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RE:Makedonia/III

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III. Kapitel
Makedonia
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aus: RE:Makedonia
Seite: 697–771
von: Fritz Geyer (Historiker)
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VII. Geschichte.

1. Vorgeschichte. Aus denselben Gründen, die einer gründlichen Erforschung des tektonischen Aufbaus M.s im 19. Jhdt. hinderlich waren, ist auch die Durchforschung des makedonischen Bodens nicht recht vorwärts gekommen. Nur die Tumuli waren ihrem Inhalt nach näher bekannt, Ebert Lex. d. Vorgesch. unter Mazedon. Tumuli. Erst der Weltkrieg hat den französischen und englischen Forschern die Möglichkeit gegeben, größere Ausgrabungen in Angriff zu nehmen, und sie haben diese Möglichkeit nach Kräften ausgenutzt. St. Casson, der selbst als Mitglied der Britischen Schule in Athen schon vor dem Kriege in M. geweilt hatte und nun seine ganze Kraft der Aufhellung der Vorgeschichte widmen konnte, hat die Ergebnisse in seinem oben (vor II) angeführten Buche zusammengefaßt, nachdem schon die Annuals of Brit. School at Athens XXIII und XXIV (1918–1921) wertvolle Mitteilungen gebracht hatten. Da hier nur eine kurze Übersicht gegeben werden kann, muß für alles weitere auf dieses Werk verwiesen werden.

In seinen Schlußbetrachtungen (S. 154ff.) stellt Casson fest, daß die in den nordöstlichen Gebieten der Balkanhalbinsel gefundenen Stücke enge Beziehungen zu der neolithischen Kultur von Rumänien, Galizien und den Gebieten nördlich der Donau haben, dagegen den Funden aus M. und Griechenland mit Ausnahme von Thessalien fremd gegenüberstehen. Serbien und M. bilden einen Keil mit der Wardarmündung als Spitze und dem Strymon (Struma) als östlicher Grenze. Östlich vom Strymon beginnt der Moldautypus. Durch den serbisch-makedonischen Keil wird die Moldau-Thessalien Kultur und der Rest in zwei Hälften zerschnitten. M. stellt so in der neolithischen Zeit eine nordwestliche Einbruchszone dar, die in der letzten neolithischen Periode beginnt; die Beziehungen zwischen M. und Troia sind noch als ein unerklärbares Problem zu bezeichnen.

In der Bronzezeit finden wir in M. ein abgeschlossenes Bronzezeitalter, dessen volle Übereinstimmung mit Nordserbien mangels Ausgrabungen in dem dazwischen liegenden Gebiete nicht erwiesen werden kann. Nach Casson scheint in den makedonischen Funden der Einfluß einer Terremare-Kultur des Donautypus zu überwiegen, so daß die Donau als die Quelle dreier voneinander [698] unabhängiger Wellen nach dem Süden, nämlich nach Italien, Bosnien und M., erscheine. Diesem Bronzezeitalter ging eine alte bronzezeitliche oder chalkolithische Kultur voraus, welche mit dem Norden keine Verbindung hatte; jedoch läßt sich nicht sagen, ob diese Kultur ganz M. umfaßte.

Die Eisenzeitkultur herrschte vor allem im Wardartal und erstreckte sich ostwärts längs der Küste nur in geringer Ausdehnung. Das Gebiet östlich vom Strymon scheint von der frühen Bronzezeit bis zu den historischen Zeiten größtenteils verlassen gewesen zu sein.

Da in der Bronzezeit einmal M. mit Ungarn und dem Nordwesten und ebenso Troia (2. Stadt) mit Ungarn in enger Verbindung stehen, so sind große Völkerverschiebungen zwischen 2000 und 1200 von Zentraleuropa und dem Donaubecken nach Süden und Südosten sehr wahrscheinlich; Thrakien und Bulgarien waren abgeschnitten. Es handelt sich hier um die phrygische Völkerwanderung, deren Weg für die Hauptmasse an der Küste entlang nach Kleinasien führte. In M. und Troia ging die neolithische Kultur allmählich in die Bronzezeit über. Dagegen war der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit ein jäher Kulturwechsel. Nach Troia und dem Wardartal haben sich im 11. Jhdt. Volksmassen vom Norden her ihren Weg gebahnt und die Bronzekultur vernichtet. Ihr Aufenthalt in M. kann nur kurz gewesen sein, denn mit großer Schnelligkeit erschienen sie auch im eigentlichen Griechenland. Nach Casson 157 wird so die Tatsache der dorischen Wanderung durch die archäologische Forschung erwiesen.

2. Älteste Zeit bis auf Amyntas I. Die Eisenzeit führte die dorischen Stämme in die Gebirgslandschaften Nordgriechenlands. Damals sind jedenfalls auch die Makedonen mit den ihnen nahe verwandten epeirotischen und thessalischen Stämmen in das Tal des Haliakmon vorgedrungen und haben sich dort festgesetzt. Ohne mich auf eine eingehende Behandlung der Stammessagen, die in ihrer ältesten Gestalt bei Herodot (VIII 137. 138) vorliegen und unter Archelaos I. um 400 eine Weiter- und Umbildung erfuhren, einzulassen (vgl. vor allem Abel 92ff. v. Gutschmid Symb. philol. Bonn. 118ff. = Kl. Schr. IV 54ff. O. Hoffmann Die Makedonen 122ff. 256ff.), möchte ich ihnen doch so viel entnehmen, daß in der Orestis und Elimeia, den Landschaften im Tal des Haliakmon, die ältesten Wohnsitze des makedonischen Volkes zu suchen sind (vgl. K. O. Müller 13ff). Denn dafür spricht auch die Wahrscheinlichkeit sowie das, was wir von der ältesten Geschichte der Makedonen wissen.

Zum Ausgangspunkt müssen wir Thuk. II 99 nehmen: hier wird bezeugt, daß noch zur Zeit des peloponnesischen Krieges mehrere makedonische Staaten bestanden, von denen Nieder-M. lediglich eine Art Oberhoheit beanspruchen konnte. Und dieses Land: τὴν δὲ παρὰ θάλασσαν νῦν Μακεδονίαν hatten nach Thukydides die Temeniden erobert. Das eigentliche M. war also eine Eroberung der Gebirgsstämme, die westlich der Küstenebene wohnten. Da Eordaia von Thukydides mit unter den eroberten Gebieten genannt wird, müssen ihre Wohnsitze weiter im Westen [699] und Süden, also in Orestis und Elimeia im engen Anschluß an Epeiros und Nordthessalien gelegen haben. Dagegen scheidet meines Erachtens die Bemerkung Appians Syr. 63: Ἄργος τὸ ἐν Ὀρεστειᾳ, ὅθεν οἱ Ἀργεάδαι Μακεδόνες für die Bestimmung der Ursitze aus. Abel hatte schon, bevor er diese Appianstelle fand, das Argos, aus dem die Reichsgründer ausgezogen sein sollten, in Orestis gesucht und in der Notiz Appians eine Bestätigung seiner Annahme gefunden (S. 95, 1). Einmal ist aber der Geschlechtsname Argeaden sicher nicht von Argos abzuleiten (vgl Hoffmann 121ff.), und zweitens hat Alexandros I. bei dem Antrage auf Zulassung zu den Olympien betont, daß er aus Argos stamme, Ἀργεῖος sei, Herod. V 22. Damit kann nur das peloponnesische Argos gemeint sein, was durch die Anknüpfung des Königsgeschlechts an die argivischen Temeniden bewiesen wird (Thuk. II 99,3). Diese Anknüpfung ist ohne Zweifel auf Alexandros I. zurückzuführen, wobei die Gründe, die ihn gerade auf das argivische Heroengeschlecht geführt haben, für uns nicht erkennbar sind. Vielleicht führte ihn auf Argos der Name der Hauptstadt der alten Landschaft Orestis, an deren Existenz wohl nicht zu zweifeln ist (s. o. II E), oder der Name seines Geschlechtes. Der nächste Schritt muß die Eroberung von Eordaia gewesen sein, zu dem vom Tal des Haliakmon ein bequemer Paß führt, wenn auch bei Thuk. a. O. Eordaia erst am Schluß erwähnt wird. Dafür spricht nicht nur die Lage, sondern auch die Tatsache, daß Lynkos (Lynkestis), von Thuk. a. O. und Strab. VII 326 als obermakedonische Landschaft bezeichnet, bei den schlechten Verbindungen zwischen dem oberen Haliakmontal und der Ebene von Monastir nur von Eordaia aus erobert werden konnte. Auch lag die alte Königsstadt Aigai (Edessa) am Ausgang der Senke von Telovo, die Eordaia mit Nieder-M. verbindet und im Altertum von der Via Egnatia, heute von der Eisenbahn benutzt wird. Von Eordaia aus sind dann die Lynkesten, als makedonischer Stamm von Thuk. a. O. und IV 83 bezeugt, in die Ebene von Monastir eingebrochen, die von den Pelagonen bewohnt wurde, und haben diese in die Gegend von Prilep zurückgedrängt.

Von ihrer Königsburg Aigai aus, die auch nach Verlegung der Residenz nach Pella der geheiligte Mittelpunkt des Reiches und die Ruhestätte der Herrscher blieb (vgl. z. B. Diod. XVI 92, 1. XIX 52, 5. Plut. Pyrrh. 26. Iustin. VII 1, 10. Plin. n. h. IV 33), hat dann ein Clan der Makedonen unter Führung seines Fürstengeschlechtes, der Argeaden, die Eroberung Nieder-M.s unternommen. Als Gründer des Reiches tritt schon bei Herod. VII 137. 138 Perdikkas auf, und auch bei Thuk. II 100, 2 steht er an der Spitze der makedonischen Könige.

Kurz muß wenigstens die Frage gestreift werden, welche Völker vor den Makedonen die Küstenebene bewohnt haben. Natürlich spielen da zunächst die Pelasger eine Hauptrolle (vgl. Müller 50. Abel 25ff.). Was darüber von antiken Autoren berichtet wird, ist zweifellos späten Ursprungs (vgl. Ed. Meyer Forsch. I 55,1), und die Ausführungen Abels leiden unter der früher allgemeinen Ansicht, daß die Pelasger die Urbewohner Griechenlands [700] gewesen seien. Trotzdem könnte die Bezeichnung hier mehr am Platze sein als anderswo. In Nordthessalien lag die Pelasgiotis, die also wirklich von Pelasgern bewohnt war (vgl. Ed. Meyer 29ff. Beloch Gr. Gesch. I 22 54f.), und die engen Beziehungen zwischen Thessalien und M. sind nicht zu leugnen. So können auch nördlich des Olymp griechische Pelasger gewohnt haben, da offenbar die Pelasger Thessaliens Griechen waren. In diesen Zusammenhang gehören wohl auch die Pelagonen hinein, die vor dem Einbruch der Lynkesten die ganze Ebene von Monastir und später ihren nördlichen Teil besessen haben, da ihr Name offenbar mit dem der Pelasger identisch ist (Beloch). Weiter berichtet Strab. VII 331 frg. 38. 39, daß Pelagonien ursprünglich Orestia hieß. Daraus könnte man schließen, daß auch in der Orestis, die wir als den Stammsitz der Makedonen erkannten, vor ihnen Pelagonen oder Pelasger saßen. Ohne daß man die recht mystischen Beweise Abels 28ff. sich zu eigen macht, wäre also eine pelasgische Bevölkerung der Gebiete nördlich und südlich des Olymps vor dem Eindringen der thrakisch-phrygischen Stämme und der Makedonen nicht von der Hand zu weisen, wobei unter Pelasgern ein griechischer Stamm der ersten Welle zu verstehen wäre.

In Nieder-M. begegnen uns weiter die Bottiaier, nach denen die Bottiaia (o. II A 2) hieß und die später nach der Chalkidike auswanderten. Nach alten Zeugnissen sollen sie aus Kreta eingewandert sein (Oberhummer o. Bd. III S. 794); zur Klarheit über ihre ethnische Stellung ist nicht zu gelangen. Außer ihnen erwähnt Strab. VII 329 frg. 11 als frühere Bewohner des Flachlandes noch Illyrier und Thraker. Von diesen nennt er die Pierer am Olymp, die Paionen am Axios, die Edonen und Bisalten bis zum Strymon. Gegen diese Angabe Strabons suchte Beloch (I 2² 56ff.) die Paionen mit den Pelagonen zusammenzubringen und sie zu Griechen zu machen. Wenn auch in den recht unklaren frg. 38 und 39 (Strab. VII 331) die Paionen und Pelagonen identifiziert werden, so stellt Strabon sie doch zugleich zu den Phrygern (vgl. frg. 41). Wenn schon Tomaschek I 13ff. und Kretschmer Einleitg. 245f. die Paionen für Illyrier erklärten, so haben die Münzen dies bestätigt (Gaebler Ztschr. f. Numismat. XXXVII 245f.). Zu den Phrygern gehörten die Bryger, die in Splittern auf makedonischem Boden sitzen blieben, als die Phryger längst nach Kleinasien weitergezogen waren, wohin auch Paionen mitgingen (Herodot. V 13. Kretschmer 185). Für uns ist am wichtigsten die Tatsache, daß sie am Bermios gesessen haben (Strab. VII 330 frg. 25. Herodot. VI 45). Sonst begegnen sie noch am Ochridasee und am Erigon (Strab. VII 327 frg. 8; s. o. II E Brygias. Oberhummer o. Bd. III S. 920f.). Für die Thraker verweise ich auf Tomaschek.

So werden die oben angeführten archäologischen Ergebnisse durch die literarischen Zeugnisse bestätigt. Im 3. Jahrtausend etwa erreichten die Griechen in der letzten neolithischen Periode keilförmig den Meerbusen von Salonik und breiteten sich allmählich über Nieder- und Ober M. aus: die Pelagonen. In der Bronzezeit wurde das Gebiet von den Phrygern, deren Reste noch in [701] historischer Zeit in M. nachzuweisen sind, bewohnt. Die Eisenzeit brachte dann das Eindringen der dorischen Makedonen, die sich zunächst im Gebirgslande festsetzten.

Wie schon erwähnt, begannen die Makedonen unter Perdikkas I., wohl in der ersten Hälfte des 7. Jhdts. (Abel 140. Beloch I 1² 341), die Eroberung des Tieflandes von Aigai aus. Perdikkas I. galt im 5. Jhdt. als der Gründer des Reiches, Herod. VIII 139. Thuk. II 100, 2. Übereinstimmend kennen beide von Perdikkas I. bis Perdikkas II. acht makedonische Könige, deren Namen uns Herodot überliefert hat. Diese Herrscherliste, die lauter makedonische Namen enthält (Hoffmann 122), kann also als sehr alt und wohl auch als zuverlässig angesehen werden. Anders steht es mit der Anknüpfung der Liste an die argivischen Temeniden, wie oben schon ausgeführt wurde. Und ebensowenig historisch sind die Versuche der Chronographen, die Könige mit bestimmten Regierungszeiten auszustatten.

Wir haben für die makedonische Königsliste als Quellen mit Zahlenangaben die Angaben Diodors, die Liste bei Synkellos (S. 500 Dind.) sowie mehrere Listen in der Chronik und im Appendix des Eusebios (Schöne); am übersichtlichsten zusammengestellt von Beloch III 2² 49ff. Die eingehende Behandlung dieser Anagraphe durch v. Gutschmid Symb. philol. Bonn. 103ff. = Kl. Schr. IV 1ff. Pack Herm. X 281ff. Ed. Schwartz Abh. Gött. Ges. Wiss., phil.-hist. Kl. XL (1895) hat nur gezeigt, daß für die Herrscher vor Archelaos sichere Überlieferung nicht vorlag (vgl. besonders Pack 289ff. Schwartz 75ff.). Der erste feste Punkt in der makedonischen Chronologie ist vielmehr das Todesjahr des Archelaos 400/399, das durch den Synchronismus mit dem Tode des Sokrates gesichert ist (Schwartz 78. Diod. XIV 37, 6. 7), nicht wie Pack 300 wollte, sein Regierungsantritt 414/13. Meines Erachtens verspricht daher erneute Prüfung der überlieferten Zahlen für die älteren Herrscher kein Ergebnis, das die Mühe lohnen würde. Vielmehr sind die Regierungszahlen von Perdikkas I. bis Perdikkas II. rein schematisch errechnet. Um 400 hat dann die Liste nach oben eine Erweiterung erfahren (darüber unten).

Die von Herodot. a. O. überlieferten Herrschernamen, die sich mit denen der Chronographen decken und wie hervorgehoben historisch einwandfrei erscheinen, sind: Perdikkas, Argaios, Philippos, Aëropos, Alketas, Amyntas, Alexandros I., Perdikkas II. Noch für den letzten König sind so abweichende Regierungszahlen bei Athen. V 217 d. e überliefert, daß auch für seine Regierung von einer gesicherten Chronologie nicht gesprochen werden kann (vgl. Beloch 53).

Nach dem kurzen Abriß der Eroberungen bei Thuk. II 99 ihre Reihenfolge bestimmen zu wollen, ist nicht möglich (mit Müller 31 gegen Abel 143ff.). Ganz unwahrscheinlich ist Müllers Annahme (S. 29), daß das ursprünglich makedonische Gebiet vor den Eroberungen bis an das Meer gereicht habe, weil Herod. VII 127 von Bottiaia die Makedonis unterscheidet (vgl. darüber o. II A 3). Es wurde schon betont, daß eine der ersten Unternehmungen sich gegen Eordaia gerichtet haben muß, trotzdem diese Landschaft bei Thuk. [702] a. O. erst am Schluß erscheint. Unmittelbar vor oder nach der Besetzung Eordaias erfolgte dann die Besitznahme Pieriens am Fuße des Olymps (bei Thuk. a. O.: πρῶτον ἐκτήσαντο καὶ ἐβασίλευσαν κτλ.); denn dorthin führte der Lauf des Haliakmon. Die Bewohner wurden vertrieben und begegnen uns später in dem Küstensaum östlich des Strymons (ἀνστήσαντες μάχῃ ἐκ μὲν Πιερίας Πίερας). Daran schloß sich ganz natürlich die Eroberung Bottiaias bis zum Axios; die Bewohner siedelten zum größten Teil nach der Chalkidike über. Die Stellung an der Mündung des Axios war nur haltbar durch Unterwerfung der Paionen bis zum Eintritt des Stromes in die Tiefebene. In dieser Zeit muß auch das bei Thukydides an letzter Stelle erwähnte Almopia (Moglena) erobert worden sein. Schließlich dehnten die makedonischen Herrscher ihr Gebiet über den Axios aus und unterwarfen die thrakischen Stämme in Mygdonien, Anthemus, Krestonia und Bisaltia. Diese Eroberungen im Norden der Chalkidike waren wohl im wesentlichen in der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. abgeschlossen, da dem aus Athen 510 v. Chr. vertriebenen Hippias von Amyntas I. Anthemus angeboten wurde, Herod. V 94. Vgl. zur Ausdehnung M.s neben Müller und Abel noch Vischer Kl. Schr. I 242ff. Casson 175ff.

Amyntas I. ist der erste makedonische König, von dem gesicherte Kunde vorliegt (Kaerst o. Bd. I S. 2006). Er regierte nach seinen Beziehungen zu den Peisistratiden (Herod. V 94. Aristot. Ἀθ. πολ. 15, 2: Gründung von Rhaikelos [o. II E] durch Peisistratos) und zu den Persern in der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. Als Megabazos 513 v. Chr. bei seiner Expedition nach Thrakien von Amyntas Unterwerfung forderte, gab dieser den Persern Erde und Wasser, und auch sein Sohn Alexandros mußte nach der berichteten Ermordung der persischen Gesandten die Perser begütigen: M. wurde Vasallenstaat der Perser, Herodot. V 18ff. Iustin. VII 3, 2ff.

3. M. im 5. Jhdt. Auf Amyntas folgte sein Sohn Alexandros I., der 480 sicher schon regierte. Die Beseitigung der persischen Gesandtschaft braucht man nicht mit Beloch 54 als unhistorisch anzuzweifeln. Danach muß Alexandros 513 bereits erwachsen gewesen sein. Aus Herod. VI 44 kann man weiter schließen, daß er bereits vor 492 auf den Thron gekommen ist. Denn die Worte: Mardonios’ Μακεδόνας δούλους προσεκτήσατο setzen eine Verweigerung des Tributes voraus. Diese kann man Amyntas kaum zutrauen, und so wird Alexandros bei seiner Thronbesteigung die Abschüttelung des persischen Joches versucht haben. Bei der Annäherung des Mardonios mußte er jedoch jeden Widerstand als nutzlos erkennen, und die unten berichtete Schenkung des Xerxes beweist, daß er rückhaltlosen Anschluß für klug hielt. Für seine Beteiligung am Zuge der Perser 480, seine athenerfreundliche Gesinnung, seinen Kampf gegen das abziehende Heer vgl. Kaerst o. Bd. I S. 1411f. Erwähnt sei nur, daß nach Demosth. XXII 200, wo Alexandros mit Perdikkas verwechselt wird, die Athener dem Könige das Bürgerrecht verliehen hätten. Diese Nachricht erscheint durchaus glaublich, da Alexandros bei Herod. VIII 13 πρόξεινος καὶ εὐεργέτης und VIII 143 πρόξεινος καὶ φίλος genannt wird, durchaus [703] technische Ausdrücke für ein enges völkerrechtliches Verhältnis zwischen ihm und Athen.

Hier muß seine Bedeutung für M. hervorgehoben werden. Nach Iustin. VIII 4, 1 soll ihm Xerxes das ganze Bergland zwischen Olymp und Balkan geschenkt haben. Jedenfalls hat er seit dem Perserkrieg (Herod. V 17: ὕστερον τούτων) das Gebiet am Prasias und Dysoros besessen (vgl. über die Lage o. III 1 b). Offenbar ist auch ihm erst die Eroberung von Krestonia und Bisaltia anzuschreiben. Also hat Xerxes ihn jedenfalls mit dem Gebiete bis zum Strymon belehnt (Abel 152. Vischer 245). Aus dem Bergwerk am Prasias soll er täglich ein Talent Silbers gewonnen haben. Seine schon vor 480 reiche Prägung nimmt nun noch größeren Umfang an (Head HN² 218f. Gardner Hist. of Anc. Coinage [Oxf. 1918] 194f.). Er schloß sich eng an die Münzen der Bisalten an und nahm nach dem Vorbild von Abdera einen reduzierten phönikischen Münzfuß an. Als Beginn der neuen Prägung ist etwa 480 anzusetzen.

Im alten makedonischen Gebiete ist ihm die Besetzung der griechischen Kolonie Pydna in Pierien am Olymp gelungen (Thuk. I 137 1). Sein Verhältnis zu Athen wurde gespannt, als dieses nach der Gründung des delisch-attischen Bundes zur beherrschenden Seemacht wurde und die thrakisch-makedonische Küste wegen ihres Reichtums an Schiffsholz und Edelmetallen vollständig abhängig zu machen strebte. So unterstützte der König die aufständischen Thasier (Plut. Kim. 14; Perikl. 10; vgl. Vischer I 246).

Alexandros hat auch die obermakedonischen Fürstentümer in ein festeres Verhältnis zum makedonischen Königtum gebracht. Ein Zug der Stammessage, der vielleicht auf alte Tradition zurückgeht, macht die ersten Fürsten von Niedermakedonien, Elimeia und Lynkos zu Brüdern und deutet dadurch an, daß alle drei Landschaften und außerdem der Ursitz Orestis ursprünglich gleichberechtigt nebeneinander standen (v. Gutschmid 122f.). Jetzt schien dem Herrscher des zu größerer Macht emporgestiegenen Niederlandes der Zeitpunkt gekommen, um seine Vettern zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu zwingen, denn zur Zeit des peloponnesischen Krieges waren die obermakedonischen Stämme (Λυγκησταὶ καὶ Ἐλιμιῶται καὶ ἄλλα ἔθνη ἐπάνωθεν) ξύμμαχα καὶ ὑπήκοα, βασιλείας δ’ ἔχεικαθ’ αὐτά: Thuk. II 99, 2. Mit Abel 153ff. möchte ich diese Unterwerfung Obermakedoniens Alexandros I. zuschreiben. Er konnte die Zeit der persischen Herrschaft dazu benutzen, um mit Hilfe des ihm wohlwollenden Großkönigs die Gebirgskantone sich zu unterwerfen. Nach Herod. VII 131 blieb Xerxes ἡμέρας συχνάς in Pieria, während ein Drittel des Heeres τὸ ὄρος τὸ Μακεδονικὸν ἔκειρε. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Elimeia dabei der Satrapie M. zugefügt wurde und ähnlich mag es mit Orestis und Lynkestis gegangen sein. Im 4. Jhdt. erscheint nun ein Derdas als Ἐλιμίας ἄρχων: Xen. hell. V 2, 38. Offenbar war er Enkel eines von Thuk. I 57, 3. 59, 2 erwähnten Derdas (s. Kaerst o. Bd. V S. 239. Beloch 74), der wohl zugleich identisch ist mit dem unter den Zeugen des Bundesvertrages zwischen Perdikkas II. und Athen (IG I 42. v. Scala Staatsvertr. d. Altert. I nr. 81) aufgeführten [704] Δέρ]δας βασιλ[εύς (vgl. dazu Köhler S.-Ber. Akad. Berlin 1893, 502 Anm. 1). Nach Schol. Thuk. 57, 3 war er ein Sohn des Arrhidaios und ein ἀνεψιὸς Περδίκκα καὶ Φιλίππου, der Söhne Alexandros’ I. (Beloch 63). Also halten u. a. Abel 155 und Kaerst o. Bd. II S. 1248 seinen Vater Arrhidaios für einen Bruder des Alexandros, der demnach hier eine Sekundogenitur eingerichtet hätte. Der Einspruch Belochs 63 ist nicht stichhaltig, aber auch seine Vermutung, Arrhidaios sei mit einer Schwester Alexandros’ I. vermählt gewesen, würde eine Abhängigkeit Elimeias von Niedermakedonien wahrscheinlich machen. Für Lynkestis und Orestis fehlen ähnliche Zeugnisse; das Fürstenhaus der Lynkesten leitete sich von den Bakchiaden in Korinth ab (Strab. VII 326). Zur Zeit des peloponnesischen Krieges herrschte hier ein Arrhabaios ὁ Βρομεροῦ (Thuk. IV 79, 2. 83, 1. 124ff.), der mit Perdikkas II. im Kampfe lag, und ein zweiter Dynast dieses Namens, ohne Zweifel ebenfalls ein Lynkeste, wird von Arist. polit. V p. 1311 b erwähnt. Von Orestis kennen wir nur einen Fürsten Antiochos zur Zeit des peloponnesischen Krieges, Thuk. II 80, 6. Auch sie sind nach den Worten des Thukydides (II 99, 2) dem makedonischen Könige untertan gewesen, haben allerdings trotzdem jede Gelegenheit zur Auflehnung benutzt.

Von besonderer Bedeutung ist aber Alexandros durch seine Versuche, sein Land und Volk in enge Beziehungen zum griechischen Mutterlande zu bringen: Antrag auf Zulassung zu den Olympien (Herod. V 22); Anknüpfung seines Geschlechtes an die Temeniden von Argos (s. o.); Stiftung einer goldenen Statue aus der persischen Beute (Herod. VIII 121. Demosth. XII 21); Beziehungen zu Pindar (Solin IX 14; vgl. Pind. frg. 120. 121 Schr. Dion. Chrys. II p. 25); Aufnahme der vertriebenen Mykenaier (Paus. VII 25, 6). Spätere Zeiten gaben ihm daher den ehrenvollen Beinamen Φιλέλλην (Schol. Thuk. I 57. Dion. Chrys. a. O. Schol. Demosth. Olynth. ΙΙΙ 130. Harpokr. s. v. Anecd. Graeca 375, 20 Bekk.).

Sein Todesjahr (die Nachricht von seiner Ermordung Curt. VI 11, 26 ist apokryph) ist nicht sicher festzustellen. Die 43-44 Jahre der Königslisten würden bei einem Regierungsantritt um 495 auf 450 führen, was nicht unwahrscheinlich ist. Zwischen 464 (thasischer Aufstand) und 434 (Anfang des peloponnesischen Krieges) ist kein Datum aus der makedonischen Geschichte überliefert. Sein Nachfolger war Perdikkas II. Wir finden ihn bei Beginn des peloponnesischen Krieges auf dem Thron (Thuk. I 56), und Sommer 414 wird er zum letztenmal erwähnt (Thuk. VII 9, 1; vgl. Busolt Gr. Gesch. III 2, 1353f.). Da sein Sohn Archelaos bereits 411/10 König war, muß Perdikkas zwischen 414 und 411 gestorben sein. Wie schon erwähnt wurde, liegen für seine Regierungszeit bei Athen V 217 d, e, dem Marm. Par. ep. 58 und 61 und den Chronographen so verschiedene Angaben vor, daß wir zu einer sicheren Ansetzung nicht kommen können. Abels Versuche (165ff.), zu einer Erklärung zu gelangen, sind recht unwahrscheinlich. Ist Alexandros I. 450 gestorben, so hätte Perdikkas von 450–413 regiert, da die Regierung des Archelaos ziemlich [705] sicher auf 413–399 festzulegen ist (s. u.). Die Anfänge des Perdikkas waren schwierig. Er hatte vier Brüder: Amyntas (Syncell. p. 500 Dind. = FHG III 691), Philippos (Thuk. I 57, 3. II 95, 2), Alketas (Plat. Gorg. p. 471 a, b. IG I 42 c. Wohl auch Aelian. var. hist. II 41) und Menelaos (IG I 42 c; vgl. Iustin.. VII 4, 3. Aelian. var. hist. XII 43). Von Philippos wissen wir, daß er eine ἀρχή gehabt hat, und zwar am unteren Axios (Thuk. II 100,3). Ebenso sind wohl die Worte Platons (Gorg. a. O.): ὡς ἀποδώσων τὴν ἀρχὴν ἣν Περδίκκας αὐτὸν (sc. Alketas) ἀφείλετο aufzufassen. Danach hatte also Alexandros seine jüngeren Söhne mit Teilreichen ausgestattet (vgl. Ed. Meyer GdA IV 75), da meiner Überzeugung nach aus Platon nicht herauszulesen ist, daß Alketas durch Perdikkas vom Throne gestürzt worden sei (Abel 167). Abel hält Alketas und Philippos für älter als Perdikkas und sieht in der Teilherrschaft des Philippos eine Art Abfindung für die ihm eigentlich zustehende Königswürde. Er möchte eine Teilung des Reiches dem staatsklugen Alexandros nicht zutrauen, und doch hat auch der Große Kurfürst sich bestimmen lassen, seinen Söhnen aus zweiter Ehe Gebiete zuzuweisen. Dagegen wissen wir von Teilreichen des Menelaos und Amyntas nichts, was aber nicht gegen eine Teilung überhaupt spricht (gegen Abel); Amyntas soll nach Syncell. a. O. πάντο τὸν βίον ἰδιωτικῶς gelebt haben.

Perdikkas hat seine beiden Brüder aus ihrem Anteil vertrieben. Während Alketas sich in dieses Schicksal gefunden zu haben scheint – er lebte nach Platon a. O. noch beim Regierungsantritt des Archelaos – haben Philippos und sein Sohn Amyntas mit den Waffen in der Hand sich widersetzt. Beim Beginn des peloponnesischen Krieges war er aus seinem Anteil vertrieben (Thuk. I 61, 4. II 95, 3) und war 429 schon tot (Thuk. II 95, 3. 100, 3). Die drei Perioden Abels (170): 454–448 Alleinherrschaft des Alketas, 448-436 Teilherrschaft des Perdikkas und Philippos, 436–413 Alleinherrschaft des Perdikkas sind also als unbeweisbar und unwahrscheinlich abzulehnen. Auch die Vermutung Abels, daß Athen Perdikkas bei Vertreibung des Philippos unterstützt habe, ist anfechtbar. Athen hatte an möglichster Schwächung der makedonischen Macht Interesse und hat deshalb stets die Thronbewerber und Rebellen gegen die Könige unterstützt Bei seinem Streben nach unbedingter Beherrschung der makedonisch-thrakischen Küste, das gerade damals besonders hervortrat (Amphipolis!), mußte ihm ein Zerfall des makedonischen Reiches erwünscht sein. Eine Unterstützung der Einheitsbestrebungen des Perdikkas ist zur Zeit des Perikles daher nicht anzunehmen. Im Gegenteil sehen wir Philippos und seinen Sohn stets auf Seiten der Athener (Thuk. I 57, 3. 59, 2, 61, 4. II 95, 3. 100, 3).

Der Ausbruch des großen hellenischen Krieges stellte Perdikkas vor eine schwere Aufgabe. Ein Sieg der Athener mußte verhindert werden, zugleich aber durfte man die seebeherrschende Stadt nicht zu sehr reizen. Andererseits hat Athen alles daran gesetzt, um seine Stellung in Thrakien zu verstärken. Daß die thrakische Küste Kriegschauplatz wurde, hat Perdikkas selbst veranlaßt. Er wurde dabei von der Besorgnis vor [706] der steigenden Macht Athens geleitet. Schon sein Vater hatte hinter Thasos gestanden, und Perdikkas selbst nahm 446 v. Chr. die aus Histiaia auf Euboia vertriebenen Bewohner auf (Theop. 347 Gr.-H. = Strab. X 445); 437 gelang den Athenern die Gründung von Amphipolis in außerordentlich günstiger Lage (vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 1949f.). Thuk. IV 102. Diese Kolonie sollte die griechischen Städte an der thrakischen Küste wie die eingeborenen Stämme in Unterordnung halten und war zugleich eine ständige Bedrohung für M., da seine Ausdehnung nach Osten unterbunden, sein Einfluß auf die Thraker ausgeschaltet wurde und jede Auflehnung gegen den König jetzt einen festen Rückhalt im Lande selbst hatte. Allerdings wurde die Stellung Athens durch den starken Druck auf die thrakischen Bundesgenossen auch erschwert, da diese mehr als früher nach fremder Hilfe ausschauen mußten. Zunächst war die Folge der Gründung von Amphipolis eine stärkere Geltendmachung der athenischen Interessen. Unter anderem trat Athen sofort in Verbindung mit Philippos; denn wenn dieser Fürst 432 flüchtig war, so wird seine Vertreibung mit seiner Verbindung mit Athen zusammenhängen. Wie das offizielle Verhältnis zwischen beiden Mächten vor dem Kriege war, ist schwer festzustellen. Aus Thuk. I 57, 2 ξύμμαχος πρότερον καὶ φίλος ὤν kann man wohl auf ein freundschaftliches Verhältnis schließen. Dagegen sind die Angaben in den Demosthenischen Reden über die Tributpflichtigkeit des Perdikkas nicht ernst zu nehmen. Nur eine läßt sich zunächst sicher auf ihn beziehen: Demosth. III 24; die anderen beiden Stellen sprechen ganz allgemein von einer Abgabenpflicht der makedonischen Könige bezw. M.s: XI 16 und VII 12. Die Absicht der Redner ist hier lediglich darauf gerichtet, die Ohnmacht M.s in früherer Zeit möglichst stark hervorzuheben. Auch Ulpian ad Demosth. Olynth. III 24 und Arrian. anab. VII 9, 4 sind nicht beweisend.

