Benutzer:UBBasel-408/Wackernagel 1

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Einleitung.



Die Geschichte der Stadt Basel, als das bewußte und eigenartige Leben eines ausgebildeten Individuums verstanden, wird erst spät erkennbar und darstellbar. Ein gewaltiger Zeitraum, von den fünfzehn Jahrhunderten, die vor uns liegen, die volle Hälfte, zeigt nur allgemeine Umrisse. Über die Anfänge müssen wir hier rasch hinweggehen.


Als Hauptsitz römischen Lebens in unserer Gegend erscheint zuerst Augst, Augusta Raurica, die Gründung des Munatius Plancus. In der Folge tritt neben diese Stadt auch Basel. Wann letzteres entstanden ist, wissen wir nicht. Seine früheste Nennung fällt in das Jahr 374 nach Christi Geburt; damals wird Basel durch Ammianus Marcellinus als ein bekannter Ort erwähnt, anläßlich des Baues einer Befestigung in seiner Nähe durch Kaiser Valentinian. Wenig später begegnet uns Basels Name auch im Verzeichnis der Provinzen und Städte Galliens, als civitas Basiliensium, auf gleicher Stufe stehend mit den Städten Nyon, Aventicum, Besançon.

Vom Dasein dieses römischen Basel geben die Überbleibsel Kunde, die sich im Gebiet unserer Stadt finden: die Mauer des Kastells auf dem Münsterhügel, das Gräberfeld zu St. Elisabethen, zahlreiche Reste von Prachtbauten, Gesimse, Säulentrümmer, die Inschriften, Münzen, Bildwerke. Sie tun dar, daß sich außerhalb des Kastells umfangreiche Ansiedelungen befanden, sowohl auf der Höhe bei den nach den Gebirgspässen führenden Straßen, als in der Tiefe des Birsigtales, in der Nähe des Rheines.

Von Wichtigkeit ist nun aber, sich klar zu machen, daß die Stürme, die in diesen Landen über Roms Herrschaft hereinbrachen, die Römerstadt Basel selbst nicht beseitigten. Diese Ortschaft überdauerte den großen Einfall der Alamannen im fünften Jahrhundert. Sie blieb bestehen, sie wurde fränkische Stadt. Sie war im Stande, den Ruhm des untergehenden Augst aufzunehmen, den Rang einer civitas zu behaupten.

[2] Wie in Augst, so hatte auch in Basel das Christentum Fuß gefaßt. Seine Anfänge mögen in die römische Zeit zurückreichen. Seine Festigung fand es unter der Herrschaft der Merowinger, und das Denkmal hievon ist die Martinskirche. In ihr lebt das Gedächtnis des fränkischen Nationalheiligen weiter. Sie darf als das älteste Gotteshaus Basels gelten, ihre Entstehung ist schon im sechsten Jahrhundert, wohl auf Königsgut, zu suchen; St. Martin wird das Bistum nach Basel gezogen haben.


Möglicherweise bestanden eine Zeitlang nebeneinander zwei Bistümer; denn Ragnachar führte den Titel eines Bischofs von Basel und Augst, zu Beginn des siebenten Jahrhunderts. Dann verschwindet das Augster Bistum, und nur von Basel ist noch die Rede.


Ragnachar aber war einer der Bischöfe, die aus dem vom Iren Columba im Jahre 585 gegründeten Kloster Luxeuil hervorgingen. Dieser Zusammenhang erinnert an die große Tatsache der iro-fränkischen Mission, einer Bewegung, die mit merkwürdiger Gewalt durch die Lande ging. Von Luxeuil aus geschahen die Gründungen der Klöster Moutier und St. Ursanne im Jura, und Columba selbst zog nach dem Osten Alamanniens, wo dann einer seiner Schüler der Stifter von St. Gallen wurde. Auf dieser Reise hat Columba höchst wahrscheinlich Basel berührt. Einer Missionstätigkeit bedurfte freilich dieser Ort nicht, wo das Christentum schon begründet war und wohl auch ein Bischof residierte. Wenn wir aber dem Zeugnis des spätern Mittelalters vertrauen dürfen, begabte damals Columba Basel mit der Reliquie der Unschuldigen Kindlein, die in der Folge als eines der kostbarsten Stücke des Münsterschatzes galt.


Wir eilen über die Jahrhunderte hinweg und machen aus der Reihe der früheren Basler Bischöfe hier nur Rudolf namhaft. Sein Tod, das Einzige was man von ihm weiß, war Teil einer Katastrophe, der Basel zum Opfer fiel. Die Ungarn, die in den sechziger Jahren des neunten Jahrhunderts sich im Osten Deutschlands zuerst gezeigt, begannen ihre Einfälle; sie erschienen an der Elbe, sie zogen die Donau hinauf, nach dem Sieg über die Baiern im Jahr 907 ergossen sie sich in trüber wilder Flut über das ganze Land. Mit erbarmungsloser Roheit Alles vernichtend, erschienen sie dem Volke als die Krieger Satans. Sie brachen auch über Basel herein; im Jahre 917 und zwar, wie wir annehmen dürfen, am 20. Juli wurde diese Stadt durch sie „erobert und dem Boden gleich gemacht“. Unter ihren mörderischen Streichen sank auch Bischof Rudolf.


Als solches geschah, war Basel eine Stadt von Hochburgund.

[3] Bei der Teilung des Reiches unter die Söhne Ludwigs des Frommen, 843 zu Verdun, war mit den übrigen Landen des linken Rheinufers auch Basel zum Teile Lothars getan worden; der Vertrag von Meersen 870 sodann, bei der Teilung des lotharingischen Erbes unter die Brüder Ludwig den Deutschen und Karl den Kahlen, legte zu dem Stücke Ludwigs auch Basel und den Baselgau.

