BLKÖ:Zedlitz, Joseph Christian Freiherr

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 59 (1890), ab Seite: 249. (Quelle)
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Zedlitz, Joseph Christian Freiherr (Dichter, geb. zu Johannesberg in Oesterreichisch-Schlesien am 28. Februar 1790, gest. in Wien in der Nacht vom 15. auf den 16. März 1862). Der Sproß eines alten in Schlesien und Sachsen seßhaften Geschlechtes, das zu Oesterreich in ganz schwachen Beziehungen steht, daher wir von einer genealogischen Stammtafel absehen. Sein Vater war k. k. schlesischer Landeshauptmann. Freiherr Joseph Christian widmete sich anfangs den Studien, denen er in Breslau oblag, aber als er 16 Jahre zählte, trat er 1806 in das k. k. Huszaren-Regiment Ferdinand Este. Im Feldzuge 1809 bereits Oberlieutenant im Regimente, wurde er Ordonnanzofficier des Fürsten von Hohenzollern und wohnte als solcher den Schlachten bei Hausen, Regensburg, Aspern und Wagram bei. Als die „Presse“ in einem Feuilleton die Behauptung aussprach, daß Zedlitz gar niemals vor dem Feinde gestanden, mußte sich das Blatt zu der Richtigstellung bequemen, daß „Zedlitz die Schlachten von Regensburg, Aspern und Wagram mitgemacht und von dem Fürsten Hohenzollern nach dem Treffen bei Hausen am 10. April 1809 ausdrücklich als einer der Tapfersten des Heeres bezeichnet wurde“. Theils die politischen Verhältnisse – Oesterreich war durch die Vermälung seiner Kaiserstochter mit dem Imperator, zu dessen Füßen Europa geknechtet lag, zu den deutschen und auch den anderen Höfen des Continents in eine schiefe Stellung gerathen, die Stimmung im Kaiserstaate in allen Kreisen und vornehmlich in den militärischen war eine gedrückte – und dann auch Familienangelegenheiten veranlaßten den damals 21jährigen Officier, 1811 den Abschied zu nehmen und aus dem Verbande der kaiserlichen Armee zu treten. So lebte Zedlitz die nächsten fünf Lustren bis 1836 als Privatmann meist in Ungarn und zeitweise auch in Wien, ganz hingegeben seinem künstlerischen Schaffen, dessen Hauptwerke – die Uebersicht derselben folgt S. 252 gerade in diese Zeit fallen. Im Jahre seines Austrittes aus der Armee, am 19. April 1811, hatte sich der Dichter mit der Tochter des 1800 seinen Wunden erlegenen Generals und Maria Theresien-Ritters Freiherrn von Lipthay vermält. Als ihm nach 25jähriger glücklicher Ehe 1836 seine Gattin durch die Cholera entrissen wurde, entschloß er sich, [250] in den Staatsdienst zu treten. Durch Fürsten Metternich und den Minister Grafen Kolowrat lebhaft unterstützt, ward er von Seiner Majestät dem Kaiser Ferdinand 1837 der Staatskanzlei zur Dienstleistung zugetheilt und verblieb daselbst bis zum Jahre 1848, in welchem die Wiener Demokraten die Schale ihres Zornes über den Diplomaten Zedlitz ausgossen. Während dieser Zeit hatte er als publicistischer Schriftsteller, vornehmlich als Correspondent der „Allgemeinen Zeitung“ gewirkt, in welcher seine Correspondenzen aus Wien besonders in Preußen mit großer Aufmerksamkeit gelesen wurden; aber auch politische Flugschriften über wichtige Tagesfragen gab er in dieser Zeit heraus, so 1840 über die orientalische Frage, 1846 über den Aufstand in Galizien und früher noch seine „frommen Wünsche aus Ungarn“, welche ungewöhnliches Aufsehen erregten und manches prophetische Wort enthalten. Auch schrieb er, als noch die von Deinhardstein redigirten „Wiener Jahrbücher der Literatur“ erschienen, für dieselben literarisch-kritische Aufsätze, wie z. B. über Spindler’s Romans und die Dramen Grillparzer’s, der es ihm in seiner verbitterten Stimmung damit vergalt, daß er ihn im Jahre 1848 einen Abtrünnigen nannte, welcher um des Glanzes und Ruhmes willen selbst beim Sultan Dienste genommen habe, was nach der Ansicht Aller, die Zedlitz näher standen, ebenso ungerecht als unwahr ist. Von 1848 –1851 durch die Umwälzungen und Unruhen der Zeit von Wien fern gehalten, wurde Zedlitz im letztgenannten Jahre Ministerresident des Großherzogs von Sachsen-Weimar, mit welcher Stellung er später die Geschäftsträgerposten für Oldenburg, Nassau und Braunschweig am kaiserlichen Hofe von Wien vertauschte. Doch lebte er die letzten eilf Jahre vornehmlich fern von Wien, zum Theil auf seiner Besitzung in Aussee und an den anderen herrlichen Seen des Salzkammergutes, zum Theil in Karlsbad, um Heilung oder doch Linderung seines beschwerlichen Athmungsleidens daselbst zu finden. Damit ist der private und öffentliche Lebensgang des Freiherrn Zedlitz gezeichnet. Es erübrigt uns nur, Einiges über den Poeten zu sagen. Nicht zu früh – er zählte bereits 25 Jahre – trat er mit poetischen Arbeiten vor das Publicum und blieb, so gut sich dieselben lasen und so sehr sie entschiedene Dichterbegabung bekundeten, längere Zeit unbeachtet. In einem der damals in Oesterreich erscheinenden Almanache – ich kann denselben nicht näher bezeichnen, nur bestimmt sagen, daß es nicht die „Aglaja“ ist –erschienen seine ersten Dichtungen, die lieblichen „Frühlingsrosen“. Erst 1819 trat er in der damals durch die John’schen Stiche und die gewählten Mitarbeiter – Grillparzer, Zach. Werner, West, Hammer u. A. zählten zu ihnen – sehr beliebt gewordenen „Aglaja“ mit dem rhythmisch tadellosen und sprachlich schwungvollen Sonettenkranze: „Der Liebe Lust und Qual“ auf. 1820 erschien unter anderen seine poetische Huldigung „An Grillparzer“, welcher in den nächsten Jahren mehrere Gedichte, nach einer Pause von 1824 bis 1825 im Jahrgange 1826 „Die Abbasiden“ und wieder nach einer Jahrespause 1828 seine „Todtenkränze“ folgten, die den Namen des Poeten sozusagen über Nacht berühmt machten. In dieser in meisterhaft gebauten Canzonen ausgeführten Dichtung, welche noch im nämlichen Jahre in einem damals als Prachtausgabe geltenden [251] Sonderabdruck erschien, führt er den erhebenden Gedanken durch: daß nur Begeisterung der Born sei, aus welchem alles Leben quillt, und daß ohne sie die Welt im Gemeinen zerfallen wäre, und wählt zur poetischen Gestaltung dieser erhebenden Idee unter den großen Todten der Jahrhunderte die heterogensten Namen, wodurch aber eben der Reiz der Dichtung gesteigert wird, wir nennen vor allen den damals gehaßten Imperator Napoleon, dem Byron, Wallenstein, Joseph II., Tasso, Canning, Goethe, Petrarca und Laura, Romeo und Julie folgen. Die Dichtung, welche im Ganzen 107 Canzonen umfaßt, zählt zu den Perlen, der deutschen Poesie und sichert ihrem Sänger eine bleibende Stelle auf dem deutschen Parnaß. Was Zedlitz sonst noch schrieb: seine auf eindringliches Studium spanischer Dramatiker hinweisenden Dramen, seine „Gedichte“, unter welchen „Die nächtliche Heerschau“, wir sagen nicht zu viel, die Runde auf dem Erdball machte, heute aber, wie Uhland in „Des Sängers Fluch“ singt, „versunken und vergessen“ ist, sein zierliches Märchen „Waldfräulein“ und die durch packende Gestaltung so wirksam und zur rechten Zeit gesungenen Soldatenlieder, beurkunden überall den echten Dichter, aber reichen nicht im kleinsten Theile an jene erschütternden Canzonen hin, die ohne Refrain verkünden, Alles ist eitel, nur nicht der Genius im Menschen. Auch ist Zedlitz der Verfasser des nach des Kaisers Franz Tode umgeänderten Textes der österreichischen Volkshymne. Die Analyse seiner „Dramen“, mit welchen sich die Kritik am meisten beschäftigte, gehört nicht in dieses Werk; aber überall, und selbst wo er irrt, schaut der Dichter heraus, der es versteht, unser Interesse und in den schwierigen psychologischen Kämpfen, die er darstellt, unsere Theilnahme zu gewinnen. An Ehren hat es dem Dichter nicht gefehlt. Sein Monarch zeichnete ihn mit dem Ritterkreuze des Stephansordens, König Maximilian I. von Bayern mit seinem Maximilianorden für Kunst und Wissenschaft aus, nachdem ihm des Königs Vater bereits den Ludwigorden verliehen hatte. Wie die kaiserliche Armee den Poeten für seine flotten Soldatenlieder ehrte, wird in den Quellen berichtet. Wir können aber diese biographisch-literarische Silhouette nicht besser schließen als mit den Worten, mit welchen jüngst R. Marenholtz einen dem Andenken des Dichters gewidmeten im literarischen Vereine zu Dresden gehaltenen Vortrag geschlossen; diese Worte, die ebensowohl dem Dichter als dem Menschen gerecht werden, lauten: „Neidlos hat Zedlitz dem Verdienste größerer Zeitgenossen gehuldigt; Goethe’s Weltruhm, den die jüngere Romantik herabzuwürdigen suchte, mit warmer Begeisterung gepriesen, Beethoven’s Genius Kränze der Huldigung aufs Grab gelegt, Grillparzer’s hellaufleuchtendes Gestirn mit aufrichtigen Freundschaftsworten gefeiert. An den Thaten und Schicksalen des eigenen Volkes hat er mit vollem Herzen Antheil genommen, Oesterreichs Fürsten, Generäle und Patrioten mit edler Hingabe gepriesen und dem gemeinsamen Vaterlande, das der Hader der Fürsten zerrissen hatte, nie seine Theilnahme entzogen. Die Dienste, welche er, den wahren Interessen Deutschlands zuwider, einem Metternich leisten mußte, verzeihen wir ihm jetzt, denn – „procul habemus ista negotia“. War sein Dichterruhm auch durch die Mängel seiner Begabung, [252] die Ungunst der Zeitverhältnisse und den lähmenden Zwang der heimischen Zustände gemindert, so können wir uneingeschränktes Lob dem liebenswürdigen Menschen und edlen Vaterlandsfreunde spenden.“

Uebersicht seiner poetischen Arbeiten in chronologischer Folge. „Turturell. Trauerspiel in 5 Aufz.“ (Wien 1821, Wallishausser, 119 S., 8°.). [zum ersten Male aufgeführt zu Wien im Hoftheater nächst der Burg den 19. April 1819. Vgl. „Wiener Jahrbücher der Literatur“ Bd. 33, S. 249–256 von Deinhardstein]. – „Probescenen aus dem Schauspiel: Der Königin Ehre“ in Lembert’s „Taschenbuch für Schauspiele und Schauspielfreunde“ (1816–1823) im 5. Jahrgange. – „Zwei Nächte in Valladolid. Trauerspiel in 5 Aufz.“ (Wallishausser 1825, 112 S., 12°.) [vgl. „Wiener Jahrbücher“ Bd. 33, S. 257–265 von Deinhardstein; „Literaturblatt“ von Müllner 27. September 1825, Nr. 77]. – „Liebe findet ihre Wege. Lustspiel in 4 Aufz.