Wenn wirklich zwischen Athen und M. Symmachie bestand (Thuk. I 57, 2), so hat Athen durch seine Verbindung mit Philippos den Vertrag gebrochen. Philippos befand sich 432 im Bunde mit Derdas von Elimeia im offenen Kampf mit Perdikkas und im Bunde mit Athen (Thuk. a. O.). Abel 172. Da er als Führer eines makedonischen Reiterkorps auf der Chalkidike erscheint (Thuk. I 61, 4), scheint er schon flüchtig gewesen zu sein; 431 beim Vertragsschluß zwischen Sitalkes und Perdikkas war er jedenfalls nicht mehr im Besitze seines Fürstentums (Thuk. II 95). Besonders gefährlich war die Auflehnung des Fürsten von Elimeia, die wie der Kampf gegen Lynkestis zeigt, daß die obermakedonischen Vasallen in einer Erstarkung der makedonischen Macht eine ernstliche Gefahr sahen und nach voller Selbständigkeit strebten.

Nach dem Ultimatum Athens an Poteidaia 432 trat daher Perdikkas mit Sparta und Korinth sowie mit den Chalkidiern und Bottiaiern in Verhandlungen, um Athen zu beschäftigen (Thuk. I 57. Diod. XII 34, 2). Poteidaia fiel ab und schloß mit den Chalkidiern und Bottiaiern ein Bündnis (Thuk. I 58). Perdikkas bewog die Chalkidier, nach Olynthos zusammenzusiedeln, und [707] wies ihnen zur Entschädigung für ihre aufgegebenen Gebiete Ländereien am Bolbe (s. o. III 2) an (Thuk. a. O. Diod. a. O.). Perdikkas handelte damit durchaus im makedonischen Interesse, das möglichste Erhöhung der Widerstandskraft M.s und seiner Bundesgenossen erforderte. Daß Olynthos einmal ein gefährlicher Gegner M.s werden würde, konnte er nicht voraussehen (vgl. Vischer 255). Die athenische Flotte wandte sich zunächst gegen den tätigsten Feind, eben Perdikkas, und wurde durch einen Einfall des Philippos und Derdas in M. unterstützt (Thuk. I 59). Die Athener eroberten Therme und belagerten Pydna (Thuk. I 61). Als aber ein korinthisches Hilfskorps in Poteidaia eintraf, schloß der athenische Feldherr mit Perdikkas ξύμβασις καὶ ξυμμαχία (Thuk. I 61, 3), die Athener, um sich mit ganzer Kraft gegen die abtrünnigen Bundesgenossen zu wenden, Perdikkas, um vorläufig die gefährliche Verbindung zwischen Athen und seinen inneren Feinden zu sprengen (vgl. Busolt III 2, 805). Auf dem Marsche nach Poteidaia sollen die Athener nun einen Handstreich gegen Beroia (h. Venia; o. II E) versucht haben (Thuk. I 61,4). Man hat diese Angabe verworfen, weil die Athener damit sofort den Vertrag wieder gebrochen hätten und weil Beroia zu weit landeinwärts liege. Dieser Einwand ist jedoch nicht berechtigt, da die Küstenlinie damals sich viel mehr dem Gebirge näherte; die Straße nach Pella und zur Chalkidike führte an Beroia vorüber (s. o. II A 2; III 2 a). Auch ist die Emendation ἐπὶ Στρέψαν für ἐπιστρέψαντες höchst zweifelhaft, da dieses sonst nur bei Aesch. II 27, den Lexikographen und in den attischen Tributlisten (Koehler Abh. Akad. Berl. 1869, 182) erwähnte Städtchen kaum die Athener zu einem Angriff reizen konnte und auch von seinem Abfall nichts berichtet wird. Andererseits erscheint es allerdings höchst unwahrscheinlich, daß die Athener Perdikkas sofort nach Abschluß des Friedens durch offenen Friedensbruch wieder den Feinden in die Arme getrieben haben sollten. Gewiß hätte der König dann auch Mittel gefunden, um mit seiner vorzüglichen Reiterei dem athenischen Heer beim Marsch quer durch sein Reich Abbruch zu tun. Wahrscheinlicher ist, daß Beroia, das am Eintritt des Haliakmon in die Tiefebene, also an der Verbindungsstraße von Elimeia zum Tieflande, lag, dem Derdas in die Hände gefallen war; die Athener haben nun das Bündnis mit Perdikkas, das ihnen am Herzen lag (Thuk. a. a. O.: ξυμμαχίαν ἀναγκαίαν, durch das Versprechen erkauft, ihm Beroia zurückzuerobern. Daß sie dieses Versprechen nicht einlösten, ist dann der Grund zu dem sofortigen Abfall des Königs gewesen, Thuk. I 62. 2: ἀπέστη γὰρ εὐθὺς πάλιν τῶν Ἀθηναίων: Zugleich entsprach der Abfall auch dem makedonischen Interesse. Mit dem Abzug der Athener war die größte Gefahr beseitigt, und Perdikkas durfte seine alten Bundesgenossen nicht im Stich lassen, zumal im athenischen Heere Philippos und ein elimiotischer Fürst Pausanias (Thuk. a. a. O.) mit 600 Reitern sich befanden. Der König wurde zum Oberbefehlshaber der eidgenössischen Reiterei, zu der 200 makedonische Ritter gehörten, ernannt (Thuk. II 62. 2. 3).

[708] Der Kampf auf der Chalkidike ging unentschieden weiter. Athen suchte nach Bundesgenossen und fand Unterstützung bei Sitalkes, dem Könige der Odrysen. Das odrysische Reich war in der Zeit zwischen 480 und 430 schnell zu großer Macht gelangt und hatte sich bis an den Strymon ausgedehnt, war also ein gefährlicher Nachbar M.s geworden (Thuk. II 23. Diod. XII 50. Höck Herm. XXVI 76ff. Ed. Meyer GdA IV 73ff. Beloch II² 1; 310. Schoch u. Bd. III A S. 377ff.). Sitalkes war mit einer Griechin vermählt, und seinen einflußreichen Schwager Nymphodoros gewannen die Athener durch Verleihung der Proxenie (Thuk. II 29, 1). Er brachte nun ein Bündnis zwischen Sitalkes und Athen zustande (Diod. XII 50, 3. Aristoph. Acharn. 141ff.) und söhnte Perdikkas mit Athen aus, indem er die Rückgabe von Therme durchsetzte. Sitalkes versprach dem Perdikkas, Philippos nicht mehr zu unterstützen. Welche Gegenleistungen Perdikkas übernahm, wissen wir nicht; ein dauerndes Freundschaftsverhältnis war zwischen den beiden am Strymon rivalisierenden Mächten so wie so unwahrscheinlich. Doch lassen die Worte ἅ ὐπεδέξατο οὐκ ἐπετέλει (Thuk. II 95, 2) auf ganz bestimmte Verpflichtungen schließen (Thuk. II 29). Die Rückgewinnung Thermes und die Beseitigung der Gefahr seitens seines Bruders waren für Perdikkas von so großer Bedeutung, daß er sogleich (εὐθύς) seine bisherigen Bundesgenossen verließ und sich Phormions Heer anschloß (Thuk. II 29, 6) 431 v. Chr. Er hoffte wohl, daß die Chalkidier sich auch allein weiter halten würden. Auch zwischen Perdikkas und Derdas von Elimeia ist damals eine Aussöhnung erfolgt; denn Derdas steht als makedonischer Zeuge unter dem Bündnisvertrage von 422 (IG II 42 = v. Scala nr. 81). Er wird Beroia zurückgegeben und dafür Zusicherung weitgehender Selbständigkeit empfangen haben. Dem Kampfe des Arrhabaios von Lynkestis hat er sich nicht angeschlossen.

Perdikkas war nicht mit dem Herzen auf Seiten der Athener; er unterstützte sogar 429 den Angriff der Spartaner auf Akarnanien heimlich (Thuk. II 80, 7), zusammen mit seinem Vasallen Antiochos von Orestis. Gewiß war Athen diese zweideutige Haltung nicht unbekannt. Und da er außerdem seinen Verpflichtungen gegen Sitalkes nicht nachkam, so konnte ihm der Angriff des Thrakers im Spätsommer 429 nicht überraschend kommen. Sitalkes wandte sich in erster Linie gegen M., suchte also mehr sein Reich auszudehnen als durch Bedrängung der Chalkidier den Athenern unmittelbar zu helfen. Er führte Amyntas, den Sohn des inzwischen verstorbenen Philippos, bei sich ὡς ἐπὶ βασιλείᾳ τῶν Μακεδόνων (Thuk. II 95, 3) – vgl. Diod. XII 50, 4: κατάγειν ἐπὶ τὴν Μακεδονικν βασιλείαν Ἀμύνταν τὸν Φιλίππου. Also sollte M. Vasallenstaat des Thrakerkönigs werden. Sitalkes überschritt das Kerkinegebirge (Belašica Plan.) und gelangte nach Doberos im Wardartal (s. o. II E), Thuk. II 98. 99, 1. Er nahm Eidomene (s. o. II E) im Sturm, andere Orte ὁμολογίᾳ διὰ τὴν Ἀμύντου φιλίαν; es war das alte Gebiet des Philippos (Thuk. II 100, 3. Diod. XII 50, 6). Dann brach er in Nieder-M. ein und rückte in der Küstenebene bis zum Pajak vor: ἐς τὴν ἄλλην Μακεδονία τὴν ἐν ἀριστερᾷ [709] Πέλλης καὶ Κύρρου. Dann kehrte er um, überschritt den Axios und verheerte Mygdonien, Krestonia und Anthemus (Diod. XII 50, 7). Perdikkas, von den obermakedonischen Vasallen, wohl Elimeia und Orestis (ἀπὸ τῶν ἄνω ξυμμάχων) unterstützt, hielt sich zurück und fügte den Barbaren nur durch seine Reiterei erheblichen Schaden zu (Thuk. 100, 1. 4ff. Diod. XII 50, 5). Auch gegen die Chalkidier richtete Sitalkes nichts Ernstliches aus. So trat er, auch durch die Nähe des Winters beeinflußt, mit Perdikkas in Unterhandlungen (Thuk. II 101, 1), und dieser wußte durch Beeinflussung des Seuthes, des Neffen des Sitalkes, dem er seine Schwester mit bedeutender Mitgift versprach, den Abmarsch der Thraker zu beschleunigen. Sitalkes zog ab: αὐτῷ οὐδὲν ἐπράσσετο ὧν ἕνεκα ἐσέβαλε (Thuk. II 101. Diod. XII 51, 1. 2). Die Befürchtungen der Griechen angesichts der gewaltigen Macht des Thrakers (Thuk. a. a. O.) waren gegenstandslos gewesen; die Quelle des Diodor a. O. hat die Angaben des Thukydides gewaltig übertrieben (vgl. Vischer 260, 1. Schoch 380). Zweifelhaft bleibt auch die Notiz Diodors: πρὸς τὸν Περδίκκαν διαλυσάμενος ἐπιγαμίας ἐποιήσατο. Unmöglich erscheint mir die Erklärung Schochs, daß Perdikkas und Sitalkes einen Epigamievertrag geschlossen hätten, da wir die abschließende Bürgerrechtspolitik der griechischen πόλις unmöglich bei diesen nordischen Völkern voraussetzen können. Wahrscheinlich hat Diodor oder seine Quelle lediglich die Angabe des Thukydides über die Vermählung des Seuthes mit der makedonischen Prinzessin Stratonike im Auge gehabt. Der Plural ἐπιγαμίας legt die Vermutung nahe, daß auch Perdikkas eine odrysische Fürstentochter zur Frau nahm.

Das Verhältnis zwischen Perdikkas und Athen scheint zunächst durch den thrakischen Einfall nicht gestört worden zu sein. Denn nach der Inschrift Syll.³ 75 Z. 27f. scheint er die athenische Besatzung in Poteidaia (ἐμ Ποτειδ[ά]αι, nicht Ποσειδίῳ). wie Kirchhoff las und auch Busolt III 2 1009, 1 annahm) mit Proviant versorgt zu haben. Dagegen konnte Athen die Bestrebungen des Königs auf Unterwerfung der Bundesstadt Methone als Zeichen unfreundlicher Gesinnung betrachten. Zwei attische Dekrete von 428/7 und 426/5 (IG 140 = Syll.³ 75 = Michel Recueil 74) beschäftigen sich mit den Versuchen des Perdikkas, durch Schikanen aller Art Methone zum Anschluß an M. zu zwingen. Athen suchte durch Vergünstigungen und durch energischen Druck auf den König die Stadt beim Bunde zu erhalten. Dadurch wurden natürlich die Beziehungen zwischen Athen und M. getrübt (Thuk. IV 79, 2: Περδίκκας δὲ πολέμιος μὲν οὐκ ὢν ἐκ τοῦ φανεροῦ), und als nach der Einnahme Sphakterias die Überlegenheit Athens entschieden zu sein schien, hielt es Perdikkas für geraten, der griechischen Großmacht in Thrakien möglichst viel Schwierigkeiten zu bereiten, zumal auch die treuen Bundesstädte durch die Erhöhung des Phoros 425 schwer getroffen waren (Thuk. IV 79, 2. 84, 2). Hinzu kam der Wunsch, auch Lynkestis wie Elimeia und Orestis zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu bringen. So trat er mit Sparta in Verhandlungen (Thuk. IV 79, 2), unterstützt von den Chalkidiern. Sparta ging darauf ein, und glücklich kam Brasidas [710] durch Thessalien zu Perdikkas (Thuk. IV 79, 1). Dieser wollte das spartanische Heer, dessen Verpflegung er zur Hälfte trug, sofort gegen die Lynkestis verwenden. Brasidas zog auch bis zum Paß Kirli Derbend, dem Eingangstor von Lynkos (ἐπὶ τῇ ἐσβολῇ τῆς Λύγκου), gab aber hier einer Bitte des Arrhabaios und der Warnung der Chalkidier, Perdikkas zu mächtig zu machen, nach und trat mit Arrhabaios in Verhandlungen. Perdikkas hatte die Spartaner eingeladen, ihm zu helfen (μᾶλλον δὲ καθαιρέτην ὧν ἂν αὐτὸς ἀποφαίνῃ πολεμίων: Thuk. IV 83, 5), aber er wollte nicht die athenische mit der spartanischen Vorherrschaft vertauschen. Als er sah, daß Brasidas nicht makedonische, sondern selbständige spartanische Politik trieb und mit Arrhabaios zu einem Abkommen gelangte, verringerte er seine Beihilfe (Thuk. IV 83. Vgl. Vischer I 263).

Durch seine Erfolge wurde Brasidas bald eine gefährlichere Macht für M. als Athen, und nach der Einnahme von Amphipolis fand sich Perdikkas im Lager des Spartaners ein, um ihn bei seinen weiteren Unternehmungen zu unterstützen. Dazu wird ihn die Besorgnis veranlaßt haben, sonst von Brasidas als Feind behandelt zu werden; auch mußte es ihm leichter erscheinen, die zur See ohnmächtigen Spartaner wieder zu verdrängen als die Athener. Nach dem Waffenstillstand von 423 wuchs die Bedeutung der Makedonen für Brasidas, der den Waffenstillstand durchzuführen sich weigerte. Deshalb war dieser jetzt bereit, noch einmal einen Feldzug gegen Lynkestis zu unternehmen. Das verbündete Heer zählte 3000 Hopliten, 1000 makedonische und chalkidische Reiter und eine Menge Leichtbewaffneter (ἄλλος ὅμιλος τῶν βαρβάρων πολύς). Diese recht geringfügige Streitmacht, die trotzdem wohl alles war, was Perdikkas und Brasidas zusammenzubringen vermochten, beweist einmal, daß sehr bedeutende Kräfte auf dem chalkidischen Kriegsschauplatze zurückblieben, und dann, daß M. wohl über eine vorzügliche Reiterei, aber nicht über ein geordnetes Fußvolk verfügte; hatte doch Perdikkas auch illyrische Söldner gedungen (Thuk. IV 124, 4). Andrerseits muß aber auch die Macht des Lynkesten recht erheblich gewesen sein. Nach anfänglichem Erfolge stockte der Vormarsch infolge der Weigerung des Brasidas, der sich nicht zu weit vom Kriegsschauplatz entfernen wollte (Bedrohung von Mende) und wohl auch die völlige Niederwerfung des Arrhabaios nicht wünschte. Der Rückzug infolge des Verrats der geworbenen Illyrier wurde für die Leichtbewaffneten zu einer Katastrophe, in die auch die makedonische Reiterei hineingezogen wurde. Hätten die Verbündeten gemeinsam gehandelt, wäre es zu dieser Panik wohl überhaupt nicht gekommen. Wohl gelang es der Umsicht des Brasidas und der Disziplin seiner Truppe, sich ohne Verluste zurückzuziehen, aber der ganze Erfolg war verloren und die Stimmung zwischen den Bundesgenossen aufs äußerste gereizt. Mit Recht konnte Perdikkas das Scheitern der Unternehmung dem Brasidas zuschreiben, der durch die Unterbrechung des siegreich begonnenen Vormarsches strategisch falsch und politisch unklug gehandelt hatte. Er mußte annehmen, daß der spartanische Feldherr mit ihm ein falsches Spiel trieb: ἀπὸ τούτου τε πρῶτον Περδίκκας Βρασίδαν [711] τε πολέμιον ἐνόμισς καὶ ἐς τὸ λοιπὸν Πελοποννησίων τῇ ,ὲν γνώμῃ δι’ Ἀθηναίους οὐ ξύνηδες μῖσος εἴχε (Thuk. IV 128, 5). Thuk. IV 124ff.

Mende ging trotzdem verloren, und vor Skione kam es nach längeren Verhandlungen zu einem Frieden und Bündnis zwischen Perdikkas und Athen: 423/2 v. Chr. Einen Beweis seiner ernsten Absichten gab der König sofort dadurch, daß er durch seinen Einfluß in Thessalien den Durchzug spartanischer Verstärkungen hinderte (Thuk. IV 132, 1. 2). Von dem Vertrage sind mehrere Bruchstücke erhalten: IG I 42. 43 Suppl. p. 141 I² 71 = v. Scala nr. 81 (Busolt III 2 1170, 1 unterscheidet zwischen der ὁμολογία bei Thukydides und dem Bündnisvertrag wohl insofern mit Recht, als die ξυμμαχία in Athen abgeschlossen wurde). In dem Vertrage wird Athen das Monopol für Schiffsbauholz zugesichert, und offenbar ist Arrhabaios in den Frieden eingeschlossen worden. Diesem Vertrage folgte jedenfalls der Vertrag zwischen Athen und den Bottiaiern IG I 52. 53 Suppl. p. 142ff. I² 90 = v. Scala 82 = Syll.³ 89, den Beloch II I² 352 erst in das J. 417 setzt.

Allerdings war es wohl dem Perdikkas nur darum zu tun, seinem Ärger über Brasidas Ausdruck zu geben; zu entschlossener Unterstützung der Athener war er nicht geneigt. Denn als gleich darauf der kommandierende attische Stratege Nikias gegen die Chalkidier vorgehen wollte, vereitelte der König diesen Feldzug durch seine Untätigkeit (Thuk. V 83, 4). Nichts berechtigt uns, aus den Worten des Thukydides: ἔψευστο τὴν συμμαχίαν καὶ ἡ στρατιὰ μάλιστα διελύθη ἐκείνου ἀπάραντος auf eine beabsichtigte oder gar ausgeführte Expedition des Nikias im J. 417 zu schließen, von der uns der Historiker sonst nichts berichtet, sondern offenbar geht dieser Vorwurf auf ein in der Vergangenheit liegendes Versäumnis des Perdikkas. Auch erscheint unter den Feldherren in Thrakien für 418/7 und 417/6 nicht der Name des Nikias (Syll.³ 94 Z. 9 und 25): vgl. Vischer I 267. Erst als sich Perdikkas 417 offen den Spartanern anschloß, haben die Athener dann diesen Vertragsbruch des Königs hervorgeholt. Damals wurde er ihm nicht angerechnet, denn Kleon forderte 422 von ihm den vertragsmäßigen Zuzug. Vorher fiel bei Amphipolis die Entscheidung. Der Friede des Nikias 421 war für M. von großer Bedeutung. Die Bedingungen, namentlich betreffend die Rückgabe von Amphipolis und das Verhältnis zu den chalkidischen Städten, wurden nicht durchgeführt, und so brach Athens Machtstellung in Thrakien zusammen. M. war von dem Druck der Großmacht befreit. Und als 417 sich Spartaner, Argiver und Chalkidier zusammenschlossen, gelang es ihnen, auch Perdikkas zum Anschluß zu bewegen: ἀνέπεισαν Περδίκκαν ξυνομόσαι σφίσιν. οὐ μέντοι εὐθύς γε ἀπέστη τῶν Ἀθηναίων; Thuk. V 80, 2. Perdikkas wollte nicht sofort offen mit Athen brechen, aber doch die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, dem alten Rivalen Schwierigkeiten zu bereiten. Athen aber erklärte 417/16 M. den Krieg und verhängte über seine Häfen die Blockade. Weitere Schritte wurden zunächst nicht unternommen, denn wir sahen oben, daß die Expedition des Nikias in das J. 423/2 gehört (Thuk. V 83). Doch 416/5 machten athenische Reiter von Methone aus zusammen mit [712] makedonischen Flüchtlingen Einfälle in das Gebiet des Perdikkas; Thuk. VI 7, 3. Die Beziehungen zwischen Methone und M. waren also gespannt geblieben; Vischer I 269 vermutete unter Μακεδόνων φυγάδες Anhänger des Amyntas. Mit den Chalkidiern hatten die Athener einen von 10 zu 10 Tagen laufenden Waffenstillstand abgeschlossen, und jene weigerten sich auch, mit Perdikkas gemeinsame Sache zu machen (Thuk. VI 7, 4). So schien es dem Könige ratsam, um nicht vereinzelt zu werden, sich den Athenern zu nähern; er unterstützte 414 den attischen Strategen Euetion gegen Amphipolis (Thuk. VII 9). Ob vorher ein feierlicher Vertrag abgeschlossen wurde, ist nicht festzustellen (gegen Busolt III 2. 1353; vgl. Ed. Meyer GdA IV 524f.). Bald darauf muß Perdikkas gestorben sein. Er hat es mit Erfolg verstanden, sein Land durch die schweren Kämpfe ohne Einbußen hindurchzusteuern, und auch auf dem Gebiete der geistigen Kultur hat er sich Verdienste erworben. So soll Hippokrates von Kos an seinem Hofe gelebt haben (Suid. s. Ἱπποκράτης), und der Dithyrambendichter Melanippides starb bei ihm (Suid. s. v.). Die Einladung des Sokrates (Antonin. de se ipso XI 25) ist wohl dem Archelaos zuzuschreiben; vgl. Vischer I 271.

4. M. von Archelaos bis zum Regierungsantritt Philippos’ II. Nach Plat. Gorg. 471a-d hat Perdikkas wohl seinen siebenjährigen legitimen Sohn aus seiner Ehe mit Kleopatra zu seinem Nachfolger bestimmt und die Reichsverweserschaft seinem Sohne Archelaos übertragen (Abel 194. Köhler S.-Ber. Akad. Berl. 1893, 490ff.). Dieser stammte von einer Sklavin (Aelian. var. hist. XII 43), war aber bereits 422 von Perdikkas als legitim anerkannt worden: er steht unter den Zeugen des Vertrages IG I 42. 44 (s. o.) unmittelbar hinter den Brüdern des Königs. Er konnte also als nächster Agnat zum ἐπίτροπος bestellt werden. Ohne die Einzelheiten der Skandalgeschichte bei Plat. a. a. O. als glaubwürdig zu betrachten, ist kaum daran zu zweifeln, daß Archelaos den jungen, ihm anvertrauten König, seinen Oheim Alketas und dessen Sohn Alexandros beiseite geschafft und dann selbst den Thron bestiegen hat. Dann hat er aber gezeigt, daß er zum Herrscher geboren war (vgl. über ihn im allgemeinen Kaerst o. Bd. II S. 446ff. und Köhler 490ff.). Für eine Beurteilung seiner Regierung muß man von Thuk. II 100, 2 ausgehen : Ἀρχέλαος ὁ Περδίκκου υἱὸς βασιλεὺς γενόμενος τὰ νῦν ὄντα (sc.τείχη) ἐν τῇ χώρᾳ ᾠκοδόμησε καὶ ὁδοὺς εὐθείας ἔτεμε καὶ τἆλλα διεκόσμησε τὰ κατὰ τὸν πόλεμον ἵποις καὶ ὅπλοις καὶ τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ κρείσσονι ἢ ξύμπαντες οἱ ἄλλοι βασιλῆς ὀκτὼ οἱ πρὸ αὐτοῦ γενόμενοι. Diese Worte gehen vor allem auf die Erhöhung der militärischen Machtmittel des Landes. Bau von Befestigungen und Heerstraßen hatte sich besonders bei dem Einfall des Sitalkes als notwendig herausgestellt. Ein wohlgeordnetes Fußvolk hätte Perdikkas seinen Kampf für die Unabhängigkeit des Reiches außerordentlich erleichtert. Man würde also ganz von selbst auf den Gedanken kommen können, daß Archelaos der Reiterei ein Fußvolk zur Seite gestellt habe. Gewiß gehen die Worte des Thukydides zunächst auf bessere Ausrüstung, aber die außerordentlich starke Hervorhebung der Verdienste [713] des Königs wäre doch wohl zu gewichtig, wenn es sich nur um solche Reformen gehandelt hätte. Nun glaubte Köhler 493f. ein Fragment des Anaximenes von Lampsakos (bei Harpokr. und Suid.: FGrHist 72 F 4) auf Archelaos beziehen zu können, obwohl es sich um einen Alexandros handelt; Alexandros I. und II. könnten nicht in Betracht kommen. Es mit Droysen auf Alexander den Großen zu beziehen, geht erst recht nicht an. Aber weder die Emendation Köhlers noch die viel gewaltsamere Kaersts (Gesch. d. Hellen. I² 193) und Plaumanns (o. Bd. VIII S. 1378), statt ,Alexandros‘ ,Philippos‘ einzusetzen, befriedigt. Beloch Gr. Gesch. III 1² 23 möchte, ohne Köhlers weitgehende Schlüsse aus dem Fragment anzuerkennen, doch Archelaos die Schaffung eines regulären Fußvolkes zuschreiben. Damit trifft er sicher das Richtige. Hier kann ich nur kurz meine Ansicht andeuten. Das Fragment besteht aus zwei Teilen und ist von dem Lexikographen ungeschickt zusammengestellt worden. Der erste Teil bezieht sich auf die Organisation der Ritterschaft unter Alexandros I. als regulärer Reiterei, wobei den Rittern der bisher nur der Umgebung des Königs zukommende Titel ἐταῖροι verliehen wurde (über diesen Titel vgl. Plaumann o. Bd. VIII S. 1375). Der zweite Teil bringt die Fortführung, die Schaffung des Fußvolkes mit dem Ehrennamen πεζέταιροι durch Archelaos. Beide Angaben fand der Lexikograph in einem Exkurs über die Entwicklung des makedonischen Heeres bei Anaximenes und zog sie zusammen, richtete aber dabei Verwirrung an (auch sprachlich ist das Fragment nicht einwandfrei) und vergaß vor dem zweiten Teil den Namen des Archelaos (s. auch Kaerst 194, 1). Seitdem bildete das Heer das Volk in Waffen. Zugleich hatte die Reform auch eine wichtige politische Seite; im Fußvolk fand der König ein Gegengewicht gegen die Macht des Adels. Das Königtum konnte sich dem Adel viel freier gegenüberstellen und durch geschickte Benutzung der bestehenden Gegensätze seine Macht erhöhen. Denn auch der Adel war jetzt gezwungen, sich mit dem Könige gut zu stellen. Nur auf dieser Grundlage konnte Philippos II. die makedonische Großmacht aufrichten. Bald nach seiner Thronbesteigung zog Archelaos gegen die Stadt Pydna, die sich also inzwischen (unter Alexandros I. war sie makedonisch Thuk. I 137) befreit hatte. Köhler 496 hat vermutet, daß er Pydna das Münzrecht entzogen habe. Jedenfalls haben makedonische Städte bis auf Philippos II. Münzen geprägt (z. B. Aigai). Die Behauptungen von Svoronos Journ. intern. d’arch. numism. XV 125ff. 212ff. XIX 40ff. entsprechen nicht den Tatsachen (vgl. auch Gardner Hist. of anc. Coinage, Oxf. 1918, 188). Vielleicht lag der Grund des Abfalls auch in finanzpolitischen Maßnahmen (vgl. Syll.³ 135: Ausfuhr- und Durchgangszölle); jedenfalls ging Archelaos auch von der sog. phönikischen zur persischen Währung über (Gardner 275. 326. Head HN² 220). Da er an einem freundlichen Verhältnis zu dem nicht mehr gefährlichen Athen festgehalten hatte und Athen für die Lieferung von Schiffsbauholz mehr als früher auf M. angewiesen war (vgl. für Archelaos Syll.³ 104. Andok. II 11), so kam ihm ein attisches Geschwader unter Theramenes [714] zu Hilfe, 410 v. Chr. Obwohl es bald nach Thrakien absegeln mußte (Diod. XIII 49, 1. Xen. hell. I 1, 12), zwang Archelaos die Stadt zur Ergebung und verpflanzte sie 20 Stadien landeinwärts (Diod. XIII 49, 2. Vgl. o. II E). Doch sind die Bürger bald wieder an die alte Stätte zurückgekehrt (Diod. XIX 36. 49). Auch mit den obermakedonischen Fürsten kam Archelaos in Streitigkeiten; möglich, daß er die Unterordnung stärker betonte, sicher wohl, daß er auch Lynkestis unterwerfen wollte. Wenigstens erfahren wir aus Aristot. polit. V p. 1311 b von einem Kriege des Archelaos gegen Arrhabaios und Sirrhas. Unter Arrhabaios haben wir den Sohn des lynkestischen Fürsten zur Zeit des peloponnesischen Krieges zu verstehen, und Sirrhas, der die Tochter des Lynkesten geheiratet hatte (Strab. VII 326), war jedenfalls Fürst von Elimeia. Diese für ihn gefährliche Verbindung sprengte Archelaos durch das Angebot an Sirrhas, ihm eine Tochter zur Frau zu geben (vgl. zu dieser Frage Abel 195f. Droysen Hellen.² I 86, 2. Kaerst o. Bd. V S. 239. Köhler S.-Ber. Akad. Berlin 1893, 502. Hoffmann 160ff. Beloch III 2² 74. 78f.). Archelaos verzichtete so auf die Durchführung eines gefahrvollen Bruderkrieges, bei dem nur M.s Feinde die tertii gaudentes waren. Am Ende seiner Regierung griff Archelaos in die Verhältnisse Thessaliens ein, das nach dem Erlöschen des Tagosamtes und der Auflösung der Gesamtverfassung durch heftige Kämpfe zerrissen war (vgl. darüber Ed. Meyer Theopomps Hellenika 247ff.). Schon Perdikkas hatte in Thessalien starken Einfluß besessen (Thuk. IV 78, 2. 132, 2). 404 hatte Lykophron von Pherai die Adelsgeschlechter bei Larisa besiegt (Xen. hell. II 3, 4), und im Anschluß daran kam es in Larisa zu heftigen Parteikämpfen. Gegen die Herrschaft des Aleuaden Aristippos (Plat. Menon 70 a. b.) erhob sich eine gemäßigte Partei die den Sturz der starren Oligarchie erstrebte. Aristippos rief zunächst den jüngeren Kyros um Hilfe an. Dieser unterstützte ihn mit Söldnern und Geld (Xen. anab. I 1, 10); die Söldner wurden zu Kyros zurückgeschickt τῷ Ἀριστίππῳ συναλλαγέντι πρὸς τοὺς οἴκοι (Xen. I 2, 1). Also hatte Aristippos zunächst die Oberhand erlangt (Ed. Meyer 252), aber damit war die Gefahr für den Adel nicht beseitigt. Die gemäßigte Partei wandte sich an Sparta, das zur Hilfe bereit war. Aristippos fand nun Unterstützung bei Archelaos, der nach heftigem Kampfe Larisa besetzte. Da Sparta die Bildung einer starken Macht hier im Norden nicht dulden konnte, wäre es wohl zum Kriege gekommen, wenn Archelaos nicht ermordet worden wäre und Sparta in Kleinasien hätte eingreifen müssen. Wichtige Einzelheiten über diese thessalischen Ereignisse erfahren wir aus der Broschüre [Ἡρώδου] περὶ πολιτείας, die zuerst Köhler 504ff. für die Geschichte dieser Zeit herangezogen hat. Während Drerup (Stud. z. Gesch. u. Kult. d. Altert. II 1. 1908) sie in das J. 404 setzte, haben Ed. Meyer 267 und Beloch III 2² 17f. nachgewiesen, daß sie in die Zeit 400–399 gehört. Doch zeichnet Beloch III 1² 21ff. den Verlauf der Dinge anders als oben geschehen. Zu erwähnen ist noch, daß Archelaos in Larisa das Bürgerrecht erhielt (Herodes § 17), Perrhaebien zu M. zog [715] (Meyer 262), aber keinen Strategen in Larisa einsetzte (§ 29. Meyer 262, 1. Doch vgl. Beloch 24, 4). Zu dem entscheidenden Einfluß des Archelaos in Larisa stimmen auch die Notiz des Aristot. polit. V p. 1311 b, daß der Larisaier Hellanokrates sich an der Ermordung des Königs beteiligt habe, weil dieser sein Versprechen, ihn zurückzuführen, nicht erfüllt habe, sowie die Worte des Thrasymachos aus einer Rede ὑπερ Λαρισαίων (Clem. Alex. Strom. VI 2, 16): Ἀρχελάῳ δουλεύσομεν , Ἕλληνες ὄντες βαρβάρῳ. Zugleich wird durch die Rede des [Herodes] bewiesen, daß Archelaos während des dekeleischen Krieges Neutralität beobachtet (§ 19) und nach dem Fall Athens um die Aufnahme in den hellenischen Bund Spartas nachgesucht hatte (§ 24. Ed. Meyer 265ff.).