Doch nicht für lange Zeit. Im Jahre 888 nahm der Welfe Graf Rudolf die Krone und schuf das in der Hauptsache die heutige Westschweiz umfassende Königreich Hochburgund; zu diesem Reiche scheint schon bald nach seiner Entstehung auch Basel gekommen zu sein.

„Am Kreuzweg zwischen Burgund, Frankreich und Deutschland liegt Basel; aber es selbst gehört zum Reiche Burgund,“ schreibt ein Chronist des elften Jahrhunderts. Wesentliches verlautet aus diesem Abschnitt seiner Geschichte nicht; solches geschieht erst infolge der Bewegungen, die das Ende Hochburgunds begleiteten.

Hiebei ist zunächst von Kaiser Heinrich II. zu reden. Ihm kommt in unserer Geschichte die doppelte Bedeutung zu, den ersten Schritt für die Rücknahme der Stadt an Deutschland getan und durch mächtige Erweisungen die Basler Kirche gefördert zu haben.

Daß er Basel gewann, stand im Zusammenhang mit seinen Absichten auf Burgund überhaupt. Als Neffe des kinderlosen Königs Rudolf erhob er Ansprüche. Im Jahre 1006 kam er herüber und zog, wohl auf Grund persönlicher Verständigung mit Rudolf und zur Sicherstellung seiner Rechte auf das Ganze, die Stadt Basel zum deutschen Reiche. Im Juli 1006 war er in Basel anwesend.

Aus diesem Erwerbe heraus erklärt sich nun auch die Liberalität, die Heinrich dem Basler Bistum erwies. Was er nun tat, tat er einer Kirche seines Reiches. Zwar als Erbauer des Münsters kann er nicht betrachtet werden; die Nachrichten der Zeit berechtigen hiezu nicht. Aber er war restaurator, wie des armen Bistums so der Kathedrale, ein Wiederhersteller, Schmücker und Verherrlicher. Noch lange nach ihm strahlten hier als Zeugnisse seiner Huld der mächtige silbergeschmiedete Kronleuchter, ein reiches Altarkreuz, das kostbare Plenarium, der mit Adlerbildern gestickte Mantel, als herrlichstes Stück die große goldene Altartafel. Aus dem Brandschutt der Ungarn hatte sich der Dom schon wieder erhoben, aber er stand dürftig, schmucklos, ohne Glanz; und was nun Heinrich nicht nur an Zierden darbrachte, sondern auch für Stärkung oder Ergänzung des Bauwerkes selbst tat, mochte einer Erneuerung nahe kommen. So wurde [4] denn, wie eine nicht preiszugebende Überlieferung meldet, in Gegenwart des Kaisers am 11. Oktober 1019 das Münster durch Bischof Adelbero feierlich geweiht und mit den von Heinrich dargebrachten reichen Reliquien begabt. Daneben gehen her seine Schenkungen an das Bistum: das Münzregal, Wildbänne im Elsaß und Breisgau, Besitzungen zu Bellingen usw.; weniger fest beglaubigt ist die Verleihung der Gerichtsbarkeit sowie der Herrschaft Pfäffingen. Aber deutlich tritt seine Politik zu Tage, wie die Stadt so auch das Hochstift, dessen Gebiet ja zum Teil im deutschen Reiche lag, nun völlig zu Deutschland herüberzuziehen: den Bischof Adelbero wünscht er wiederholt bei sich zu haben und stellt ihn etwa geradezu unter die Suffragane von Mainz. Als er dem Kloster Murbach einen beträchtlichen Teil seiner Güter nimmt und dem Adelbero zuwendet, ist dies nicht nur ein Akt jener Klosterreform, die er auch in Trier, Hersfeld, Corvey usw. übte, sondern zugleich eine Gabe an den Basler Kirchenfürsten, um dessen Treue zu belohnen und zu sichern.

Alles dies hat in Basel das Andenken Heinrichs aufs festeste begründet. Die Erinnerung der folgenden Jahrhunderte sah in ihm den großen Wohltäter und Erneuerer, umgab sein Bild mit einem idealen Glanze. Er wurde der Patron der Kirche, Schutzherr und Heiliger der Stadt, unter dessen Segen diese später einen der größten Tage ihrer Geschichte, den Heinrichstag 1501, stellte.

Durch Heinrichs mächtigen Nachfolger Konrad erfüllten sich die Geschicke Burgunds und Basels. Im Jahre 1025 „unterjochte“ Konrad Basel; er nahm neuerdings die Stadt zu Händen, die nach Heinrichs Tode wieder an Burgund gefallen war. Und von da an blieb Basel in Konrads Gewalt. 1032 hielt er auf dem Felde bei Muttenz jene Unterredung mit König Rudolf, bei der er sich von diesem das burgundische Reich übergeben ließ. Dann führte er ihn als seinen Gast nach Basel hinein.

Basel war jetzt eine Stadt des deutschen Reiches. Es empfing wiederholt den Besuch der Könige; die Geschichte des Hochstiftes nennt die großen Erweisungen, die sie ihm zu Teil werden ließen. Das Bestehen einer Reichspfalz in Basel ist aus Manchem zu ersehen.

Wichtiger ist, daß Basel, wenige Jahrzehnte nachdem es zum Reiche gekommen, nun hier in die gewaltigen Kämpfe der Hildebrandinischen Zeit hineingeführt wurde.