“ (Wallishausser 1827, 12°.). – „Todtenkränze. Canzonen“ (Wien 1827, Wallishausser, 8°.; 2. verm. Aufl. ebd. 1831); der zweiten Originalauflage zweiter Abdruck, mit Holzschnitten (Wien 1841, Wallishausser, 8°.), später noch öfter aufgelegt, zuletzt in die Ausgaben seiner „Gedichte“ aufgenommen. Gian. Batt. Bolza hat die Dichtung ins Italienische übersetzt und unter dem Titel „Ghirlande sepolcrale. Poemetto recato in italiano da G. B. B.“ (Milano 1833, 8°.) herausgegeben, wählte aber – nicht besonders glücklich – statt der Italien angehörigen Form der Canzone die des reimlosen Jambus, wodurch der Zauber des Gedichtes wesentlich einbüßt. – „Der Stern von Sevilla. Trauerspiel in 5 Aufz. Nach dem gleichnamigen Schauspiele des Lope de Vega bearbeitet“, im „Taschenbuch für Damen“ Jahrg. 1831 [aufgeführt in Berlin am 23. Jänner 1829. Vgl. Teichmann’s Nachlaß S. 368; „Gesellschafter“ von Gubitz, 1829, Nr. 32; Literatur-Blatt zum Cotta’schen „Morgenblatt“ 1830, Nr. 120]. – „Dramatische Werke. Erster bis vierter Theil“ (Stuttgart 1830, 1834, 1835, 1836, Cotta, 8°) I. Th. (1830, 117 S.): „Der Stern von Sevilla“. – II. Theil (1834, 210 S.): „Kerker und Krone. Schauspiel in 5 Aufz.“ (1833) S. 1–108 [aufgeführt in Berlin 14. Jänner 1836. Vgl. Teichmann’s Nachlaß S. 370; Wolfg. Menzel’s „Literaturblatt“ 13. April 1835, Nr. 38 und 39]; „Der Königin Ehre. Schauspiel in 5 Aufz.“ (1828) S. 109–210. – III. Theil (1833, 254 S.): „Turturell. Tragisches Märchen in 5 Handlungen“ (1834) S. 1–117; „Herr und Sclave. Trauerspiel in 2 Aufz. (1834) S. 119–156 (dieses Trauerspiel ist zuerst im Jahrgang 1831 der „Aglaja“ S. 133–170 abgedruckt); „Zwei Nächte zu Valladolid. Trauerspiel in 5 Aufz.“ S. 157–254 [aufgeführt in Wien zum ersten Male im k. k. Hoftheater nächst der Burg am 14. Jänner 1823]. – IV. Theil (1836, 206 S.): Cabinetsintriguen. Lustspiel in 3 Aufz.“, in Prosa (S. 1–95); „Liebe findet ihre Wege. Lustspiel in 4 Aufz.“, in Trochäen (S. 97 bis 206), sämmtlich in vier Bänden in die neue Folge der Cotta’schen „Deutschen Volksbibliothek“ aufgenommen. – „Gedichte“ (Stuttgart 1832, Cotta, VI und 392 S., 8°.; 2. verm. Aufl. ebd. 1839; 3. Aufl. 1844; 4. verm. Aufl. 1847; 5. Aufl. 1855, 471 S. 16°.); dann auch aufgenommen in die neue Folge der „Deutschen Volksbibliothek“, herausgegeben bei Cotta (VII und 545 S., 16°.). – „Der schwarze Mönch. Nach Byron“, in Castelli’s Almanach „Huldigung der Frauen“ Jahrg. 1833. – „Ritter Harolds Pilgerfahrt. Aus dem Englischen des Lords Byron. Im Versmaß des Originals übersetzt“ (Stuttgart 1836, Cotta). Diese Uebertragung ist nach dem Ausspruch der Kritik bis heute durch keine bessere ersetzt und von späteren Uebersetzern ohne Angabe der benutzten Quelle bis zur Ungebühr ausgebeutet worden. – „Waldfräulein. Ein Märchen in 18 Abenteuern“ (Stuttgart 1843, Cotta, 8°.; 2. unver. Aufl. ebd. 1844; 3. Aufl. ebd. 1851, XII und 167 S., 12°.) auch in die neue Folge der Cotta’schen Volksbibliothek aufgenommen; dazu stach Detmold, der geistvolle Kobold des Frankfurter Parlaments, reizende Randzeichnungen. – „Soldatenbüchlein, der österreichisch-italienischen Armee gewidmet“ (Wien 1849, Gerold, 78 S., wiederholt im nämlichen Jahre; 1849, 72 S., 16°.; wiederholt im nämlichen Jahre, 77 S., 8°.; dann Stuttgart 1862, Cotta, VI und 147 S., 16°., und wiederholt als 68. Lieferung der Cotta’schen „Deutschen Volksbibliothek“, neue Folge); zweites Heft (Wien 1850, Gerold, VI und 79 S., 8°.). – „Altnordische Bilder“: I. Ingvelde Schönwang; [253] II. Svend Felding (Stuttgart 1850, Cotta, 212 S., 8°., und wieder 1860, V und 154 S., 16°., als Lieferung 69 der „Deutschen Volksbibliothek“, neue Folge). – Seiner Briefe an eine Freundin (Frau von Binzer) geschieht in den Quellen Erwähnung. – Bildnisse. 1. Auf einer Tafel mit Grillparzer, Pfalzgrafen Otto (geb. 1175, gest. 1208), Otto von Wittelsbach, dem Gründer des heutigen bayrischen Fürstenhauses, Cartwright, Erfinder des Webestuhls, und Arkwright, Erfinder einer Spinnmaschine (Stahlstich von Karl Mayer’s Kunstanstalt in Nürnberg. Verlag von C. A. Hartleben in Pesth 1858, 12°.). – 2. An der Spitze einer Bildnißgruppe in Medaillons, darstellend: Pyrker, Feuchtersleben, Frankl, Halm, Ebert, Bauernfeld, Grillparzer (in der Mitte der Gruppe). Deinhardstein, Stelzhammer, Anastasius Grün, Seidl, Castelli, Vogl. Ohne Angabe des Zeichners. X. A. v. E. Kretzschmar, in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ Bd. VI (1. Hälfte 1846) S. 29. – 3. Unterschrift: Facsim. des Namenszuges: „J. Ch. B. Zedlitz“. Darunter: gebor. den 28. Februar 1796. Kriehuber (lith.) 1840. Gedr. bei Joh. Höfelich. Beilage zur „Wiener Zeitschrift“ Nr. 1 den 2. Jänner 1841 [mit der ganzen Meisterschaft ausgeführt, die immer Kriehuber’s Griffel beseelt]. – 4. Unterschrift: Facsimile des Namenszuges.- „J. Ch. Freiherr Zedlitz“. Nach einer Photographie von G. Koberwein. Stahlstich von Karl Mayer’s K. A, in Nürnberg. – 5. Unterschrift: J. C. von Zedlitz“. F. Theer pinx., Ch. Schuler sculpt. (Karlsruhe, Kunstverlag, 12°.) im Taschenbuch „Urania“ für 1838. – 6. Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: „Zedlitz“. Selb (lith.). gedr. bei J. Rauh (L. T. Neumann in Wien, Fol.) [wie bei Kriehuber ideale Auffassung mit Aehnlichkeit, so bei Selb diese mit alltäglicher Nüchternheit. – 7. Gezeichnet und lith. von Theer (Wien 1836 Selbstverlag von Theer, Roy.