In der inneren Politik bemühte sich der König, sein Volk aus der Abgeschiedenheit herauszuführen und durch die griechische Kultur auf eine höhere Stufe emporzuheben. Seinen Bemühungen ist es wohl zuzuschreiben, wenn Philippos II. und seine Generale uns auch in den Reden seiner Gegner als hochgebildete Männer entgegentreten (Köhler 499). Archelaos verlegte jedenfalls die Residenz nach Pella, das damals noch am Meere lag (s. o. I und III 2 a), also in weit höherem Maße als Aigai geeignet war, der Mittelpunkt eines nach der Ägais gerichteten Reiches zu werden. Pella blühte schnell auf (Xen. hell. V 2, 13). Seinen Palast ließ er von Zeuxis mit Gemälden schmücken (Aelian. var hist. XIV 17), und sein Hof wurde der Mittelpunkt eines reichen geistigen Lebens (Suid. s. Χοίριλος. Vita bei Westermann Βιογρ. 88. Athen. VIII 345 d. Aelian. var. hist. XIII 4. Schol. Aristoph. Ran. 85. Plut. amator. 24). Besonders der Aufenthalt des Euripides hat den Ruhm des Königs als eines feinsinnigen Maecens erhöht (vgl. die Stellen bei Christ-Schmid Gr. Lit. Gesch I⁶ 350f. Geffcken Gr. Lit.-Gesch. I Anm. 173, 15. 16. Ridgeway The Class. Quarterly XX 1ff.). Euripides hat in M. die ‚Bakchen‘ gedichtet und seinen Gönner im ,Archelaos‘ gefeiert. In diesem Drama tritt uns zuerst die erweiterte Stammsage mit Karanos als Reichsgründer entgegen; Euripides hat ihm den Namen Archelaos gegeben (vgl. über den Inhalt Abel 93f. v. Gutschmid 118ff. Pack Herm. X 292ff. Köhler 499ff. Hoffmann 123ff.). Seitdem ist die Karanossage ein fester Bestandteil der makedonischen Gründungssage (vgl. Theopomp. frg. 29 Gr.-H.). Dabei ist sie lediglich eine Doublette der Perdikkas-Sage. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Erweiterung auf den König zurückführt. Die Gründe hierzu sind nicht klar. Hoffmann 128 sah darin, daß der mythische Gründer von Aigai Reichsgründer und Ahnherr des Königshauses wurde, das Bestreben des Königs, Aigai für die Verlegung der Residenz nach Pella zu entschädigen. Doch ist Aigais Bedeutung schwerlich so groß gewesen, um den König zu einem solchen Schritt zu veranlassen. Wenn wirklich die Beziehungen der Karanossage zu der thessalischen Sage der Lapithen (vgl. M. Schmidt o. Bd. XII S. 785) so eng sind, wie Hoffmann glaubt, so könnte man eher vermuten, daß Archelaos durch diese Herübernahme des Karanos aus Thessalien seine Ansprüche auf Nordthessalien legalisieren wollte. Sicher ist auch, [716] daß unter Archelaos die makedonische Geschichtschreibung (d. h. griechische Geschichtschreibung über M.) für die bisherige Entwicklung ein festes Schema fand (vgl. Pack 298ff.). Weiter hat Archelaos in Dion am Olymp, einer Gegend, die seit alters als Sitz der Musen galt (Baege De Maced. sacris. Dissert. phil. Hal. XXII 1, 122ff. Kern Nordgriech. Skizzen 59ff.), σκηνικοὺς ἀγῶνας Διὶ καὶ Μούσαις gestiftet (Diod. XVII 16, 3; vgl.Arrian )anab. I 11, 1 [statt ,Aigai‘ muß ,Dion‘ stehen]. St. Byz. s. Δῖον. Demosth. XIX 192 und Ulp. dazu. Diod. XVI 55, 1. Dion Chrys. I 16 Arn. Baege 12. 122ff.). Das Fest wurde im Herbst gefeiert; ein bestimmter Zwischenraum läßt sich nicht feststellen (vgl. Köhler 499, 1). Die Dauer des Festes betrug neun Tage (Diod. XVII 16. Schol. Ulpian Demosth. a. O). Köhler 496 vermutete, daß im Zusammenhang mit diesen Olympien auch die Lustration des Heeres im Xandikos, die Xandika, eingeführt seien (vgl. darüber Nilsson Griech. Feste 404. Baege 223f.).

Archelaos fiel einer Verschwörung zum Opfer (Aristot. polit. V p. 1311 b. Aelian. var. hist. VIII 9. Plat. Alkib. II 141 d. Plut. amator. 23), an deren Spitze sein Liebling Krateuas stand, während Diod. XIV 37, 6 nur von einem Jagdunfall spricht. Sein Todesjahr ist durch den gleichzeitigen Tod des Sokrates auf 400/399 festgelegt (Diod a. O.); Syncell. p. 500 Dind. gibt ihm 14 Jahre. Die Zahlen ,15‘ bei Euseb. I 227 und ,7‘ bei Diod. a. O. sind abzulehnen. Da Perdikkas II. noch 414 lebte, ist mit Beloch 55 eine 14jährige Regierungsdauer als wahrscheinlich anzunehmen. Ihm folgte zunächst der Mörder, der sich aber nur ein paar Tage halten konnte (Aelian. a. O.). Die folgenden Jahrzehnte der makedonischen Geschichte sind voller Wirren, auch die Reihenfolge der Herrscher ist nicht mit voller Sicherheit festzustellen. Aber über die großen Züge der Entwicklung werden wir doch unterrichtet, und diese sollen hier mit wenigen Strichen gezeichnet werden. Der Tod des Archelaos mußte M. schwer treffen, da die neue Heeresformation noch nicht Zeit gehabt hatte, sich einzuleben, und gerade bei dem damaligen Zustande der griechischen Welt, in der sich überall der Widerstand gegen die Vorherrschaft Spartas regte und dieses auch in Asien in einen Krieg gegen Persien verwickelt wurde, eine feste Hand in M. besonders wichtig gewesen wäre. Dem Archelaos folgte nach der Beseitigung des Krateuas sein minderjähriger Sohn Orestes, über den Aëropos die Vormundschaft führte. Dieser soll dem lynkestischen Fürstenhause angehört haben (Kaerst o. Bd. I S. 679), aber Beloch 65 hat mit Recht darauf hingewiesen, daß dies nirgends überliefert wird und sehr unwahrscheinlich ist, weil Lynkestis damals so gut wie selbständig war (s. o.). Er wird also der nächstberechtigte Agnat des Königshauses gewesen sein. Die Chronographen geben dem Orestes 3 Jahre (Beloch 51), dem Aëropos 4–6 Jahre, Diod. a. O. 6 Jahre. Während Ed. Meyer G. d. A. V 300. 303 nach Diodor den Orestes sofort ermordet werden läßt und dem Aëropos 6 Jahre gibt, entscheidet sich Beloch 56 dafür, dem Orestes nach den Chronographen 3 Jahre und dem Aëropos 3 Jahre als Vormund und 3 Jahre als König zuzuteilen; jedenfalls hat Aëropos noch 394 auf dem Thron [717] gesessen (Polyaen. II 1, 17). Da statt Aëropos bei Syncell. 494 und sonst Archelaos steht, hatte v. Gutschmid 107 angenommen, Aëropos habe sich als König Archelaos genannt (vgl. Ed. Meyer 300); dem widerspricht, daß wir Münzen mit dem Namen Aëropos haben, die er doch nicht nur als Vormund geprägt haben kann, wenn dies überhaupt zulässig erscheint (Beloch 65. Head HN² 221). Orestes’ Name erscheint auf Münzen überhaupt nicht. Von Aëropos wissen wir nur, daß er beim Durchmarsch des Agesilaos durch M. noch König war (Polyaen. a. O.). Vgl. Kaerst a. O. Ihm folgte 394/3 sein Sohn Pausanias (Diod. XIV 89, 2), der nach einjähriger Herrschaft von Amyntas II. ermordet wurde; nach Beloch 56 sind allerdings der Mörder und Amyntas III. identisch und Amyntas II. ein Gegenkönig, den Diodor überhaupt nicht erwähne. Amyntas II. (s. Kaerst o. Bd. I S. 2006. v. Gutschmid 105f.) ist jedenfalls derselbe wie der von Aristot. pol. V p. 1311 b erwähnte, der von Derdas ermordet wurde; ein Sohn des Archelaos? (Aristot. a. O.). Auch er erhält von den Chronographen 1 Jahr. Also haben beide wohl von 394/3–392 regiert (vgl. Beloch 56. Ed. Meyer 303). Dann bemächtigte sich Amyntas III. der Herrschaft, ein Sohn des Arrhidaios und Urenkel des Alexandros I. (Syncell. 500. Syll.³ 135. 136), also nicht der Sohn eines Menelaos (Iustin. VII 4, 3. Aelian. v. h. XII 43). Die Chronographen geben ihm 18 Jahre, Diod. XIV 89, 2. 92, 3. XV 60, 3: 24 Jahre. Eine Entscheidung ist schwierig; Ed. Meyer 303 läßt ihn von 393/2–370/69, Beloch von 392-370 regieren, während v. Gutschmid ihn 389–369 ansetzt, offenbar zu kurz (vgl. Kaerst o. Bd. I S. 2006). Seine Regierung war zunächst schwierig, da vor allem die Illyrier sich die Wirren in M. zunutze machten. Auf der anderen Seite war Olynthos zu einem ansehnlichen Staatswesen emporgewachsen, das ganz natürlich bei jedem Versuch der Ausdehnung auf M. stoßen mußte (Ed. Meyer 301). Außerdem waren auch die inneren Verhältnisse noch keineswegs geordnet; ein Prätendent Argaios wird von Diod. XIV 92, 4 und den Chronographen mit 2 Jahren in die Regierung des Amyntas eingeschoben (etwa 384–382, vor dem olynthischen Kriege). Amyntas soll auch vertrieben worden sein, nach Diod. XIV 92, 3 und XV 19, 2 sogar zweimal; doch handelt es sich hier wohl um dasselbe Ereignis (Beloch 57f.). Um sich gegen die Illyrier halten zu können, schloß er um 389 mit Olynthos ein Schutz- und Trutzbündnis (Swoboda Arch.-epigr. Mitt. VII 1ff. = Syll.³ 135) und überließ der Stadt einen Teil seines Reiches (Diod. a. O.). Doch taten die Olynthier nichts, da ihnen die Notlage M.s nur willkommen war und sie selbst nach dem Besitz des Landes strebten (vgl. Xen. hell. X 2, 12). So scheint er zunächst den Illyriern unterlegen zu sein, und diese Zeit wird Argaios zu seiner Schilderhebung benutzt haben. Nachdem er den Frieden von den Illyriern durch Geld erkauft hatte (Diod. XVI 2, 2), gewann er, nach Diod. XIV 92, 3 mit Hilfe der Thessaler (falsch Demosth. XXIII 111 und Schol. Aischin. II 26) und nach Xen. hell. V 2, 38 wohl auch des Derdas von Elimeia, sein Reich zurück (vgl. Isokr. [718] VI 46 = Aelian. v. h. IV 8). Da Olynthos inzwischen mit der Eroberung M.s begonnen und bereits Pella und andere Städte erobert hatte, sich auch weigerte, das ihm überlassene Gebiet zurückzugeben, wandte sich Amyntas an die Spartaner, die die Machtbestrebungen der Olynthier mit Unbehagen verfolgten (Diod. XV 19, 3). So kam es zu der spartanischen Expedition nach Thrakien, die zu der Niederwerfung von Olynthos führte: 382–379 (Diod. XV 19–23. Xen. hell. V 2. 3; vgl. Ed. Meyer GdA V 302ff. Beloch III 1², 102ff.). Damit war M. von einem gefährlichen Gegner befreit, und Amyntas konnte seine Herrschaft als gesichert ansehen. Aus der letzten Zeit seiner Regierung stammt der Vertrag mit Athen (Syll.³ 157. Swoboda 41f.: um 373; Ed. Meyer 395: 375). In dieser Zeit trat Amyntas auch mit Iason von Pherai in Bündnis, wohl um sich von dieser Seite zu sichern (Diod. XV 60, 2); vgl. noch Kaerst a. O. Schäfer Demosth.² II 6ff.; über seine Münzen Head HN² 221f. Er starb 370/69 (Diod. XV 60, 3). – Ihm folgte sein Sohn Alexandros II. Er regierte nur ein Jahr, und zwar bis 369/8 (nicht 368/7, wie Diod. XV 71, 1: Beloch 61); die Dauer wird von Diodor und den Chronographen richtig angegeben (s. Kaerst o. Bd. I S. 1412). Auch er blieb wie sein Vater den Illyriern tributpflichtig (Iustin. VII 5, 1). Er wurde von den Aleuaden in Larisa gegen Alexandros von Pherai zu Hilfe gerufen; er kam und besetzte die Stadt mit Ausnahme der Burg. Dann eroberte er auch diese und Krannon, und zwar mit Hilfe der Aristokraten; aber er täuschte seine Verbündeten, legte Besatzungen in die Städte und behielt sie für sich (Diod. XV 61, 3-5). Auf das Hilfegesuch der Thessaler, die nun statt eines zwei Tyrannen hatten, schickten die Boioter 369 Pelopidas nach Thessalien und besetzten Larisa. Dann wurde dieser nach M. gerufen, wo inzwischen ein Prätendent Ptolemaios ὁ Ἀλωρίτης, der Buhle der Königinmutter Eurydike (Iustin. VII 4, 7. Abel 218f. Beloch 67), sich gegen Alexandros II. erhoben hatte. Pelopidas stiftete Frieden zwischen den Parteien und schloß mit dem legitimen König ein Bündnis; daß er bei seinem Abzug den Bruder des Königs, Philippos, als Geisel mitnahm (Diod. XV 67, 3. 4. Plut. Pelop. 26. Iustin. VII 5. 2), erscheint nach Aeschin. ΙI 26ff. ausgeschlossen: Ed. Meyer 439. Bald darauf (369/8) ermordete aber Ptolemaios der Alorite den König und ergriff als ἐπίτροπος des zweiten Königssohnes die Regierung (Diod. XV 71,1. XVI 2, 4. Aeschin. a. O. und Schol. Demosth. XIX 195. Iustin. VII 5, 4f. Marsyas FGrHist 135/6 F 11. Plut Pelop. 27. Liban. vit. Demosth. [Westerm. 296f.]): auch heiratete er Eurydike (Schol. Aesch. a. O.). Vgl. über Eurydike Macurdy Amer. Journ.of Philol. XLVIII 201ff. Gegen ihn erhob sich Pausanias (Aeschin. II 27: φυγάδος μὲν ὄντος), nach Diod. XVI 2, 6 τῆς βασιλικῆς συγγενείας, und drang vom Osten her mit einem Heere in M. ein, wo er starke Sympathien fand. Da rief Eurydike den attischen Feldherrn Iphikrates, den Amyntas III. an Sohnes Statt angenommen haben soll und der damals sich vor Amphipolis aufhielt, zu Hilfe. Iphikrates vertrieb, wohl in der Hoffnung, M. dadurch für Athen zu gewinnen, Pausanias und rettete [719] die Herrschaft für Ptolemaios. Trotzdem schloß dieser mit den Thebanern ein Bündnis, da er Athen wegen seiner Ansprüche auf Amphipolis nicht mit Unrecht für einen unbequemen Nebenbuhler M.s hielt (Aeschin. II 27ff. Plut. Pelop. 27. Nep. Iphicr. 3, 2). Unter den Geiseln, die nach dem Abschluß des thebanischen Bündnisses dem Pelopidas mitgegeben wurden, ist jedenfalls auch Philippos gewesen. Nach dreijähriger Regierung (Beloch 51) wurde Ptolemaios von dem jungen Könige Perdikkas III. ermordet: 365 (ebenso v. Gutschmid und Ed. Meyer): Diod. XV 77, 5. XVI 2, 4. Schol. Aeschin. II 19. Sync. p. 500 Dind. – Als Timotheos an die Stelle des Iphikrates trat, wurde der Krieg an der thrakischen Küste energischer in die Hand genommen 364 (Demosth. XXIII 149ff. Schol. Aeschin. II 31). Timotheos wandte sich zunächst gegen M., dessen Stellung für den Krieg gegen die Olynthier von großer Bedeutung war, nahm Methone S und Pydna – Methone muß also inzwischen makedonisch geworden sein – und brachte ein Bündnis mit M. zustande (Dinarch. I 14. Demosth. II 14. Polyaen. III 10, 14). Allem Anschein nach gehört hierher auch das athenische Ehrendekret für den Pelagonen Menelaos (Syll.² 174); ein Dekret der Ilier nennt den Namen seines Vaters: Μ. Ἀρραβαίου Ἀθηναῖον (Syll.³ 188). Zugleich erfahren wir aus der zweiten Inschrift, daß er inzwischen das athenische Bürgerrecht erhalten hatte. In dem attischen Dekret werden seine Verdienste im thrakischen Kriege gerühmt: αὐτὸν συνπολεμο[ῦντα] καὶ χρήματα παρέχοντα εἰς τὸν πόλεμον τὸν πρὸς Χαλκιδέας καὶ πρὸς Ἀμφίπολιν (Z. 7ff.). Wie aus der Heimatsbezeichnung hervorgeht, stammte er aus Lynkestis; seine Hilfe im Kriege und die hohe Ehrung läßt ihn als den Fürsten dieser Landschaft erscheinen (Beloch 76f.), und dazu stimmt der Vatersname. Denn oben sahen wir, daß zwei Fürsten des Namens Arrhabaios die Lynkestis regierten, einer zur Zeit des archidamischen Krieges und der zweite zur Zeit des Archelaos. So ist dieser Menelaos ohne Zweifel der Sohn des zweiten Arrhabaios. In welchen Beziehungen Lynkestis damals zu M. stand, ist unbekannt. Dieser Fürst Menelaos kann entweder vor und im Gegensatz zu M. athenischer Bundesgenosse geworden sein oder sich gleichzeitig mit seinem Oberherrn für Athen entschieden haben. Mir erscheint die erste Möglichkeit vorzuziehen. Philippos II. hat dann auch die Lynkestis mediatisiert: Menelaos erscheint um 350 als ἵππαρχος in athenischen Diensten (Demosth. IV 27). – Kaum war Timotheos nach Athen zurückgekehrt, als Perdikkas III. sich mit Amphipolis verbündete und zum Schutz eine Besatzung in die Stadt legte (Diod. XVI 3, 3 von Philipp: ἑκουσίως ἐξεχώρηςε τῆς πόλεως). Es stand mit der athenischen Sache so schlecht, daß der Nachfolger des Timotheos, Kallisthenes (362), mit Perdikkas einen Waffenstillstand schloß (Aesch. II 30), der vom Volke nicht genehmigt wurde. Doch konnte auch Timotheos gegen Amphipolis nichts ausrichten (Schol. Aesch. II 31. Polyaen. III 10, 8): 360 (über die Chronologie s. Beloch 246). Nachdem so die Lage im Osten sich günstig gestaltet hatte, scheint sich Perdikkas gegen die Illyrier, denen die makedonischen [720] Könige anscheinend seit Amyntas III. tributpflichtig waren (Diod. XVI 2, 2. Iustin. VII 5, 1), gewandt zu haben. Doch er wurde in einer großen Schlacht, in der 4000 Makedonen fielen, besiegt (Diod. XVI 2, 4. 5. Polyaen. IV 10. 1); er selbst wurde tödlich verwundet: 360/59 (vgl. über diese Zeit noch Schaefer Demosth. II² 7ff.). Damit schien für M. alles verloren: die Illyrier rüsteten sich zu einem großen Einfall, die Paionen brachen verwüstend in M. ein, Pausanias erschien wieder als Kronprätendent auf der Bildfläche, und zwar mit Unterstützung der Thraker, und die Athener liehen einem Prätendenten Argaios bewaffnete Hilfe; vielleicht war es derselbe, der schon einmal zur Zeit Amyntas’ III. M. beherrscht hatte. Endlich erhob auch der älteste Sohn Amyntas’ III. aus dessen erster Ehe, Archelaos, Ansprüche auf den Thron; der rechtmäßige König aber war ein Kind (Diod. XVI 2,6. Theopomp. frg. 31 Gr.-H.).