Zunächst bereiteten ihm diese Streitigkeiten ein merkwürdiges Schauspiel: die Reichsversammlung und Synode, die im Oktober 1061 in Basel [5] abgehalten wurde. Der kaum elfjährige König Heinrich IV. war anwesend mit seiner Mutter, der Kaiserin Agnes. Er empfing die von den Römern übersandte Krone. Zahlreich waren die Italiener erschienen, aus Deutschland nur Wenige. Am 28. Oktober wurde hier Bischof Cadalus von Parma zum Papst Honorius erhoben, dem vor Kurzem in Rom gewählten Alexander entgegen. So wurde Basel, wie vier Jahrhunderte später wiederum, der Geburtsort eines verhängnisvollen Schisma. Sein Bischof Berengar freilich hatte sich an der Papstwahl nicht beteiligt; um so entschiedener trat dann dessen Nachfolger Burchard auf die Seite Heinrichs.

Bei der Figur dieses Bischofs Burchard können wir nur kurz verweilen. Sie ist voll Bewegung und Macht; überall, wo er uns erscheint, geschieht es im lebendigsten Moment. Und welche Gegensätze und Wechsel vertritt er nicht! Mit dem Bischof von Speier geht er 1076 nach Italien, den dortigen Episkopat gegen Papst Gregor aufzurufen; er ist aber auch Begleiter Heinrichs nach Canossa, und mit ihm wieder zieht er in Rom ein, empfängt dort im lateranensischen Palaste eine kaiserliche Gabe für sein Bistum. Dann stürzt er sich für den geliebten Herrscher, aber auch im Interesse der eigenen Stiftsherrschaft, in die Kämpfe gegen Rudolf von Rheinfelden, die in Schlag und Gegenschlag, mit furchtbarer Wildheit, Heiliges und Profanes gleich wenig schonend, die oberrheinischen Gebiete erschüttern. Auch bei der Schlacht an der Grune 1080, wo Rudolf siegt, aber das Leben verliert, ist Bischof Burchard anwesend. Im April 1085 in Quedlinburg, auf einer Synode der zu Rom haltenden Bischöfe, wird auch gegen ihn das Anathema ausgesprochen.

Von den Gefahren und Leiden, die während solcher Bewegungen für Basel zu bestehen waren, vernehmen wir im einzelnen nichts. Aber deutlich tönt doch in wenig spätern Schriftstücken die Empfindung wieder, daß diese drangvolle, wilde Zeit den Basler Bischof abgehalten habe, dasjenige zu tun, was sein Nächstes und Heiligstes hätte sein sollen. Die Zeit brachte schwere Heimsuchungen aller Art, Gefährdung durch wilde Tiere, Seuchen usw., in denen man willig eine Mahnung des Himmels zur Einkehr und Buße vernahm. Dies konnte auch Basel tun, als bei einem heftigen Gewitter 1094 der Blitz den Balken zerschmetterte, der im Münster das große Crucifix trug. Aber die Stadt empfing auch dauernde Zeugnisse des Erlebten: den von Burchard gebauten Mauerring, sowie als schönstes Denkmal und zugleich als Entgelt und Sühne das Kloster St. Alban.

Die Entstehung dieses Klosters bedeutete eine außerordentliche Bereicherung des städtischen Wesens. Es ist das erste Kloster Basels, die [6] erste Erweiterung kirchlichen Lebens über die Gotteshäuser des Castrum hinaus. Aber auch eine örtliche Erweiterung des Stadtbegriffs verbindet sich damit; das Kloster wird der Kern der frühesten Vorstadt Basels. Und am wichtigsten ist, daß es ganz neue Kulturelemente bringt; solange es bestand, war es eine Vertretung französischen Wesens, und seine Anfänge vor allem standen unter der Herrschaft eines völlig neuen Geistes.

Es war dies der Geist der von Cluny ausgehenden, zunächst auf Verbesserung des Klosterlebens gerichteten, bald zur Führung der ganzen Kirche hinstrebenden Gesinnung. Ein geläutertes Mönchtum sollte die Schule der Kirche sein, in strenger einheitlicher Organisation die Erreichung dieses Zieles bewirkt werden.

Wie diese cluniacensische Reform sich auch Deutschlands bemächtigte, in Hirschau eine weitere Ausprägung und Verschärfung empfing, daran ist hier nur zu erinnern. Uns wird die unwiderstehliche Gewalt der neuen Bewegung klar durch die Niederlassung von Cluniacensern bei Basel. Daß Burchard hiezu Hand bot, wie er auch im Jahre 1087 dem in der Disziplin von Cluny gebildeten Ulrich, Prior von Grüningen, den Ort Zell abtrat, hat wohl kaum in erster Linie kirchenpolitische Bedeutung. Es war nicht ein Preisgeben der Stellung, die er als entschlossener Vorkämpfer der kaiserlichen Sache einnahm; Streitmüdigkeit und versöhnliche Stimmung mögen allerdings mitgewirkt haben; aber die Gründung von St. Alban war ein Werk von Cluny, nicht der gregorianischen Agitatoren von Hirschau, und was in ihr siegte war das innerste Wesen der Neuerung, die Macht des asketischen Geistes. Ganz abgesehen vom Verkehre Burchards mit Abt Hugo von Cluny darf die Wirkung einer Persönlichkeit wie die des vorhin genannten Ulrich von Grüningen nicht gering angeschlagen werden; wir erfahren, daß er sich in Basel aufhielt und hier Wunder tat.

