noch sehen, ich muss mir das überlegen,“ stotterte Sarkis. Er wollte ihn los werden, aber er wusste nicht wie er es anfangen sollte.

„Was soll das heissen: „Ich werde sehen!“ was?“ fuhr ihn jener an. „Magst du tausendmal sehen, so gute Ware und eine so günstige Gelegenheit findest du nicht wieder. Ich spreche [78] mit Sachkenntnis. Ja, lass’ dir diese Gelegenheit nicht entschlüpfen, sonst wirfst du mit eigenen Händen das Gold zum Fenster hinaus. Ich spreche von grossem Verdienst, von grossen Vorteilen, glaube nicht, dass das Scherze sind!“

„Wir werden sehen!“ versetzte der arme Sarkis. „Wir haben ja noch manchen Tag vor uns. Ja, wir werden schon etwas machen!“

„Nun, was du machst, das ist nicht viel wert!“ rief der Hämorrhoidenhans. „Ich sehe, dass wenn ich die Sache deinem Entschlusse überlasse, du in fünf Jahren noch keinen Entschluss gefasst haben wirst. Ist das nicht wahr? Morgen schicke ich dir eine Fuhre Waren, das übrige später.“

„Bei diesen Worten ergriff er seine Mütze, verabschiedete sich schnell und ging fort.

„Es war beinahe ein Uhr. Mairam und Takusch waren sitzend eingeschlafen und auch ich war sehr schläfrig, aber ich bekämpfte meinen Schlaf, um den Teufel von Härmorrhoidenhans zu bewachen. Der Mensch kann für den Menschen ein Priester sein, aber auch ein Satan.

„Als Jener schon auf der Strasse war, sagte Sarkis: „Was für ein sonderbares Gespräch wir heute geführt haben. Von allem, was dieser Mensch gesagt hat, habe ich nichts [79] verstanden. Sein Gedanke ist nicht gerade übel, aber ich weiss nicht wie es kommt, mein Herz ahnt etwas Schlimmes.“

„Ich wollte ihm eben etwas darauf erwidern, als ich plötzlich niesen musste, aber nur einmal. „Siehst du jetzt,“ sagte ich zu Sarkis, „siehst du, ich hatte Recht, dass er dich anführen will, jetzt hat es sich bewahrheitet!“

„Wenn man bei Tage nur einmal niest, so bedeutet das etwas Schlimmes, aber bei Nacht ist es sogar gut!“ fiel mir Sarkis ins Wort.

„Ach,“ sagte ich ihm, „du wirst mir doch nicht Lehren geben, du wirst mich nicht lehren, was das Niesen bedeutet. Ob es bei Tage oder bei Nacht ist, das bleibt sich gleich, einmal niesen bedeutet etwas Schlimmes und wenn man gerade etwas vorhatte, so soll man es unterlassen!“

„Sarkis wollte mir aber nicht Recht geben und fuhr fort zu plappern, dass in der Nacht einmal niesen gut sei. Ich sagte „nein“ und er sagte „ja“ und so ging es fort bis ich endlich aufstand. „Ach,“ sagte ich, „mach’ es wie du willst, aber wenn mit dir ein Unglück geschieht, da gieb mir dann keine Schuld!“

„Ich habe ja noch nichts angefangen,“ meinte er, „das war ja nur ein Gespräch, wir haben nur etwas geplaudert. Ich habe übrigens [80] gar keine Lust, mich mit seinem Tabak und seinem Thee herumzuschlagen.“

„Das sagte er zu mir, aber Gott weiss, vielleicht rechnete er in Gedanken schon die Tausende, die er zu verdienen glaubte. Ach, das Geld hat einmal so eine Kraft. Meine selige Grossmutter sagte immer, dass der Teufel das Geld erfunden habe. Er habe sich viel abgemüht um den Menschen zum Bösen zu verführen und da es ihm nicht gelang, erfand er endlich das Geld und wurde Herr unserer Seelen. Wieviel Menschen hat das Geld schon um den Verstand gebracht und Sarkis war doch gar nicht so ein fester Mensch, dass er so rosigen Hoffnungen hätte widerstehen können.