-Fol.) {der Dichter im Stuhle sitzend]. – 8. Stahlstich (Leipzig, Baumgärtner gr. 4°.) [aus der Suite der im Verlage der Leipziger „Modezeitung“ erschienenen ursprünglich von Cäcilie Brandt lithographirten, später von verschiedenen Künstlern gestochenen Bildnisse]. – 9. Unterschrift: „Freih. von Zedlitz“. Stahlstich ohne Angabe des Stechers. Titelbild zu dem Sammelwerke „Moderne Poeten“. Eine schlechte Nachbildung des Bildnisses von Theer in der „Urania“. – 10. Lithographie ohne Angabe des Zeichners und Lithographen in Lewald’s „Europa“ (gr. 8°.). – 11. Holzschnitt mit Facsimile des Namenszuges aus der X. A. von C. Laufer in Heinr. Kurz’ „Geschichte der deutschen Literatur u. s. w.“ (Leipzig 1858, Teubner, schm. 4°.) Bd. III, S. 226. – 12. Unterschrift: „Freiherr von Zedlitz“ (nach einer Photographie aus dem Verlage des Kunst- und Industriecomptoirs in Wien), Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in Waldheim’s „Illustrirter Zeitung“. – König Ludwig I. von Bayern ließ des Dichters Büste modelliren und in Marmor ausarbeiten. Ob sie in der Ruhmeshalle aufgestellt ist, wissen wir nicht. – Des Dichters Zedlitz Tod. Sein Leiden war langwierig und bei der furchtbaren Athemnoth, die ihn manchmal – in letzter Zeit sehr oft – befiel, auch qualvoll. Doch erfreute er sich einer sorgfältigen Pflege, wie sie nur selten Poeten und nur wenigen Auserwählten zutheil wird. An seinem Sterbelager weilten drei Frauen von großem Geiste: die Herzogin von Acceranza, die Damen Binzer (bekannter unter dem Pseudonym Ritter und Iduna Laube; die geistreichsten barmherzigen Schwestern, die je einem sterbenden Dichtergreise die letzten Stunden verschönten. Der Leidende ertrug alle Qualen mit vollkommener Ergebung in sein Geschick; und als ihn in seinen letzten Tagen ein Freund besuchte, der ihm beruhigend zusprach, rief er aus: „Mein Gott, da alle Menschen sterben müssen, wird’s mich auch nicht umbringen.“ Ist dies bloß Witz oder Galgenhumor? – Gedichte an Zedlitz. Abend-Zeitung. Redigirt von Th. Hell [Hofrath Winkler] Dresden 20. Februar 1838, Nr. 44: „An J. Ch. Freiherrn von Zedlitz“. Gedicht von Z. Funk. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte u. s. w. (Wien, 4°.) Jahrg. 1828, S. 221: „An Zedlitz“. Gedicht von Lichnowsky. – Oesterreichischer Soldatenfreund (Wien, 4°.) 1849, S. 96: „An Zedlitz“. – Wiener Zeitung, Abendblatt, 1859, Nr. 47 im Feuilleton: „Der siebenzigste Geburtstag (an Zedlitz)“. Von Adalbert Stifter. – Das Gedicht „Die nächtliche Heerschau“. Dasselbe hat wie wenige Gedichte eine förmliche Geschichte und eine kleine Literatur. Heute, unter dem Wandel der politischen Ereignisse und der Zerfahrenheit der leichtblütigen Franzosen ist es nahezu vergessen. Ja, vergessen! Gedenkt doch dieser [253] einst epochemachenden Dichtung, die den Rundgang über den Continent und jenseits über den Ocean machte, eine ausführlichere Biographie über den Dichter, welche die Münchener „Allgemeine Zeitung“ jüngst (8. Februar d. J.) brachte, nicht mit einer Sylbe! Das Gedicht beginnt: „Nachts um die zwölfte Stunde verlässt der Tambour sein Grab“. Vorerst ließ der Erfolg, den es gemacht, Meister Saphir nicht ruhen, und er schrieb das Gegenstück: „Im Garten zu Schönbronnen, da liegt der König von Rom!“ Dann, nachdem es in Musik gesetzt worden, legten es die Drehorgelmänner aller Städte auf ihre Walzen. Die Zahl der Componisten, darunter die namhaftesten, ist Legion. Wir nennen nur die bedeutendsten: Fuchs, Hackl, Neukomm, Randhartinger, Emil Titl. Uebrigens sang es alle Welt. Jeder nach einer selbst erfundenen Melodie. Er wurde in alle lebenden Sprachen übersetzt, öfter ins Französische, fünfmal ins Englische (am besten im „Morning Chronicle“ 1830), einmal ins Italienische von Augustin Anton Grubissich (im Wiener „Poligrafico austriaco“ vom Jahre 1848, Nummer 2). Auch die darstellende Kunst bemächtigte sich des dankbaren Stoffes, den ein deutscher Dichter den Künstlern gegeben. Raffet in Paris, Heidegger in München haben davon geistvolle Skizzen in Steindruck und Aquarell geliefert. Noch im Jahre 1854 erregte ein großes Oelbild von Dietz über diesen Gegenstand auf der Ausstellung in Paris besondere Aufmerksamkeit und wurde von Kaiser Louis Napoleon um 10.000 Franken angekauft. Und heute denkt keine Seele an das noch immer herrliche Gedicht. Nur ein Gedicht konnte sich seinerzeit mit dem Erfolge der „Nächtlichen Heerschau“ messen, das Rheinlied von Nicolaus Becker: „Sie sollen ihn nicht haben!“ Das hat aber auch gewirkt! Sie haben ihn wirklich nicht! – Noch sei zum Schluß erwähnt, daß das Gedicht auch parodirt wurde und unter dem Titel: „Das tägliche Spectakel. Parodie der Ballade: Die nächtliche Heerschau“ als 13. Beitrag zur heiteren Declamation (Wien 1841, Wimmer, gr. 8°.) im Druck erschienen ist. – Ein hinterlassenes Gedicht von Zedlitz. Didaskalia (Frankfurter Unterhaltungsblatt) 1862, Nr. 88: „Ein hinterlassenes Gedicht von Zedlitz“ „An König Ludwig I. von Bayern“ anläßlich der Vergewaltigung Schleswig-Holsteins durch die Dänen, gegen welche sich der Sänger-König mit Entrüstung erhob]. – Briefe von Zedlitz. Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1866, Nr. 706, 710, 724, 732, 738, 748, 755, 774, 797 im Feuilleton: „Zedlitz’ Briefe an eine Freundin“. [Diese Briefe standen zuerst im Cotta’schen Stuttgarter „Morgenblatt“ 1864, Nr. 6, 8, 10, 22, 27, 29, 30, 35, 42, 52; 1865, Nr. 16, 17, 26, in welchem sie von der langjährigen Freundin des Dichters, der Frau von Binzer (bekannter unter dem Namen Ritter), welche noch zur Stunde in Aussee lebt, veröffentlicht wurden. Man lernt aus diesen Briefen den ebenso deutschen als österreichischen Poeten der vormärzlichen Schule kennen. Eine sehr feinfühlige, wohl von Elfenkost sich nährende Kritikerseele bemerkte, daß förmlicher Küchenduft aus diesen Briefen Einem entgegenschlage! Wen beirrt dieser Duft, wenn er zum Menü einladet, was wirklich der Fall ist. Die Briefe sind Ergüsse vertraulichster Art. Zedlitz gibt sich darin, wie er eben ist. Die Dame konnte ja die Briefe redigiren; sie that es aber nicht und that recht daran. Der Küchenduft – aus solcher Küche – beirrt nur den Proletarier und nie den Gebildeten. Wir würden unsere Glosse unterdrückt haben, aber das Blatt, welches den Küchenduft zuerst roch, hatte gekräht, und die anderen Blätter – kritiklos und scandalsüchtig – fanden sich berufen nachzukrähen. So glaubten wir denn den Thatbestand richtig zu stellen und zu bemerken: daß der Küchengeruch, der eben nicht stört, diesen vertraulichen Mittheilungen an eine geistvolle Dame nicht ein I-Tüpfelchen an ihrem Interesse nehme. – Die Ehrengabe für Zedlitz. Als Zedlitz nach den siegreichen Kämpfen unserer Armee im Jahre 1848 in Italien sein „Soldatenbüchlein“ herausgegeben hatte, schickte ihm diese Armee durch einen Officier des Generalstabs einen prachtvollen mit Emblemen verzierten goldenen Kunstpocal mit einem Schreiben des höchstcommandirenden Feldmarschalls Radetzky und den Briefen sämmtlicher Generale der italienischen Armee. – Die Schlußcadenz in Freiherrn von Zedlitz’ Briefen für die „Allgemeine Zeitung“. Es ist bekannt, daß Freiherr von Zedlitz viele Jahre von der Wiener Staatskanzlei bestellter Wiener Correspondent der damals in Augsburg erschienenen „Allgemeinen Zeitung“ war. Die Schlußworte seiner Briefe lauteten stets: „Uebrigens befinden sich die Vicinalwege Wiens noch immer im schlechten Zustande.“ [255] Und dies schrieb er so lange, bis die Vicinalwege besser wurden. E. M. Oettinger machte es ihm nach, indem er in seinem „Charivari“ im Vormärz die stehende Rubrik hatte: „Und Sedlnitzky ist noch immer Polizeiminister in Wien“, bis die Märztage 1848 den Grafen vom öffentlichen Schauplatze wegfegten. Schließlich bemerken wir noch, daß, wie wir aus Varnhagen’s „Tagebüchern“ erfahren, Zedlitz’ Correspondenzen in der „Allgemeinen“ in Preußen mit großer Aufmerksamkeit gelesen wurden. – Handschrift. Zedlitz Gesetzgeber der Ludlamshöhle. Adolf Henze theilt in seinem Büchlein „Die Handschriften der deutschen Dichter und Dichterinen“ (Leipzig 1855, Schlöcke, 12°.) das Facsimile der Unterschrift des Dichters mit und charakterisirt sie drastisch genug, wie folgt: „Abrundung, Pathos – Nachts um die zwölfte Stunde...“. – Hier sei noch bemerkt, daß Zedlitz auch Mitglied der zu ihrer Zeit berühmten und vielgenannten Ludlamshöhle, eines geselligen Vereines in Wien war, über welchen Castelli in seinen „Memoiren“ Bd. II, S. 174–232 die ersten und einzigen authentischen Nachrichten gibt. Zedlitz führte in demselben den Gesellschaftsnamen Columbus Turturella, Ludlams Solon; den Namen Turturella von seinem ersten dramatischen Werke „Turturell“, und Ludlams Solon hieß er, weil er die Gesetze für die Ludlam verfaßt hat. – Charakteristik Zedlitz’ durch einen Pamphletisten. Diese bringt der Oesterreichische Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Frey–sing [Hoffmann und Campe in Hamburg], 8°.). Uffo Horn, dem dieses Pamphlet zugeschrieben wird, charakterisirt Zedlitz folgendermaßen: „Groß, fett, militärische Haltung, rabiates Aeußere, zaghaftes Innere, Salonling (!) und Gourmand, Huszar in Pension, im geheimen Staatsdienst auf Reisen, phantasie- und geistvoll gewesen, aber jetzt noch geld- und charakterlos; Renegat im Angesichte Deutschlands, ein Stern am Dichterhimmel Oesterreichs, aber ein untergegangener: kreischt und stammelt, hat ein Exempel für aufkeimende Talente statuirt; bedauernswerth.“ [Wir führen dieses Pamphlet nur an, um zu zeigen, wie weit sich im Vormärz hämische Talentlosigkeit verirren konnte! Und merkwürdig! Diese carrikirten Striche passen auf den Pamphletisten selbst!] – Einige Aussprüche der Kritik über Zedlitz. Julian Schmidt, der befangenste aller deutschen Literaturhistoriker, kann ihm melodischen Fluß in der Diction nicht absprechen, nimmt auch keinen Anstand, es anzuerkennen, daß man das Lustspiel „Liebe findet ihre Wege“ ohne Weiteres Calderon zuschreiben könnte, am Ende seiner Beurtheilung aber faßt er sein Urtheil in folgenden Worten zusammen: „Zedlitz steht in seiner ganzen Empfindungsweise der spanischen hochromantischen Schule zu nahe, um dem deutschen Publicum anders als fremdartig zu erscheinen.