Die Anfänge von St. Alban liegen nicht völlig klar vor uns. Burchard soll während der Kriegsjahre die Abtei Moutier aufgehoben, ihr Vermögen zu Händen genommen und statt ihrer ein Chorherrenstift eingerichtet haben; später sei dann, zur Sühne hiefür und um den in Moutier obdachlos gewordenen Benediktinern eine andere Heimat zu schaffen, das Kloster St. Alban gegründet worden. Aber diese hier als singuläre Gewalttat geltende Umwandlung einer Abtei in ein Chorherrenstift war damals nichts Seltenes; sie geschah zur selben Zeit auch in St. Ursanne, in Schönenwerd, in Bischofszell, dann in St. Imier und anderwärts.

Als Jahr der Gründung ist 1083 urkundlich gesichert. Burchard weihte das Kloster neben Christus und Maria dem hl. Albanus, dem [7] Heiligen von Mainz, als seinem persönlichen Schutzpatron. Aber höchst wahrscheinlich geschah die Weihung in Anlehnung an den Namen eines schon seit frühchristlicher Zeit in Basel verehrten lokalen Märtyrers Albanus, dessen Grab und Kirchlein gerade da sich befanden, wo jetzt durch den Bischof ein Kloster errichtet wurde.

Wichtig ist, wie schon gesagt wurde, die Unterordnung dieses jungen Gotteshauses unter Regel und Herrschaft von Cluny. Sie hat jedenfalls gleich zu Beginn, nicht erst etwa einige Jahre später stattgefunden; es ist rein zufällig, dass die früheste Nennung des Basler Priorates in den Akten von Cluny erst zum Jahre 1095 geschieht.


Auch das zwölfte Jahrhundert führt uns tief hinein in kirchliche Zustände.

Vor allem ist auffallend das Entstehen zahlreicher neuer Klöster, auch in unsern Landen. Sie waren zum Teil die Frucht einer kloster-reformatorischen Bewegung. Der trotz Cluny und Hirschau eintretende Verfall der Benediktinerklöster rief neuen Orden, neuen Gründungen. An deren Spitze stand die Kongregation von Citeaux; von hier aus, über Morimont und Bellevaux, wurde im Jahre 1123 das Kloster Lützel gestiftet, neben Altenkamp das älteste Cistercienserkloster Deutschlands, ausgezeichnet durch die große Zahl seiner Tochterklöster, von dauernder Wichtigkeit für das benachbarte Basel. Neben den Cisterciensern entstanden die Karthäuser, die aber zur Zeit in Deutschland noch nicht Fuß faßten, und entstanden 1120 die Praemonstratenser, für Basel Bedeutung erlangend durch das im Jahre 1136 gestiftete Kloster Bellelay.

Dies waren die neuen Mönchsorden. Aber der unruhige Drang der Zeit erschöpfte sich in ihnen nicht. Er ließ auch den Geist des alten Mönchtums sich wieder aussprechen in Gründungen, wie z. B. Beinwil, Schöntal, und er richtete sich weiterhin auf ein Gebiet kirchlichen Lebens, das noch von keiner dieser Klosterreformen berührt worden war. Besserung des Lebens der Stiftskleriker, Einführung der mönchischen Ordnungen, insbesondere völliger Vermögenslosigkeit des Einzelnen, auch in die Stifter wollte diese neue Bewegung; ihr Ziel war die Umschaffung des wichtigsten Teiles des Weltklerus zu Ordensleuten. Dies war die Augustinerregel; die sich ihr unterzogen, hießen Regularkanoniker, regulierte Chorherren.

Von den ältern Genossenschaften dieser Art in unsrer Gegend ist vor allem Marbach zu nennen. Von Marbach her kam die Augustinerregel nach dem ursprünglichen cisterciensischen Kleinlützel; auch nach Basel soll sie durch Marbacher Herren gebracht worden sein.

[8] Auf einem Hügel außerhalb der Stadtmauern Basels war eine Kirche durch den Diakon Ezelin gebaut, im Jahre 1118 durch Bischof Rudolf in der Ehre der Heiligen Bartholomäus und Leonhard geweiht worden. Bei dieser Kirche errichtete Adelbero ein Augustinerchorherrenhaus und erteilte diesem im Jahre 1135 Statuten und Privilegien; 1139 bestätigte Papst Innocenz II. die Gründung. Damit fand die erste Zeit solcher Gründungen ihren Abschluß. Erst um ein Jahrhundert später erlebte Basel wieder Ähnliches: die Niederlassung der Minderbrüder und der Prediger, die Schaffung eines Chorherrenstiftes bei der Peterskirche.


Noch ist an die wunderbare Bewegung der Kreuzzüge zu erinnern. Von Beteiligung Basels am ersten Zuge, der ja in der Hauptsache ein französisches Unternehmen war, erfahren wir allerdings nichts. Aber nicht lange nachher fühlte auch Basel sich vom Sturme dieser Bewegung erfaßt. Am 6. Dezember 1146, von Heitersheim kommend, traf Bernhard von Clairvaux hier ein. Auf die Kunde hievon strömten die Massen im Münster zusammen. Da redete ihnen der gewaltige Mann ins Gewissen; er stellte ihnen das Bild des Erlösers vor Augen; er sprach von der heiligen Pflicht, den Ungläubigen das Land zu entreißen, wo Jener mit den Menschen gewandelt sei; er rief sie auf, der Fahne Gottes zu folgen und sich damit frei zu machen von Sünde und Schuld. Seine Glut entflammte Alle, und der Erste, der das Kreuz nahm, war Bischof Ortlieb selbst. Als nach der Feier Bernhard aus dem Münster trat, drängte sich die hocherregte Menge um ihn her, sie verlangte Wunder zu sehen; durch Handauflegen gab Bernhard einer stummen Frau die Rede, einem Lahmen die Kraft wieder. Folgenden Tages reiste er über Rheinfelden weiter.