5. M.s Erhebung zur Großmacht. In dieser furchtbaren Not ist der jüngste Sohn Amyntas’ III., Philippos II., der Retter M.s geworden. Nach Karyst. frg. I (FHG IV 356) hatte Philippos von seinem Bruder ein Teilfürstentum erhalten. Mit einer für seine Jugend erstaunlichen Umsicht und Geistesgegenwart hat er zunächst die größten Gefahren beschworen. Er flößte den gänzlich entmutigten Makedonen die Zuversicht auf den Sieg ein, vermochte die Paionen durch Geldzahlung und gute Worte zu einem Frieden für den Augenblick und überredete den Thrakerkönig durch Geschenke dazu, den Prätendenten Pausanias fallen zu lassen (Diod. XVI 3, 1-4). Archelaos wurde gefangen genommen und hingerichtet (Iustin. VIII 3, 10). Argaios war durch den Rückhalt, den er an Athen hatte, besonders gefährlich. Der athenische Stratege Mantias landete mit 3000 Söldnern in Methone und schickte Argaios mit ihnen gegen Aigai, die alte Hauptstadt M.s. Aber hier fand Argaios keine Unterstützung; er mußte nach Methone zurück und wurde von Philippos auf dem Marsche überfallen, vernichtend geschlagen und zur Ergebung gezwungen (Diod. XVI 3, 5. 6). Nun verzichtete Philippos auf alle Ansprüche auf Amphipolis, aus dem er schon vorher seine Besatzung herausgezogen hatte (Diod. XVI 3, 3), entließ die Gefangenen und schloß mit Athen Frieden und Bündnis (Diod. XVI 4, 1. Demosth. II 6. XXIII 121): nach Theopomp. frg. 165 Gr.-H. hat Philippos den Athenern seine Mithilfe bei der Erwerbung von Amphipolis versprochen und dafür in einem geheimen Artikel die Rückgabe des einst makedonischen Pydna zugesichert erhalten. – So im Rücken gesichert, wandte sich Philippos nun gegen die anderen Feinde, um ihnen zu zeigen, daß M. unter kräftiger Leitung zur Selbstbehauptung stark genug und ihnen überlegen sei. Er rückte zunächst gegen die Paionen vor, also offenbar in das untere Wardartal und die begrenzenden Gebirgszüge, und zwang nach einem Siege die Paionen zur Unterwerfung. Sodann zog er εἰς τὴν τῶν Ἰλλυριῶν χώραν mit 10 000 zu Fuß und 600 Reitern. Vergebens bot der Illyrierkonig Bardylis (s. d.) einen Vergleich auf dem Grunde des gegenseitigen Besitzstandes an. In der Schlacht siegte Philippos glänzend, und die Illyrier räumten [721] das von ihnen besetzte makedonische Gebiet. Auch erkannten die Stämme bis zum Lychnitis (Ochridasee) die Herrschaft der Makedonen an (Diod. XVI 4, 2–7. 8, 1. Iustin. VII 6, 7). Beloch III 1² 226f. hat mit Recht diese Schlacht in die Ebene von Monastir gelegt und als Folge des Sieges auch die Einziehung der obermakedonischen Fürstentümer Lynkestis und Orestis betrachtet. Denn seit der Regierung Philipps hören wir von diesen Fürstentümern – auch von Elimeia nicht – nichts mehr, und wie oben gezeigt, war der letzte Fürst der Lynkestis 350 Hipparch in athenischen Diensten. Also wird Philippos den Krieg gegen die Illyrier, in dem diese Fürsten sich entweder an die Barbaren angeschlossen hatten oder vertrieben worden waren, zum Anlaß genommen haben, um diese Vasallenstaaten zu beseitigen und M. zu einem Einheitsstaate zu machen. Die Angehörigen der Fürstenhäuser verstand Philippos durch hohe Stellungen an sich zu ketten; eine ganze Reihe der bedeutendsten Generale Alexanders d. G. gehörte solchen fürstlichen Familien an. M. stand machtvoll da, in größerem Umfange als unter Alexandros I. und Archelaos, und die äußeren Verhältnisse waren weit günstiger als zur Zeit dieser Herrscher. Die griechischen Großmächte, vor allem Athen, waren nicht mehr imstande, im Umkreis des Agäischen Meeres ihre Vormachtstellung zur Geltung zu bringen. Sie waren in den ewigen Kämpfen miteinander so machtlos geworden, daß keine von ihnen einem kräftigen Angriff standhalten konnte, und sich zur Abwehr zusammenzuschließen verbot ihnen der Geist der Zwietracht und des Mißtrauens. Auch das Nachbarland Thessalien war seit dem Ende des 5. Jhdts. durch ewige Kämpfe zerrissen worden. Durch die Ermordung des Alexandros von Pherai (s. d.) 358 war nun die erste Macht Thessaliens schwer erschüttert worden, und die Aleuaden von Larisa, die um 400 schon einmal M. um Hilfe gebeten hatten, wandten sich an Philipp, da sie allein doch zu schwach waren, um die Gewaltherrschaft zu stürzen. Dieser erschien in Thessalien und verschaffte in siegreichem Kampfe mit den Tyrannen den Städten (gemeint sind wohl vor allem Larisa, Krannon und Pharsalos) ihre Freiheit; zugleich erwarb er sich damit die Zuneigung der thessalischen Adligen (Diod. XVI 14, 2. Iustin. VII 6, 8. Vgl. Theopomp. frg. 34. 35. 47 Gr.-H.). Mit Recht hat Beloch III 1² 228 diese Dinge etwa in das J. 358 gesetzt, nach dem illyrischen Siege. – Weit wichtiger waren für M. die Verhältnisse im Strymongebiet. Amphipolis versperrte M. jede Ausbreitung nach dem Osten, die in mehr als einer Hinsicht für ein lebensfähiges M. eine Notwendigkeit war. Perdikkas III. hatte, wie wir sahen, bereits in der Stadt festen Fuß gefaßt, aber Philippos hatte die Besatzung in der Bedrängnis der ersten Zeit wieder herausziehen müssen. Jetzt hielt er die Zeit für gekommen, Amphipolis endgültig zu unterwerfen. Trotz der jahrzehntelangen Verfeindung mit Athen rief die Stadt die Hilfe der Mutterstadt an (Demosth. I 8. II 6. Theopomp. frg. 43 Gr.-H.). Aber diese wies im Vertrauen auf Philippos’ Versprechen, die Stadt gemäß dem Friedensvertrag an Athen geben zu wollen, das Hilfsgesuch ab, da die [722] Stellung Athens am Hellespont gefährdet erschien (Demosth. II 6. VII 27. XXIII 116). Philippos eroberte Amphipolis, ließ aber Milde walten und legte nur eine Besatzung hinein, nachdem seine Gegner verbannt waren (Diod. XVI 8, 2. Syll.³ 194. [Demosth.] XII 20f.): 357/6. Da Philippos die Stadt für sich behielt – er konnte darauf hinweisen, daß ja Athen auch Pydna ihm nicht herausgab –, so bestand zwischen ihm und Athen jetzt Kriegszustand (Demosth. XXIII 107. Aesch. II 21. 70. III 54. Isokr. V 2. Syll.³ 196 Z. 41). Doch zu einer energischen Kriegführung konnten sich die Athener nicht aufraffen (vgl. Schaefer Demosth. II² 22f); Philippos kümmerte sich infolgedessen um die Athener nicht weiter, sondern nutzte die Gelegenheit, da Athen durch den Bundesgenossenkrieg reichlich beschäftigt war, dazu aus, sein Machtgebiet abzurunden. Er griff Pydna an und gewann die Stadt durch Verrat; hier wurde über die Bürger ein schweres Blutgericht abgehalten (Diod. XVI 8, 3. Demosth. I 5. 9. XX 63). Zugleich versöhnte er sich mit Olynthos und vermochte die Stadt zur Wiederaufnahme des Krieges gegen Athen, wohl um eine Verbindung beider Mächte, zu verhindern. Er ging um dieses Preises willen sogar so weit, den Olynthiern die alte makedonische Stadt Anthemus abzutreten und Poteidaia ihnen zuzusichern (Demosth. VI 20. II 14. Liban. ad Olynth. 7. Demosth. XXIII 107). Er opferte als Realpolitiker für den Augenblick etwas auf, was er später mit Zinsen zurückzugewinnen hoffen konnte. Dann galt es, Poteidaia den Athenern zu entreißen, das ihm und den Olynthiern in gleicher Weise ein Stein des Anstoßes war. Er eroberte die Stadt, schickte die Athener mit freundlichen Worten nach Hause, da er es mit Athen nicht verderben wollte. Die verödete Stadt übergab er mit dem Landgebiet den Olynthiern (Diod. XVI 8, 5); nach dem Schol. Demosth. VI 20f. ist die Stadt auch zerstört worden (vgl. noch Suid. s. Κάρανος, weitere Stellen bei Schaefer 25, 1). – Danach bot sich die Gelegenheit, von Amphipolis aus in das Minengebiet jenseits des Strymons vorzudringen, da die Kreniten, die Bewohner von Krenides, ihn gegen die Thraker zu Hilfe riefen. Er konnte so sein Reich bis zum Nestos ausdehnen (Steph. Byz. s. Φίλιπποι. Strab. VII 323. 331 frg. 35. Arrian. anab. VII 9, 3). In dieser Gegend gründete er dann eine neue Stadt Philippoi an Stelle des alten Krenides im Bezirke Daton (vgl. o. II D 5): Diod. XVI 8, 6. Steph. Byz. a. O. und s. Κρηνίδες. Strab. 331. frg. 34. Appian. bell. civ. IV 105. Noch Skyl. 67 nennt Amphipolis, Galepsos, Oisyme hellenische Städte in Thrakien; da die Küstenbeschreibung aus der Mitte des 4. Jhdts. stammt, ist die Eroberung des Küstenstreifens wohl kurz vor 350 zu setzen, vgl. Strab. VII frg. 35. Unger Philol. XXXIII 34ff, – Die überraschenden Erfolge des Königs brachten einen Bund der besonders bedrohten Nachbarn zustande: die Paionen, Thraker, Illyrier schlossen mit Athen 356/5 ein Bündnis zwecks gemeinsamer Kriegführung gegen Philippos, besonders zur Wiedereroberung des Minenbezirkes: die Urkunde über das Bündnis Athens mit dem Thraker Ketriporis, dem Paionen Lyppeios, dem Illyrier Grabos nennt Z. 45 ausdrücklich [723] Krenides (Syll.³ 196). Bei Diodor sind die Namen der Fürsten nicht genannt, XVI 22, 3. Philippos überfiel sie einzeln und zwang sie zur Unterwerfung (Diod. a. O. Vgl. Demosth. I 23. Isokr. V 21. Iustin. XII 16, 6. Plut. Alex. 3. Vgl. Beloch III 1² 230f.). Paionien erscheint seitdem als Vasallenstaat (Demosth. I 23), doch mit eigener Münzprägung, und ebenso sind die Agrianen wohl damals unter makedonische Herrschaft gekommen (Arrian. anab. I 5, 1ff.). In dieser Zeit hat Philippos unter Zustimmung des Adels und Volkes den Königstitel angenommen; der junge Amyntas IV. scheint aber auch weiter als König bezeichnet worden zu sein (Iustin. VII 5, 9f. IG VII 3055. Vgl. Beloch 232). – Als 354 der Thebaner Pammenes von Philippos den Durchmarsch nach Asien begehrte, geleitete ihn der König und besetzte dabei Abdera (Beloch III 2² 283 legt diese Ereignisse in das J. 347). Während ein Teil seiner Truppen von Chares geschlagen wurde, gelang es Philippos, mit seinen Schiffen zu entkommen (Polyaen. IV 2, 22. Demosth. XXIII 183). Doch wurde Neapolis, die Hafenstadt der Ebene von Philippoi, durch ein Bündnis mit Athen noch vor Philippos geschützt (Syll.³ 197). Nach der Rückkehr aus Thrakien wandte er sich gegen Methone, die einzige noch selbständige Stadt im eigentlichen M., in der Landschaft Pieria am Olymp. Nach tapferer Gegenwehr – der König verlor hier das rechte Auge (Didym. zu Demosth. XII 43ff. Strab. VII 330 frg. 22. VIII 374. Diod. XVI 34, 5. Iustin. VII 6, 14) – mußte die Stadt sich ergeben und wurde zerstört (Diod. XVI 31, 6. 34, 5. Strab. IX 436. Polyaen. IV 2, 15. Vgl. Demosth. IX 26); 354/53. Mit der Einnahme von Methone konnte Philippos seine nächste Aufgabe, die Befriedung M.s, Sicherung seiner Grenzen und Gewinnung der wichtigsten Grenzbezirke, als gelöst ansehen – nur Olynthos stand ihm noch im Wege, doch mußte er die Niederkämpfung dieses Gegners noch der Zukunft überlassen. Allein diese Kriegsarbeit war nicht seine einzige Aufgabe in dieser ersten Zeit gewesen. Ebenbürtig stellt sich neben diese Kämpfe die großartige Arbeit im Innern obwohl es kaum glaublich erscheint, daß Philippos in dieser Zeit andauernder Kämpfe noch Muße und Kraft zur Durchführung grundlegender Reformen hatte, so ist doch als sicher anzunehmen, daß die Umbildung des Heeres während dieser Kämpfe, wenigstens in ihren Hauptzügen, durchgeführt worden ist. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, sei nur darauf hingewiesen, daß Philippos, das Werk seiner Vorfahren Alexandros’ I. und Archelaos’ vollendend, Reiterei und Fußvolk zu einer taktischen Einheit zusammengefaßt und das Fußvolk dem griechischen Söldnerheer ebenbürtig zur Seite gestellt hat. Neben die schwerbewaffnete Phalanx, deren gewaltige Stoßkraft er durch Einführung längerer Lanzen erhöhte, traten gleichberechtigt Leichtbewaffnete und Reiterei. Gerade die geniale Benutzung aller Waffen hat dem makedonischen Heere den Vorrang gegeben. Wertvollste Anregungen hatten gerade in dieser Hinsicht dem Könige die Strategie und Taktik des Epameinondas gegeben, die er bei seinem Aufenthalt in Theben aus nächster Nähe kennen gelernt hatte. [724] Dieses Heer, das in seinem Kern aus Makedonen bestand, wurde durch die Kriege geschult und abgehärtet, an Disziplin und Tapferkeit gewöhnt und mit unbedingter Treue zu seinem königlichen Kriegsherrn erfüllt. So schuf Philippos eine Waffe, die in der Hand eines geborenen Feldherrn unwiderstehlich sein mußte. Vgl. über die Reformen des Philippos II. Droysen Heerw. u. Kriegführ. d. Griechen (1889) 107ff. Delbrück Gesch. d. Kriegsk. I³ 167ff. Berve Das Alexanderreich I 103ff. – Unmittelbar nach der Einnahme von Methone 354 (vgl. zur Chronologie Beloch III 2² 262ff.) fand Philippos Gelegenheit, seinen Einfluß über die Grenzen seines Reiches nach Thessalien hinein auszudehnen[1]. Der Heilige Krieg gegen die Phoker (357 bezw. 355–345) hatte auch Thessalien in Mitleidenschaft gezogen und zunächst die streitenden Parteien versöhnt. Aber bald brach der alte Gegensatz zwischen Larisa und Pherai wieder aus. Die Aleuaden riefen wieder wie schon einmal Philippos zu Hilfe, während die Tyrannen von Pherai sich an die Phoker wandten. Philippos besiegte das phokische Hilfskorps unter Phayllos (Diod. XVI 31, 6); doch der gesamten Macht der Phoker unter Onomarchos war er nicht gewachsen und wurde in zwei Schlachten geschlagen (Diod. XVI 1–3). Philippos ging wohl noch 354 nach M. zurück. 353 erschien er wieder in Thessalien, wo ihm der Oberbefehl über das thessalische Aufgebot übertragen wurde. Er eroberte Pagasai und besiegte Onomarchos in einer entscheidenden Schlacht; der phokische Führer selbst fiel (Diod. XVI 35, 4-6. Weitere Zeugnisse bei Beloch III 1² 476f. Schaefer Demosth. I² 504ff., der die Schlacht 352 ansetzt). Nun ergab sich ganz Thessalien bis auf Halos dem makedonischen Könige. Die Tyrannis war gestürzt, Thessalien frei; das Land hielt seitdem treu zu M. Damit hatte Philippos seine Macht außerordentlich erhöht, zumal ihm seitdem die vorzügliche thessalische Reiterei zur Verfügung stand. Er legte in einige Städte wie Pagasai Besatzungen und ging dann zum Angriff gegen Phokis selbst vor. Hier aber gebot ihm ein bedeutendes Heer der Phoker und ihrer Verbündeten Halt, und Philippos war klug genug, nicht durch einen aussichtslosen Angriff alles aufs Spiel zu setzen (Diod. XVI 37, 3. 38, 1). Der Krieg mit Athen ging weiter, da Athen auf Amphipolis nicht verzichten wollte. Doch veranlaßte Philipps wachsende Macht den Thraker Kersebleptes zum Anschluß an Athen; er überließ die Städte auf dem Chersones außer Kardia den Athenern, die Kleruchen dorthin sandten (Diod. XVI 34, 3. Beloch 489); 352. Auch Hilfe zur Eroberung von Amphipolis sagte Kersebleptes zu (Demosth. XXIII 14). Über die Ehren, die dafür seinem Günstling Charidemos zuteil wurden, vgl. Demosth. XXII a. v. St. Dafür schlössen sich andre Thrakerfürsten, die bisher athenerfreundlich gewesen waren, an Philippos an, so Amadokos (Theop. frg. 99 Gr.-H.) und wahrscheinlich auch Ketriporis (Beloch 490, 2). In derselben [725] Zeit scheint Philippos jenseits des Lychnitis mit Kämpfen gegen die Illyrier beschäftigt gewesen zu sein (Demosth. I 13. IV 48). Nach Isokr. V 21 hat er sie unterworfen mit Ausnahme der Anwohner des Adriatischen Meeres, und nach Arrian. anab. I 5, 1 war Kleitos, der Sohn des Illyrierkönigs Bardylis, Vasall des Makedonenkönigs (352). Dann wandte sich Philippos gegen Epeiros (vgl. über die Verhältnisse dort Beloch 490f. Klotzsch Epirot. Geschichte [Berlin 1911] 56ff.). Hier hatte Arybbas (s. d.) die ganze Gewalt an sich gebracht und die eine Tochter seines verstorbenen Bruders, Olympias, 357 Philippos zur Gemahlin gegeben in der Hoffnung, an ihm eine Stütze zu finden (Iustin. VII 6, 10. Plut. Alex. 1. 2). Jetzt zwang Philippos den Arybbas, ihm den jungen Alexandros zur Erziehung zu übergeben, und erkannte ihn nur bis zu dessen Großjährigkeit als Regenten an (Iustin. VII 6, 4ff. Demosth. I 13). Beloch III 2², 180f. schließt aus der Tatsache, daß während des Krieges zwischen Arybbas und Bardylis Parauaia offenbar noch nicht makedonisch war, während sie 317 (Plut. Pyrrh. 2) und sicher 294 (Plut. Pyrrh. 6) als makedonisch erscheint, auf die Abtretung der Landschaft an M. 352. - Im nächsten Jahre (351) griff Philippos Thrakien an und drang bis zur Propontis vor, wo er Heraion Teichos belagerte; Kersebleptes konnte sich gegen ihn im Felde nicht behaupten (Demosth. I 13. III 4. Theop. frg. 99 Gr.-H.). Mit Perinthos und Byzantion trat er in freundschaftliche Beziehungen (Demosth. IX 34: ἐπὶ Βυζαντίους ... συμμάχους ὄντας. Vgl. XVIII 87. 93. Schol. Aeschin. II 81). Nur eine Krankheit des Königs rettete damals den Chersones den Athenern (Demosth. III 4f.). – Die gewaltige Macht, die nun hinter dem Könige stand, mußte besonders in den Chalkidiern schwere Besorgnisse erwecken. Gebot Philippos doch jetzt über ein Reich, das fast vom Adriatischen Meere bis zum Hellespont, von den nördlichen Gebirgszügen bis zu den Toren Griechenlands reichte. Olynthos stand mit M. im Bunde; es war bisher seine Hauptsorge gewesen, Athen, den alten Feind, ganz von der thrakischen Küste zu verdrängen. Jetzt war dieses Ziel wohl erreicht, aber der Bundesgenosse war so mächtig geworden, daß die Chalkidier allen Grund hatten, vor seinen ehrgeizigen Plänen sich in acht zu nehmen. Denn Philippos mußte ja aus makedonischem Interesse nach dem Besitz der Chalkidike streben, die seinem Reiche mitten vorgelagert war. Solange hier eine unabhängige Macht bestand, war das makedonische Reich ständig bedroht, und zwar war es der Kern des Landes, der jedem Angriff von dorther offen lag. Auch der Verkehr zur See erheischte die Herrschaft über die Küstengewässer. Nicht ohne Grund hat Kassandros seine neue Hauptstadt Kassandreia an die Stelle des alten Poteidaia gelegt und als wirtschaftliches Zentrum Thessalonike gegründet, das ohne die Chalkidike an der Grenze gelegen hätte. Über kurz oder lang mußte es also für Olynthos zum Kampf auf Leben und Tod mit M. kommen (vgl. Schaefer a. O. II² 118ff.). So näherte sich die Stadt Athen, der einzigen Macht, die dank ihrer Flotte noch helfen konnte (Demosth. III 7. XXIII 107–109). Doch gab es auch in Olynthos eine Partei, die [726] für Anschluß an M. eintrat, da nur so eine Katastrophe vermieden werden könnte (Demosth. IX 56); es gelang ihnen denn auch, ihren Hauptgegner Apollonides in die Verbannung zu schicken (Demosth. IX 56. 66). Philipps Geld hatte das Seinige dazu beigetragen (Demosth. XIX 265). Noch kam es nicht zum Kriege; vielmehr muß Philippos damals den Olynthiern gegenüber sich zu rechtfertigen gesucht haben (Demosth. IX 11). Erst 349 ist Philippos gegen Olynthos vorgegangen (vgl. über die Chronologie Beloch III 2² 277ff. Rehm Silvae Monacenses 61ff.). Beim ersten Angriff fielen sofort fast alle chalkidischen Städte in seine Gewalt (Demosth. XIX 266. Diod. XVI 52, 9. Philoch. frg. 132 [FHG I 405]). Das Bündnis zwischen Athen und Olynthos wurde geschlossen, und sofort ging eine athenische Flotte mit 200 Söldnern nach Olynthos ab (349). Aber trotzdem Athen noch zweimal Verstärkungen schickte, war das Schicksal von Olynthos doch besiegelt: nach der Einnahme von Torone und Mekyberna wurde die Stadt selbst belagert und erobert, ehe die dritte athenische Hilfssendung kam. Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Einwohner fortgeführt, das Gebiet aufgeteilt. Seine Stiefbrüder ließ Philippos hinrichten (Iustin. VIII 3, 10. Oros. III 12). Die übrigen Städte der Chalkidier wurden zu gleichen Rechten in den makedonischen Staatsverband aufgenommen: 348 (die wichtigsten Zeugnisse sind neben Demosth. I–III: Diod. XVI 53. Philoch. frg. 132. Beloch III 1² 495ff.). In Alexanders d. Gr. Heer gab es Ilen aus Apollonia (Arrian. anab. I 12, 7), aus Anthemus (Arrian. II 9, 3), aus Bottiaia (I 2, 5). – In der gleichen Zeit war Philippos auch an den Kämpfen auf Euboia beteiligt, die diese wichtige Insel den Athenern entreißen sollten (über die Chronologie Beloch III 2² 278ff. Kahrstedt Forsch. zur Gesch. des 5. und 4. Jhdts. 58ff.). Es ist sicher, daß Philippos diese Unruhen wenn nicht hervorgerufen, so doch geschürt hat, um Athen anderweit zu beschäftigen. Dieses hat ein Heer nach Euboia hinübergeschickt und schließlich die Insel noch einmal für Athen gerettet: die Euboier mußten um Frieden nachsuchen (Aeschin. III 86ff. s. Geyer o. Suppl.-Bd. IV S. 441f. Kahrstedt 54ff. Schaefer II² 78ff.). – Bald darauf ist es zwischen Philippos und Athen zur Verständigung gekommen. Beide Parteien sahen ein, daß der Kriegszustand zu nichts führen konnte. Athen war durch die Kriege seit 359 schwer mitgenommen, und Philippos konnte nicht wünschen, mit Athen dauernd auf dem Kriegsfuß zu stehen. Athen war immer noch bei weitem die erste griechische Seemacht, und wenn Philippos eine Einigung Griechenlands unter seiner Führung erstrebte, so war ein freundliches Verhältnis zu Athen der Erreichung des Zieles dienlicher als der Kriegszustand (vgl. Aesch. II 12ff). Angebote 0 des Königs fanden in Athen freundliche Aufnahme, und eine Gesandtschaft, der Demosthenes, Philokrates und Aischines angehörten, ging nach Pella. Bekanntlich besitzen wir über diese Verhandlungen die beiden Reden des Demosthenes (XIX) und Aischines (II) (Beloch Att. Politik 190ff. und Griechische Geschichte III 1² 503f. Kahrstedt 127ff. Pokorny Studien zur griech. Geschichte im 6. und 5. Jahrzehnt des 4. Jhdts. [727] 139ff. Schaefer II² 192ff.). Zum Abschluß des Friedens schickte Philippos dann Gesandte nach Athen, unter ihnen Parmenion und Antipatros (Demosth. XIX 69. Aeschin. III 72). 346 wurde der Friede in Athen angenommen und beschworen. Er wurde auf Grund des gegenseitigen Besitzstandes abgeschlossen und enthielt zugleich eine Garantie dieses Besitzstandes für die beiden Vertragschließenden und ihre Bundesgenossen. Ausgenommen waren zunächst Halos und die Phoker; doch wurde die Klausel in bezug auf die Phoker auf Verlangen des Volkes gestrichen. Hinzugefügt waren Bestimmungen über die Sicherung des Meeres ([Demosth.] XII 2). Sämtliche Quellenstellen über den Vertrag hat v. Scala Staatsvertr. d. Altert. I nr. 204 S. 206ff. übersichtlich zusammengestellt. – Dieser Friede des Philokrates wurde sodann vor einer zweiten athenischen Gesandtschaft vom Könige beschworen. Philippos hatte die Zwischenzeit zu einem Feldzuge gegen Kersebleptes benutzt, der zur Ergebung gezwungen wurde; dabei wurde eine Reihe von Kastellen von den Makedonen genommen (Aesch. II 81ff. III 82. Demosth. IX 15. XIX 156. 334). In Pella waren (nach Aesch. II 112) die Gesandten beinahe ganz Griechenlands zusammengeströmt. Es war nicht mehr zu verkennen, daß der Makedonenkönig die erste griechische Macht geworden war. Zu einer Einigung über die weiter zu verfolgende Politik kam es aber zwischen M. und Athen nicht. Während Aischines für ein enges Zusammengehen war (Aeschin. II 103ff. 114ff.), lehnte sich Demosthenes gegen jede Bindung auf, bei der Athen den kürzeren ziehen mußte (Demosth. XVIII 66f. Beloch III 1² 506f.). Aischines war bereit, Theben zu opfern, Demosthenes erstrebte gerade ein Bündnis mit dieser Stadt. So vereitelte er weitere Verhandlungen (Aesch. II 1061.). Philippos behandelte dagegen die Gesandten sehr zuvorkommend und gab ihnen ein freundliches Schreiben mit (Demosth. XIX 40). Auch die Thessaler beschworen in Pherai den Vertrag (Demosth. 158), and die Gesandten vermittelten zwischen Halos und Philippos den Frieden (Demosth. 36. 39. Vgl. Strab. IX 433). In Athen fruchteten Demosthenes’ Versuche, die Gesandten des Verrates zu bezichtigen, nichts; vielmehr wurde der Vertrag auch auf die Nachkommen Philipps ausgedehnt (Demosth. 48. 56. VI 31). – Durch den Frieden wurde die Beendigung des Heiligen Krieges in Philipps Hände gelegt. Phalaikos kapitulierte und übergab die festen Plätze an Philippos: 346 (Diod. XVI 59). Philippos rückte in Mittelgriechenland ein; Athen schaltete sich selbst aus, und so mußte sich Philippos auf Theben stützen. Bei der Amphiktionenversammlung wußte Philippos eine zu schwere Bestrafung der Phoker zu verhindern. Ohne auf die näheren Bestimmungen der Beschlüsse einzugehen, sei nur noch hervorgehoben, daß Philippos in den Amphiktionenrat aufgenommen wurde (vgl. die Zeugnisse bei Beloch III 1² 510ff. Pomtow o. Bd. IV S. 2681ff). Die Panik, die auf die Nachricht von Philipps Einmarsch in Mittelgriechenland ausgebrochen war, suchte Philippos zu beschwichtigen (Demosth. XVIII 37ff.). Doch ließ sich Athen bei den Pythien des J. 346 nicht vertreten (Demosth. 128). [728] Philippos forderte durch eine Gesandtschaft Genugtuung (Demosth. 111), und der Beredsamkeit des Demosthenes, der einen Krieg in diesem Augenblick, wo besonders Theben und Thessalien gegen Athen aufs höchste erregt waren, auf jeden Fall verhindern wollte, gelang es, das Volk zur Anerkennung der Stellung Philipps zu bewegen (vgl. Demosth. V). – Philippos hatte so die maßgebende Stellung in Griechenland gewonnen. Athen und Theben hatten seine Vormachtstellung anerkennen müssen, und der Besitz der Thermopylen ermöglichte es ihm, jederzeit ein Heer in Hellas einrücken zu lassen. Schon gab es unter den Griechen Männer, die in ihm den Einiger und Retter Griechenlands erblickten, so vor allem Isokrates. Er erblickte die Aufgabe des griechischen Hegemon in dem Kampfe gegen Persien (vgl. über Philippos und Isokrates Münscher o. Bd. IX S. 2185ff. Ed. Meyer Kl. Schr. II 101ff. Geyer N. Jahrb. III [1927] 530). Beloch III 1² 525ff. weist darauf hin, unter wie günstigen Umständen um diese Zeit während des Aufstandes in Ägypten, Phönikien, Kypros, Kleinasien ein Angriff auf Persien hätte unternommen werden können. Und wenn auch Philippos die Schaffung eines Weltreiches fernlag (s. Ed. Meyer Blüte u. Niedergang d. Hellenism. 9. Geyer 531f.), so mußte ihm doch klar sein, daß ein griechich–makedonisches Reich ohne Kleinasien nicht lebensfähig war (Demosth. X 32 mit Schol. Didym ad Demosth. VI 55. VIII 30). Aber noch war die Stellung Philipps in Europa nicht gefestigt genug. So unternahm er zunächst einen Kriegszug gegen die Dardaner und Illyrier nördlich vom Lychnitis: 344 (Diod. XVI 69,7; vgl. 93. Trogus prol. VIII. Iustin. VIII 6,3. Demosth. XVIII 44. Vgl. Beloch 528, 1. Ed. Meyer 104 ff.). Wenn ich o. II E Herakleia in Lynkestis (Monastir) nach Steph. Byz. als Gründung Amyntas’ II. bezeichnet hatte, so möchte ich mich jetzt Belochs (528, 2) Vorschlag anschließen, in diesem Herakleia eine Gründung Philippos’ II. zu sehen (er verweist auf Iustin. VIII 5, 7-9. 6, 1. Demosth. IV 48). Abgesehen davon, daß es einen König Amyntas τὸν Φιλίππου nicht gegeben hat, ist kein makedonischer König vor Philippos Herr von Lynkestis gewesen. – In Thessalien wurde Philippos 344 zum Archon gewählt (vgl. Diod. XVII 4, 1: τὴν πατροπαράδοτον ἡγεμονίαν. Iustin. XI 3, 2: exemplo patris dux universae gentis creatus); er beseitigte die ihm mißliebigen Machthaber (Diod. XVI 69, 8. Vgl. Demosth. XVIII 48), beeinflußte die Wahl der Tetrarchen (Theop.frg. 201 Gr.-H. Demosth. IX 26. Beloch 529, 3) und scheint durch Verfügungen eingegriffen zu haben (Demosth. IX 33: γράφει δὲ Θετταλοῖς ὃν χρὴ τρόπον πολιτεύεσθαι). Einige Städte erhielten Besatzungen (Demosth. XIX 260: τὰς γὰρ ἀκροπόλεις αὐτῶν ἐνίων Μακεδόνες φρουροῦσιν), darunter vor allem Pherai (Demosth. VII 32. IX 12. X 10). Doch hat er offenbar nicht ohne Zustimmung der Bundesversammlung Krieg führen dürfen (Aeschin. III 161. Demosth. XVIII 147). Seitdem ist Thessalien ein Bestandteil des makedonischen Reiches geblieben. Ob Philippos in den Städten Dekarchien aus ihm ergebenen Männern eingesetzt hat (Demosth. VI 22: δεκαδαρχίαν) oder hier ein Schreibfehler für τετραρχίαν vorliegt, ist strittig (s. Ed. Meyer 107, 3 [729] Busolt-Swoboda Griech. Staatskde. II 1489. Beloch 529, 3. Kaerst Gesch. d. Hellenismus I² 243, 2). Von den Umwohnern Thessaliens sind die Magneten, Perrhaiber und phthiotischen Achaier untertänige Bundesgenossen Philipps geworden; Pagasai und der größte Teil von Magnesia wurde sogar ganz M. einverleibt (vgl. darüber Busolt-Swoboda 1488). – Die Gewinnung Thessaliens war eine wichtige Etappe auf dem Wege zur griechischen Hegemonie. Es ist deshalb verständlich, daß Philippos dies auch äußerlich zum Ausdruck brachte. Allan B. West (Numism. Chr. 1923, 177ff.) hat nachweisen zu können geglaubt, daß Philippos zwar Silber nach phönikischem Fuß geprägt hat, von 344 an aber Goldstücke nach attischem Fuß hat schlagen lassen: ein Zeugnis für die Bedeutung, die er dem Anschluß Thessaliens beilegte. – Nach der von Beloch III 2² 288ff. festgestellten Chronologie für die J. 346–336 ist 344 Artaxerxes III. mit dem Reichsheer gegen Phönikien und Ägypten aufgebrochen; die Aufforderung, die er an Athen richtete, Hilfstruppen zu stellen, wurde zurückgewiesen (Didym. ad Demosth. VIII 5ff. Diod. XVI 44, 1 [Demosth.] XII 6 [Anaximenes]). Bald darauf trübten sich aber wieder die Beziehungen zwischen Philippos und Athen (Demosth. VI). Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Erfolge Artaxerxes’ III. und die dadurch wieder gefestigte Machtstellung des Perserreiches in Athen neue Hoffnungen erweckte (vgl. Beloch III 2², 290). Demosthenes wurde in den Peloponnes geschickt, um dort gegen Philippos zu hetzen; dieser war mit Recht über diese unfreundliche Handlungsweise erzürnt. Die Gesandtschaft des Demosthenes blieb jedoch ohne Erfolg, da Sparta gegen Messenien und Megalopolis vorging und Athen seinen Bund mit Sparta nicht lösen wollte. Messenien und Megalopolis sahen also ihren Rückhalt in Philippos. Dieser entsprach natürlich ihrem Hilfsgesuch und verlangte von Sparta Anerkennung Messeniens. Zugleich ging eine Gesandtschaft nach Athen: 343. Athen erklärte sich zur Neutralität bereit (Demosth. VI und die Hypothesis. Theop. frg. 166. 167 Gr.-H. Demosth. XIX 261) Im Anschluß daran erbot sich Philippos zu Abänderungen des bestehenden Vertrages (Demosth. VII 20ff. XVIII 136. VI 18 [Anaximenes]). Inzwischen war Artaxerxes III auch die Eroberung Ägyptens gelungen, und das Perserreich stand jetzt mächtiger da als je. Es ist also natürlich, daß Philippos alles daran setzte, um mit Athen zu einem vollen Einvernehmen zu gelangen, und Athen seinerseits an dem Perserkönig eine Stütze gegen M. zu finden hoffte. Deshalb fand Philippos’ Annäherungsversuch Ablehnung, und die Beziehungen zwischen ihm und Athen erkalteten (Demosth. XVIII 136. XIX 331. Anaximenes] XII 20). Eine Folge hiervon war Philipps Eingreifen auf Euboia, wo in Eretria und Histiaia mit makedonischer Hilfe die Oligarchen ans Ruder kamen (Geyer Suppl.-Bd. IV S. 380. 442. 753). Auch in Megara suchte der König die Gegner Athens zur Herrschaft zu bringen, wenn auch vergeblich (Demosth. XIX 294f. Beloch III 1² 542): 343. Demosthenes ging jetzt gegen die Parteigänger Philipps vor, Philokrates wurde wegen Hochverrats verurteilt, dagegen Aischines freigesprochen (Demosth. XIX. Aesch. II). In zwischen [730] hatte Philippos in Epeiros eingegriffen, Arybbas vertrieben und seinen Neffen Alexandros als König eingesetzt (nach Beloch: 342): Diod. XVI 72, 1; vgl. Iustin. VII 6, 12. Von hier aus suchte er auch Ambrakia zu gewinnen, um so dem nun eng an M. angeschlossenen Epeiros die unbedingt notwendige Hafenstadt zu verschaffen. Korinth, Kerkyra, Akarnanien suchten Anschluß an Athen, und dieses schickte Truppen nach Akarnanien. während Demosthenes sich nach Ambrakia begab (Demosth. XLVIII 24ff. IX 72. XVIII 237. 244). Größere Erfolge hatte Demosthenes auch im Peloponnes, wo selbst Argos, Megalopolis, Messene mit Athen Bündnisse schlossen (Demosth. IX 72. XVIII 237. Aesch. III 97. Schol. Aesch. III 83: 343/2. IG II² 225). Philippos stand deshalb von seinen Plänen ab und schloß nur mit den Aitolern ein Bündnis (Demosth. IX 34. Vgl. Philoch. frg. 135 [FHG. I 406]). Trotzdem mußten die Verhandlungen mit Athen als aussichtslos abgebrochen werden (342: Beloch III 1² 547). – Wichtiger sind für die Geschichte M.’s die Feldzüge Philipps in Thrakien. Bei der Nachbarschaft des wieder erstarkten Perserreiches war die Herrschaft über Thrakien besonders wichtig. Es scheint auch, als ob der Perserkönig in einem Vertrage mit Philippos Thrakien ausdrücklich als makedonische Interessensphäre anerkannt habe (Arrian. anab. II 14, 2. 5). Kersebleptes hatte sich Übergriffe gegen Griechenstädte erlaubt, und Philippos ruhte nicht eher, als bis das ganze Gebiet unterworfen war; die Thraker mußten den Zehnten zahlen: 342/1. Philippos gründete eine Reihe wichtiger (ἀξιόλογοι) Städte, vor allem wohl Philippupolis (Steph. Byz. Dexippos [FGrHist 100 F 27. Bd. II A S. 470]). Der Getenkönig trat zu Philippos in freundschaftliche Beziehungen (Satyros frg. 5 FHG III 161), und die Griechenstädte traten in Bündnis mit ihm (Diod. XVI 71, 1. 2. Iustin. IX 2, 1: Apollonia). Byzantion fühlte sich ernstlich bedroht (Demosth. VIII 14). Demosthenes gelang es nun, Athen durch einen Angriff auf Kardia und Verletzung des thrakischen Gebietes zu offenem Bruch mit Philippos zu treiben (Demosth. VIII. XII [Anaximenes] 3. 11. 16. V 25): 341. Er selbst ging nach dem Hellespont und schloß hier mit Byzantion ein Bündnis (Demosth. IX. Vgl. XVIII 302. Westermann Βιογρ. 290f.) und trat auch mit dem Großkönig in Verbindung (Demosth. IX 71. X 32 II. Aesch. III 238. Westermann 289. 312. Über die Beziehungen des Demosthenes zu Persien vgl. Kahrstedt Forschungen 1ff. Drerup Stud. z. Gesch. d. Altert. VIII 3/4 S. 143ff.). In derselben Zeit gelang es auch, in Euboia die athenischen Parteigänger wieder zur Herrschaft zu bringen; allerdings schlossen sich die euboiischen Städte zu einem Bunde zusammen, der nun seinerseits mit Athen in Bündnis trat. Die Insel war wohl von Philippos befreit, aber doch selbständig geworden näheres bei Geyer Suppl.-Bd. IV S. 381. 442. 753). Athen ging weiter. Hatte es schon 342 versucht, Magnesia zum Abfall zu bringen (Schol. Aesch. III 83), so besetzten jetzt die Euboier auf attischen Trieren Orte am Pagasäischen Meerbusen (Demosth. XII 5). 340 schloß Athen dann einen Bund mit einer ganzen Reihe von Städten und setzte bestimmte Kriegsleistungen fest (Demosth. XVIII 237. Aesch. [731] III 95ff. Westermann 291): 340. – Indessen hatte Philippos den Angriff gegen Perinthos begonnen, wobei er nach Möglichkeit das attische Gebiet schonte, (Demosth. XII 16. XVIII 139). Doch konnte er die Stadt nicht vom Meere abschneiden, und so mußte er die Bestürmung abbrechen, zumal auch der persische Satrap Arsites eingriff (Diod. XVI 75, 1. Arrian. II 14, 5. Paus. I 29, 10). Da besonders Byzantion Hilfe gesandt hatte, wandte er sich jetzt gegen diese Stadt (Diod. XVI 74–76. Demosth. XI 5). Nun erklärte Athen dem Könige offen den Krieg und beschloß Absendung einer Flotte (Demosth. XI und XII [Anaximenes]. Diod. XVI 77, 2. Philoch. frg. 135: 340/39). Byzantion erhielt von Athen, Chios, Rhodos und Kos energische Hilfe; Philippos, dem es gelungen war, eine große Handelsflotte fortzunehmen, wurde zur See geschlagen und mußte schließlich die Belagerung aufgeben (vgl. vor allem Diod. XVI 77. Plut. Phok. 14. Hesych. Miles. 26-29. FHG IV 151f. Dionys. Byz. frg. 41. 66 [Geogr. Gr. min. II 50. 92], Didym. ad Demosth. X 45ff. Iustin. IX 1, 6. Weitere Stellen bei Beloch III 1² 556f.). Er blieb noch in Thrakien und drang 339 bis zur Donau vor, besiegte die Skythen und auf dem Rückwege auch die Triballer und sicherte dadurch seine thrakischen Besitzungen (Trog. prol. IX. Iustin. IX 2. X 1-3). – Demosthenes hatte inzwischen alle Vorbereitungen zum Kriege getroffen. Da er wußte, daß Athen mit seinen Bundesgenossen außerstande war, M. in offenem Kampfe entgegenzutreten, setzte er alles daran, Theben zu gewinnen, während Philippos es zum Bruche zwischen Athen und Theben bringen wollte. Wie es darüber zum Heiligen Kriege gegen Amphissa und schließlich zum überraschenden Einmarsch des eben aus dem Norden zurückgekehrten Königs gekommen ist, gehört nicht hierher. Als Philippos wohl im Spätherbst 339 Elateia in Phokis besetzt hatte, gelang es Demosthenes, die Mobilmachung und eine Gesandtschaft unter seiner Führung nach Theben durchzusetzen (Demosth. XVIII 169–179. Diod. XVI 84. 85). Philippos war zu weitgehenden Zugeständnissen bereit, wenn Theben sich ihm anschloß oder wenigstens den Durchmarsch gestattete (Philoch. frg. 135. Didym. ad Demosth. XI 40ff. Plut. Demosth. 18. Demosth. XVIII 211ff.). Doch entschieden sich die Thebaner für Athen, da sie bei einem Siege Philipps doch nur Bundesgenossen zweiten Ranges geworden wären (s. o. Dazu Aesch. III 137ff. Iustin. IX 3, 5). So kam es 338 zu dem entscheidenden Waffengange, der durch den Sieg bei Chaironeia Philippos den Weg zur Einigung Griechenlands unter seiner Führung ebnete (vgl. über Feldzug und Schlacht Kromayer Ant. Schlachtf. I 130ff. Kaerst Gesch. d. Hellen. I² 258ff. Beloch III 1² 566ff.). Theben mußte nach der Niederlage die Bedingungen des Königs annehmen und die Kadmeia einer makedonischen Besatzung übergeben (Diod. XVI 87, 3. Paus. IV 27, 10. IX 1, 8. 37, 8. Iustin. IX 4, 6ff. Kaerst 263f.). Athen dagegen war zur Verteidigung bereit und imstande; aber die Männer, die von einem Krieg bis zum Äußersten im Hinblick auf die Überlegenheit des Königs zu Lande und auf die zahlreichen Gefangenen sich nichts versprachen, gewannen die Oberhand. Philippos bot die Hand zum Frieden, [732] da Athen immer noch die stärkste Seemacht war und eine Belagerung wenig Aussicht bot; zudem drohte bei Fortführung des Krieges der Anschluß Athens an Persien. So kam es unter Vermittlung des Demades zum Frieden: Athen mußte seinen Seebund auflösen und sich verpflichten, dem hellenischen Bunde beizutreten; es verlor den Chersones und erhielt dafür Oropos; es behielt seine sonstigen auswärtigen Besitzungen (vgl Kaerst 265. Beloch 572). Nach Ambrakia (Diod. XVII 3, 3), Akrokorinth und Chalkis (Polyb. XXXVIII 3 B.-W. Plut. Arat. 23) kamen Besatzungen, im Peloponnes wurde der arkadische Bund wiederhergestellt, Lakonien verheert, aber Sparta nicht zerstört. Es kam nicht so viel darauf an, ob die Stadt, deren Landgebiet Philippos verkleinerte und die von mißtrauischen Feinden umgeben war, sich abseits hielt (vgl. Beloch 574. Kaerst 265f.). Noch 338 wurde dann auf einer Tagsatzung in Korinth der hellenische Bund unter der Leitung des makedonischen Königs begründet: Philippos hatte das Ziel erreicht, das er sich zunächst gesteckt hatte. Über die Organisation des Bundes, die Bestimmungen über den Landfrieden, die Wehrverfassung und den Beschluß des panhellenischen Krieges gegen Persien vgl. vor allem Geyer S.-Ber. Akad. Münch. 1917 Abh. 10 und S.-Ber. Akad. Berl. 1922, 97ff.; daneben Kaerst 526ff. und Beloch 575f. Philippos hat nicht nur die Wünsche der Patrioten diplomatisch für seine eigenen selbstischen Zwecke verwendet, er war wohl auch entschlossen, wenigstens die Ägäis zu einem griechischen Meere zu machen (vgl. Diod. XVI 89, 2): s. o. Auch ist noch im Beisein des Königs nach der konstituierenden Sitzung des Bundesrates die sog. Kriegssitzung gefolgt, in der der Perserkrieg beschlossen wurde (vgl. Geyer S.-Ber. Akad. Münch. 20ff.). In Verfolg dieses Beschlusses sandte der König im Frühjahr 336 ein Korps unter Parmenion und Attalos voraus, προστάξας ἐλευθεροῦν τὰς Ἑλληνίδας πόλεις; er selbst wollte bald folgen (Diod. XVI 91, 1. Iustin. IX 5, 8). Vorher aber kam der Konflikt im Königshause offen zum Ausbruch; als Philippos Kleopatra zu seiner Gemahlin erhob, verließen Olympias und sein Sohn Alexandros den Hof und M. Doch Philippos lenkte ein; es kam zwischen ihm und dem Thronfolger zur Versöhnung, und auch der Bruder der Olympias, Alexandros von Epeiros, sollte durch die Vermählung mit Philippos’ Tochter Kleopatra gewonnen werden. Aber auf dieser Hochzeit zu Aigai fiel der König durch Mörderhand: 336 (Diod. XVI 91-94. Iustin. IX 6). Die Motive zur Tat sind nicht klar; am wahrscheinlichsten ist es doch, daß der Mörder aus Rache gehandelt hat (vgl. Droysen Gesch d. Hellen. I 1² 99ff. Beloch 606f. Kaerst 317f., die an eine Verschwörung glauben. Berve Das Alexanderreich I 222f.). Ganz abzulehnen erscheint mir die Vermutung, die drei Lynkesten könnten die Hand im Spiele gehabt und sich Hoffnungen auf den Thron gemacht haben, da nie ein lynkestischer Fürst König von M. gewesen ist. Sie könnten höchstens gehofft haben, bei der allgemeinen Verwirrung Lynkestis wieder selbständig zu machen, obwohl ihre Zugehörigkeit zu dem Fürstenhause nicht überliefert ist (vgl. noch Geyer Alex. d. Gr. u. die Diadochen, Leipz. 1925, 26f.).

[733]

6. M. unter Alexander d. Gr. Alexandros III., der Große, wußte sich sehr schnell Gehorsam zu verschaffen und verstand es, das von seinem Vater geschaffene Reich zunächst in vollem Umfange zu behaupten. Die Barbaren bis zur Donau und zum Lychnitis zwang er zur Unterwerfung und erreichte in Griechenland Anerkennung als στρατηγὸς αὐτοκράτωρ des Perserzuges (vgl. Köhler S.-Ber. Ak. Berl. 1898, 120f. Wilcken 1922, 97ff.). In bezug auf die Einzelheiten verweise ich auf Kaerst o. Bd. I S. 1412ff. und füge an neuerer Literatur hinzu: Beloch III 1² 607ff. IV 1³ 10ff. Kaerst I² 317ff. Birt Alex. d. Gr.², Leipz. o. J. Geyer a. O. Berve a. O. – Hier handelt es sich um die Geschicke des eigentlichen M. Dieses wurde durch die Eroberung Asiens eine Provinz des Weltreiches, wenn es auch das Kernland blieb. Oben ist schon hervorgehoben, daß die Chalkidike voll berechtigt neben das alte M. gestellt wurde; so gab es Ilen der Ritterschaft von Apollonia (s. o. II E), von Amphipolis, von Anthemus (Arrian. anab. I 12, 7. I 2, 5. II 9, 3); auch die Ile von Bottiaia (Arrian. I 2, 5) ist wohl in der Chalkidike zu Hause, da Bottiaia westlich vom Axios doch kaum eine landschaftliche Einheit bildete. Diese Bezeichnungen sind wohl zugleich Namen von Verwaltungsbezirken. In gleicher Weise entstammen die Regimenter (τάξεις) der Phalanx bestimmten Bezirken: im Feldheer Alexanders sind die Taxeis der Lynkestis und Orestis, der Tymphaia und der Elimiotis belegt (Diod. XVII 57, 2). Danach ist also die epeirotische Grenzlandschaft Tymphaia Ober-M. einverleibt worden. Die übrigen Taxeis haben ihre Heimat im Flachland gehabt (Berve Das Alexanderreich I 115); die Aushebungsbezirke waren hier wohl nicht so scharf abgegrenzt wie in den Gebirgskantonen. Die hellenischen Städte haben anscheinend ihre innere Autonomie behalten; die makedonischen Städte treten als selbständige Verwaltungskörper erst wieder seit Philippos V. hervor. In M. ließ nun Alexander seinen bedeutendsten Gehilfen, Antipatros, zurück; er bekleidete etwa das Amt eines Satrapen, stand also an der Spitze der Zivilverwaltung, leitete das Finanzwesen und war vor allem Oberbefehlshaber der ihm übergebenen Truppen, nach Diod. XVII 17, 5: 12 000 Mann zu Fuß und 1500 Reiter. Dies wird die Hälfte des regulären makedonischen Heeres gewesen sein. Wenn man aus den doch recht lückenhaften Angaben über die Ilen und Taxeis einen Schluß ziehen darf, so scheint dieser Heeresteil aus Reitern der nieder- und obermakedonischen Kernlande und den Regimentern der neugewonnenen Küstengebiete bestanden zu haben. Durch Nachsendungen ist diese Truppenmacht später bedeutend vermindert worden. Selbstverständlich hatte Antipatros außerdem Hilfsvölker und Söldner zur Verfügung. Von seiner Zivilverwaltung ist nichts überliefert. Auch in der Ferne dachte Alexander an das Heimatland: so schickte er gefangene griechische Söldner zur Bergwerksarbeit nach M. (Arrian. I 16, 6), ließ aus Indien Rinder zur Hebung der Viehzucht nach M. bringen (Arrian. IV 25, 4). Im übrigen hatte Antipatros auch über Thrakien und Hellas eine Oberaufsicht. Da sich das Verhältnis zwischen dem Könige und seinem Statthalter allmählich lockerte, rief ihn Alexander 324 ab. [734] Der Befehl ist nicht mehr ausgeführt worden (vgl. Berve I 224ff.).