“ – Wolfgang Menzel in seiner „Geschichte deutscher Dichtung“ meint wieder: Der Wiener Dichter J. Ch. Freiherr von Zedlitz gehört zu den besten seiner Zeit. Seine „Todtenkränze“ von 1827 sind Elegien in klangvollen Versen, schwermüthige, aber zugleich hochherzige Betrachtungen über die gefallenen Größen der Jahrhunderte, über die längst vom Grabe zugedeckten Dichterherzen, die einst so feurig schlugen, wie das Herz Tasso’s, Petrarca’s. Man merkt, daß der Dichter ein wenig von der Schwermuth Lord Byron’s angesteckt war, dessen „Childe Harold“ er meisterhaft übersetzte. In seinen anderen lyrischen Gedichten zeigt Zedlitz dieselbe düstere Melancholie. In den Schauspielen, die er seit 1821 schrieb, verräth er die spanische Schule.“ – Gervinus endlich, vor dem die österreichischen Poeten überhaupt keine Gnade finden – Leute wie Gervinus sollten doch keine Literaturgeschichte schreiben – schreibt über Zedlitz: „Zedlitz adoptirt den Styl des spanischen Dramas hier und da völlig; einige seiner Stücke opfern sich geradezu den spanischen Formen und Sitten auf. Ueberhaupt fand der spanische Geschmack in Wien besondere Aufnahme“!!! – Wie warmherzig und richtig empfunden schreibt dagegen der ungenannte Kritiker der „Illustrirten Zeitung“: „Anfang und Ende von Zedlitz’ Dichterlaufbahn. „Die Todtenkränze“ und „Waldfräulein“ bethätigen am schönsten seine Geistes- und Gefühlskraft, was inmitten liegt ist Zuthat, grünes Blätterwerk zum Blütenkranz, der seine Schläfe umwindet. Ein unbestimmtes Traumwandeln der Poesie mit geschlossenen Augen, das sich an den Kanten der Dächer zu erhalten weiß, gibt diesem Dichter einen zauberhaften Reiz. Die Poesie, die so oft grausam mit Schwertern spielt, pflückt und zerpflückt Sternblumen leise für sich hinsprechend: Er liebt mich – vom Herzen – mit Schmerzen – und jauchzt in seliger Lust auf, daß ihr Freudenschrei [256] durch alle Wälder und Schluchten singt und klingt. Zedlitz ist als Dramatiker durchweg wenig originell, als Traumdeuter aber ist er es, hier erschließt sich ihm das ganze Wesen der Poesie, und es liegt ausgebreitet wie ein krystallheller Weiher, in dem man die Steine bis auf den Grund sehen kam, an dem man gern im ernsten Nachsinnen sitzen mag, um sich von dem rauschenden Schilfrohr und von den lispelnden im Sonnenstrahl zitternden Wellen Ammensagen erzählen zu lassen. Zumeist aber ist bei der letzten Dichtung die frische Jugendkraft bei den vorgerückten Jahren des Dichters (dieser zählte damals bereits 56 Jahre) zu bewundern.“ – Wir schließen mit Nachweisen über andere kritische Stimmen. – Zur Kritik. Bohemia (polit. und belletristisches Prager Blatt). Redig. von F. Klutschak, 22. Jahrgang, 16. October 1849, Nr. 217: „Zeitpoeten“. – Frankl (Ludw. Aug.). Sonntagsblätter (Wien, 8°.) II. Jahrg., S. 1162: „Ein Franzose (Taillandier) über deutsche Poesie. Freiligrath, Heine, Zedlitz, Lenau“. Von Heinrich Landesmann [Französisches Gewäsch]. – Gottschall (Rudolf). Die deutsche Nationalliteratur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Literarhistorisch-kritisch dargestellt (Breslau 1861, Trewendt, 8°.) 2. verm. und verb. Auflage, Bd. III, S. 82 u. f. – Laube (Heinrich). Geschichte der deutschen Literatur (Stuttgart 1840, Hallberger, gr. 8°.) Bd. IV, S. 134 u. f. – Lorm (Hieronymus). Wiens poetische Schwingen und Federn (Leipzig 1847, Grunow, 12°.) S. 141 u. f. [Lorm schließt seinen Essai über Zedlitz mit den Worten: „Mit seiner politischen Feder aber hat er sich die Todtenkränze seines Ruhmes geschrieben“. Nicht so ganz, das Immergrün der Todtenkränze kann nicht verblassen, wenn auch der Samum des Servilismus darüber streift. Schön bleibt schön unter allen Umständen.] – Menzel (Wolfgang). Die deutsche Literatur. Zweite verm. Auflage (Stuttgart 1836, Hallberger, 8°.) Theil IV, S. 257 und 347. – Seidlitz (Julius Dr.). Die Poesie und die Poeten in Oesterreich im Jahre 1836 (Grimma 1837, 12°.) Bd. I, S. 196 u. f. – [Kehrein in seinem Lexikon katholischer Dichter gibt am Schlusse der biographischen Skizze von Zedlitz eine reiche Auswahl von Quellen kritischer Stimmen aller bedeutenden deutschen Literaturhistoriker.] – Ein Beitrag zur Geschichte literarischer Umtriebe, Zedlitz betreffend. Ein Freund erzählte mir: In einer Gesellschaft literarischer Freunde, welche sich von Zeit zu Zeit in einem Wiener Café zu versammeln liebte und in einer traulichen abgelegenen Ecke die neuesten Erscheinungen der Literatur besprach und auch manchmal die älteren Poeten vor ihr Forum nüchternster Beurtheilung zog, bemerkte Einer aus der Gesellschaft: „Es ist doch auffallend, wie man dem armen Zedlitz seine publicistische Thätigkeit unter Metternich so schwer anrechnet, da sie weder etwas Anrüchiges, noch sonst Unlauteres an sich hat, denn er vertrat Staatsansichten, wie sie auch heute vertreten werden, und wenn er auch selbst nicht mit dem Schwarm der Freiheitsjodler dahinraste, kann man ihn doch nicht einer unehrenhaften Gesinnung oder sonst unedlen Handlung zeihen. Es ist aber gewiß, daß, wie man ihn einst als Sänger der „Todtenkränze“ vielleicht überschwänglich pries – womit ich aber nicht im geringsten diese wunderbaren Canzonen in ihrem wirklichen Werthe schmälern will – man ihn heute ebenso entweder verlästert oder aber geradezu todtschweigt, ohne daß er das Eine oder das Andere verdient.