Das Merkwürdige ist, daß keine Generation jener Zeit von diesen Erschütterungen verschont blieb. Sie wiederholten sich immer wieder; auch Basel hatte sie zu erleben. Am Kreuzzuge Kaiser Friedrichs nahm Basels Bischof Heinrich teil; er starb auf der Heimfahrt im Jahre 1190. Und im Jahre 1201 sehen wir den Abt Martin von Päris seine Kreuzzugspredigt im Münsterchor halten, vor einer zahllosen Menge. Begeistert schildert uns der Mönch Günther die Gewalt dieser Rede, das Weinen und Stöhnen des ergriffenen Volkes. Alle drängen sich vor, das Kreuz zu empfangen. Dann verläßt Martin Basel auf kurze Zeit. Aber 1202 kehrt er wieder, sammelt hier die Kreuzfahrer und zieht frohen Antlitzes mit ihnen hinweg, über den Arlberg und Verona dem Meere zu. Drei Jahre darauf, 1205, [9] sah Basel seine Rückkunft. Wie einst Bischof Ortlieb von seiner Kreuzfahrt das heilige Blut von Beyruth als kostbaren Schatz nach Hause gebracht hatte, so kehrte nun Martin mit einer auserlesenen Beute, zahlreichen herrlichen Reliquien aus Palästina und Byzanz, triumphierend zurück. Den Hochaltar des Basler Münsters begabte er mit einer reichgewirkten Decke.


Was bis hieher an Ereignissen und Zuständen der alten Zeit erwähnt worden ist, hat für uns insofern Bedeutung, als es das Aufwachsen der Stadt Basel begleitete.

Stadt und Bistum erscheinen als Einheit. So bestimmt an das Vorhandensein eigener Gemeindeinteressen, gesonderten städtischen Lebens geglaubt werden muß, so wenig vernimmt man davon. Der Drang zur Freiheit schlummert noch. Von keinem Kampfe kommt Kunde zu uns. Das ganze profane Basel der ältern Zeit ruht für uns unter einem Schleier verborgen. Sein Heranwachsen geschieht so naturgemäß und selbstverständlich, daß es zu keinerlei Bezeugung Anlaß gibt.

Wiederholt tritt im zwölften Jahrhundert der populus, das Volk, neben dem Klerus hervor; „Laien“, „Bürger“, die „Edelsten der Städter“ geben ihren Willen zu Handlungen des Bischofs. Man hört von einem Spielplatze des Volkes, von Allmendland. Von einzelnen Personen vernehmen wir zwar nichts, aber einzelne Namen sind uns zahlreich überliefert, in den ältesten Teilen des Münsteranniversars, in den Verbrüderungsbüchern von St. Gallen und Reichenau; aus der altdeutschen Pracht dieser Namenreihen tritt uns die ganze Zeit entgegen. Schon im Jahre 1075 spielen Basler Kaufleute eine Rolle am Bodensee, und auf ein Wandern dieser Städter durch die Welt, auf ein Verlassen der alten Heimat weist auch das Vorkommen der Geschlechtsnamen „Basler“ und „von Basel“ an andern Orten; in Köln hieß so schon frühe ein verbreitetes Geschlecht. Als der wichtigste Teil des Ortes Basel konnte schon frühe der Hügel gelten, der zwischen Rhein und Birsig sich erhebt. Auf diesem Plateau lag in Römerzeiten das Kastell, durch natürliche Halden gesichert, mit Mauer und Graben befestigt. Später, nachdem sich die Tempel Roms geschlossen, finden wir hier oben als erstes Gotteshaus der Christen die dem hl. Martin geweihte Kirche und seit dem siebenten Jahrhundert auch die bischöfliche Kathedrale, neben ihr das Baptisterium (St. Johannskapelle), die Residenz des Bischofs, die Gebäude für seine Kleriker sowie seine Regierung und Hofhaltung, und weiterhin wohl eine königliche Pfalz und Höfe von Edeln.

[10] Aber die auf dem Burghügel zusammengedrängten Bauten waren keineswegs die älteste Ansiedelung. Diese befand sich in der Tiefe, zwischen den Abhängen des Hügels und dem Birsig.


Basels Lage ist überaus charakteristisch. Hier liegt die Schwelle zwischen Gebirgsgebiet und freiem Gelände, der Alpenstrom wird hier zum Fluß der Ebene. Von beiden Seiten treffen hier Flußtäler zusammen, und gerade am Punkte dieses Zusammentreffens bietet ein natürlicher Einschnitt des hohen Rheinufers die Möglichkeit zu Überfahrt oder Brücke.


Die Vorteile des Ortes sind so mächtig, daß er schon in frühester Zeit bewohnt gewesen sein muß. Weit zurück liegt die Zeit, da der herrschende Klang in dieser Wildnis das Brausen des großen, einsam und mächtig bewegt strömenden Rheines war. Dann kamen die ersten Ansiedler: Jäger, Fischer, Schiffleute. Aber über die örtlich beschränkten Bedürfnisse hinaus haben bei Zeiten Absichten und Bewegungen, die ins Weite gehen, ihre Wirkung ausgeübt. Der große Verkehr schuf seine Bahnen, und diese fanden sich, durch die Natur gewiesen, an diesem Orte zusammen. So ergab sich die hohe Bedeutung des Ortes als eines Kreuzungs- und Zentralpunktes für Handel und Verkehr, die ihre volle Bekräftigung fand, als ihn die Römer in die universalen Zusammenhänge ihrer Straßen und Befestigungen einstellten.