7. M. zur Diadochenzeit. Durch den Tod des großen Königs rückte M. wieder in den Vordergrund der geschichtlichen Entwicklung. Die Marschälle brachen bewußt mit der Verschmelzungspolitik und fühlten sich in erster Linie als Makedonen. Ihnen erschien ihr Heimatland als der wichtigste Teil des Weltreiches, und wenn sie auch im Osten sich neue Reiche gründeten, aus M. stammten die Beamten, Offiziere und Mannschaften, auf die sie ihre Herrschaft stützten (vgl. Ed. Meyer Blüte und Niedergang des Hellenismus 14ff. Kornemann Verg. u. Gegenw. XVI 333ff. Geyer Hist. Ztschr. CXXXII 403ff.; N. Jahrb. III [1927] 533ff.). Auf die Frage, wer zum Reichsverweser bestellt worden ist, ob Krateros oder Perdikkas, braucht hier nicht eingegangen zu werden (vgl. zuletzt Beloch IV 22 307f. Schachermeyr Klio XIX 435ff. Enßlin Rh.Mus. LXXIV 293ff. Geyer Alex. d. Gr. 117). Nominell folgte Alexander d. Gr. sein Halbbruder Philippos III. Arrhidaios (323–317; vgl Beloch 104f. Head HN² 228. Zur Chronologie W. Otto S.-Ber. Akad. Münch. 1925 Schlußheft und S. Smith Rev. d’Assyriol. XXII 179ff.). Bei der Verteilung der Satrapien behielt Antipatros M. (Arrian. succ. Alex. 7. Dexippos frg. 1 FHG III 668. Iustin. III 4), mit der Aufgabe, die Ruhe in Griechenland zu sichern. So mußte er mit seinem durch die Nachsendungen nach Asien zusammengeschmolzenen Heere den gefährlichen lamischen Krieg durchführen, den er nur durch die Unterstützung von Krateros und Leonnatos zu einem günstigen Ende führen konnte (Kaerst o. Bd. I S. 2504ff. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 1043f.; o. Bd. XII S. 2037 und 2060ff). Wichtig für die Stellung M.s war vor allem die Demütigung Athens, das eine Besatzung aufnehmen und eine gemäßigte Demokratie einführen mußte (Diod. XVIII 18. Arrian. 13f. Plut. Phok. 27ff.; Demosth. 28f. Paus. I 25, 5). Sept. 322 kehrte Antipatros nach M. zurück und unternahm bald darauf mit Krateros einen Zug gegen die Aitoler, den er jedoch abbrechen mußte, um der Bedrohung durch Perdikkas gemeinsam mit Krateros und Antigonos entgegenzutreten (Kaerst 25 7. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 1044). Nach dem Tode des Perdikkas wurde er in Triparadeisos mit der Reichsverweserschaft betraut und trat mit den beiden Königen den Rückmarsch nach M. an (Diod. XVIII 39. Arrian. succ. Alex. 30ff. 40ff. App Syr. 54. Plut, Eum. 8). Hier hatte inzwischen Polyperchon als Antipatros’ Vertreter die Aitoler aus Thessalien herausgeschlagen und zum Frieden gezwungen (Diod. XVIII 38. 319 starb Antipatros (Diod. XVIII 48, 4. Marm. Par. B 12. Suid. s. Ἀντίπατρος). Er hatte Polyperchon zum Nachfolger bestimmt, da er seinem Sohne Kassandros nicht die nötige Autorität zutraute (Diod. XVIII 48, 4) Als Antigonos aber dem Polyperchon den Gehorsam verweigerte, beschloß Kassandros, M. zu verlassen und sich Antigonos anzuschließen (vgl. Staehelin o. Bd. X S. 2295. Diod. XVIII 49). Antigonos stellte ihm Truppen zur Verfügung, und Ptolemaios schloß sich dem Bündnis an, jedenfalls auch Lysimachos, da sich Kassandros zunächst auf sein Gebiet flüchtete (Diod. XVIII 54). [735] Polyperchon rief als Gegenmaßregel Olympias nach M. zurück und erließ eine Proklamation an die Griechen, durch die die demokratischen Verfassungen wiederhergestellt wurden, den Verbannten die Rückkehr gestattet und die Zurückziehung der Besatzungen in Aussicht gestellt wurde. Damit wurde die Revolution in Griechenland entfesselt. Trotzdem behauptete Kassandros Munychia und den Peiraieus und zwang nach dem Siege über die Reichsflotte im Bosporos 318 Athen zur Ergebung: 317 (Belege bei Staehelin 2295f. Beloch IV 1² 99ff.). Auch sonst gewann Kassandros in Griechenland an Boden. Wichtiger aber war für ihn, daß ihn die Königin Eurydike zum Reichsverweser ernannte (Iustin. XIV 5, 1–4; vgl. Diod. XVIII 75). Kassandros zog nun nach M., wo er viele Sympathien fand; doch verließ er M. bald wieder, um in Griechenland Polyperchons Einfluß zu brechen, und nun erschien Olympias in M., vereinigte sich mit Polyperchon und trat dem makedonischen Heere gegenüber. Dieses weigerte sich, gegen die Mutter des großen Königs zu kämpfen; das Königspaar fiel in die Hand der Olympias, die beide töten ließ; auch sonst wütete sie und verscherzte sich dadurch alle Sympathien. Als Kassandros zurückkehrte, warf sie sich nach Pydna; König Aiakidas von Epeiros versuchte sie vergeblich zu entsetzen. Polyperchon wurde von seinen Truppen verlassen, und so mußte Pydna 316 kapitulieren (Diod. XIX 49. 50). Das Heeresgericht verurteilte Olympias zum Tode, und sie erlitt standhaft den Tod. Auch die ihr treuen Kommandanten von Pella und Amphipolis mußten die Waffen strecken (Diod. XIX 50, 6–8). Weitere Quellenangaben bei Staehelin 2297f. Kassandros internierte nun die Königin Rhoxane und den jungen Alexandros IV. in Amphipolis und heiratete Philippos’ Tochter Thessalonike; es war der erste Schritt zum Thron (Diod. XIX 52, 1. 61, 2. Iustin. XIV 6. 13. Euseb. chron. I 231. Syncell. p. 504 Dind.). Wichtig für M. waren auch die beiden Städtegründungen, die in diese Zeit fallen: Kassandreia an Stelle von Poteidaia und Thessalonike (h. Salonik) (Diod. XIX 52, 2. Strab. VII 330 frg. 25. Paus. V 23, 2. Steph. Byz. s. v. und Strab. VII 330 frg. 21. 24. Steph. Byz s. v., weiteres bei Staehelin). Beide Städte haben schnell einen bedeutenden Aufschwung genommen, da sie an günstigen Stellen lagen und die griechische Stadtverfassung erhielten (Perdrizet Rev. ét. anc. XII 224ff.). Sein Bruder Alexarchos gründete Uranopolis (Herakl. Lemb. frg. 5. FHG III 169). Die nächste Zeit benutzte Kassandros, um seinen Einfluß in Griechenland gegen Polyperchons Sohn, Alexandros, auszudehnen. 315 war seine Herrschaft in Griechenland gesichert (Staehelin). In diesem Jahre begann der erste Krieg gegen Antigonos, an dem auch Kassandros teilnahm. Er wurde von dem Heer des Antigonos geächtet und konnte seine Stellung in Griechenland nur mit Mühe behaupten. 314 gelang es ihm aber, Akarnanien, Leukas, die illyrischen Städte Epidamnus und Apollonia zum Anschluß an M. zu bringen (Staehelin). Der Kampf ging weiter, und besonders wurde Kassandros seit 313 von Antigonos’ Strategen Polemaios bedrängt. Damals wurden auch die Besatzungen aus Apollonia und Epidamnos [736] vertrieben (Diod. XIX 78, 1) und sein Einfluß in Epeiros gebrochen (Diod. XIX 88). Nach der Niederlage des Demetrios bei Gaza 311 kam es zum Frieden. Kassandros’ Stellung muß besonders erschüttert gewesen sein, da er nur bis zur Großjährigkeit des jungen Königs στρατηγός von Europa sein sollte und die hellenischen Städte für autonom erklärt wurden (vgl. Staehelin 2304. Geyer o. Art. Lysimachos). Der Krieg begann bald von neuem. Kassandros bekriegte damals auf das Hilfsgesuch des Königs Audoleon von Paionien die illyrischen Autariaten und siedelte sie am Orbelos an (Diod. XX 19, 1. Iustin. XV 2, 1). Auch scheint er mit den Kelten Kämpfe ausgefochten zu haben, und zwar am Haimos (Sen. nat. quaest. III 11, 3. Plin. n. h. XXXI 53) Die Interessen M.s hat er also nicht vernachlässigt. – Da der junge König, je älter er wurde, desto mehr die Herrschaftsansprüche des Kassandros bedrohte, beseitigte ihn dieser mit der Königin-Mutter (Diod. XIX 105, 2: wohl 310. Vgl. Marm. Par. B 18. Weitere Stellen bei Staehelin). Wie unsicher er sich noch immer in M. fühlte, zeigt auch sein Verhalten gegen Polyperchon, als dieser den letzten Sohn Alexanders d. Gr., Herakles, zum König ausrief. Er wußte Polyperchon zur Beseitigung des Herakles zu bewegen (Diod. XX 28, 2). Während er 308 Ptolemaios’ Bestrebungen, in Griechenland festen Fuß zu fassen, zu durchkreuzen wußte, brachte ihn Demetrios in schwere Bedrängnis, 308/7. Vor allem verlor er Athen. Als dann Demetrios nach dem Siege von Salamis 306 nach Griechenland zurückkehrte, gelang es ihm, Kassandros fast ganz aus Griechenland zu verdrängen. Dieser hatte inzwischen, wie die anderen Diadochen, 305/04, den Königstitel angenommen (Belege bei Staehelin 2307). 307/04 versuchte Kassandros vergeblich, Athen einzunehmen; er mußte vor Demetrios zurückweichen. Ja, 303/02 vermochte Demetrios den hellenischen Bund unter seines Vaters und seiner Führung wieder aufleben zu lassen (Wilcken S.-Ber.Akad. Berl. 1922, 122ff; 1927, 277ff.). Vergebens suchte Kassandros mit Antigonos zum Frieden zu kommen. So brachte er 302 die letzte große Koalition gegen Antigonos zustande (Geyer o. Art. Lysimachos). Demetrios mußte Griechenland verlassen, und die Schlacht bei Ipsos 301, an der auch Truppen des Kassandros teilnahmen, brachte die Entscheidung gegen Antigonos. Kassandros war des Besitzes von M. jetzt sicher. Er selbst hatte die Entfernung des Demetrios zur Wiederherstellung seiner Macht in Griechenland benutzt (Staehelin 2309f.). Nach Ipsos hat Demetrios noch einmal versucht, in Griechenland festen Fuß zu fassen; doch Athen versagte sich ihm, und Kassandros wurde nun in Griechenland von Demetrios nicht mehr behelligt, wie Staehelin 2311 glaubt, auf Grund eines Übereinkommens. Kurz vor seinem Tode verlor Kassandros noch die Insel Kerkyra an Agathokles, 298. 298/7 ist Kassandros gestorben (Staehelin 2312. Beloch IV² 2, 105). – Ihm folgte sein ältester Sohn Philippos IV., der noch nicht ein volles Jahr regierte (Iustin XVI 1, 1. Euseb. chron. I 232f.). Nach seinem Tode kam es zunächst für seine Brüder zu einer vormundschaftlichen Regierung [737] (Euseb. I 231). M. war also zu einer tatkräftigen äußeren Politik unfähig, und so konnte sich Demetrios wieder in Griechenland festsetzen und vor allem nach langer Belagerung Athen einnehmen, 294 (Kaerst o. Bd. IV S. 2784. Beloch IV² 1, 216ff.). Die beiden jungen Könige hatten sich inzwischen vermählt, und zwar Alexandros mit Ptolemaios’ Tochter Lysandra und Antipatros mit Lysimachos’ Tochter Eurydike (Euseb. I 231. Iustin. XVI 2, 4). Bald darauf kam es zwischen ihnen zu Streitigkeiten, da nicht der älteste Antipatros das Reich erhielt, sondern Thessalonike eine Teilung vornahm. Darauf ermordete Antipatros seine Mutter, während Alexandros sich an Demetrios und Pyrrhos von Epeiros wandte. Pyrrhos erschien, ließ sich von Alexandros Tymphaia, Parauaia und Ambrakia mit Akarnanien abtreten und drängte Antipatros zurück, der sich vergeblich an seinen damals mit den Geten beschäftigten Schwiegervater Lysimachos wandte. Doch vermittelte dieser einen Vertrag zwischen den beiden Brüdern (Geyer o. Art. Lysimachos. Plut. Demetr. 36; Pyrrh. 6. Iustin. XVI 1, 1–7. Paus. IX 7, 3). Nun erschien aber Demetrios. An der Grenze M.s kam ihm Alexandros entgegen und eröffnete ihm, daß er seine Hilfe nicht mehr brauche. Demetrios kehrte scheinbar um und ließ in Larisa Alexandros niederstoßen. Das Heer des Alexandros trat zu Demetrios über, und Antipatros flüchtete zu Lysimachos εἰς Πόντον: 294 (Porphyr. FHG III 695. Iustin. XVI 1, 8-19. Diod. XXI 7. Plut. Demetr. 36. 37; Pyrrh. 7. Euseb. I 231. Kaerst 2785). Dieser war durch den Getenkrieg gezwungen, Demetrios als König von M. anzuerkennen (Iustin. XVI 1, 19). Nach den Königslisten ist Demetrios nicht volle sieben J. König gewesen; wahrscheinlich von 294/3–288/7 (vgl. Beloch IV² 2, 105f. Geyer a. O. Euseb. I 232f. Plut. Demetr. 44). Demetrios unterwarf dann Phokis und Boiotien und war so Herr des größten Teiles von Griechenland. Er begründete nun in zentraler Lage eine neue Hauptstadt, Demetrias, an Stelle des alten Pagasai (Strab. IX 436. Plin. n. h. IV 29. Vgl. Klio XI 442ff. Swoboda Hermanns Staatsaltert. III⁶ 433ff). Nach Kämpfen in Boiotien, das sich wieder erhoben hatte, hoffte er auf Erwerbungen in Thrakien, wo Lysimachos in die Gefangenschaft des Dromichaites gefallen war. Aber die Freilassung des Königs und der Abfall Thebens riefen ihn zurück (Plut. Demetr. 39. 40). Nach längerer Belagerung mußte sich Theben ergeben, 291 (Plut. Demetr. 40. Diodor. XXI 14, 1). Demetrios scheint damals auch Kerkyra besetzt zu haben und wandte jetzt überhaupt den nordwestlichen Landschaften mehr Aufmerksamkeit zu. 290 feierte er die Pythien in Athen als Protest gegen die aitolische Besetzung von Delphi; es kam zu einem Kriege gegen die Aitoler und gegen Pyrrhos von Epeiros, der, selbst ehrgeizig und nach der Herrschaft über Griechenland strebend, in Demetrios seinen gefährlichsten Nebenbuhler sah. Demetrios drang in Epeiros ein, während Pyrrhos einen Sieg in Thessalien erfocht (Plut. Demetr. 41; Pyrrh. 7. Kaerst 2787f.). Im nächsten Jahre kam es zu einem Einfall des Pyrrhos in M.; er drang bis Aigai vor, mußte dann aber vor Demetrios [738] zurückweichen. Beide schlossen nun einen Vertrag, 289 (Plut. Demetr. 43; Pyrrh. 10). Doch verstand es Demetrios nicht, sich die Zuneigung der Makedonen zu erwerben. Prunksucht, Launenhaftigkeit und Willkür, sein unruhiger Geist machten ihn unbeliebt (vgl. Plut. Demetr. 41. Kaerst 2788). Dazu beschloß jetzt Demetrios, das Reich des Antigonos zurückzuerobern, und machte dazu die großartigsten Rüstungen (Plut. Demetr. 43. Pyrrh. 10). So bildete sich eine Koalition, und schon 288 begann der konzentrische Angriff. Während eine ptolemäische Flotte im Ägäischen Meere erschien (Plut. Demetr. 44. Syll.³ 367), rückten Lysimachos und Pyrrhos in M. ein. Zunächst wandte sich Demetrios yegen Lysimachos und brachte ihm eine Schlappe bei Amphipolis bei (Paus. I 10, 2). Da aber seine Truppen schwierig wurden und keine Lust zeigten, gegen Alexanders alten Kampfgenossen zu fechten, auch Pyrrhos das Kernland bedrohte, zog Demetrios gegen Pyrrhos. Amphipolis fiel an Lysimachos (Polyaen. IV 12, 2). Doch vor Beroia ging das Heer des Demetrios zu Pyrrhos über, und Demetrios mußte flüchten (Plut. Pyrrh. 11; Demetr. 44f. Iustin. XVI 2, 3). Die Sieger teilten sich in das Reich; wahrscheinlich war der Axios die Grenze (Plut. Pyrrh. 12. Paus. I 10, 2); nach Paus. a. O. hat jedenfalls Pyrrhos τὸ δὲ πολὺ Μακεδονίας besessen. Über die Teilung vgl. noch Geyer a. O. Da Antipatros seine Wiederherstellung als König von M. betrieb, ließ ihn Lysimachos töten und seine Tochter in Haft bringen (Iustin. XVI 2, 4. Euseb. I 232). Die Notiz Diod. XXI 7, bereits 294 habe Demetrios Antipatros töten lassen, ist ein Irrtum, da dieser nach dem Democharesdekret noch 287 gelebt hat (Westerm. Biogr. 292). Wenn Pyrrhos bei Euseb. I 234 als König von M. sieben Monate hat und deshalb v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 248 und Hünerwadel Forsch. zur Gesch. des Königs Lysim., Zürich 1900, 84 die Teilung erst 286 setzen, so hat Klotzsch Epirot. Gesch. 206ff. mit Recht diese sieben Monate als Einschiebsel erklärt; die 3 Jahre 4 Monate der thessalischen Tabelle für Pyrrhos gelten auch für sein makedonisches Königtum (Geyer a. O.). Das weitere Schicksal des Demetrios s. Kaerst 2789ff. – Lysimachos versuchte nun auch in Griechenland die Stellung des Demetrios zu erschüttern (Geyer a. O.). Vor allem gelang ihm die Besetzung von Phokis (Syll.³ 361 C. 378/9. Pomtow Phil. Wochenschr. 1912, 127ff.), und auch zu Aitolien trat er in nähere Beziehungen (Lysimacheia: Belege bei Geyer a. O). Sobald Demetrios in die Gefangenschaft des Seleukos geraten war (284), ging Lysimachos gegen Pyrrhos vor, der trotz eines Bündnisses mit Antigonos (Paus. I 10, 2. Phoinikides bei Kock Fr. com. gr. III 333) aus M. weichen mußte: 284 (Plut. Pyrrh. 12. Paus. I 10, 2. 11, 6. Iustin. XVI 3, 1. Beloch IV² 2, 107). Lysimachos hat als König von M. bei Euseb. I 234 5 Jahre 6 Monate, also von 287/6-282/1 (vgl. Euseb. I 233); das stimmt mit dem Datum der Schlacht bei Kurupedion überein, soweit es aus der übrigen Überlieferung festgestellt werden kann (Beloch 107ff.). Nach der thessalischen Liste hat er 6 Jahre (Euseb. I 242. 246. II 118f.); doch gewann er Demetrias nicht (Plut. Demetr. 53) [739] Lysimachos versuchte nun die Nachbarländer M.s wieder in größere Abhängigkeit zu bringen, so Paionien (vgl. die Beziehungen Audoleons zu Athen, Syll.³ 371). Über einen Feldzug gegen Audoleons Sohn Ariston berichtet Polyaen. IV 12, S. Es kam nach seiner Heirat mit Arsinoë an seinem Hofe zu Intrigen, die schließlich zur Beseitigung des Agathokles, seines ältesten Sohnes, führten (Paus. I 10, 3. 4. Weiteres bei Geyer). Lysandra, die Gemahlin des Agathokles, flüchtete zu Seleukos und brachte diesen zum Kriege gegen Lysimachos, zumal die Verfolgung der Freunde des Agathokles unter den hohen Beamten Abfallgelüste hervorrief und Seleukos selbst große Sehnsucht nach seiner Heimat M. hatte. (Vgl. auch Staehelin Bd. II A S. 1223f., der darauf hinweist, daß es über kurz oder lang zum Kampfe zwischen den beiden Herrschern kommen mußte.) Der Aufstand brach in Kleinasien aus, Lysimachos ging zu seiner Bekämpfung hinüber und verlor schließlich bei Kurupedion 281 Thron und Leben (vgl. Geyer und Staehelin). Ende 281 oder Anfang 280 überschritt Seleukos den Hellespont; ihn trieb die Sehnsucht nach M. (ἠπείγετο: Paus. I 16, 2. πόθον ἔχει πατρίδος, Memn. XII 1). Er wollte den Rest seiner Tage in M. verbringen. Doch schon auf dem thrakischen Chersones wurde er von Ptolemaios Keraunos, dem Sohne Ptolemaios’ I., den er schon zweimal freundlich bei sich aufgenommen hatte, ermordet: 281/80 (vgl. Beloch 107ff.). König von M. ist Seleukos also nicht gewesen (über seinen Tod und die Behauptung Lehmann-Haupts [Klio III 539. V 244ff. VII 449ff. IX 248ff.] über die Wahl des Seleukos seitens der Heergemeinde s. Staehelin 1226). – Ptolemaios Keraunos wurde zum Könige ausgerufen (creatus ab exercitu: Trog, prol. XVII. Iustin. XVII 2, 6. Memn. XII 3), da er wegen seines Vaters Ptolemaios’ I. und als Rächer des Lysimachos beim Heere beliebt war. Er warb um seine Stiefschwester Arsinoë und versprach ihr, ihre Söhne zu adoptieren (Iustin. XVII 2, 7f. XXIV 2). Auch mit Ptolemaios II. trat er in freundschaftliche Beziehungen (Iustin. XVII 2, 9). Andererseits erhoben Antiochos, Antigonos Gonatas und Pyrrhos Ansprüche auf M. (Iustin. XVII 2, 10ff.). Pyrrhos verzichtete jedoch gegen Unterstützung bei seinem italischen Unternehmen (Iustin. XVII 2, 11ff. XXIV 1, 8). Da Antiochos genügend in Asien zu tun hatte, blieb nur Antigonos als Prätendent übrig. Er erschien denn auch 280 mit einer Flotte, während sein Heer in Thessalien einfiel. Ptolemaios Keraunos schlug ihn, unterstützt von Herakleia am Pontes, entscheidend, so daß er nach Boiotien zurückgehen mußte (Memn. XIII). Darauf machte auch Antiochos mit Ptolemaios Frieden, wohingegen dieser auf die asiatischen Provinzen des Lysimachos verzichtete (Iustin. XXIV 1, 8. Trog. prol. XVII). Ptolemaios vermählte sich jetzt mit Arsinoë. Da diese aber Kassandreia weiter besetzt hielt und ihr ältester Sohn zu den Illyriern ging, um mit Waffengewalt den Thron zu gewinnen, wurde er wohl mißtrauisch. Bei einem Besuche in Kassandreia bemächtigte er sich der Stadt und ließ ihre beiden Söhne töten. Arsinoë flüchtete nach Samothrake (Iustin. XXIV 2, 3. Trog. prol. XVII. Memn. XIV. Vgl. Syll. or. 15). [740] Ptolemaios’ Herrschaft schien gesichert. Da brachen keltische Schwärme in M. ein; schon vorher hatten die Kelten versucht, in die südliche Balkanhalbinsel einzubrechen, unter Kassandros (Plin. n. h. XXXI 53) und Lysimachos (Paus. X 19, 5). Jetzt trat ihnen Ptolemaios entgegen, aber sein Heer wurde vernichtet, er selbst fiel (279 oder 280). Die Kelten plünderten nun das Land, ohne gegen die festen Städte etwas ausrichten zu können. Zwei Monate war der Bruder des Ptolemaios, Meleagros, 45 Tage ein Antipatros, Neffe des Kassandros, König (Diod. XXII 4. Iustin. XXIV 5. Paus. X 19, 6f. Memn. XIV. Euseb. I 235. Chronologie Beloch IV² 2, 109ff). Nun trat Sosthenes an die Spitze M.s, aber nicht als König, sondern als Stratege; er hatte die Makedonen gesammelt und den Barbaren manche Schlappen zugefügt und wurde nun vom Heere zum König ausgerufen. Aber diese Würde lehnte er ab. Eine zweite keltische Schar brachte ihm eine Niederlage bei. Jedenfalls wurde das Land von den Kelten furchtbar verheert, während sich die festen Plätze halten konnten (Diod. XXII 9. Iustin. XXIV 5. 6, 1-4, Porphyr. FHG III 696. Euseb. chron. I 235f. Vgl. Obst Bd. III A S. 1197). Wenn nun auch die Barbaren weiterzogen, so war M. doch schwer getroffen. Dazu kam, daß die republikanische Form für das Land nicht paßte. Kassandreia wurde zunächst von einer Eurydike, wahrscheinlich der Mutter des Ptolemaios Keraunos, besetzt gehalten und erlangte dann die Freiheit, ohne sich dem Staatsoberhaupt zu fügen (Polyaen. VI 7, 2). Auch hielt sich Antipatros, der Neffe des Kassandros, ὁ Ἐτησίας, in einem Teile M.s (Euseb. I 235. Polyaen. IV 6, 17); außerdem werden noch ein Ptolemaios, jedenfalls der Sohn des Keraunos, ein Aridaios und Alexandras als Prätendenten genannt. Natürlich hatten auch Antigonos und Pyrrhos ihre Ansprüche nicht aufgegeben (Euseb. a. O. Diod. XXII 4). Als Sosthenes, der wenigstens einiges Ansehen besaß, starb (278), hinterließ er das Land in voller Anarchie. Die Nebenländer waren selbständig geblieben, wie wir von Paionien wissen, wo ein König Dropion herrschte (Syll.² 394. Vgl. Beloch IV 1² 566, 1), und auch für Thessalien scheint dasselbe angenommen werden zu müssen. Die Zeit vom Tode des Keraunos bis zur Thronbesteigung des Antigonos wird von Diod. XXII 4 auf drei Jahre angegeben, also entweder bis 277/6 oder 276/5 (vgl. Ed. Schwartz Abh. Gött. Ges. XL 81. Beloch IV 2² 112).

8. M. unter den Antigoniden. Der Krieg zwischen Antiochos I. und Antigonos Gonatas fand jedenfalls 278 v. Chr. sein Ende. Die beiden Könige versöhnten sich und verzichteten gegenseitig auf die Ansprüche, die sie doch nicht realisieren konnten. Antigonos erhielt die Schwester des Antiochos, Phila, zur Gemahlin (Iustin. XXV 1, 1. Trog. prol. 24. Memnon 16. 18 FHG. III 535; vgl. Kaerst o. Bd. I S. 2414). Gleich darauf schlug Antigonos die Kelten vernichtend bei Lysimacheia: 277. (Trog. prol. 25. Iustin. XXV 1. 2. Diog Laert. II 141. Syll.³ 401). Nun konnte er versuchen, M. zu gewinnen. Er schlug den Antipatros (Polyaen. IV 6, 17. Diog. Laert. a. O.), fand aber bei Apollodoros von Kassandreia, der sich hier zum Tyrannen aufgeworfen [741] und eine wahre Schreckensherrschaft errichtet hatte (Polyaen. VI 7, 1. 2. Trog. prol. 25. Diod. XXII 5), hartnäckigen Widerstand, der von Sparta unterstützt wurde (Paus. IV 5, 4. Polyaen. II 29, 2). Nach der Einnahme von Kassandreia, das sich zehn Monate wehrte (Polyaen. IV 6, 18), wurde Antigonos in M. als Herrscher anerkannt: 276/5. Belochs Ansatz (IV 2² 112. 119f.): 277/6 läßt zu wenig Zeit für die Besiegung des Prätendenten und die Belagerung Kassandreias. Da 275 auch die thessalischen Hieromnemonen verschwinden (278/7 sind sie noch im Amt: Syll.³ 899, 276/5 werden keine Thessaler mehr angeführt: Syll.³ 405), so ist jedenfalls auch Thessalien sofort wieder makedonisch geworden; dazu stimmen auch die Regierungsjahre des Antigonos als rex Thetaliorum bei Euseb. (vgl. Beloch 115ff.). Ob auch Paionien wieder botmäßig gemacht wurde, ist nicht sicher zu entscheiden; vielleicht ist damals Antigoneia am Axios (s. o. II E) gegründet worden (für die Regierung des Antigonos ist das grundlegende Werk W. W. Tarn Antigonos Gonatas, Oxford 1913. Würdigung des Königs bei Beloch IV 1² 571ff. Kaerst a. O.). Doch 275/4 kehrte Pyrrhos nach Griechenland zurück und begann den Angriff auf M., da sein Reich zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt wurde, wenn M. die Vorherrschaft über Griechenland behauptete. Ein Teil der Truppen des Antigonos ging sofort zu Pyrrhos über, da seine Herrschaft noch keine festen Wurzeln hatte schlagen können; die Phalanx folgte nach einer Niederlage der gallischen Söldner. Antigonos floh nach Thessalonike, Thessalien und ein großer Teil M.s ging verloren (Μακεδονίας δὲ τῆς ἄνω. Paus. a. O.), auch Aigai. Nur seiner Flotte verdankte Antigonos die Behauptung (Plut. Pyrrh. 26. Diod. XXII 11. 12. Paus. I 13, 2. 3. Iustin. XXV 3, 5–7. Euseb. I 243 Sch.). Als Antigonos, auf keltische Söldner gestützt, die Offensive wieder aufnahm, wurde er von dem Sohn des Pyrrhos, Ptolemaios, zum zweiten Male besiegt (Iustin. XXV 3, 7. 8). Da sich nun in Griechenland allerorten der Abfall regte, zog Pyrrhos nach dem Peloponnes, um ihn dem Antigonos zu entreißen: 273; in der Tat wurde er fast überall mit Freuden aufgenommen (Plut. Pyrrh. 26ff. Paus. I 13, 4ff. Iustin. XXV 4, 43. Vgl. Beloch IV 1² 575, 1). Nur Sparta erwehrte sich seines Angriffs. Inzwischen hatte sich Antigonos wieder in den Besitz seines Landes gesetzt und erschien nun ebenfalls im Peloponnes (Paus. I 13, 7). In dem Kampf um den Besitz von Argos ist Pyrrhos dann gefallen (272: Plut. Pyrrh. 31–34). Das epeirotische Heer ergab sich dem makedonischen Könige, der Epeiros dem ältesten Sohne des Pyrrhos ließ (Iustin. XXV 5, 2). Nun richtete Antigonos seine Herrschaft in Griechenland wieder auf, wobei er den Städten die Autonomie ließ. Nur begünstigte er natürlich seine Anhänger und sah gern, wenn sich Tyrannen der Herrschaft bemächtigten, die auf ihn angewiesen waren (Trog. prol. 26. Iustin. XXVI 1, 1ff. Polyb. II 4l, 10: πλείστους γὰρ δὴ μονάρχους οὗτος ἐμφυτεῦσαι δοκεῖ τοῖς Ἕλλησι. Vgl. IX 29, 5. 6. Näheres s. bei Beloch IV 2² 374ff.). Mit Ptolemaios II. stand er damals in guten Beziehungen, vgl. Geyer Art. Magas Nr. 2.