„Am andern Tage in der Frühe kam der Ladendiener eiligst ins Zimmer gelaufen und sagte, es ständen vor dem Thore neun Fuhren mit Waren; der Mann, der mit ihnen sei, frage nach Sarkis.

„Was ist das für ein Überfall?“ rief Sarkis, „ich muss doch gehen und sehen, wer das ist. Vielleicht sind die Fuhren gar nicht für mich. Gott weiss für wen sie sind.“

„Er ging hinaus und wir ihm nach, denn obgleich ich die Fuhren noch nicht gesehen hatte, wusste ich schon, was die ganze Geschichte zu bedeuten hatte. Ehe wir noch am [81] Thore angelangt waren, kam uns ein Mann entgegen und sagte: „Mein Herr lässt Euch grüssen und bittet Euch, diese neun Fuhren mit Waren in Empfang zu nehmen.“

„Wer ist denn dein Herr?“ fragten wir alle zusammen.

„Der Hämorrhoidenhans. Kennt Ihr ihn denn nicht? Er war ja erst gestern Abend bei Euch.“

„Ich wäre beinahe vor Ärger geplatzt. „Ach du Kerl,“ sagte ich, „wer hat deinem Herrn gesagt, Waren hierher zu schicken? Haben wir denn welche bestellt. Drehe gleich um und mach’ dich aus dem Staube!“

„Geht denn das so?“ sagte der Mann. „Nach abgemachter Sache kann man das Wort nicht zurücknehmen. Wo soll ich denn jetzt alle die Ware hinthun?“

„Wo du sie hergebracht hast, dorthin bringe sie zurück’.“ sagte ich.

„Jetzt ist die Remise geschlossen,“ erwiderte er.

„Das geht uns nichts an, das ist Sache deines Herrn.“

„Wenn er hier wäre, würde ich es ihm sagen, aber er ist ja nicht da.“

„Wo ist er denn?“ fragte ich.

[82] „Er ist nach Taganrog gefahren.“

„Wann ist er abgereist?“

„Ungefähr vor zwei Stunden. Er kommt erst in zwei Monaten zurück, denn er hat dort sehr nötige Geschäfte bei Gericht.“

„Es war unzweifelhaft, dass dieser Schurke von Hans schon seine Streiche angefangen hatte, aber der einfältige Sarkis verstand seine teuflischen Absichten nicht. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, ich wäre gleich ins Stadthaus gelaufen, hätte dort alles haarklein erzählt und die Sache wäre gut abgelaufen. Sarkis war jedoch nicht der Mann dazu.

„Nun, wenn das so ist,“ sagte er, „fahrt in den Hof und ladet ab. Die Ware kann doch nicht auf der Strasse bleiben. Wenn Hans aus Taganrog zurückkommt, werde ich mich schon auf irgend eine Weise mit ihm verständigen.“

„Die Wagen fuhren mit Knarren in den Hof, wo die Kutscher die Waren abluden und in der Remise aufschichteten. Ich stand wie versteinert da und schaute schweigend diesem Possenspiele zu. „Was wird nur daraus werden!“ dachte ich bei mir.

„Ach, lieber hätte ich sterben mögen, als das zu sehen, was daraus geworden ist!

„Als die Waren abgeladen waren, forderte [83] jener Handlungsdiener von Sarkis einen Empfangschein, den ihm dieser ohne Bedenken einhändigte, worauf der Handlungsdiener ganz zufrieden fort ging. Später erfuhren wir, dass Hans gar nicht nach Taganrog gefahren war und nur seinem Ladendiener so zu sagen befohlen hatte.