Für uns handelt es sich hier um die Straße, die auf dem rechten Ufer des Birsigs liegt und diesem entlang sich um den Burghügel herumbiegend zur Stelle des Flußübergangs führt. Jedenfalls ein uralter Verkehrsweg, sodann eine Römerstraße.


Längs dieser Straße und hauptsächlich an ihrem untern Teile entstand eine Niederlassung, die lange wohl nur ein kümmerliches Dasein hatte, von dem Moment an aber Gedeihen empfing, da der Hügel über ihr sich bevölkerte. Das Römerkastell, dann die Bischofsburg haben sie gefördert; sie waren die Beschützer der Ansiedler in der Niederung.


Wir haben dabei die Anschauung fest zu halten, daß es sich um einen Zustand handelt, der aus den Römerzeiten in die späteren Jahrhunderte herüber dauerte. Und wir haben uns ferner klar zu machen, daß diese Ansiedelung schon in Römerzeiten zum guten Teil eine Handels- und Marktniederlassung war. Die Konzentration des Verkehrs, die an diesem Punkte stattfand, ließ allerhand Betriebe gewerblicher Natur, Transport- und Verkehrseinrichtungen, Handelsstellen, Handwerke hier sich festsetzen.

[11] Je mehr nun die Bedeutung dieser Unterstadt wuchs, um so eher ergab sich, zumal in schweren und stürmischen Zeiten, die Notwendigkeit, sie mit der Burg zu verbinden, sie zu ummauern.


Bis zum zwölften Jahrhundert waren nur wenige Städte Deutschlands befestigt; die andern alle standen offen da. Es war daher etwas Großes, als Bischof Burchard von Basel die am Fuße seiner Burg gelegene Stadt mit Mauern schirmte, und man versteht, daß damals ein Mönch von St. Alban diese Befestigung als eine der Taten nannte, durch die Bischof Burchard sich als machtvollen Herrscher erwiesen habe. Die murorum compagines, das Mauergefüge, womit er Basel vor Feindesgewalt sicherte, waren die Ummauerung der Unterstadt. Höchst wahrscheinlich ging sie dem Birsig entlang und folgte von diesem zum Rheine dem Zuge der heutigen Bäumleingasse. Am Rheine war vielleicht der Salzturm (heute der Ort der Kantonalbank) Ausläufer und Stützpunkt dieser burchardischen Mauer.


Von einem bannus urbis, einem territorium Basiliense ist schon früh die Rede. Wir haben uns diesen Bann zu denken als vorwiegend wildes Gelände; zum Teil war er Gemeinweide, wie z. B. der Hügel von St. Leonhard, zum Teil Wald. Wald stand neben dem neugegründeten Kloster St. Alban; Wald zog sich unmittelbar bei St. Leonhard hin; der gewaltige Forst der Elsässer Hard, den Hirsche, Wildschweine, Bären bevölkerten, begann dicht bei Basel. So war vielfach die nächste Umgebung der Stadt Wildnis und Urzustand. Wo heute Birs und Birsig in geregelten Rinnen strömen, zog sich ein breiter Komplex zahlreicher und stets wechselnder Wasserläufe. An einem solchen Arme der Birs lag schon im elften Jahrhundert eine Mühle; bald wurden dort ihrer mehrere; seit Mitte des zwölften Jahrhunderts vernimmt man von Wasserbauten, den Anfängen des heutigen Teichs. Ohne Zweifel geht diese Entwicklung auf Initiative und Tätigkeit des Klosters selbst zurück, und in der Tat ziehen sich die Mühlgewerbe in dessen nächste Nähe; hier werden sie zuerst im Jahre 1154 erwähnt. Eine Überbrückung der Birs, wohl nur durch einen Steg, bestand seit Beginn des elften Jahrhunderts bei St. Jakob.


Das war die civitas Basilea, ihr Gegensatz und ihr Gegenüber aufdem rechten Ufer das Dorf Niederbasel, an das sich rheinaufwärts Oberbasel schloß. Dabei lag die Kirche St. Theodor. Grundherr, seit einer uns nicht bekannten Zeit, war der Bischof von Basel. Die ganze Ansiedelung war eine rein dörfliche; Wald und wildes Wassergebiet finden wir auch hier. Die Langen Erlen sind der letzte Rest dieser Bewaldung, und der [12] Kleinbasler Teich ohne Zweifel aus Wasserläufen entstanden, die sich von der Wiese her zum Rheine zogen.

Aus den nächsten Umgebungen von Stadt und Dorf Basel kommt in dieser ersten Zeit nur spärliche Kunde zu uns. Großhüningen wird am Ende des elften Jahrhunderts genannt, Binningen 1004, Gundeldingen 1194, Riehen 1113, die dortige Kirche 1157. Uralt ist der Wenken; schon im Jahre 751 erscheint er als größere Niederlassung.

Wie Wenken und Riehen lagen auch die Dörfer am Rheine, Basel gegenüber, in der Grafschaft Breisgau. Der Strom war Grenze.


Dieses Basel hatte den Ruhm einer volkreichen Stadt. Der Bericht über die Gründung von St. Alban redet von der tüchtigen Gesinnung, aber auch von der Fülle an Hab und Gut, die hier vorhanden sei. Die Stadt wird gepriesen als die wahrlich nicht geringste unter den edlern Städten Alamanniens; Gottfried von Biterbo rühmt in seinem Pantheon die speciosa Basilea, das schmucke Basel. Noch nahm man im nahen Augst die mächtigen Spuren römischer Vorzeit wahr; aber mit dem Bewußtsein, durch das eigene Leben jenes vergangene weit überholt zu haben.