[742] Doch bald trübte sich das gute Verhältnis, und Ägypten suchte M. aus der beherrschenden Stellung in Griechenland zu verdrängen, wobei es an Sparta und Athen (Syll.³ 434/5: 266/5) Unterstützung fand. Nach hartnäckigem Kampfe fiel Areus von Sparta 264 bei Korinth, und Athen mußte sich ergeben: 263 (chremonidëischer Krieg: Beloch IV 1² 587ff. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten II 233ff. Kaerst 2415. Chronologie: Beloch IV 2² 502ff.). M. hatte seine Stellung in Griechenland behauptet. Über die Beteiligung des Antigonos an dem Kriege zwischen Antiochos II. und Ptolemaios II. vgl. Kaerst a. O. und die Werke von Niese und Beloch. – Von besonderer Bedeutung für die Stellung M.s war der Seesieg bei Kos (nach Niese II 130f. im chremonidëischen Kriege, nach Beloch um 257: IV 2² 506ff.), der die Kykladen in makedonische Abhängigkeit brachte (vgl. über die Folgen Beloch a. O. 512). Antigonos konnte daher den Druck, der auf Griechenland lastete, etwas erleichtern: er zog die Besatzung aus dem Museion von Athen zurück (Euseb. II 120. Synk. p. 524 Dind.). Dagegen brachte in dieser Zeit (genauere Zeitangabe nicht möglich: Beloch IV 1² 595ff. Niese II 236ff.) ein Krieg mit Alexandros von Epeiros M. in große Gefahr. Dieser hat sich nicht nur siegreich gegen die Illyrier behauptet, sondern im Bunde mit den Aitolern auch einen Teil von Akarnanien mit Leukas erobert. Nun fiel er in M. ein, und der Zauber von Pyrrhos’ Namen war noch so groß, daß ein Teil des Heeres zu Alexandros überging und Ober-M. verloren ging. Antigonos scheint M. verlassen zu haben. Doch sein Sohn Demetrios stellte die Manneszucht im Heere wieder her und schlug Alexandros zum Lande hinaus, ja, er eroberte sogar Epeiros, wo ein Aufstand Alexandros zur Flucht nach Akarnanien zwang (Iustin. XXVI 2, 9–3, 1. Euseb. I 243 und hierzu Niebuhr Kl. Schr. I 228f.). Die siegreiche Schlacht soll bei Derdia in der Eleiraiotis (Euseb. a. O.) stattgefunden haben; obwohl dieser Ort sonst nicht bekannt ist, wird die Notiz richtig sein, da die Eleimiotis die natürliche Verbindung zwischen Epeiros und M. herstellt (s. o. II B 1); auch weist Niebuhr a. O. mit Recht auf den eleimiotischen Fürstennamen Derdas hin. Die Stellung M.s in Griechenland wurde mit Ausnahme eines kurzen Kriegszuges der Spartaner gegen Megalopolis nicht erschüttert. – Ein großer Teil der griechischen Besitzungen wurde dem Könige jedoch jahrelang durch den Aufstand seines Neffen Alexandros entrissen, in dessen Hände Antigonos die Vertretung der makedonischen Interessen gelegt hatte. Der Mittelpunkt seiner Macht waren Korinth und Chalkis auf Euboia, die beiden ,Fesseln Griechenlands‘, wie er sich auf Euboia auch den Königstitel zulegte (vgl. über ihn Wilhelm o Bd. I S. 1436. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 444f. Beloch IV 2² 518ff.): um 250–244. Natürlich fingen auch sofort überall sich die Gegner M.s an zu rühren, und da die republikanische Bewegung im Wachsen war und in dem Bundesstaat eine neue Staatsform sich entwickelte, die straffe Zentralgewalt mit innerer Autonomie vereinigte, so verlor M. damals den größten Teil des Peloponnes (Sikyon 251, Megalopolis, Orchomenos, [743] Mantineia), wo der Achäische Bund sich immer weiter ausdehnte. Auch Phokis und Boiotien gingen durch den Anschluß an den Aitolischen Bund verloren. Doch nach dem Tode des Alexandros kamen durch die Heirat zwischen seiner Witwe Nikaia und dem makedonischen Thronfolger Demetrios Euboia und Korinth wieder in die Gewalt des Antigonos (gegen 244: s. die o. angegebene Literatur). Eine Folge der Wiedergewinnung der beiden wichtigsten Häfen war wohl der Sieg von Andros über die ägyptische Flotte, der auch zur See das Gleichgewicht wiederherstellte (vgl. über die Schlacht bei Andros Beloch 516ff., der sie 227 setzt, und die dort angeführte Literatur. Geyer 445). Doch schon 243 ging der wichtigste Platz in Griechenland, Korinth, durch Aratos wieder verloren, ein offener Friedensbruch, der klar zeigte, welches das Ziel der republikanischen Partei war (vgl. Polyb. II 50, 9. Plut. Arat. 18ff. Polyb. II 43, 4ff. Polyaen. VI 5. Paus. II 8, 4. Kaerst 2415; über Aratos Niese o. Bd. II S. 383ff.). Antigonos suchte durch ein Bündnis mit den Aitolern seine Stellung zu behaupten (Polyb. II 43, 9f. 45, 1. IX 38, 9). Dieser Schritt aber war doch ein Zeugnis dafür, daß von einer Hegemonie über Griechenland, wie sie Philippos II. aufgerichtet hatte, nicht mehr die Rede sein konnte. M. war zur Aufrechterhaltung seiner Vormacht auf Verständigung angewiesen. Auch war Antigonos nicht mehr in der Lage, in die Kämpfe zwischen Sparta, Aitolien und den Achäern einzugreifen (vgl. Beloch IV 1² 623ff.). 239 starb Antigonos, nach 34jähriger Regierung im Alter von 80 Jahren (vgl. die Chronographen bei Beloch IV 2² 115ff. und [Lucian.] Macrob. 11. Polyb. II 44, 2). Über seine literarischen Interessen und sein Hofleben s. Kaerst 2417. Tarn 223ff. Er hatte M. wieder zur Großmacht erhoben. – Sein Nachfolger war sein Sohn Demetrios (Kaerst o. Bd. IV S. 2792f.). Sein Regierungsantritt ließ natürlich die Hoffnungen der Feinde M.s anschwellen, der Aitolische und Achäische Bund schlossen sich zusammen, zu Boiotien, Elis, Messenien und Sparta bestanden enge Beziehungen. Durch die Versuche der Aitoler, den epeirotischen Teil von Akarnanien zu gewinnen, wurde Epeiros zum Anschluß an M. bewogen: Demetrios heiratete Phthia (Iustin. XXVII 1, 1–4). So kam es zum Kriege zwischen M. und dem Aitolischen Bunde, der von Aratos unterstützt wurde. Demetrios brachte Boiotien, Phokis und die opuntischen Lokrer zum Abfall von den Aitolern: 237/36 (Polyb. II 44, 1. 46, 1. XX 5, 3. Plut. Arat. 33. 34. Syll.³ 485. Vgl. über den Δηματριακὸς πόλεμος Beloch IV 2² 527ff. Kaerst a. O.). Ob er mit dem Demetrios ὁ Αἰτωλικός bei Strab. IX 451 gemeint ist, der tief in Aitolien eingedrungen sei, ist nicht sicher (vgl. Polyb. V 8, 6). Der Sieg des makedonischen Feldherrn Bithys über Aratos bei Phylakia (Plut. Arat. 34. Syll.³ 476) war nicht entscheidend (über den Ort vgl. Beloch 529f.); Attika hatte unter mehrfachen Einfällen der Achäer zu leiden (vg). auch Syll.³ 497). So konnte Demetrios sich um Epeiros nicht kümmern, und Akarnanien scheint Anlehnung an Rom gesucht zu haben (Iustin. XXVII 1, 5ff. Vgl. dazu de Sanctis Storia dei Romani III 1, 277f. und Holleaux Rome, la [744] Grèce et les monarchies hellénist. [Paris 1921] 5ff., der die Beziehungen leugnet). In Epeiros kam es infolgedessen zu dem Sturz des Herrscherhauses und Anschluß an die Aitoler und Achäer (Polyb. II 6, 1. 7, 11), während Akarnanien seine Beziehungen zu M. weiter pflegte (Polyb. II 2, 5). In derselben Zeit führte Demetrios einen Krieg mit den Dardanern, die Paionien besetzten und ihm eine Niederlage beibrachten (Liv. XXXI 28,2. Trog. prol. 28); der Krieg dauerte über Demetrios’ Tod hinaus (Iustin. XXVIII 3, 14). Wenn Bylazora von Philippos V. erobert wurde (217: Polyb. V 97, 1), so darf man doch nicht folgern, daß die Stadt vor dem Dardanerkriege makedonisch war (über die Lage s. o. II E); vielmehr ist diese Annahme sehr unwahrscheinlich. Doch gelang es Demetrios, mit dem illyrischen Könige Agron (vgl. über ihn Beloch IV l² 635f.) gegen Aitoler und Dardaner ein Bündnis zu schließen. Agron befreite denn auch die akarnanische Festung Medeon und besiegte die Aitoler (Polyb. II 2, 4 – 4, 5): um 230. Dagegen fand Epeiros zunächst gegen die Illyrier bei den Aitolern Hilfe, schloß sich dann aber den Illyriern an (Polyb. II 4, 6 – 7, 11). Nach erst zehnjähriger Regierung starb Demetrios II. 229 (Polyb. II 44, 2. Euseb. I 237. 238 [wo er mit seinem Oheim verwechselt wird]. 241). Sein achtjähriger Sohn Philippos V. folgte ihm unter der Vormundschaft des Antigonos, des Sohnes des Demetrios von Kyrene, als des ältesten Agnaten. Überall erhob sich der Aufstand, sogar Thessalien fiel mit aitolischer Hilfe ab, und die Dardaner erschienen von neuem im Lande. Doch gelang es Antigonos, Thessalien wiederzugewinnen und die Dardaner aus dem Lande herauszuschlagen (Trog. prol. 28. Iustin. XXVIII 3, 14). Beloch IV 2² 412ff. hat aus den Hieromnemonenlisten dieser Zeit und sonstigen Angaben geschlossen, daß damals die Thessaliotis und Hestiaiotis zum Aitolischen Bunde gehört haben, also offenbar von Antigonos den Aitolern überlassen wurden, um die Pelasgiotis zu retten; seine Beweisführung erscheint zwingend, und es wäre bei unserer trümmerhaften literarischen Überlieferung nicht zu verwundern, wenn wir sonst davon nichts hören. Nun heiratete Antigonos die Königinwitwe Chryseis und nahm auf Verlangen des Volkes, d. h. wohl der Heergemeinde auf Vorschlag der φίλοι oder ἑταῖροι des Königs (Plut. Aemil. 8: οἱ πρωτοι Μακεδόνων), den Königstitel an, nachdem er durch sein mannhaftes Auftreten eine Erhebung in der Hauptstadt unterdrückt hatte (Iustin. XXVIII 3, 11–16). (Über Antigonos vgl. Bettingen König Antigonos Doson von M., Diss. Jena 1912.) Allerdings waren inzwischen alle makedonischen Besitzungen in Griechenland verloren gegangen; selbst Athen war befreit worden (vgl. Beloch IV l² 638ff. Kaerst o. Bd. I S. 2418). M. besaß nur noch Euboia (Geyer Suppl.-Bd. IV 445f.) und Thessalien. Doch Antigonos verstand es, die Machtstellung seines Reiches in Griechenland wieder aufzurichten. Zunächst griff er in Kleinasien ein, wo Ägypten während der Wirren im Seleukidenreich seine Stellung gewaltig verstärkt hatte. Er wollte verhindern, daß Ägypten von hier aus auch auf Griechenland bestimmenden Einfluß gewann. Der Zug war erfolgreich, [745] mußte aber wegen der Verhältnisse in Griechenland abgebrochen werden: um 227 (Trog. prol. 26. Polyb. XX 5, 7–11). Hier eröffnete ihm die Reform Kleomenes’ III. von Sparta und dessen Bestreben, die alte Machtstellung Spartas wieder herzustellen, die Möglichkeit eines Eingreifens. Denn Kleomenes mußte in einen unversöhnlichen Gegensatz zum Achäischen Bunde kommen, so daß der leitende Staatsmann Aratos keine andere Wahl sah als den Anschluß an M. Es wurde ihm sehr schwer, da er wußte, daß der Bund in Abhängigkeit von M. geraten würde Als Preis forderte Antigonos Korinth, und auch dazu war Aratos bereit (s. Näheres bei Kaerst a. a. O. Niese o. Bd. II S. 286ff. Lenschau o. Bd. XI S. 702ff.). Es mußte schnell gehandelt werden, da die Massen überall mit Kleomenes, von dem sie eine Bodenreform erwarteten, sympathisierten. Der Kampf begann bei Korinth; Kleomenes mußte sich zurückziehen. Korinth fiel an M. (Polyb. II 53, 6 – 54, 3. Plut. Kleom. 21). Der Peloponnes wurde dem spartanischen König entrissen, und dieser sah sich auf Lakonien beschränkt, wo er 222 bei Sellasia entscheidend geschlagen wurde (s. o. Außerdem Beloch a. O. Kromayer Antike Schlachtfelder I 199ff.). Schon vorher hatte Antigonos den Hellenischen Bund, allerdings in loseren Formen, als κοινὴ συμμαχία wieder ins Leben gerufen, dem er als ἡγεμών vorstand. Es war keine Vereinigung von πόλεις mehr, sondern von κοινά. So war die makedonische Hegemonie wiederhergestellt (Polyb. II 54, 4. IV 9, 3. 4. 16, 1. 22, 2. 25. 26, 2. Vgl. Beloch 712f.). Nach seinem Siege hielt sich Antigonos nur kurze Zeit in Lakonien auf und behandelte Sparta mit großer Milde. Er mußte nach M. zurück, wo die Illyrier eingefallen waren; er traf sie noch im Lande an und schlug sie in einer Schlacht. Dann aber fiel er in eine Krankheit und starb bald darauf: 221 (Polyb. II 70. Plut. Kleom. 30. Euseb. I 239). – Ihm folgte der Sohn Demetrios’ IΙ., Philippos V., im Alter von 17 Jahren; zunächst war ihm ein Regentschaftsrat zur Seite gestellt (Polyb. IV 76, 1. 87, 6–8). Der junge König sah sein Reich genau so gefährdet wie einst sein Vater und sein Vormund. Der Tod des erfolgreichen Herrschers war das Signal zu Krieg und Erhebung. Die Aitoler waren durch die Gründung des Hellenischen Bundes zur Bedeutungslosigkeit verurteilt worden, und eine starke Kriegspartei wollte es deshalb zum Bruche treiben. So kam es über Feindseligkeiten gegen Messenien zum Kampfe zwischen dem Aitolischen und Achäischen Bunde (Polyb. IV 3–13). Trotzdem wiederstrebte die aitolische Bundesversammlung dem Eintritt in den offenen Krieg; aber eine neue offene Friedensverletzung durch aitolische Freibeuter zwang den Achäischen Bund zur Kriegserklärung (Polyb. IV 16–25). Philippos war zwar in Eilmärschen in den Peloponnes geeilt, hatte aber die Aitoler nicht mehr getroffen; dann hatte er mit Sparta den Vertrag neu beschworen (Polyb. IV 22ff.). Doch eine offene Empörung brachte auch in Sparta die Kriegspartei ans Ruder, und es kam zu einem Bündnis zwischen Sparta und den Aitolern (Polyb. IV 34. 35). Dagegen faßte Philippos damals auf Kreta festen Fuß (Polyb. IV 53–55). Er selbst unternahm [746] einen Zug nach Epeiros und von hier gegen Ambrakia und Aitolien (Polyb. IV 57, 1. 61–65). Inzwischen aber waren die Aitoler durch das Tempetal in Pierien eingefallen und hatten Dion zerstört. Sie waren dann zwar zum Schutze der Heimat umgekehrt, aber dafür hatte ein anderer Feind M.s, die Dardaner, sich zum Einfall gerüstet, Philippos eilte nach M. und wehrte so den drohenden Einbruch der Dardaner ab (Polyb. IV 62. 66, 1–7). Im Winter unternahm der König dann noch einen überraschenden Feldzug gegen Elis, der von vollem Erfolge begleitet war (Polyb. IV 67–80). Im nächsten Jahre (218) gelang ihm ein Einfall in Aitolien selbst, wobei der heilige Bezirk von Thermon gründlich zerstört wurde (Polyb. V 2–17). Auch Sparta wurde durch einen plötzlichen Überfall des Königs überrascht und das Eurotastal verwüstet (Polyb. V 18–24). In dieser Zeit hat der König auch die maßgebenden Männer im Regentschaftsrat beseitigt, die ihm lästig waren und ihre Stellung wohl auch mißbraucht hatten; dabei half ihm Aratos (Polyb. V 14–16. 25-30. Plut. Arat. 48). 217 unternahm Philippos einen Zug gegen die Dardaner den Axios aufwärts und eroberte die Stadt Bylazora, die größte Stadt Paioniens, um ein für allemal den Einfällen der Dardaner einen Riegel vorzuschieben. Die Stadt sperrte das Wardartal (es ist das h. Veles oder Köprülü) und erschwerte im makedonischen Besitz den Dardanern die Benutzung der Haupteinfallslinie (Polyb. V 97, 1. 2: οὐ γὰρ ῥᾴδιονἦν αὐτοῖς ἐμβαλεῖν εἰς Μαδεδονίαν κρατοῦντος Φιλίππου τῶν εἰσόδω διὰ τῆς προειρημένης πόλεως). Von dort zog Philippos mit dem gesamten Aufgebot nach Thessalien und eroberte nach kurzer Belagerung das phthiotische Theben; es wurde mit Makedonen besiedelt und erhielt den Namen Philippupolis (Φιλίππου τὴν πόλιν ἀντὶ Θηβῶν κατωνόμασεν: Polyb. V 97, 3–100). Nun erneuerten Rhodos und Chios mit Unterstützung Ptolemaios’ IV. ihre Bemühungen zur Wiederherstellung des Friedens. Die Aitoler waren nach den Erfahrungen der letzten Jahre dazu bereit, und Philippos wollte die Hände frei haben zur Verdrängung der Römer aus Illyrien, wozu jetzt nach dem Siege Hannibals am Trasimenischen See die Gelegenheit gekommen schien. Denn die Stellung Roms an der illyrischen Küste war eine ständige Bedrohung M.s. Erst 219 hatten die Römer durch Besetzung der von Demetrios von Pharos beherrschten Städte in bedrohlicher Nähe der unter M.s Einfluß stehenden illyrischen Gebiete festen Fuß gefaßt, und Demetrios selbst hatte bei Philippos Aufnahme gefunden (Polyb. III 16. 18. 19. 19, 8. IV 66,4. VII 9, 13). Seitdem hatte er beim Könige für den Krieg gegen Rom gewirkt und war für diese Fragen Vertrauensmann geworden (Polyb. V 101, 7ff. 105, 1. 108, 5–8). So kam der Friede auf Grund des Besitzstandes zustande (Polyb. V 102ff.): 217. Man war sich einig, daß der drohenden Gefahr aus dem Westen durch Einigkeit begegnet werden müsse; mit Recht hat Beloch IV l² 733 auf Polyb. V 104, 9–11 hingewiesen. (Vgl. auch Polyb. V 105, 4. Iustin. XXIX 3.) – Sofort nach dem Friedensschluß mußte sich Philippos nach Illyrien wenden, wo sein Nachbar, der illyrische Fürst Skerdilaïdas (s. d.), sich [747] schwerer Grenzübergriffe schuldig gemacht hatte. Eine kleine Stadt (πόλισμα) in Pelagonien, Pissaion (s. o. II E), war von ihm geplündert, einige Städte in Dessaretien durch Versprechungen oder Drohungen auf seine Seite gezogen worden und zwar Antipatreia, Chrysondyon, Gertûs, ein bedeutendes Gebiet des benachbarten M. angegriffen worden (Polyb. V 108, 1. 2). Daraus und aus 108, 8 können wir schließen, daß die Grenze M.s damals zwischen dem Ochrida- und Prespasee verlaufen sein muß; die genannten Orte sind sonst nicht bekannt, wie wir über die Topographie dieser Gegend überhaupt kaum etwas wissen. Die Illyrier sind über den Prespa hinaus in die Ebene von Monastir vorgedrungen, wo Pissaion gelegen haben muß. Philippos war nicht nur entschlossen, die eroberten Gebiete zurückzugewinnen, sondern wollte auch darüber hinaus die ewigen Kämpfe mit den Illyriern endgültig aus der Welt schaffen, zumal die Unterwerfung des Gebietes zwischen den Seen und der Küste für jede Unternehmung gegen Italien unerläßlich erscheinen mußte. Er gewann die Städte zurück und eroberte Kreonion, Gerûs (identisch mit Gertûs?), sowie am Lychnitis (Ochrida) Enchelanai, Kerax, Sation und Boioi und noch zwei Orte im Gebiete zweier illyrischer Stämme hinzu (Polyb. V 108, 8). Die vier Städte am Lychnitis legte Leake III 325ff. an das Westufer des Sees. Während des Winters ließ Philippos 100 sogenannte Lemben (s. d.) zur Beförderung von Truppen bauen und ging bei Beginn des Sommers 216 in See. Um den Peloponnes herum erschien er am Aoos in der Nähe von Apollonia. Hier aber erregte eine falsche Nachricht über das Nahen einer römischen Flotte bei ihm so große Bestürzung, daß er nach Kephallenia zurückfuhr. Dort erfuhr er, daß die Römer auf die Bitten des Skerdilaïdas nur zehn Schiffe von Lilybaion abgesandt hätten, er also wohl imstande gewesen wäre, seine Zwecke in Illyrien zu erreichen. So mußte er unverrichteter Sache zurückkehren, was seinem Ruf nicht förderlich war (Polyb. V 109. 110). Noch 216 trat Philippos nach der Schlacht bei Cannae mit Hannibal in Verhandlungen, und es kam zum Abschluß eines Bündnisses (Polyb. VII 9). [2] Für M. war am wichtigsten, daß den Römern alle Besitzungen an der illyrischen Küste entrissen werden sollten. Auch konnte Philippos erst in den italischen Krieg eingreifen, wenn die Römer aus Illyrien verdrängt waren. Doch waren diese in der Lage, eine Flottenabteilung in das Adriatische Meer zu schicken, um ihre Stellung zu behaupten, und sie fanden an den Illyriern und auch den griechischen Städten, die kurzsichtig genug der Unterordnung unter den makedonischen König das Bündnis mit der fremden Macht vorzogen, bereitwillige Bundesgenossen (Polyb. VIII 1, 6 B–W. Liv. XXIII 32, 16f. XXIV 11, 3). Ein Angriff des Philippos auf Kerkyra 215 v. Chr. scheiterte (Appian. Maced. 1); er mußte [748] vor allem erst Bundesgenossen in Griechenland werben, da er ohne eine Flotte nichts ausrichten konnte. Doch die Achäer und vor allem Aratos wollten von einer Unterstützung des Philippos bei seinen illyrischen Plänen nichts wissen; auch sie waren nicht weitsichtig genug, um die von den Römern ihrer Unabhängigkeit drohende Gefahr und die Notwendigkeit ihrer Verdrängung aus Illyrien zu erkennen, und fürchteten nur einen Machtzuwachs des Königs. So beschloß Philippös, den Griechen energischer gegenüberzutreten und sie zur Gefolgschaft zu zwingen; damit verlor er aber zugleich auch die Sympathien der Griechen, vor allem des Aratos, der bisher viel bei ihm gegolten hatte (vgl. Kaerst o. Bd. II S. 388f. Niese II 469). Zuerst suchte er in Messenien festen Fuß zu fassen, wich jedoch vor Aratos und seinem Sohn zurück (Polyb. VII 10. 12. Plut. Arat. 49f.). 214 ging Philippos wieder zur See gegen Illyrien vor, nahm Orikos ein und legte sich vor Apollonia; doch die römische Flotte eroberte Orikos zurück und entsetzte Apollonia. Die Makedonen mußten ihre Flotte verbrennen und sich auf dem Landwege zurückziehen; es scheint also, als habe das Hinterland von Apollonia damals zu M. gehört (Polyb. VII 14 d B–W. Liv. XXIV 40. Plut. Arat. 51), Darauf gab der König zunächst die Unternehmungen gegen die Küste und die griechischen Küstenstädte auf und suchte die illyrischen Stämme zu unterwerfen. Vor allem gelang ihm die Eroberung von Lissos (Alessio), was nach Polybios die ganze Gegend zur Unterwerfung veranlaßte (Polyb. VIII 13. 14); damals haben wohl die Atintanen, Ardiaier und Parthiner die makedonische Herrschaft anerkannt (Liv. XXVII 30, 13. XXIX 12. 13. Vgl. Polyb. VIII 14 b). Wenn Philippos weiter solche Erfolge hatte, geriet die Stellung der Römer in Illyrien ins Wanken, und die Gefahr einer makedonischen Unterstützung des Hannibal rückte nahe (vgl. Iustin. XXIX 4, 4). Doch die Römer wandten sich mit Erfolg an die Gegner M.s in Griechenland; fast alle, namentlich die Aitoler, waren in ihrer Kurzsichtigkeit bereit, M. im römischen Interesse zu bekämpfen, und dadurch wurde Philippos genötigt, seine illyrischen Unternehmungen aufzugeben. Zunächst wurde 212 ein römisch-aitolisches Bündnis geschlossen (Liv. XXVI 24. Iustin. XXIX 4, 5; vgl. Niese II 477f. de Sanctis III 2, 414f.; Täubler Imp. Rom. I 210f.). – 211 wandte sich Philippos zuerst gegen die Illyrier, verheerte das Gebiet von Orikos und Apollonia, zog dann nach Pelagonien und nahm hier eine Grenzstadt der Dardaner, Sintia, die Kiepert FOA XVI S. 4 a nach Petritsch an der Strumitsa legt. Nach Livius müßte sie jedoch im Norden der Ebene von Monastir gelegen haben, am Ausgang eines der Pässe in das Wardartal (vgl. Niese II 478, 3). Von dort eilte er nach Thessalien und vertraute die fauces Thessaliae seinem Sohne Perseus an. (Es sei darauf hingewiesen, daß der König damals erst 27 Jahre alt war, also sein Sohn Perseus erst ein kleiner Knabe gewesen sein kann.) Dann begab er sich in Eilmärschen an die thrakische Grenze gegen die Maeder, die häufig in M. einfielen; er verheerte ihr Gebiet und begann mit der Belagerung ihrer Hauptstadt Iamphorynna (Φόρουννα. Polyb. [749] IX 45, 3). Auf ein Hilfsgesuch der Akarnanen eilte er nach Einnahme der Stadt nach dem Süden, erhielt aber in Dion die Nachricht, daß die Aitoler den Angriff aufgegeben hätten; so kehrte er nach Pella zurück (Liv. XXVI 25). Die Römer kamen spät und erzielten nur geringe Erfolge. Doch wurde die Lage für Philippos schwieriger, da 211/10 die Eleer, Messenier und Spartaner und auch Attalos von Pergamon sich dem Bunde gegen ihn anschlossen (Niese II 481f.). So kam es 210 im Peloponnes zum Kriege gegen die Achäer, während Philippos in Südthessalien gegen die Aitoler vorging. Wichtig für seine Gegner war die Einnahme von Aigina. 209 wurde der Krieg eifrig fortgesetzt, die Achäer von Norden und Süden angegriffen, die Aitoler von Philippos bedrängt. Eine Friedensvermittlung von Rhodos, Chios, Athen und Ägypten unterbrach die Kampfhandlungen. Beide Parteien schlossen zunächst einen Waffenstillstand; da aber Pergamon und Rom die Kriegslust der Aitoler stärkten, kam der Friede nicht zustande (Polyb. X 25. Liv. XXVII 37) Von Kleonai aus, wo er die Nemeen feierte, gelang Philippos ein siegreicher Überfall auf plündernde Römer und Aitoler (Liv. XXVII 31). Auch der weitere Feldzug war für ihn günstig, als ihn eine beunruhigende Nachricht nach dem Norden rief. Hier war Lychnidos (Ochrida) in die Hände eines Aëropos (Eropus) gefallen, und die Dardaner waren auf seine Anregung in die Orestis eingefallen und hatten den campus Argestaeus verheert (s. o. II E unter Argos Orestikon) (Liv. XXVII 32, 9–33, S). Der Name des Empörers läßt darauf schließen, daß es sich um einen Angehörigen des Königshauses handelt oder er wenigstens Anspruch auf die Zugehörigkeit zu ihm erhob. Nach Iustin XXIX 4, 6 haben die Dardaner zahlreiche Gefangene mitgeschleppt, aber doch die Orestis wieder geräumt. Philippos ist ihnen gefolgt und hat die verlorenen Gebiete wohl sofort oder Ende 208 zurückgewonnen (Iustin. 8. 10). – 208 wurde Philippos von allen Seiten bedrängt; sogar Oreos (Histiaia) auf Euboia wurde von den Römern zerstört und ein Handstreich gegen Chalkis versucht; Verhandlungen in Herakleia in Trachis führten zu keinem Ergebnis (vgl. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 755. Niese II 489ff.). Aber im allgemeinen gelang es dem Könige, den Feinden standzuhalten und ihnen bedeutenden Schaden zuzufügen, wozu ihn seine Rührigkeit besonders befähigte. Um in Zukunft auch zur See der verbündeten römisch-pergamenischen Flotte entgegentreten zu können, ließ er in Kassandreia 100 Kriegsschiffe bauen (Liv. XXVIII 8, 14). Im folgenden J. 207 war seine Aufgabe leichter, da weder Attalos noch die Römer auf dem Kriegsschauplatz erschienen. Auch die Friedensversuche wurden erneuert, aber wieder ohne Erfolg, da die Römer wieder den Aitolern Unterstützung versprachen (Polyb. XI 4–6). Die Aitoler wurden aber von Philippos stark bedrängt und ihr Land gründlich verwüstet (Polyb. XI 7, 2f.). Im Peloponnes gewannen die Achäer unter Philopoimens Führung die entschiedene Oberhand. Im J. 206 wurde durch den Übertritt der Athamanen zu M. auch der bisher verschonte Teil Aitoliens den Makedonen preisgegeben (Liv. XXXVI 31, 11), und da die [750] Römer wieder nicht erschienen, kam es (206 oder 205) zum Frieden zwischen den Aitolern und M. und ihren Bundesgenossen (Liv. XXIX 12, 1–4). Die Römer schickten nun eine bedeutende Kriegsmacht nach Illyrien und begannen Dimallos zu belagern. Als Philippos kam, zogen sie sich nach Apollonia zurück und mußten zusehen, wie die Gegend verwüstet wurde (Liv. XXIX 12, 5–7). Da Philippos die Hoffnung aufgegeben hatte, die Römer aus Illyrien zu vertreiben, und die Römer ohne griechische Hilfe nichts erreichen konnten, kam es zum Frieden von Phoinike (205). Philippos verzichtete auf einige illyrische Plätze, behielt aber die Herrschaft über die Atintanen und Parthiner. In Rom wurde der Friede genehmigt (Liv. XXIX 12, 13ff. Appian. Maced. 8. Vgl. zum Frieden de Sanctis III 2, 435ff. Täubler 214ff.). So ging M. ehrenvoll aus dem Kriege hervor. Zwar war es dem Könige nicht gelungen, die Römer aus Illyrien zu verdrängen, aber er hatte doch seinen Machtbereich bis zur Adria ausgedehnt, scheint dagegen in Thessalien endgültig auf die südlichen Teile verzichtet zu haben (s. o. Beloch IV 2² 412ff.). Nach Polyb. XVIII 3, 12. 48, 8 gehörte Pharsalos 198 dem Philippos, muß aber nach den Worten der Aitoler vorher längere Zeit den Aitolern gehört haben. Aus Polyb. V 99, 3 liest man nun gewöhnlich heraus, daß Pharsalos 218 noch zu M. gehörte. Dann entsteht die Frage, wann Pharsalos aitolisch geworden ist (vgl. Niese II 503, 1). Meines Erachtens ist es nicht nötig, Polyb. V 99, 3 in diesem Sinne zu verstehen (wie auch schon Beloch 416 andeutet), und damit fällt die Notwendigkeit, die Erwerbung von Pharsalos durch die Aitoler in die Zeit nach 218 zu setzen. War der Süden Thessaliens seit Antigonos Doson aitolisch, so ist es verständlich, daß die Aitoler auch Echinos, Larisa Kremaste und das phthiotische Theben 198 als alten früheren Besitz bezeichneten; auch diese Städte sind dann wie Pharsalos erst nach 205 (Theben 217, s. o.) makedonisch geworden. Hatte so M. keine Gebietsverluste zu beklagen, war seine Stellung den Illyriern und Thrakern gegenüber sogar stärker geworden, so war die Tatsache bedenklich, daß die Einheit Griechenlands zersprengt war und auch bei den Achäern gegen Philippos starkes Mißtrauen bestand.

In Griechenland brach der Krieg bald von neuem aus; seitdem Nabis sich zum Herrn von Sparta gemacht hatte, war an dauernden Frieden im Peloponnes nicht zu denken, zumal die Achäer an Philopoimen einen tüchtigen Feldherrn hatten. Zugleich bewirkte das gesteigerte Selbstvertrauen des Achäischen Bundes eine größere Selbständigkeit M. gegenüber, und dadurch wurde die Machtstellung M.s empfindlich getroffen. Das Verhältnis zwischen Philippos und Philopoimen war daher gespannt (vgl. Plut. Philop. 12. Paus. VIII 50, 4. Iustin. XXIX 4, 11). Philippos fühlte die Notwendigkeit, M.s Macht durch eine großzügige Steigerung der eigenen Hilfsmittel und durch Erweiterung des unmittelbaren Besitzes zu erhöhen. Von Interesse ist seine Bürgerrechtspolitik gegenüber Larisa, dessen Bürgerschaft er schon 219 durch Aufnahme von Thessalern und anderen Hellenen zu vermehren versuchte; da er auf Widerstand und Ablehnung stieß, erneuerte [751] er 213 seine Anordnung und befahl die Wiederaufnahme der ausgeschlossenen Neubürger. Dabei ist bemerkenswert, wie gut der König über die Organisation der römischen Bürgerschaft orientiert ist; es ist ihm nicht zweifelhaft, daß die damalige weitherzige Bürgerrechtspolitik Roms zu den gewaltigen Erfolgen bestimmend beigetragen hat (Syll.³ 543). Diese Auffassung wird Philippos auch den übrigen griechischen Städten seines Machtbereiches und wohl auch den nach griechischem Vorbild organisierten makedonischen Städten gegenüber vertreten haben. Auch der Verstärkung und Verbesserung seiner Flotte wandte er erhöhte Sorgfalt zu. So verständig die innere Politik war, durch die Gewalttätigkeit der äußeren Politik hat er sich überall Feinde geschaffen. Zunächst scheint er im Norden beschäftigt gewesen zu sein; in Illyrien machte er nach Phoinike Eroberungen (Polyb. XVIII 1, 14. Vgl. XIII 10, 11), in Thrakien war er tätig (Polyb. XIII 10, 7–10), wo nach dem Zusammenbruch des Reiches der tylenischen Kelten die thrakischen Stämme sich wieder unangenehm bemerkbar machten. Von den bei Polybios genannten thrakischen Orten kann sicher nur Kabyle lokalisiert werden; es wird nach Golowitza am Tundscha gelegt (s. Forbiger Lehrb. d. alten Geogr. III² 741f.). Danach ist Philippos also etwa bis an den Südfuß des Balkan vorgestoßen. Dann hat er mit den Dardanern gekämpft und sie in einer großen Schlacht entscheidend geschlagen (Diod. XXVIII 2. Iustin. XXIX 4, 10). Auf seine Verwicklungen mit Rhodos sei nur hingewiesen. Ein großes Feld kriegerischer Tätigkeit schien sich dem König zu öffnen, als Ptolemaios IV. starb und unter seinem unmündigen Nachfolger schwere Unruhen in Ägypten ausbrachen: 205/04. Philippos schloß mit Antiochos III. von Syrien ein Abkommen zum Angriff auf Ägypten, um dieses seiner ägäischen Besitzungen zu berauben (Stellen bei Niese II 578). Ägypten besaß damals den größten Teil der thrakischen Küste von Maroneia an (Polyb. V 34, 8). 202 ging Philippos gegen diesen Besitz vor und ließ zugleich durch makedonische Schiffe Rhodos und die Kykladen beunruhigen (Polyb. XVIII 54, 7ff. Diod. XXVIII 1). Die hellespontischen Städte traten zu ihrem Schutz in den Aitolischen Bund (Polyb. XVIII 3, 11. XV 23, 8). Trotzdem fiel Lysimacheia in Philipps Hand, ebenso Sestos, Perinthos und Kalchedon (Polyb. XV 23, 9. XVIII 2, 4. 3, 11. 4, 5). Durch die Eroberung von Kios kam er in offene Feindschaft mit Rhodos (Polyb. XV 21f.). Auf der Rückfahrt vergewaltigte er Thasos, das ihm die Tore geöffnet hatte (Polyb. XV 24). – 201 brach er zur Eroberung der kleinasiatischen Besitzungen der Ägypter auf und nahm Samos, geriet aber nun in Kampf mit Pergamon und den Rhodiern mit ihren Verbündeten. Attalos und Rhodos riefen Rom um Hilfe an (Niese II 583f.). Philippos erlitt eine schwere Niederlage zur See und erreichte auch zu Lande nichts Entscheidendes; trotzdem setzte er den Krieg mit günstigerem Erfolge fort und eroberte eine Reihe karischer Plätze. Doch als sich die Verbündeten wieder vereinigten, verlor er Samos und andere Punkte und konnte sich nur mit Mühe nach M. durchschlagen. In Europa hatte er sich [752] die Aitoler zu Feinden gemacht; damals muß er die thessalischen Städte Pharsalos, Echinos, Larisa Kremaste den Aitolern entrissen haben (Polyb. XVIII 3, 12. Siehe oben). Die Aitoler wagten aber auf eigene Faust nicht loszuschlagen und wurden in Rom abgewiesen (Appian. Maced. 4, 2. Polyb. XVIII 38, 8f.). Auch mit Athen geriet Philippos in Streit, und die Athener wandten sich an ihre Freunde und nach Rom. Hier war man jetzt zum Kriege bereit, da ein mächtiges M. eine Gefahr für Rom werden konnte, und die Römer beschlossen einzugreifen, wollten aber vorher die beiden Könige zu trennen versuchen. Eine Gesandtschaft ging 200 zu Philippos mit der Forderung, den Krieg in Hellas einzustellen, seine Streitigkeiten mit Attalos und Rhodos einem Schiedsspruch zu unterwerfen und die Besitzungen des Ptolemaios nicht mehr anzugreifen (Polyb. XVI 27, 2. 34, 2. 3).