„Als wir an demselben Tage beim Mittagessen sassen, wandte sich Sarkis zu mir und sagte: „Siehst du, Hripsime, dein Niesen hat dich getäuscht. Hast du nicht gesagt, dass mir Hans einen Streich spielen wolle? Siehst du, es ist ganz anders gekommen! Schon heute Vormittag waren vier oder fünf Leute in meinem Laden, die Thee und Tabak kaufen wollten, denn sie hätten gehört, dass ich welchen bekommen habe. Ich sagte ihnen, dass die Sache noch nicht abgemacht sei und ich noch nicht über den Preis einig wäre, sobald aber ein Abschluss zu Stande käme, würde ich den Handel anfangen. Siehst du, ich habe noch nichts bekannt gemacht, dass ich mit solchen Waren handle und schon wissen es alle und ein Käufer kommt nach dem andern in den Laden. Wie wird es erst sein, wenn ich die Ware ausstelle! Da werden sie sich darum reissen. Jetzt wird es viel Arbeit geben. Ich muss nur zu Hans gehen und mit ihm die [84] Sache abschliessen. Ja, Mütterchen, solch’ ein Grosshandel ist nicht zu verachten. Der Grosshändler kann manchmal in einem Augenblicke mehr verdienen als der Kleinhändler in zwei Jahren. Ja, meine Liebe, im Geschäft ist’s einmal so!“

„Gott gebe, dass es so sein möge!“ sagte ich und weiter sprachen wir niemals mehr mit einander von Hans.

„So vergingen mehrere Monate und der November kam. Eines Abends, als wir gemütlich beisammen sassen und plauderten, ging leise die Thür auf und eine alte Frau trat ins Zimmer. Ich erkannte sofort, dass es eine Brautwerberin war. Nach drei Tagen wurde Takusch mit einem schlichten, mittelmässigen Manne verlobt. Die Hochzeit sollte im nächsten Winter, am Namenstage ihres Vaters stattfinden. An Mitgift versprachen ihr die Eltern drei Tausend Rubel und zwar 1500 Rubel bares Geld und 1500 Rubel in Kostbarkeiten.

„Takusch war damals fünfzehn Jahre alt, und obgleich ich schon zehn Jahre im Hause ihrer Eltern wohnte, hatte ich ihr doch noch niemals recht aufmerksam ins Gesicht geschaut und wusste eigentlich gar nicht, ob sie schön oder hässlich war. Als sie ihr aber am Verlobungstage ein seidenes Kleid anlegten und [85] sie putzten, wie es sich bei solchen Festlichkeiten schickt, als sie ihr einen Sammetfez mit Goldquasten und einer Brillantenblume auf den Kopf setzten, da sperrte ich vor Bewunderung den Mund auf. Ich bin fast achtzig Jahre alt, aber ein so schönes Mädchen habe ich in meinem Leben nicht gesehen. Ich glaube, ich bin auch keine Zwergin und doch war sie noch um einige Zoll grösser als ich. Ja, am Wuchs glich sie der Pinie, ihre Hände waren fein und zart und die Finger wie von Wachs, ihre Haare und Augenbrauen waren schwarz und das Gesicht weiss wie Schnee. Die Wangen strotzten von Rosenröte und der Blick ihrer Augen, ach, den kann ich bis heute noch nicht vergessen! Ja, glaube mir, ihr Blick war glänzender als ein echter holländischer Diamant. Ihre Wimpern waren so lang, dass sie einen Schatten auf die Wangen warfen. Nein, so ein reizendes Wesen wie sie habe ich nicht einmal im Traume, geschweige denn in der Wirklichkeit gesehen. Sie war – Gott verzeih’ mir meine Sünde! – sie war das reine Bild der Mutter Gottes aus unserer Kirche, ja, sie war sogar noch schöner. Wenn ich sie anschaute, konnte ich die Augen gar nicht abwenden, ich schaute sie an und konnte mich gar nicht satt sehen. Am Verlobungstage sass ich in der Ecke des [86] Zimmers und die Augen auf Takusch geheftet dachte ich: „Ach, wie thust du mir leid, dass du mit einem solchen Engelsgesicht die Frau eines gewöhnlichen Mannes werden sollst. Also auch du sollst eine Familienmutter werden und sollst in die schmutzige, verrauchte Küche gehen? Deine zarten Hände sollen so hart wie Leder werden vom Waschen, Plätten, Kneten und wer weiss noch welchen Hausarbeiten? Und deine Engelswangen sollen von der Ofenglut verwelken und deine Augen sollen ihren Diamantenglanz vom Nähen verlieren?“ Ja, so dachte ich und das Herz blutete mir, denn dieses Mädchen sollte eine Königskrone tragen und in einem Palaste wohnen. Und wirklich, wenn das in alten Zeiten gewesen wäre, dieses Rosenmädchen hätte gewiss ein König oder ein Königssohn geheiratet. Und das arme Mädel stand da wie ein Lamm, denn sie verstand ja vom Leben noch nichts. Sie glaubte, Heiraten wäre soviel wie die Wohnung wechseln.