Es ist vor allem die unvergleichliche Lage der Stadt, die ihr Ruhm bringt. Diese Stadt, die „ihre Mauern im Strome spült, den daherwogenden Rhein freudig begrüßt“, sie ist das „Licht des Rheins“, „lux Rheni“. Und ihr Name wird schon früh aller Welt bekannt, sie selbst wächst und bildet sich unter der unablässigen Anregung eines internationalen Verkehrs. Wer zwischen Nord und Süd wandelt, die unzähligen Rompilger, die Kaufleute und die Fahrenden, die Krieger der kaiserlichen Heere ziehen durch ihre Tore und Gassen. Im fernen Island redet man von der Stadt Boslaraborg, woselbst die nordischen Pilgrime den Rhein verlassen und die Straße nehmen, auf der sie weiter dem Großen St. Bernhard zu und nach den ersehnten Heiligtümern Roms ziehen. Ihnen entgegen sehen wir den gelehrten Anselm von Besate reisen. Er kommt, um wie in Italien so nun auch im Norden seine kunstreiche Rhetorimachia, das Werk, auf das er stolz ist, den Weisen vorzulegen. Er tut dies zuerst in Basel; dann zieht er weiter, an den Hof Kaiser Heinrichs II.

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Erstes Buch.
Die Anfänge der Stadt.




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[14] , [15] Unter den Zeugnissen der Geschichte Basels fehlt eine Rechtsaufzeichnung, wie solche für andre Städte bestehen. Das Bischofsrecht, in seiner Kürze doch voll der wichtigsten Angaben, ignoriert die Stadtgemeinde. Für die frühere Zeit sind wir auf urkundliche Nachrichten angewiesen.

Hier soll nichts geboten werden als eine Verwertung dieser Nachrichten; über das so Gesicherte hinaus sind weder der Phantasie noch der Systematik Rechte einzuräumen. Doch gibt es neben dem Schrifttum auch tatsächliche Zustände, und aus diesen können Annahmen abgeleitet werden, die als natürliche und praktische Folgerungen gelten dürfen.


Suchen wir die Anfänge der Stadt zu erkennen, so dürfen wir den Begriff Bischofsstadt nicht dominieren lassen. Basel ist nicht aus dem Römerkastell hervorgegangen, auch nicht aus der Bischofsburg; es entstand und entwickelte sich daneben.

Schon in römischer Zeit waltete hier in der Flußniederung ein eigenartiges Leben, bestand eine mehr oder weniger geschlossene Ansiedelung. Wenn aber solches Leben vorhanden war, so ergab sich als Notwendigkeit eine Organisation, eine Verfassung. Wir mögen sie uns zunächst so primitiv als möglich denken; für ihr Wesen mußte bestimmend sein, daß die Niederlassung keine nur bäuerliche war; sie hatte sich an einem wichtigen Verkehrspunkte gebildet, und ihr Charakter entsprach solcher Lage.

Es ist anzunehmen, daß die Zustände der Römerzeit sich zum guten Teil in die fränkische Periode herüber erhalten haben. Wenn jetzt auch die Verfassung die einer Dorfschaft sein mochte, so bestand doch die alte Ansiedelung, behaupteten sich hier Handel und Verkehr, dauerten die wirtschaftlichen Verhältnisse weiter. In diese hinein brachte nun der Bischof neue und starke Impulse. Die Verlegung des Bistums an diese Stelle kann an sich schon als Beweis dienen für die Bedeutung des frühesten Basel. Bischofssitze stellte man nicht ins freie leere Land hinein; man wählte für sie Orte, die schon zubereitet und entwickelt waren, eine ansehnliche Bevölkerung hatten, Schutz und Komfort boten, als weithin bekannt galten. Der Bischof verließ Augst, weil es abging, und bezog Basel, weil es stand [16] und eine Zukunft hatte. Die mächtige Wirkung aber, die nun vom Bistum ausging, ist deswegen nicht geringer zu achten. Der Bischof konzentrierte hier Leben in allen Formen. Wie seine Rechte und Güter mit der Zeit hier sich ausdehnten, so auch die Rechte und Güter Anderer. Die Bevölkerung mehrte, vervielfältigte, differenzierte sich. Mit den Bedürfnissen wuchsen die Kräfte, Mittel, Organe.

Alles dies nicht nur im Interesse des Bischoffs, sondern auch in dem der Stadt. Wir haben noch nicht an einen Gegensatz widerstreitender Elemente zu denken. Der Bischof ist Herr der Stadt, ihr oberster Priester und zugleich Vertreter des Königs. Die Stadt ist des Bischofs Wertvollstes sein Stolz, der sorgsam gehütete Schmuck seines Bistums. Sie ist die erste Quelle seiner Macht, der Ort seiner Regierung, die Hüterin seines Gotteshauses, seiner Reliquien und Schätze. Ihr Gedeihen liegt in seinem Interesse.