Als Attalos und die Rhodier in Europa erschienen, ging zunächst Athen zu ihnen über. Dagegen hielten sich die Aitoler und vor allem die Achäer zurück. Philippos war entschlossen, den Forderungen der Römer nicht nachzugeben; im Gegenteil ging er mit doppeltem Eifer gegen die ägyptischen Plätze in Thrakien vor. Maroneia, Ainos, Kypsela, Doriskos, Serrhaion, sodann die Orte am thrakischen Chersones wurden von ihm eingenommen (Liv. XXXI 16, 4ff.). Nach heftiger Bestürmung fiel auch Abydos in seine Hand, da Attalos und die Rhodier keine ausreichende Hilfe sandten (Polyb. XVI 29ff. Liv. XXXI 16, 6–18). Als der König nach M. zurückkehrte, erfuhr er, daß das römische Heer in Illyrien gelandet sei: 200 v. Chr. Zwar gelang es noch in diesem Jahre, mit athenischer Hilfe Chalkis zu nehmen; dafür aber wurde Attika von Philippos gründlich verwüstet (Liv. XXXI 24–26). Die Achäer ließen sich vom Könige nicht in den Krieg hineinziehen. Inzwischen hatten die Römer einen Angriff gegen die illyrischen Besitzungen M.s unternommen und waren in Dessaretien eingebrochen; Antipatreia wurde mit stürmender Hand genommen (Liv. XXXI 27) (vgl. zum Feldzug in Obermakedonien Kromayer Ant. Schlachtfelder II 9ff.). Nun stellten sich auch die Illyrier und Dardaner sowie Amynandros von Athamanien im römischen Lager ein. Dagegen hielten sich die Aitoler noch zurück, trotzdem ihnen jetzt die Römer das Bündnis anboten (Liv. XXXI 28–32). Philippos war auf seine eigenen Kräfte angewiesen; in seinem Heere finden wir nur illyrische und thrakische Söldner sowie Thessaler, Boioter und Akarnanen (Polyb. XVIII 22, 2. 43. Liv. XXXI 35, 1. XXXIII 14, 4. 5. 18, 7–9). Zudem wurde ein beträchtlicher Teil seines Heeres durch die Garnisonen in Griechenland, Thrakien und Karien in Anspruch genommen (Niese II 600, 2). 199 war Pelagonien (Lynkos), die Ebene von Monastir, der Kriegsschauplatz (s. über die von Liv. XXXI 33ff. genannten Örtlichkeiten und Flüsse o. II B 3, II E und III 1. 2). Hier hielt Philippos längere Zeit die Gegner fest, mußte sich aber dann gegen die Illyrier und Aitoler wenden und Obermakedonien den Römern preisgeben; diese durchzogen Eordaia, Elimeia und Orestis und kehrten dann nach Dessaretien und Illyrien zurück (Liv. XXXI 40). Nach Polyb. [753] XVIII 47, 6 haben sich dabei die Oresten den Römern angeschlossen (vgl. Liv. XXXI 40, 3), so daß also der Ursitz der Makedonen zuerst zu den Feinden überging. Dies erscheint um so merkwürdiger, als wohl Lynkestis und Elimeia, aber nie die Orestis sich feindlich gegen den makedonischen König gestellt hatte. Philippos war inzwischen zu spät gekommen, um die Dardaner noch im Lande zu erreichen; nachgesandte Truppen brachten ihnen Verluste bei (Liv. XXXI 40, 7. 43, 1f.). Er selbst wandte sich gegen die Aitoler, die jetzt auch in den Krieg eingetreten (Liv. XXXI 40, 9. 46) und in Thessalien eingebrochen waren; er überraschte sie und zwang sie zur Rückkehr (Liv. XXXI 41ff.). Auf den Seekrieg gehe ich hier nicht ein; nur seien der Angriff auf Kassandreia und die Eroberung von Akanthos (Liv. 45, 14ff.) und die zweite Eroberung von Histiaia auf Euboia erwähnt (Geyer Suppl.-Bd. IV S. 755f.). – 198 mußte Philippos alle Kräfte zusammenfassen; er zog seine Besatzung aus Lysimacheia und lieferte es damit den Thrakern aus (Polyb. XVIII 4, 5f.). Den Achäern machte er bedeutende Zugeständnisse (Liv. XXXII 5, 4ff.). (Vgl. zum Feldzug 198 Kromayer II 33ff.) Die Römer hatten einen Einfall durch die epeirotischen Gebirgsgegenden nach Thessalien geplant, aber Philippos kam ihnen zuvor, besetzte die Pässe am Aoos und befestigte sie stark, so daß die Römer keine Angriffe wagten (Liv. XXXII 5. 6. Plut. Tit. 3). Indessen traf der neue Consul T. Quinctius Flamininus im Lager ein. Seine Angriffe auf die Stellung des Philippos hatten keinen Erfolg, und eine Unterredung zwischen ihm und dem König führte bei den harten Forderungen der Römer zu keinem Ergebnis (Liv. XXXII 9. 10). Da gelang es Titus, unter epeirotischer Führung die Stellung des Königs zu umgehen, die nun bei einem Doppelangriff fluchtartig von den Makedonen verlassen wurde; die makedonischen Lager fielen den Römern in die Hände, aber Philippos konnte seine Truppen sammeln und nach Thessalien marschieren (Liv. 11 ff. Plut. Tit. 4). Hier ließ er einen großen Teil der Städte räumen, um sie nicht den Feinden überlassen zu müssen, und nahm im Tempe eine feste Stellung ein. Aitoler und Athamanen brachen in die Grenzgebiete Thessaliens ein (Liv. 13. 14. Polyb. XVIII 3, 9. Plut. Tit. 5), und auch die Römer erschienen dort. Doch vor Atrax fanden sie tapferen Widerstand, und da der Winter herannahte, räumte der Consul Thessalien und zog nach Phokis. Inzwischen hatte die Flotte Eretria und Karystos genommen (Liv. XXXII 16–18. Vgl. Polyb. XVIII 45, 5). Dann gelang es auch, die Achäer, die sich vor den Römern fürchteten und auch den Makedonen zu Dank verpflichtet waren, auf die römische Seita hinüberzuziehen (Liv. XXXII 19–23. Plut. Tit. 5. Appian. Maced. 7. Polyb. XVIII 6, 7. Niese II 616ff.). Philippos war in Griechenland fast ohne Freunde. Er mußte versuchen, zu einem annehmbaren Frieden zu kommen, und auch Titus, der den Krieg gern beendigen wollte und der Verlängerung des Oberbefehls nicht sicher war, hätte einen günstigen Frieden begrüßt. So kam es zu einer Zusammenkunft in Nikaia, auf der die Verbündeten ihre weitgehenden [754] Forderungen anmeldeten; der König war bereit, einen Teil zu erfüllen, und schließlich schickten er und die Verbündeten Gesandtschaften nach Rom. Hier wurden seine Gesandten entlassen, als sie auf Korinth, Chalkis und Demetrias nicht verzichten zu können erklärten (Polyb. XVIII 1ff. Liv. XXXII 32ff.). So zog Philippos für 197 alle irgendwie entbehrlichen Besatzungen an sich, zumal da trotz der Auslieferung von Argos auch Nabis von Sparta sich den Römern anschloß und dadurch zugleich die Achäer ihre ganze Kraft dem Kriege widmen konnten.

Und schließlich wurden sogar die Boioter gewonnen (Liv. XXXIII 1. 2). Der letzte Feldzug endete mit der Schlacht bei Kynoskephalai, in der die Makedonen nach tapferem Kampfe den Legionen erlagen (vgl. über den ganzen Feldzug und die Schlacht Kromayer Ant. Schlachtf. II 57ff.). Philippos mußte nach M. zurück; Thessalien fiel ganz den Römern in die Hände, ebenso Akarnanien nach rühmlichem Widerstand. Nur gegen die Dardaner war Philippos siegreich; mit schnell ausgehobener Mannschaft schlug er sie bei Stoboi entscheidend und trieb sie in ihr Gebiet zurück, so daß wenigstens das eigentliche M. von Feinden freiblieb (Liv. XXXIII 19). Im übrigen trat Titus bei den Verhandlungen dem Könige freundlich gegenüber und wies die überspannten Forderungen der Aitoler zurück. Philippos war bereit, alles früher von ihm verlangte zu bewilligen, und erhielt einen Waffenstillstand, um in Rom die entscheidenden Verhandlungen führen zu können. Da Antiochos III. in dem Kriege mit Ägypten große Erfolge erzielt hatte, hielt der Procousul es für klug, den makedonischen König nicht zum äußersten zu treiben und zu einem Anschluß an den Syrer zu zwingen, sondern ihm einen annehmbaren Frieden zu bewilligen. Dieselbe Ansicht herrschte im Senat vor, und so wurde der Friede auf Grund der vereinbarten Bedingungen von ihm genehmigt und auch vom Volke angenommen (Polyb. XVIII 34ff. Liv. XXXIII 11ff. Plut. Tit. 9. Täubler 228ff.). 196 trafen die Legaten des Senats in Griechenland ein, und Philippos räumte sofort sämtliche hellenischen Städte, vor allem Korinth, Chalkis und Demetrias, lieferte die Kriegsgefangenen und seine Kriegsschiffe bis auf sechs aus und verpflichtete sich, 1000 Talente zu zahlen (Polyb. XVIII 44. Liv. XXXIII 30. Appian. Maced. 9, 3. Plut. a. a. O. Vgl. Niese II 648, 2. de Sanctis IV 1, 92f.). Mit der Vorherrschaft M.s über Griechenland war es vorbei; das makedonische Volk war an seiner Weltherrschaft und der unausrottbaren Kleinstaaterei der Griechen verblutet (vgl. Münzer Die polit. Vernichtung des Griechentums, Leipzig 1925. Geyer N. Jahrb. III [1927] 523ff.). Die Römer erklärten die Griechen für frei, um sie möglichst zu vereinzeln und dann desto sicherer beherrschen können. Die Furcht vor dem syrischen Könige, dessen Macht ihnen viel größer erschien als sie in Wirklichkeit war, leitete sie bei dieser Atomisierung Griechenlands. Und die Griechen jubelten in ihrer Kurzsichtigkeit den Befreiern zu; sie ahnten nicht, wie bald nach der Ausschaltung ihrer natürlichen Vormacht die Stunde der Knechtschaft für sie schlagen sollte. – Von weiteren Entscheidungen der Senatskommission [755] seien als wichtig für M. noch hervorgehoben: Die Oresten wurden von M. abgetrennt und für frei erklärt, ebenso die Magneten und Perrhaiber; Thessalien wurde als selbständig anerkannt mit Einschluß des phthiotischen Achaia. Der Illyrier Pleuratos erhielt Lychnidos, dem Athamanen Amynandros wurden die von ihm besetzten Kastelle des Philippos überlassen (Polyb. XVIII 47. Liv. XXXIII 34ff.). Über Thessaliens neue Verfassung sowie über die der Magneten und Perrhaiber vgl. Swoboda in Hermanns Staatsaltert. III⁶ 238ff. 429ff. Busolt-Swoboda Griech. Staatsk. II 1491ff. Die Akarnanen behielten ihre Freiheit und schlossen mit den Römern ein Bündnis. – Philippos hatte im Tempe eine Zusammenkunft mit dem römischen Legaten Cn. Cornelius, der ihn zum Eintritt in das römische Bündnis bewog (Polyb. XVIII 48. Liv. XXXIII 35). Nur die Aitoler waren unzufrieden und nicht ohne Grund; da sie sich in keiner Weise gerecht behandelt fühlten, mußten sie jedem Feinde Roms zufallen.

Für alle Einzelheiten der römischen Politik in Griechenland verweise ich auf Niese II 653ff. Als die römischen Kommissarien und Soldaten 194 Griechenland räumten, stand in der Tat kein fremder Soldat auf griechischem Boden. – Inzwischen hatte Antiochos bereits in Europa festen Fuß gefaßt, die Städte des Chersones besetzt und Lysimacheia wiederaufgebaut (Liv. XXXIII 38). Hier trafen ihn die römischen Gesandten, die ihn vor allem zur Herausgabe der dem Philippos abgenommenen Städte aufforderten; zu einer Einigung kam es nicht, da Antiochos jede Einmischung der Römer in Asien zurückwies und die thrakischen Städte als von seinem Ahnherrn gewonnen bezeichnete (Polyb. XVIII 49. Liv. c. 39. Diod. XXVIII 12. Appian. Syr. 2; vgl. Liv. XXXIV 58, 5). Der Krieg schien damals schon bevorzustehen. 195 eroberte Antiochos die thrakische Küste bis Maroneia und Ainos, verbündete sich mit Byzantion und half den Griechenstädten am Pontos (Appian. Syr. 6). Dann schickte er Gesandte nach Rom, wo damals auch Gesandte aus M., Griechenland und Asien anwesend waren (Diod. XXVIII 15. Liv. XXXIV 57. App. a. a. O.). Der Senat suchte im Hinblick auf den kommenden Krieg alle zu befriedigen und versprach vor allem Philippos, ihm, wenn er am Bündnis festhalte, seinen Sohn Demetrios zurückzuschicken und den Rest der Kriegsentschädigung zu erlassen (Diod. XXVIII 15. Vgl. Liv. XXXV 31, 5). Aus der Liviusstelle scheint auch hervorzugehen, daß ihm Magnesia und Demetrias zugesagt worden ist. Die Verhandlungen mit den Gesandten des Antiochos verliefen ergebnislos: 193 v. Chr. Auch taten die Aitoler, die den römischen Einfluß in Griechenland brechen wollten, alles, um Antiochos zum Kriege zu treiben. Man versuchte auch Philippos für den Krieg zu gewinnen (Liv. XXXV 12, 15ff.) und behauptete vor Antiochos, er sei bereit loszuschlagen. So ließ sich der syrische König zum Übergang nach Griechenland bestimmen, wo Nabis längst den Krieg begonnen hatte und 192 auch die Aitoler die Feindseligkeiten eröffneten. Verhandlungen mit Philippos hatten zu keinem Ergebnis geführt; der makedonische König hielt sich wohl [756] zurück, weil er an einen Sieg des Antiochos nicht glaubte und wegen der engen Verbindung mit den Aitolern auch nicht für wünschenswert hielt (vgl. Liv. XXXIX 28). Antiochos war in keiner Weise den Römern gewachsen, und so endete der Krieg mit seiner vollen Niederlage und der Verdrängung aus Kleinasien (189 v. Chr.). Philippos hatten die Römer durch eine Truppenabteilung in Illyrien beobachten lassen (Liv. XXXVI 1. Appian. Syr. 15. 16). Doch eine bewußt feindliche Handlung des Antiochos, der des Athamanen Amynandros Schwager, einen angeblichen Nachkommen Alexanders d. Gr. und Prätendenten für den makedonischen Thron, die Gebeine der bei Kynoskephalai gefallenen Makedonen bestatten ließ, hatte Philippos auf die Seite der Römer getrieben (Liv. XXXVI 8, 5f. 10, 10. Appian. Syr. 16). Man sicherte ihm die den Aitolern und ihren Bundesgenossen abgenommenen Gebiete zu. Er ließ darauf sofort römische Truppen durch sein Gebiet nach Thessalien hindurch. Hier beteiligte er sich selbst 191 eifrig am Kriege (Liv. c. 13), eroberte nach Ankunft des Consuls Athamanien (Liv. c. 14. 32, 1. Appian. Syr. 17). Nach der Schlacht bei den Thermopylen belagerte er vergeblich Lamia und mußte schließlich den Römern Platz machen (Liv. XXXVI 25); dies kränkte ihn schwer. Als daher ein Bote der Aitoler an Antiochos in seine Hände fiel, behandelte er ihn freundlich und machte ihm gegenüber den Aitolern wegen ihres Verhaltens gegen die Römer und Antiochos Vorwürfe; darauf entließ er ihn mit dem Auftrage, seine Landsleute seines Wohlwollens zu versichern (Polyb. XX 11). Der Consul lenkte ein und überließ dem Könige die Eroberung der noch im aitolischen Besitze befindlichen Städte Thessaliens und seiner Nachbargebiete (Liv. XXXVI 33, 1. XXXIX 23. 28). Er gewann zunächst Demetrias und Magnesia sowie einige perrhaibische Städte und unterwarf dann die Doloper und Aperanten (Liv. XXXVI 33, 7. 34, 9. Plut. Tit. 15). Zugleich entließ der Senat seinen Sohn Demetrios mit den übrigen Geiseln und versprach Erlaß der Kontribution (Polyb. XX 3. 11, 9. Liv. XXXVI 35, 12). Als die neuen Feldherren 190 in Griechenland eintrafen, kam man auch zu einem vorläufigen Abkommen mit den Aitolern, und so war der Weg nach Asien frei. Das Heer zog durch Thessalien, M. und Thrakien zum Hellespont. Philippos hatte für alles Sorge getragen, die Straßen in Ordnung gebracht, Brücken gebaut, Lebensmittel bereit gestellt, empfing seine Gäste mit großer Liebenswürdigkeit und geleitete sie durch M. und Thrakien (Liv. XXXVII 7, 7ff. XXXIX 28. Appian. Syr. 23. 28. 43; Maced. 9. 5). Dafür wurde ihm der Rest der Kontribution erlassen (Appian. Syr. 23; Maced. a. O.). Die Seesiege der Römer und ihrer Verbündeten erregten bei Antiochos große Besorgnisse; er glaubte, alles zur Entscheidungsschlacht an sich ziehen zu müssen, und räumte sogar Lysimacheia, das den Römern den Übergang noch hätte sperren können (Diod. XXIX 5. Liv. XXXVII 31. Appian. Syr. 28. 37). So konnte das römische Heer unbehindert übersetzen. – Nach dem Siege über Antiochos und über die Galater traten 189 die Römer wieder durch Thrakien und M. den Rückzug [757] an. Er war weit verlustreicher als der Hinmarsch, und man machte es dem Manlius zum Vorwurf, daß er sich mit Philippos nicht in Verbindung gesetzt hatte (Appian. Syr. 43; Maced. 9, 5. Liv. XXXVIII 41). – Schon 190/89 hatte Philippos Athamanien wieder verloren (Liv. XXXVIII 1. 2). Die Aitoler entrissen ihm darauf auch das Gebiet der Aperanten und Doloper (Liv. c. 3, 3ff. Polyb. XXI 25, 3ff.). Als dann die Aitoler nach ihrer Besiegung durch M. Fulvius Nobilior um Frieden nachsuchten, erhielt er die Gebiete nicht zurück, weil man ihn nicht zu mächtig werden lassen wollte (Liv. c. 10, 3ff. Vgl. Polyb. XXI 31). – Seine Erwerbungen suchte Philippos nun möglichst eng an M. anzuschließen; der Name Philippupolis für Gomphoi (Liv. XXXIX 25, 3) ist allerdings wohl auf Philippos II. zurückzuführen (vgl. Head HN² 294f.). In Thrakien gewann er Ainos und Maroneia zurück (Liv. c. 23. Polyb. XXII 6, 7. 13, 5. 9). Die Klagen seiner Gegner fanden aber bei den Römern, die ihn mit Mißtrauen beobachteten, williges Gehör; in Thessalien sind ihm einige Plätze mit Gewalt genommen worden (Liv. XXXIX 26, 1f.). In Rom trafen seine Gegner 187 ein (Gaebler Ztschr. f. Num. XXXVI 111ff.); der Senat schickte eine Kommission nach M., die im Tempe mit Philippos und seinen Gegnern zusammentraf. Wie anzunehmen fiel die Entscheidung gegen ihn; er mußte die Plätze in Thessalien, Perrhaibien und Athamanien räumen. Von seinen Erwerbungen behielt er nur einige phthiotische Städte und Demetrias mit Magnesia (Liv. c. 24ff. Polyb. XXII 1). In Thessalonike wurde dann weiter über die thrakischen Städte verhandelt; bis zur Entscheidung des Senats sollte er sie räumen. 185/4 wurde auch diese Frage zu seinen Ungunsten entschieden; er mußte auf die thrakischen Städte endgültig verzichten (Polyb. XXIII 8, 1. 2). Vorher ließ er durch thrakische Soldaten seine Widersacher in Maroneia niedermachen (Polyb. XXII 11. Liv. c. 33ff. Vgl. Polyb. XXII 1, 5. 13). Dadurch hatte er sich so bloß gestellt, daß er einlenken mußte, da er zum Kriege noch keineswegs gerüstet war. Er schickte daher seinen Sohn Demetrios nach Rom, wo dieser zahlreiche Ankläger vorfand; er fand günstige Aufnahme. Nur die Räumung Thrakiens mußte jetzt ganz vollzogen werden (Polyb. XXII 1ff. Liv. 46ff. Appian. Maced. 9, 6. Iustin. XXXII 2, 3ff.). Da er sich während des Krieges große Verdienste um Rom erworben hatte, sah er in diesem Vorgehen des Senates schnöden Undank und berechnete Kränkung, und fortan setzte er seine ganze Kraft an die Wiederaufrichtung seines Landes, um dereinst mit Aussicht auf Erfolg den Entscheidungskampf mit Rom aufnehmen zu können (Polyb. XXII 18, 10 B.-W. 14, 7. XXIII 8, 1f. 10, 4. Liv. XXXIX 23. 29). Er suchte alles aufzuhäufen, was zu einer erfolgreichen Kriegführung notwendig schien (Polyb. XXV 3, 9f. Plut. Aemil. 8. Appian. Maced. 11, 1. Vgl. Iustin. XXXII 3, 4). Er erhöhte die Grundsteuern und die Hafenzölle, nahm die stillgelegten Bergwerke wieder in Betrieb und legte neue an, suchte die Bevölkerungszahl sowohl durch Vergünstigungen für kinderreiche Familien wie auch durch Ansiedlung von Thrakern zu erhöhen (Liv. c. 24). Dabei suchte [758] er seine Vorbereitungen möglichst zu verheimlichen, vernachlässigte daher die an den großen Straßen und an der Küste gelegenen Städte, sammelte dagegen in den Plätzen im Innern Waffen und Mannschaften, legte dort Schatzhäuser und Getreideschuppen an zur Unterhaltung einer großen Söldnerzahl (Plut. Aemil. 8). Aus den bedeutendsten Küstenstädten – es sind wohl in erster Linie die griechischen gemeint – verpflanzte er viele Bürger mit Weib und Kind in das makedonische Binnenland und ersetzte sie durch Thraker und andere Barbaren (Polyb. XXIII 10, 4ff. Liv. XL 8). Wenn Polybios hier εἰς τὴν νῦν μὲν Ἡμαθίαν, τὸ δὲ παλαιὸν Παιονίαν προσαγορευομένην sagt, so kann er damit nur M. am Axios bis zum Engpaß von Demir Kapu meinen; daß Emathia als Landschaftsname sonst in historischer Zeit nicht bezeugt ist, ist oben II A 1 ausgeführt worden. Die Kinder der von ihm Hingerichteten ließ er in Haft nehmen, um von ihnen nichts befürchten zu müssen (Polyb. a. a. O. Liv. a. a. O.). Auch die Münzpolitik des Königs wurde von dem Streben nach Erhöhung der Machtmittel des Staates geleitet. Er gestattete den Distrikten, sich an der Ausbeutung der Bergwerke zu beteiligen und aus ihrem Ertrage eigene Münzen zu prägen; dadurch wurden sie an einer möglichst intensiven Ausbeutung interessiert. Unter Philippos und Perseus haben mindestens fünf Distrikte eigene Münzen geprägt, und zwar Edonis, Amphaxitis, Bottiaia, Doberos und Parauaia; sie haben Silber- und Bronzemünzen herausgebracht (alles weitere bei Gaebler Ztschr. f. Numism. XX 169ff. XXXVI 188ff. und Die antiken Münzen Nordgriechenlands III 1 (1906) S. 1ff., 26ff.). Auch Städte erhielten das Münzrecht. Außerdem suchte der König im Norden und Osten sein Machtgebiet zu erweitern. In Thrakien scheint er noch Besitzungen bis in die Gegend von Abdera, Maroneia und Ainos gehabt zu haben (Diod. XXXI 8, 8). Nach der Besiegung des Antiochos war er auch wieder der geborene Schirmherr der hellenischen Städte in Thrakien. So half er 184 v. Chr. den Byzantinern gegen die Thraker an der Propontis, nahm deren Fürsten Amadokos gefangen und soll schon damals die an der Donau wohnenden Barbaren zu einem Kriege gegen Italien aufgereizt haben (Polyb. XXII 14, 12. Liv. XXXIX 35). Darauf zog er gegen die Odrysen, Besser und Dentheleten, besiegte sie, nahm und besetzte Philippupolis und gründete auf dem Rückmarsch, der ihn zum Axios geführt haben muß, im Gebiet der Deurioper am Erigon die Stadt Persëis (s. o. II B 4 und II E: Polyb. XXIII 8, 3ff. Liv. c. 53). Bald darauf fiel Philippupolis wieder in die Hand der Odrysen (Polyb. a. a. O); wann die Odrysen wieder unterworfen wurden, deren König Kotys (s. d.) noch bei Pydna Heerfolge leistete (Liv. XLIV 12), ist unbekannt. – Einen größeren Feldzug unternahm Philippos dann 181 gegen die Maeder, im Gebiete der Rhodope. Er brach von Stoboi am Axios auf, durchzog die Einöde bis zum Balkan und soll hier einen Gipfel erstiegen haben, von dem aus man nach allgemeinem Glauben das Adriatische wie Schwarze Meer erblicken konnte. Nach einem Abstecher in das Gebiet der Dentheleten griff er darauf die Maeder an und nahm [759] ihre Stadt Petra ein. Ein großer Teil Thrakiens war der makedonischen Herrschaft unterworfen (Liv. XL 21f. 24. 56). Darüber hinaus knüpfte Philippos mit den Bastarnern an der Donau an, um sie gegen die Dardaner, aber auch gegen die Römer zu benutzen (Liv. XL 5. 57f. XL II 11. Iustin. XXXII 3, 5). – Auf den Zwist im Königshause, der mit der Vergiftung seines jüngeren Sohnes Demetrios endete, einzugehen, ist hier nicht der Ort (vgl. Kaerst o. Bd. IV S. 2794f. Niese III 31ff.). Als sich nach dem Tode des Sohnes die Beschuldigungen als unwahr herausstellten und Perseus bereits zu sehr den künftigen König herauskehrte, soll Philippos daran gedacht haben, einen entfernten Verwandten Antigonos zur Nachfolge zu empfehlen. Ehe aber Entscheidendes geschah, starb der König in Amphipolis 179 v. Chr. (Liv. c. 56. Euseb. I 239. 240). Es folgte ihm sein Sohn Perseus, der 10 Jahre 8 Monate regierte (Euseb. a. O.); Antigonos wurde beseitigt (Liv. XL 58, 9. Vgl. Heiland Untersuchungen zur Gesch. des Königs Perseus von M., Diss. Jena 1913). Gleich nach seiner Thronbesteigung mußte er gegen den Thraker Abrupolis ziehen, der in das Gebiet am Pangaion einfiel und bis vor Amphipolis streifte. Er vertrieb ihn und stellte die Vorherrschaft M.s in Thrakien wieder her (Polyb. XXII 18, 2f. Appian. Maced. 11, 2. 6. Diod. XXIX 33. Liv. XLII 41. Paus. VII 10, 6). Der Senat begrüßte ihn, nachdem er in Rom die Erneuerung des Bündnisses nachgesucht hatte, durch eine besondere Gesandtschaft (Liv. XL 58 a. E. XLI 24, 6. Diod. XXIX 30). Im Lande selbst suchte Perseus durch Wohlwollen und Gnadenerlasse sich Freunde zu erwerben, und Griechenland gegenüber schlug er Bahnen ein, die zum Zusammenstoß mit Rom führen mußten, so wenig er auch an einen Krieg denken mochte. Er wollte den makedonischen Einfluß wieder herstellen, und alle Gegner Roms mußten in ihm ihren natürlichen Führer sehen (vgl. Polyb. XXV 3. Liv. XLII 11. Appian. Maced. 11, 1). Er war sich aber nicht klar, daß Rom diese Bestrebungen nicht dulden konnte, denn M. und Griechenland, geeinigt unter der Führung eines entschlossenen Herrschers, war noch immer ein Achtung gebietender Gegner. Aber wieder aufrichten konnte Perseus die Großmaehtstellung M.s nur, wenn er entschlossen und rücksichtslos in Griechenland durchgriff und auch vor dem Entscheidungskampf nicht zurückschreckte. Daß er wohl überall Verbindungen anknüpfte und Hoffnungen erweckte, aber den Mut zu entschlossener Tat nicht fand, hat ihn und mit ihm M. ins Verderben geführt. – Roms Mißtrauen wurde auch durch eine Gesandtschaft der Dardaner geweckt. Gegen diese hatten sich die Bastarner, wie es mit Philippos verabredet war, in Bewegung gesetzt und nach M. ihren Anmarsch gemeldet. Auf die Nachricht vom Tode des Philippos weigerten sich die Thraker, Lebensmittel zu liefern; es kam zu Plünderungen und Kämpfen. Ein Teil der Bastarner griff trotzdem, unterstützt von Thrakern, die Dardaner an, und diese wurden schwer bedrängt und wandten sich nach Rom, das Gesandte schickte. Anfang des Winters gelang es dann den Dardanern, die Bastarner zum Abzug zu zwingen. Perseus wurde von Rom eindringlich [760] ermahnt (Liv. XL 57ff. XLI 19. Polyb. XXV 6. Appian. Maced. 11, 1f.). Auch Byzantion scheint von ihm unterstützt worden zu sein (Appian. a. a. O. Liv. XLII 40). Als in Illyrien ein Fürst ermordet wurde, die Mörder bei Perseus Zuflucht fanden, wurde auch dies gegen ihn ausgenutzt (Appian. 11, 6. Liv. XLII 13, 6. 40, 5. 41). In Thessalien befürchteten die Römerfreunde einen Umsturz zugunsten M.s, die Boioter schlossen ein Bündnis mit Perseus, und bei den Aitolern nahm sein Anhang ständig zu (Belege bei Niese III 102f.). Die Doloper zwang er zur Unterwerfung, besuchte aber bei dieser Gelegenheit Delphi, was wieder zusammen mit Kundgebungen an die hellenischen Gemeinden bei seinen Feinden Verdacht erregen mußte (Liv. XLI 22. 23. XLII 13. Polyb. XXII 18, 4. Appian. a. a. O.). Auch mit den Achäern knüpfte Perseus wieder an. Als es dann in Aitolien und Thessalien zu Unruhen kam, wurden auch diese dem Perseus zur Last gelegt. Er versuchte sich noch einmal in Rom zu rechtfertigen, und der Senat konnte ihm Vertragsverletzungen nicht nachweisen, verlangte jedoch Wiedereinsetzung des Abrupolis, was Perseus nicht versprechen konnte (Liv. XLII 41. Diod. XXIX 33). Vor allem sah Eumenes von Pergamon sein Ansehen bei den Griechen immer mehr schwinden, das des Perseus wachsen, und so entschloß er sich, persönlich zur Anklage nach Rom zu gehen. Seine Rede hat im Senate den Entschluß zum Kriege gezeitigt; denn die Römer trauten dem Perseus dieselben feindlichen Pläne zu wie Eumenes. Der Pergamener unterstrich die Gefahr, die Rom aus dem starken makedonischen Königtum erwuchs, und die Römer entschlossen sich, diese Gefahr durch die Vernichtung M.s zu beseitigen. So verriet ein hellenistischer König den andern, ohne zu ahnen, daß die Reihe schließlich auch an ihn kommen werde. Die Gegenreden der Makedonen und Rhodier waren vergeblich. Sofort suchten die Römer überall nach Bundesgenossen. Perseus, der vor dem Kriege zurückschreckte, hat noch einmal den Weg der Verhandlungen betreten, doch den Römern damit nur Zeit zur Rüstung verschafft und seine Anhänger in Griechenland entmutigt. In dieser Zeit verstanden es die Römer, für die der Krieg beschlossene Sache war, fast alle griechischen Staaten und fremden Herrscher auf ihre Seite zu ziehen, während Perseus bei Ausbruch des Krieges fast allein stand. Auch die Dardaner und Illyrier standen auf Seiten der Römer; nur der Odryse Kotys hielt zu M. (s. o.). Trotzdem wäre auch jetzt der Sieg oder wenigstens ein ehrenvoller Ausgang möglich gewesen, wenn Perseus Entschlossenheit gezeigt hätte. Sein Heer war bedeutend (vgl. über die Heereszahlen und den ganzen Feldzug Kromayer II 231ff.; über die Schlacht bei Pydna noch Ed. Meyer Kl. Schr. II 463ff.). Geld und Getreide waren im Überfluß vorhanden, ebenso Waffen, die Städte stark befestigt (Plut. Aemil. 8. 28). Gegen Norden boten die befestigten Wardarengen Schutz; auch scheint das Gebiet am Schar Dagh (Skardos) eine Einöde gewesen zu sein, wie aus dem Bericht des Polybios XXVIII 8, 3 über die Reise der Gesandten des Perseus zu Genthios (nach Skutari) hervorgeht: διὰ τῆς Ἐρήμου καλουμένης Ἰλλυρίδος. Dagegen [761] machten die Illyrier von Westen her, von Lychnidos, Einfälle in Ober-M. (Liv. XLIII 9f. 18). 171 zog Perseus wohl den Römern nach Thessalien entgegen und behauptete sich hier rühmlich, wenn er auch immer wieder Friedensanerbietungen machte, aber dann beschränkte er sich auf die Verteidigung M.s (s. Kromayer a. a. O.), zwei Jahre hindurch erfolgreich. Er konnte sogar einen erfolgreichen Feldzug gegen die Dardaner unternehmen (Plut. Aemil. 9. Liv. XLIII 18, 2. Vgl. Polyb. XXVIII 8, 2f.). Niese III 130, 5 möchte die Eroberung von Chalestron (Diod. XXX 4) hierher ziehen, da von einer Empörung von Chalastra an der Mündung des Axios (s. o. II E) nichts berichtet werde. Es wäre immerhin möglich, daß Chalestron ein illyrischer Ort gewesen ist; unwahrscheinlich ist die Annahme Heilands 61. Auch im Westen wurden die Grenzen gehalten. Ein energischer Vorstoß des Perseus im 3. Kriegsjahr (169) hätte vielleicht die Kriegslage erheblich ändern können. Aber statt nach Süden brach Perseus im Winter 170/69 plötzlich nach Nordwesten auf, um die römischen Streitkräfte und ihre illyrischen Verbündeten um Lychnidos heimzusuchen und mit dem Könige Genthios in Verbindung zu treten (Liv. XLIII 18. Vgl. Niese III 140f. Über die weiteren Verhandlungen mit Genthios und den Abschluß des Bündnisses s. Staehelin o. Bd. VII S. 1199f.). Er zog von Styberra im Gebiet der Deurioper (bei Prilep, s. o. II E) nach Uscana (Hyskana: Polyb. VIII 14 b, 2. XXVIII 8, 11), der Hauptstadt der Penesten, vielleicht im Telovo südlich vom Schar Dagh, wo eine bedeutende römische Besatzung lag, die kapitulieren mußte. Von hier drang er weiter vor und eroberte den Ort, der den Übergang über den Schar Dagh beherrschte (Oaeneum). So konnte er eine Gesandtschaft an Genthios schicken (Polyb. XXVIII 8). Nach einem zweiten Vorstoß des Perseus unterwarf sich ein Teil der Penesten und die Parthiner und stellten Geiseln; dagegen gelang die Wiedereroberung von Uscana durch die Römer nicht (Liv. XLIII 18–21). Das Verständnis dieser Züge wird durch das Dunkel, das über der Topographie dieser Gebiete liegt, außerordentlich erschwert. Ein Anschlag auf Aitolien mißlang (Liv. c. 21). – 169 gelang es den Römern, in die Küstenebene am Ostfuß des Olymps einzudringen (Kromayer a. a. O. 267ff.); die Lage, in die das römische Heer geriet, war sehr schwierig, da sie rings von feindlichen Befestigungen eingeschlossen waren und keine Lebensmittel hatten. Aber Perseus verlor vollkommen den Kopf und räumte die Pässe, auch das Tempetal, womit er die rückwärtigen Verbindungen den Römern freigab. Trotzdem mußte der Consul bis nach Phila am Ausgang des Tempe zurückgehen. Die römische Flotte erschien an der makedonischen Küste bei Thessalonike, Aineia, Antigoneia auf der Chalkidike und belagerte schließlich Kassandreia; doch mußten die Verbündeten die Einschließung aufgeben, und ein Handstreich gegen Demetrias hatte ebensowenig Erfolg (Liv. XLIV 10ff.). Auch vor Amphipolis erschien Eumenes (Polyb. XXIX 6 1). – 168 kam endlich das Bündnis mit Genthios zustande (Staehelin a. a. O.), das auf die Feinde M.s Eindruck machte. Auch brachte es [762] Perseus jetzt über sich, für sein Geld Söldner zu werben. 20 000 Bastarner erschienen an der Grenze, der König dirigierte sie nach Bylazora in Paionien. Da wollte er an dem ausgemachten Solde sparen und hielt mit dem Geld zurück. Schließlich zerschlugen sich die Verhandlungen; die Barbaren verwüsteten Thrakien und zogen zurück, trotzdem sie der König vorzüglich hätte gebrauchen können (Liv. XLIV 26. 27. Diod. XXX 19. XXXI 14. Plut. Aemil. 12. App. Maced. 18). Auch den Genthios betrog er um die verheißene Unterstützung (Liv. c. 27. App. a. a. O. Plut. 13). – 168 begann der Feldzug mit einer Unternehmung der makedonischen Flotte, die bis nach Kleinasien vordrang und den Feinden mannigfachen Schaden zufügte (Liv. c. 28). Die Rhodier neigten sich immer mehr auf die makedonische Seite, da ein voller Sieg der Römer ihnen nicht wünschenswert erschien. Auf Rat des Consuls beschlossen sie, den Frieden zu vermitteln, und die Nachricht von den Erfolgen der makedonischen Flotte bestärkte sie in dieser Absicht. Dagegen gelang es den Römern, Genthios in einem kurzen Feldzug vollständig zu besiegen. Bald nach der Ankunft des neuen Feldherrn wurde die Schlacht bei Pydna geschlagen, die dem Königtum der Antigoniden und der makedonischen Machtstellung ein Ende bereitete: 168 v. Chr. (vgl. Kromayer a. a. O. Ed. Meyer a. a. O.). Perseus flüchtete, M. ergab sich den Römern, zumal der König bei seinem Volke immer unbeliebter geworden war. Alle Städte gingen über (Liv. XLIV 45. Plut. Aemil. 24). Auch Amphipolis mußte Perseus räumen; er fuhr nach Samothrake (Liv. 45. Plut. a. a. O. 23. Diod. XXX 21). Hier wurde er zur Ergebung gezwungen (Liv. XLV 5. 6. Plut. Aemil. 26). Das Land erwartete die Entscheidung der Römer.