Ach, an jenem Abende that es mir leid, dass sie einen gewöhnlichen, aber doch ordentlichen und jungen Mann heiraten sollte und doch wäre das noch ein grosses Glück für sie gewesen, wenn sich das verwirklicht hätte. Wer hätte damals gedacht, dass der Armen [87] noch viel grösseres Unglück bevorstand. Und an allem diesen war der verfluchte Hämorrhoidenhans schuld.

„Jener Verlobungstag war der letzte Freudentag für die armen Schlucker. Dann habe ich nie mehr ein Lächeln auf ihren Gesichtern gesehen, denn mit jedem Tage verschlimmerten sich ihre Verhältnisse und das Geschäft ging immer schlechter. Sie verloren Haus und Hof, schleppten sich mehrere Monate hindurch aus einer Mietwohnung in die andere, bis sie endlich ganz aus der Stadt verschwanden.

„Am Tage nach der Verlobung schickte der Hämorrhoidenhans seinen Ladendiener zu Sarkis und liess ihm sagen, er solle die 2700 Rubel für den Tabak und Thee und 184 Rubel für die Manufakturwaren bezahlen. (Ich habe dir zu sagen vergessen, dass sich unter den letzteren aus der Mode gekommene Kleidungsstücke und verschossenes Tuch, Leinwand, Sammet und etwas Seide befand.) Dabei liess er ihm sagen, dass, wenn er ihm die 184 Rubel nicht bezahlen wolle, er dafür den Ring und die Uhr behalten würde.

„Der arme Sarkis war ganz verblüfft.

„Habe ich denn die Waren gekauft?“ fragte er.

„Gewiss habt Ihr sie gekauft!“ antwortete [88] der gewissenlose Ladendiener. „Sonst hättet Ihr ja nicht davon eine Kiste Thee und einen Ballen Tabak verkauft. Auch der Rock von Eurem Jungen da ist von unserem Tuche gemacht.“

„Das war richtig. Sarkis hatte am dritten Tage nach Empfang der Waren eine Kiste Thee und einen Ballen Tabak verkauft und auch mehrere Ellen Tuch abgeschnitten. Dabei war es sonderbar, dass Sarkis im Laufe von drei Monaten nicht ein einziges Mal den Hämorrhoidenhans von Angesicht sehen konnte, um ihn über die Warensendung zur Rede zu stellen. Mehrere Male war er in seinem Hause gewesen und immer hatte man ihm gesagt, Hans wäre in seinem Laden. Wenn er dann dorthin kam, sagte man ihm wieder, er wäre zu Hause. Es war also klar, dass ihm Hans einen Streich spielen wollte. Nach vielem Hin- und Herreden kam endlich die Sache vor Gericht und da Sarkis einen Teil der Ware verkauft und Hans einen Empfangschein in den Händen hatte, musste Sarkis die geforderte Summe bezahlen. Dem armen Schlucker war schon seit mehreren Monaten der Handel sehr schlecht gegangen, so dass er nun die geforderte Summe nicht aufbringen konnte und mit seinem Eigentum dafür einstehen musste. Zuerst jagte man den Armen aus seinem eigenen [89] Hause und versiegelte seinen Laden und sein Warenlager. Dann verkaufte man den Tabak und den Thee, wofür niemand mehr als fünfzig Rubel geben wollte, denn beides war halb verfault. Dann wurde auch der Laden mit allem was darin war, für ein paar hundert Rubel versteigert und zuletzt das Haus feil geboten, welches jedoch niemand kaufen wollte, denn unter unserem Volke herrscht die lobenswerte Sitte, dass man nie ein zur Versteigerung bestimmtes Haus kauft, bevor man sich nicht überzeugt hat, dass der Eigentümer das Haus aus freien Stücken veräussert. Auch die Hauseinrichtung wurde verkauft und so ward Sarkis fast zum Bettler und musste halb nackt mit Weib und Kind sein Haus verlassen.