“ Man stimmte dieser in voller Ruhe und ohne Voreingenommenheit ausgesprochenen Ansicht allgemein bei, als Einer aus der Gesellschaft, der sich sonst meist schweigend, überhaupt mehr passiv verhielt, rief: Ich kenne oder glaube zu kennen die Ursache dieses auffallenden Vorganges, sie rührt von der unstillbaren Rache eines Poeten her, der Gedichte macht und nicht dichtet. Dieser Versemacher, so erzählte mir Zedlitz selbst den Vorgang, und ich halte ihn für wahr, da er dem Sänger der „Todtenkränze“. der selbst Metternich gegenüber kein Blatt vor den Mund zu nehmen pflegte, ganz ähnlich sieht, dieser Versemacher (Vogl?), fuhr Zedlitz fort, besuchte mich eines Tages und im Laufe des Gesprächs, das er auf seine Dichtungen zu lenken gewußt hatte, legte er eine unsagbare Selbstüberschätzung an den Tag. Ich entgegnete ihm, über diese lächerliche Dichtereitelkeit geradezu empört, mit jener Offenheit,[WS 1] die ich nun einmal nicht los werden kann: Mein Freund, Sie dichten ja nicht, Sie machen Gedichte. Sie winden und binden, sie kleben und weben, Sie reimen und leimen Worte und Verse zusammen, wie die herumziehenden slovakischen Drahtbinder gesammelte Scherben [257] zu einem Topfe zusammenfügen, ja es ist wieder ein Topf, aber was für einer! Ich muß gestehen, fuhr Zedlitz fort. ich erschrak, als ich den Mann vor mir stehen sah, über den Ausdruck seines Gesichtes, welcher nur eine Folge des Eindrucks meiner Worte sein konnte, und mir that es wirklich, aber zu spät leid, diese Worte gesprochen zu haben, nicht weil sie nicht wahr gewesen, sondern weil ihre Wirkung doch stark war. Wie er mich verließ, weiß ich wahrhaftig nicht zu sagen. Er war plötzlich nicht mehr da. Indeß der arme Poet fuhr nichtsdestoweniger fort, schlechte Gedichte zu machen, verfolgt mich aber seither, wie und wo er kann, offen und heimlich, setzt mich als Menschen und Poeten herunter, nennt mich einen Wohldiener, einen Sykophanten, ja einen Feigling. Nun ich muß es tragen, denn ich habe es verschuldet. So Zedlitz. Und ich glaube wirklich, diese schleichende in naturgemäßer Art nicht aufklärbare Opposition und theilweise Todtschweigensmethode hat in der eben erzählten Thatsache ihren Ursprung. Ich erzähle die Sache, wie ich sie gehört; und weil ich Aehnliches erlebt, halte ich sie für wahr. – Quellen zur Biographie Jos. Christ. Zedlitz. Album österreichischer Dichter. Neue Folge: J. Ch. Freiherr von Zedlitz (vom Herausgeber dieses Lexikons). Joh. Ludw. Deinhardstein. Betti Paoli, W. Constant, Karl Egon Ebert, S. G. Mosenthal, Otto Prechtler, C. G. Ritter von Leitner, Rudolf Hirsch, Karl Beck, Alfred Meißner, M. G. Saphir (Wien 1858, Pfautsch und Voß. 8°., mit 12 Bildnissen) S. 1-42: „Zedlitz“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) Nr. 78; 1862, Nr. 135, Beilage, S. 2238: „Zedlitz und seine Ankläger“ [für einen späteren Biographen des Dichters wichtig]; 1863, Beilage, Nr. 67 u. f. – Dieselbe, 8. Februar 1890, Beilage. Nr. 39: „Joseph Christian von Zedlitz“. Von Richard Mahrenholz [in diesem prächtigen mit liebevoller Wärme gehaltenen Vortrage vermissen wir nur eine Erinnerung an das Gedicht „Die nächtliche Heerschau“, mit welchem der Namen des Dichters unauslöschlich verbunden ist]. – Berliner Figaro, 1837, Nr. 270 [Silhouette in Worten der äußeren Erscheinung des Dichters]. – Der Botschafter (politisches Wiener Parteiblatt) 1862, Nr. 80 im Feuilleton: „Wiener Chronik“. – Brümmer (Franz). Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten von den ältesten Zeiten bis zu Ende des 18. Jahrhunderts (Leipzig 1884, Reclam jun., 12°.) [Universalbibliothek Nr. 1941–1945] S. 603. – Classiker, moderne. Deutsche Literaturgeschichte der neueren Zeit in Biographien, Kritiken und Proben (Kassel 1852 u. f., Balde, 16°.) 116. Bändchen (mit Ernst Schulze und Wilhelm Müller zusammen in einem Bande). – Brunner (Sebastian). Denkpfennige zur Erinnerung an Personen, Zustände und Erlebnisse vor, in und nach dem Explosionsjahre 1848 (Würzburg, Wien 1886, Leo Woerl, 8°.) S. 68. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden (Leipzig 1832, F. A. Brockhaus gr. 8°.) Bd. IV, S. 1023 u. f. – Didaskalia (Frankfurter Unterhaltungsblatt). Redigirt von J. A. Hammeran, 1862, Nr. 80: „Zedlitz“. – Donau-Zeitung (Wiener politisches Blatt) 1862, Nr. 67: „Biographien“. – Frankfurter Conversationsblatt (Beilage zur Frankfurter Oberpostamts-Zeitung) 1862, Nr. 101 bis 104. – Gedenke Mein. Taschenbuch, herausgegeben von Gabriel Seidl (Wien, 12°.) Jahrg. 1854, S. X-XIV: „Johann Christian Freiherr von Zedlitz“. – Goedeke (Karl). Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1859, Ehlermann, 8°.) Bd. III, S. 401 u. f., S. 817 [mit dem unrichtigen Todesdatum 10. (statt 16.) März 1862]. – Harmonia (Oedenburger Localblatt) 1862, Nr. 24: „Nekrolog“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber. kl. Fol.) 1846, S. 46; 1862, S. 220. – Illustrirtes Familienbuch des österreichischen Lloyd (Triest, 4°.). Neue Folge 1862, S. 263: „Zedlitz und seine Zeit“. Von Dr. G. E. Haas [ist auch in Kolatschek’s „Stimmen der Zeit“ 1862, Nr. 13 und 14 abgedruckt]. – Iris (Mode- und Musterblatt für Frauen). Redigirt von Cajetan Cerri, März 1851 [in dieser Nummer entwirft der Redacteur eine Charakterzeichnung des Dichters, aus welcher wir u. A. erfahren, daß Zedlitz durch sein „Soldatenbüchlein“ zum Abgott der Armee geworden]. – Kehrein (Joseph). Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhundert (Zürich, Stuttgart und Würzburg 1871, Woerl, gr. 8°.) Bd. II, S. 277 [mit Angabe zahlreicher – meist literarisch-kritischer Quellen]. – Kurz (H.) [258] Geschichte der deutschen Literatur mit aus gewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller. Mit vielen nach den besten Originalen und Zeichnungen ausgeführten Illustrationen im Holzschnitt (Leipzig 1859, B. G. Teubner, schm. 4°.) Bd. III, S. 225–228, mit Bildniß im Holzschnitt. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig 1860, Lorck, 4°.) erste Serie, Sp. 788. – Meyer (J.). Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia (Bibliographisches Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung, Bd. XV (1852) S. 625, Nr. 2. [Daselbst steht: „Ordonnanzofficier beim Chef des dritten Armeecorps, Fürsten Hohenzollern, kämpfte er in den Schlachten von Regensburg, Aspern und Wagram und ward nach dem Treffen von Hausen am 19. April unter denen aufgeführt, die sich besonders ausgezeichnet hatten“. (Da wird doch jede weitere Behauptung, daß er nicht im Felde gewesen, hinfällig).] – Minckwitz (Johann). Neuhochdeutscher Parnaß, Seite 887. – Die Mußestunden (Wiener illustrirtes Unterhaltungsblatt, 4°.) 1862, S. 131: „Biographie“. – Neuer Plutarch oder Biographien und Bildnisse der berühmtesten Männer und Frauen aller Nationen und Stände u. s. w. Vierte Auflage. Mit Verwendung der Beiträge des Freiherrn Ernst von Feuchtersleben neu bearbeitet von Aug. Diezmann (Pesth, Wien, Leipzig 1858, C. A. Hartleben, 12°.) Band III, S. 3. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1832, 8°.) Bd. VI, S. 225. – Oesterreichische constitutionelle Zeitung (Wien, Fol.) 1862, Nr. 129 im Feuilleton: „Nekrologe“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 73 und 76 [Kurzer Nekrolog und Partezettel.] – Dieselbe, 1864, Nr. 278: „Theater und Kunst“ [ein bissiges Bonmot Lenau’s über Zedlitz’ Dichtung „Das Waldfräulein“]. – Dieselbe. 1866, Nr. 299 im Feuilleton: „Gebt los, was nicht zu uns paßt, oder Zedlitz und Italien“. Von Ludwig Aug. Frankl [darin steht die Behauptung: „daß Zedlitz nie vor dem Feinde stand“, welche später im nämlichen Blatte Nr. 314 und von Anderen widerlegt wurde]. – Dieselbe, 1866, Nr. 314 in der Rubrik „Wünsche- und Beschwerdenbuch“. [Ein Herr Mirolli widerlegt die Behauptung Ludw. Aug. Frankl’s, „daß es Prahlerei von Zedlitz gewesen, wenn er sich rühmte, gegen den großen Corsen das Schwert geführt zu haben“. Auch Graf Thürheim[WS 2] und Andere führen an, daß Zedlitz mit Auszeichnung im Feldzug 1809 gekämpft.] – Schlesische Zeitung (Breslau, Fol.) 1862, Nr. 135, im Feuilleton: „Nekrolog“. – Stern (Adolf). Lexikon der deutschen Nationalliteratur. Die deutschen Dichter und Prosaiker aller Zeiten u. s. w. (Leipzig 1882, bibliogr. Institut, br. 12°.) S. 400 [schreibt: „Glänzenden Erfolg hatte in Oesterreich sein „Soldatenbüchlein“ (1848), eine Art poetischen Katechismus für die österreichische Armee, deren Selbstgefühl mit der Vorstellung überhitzt wurde, daß sie die Welt in Ordnung zu bringen habe.“ Und was hat denn das heutige „Volk in Waffen“ zu thun?] – Süddeutsche Zeitung (München, Fol.) 1862, Nr. 145, im Feuilleton [mit falschem Todesdatum 15. (statt 16.) März]. – Thürheim (Andr. Graf). Die Reiter-Regimenter der k. k. österreichischen Armee (Wien 1862, F. B. Geitler, gr. 8°.) Bd. II: „Die Huszaren“ S. 63. – Derselbe. Licht- und Schattenbilder aus dem Soldatenleben und aus der Gesellschaft. Tagebuchfragmente und Rückblicke eines ehemaligen Militärs (Prag und Teplitz 1876, Dominicus, 8°.) S. 42 u. f. [daselbst steht wörtlich: „Als Ordonnanzofficier des Feldmarschall-Lieutenants Prinzen Hohenzollern zeichnete sich Baron Zedlitz in den Schlachten von Regensburg, Aspern und Wagram durch Tapferkeit und eifrige Verwendung aus“]. – (Waldheim’s) Illustrirte Zeitung (Wien, Fol.) 1862, Nr. 12: „Biographie“. – Wiener Zeitung, 1862, Nr. 63: „Nekrolog“ [eine höchst dürftige Abfertigung für einen Poeten und Patrioten, wie es Zedlitz war und ist]. – Dieselbe, 1862, Tagesberichte Nr. 53, Nr. 67: „Ueber des Dichters letzte Lebenstage“. – (Wigand’s) Conversations-Lexikon für alle Stände. Von einer Gesellschaft deutscher Gelehrten bearbeitet (Leipzig 1846, O. Wigand, gr. 8°.) Bd. XV, S. 413.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Offerheit.
  2. unter dem Namen Zedlitz, Christoph von.