9. M. unter römischer Oberhoheit und als römische Provinz: M. sollte frei sein in den Grenzen, die es zuletzt gehabt hatte, nur sollte es als Tribut etwa die Hälfte der bisherigen Abgaben bezahlen. In ihren Rechten sollten die Makedonen ungeschmälert bleiben, aber an die Stelle der Könige sollten jährliche Beamte treten (Liv. XLV 18, 3), und außerdem wurde es in vier Teile (μερίδες) geteilt: den ersten bildete das Gebiet zwischen Strymon und Nestos sowie die Besitzungen östlich des Nestos außer Ainos, Maroneia und Abdera und das Gebiet der Bisalten und Sinter mit Herakleia Sintike. Der zweite Teil umfaßte das Land zwischen Strymon und Axios außer den Bisalten und die Paionen östlich des Axios. Den dritten Teil sollte im Osten der Axios, im Norden der Bora (das Grenzgebirge des Tieflandes: s. III 1, also besser im Westen und Norden), im Süden der Peneios begrenzen; dazu kam Paionien westlich vom Axios. Den vierten Teil bildete Ober-M. bis zu den Grenzen von Epeiros und Illyrien; wenn Strab. VII 331 frg. 48 sagt: συνάψας τῇ Μακεδονίᾳ καὶ τὰ Ἠπειρωτικὰ ἔθνη], so können damit nur die Tymphaier, Parauaier, Atintanen gemeint sein. Zu Hauptstädten bekam der erste Bezirk Amphipolis, der zweite Thessalonike, der dritte Pella, der vierte Pelagonia (das bisherige Herakleia: s. o. II E). Dorthin sollten die Bezirksversammlungen einberufen und die Steuern abgeliefert werden, [763] dort sollten die Behörden ihren Sitz haben. Um für die Zukunft jede Erstarkung M.s zu verhindern, sollten die vier Republiken weder Ehegemeinschaft haben noch gegenseitig das Niederlassungsrecht besitzen. Die Bergwerke wurden stillgelegt und jede Gewinnung von Gold und Silber verboten, nur die von Eisen und Kupfer gestattet, wofür die Abgabe auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Weiter wurde das Fällen von Bäumen zur Gewinnung von Schiffbauholz untersagt. Das Heer wurde aufgelöst und nur die Unterhaltung von Grenzschutztruppen gestattet; die Niederlande, das dritte M., waren also ganz waffenlos. Zweifelhaft ist die Bestimmung: et sale invecto uti vetuit (so ist wohl zu lesen). Danach scheint M. verpflichtet worden zu sein, das notwendige Salz selbst zu gewinnen. Da den Dardanern Paionien verweigert wurde, sollte das dritte M. ihnen Salz zu bestimmtem Preise nach Stoboi liefern, wo sie es sich holen sollten (Liv. XLV 29; vgl. c. 18. Diod. XXXI 8, 1–9. Strab. a. O. Vgl. Plut. Aemil. 28. Iustin. XXXIII 2, 7). Schließlich erhielten die vier Teile auch noch neue Verfassungen aus der Hand des Paullus (Liv. XLV 30. 32. Iustin. a. O.). In jedem Teile sollte ein Senat (σύνεδροι) gewählt werden, quorum consilio res publica administraretur (vgl. Marquardt Röm. Staatsverwaltg. I² 317). Nähere Bestimmungen sind nicht erhalten. Um das Volk auch seiner Führer zu berauben, mußten alle, die jemals ein königliches Amt bekleidet hatten, mit ihrer Familie M. verlassen und sich nach Italien begeben. Man kann wohl sagen, daß alle Bestimmungen dieses Friedens mit teuflischer Kunst darauf berechnet waren, das makedonische Volk für alle Zeiten in Abhängigkeit zu halten. Offenbar wurde es den Makedoniern außerordentlich schwer, sich in die unnatürliche Zerreißung des Landes zu finden (vgl. Liv. XLV 30, 1). Natürlich hörte mit dem Aufhören der Souveränität auch die Münzprägung auf, und erst 158 gestattete der Senat die Wiederaufnahme des Bergwerkbetriebes und der Prägung eigener Münzen. Von diesem Privilegium machten der erste, zweite und vierte Bezirk Gebrauch; namentlich Münzen des ersten Bezirks sind sehr zahlreich vorhanden. Diese Bezirksprägung endete 150 v. Chr. mit dem Aufstand des Andriskos (s. d.). (Vgl. hierzu Gaebler Ztschr. f. Numism. XXIII 141ff.; Die antiken Münzen III 1, 3ff.) In den Bezirken kam es bald zu schweren Zwistigkeiten, da die neue Verfassung sich nicht bewährte (vgl. Polyb. XXXI 2, 12. Plut. Aemil. 24: Die Makedonen φιλοβασίλειοι); in Pella wurden die Synhedroi ermordet (Polyb. a. a. O. 17, 2). 152 v. Chr. sollte auf Bitten der Makedonen Scipio Ämilianus zur Schlichtung der Streitigkeiten nach M. kommen (Polyb. XXXV 4, 11). So schien der Bοden für den Versuch des Andriskos, der sich Philippos, Sohn des Perseus, nannte, gut vorbereitet, den Versuch, M. wieder zu einigen und das Königtum wiederherzustellen (Wilcken o. Bd. I S. 2141ff.): Diod. XXXI 40 a. XXXII 15. Liv. per. 48. 49. Er trat zuerst in M. als Prätendent auf, ging dann nach Syrien, um hier Unterstützung zu suchen, wurde aber von Demetrios I. nach Rom geschickt; von hier entwich er, hielt sich eine Zeitlang in Milet [764] auf, kam dann nach Thrakien, wo er in Byzantion schon feierlich empfangen wurde, erhielt vom Thraker Teres Truppen, fiel in M. ein und besiegte die Makedonen. Nach Besiegung des Praetors P. Juventius 149 eroberte er auch Thessalien. Erst Q. Caecilius Metellus bewältigte ihn und nahm ihn in Thrakien gefangen: 146 v. Chr. M. hat sich nur mit Widerwillen dem brutalen Praetendenten gefügt, der es nicht zum Freiheitskampf begeistern konnte (Belege bei Wilcken a. a. O.). Doch hat Rom die Gelegenheit benutzt, um M. zur römischen Provinz zu machen. Die vier Teile wurden wieder vereinigt und einem Prätor, meist mit prokonsularischer Potestas, unterstellt (Flor. I 30. 32), wenn auch die vier μερίδες bestehen blieben. Im Westen wurden die illyrischen Gebiete bis zum Adriatischen Meere mit M. vereinigt, während im Osten der Nestos, im Norden die Gebirgszüge, die Pelagonien und das Becken von Üsküb von den Dardanern trennten, die Grenze bildeten (vgl. Ptol. III 13, 7. Plin. n. h. III 145. IV 33ff. Strab. VII 329 frg. 10); endgültig allerdings erst nach Einrichtung der Provinzen Moesien und Thrakien. Zugleich wurde auch Griechenland unter die Aufsicht des makedonischen Statthalters gestellt. Hauptstadt wurde Thessalonike, nach Plin. IV 36 liberae condicionis ebenso wie Amphipolis, Abdera und Ainos (Plin. IV 38. 42f.). Nach Plin. IV 35 waren auch die Amantini, Orestae et Scotussaei frei, überhaupt anscheinend ganz Ober-M. (Strab. VII 326. Caes. b. c. III 34). Die Münzprägung ging auf den römischen Senat über, in dessen Auftrag einige Statthalter Münzen geschlagen haben. Sonst blieb die Verfassung, die Paullus den Teilen gegeben hatte, unverändert. Erwähnt sei noch kurz der Aufstand des Alexandros (alter Pseudophilippus, Pseudoperses), der von dem Quaestor L. Tremellius niedergeschlagen wurde (Liv. per. 53. Zonar. IX 28. Eutrop. IV 15): 143. Nach Gaebler (Die antiken Münzen Nordgriechenl. III 1, 6ff.; vgl. seine Untersuchungen Ztschr. f. Numism. XXIII [1902] 141ff. XXIV 245ff.) lassen sich folgende Statthalter feststellen (vgl. A. W. Zumpt Commentat. epigr. II 151ff.):

148–146 Q. Caecilius Metellus, praetor und pro praet. (vgl. Syll.³ 680).
146–144 L. Mummius, cons. und pro cons.
143–142 A. Licinius Nerva, praet.
142–141 D. Iunius Silanus Manlianus, praet.
135–133 M. Cosconius, praet. (s. o. Bd. IV S. 1669).
129–128 Ti. Latinius Pandusa, praet. (Appian. Illyr. 10).
121–120 Cn. Cornelius Sisenna (praet.) pro cons. (Syll.³ 705. Gaebler
 Ztschr. f. Num. XXIII 163f.).
120–119 S. Pompeius, praet. (Syll.³ 700).
 119 M. Annius, quaest. pro praet.
119–117 L. Caecilius Metellus, cons. und pro cons. (Gaebler 165ff).
116–114 Q. Fabius Maximus Eburnus, cons. und pro cons.
114–113 C. Porcius Cato, cons.
113–112 C. Caecilius Metellus Caprarius, cons.
112–110 M. Livius Drusus, cons. und pro cons.
110–108 M. Minucius Rufus, cons. und pro cons. (Syll.³ 710).
[765]
101–100 T. Didius, praet.
093–92 L. Iulius Caesar, praet. (Gaebler 171).
092–88 C. Sentius Saturninus, praet. und pro praet.
088–87 L. Cornelius Scipio Asiagenus, praet.
086–83 L. Cornelius Scipio Asiagenus, pro cons.
080–78 Cn. Cornelius Dolabella, pro cons.
078–76 Ap. Claudius Pulcher, pro cons.
075–72 C. Scribonius Curio, pro cons.
072–70 M Terentius Varro Lucullus, pro cons.
070–68 L. Rubrius Culleolus, pro cons.
068–64 Q. Caecilius Metellus, pro cons.
064–63 L. Manlius Torquatus, pro cons.
062–60 C. Antonius Hybrida, pro cons.
060–58 C. Octavius, pro cons.
058–57 L. Apuleius Saturninus, pro cons.
057–55 L. Calpurnius Piso Caesoninus, pro cons.
055–52 Q. Ancharius, pro cons.
052–50 Cn. Tremellius Scrofa (praetorius) pro cons.
050–49 T. Antistius, quaest. pro cons.
046–45 Ser. Sulpicius Rufus, pro cons.
045–44 D. Laelius (legatus) pro cons.
044–43 Q. Hortensius Hortalus (legatus) pro cons.
043–42 Q. Caepio Brutus, pro cons.
041–40 L. Marcius Censorinus (praetorius) pro cons. (Plut. Anton. 24).
029–28 M. Licinius Crassus, pro cons.

27 v. - 15 n. Chr. Senatsprovinz.

 23 M. Primus (praetorius) pro cons.
0vor 16 M. Lollius, pro cons.
016 L. Aelius Catus (praetorius) pro cons.
013–11 L. Calpurnius Piso, pro cons.
0vor 1 v.Chr. P. Vinicius (praetorius) pro cons.
0kurz vor 1 P. Silius (praetorius) pro cons.
008 n. Chr. Sex. Pompeius (praetorius) pro cons.

15–44 kaiserliche Provinz.

015–35 C. Poppaeus Sabinus, leg. Aug. pro praet.
035–44(?) P. Memmius Regulus, leg. Aug. pro praet.

Seit 44 wieder Senatsprovinz. (praetorii) pro cons.

L. Baebius Honoratus Flavier
P. Tullius Varro "
C. Salviua Liberalis Nonius Bassus "
Q. Gellius Sentius Augurinus Iunius Rufinus Hadrianus
P. Iulius Geminius Marcianus M. Aurelius
P. Aelius Coeranus Septimius Severus
M. Antius Crescens Calpurnianus "
P. Iulius Iunianus Martialanus Severus Alexander
Ti.Clodius Pupienus Pulcher Maximus "
A. Pontius Verus?

Die Namen der legati pro praet. proconsules, der quaestores pro praet., procuratores bei Gaebler 8. (Weitere Belege bei Gaebler Ztschr. f. Numism. a. O. und XXIV 245ff.; dort auch Näheres über die Prägungen der Statthalter). Römische Kolonien wurden: Dyrrhachion, Dion (Plin. IV 35. Ptol. III 13, 15. IG III 471), Pella (CIG 1997), Philippoi -(Strab. VII frg. 42. Cass. Dio LI 4), Kassandreia, Stoboi. – Hier seien noch die wichtigsten Ereignisse aus der Geschichte [766] erwähnt: Kämpfe des Praetors M. Cosconius gegen die Skordisker (Liv. per. 56. Vgl. Zumpt a. O. II 165); 120/119 wurde der Praetor S. Pompeius von den Skordiskern (τοῦ τῶν Γαλατῶν τινες ἔθνους) bei Stoboi besiegt und getötet (Syll.³ 700); 116–108 andauernde Kämpfe der römischen Statthalter mit den Skordiskern, die erst durch den Sieg des M. Minucius Rufus (110–108) für längere Zeit zur Ruhe gebracht wurden (Gaebler XXIII 167). Aber schon 101/100 hatte T. Didius wieder mit ihnen zu kämpfen (Flor. I 39, 5 CIL I² 661. Gaebler a. O.); auch 92 brachen sie wieder mit Mädern und Dardanern in M. ein und durchzogen verheerend das ganze Land bis nach Epeiros; erst L. Cornelius Scipio Asiagenus schlug sie 88 entscheidend (Liv. per. 70. 74. 76. Oros. V 18, 30. Appian. Illyr. 5; Mithr. 29). 93–88 findet eine reiche Prägung in M. statt, um die römischen Finanzen zu bessern (Gaebler 171ff.). 87 fiel dann M. ganz in die Hand des Mithradates (Appian Mithr. 35. Liv. per. 82. Plut. Sulla 11. Memnon 32). Auch die Thraker, Skordisker und andere Stämme brachen auf Veranlassung des Mithradates wieder in M. ein (Liv. per. 81. 82). Erst Sulla hat sie 85 aus M. vertrieben und unterworfen (Liv. per. 83. Appian. Mithr. 55. Plut. Sulla 23). Doch werden uns aus den folgenden Jahren immer wieder Kämpfe mit den Thrakern gemeldet: alle Statthalter von 80–70 haben mit ihnen gekämpft und sind teilweise bis zur Donau vorgedrungen; M. Terentius Varro Lucullus (72–70) hat auch die Städte am Pontos unterworfen (Hertzberg Gesch. Griechenlands unter der Herrschaft der Römer I 419f. Gaebler 181). Unter C. Antonius Hybrida ging dann ein Teil der Eroberungen wieder verloren (Liv. per. 103. Cass. Dio XXXVIII 10. LI 26); unter L. Calpurnius Piso (57–55) drangen die Dardaner, Besser und Dentheleten sogar bis Thessalonike vor, wie er sich in seiner Verwaltung überhaupt schwere Übergriffe zuschulden kommen ließ (s. besonders Cicero in Pisonem: Hertzberg a. O. 428. Münzer o. Bd. III S. 1387ff.). Seine Legaten vertrieben die Barbaren, und bis 49 herrschte in M. im allgemeinen Ruhe (vgl. noch Dessau Gesch. der röm. Kaiserzeit I 389ff.). 48–41 wurde die Provinz dann als Sammelplatz der Optimaten unter Cassius und Brutus und die Schlacht bei Philippi schwer mitgenommen. Nach 41 fiel sie M. Antonius anheim, bis sie nach der Schlacht bei Actium 31 v. Chr. wie der ganze Osten Octavianus als Herrn anerkennen mußte. 29/28 v. Chr. hat dann M. Licinius Crassus die Daker, Bastarner, Moeser so erfolgreich bekämpft, daß seitdem M. von den umwohnenden Völkern im allgemeinen nichts mehr zu fürchten hatte (Dessau I 392f.); die eroberten Gebiete wurden mit Ausnahme der Odrysen M. einverleibt (Cass. Dio. LI 22ff. Zonar. 60 X 32. Liv. per. 134f.; vgl. Hertzberg 503, 61). Allmählich entstanden dann aus den Gebieten nördlich von M. selbständige Provinzen (Dalmatien, Mösien, Thrakien), so daß M. zur Binnenprovinz wurde. Doch mußten noch M. Lollius die Besser, L. Aelius Catus 16 v. Chr. die Sarinaten bekämpfen, und L. Calpurnius Piso hat 13–11 v. Chr. die Thraker südlich des Balkan zur Ruhe gebracht. Ganz Thrakien und das Gebiet [767] zwischen Balkan und Donau wurde nun den Odrysen zugewiesen, die jetzt stark genug zum Schutz waren, bis die Provinz Mösien neu eingerichtet wurde (Cass. Dio LIV 20. 34. Liv. per. 140. Vell. II 98. Flor. II 27. Gaebler Ztschr. f. Numism. XXIV [1903] 246). 27 v. Chr. wurde M. senatorische Provinz und Griechenland als Achaia von ihm getrennt (Cass. Dio LIII 12. Strab. XVII 840. Suet. Aug. 47. Dessau I 394f.). Im Norden reichte die Provinz M. zunächst bis zur Donau und zum Pontos, im Osten bis zum Hebros. 15 n. Chr. nahm Tiberius auf Bitte der Bewohner die beiden Provinzen M. und Achaia in kaiserliche Verwaltung (Tac. ann. I 76). 44 n. Chr. gab jedoch Claudius M. dem Senate zurück (Cass. Dio LX 24. Sueton. Claud. 25). Mit der Einrichtung von Mösien und Thrakien wurde M. auf die alten, oben angegebenen Grenzen beschränkt (15 und 46 n. Chr.). Unter Antoninus Pius wurde Thessalien mit M. vereinigt (vgl. über die Grenze zwischen M. und Achaia Brandis o. Bd. I S. 193f.). Auf seinen Reisen besuchte Hadrian M.; auch die Kaiser Macrinus, Severus Alexander , Gordianus III. und Philippus Arabs scheinen nach den Münzen in M. gewesen zu sein. (Gaebler a. O. 248). – Über die Provinzialverfassung ist zu bemerken, daß es in jedem Bezirk (μερίς) ein συνέδριον gab, und daß alljährlich das κοινὸν Μακεδόνων zusammentrat (Demitsas Ἡ Μακεδονία. 55. 60. 218. 811, 812; Rev. archéolog. XXXVII [1900] 489 nr. 130. Gaebler 251). Wahrscheinlich ist das κοινὸν Μακεδόνων von Augustus ins Leben gerufen worden. Es hatte sakrale Bedeutung, denn an seiner Spitze stand der Oberpriester des provinzialen Kaiserkults, der ἀρχιερεὺς τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων (Demitsas nr. 811. 812). Er hatte die mit dem Kaiserkult verbundenen gottesdienstlichen Handlungen zu vollziehen und auf die vorschriftsmäßige Übung des Kaiserkults in der Provinz zu achten. Auch führte er den Vorsitz im κοινόν und bei den provinzialen Spielen und hatte die Verwaltung der für den Kaiserkult aufgebrachten Gelder und der für die Spiele bestimmten Stiftungen (vgl. Gaebler 254f. Hirschfeld Kl. Schr. 496ff. Kornemann Klio I 98ff. Herzog-Hauser Suppl. Bd. IV S. 823ff.). Neben ihm stehen für die einzelnen Städte, so z. B. für Sirrhai und Beroia, die ἀρχιερεῖς τῶν Σεβαστῶν, die auch die Agonothesie des κοινόν übernehmen konnten (ἀγωνοθετης τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων: vgl. dazu Gaebler 254ff.). Gaebler wendet sich gegen die Versuche, aus einer Inschrift von Beroia (Rev. archéol. nr. 131) für einen ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν, der die ἀγωνοθεσία τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων geleistet hatte, auf eine wichtige politische Tätigkeit des Oberpriesters Schlüsse zu ziehen. So hat er auch nicht das provinziale Prägerecht besessen, das M. von Claudius erhalten hatte und das die Provinz als solche ausübte. Die Bezeichnung κοινὸν Μακεδόνων auf den Münzen faßt Gaebler als Akkusativ: zum Landtag geprägt, da auch Aufschriften wie κοινὸν Μακεδόνων Β νεωκόρων Βεροιαίων begegnen, d. h. zum makedonischen Landtag geprägte Münze der Beroiaier. Wenn seit Domitian an Stelle des Σεβαστὸς Μακεδόνων die ℞-Aufschrift lautet: κοινὸν Μ., so hat [768] jedenfalls seit dieser Zeit die Provinz ihr Prägerecht nur zum Landtag ausgeübt (Gaebler 259). Der Vorort des makedonischen κοινόν war Beroia, das seit Nerva den Titel μητρόπολις führte (Demitsas Ἡ Μακεδ. I nr. 55) und damals die νεωκορία τῶν Σεβαστῶν erhielt (Rev. archéol. XXXVII S. 489 nr. 131. Gaebler 278f.). Einen inneren Zusammenhang zwischen beiden Titeln leugnet Gaebler a. O. gegen Büchner De neocoria 61, der das Vorhandensein eines Provinzialtempels zur Voraussetzung für beide Bezeichnungen macht. So hatte Thessalonike, als freie Stadt gar nicht zum κοινόν gehörte, seit Gordian III. die Neokorie und erst seit Decius den Metropolistitel (vgl. Gaebler 278, 3). Über die makedonischen Kaisermünzen vgl. Gaebler 280ff. und Die ant. Münz. Nordgriechenlands III 1, 11ff. Mit dem Kaiser Philippus Arabs erlosch die makedonische Provinzialprägung. Dabei verweist Gaebler 307. 336f. auf die aus den Münzen deutlich erkennbare Eifersucht der freien Stadt und Hauptstadt Thessalonike gegen Beroia als Sitz des κοινόν und Inhaber der Neokorie. – Unter Decius hatte M. im Anschluß an den Verlust von Philippupolis zum erstenmal einen der Raubzüge der Goten zu erdulden (Ammian. Marc. XXXI 5, 16f. Dexippos frg. 16 [FHG III 674]. Hertzberg III 146f.). Nur die großen Städte hielten sich und bildeten zugleich die Zuflucht für die Flüchtlinge vom flachen Lande. Damals wurde Thessalonike, nachdem Gordian III. ihr die Neokorie verliehen hatte, von Decius durch den Metropolistitel und die Bezeichnung als colonia geehrt (s. o. Gaebler 336, 1). Seitdem ist M. häufiger von den Barbaren heimgesucht worden. Besonders heftig war der Angriff der Goten 269 n. Chr. von der See aus gegen Kassandreia und Thessalonike, das schwer bedrängt wurde. Doch das Nahen des Kaisers Claudius II. führte zur Aufhebung der Belagerung (Zosim. I 43. Vita Claudii 9, 8. Tafel de Thessalon, p. XLff.); die Goten zogen durch das Axiostal dem Kaiser entgegen. Erwähnt sei nur, daß die Diocletianische Christenverfolgung auch M. schwer mitnahm (Hertzberg III 218, 1. Über das Christentum in M. s. Harnack Mission und Ausbreitung II³ 238). – Bei der Neuordnung des Reiches unter Diocletian und Constantin gehörte M. nach dem Veroneser Verzeichnis (vgl. Mommsen Gesamm. Schr. V 561ff.) zur Diözese Mösien(Dioecesis Moesiarum = Illyricum orientale). Später erscheint eine Dioecesis Moesiarum mit sieben Provinzen, darunter zwei M.: M. und M. salutaris (Not. dign. und Hierokl.: vgl. Kornemann o. Bd. V S. 729f. und Mommsen a. O.). Die M. salutaris oder secunda ist offenbar um 386 von dem eigentlichen M. abgetrennt worden (Mommsen 580. Kuhn Die städt. u. bürgerl. Verf. des Röm. Reiches II 228ff.). An der Spitze der Diözese stand ein Vicarius, an der der Provinz ein Consularis. – Von Feinden wurde M. erst wieder unter Kaiser Valens heimgesucht, als die Westgoten schon vor und erst recht nach der Schlacht bei Adrianopel 378 n. Chr. ihre Raubzüge bis hierher ausdehnten (Zosim. IV 20, 10. Euseb. frg.42. 46 [FHG IV 31ff.]). Theodosius wählte Thessalonike zum Waffenplatz und Hauptquartier, und es gelang ihm schließlich, die Goten [769] zu einem Vertrage zu zwingen, der sie zur Seßhaftigkeit brachte (Hertzberg III 363ff. Schiller Gesch. der röm. Kaiserzeit II 403. Seeck Gesch. des Untergangs der antiken Welt V 125ff.). Für die weitere Geschichte M.s vgl. Hopf in Ersch-Grubers Encyclop. Sekt. I 85ff. Hertzberg Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens (Gotha 1876ff.). Miller The Latins in the Levant (Oxford 1908).

VIII. Verfassung. M. steht im Anfang seiner Geschichte unter einem Volkskönigtum, das durch einen reisigen Adel und einen freien Bauernstand in seiner Macht beschränkt wurde (Arrian. anab. IV 11, 6: οὐδὲ βίᾳ ἀλλὰ νόμῳ). Allerdings wissen wir über die ältere Zeit nicht viel, und Rückschlüsse von den Zuständen seit Philippos II. sind nur mit äußerster Vorsicht zu machen, da der Aufstieg M.s zur Groß- und Weltmacht auch die Stellung des Königs gewaltig hob. Sicher ist zunächst, daß die Krone im Mannesstamm der Argeaden nach dem Rechte der Erstgeburt erblich war. Aber noch in den hellenistischen Monarchien mußte die Heeresversammlung den neuen König anerkennen, und zwar nicht nur den König, dessen Erbrecht umstritten war, wie Philippos III. Arrhidaios, sondern auch den völlig legitimen Thronfolger. So ließ Seleukos I. seinen Sohn Antiochos vom Heere als Mitregenten anerkennen (Appian. Syr. 61. Plut. Demetr. 38); nach dem Tode Ptolemaios’ IV. wurde sein Sohn Ptolemaios V. vom Heere als König begrüßt (Polyb. XV 32). Auch die Diadochen empfingen die Königswürde durch ihr Heer (vgl. z. B. Appian. Syr. 54. Plut. Demetr. 18. Memnon XIII). Dieses Recht des Heeres ist ursprünglich ein Recht des Volkes gewesen, denn das Heer war seit Archelaos das Volk in Waffen. Da wir sahen, daß Archelaos den Bauernstand zum Waffendienst heranzog und aus ihm ein schwer gerüstetes Fußvolk bildete, dem er den Ehrennamen πεζέταιροι beilegte, so wird dieses Mitbestimmungsrecht beim Thronwechsel vor dieser Neuschöpfung dem Adel zugestanden haben. Als nun die Bauern gleichberechtigt neben die Ritterschaft traten, konnte ihnen die Beteiligung an der Begrüßung des neuen Königs nicht versagt werden. Ähnlich hat auch bei der Übertragung der Königswürde an den bisherigen ἐπίτροπος Antigonos Doson die Heeresgemeinde auf Vorschlag der πρῶτοι Μακεδόνων, also wohl der Räte des Herrschers, die entscheidende Rolle gespielt (Plut Aemil. 8). Die Tatsache, daß in den Wirren der Diadochenzeit das Heer auch sonst entscheidend in die Politik eingriff (Verwerfung von Alexanders Testament: Diod. XVIII 4; Bestellung der Reichsverweser und Verteilung der Satrapien in Babylon und Triparadeisos; Ächtung des Kassandros und Verkündigung der Autonomie der Griechen, Diod. XIX 61), darf nicht zu der Annahme führen, daß das Volk auch in normalen Zeiten dieses Recht besaß. Leitung der äußeren Politik ist Recht des Königs gewesen. Allerdings möchte ich zum Beweise für diese Annahme nicht die völlig selbständige Handlungsweise Philippos’ ΙΙ. heranziehen (vgl. Beloch ΙΙI 1² 469, 6), der durch die gewaltig gesteigerte Macht über alle Beschränkungen hinausgehoben wurde, aber die Politik eines Herrschers wie Perdikkas’ II. zeigt deutlich, daß der König in der äußeren Politik [770] Herr seiner Entschlüsse war. Wenn in einem der uns inschriftlich erhaltenen Verträge (v. Scala nr. 81) neben den königlichen Prinzen auch vornehme Makedonen unter den Zeugen aufgeführt werden, so ist das wohl in erster Linie auf den Wunsch der Athener zurückzuführen, die möglichst sicher gehen wollten. Der Vertrag selbst erscheint ebenso wie der des Amyntas III. mit den Chalkidiern (Syll.³ 135) lediglich als Werk des Königs, neben dem keine makedonische Instanz weiter genannt wird (vgl. im allgemeinen A. Schaefer Histor. Taschenbuch VI 3 [1884] 1ff.). – Dagegen war die Versammlung der wehrfähigen Männer höchster Gerichtshof, wenn es sich um Anklagen wegen Hochverrats handelte. Dieses Recht ist wohl uraltes Herkommen; es erscheint jedoch fraglich, ob die Aburteilung eines Adligen nicht ursprünglich nur seinen Standesgenossen zustand (Pairskammer; noch heute ist das englische Oberhaus in gewissen Fällen Gerichtshof für die Peers) und erst nach der Heeresreform des Archelaos vor das Volk in Waffen gezogen wurde. Beispiele für das Verfahren vor dem Heeresgericht sind besonders der Prozeß des Philotas und Prozesse aus der Diadochenzeit (z. B. Diod. XVIII 37. XIX 61; vgl. auch Polyb. IV 27, 5ff. 29, 6). Darauf bezieht sich auch die von Polyb. V 27, 6 bezeugte ἰσηγορία der Makedonen. – Natürlich hatte der König einen Staatsrat, dessen Mitglieder auch für besondere Aufgaben zur Verfügung standen. Es erscheint sicher, daß die Bezeichnung ἑταῖροι ursprünglich auf die Umgebung des Königs beschränkt war (vgl. dazu Plaumann o. Bd. VΙΙΙ S. 1375ff. Hoffmann Die Maked. 118. Berve Das Alexanderreich I 104) und erst von Alexandros I. auf die gesamte Ritterschaft übertragen wurde. Dieser Staatsrat erscheint vor Philippos II. bei Aelian. var. hist. XIII 4 und Plut. Pelop. 27 (vgl. für die spätere Zeit Plut. Aemil. 8 1 [πρῶτοι Μακεδόνων] und Liv. XLIV 26 [unum ex purpuratis]). Seine Existenz wird aber auch durch die Rolle der ἑταῖροι unter Alexander d. Gr. (vgl. Berve a. O.) und durch den Staatsrat der hellenistischen Monarchien bewiesen (Beloch IV l² 383f. Geyer Hist. Ztschr. CXXXII 399ff.). Über die administrative Einteilung des Landes und die lokalen Verwaltungsbehörden erfahren wir für M. gar nichts. Die Gliederung in größere Provinzen läßt sich aus den Aushebungsbezirken für das Heer (vgl. Berve a. O.) und den Aufschriften der Provinzialmünzen in der Zeit Philippos’ V. (Bottiaia, Amphaxitis, Edonis) erschließen. Auch die obermakedonischen Landschaften haben doch jedenfalls Verwaltungsbezirke (vgl. Doberos und Parauaia) gebildet.

Die Verfassung der Städte scheint nach griechischem Muster gestaltet gewesen zu sein, wie ja griechische Städte früh unter makedonische Herrschaft gekommen waren (Pydna, Therme) und die späteren Neugründungen wohl alle griechischen Charakter trugen (Philippoi, Herakleia, Kassandreia, Thessalonike, Persëis). Wenn in Inschriften der römischen Zeit ein Kollegium von πολιτάρχαι erscheint, so ließe sich wohl an römischen Ursprung denken (vgl. Liebenam Städteverwaltung im röm. Kaiserreich 293. Zahlreiche Inschriften bei Demitsas Ἡ Μακεδονία . . . Heuzey-Daumet 315), zumal auch das reiche Material [771] bei Busolt-Swoboda Griech. Staatskunde diese Amtsbezeichnung nicht belegt.

Zum Schluß sei für die makedonische Ära (148 v. Chr.) auf Kubitschek o. Bd. I S. 636f. Griech. Zeitrechnung [1927]. M. N. Tod Annuals Brit. School. Athens XXIII 206ff. XXIV 54ff. hingewiesen, für den makedonischen Kalender auf Bischoff o. Bd. X S. 1586ff., für die makedonischen Kulte auf die vorzügliche Dissertation von Baege De Macedonum sacris, Diss. Philol. Hal. XXII 1. 1913.

[Geyer. ]
  1. Die auswärtige Politik der makedonischen Großmacht seit Philippos II. kann hier nur kurz gestreift werden. Der Nachdruck liegt auf der Darstellung der Geschicke der Landschaft M.
  2. Da es nicht Aufgabe dieser Skizze sein kann, die Geschichte der makedonischen Kriege zu bringen, wird ein für allemal auf die römischen Geschichten, vor allem de Sanctis und Niese-Hohl in J. Müllers Handbuch, sowie auf Niese Bd. II und III verwiesen.