„Ich schlug ihm vor, mein Haus zu beziehen, aber er wollte nicht. „Von heute ab ist die schwarze Erde meine Wohnstätte,“ sagte er und mietete sich ein kleines Häuschen am Ende der Stadt, dort wo die Felder anfangen.

„Als die Nachbarn die Nichtswürdigkeiten des Hämorrhoidenhans erfuhren, wurden sie schrecklich böse und einer warf auf seinen Hof einen Zettel, auf welchem geschrieben stand, dass, wenn er sich unterstände, sich des armen Sarkis Haus anzueignen, man dasselbe abbrennen oder niederreissen würde.

[90] „Hans hatte das nur gewollt und sofort liess er Zimmerleute kommen, Haus, Stall und Scheuer einreissen und verkaufte das Holz. Um diese Zeit erkrankte ich und lag zwei Monate im Bette. Als ich dann wieder aufstand, dachte ich bei mir: Ich muss doch hingehen und die armen Schlucker besuchen. Ich kam an ihr Häuschen, fand aber die Thür verschlossen und die Fensterladen verrammelt. Ich fragte einen Knaben: „Mein Kind, weisst du nicht, wo die Leute aus diesem Hause sind?“ – „Vor zwei Wochen haben sie sich auf einen Plauwagen gesetzt und sind fortgefahren,“ antwortete der Junge. „Wohin sind sie gefahren?“ fragte ich. „Das weiss ich nicht,“ sagte er. Ich wollte es wirklich nicht glauben, aber da begegnete mir auf der Strasse eine Alte und die sagte mir dasselbe. „Sie haben sich alle auf einen Plauwagen gesetzt und sind in ein russisches Dorf gezogen,“ sagte sie. Wie das Dorf heisse, konnte sie mir nicht sagen und so war jede Spur von ihnen verschwunden.

„Erst nach vielen Jahren kam ein Herr aus Stawropol in unsere Stadt und der konnte mir einige Nachrichten über die armen Schlucker geben. Sie hätten sich, sagte er, in einer Kosakenstanitze niedergelassen – er nannte mir auch den Namen, aber ich habe ihn vergessen –, [91] dort hätten sie anfangs viel Not gelitten und als es ihnen gerade besser zu gehen anfing, starben Mairam und Sarkis an der Cholera und Toros und Takusch blieben allein. Um diese Zeit sah Takusch einen russischen Offizier, dem sie sehr gefiel und nach mehreren Monaten verheiratete sie sich mit ihm. Toros führte anfangs das Geschäft des Vaters fort, aber dann gab er es auf und trat in ein Regiment ein. Soviel erfuhr ich von dem Herrn aus Stawropol.

„Einige Zeit später begegnete ich wieder einem, der Takusch kannte. Er erzählte mir, dass sie jetzt Wittwe sei. Ihr Mann wäre ein Trunkenbold gewesen, der ganze Nächte im Wirtshause zubrachte und die arme Frau oft schlug und sehr roh behandelte. Einmal hätten ihn die Leute tot nach Hause gebracht. Toros habe beim Pferderennen den Hals gebrochen und sei daran gestorben. Von Takusch erzählte er mir noch, dass sie die armenische Sprache fast ganz vergessen und den Glauben gewechselt habe.

„Das ist die Geschichte dieses verödeten Hofes.“


Anmerkungen

  1. Sarkis nennt hier seine Frau so.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Umgung
  2. Vorlage: verchiedene