Aber bei alledem darf die bischöfliche Stadtherrschaft nicht als ausschließlich und erschöpfend gedacht werden. Gegen außen freilich deckten sich Bistum und Stadt; im Innern blieben zahlreiche kleine Angelegenheiten des Tages und des Ortes, rein kommunale Dinge, in deren Handhabung und Wahrung durch eigene Organe sich ein städtisches Sonderleben abspielte. Es gab Gemeindeinteressen, die für den Bischof keine Interessen waren, die überdies schon vorhanden gewesen, ehe der Bischof den Burghügel einnahm, und nun weiterdauerten. Mit dem Wachstum der Stadt, der Zunahme ihrer Bevölkerung, ihres Verkehrs, ihrer Kraft und Eigenart mußte sich auch der Begriff städtischer[WS 1] Angelegenheiten immer mehr ausbilden und an Inhalt gewinnen. Als Hauptträger des städtischen Wesens dürfen wohl schon frühe die Kaufleute gelten; sie waren das angesehene Element neben den Handwerkern, den Fuhrleuten, Schiffern und Wirten, die des Verkehrs wegen hier sitzen mochten, sowie der rein bäuerlichen Bevölkerung.

Die spätere Entwicklung, die Art des ersten Auftretens einer Gemeinde und einer städtischen Behörde weisen auf solche Anfänge hin. Freie Genossamen begegnen zur Karolingerzeit in Straßburg, in Worms, vor allem in Mainz; ihre Existenz auch für Basel anzunehmen, besteht durchaus kein Bedenken. Die topographische Verteilung des bischöflichen Grundbesitzes in der Stadt läßt in auffallender Weise den Bezirk am untern Laufe des Birsigs und bei dessen Ausmündung in den Rhein völlig unberührt, denselben Bezirk, den schon die älteste Niederlassung einnahm und der später vornehmlich von Burgensen und Kaufleuten bewohnt ist. Wir gehen [17] schwerlich irre, wenn wir eben diesen Bezirk als die Wiege eigenen städtischen Wesens ansehen; er hat sich dem Bischof gegenüber zu behaupten vermocht als Sitz von Gemeindegeschäften und Gemeindebefugnissen, die mit der Stadtherrschaft als solcher, wie sie dem Bischof zusteht, nichts zu tun haben.


Als ein Geschäft dieses Gemeindehaushaltes erscheint die Verwaltung der Allmend, wobei sowohl an Weideland und Wald als auch an Straßen und unbebaute Plätze zu denken ist. Auf diese Allmendverwaltung bezieht sich die früheste Erwähnung der Gemeinde in Basel. Zur Widmung nämlich des außerhalb der Mauern gelegenen Allmendplatzes zum Bau der St. Leonhardskirche, vor 1118, bedarf es des Konsenses der Stadtbevölkerung; diese, totus populus, durch Bischof Rudolf darum angegangen, giebt ihre Einwilligung, ein Gemeindebeschluß wird gefaßt, und bei der Übergabe des Platzes wirken dann die nobiliores civium, die Edelsten aus der Bürgerschaft, mit. Diese können als ein Gemeindeausschuß betrachtet werden, ihre Nennung vielleicht als das früheste Zeugnis für den Rat.


Volle siebzig Jahre später erst wird dieser Rat wieder genannt. Aber während der Zwischenzeit hat er sich ausgebildet. Innerhalb seines eigenen Bereiches. Wenn zu eben dieser Zeit in Urkunden der Bischöfe gelegentlich „Laien“, „Getreue der Kirche“ etc. als Berater genannt werden, so ist dabei nicht an den städtischen Rat zu denken. Diese Laien sind nicht Städter, sondern Herren und vor allem hochstiftische Dienstmannen. In andern Fällen freilich, die nicht bezeugt sein mögen, haben die Bischöfe auch hier vielleicht Gemeindemitglieder zu Ratgebern herangezogen, wie anderwärts nachweislich geschah. Aber so wenig dabei an ein fest organisiertes Ratskollegium zu denken ist, so wenig kann eine solche nach Bedürfnis und Umständen stets wechselnde Beraterschaft als Ursprung des städtischen Rates gelten. Fähige und Einflußreiche kamen jederzeit und überall in Betracht, und wenn einzelne Einwohner der Bischofsstadt diese Qualität besaßen, konnten auch zu Zeiten vom Bischof als Berater und Zeugen aufgeboten werden, ohne daß wir deswegen den städtischen Rat aus einem bischöflichen Ratskollegium abzuleiten haben. Die Gebiete der Interessen und der Tätigkeit waren verschieden und dementsprechend auch die Behörden.


Bei der Entwicklung des städtischen Rates handelte es sich um einen Vorgang, der sich nicht hemmen ließ. Es war nur menschlich, daß an Stelle des Genügens die Lust der Usurpation trat, daß Gegensätze entstanden, daß Stadtgemeinde und Rat über den Kreis interner Kommunalgeschäfte hinaus in das Gebiet der öffentlichen Gewalt zu greifen begannen. [18] Sie strebten nach selbständiger Führung der städtischen Dinge; sie fühlten jene Kraft in sich erwachen, „welche die Stadt zum Staate macht.“


Diesem Streben gereichten die Zustände des Bistums im zwölften Jahrhundert zu großem Vorteil.

Auf den machtvollen Episcopat Ortliebs von Froburg folgte die verworrene Periode des Bischofs Ludwig, zur Genüge gekennzeichnet durch seine Teilnahme am Schisma und die Beschwerden des Domkapitels über seine Verwaltung. In leidenschaftlicher Weise führte dann der Lützler Mönch Heinrich von Horburg das Regiment. Es hat etwas Großes, wie er den König Heinrich mit Breisach belehnt, im Bistum reorganisiert, mit Kaiser Friedrich zum heiligen Grabe zieht und in der Ferne stirbt. Sein Kampf mit Graf Werner von Honberg und die Rücknahme der Vogtei aus der Gewalt dieses unbequem gewordenen Dynasten zeigen ihn so entschlossen und rücksichtslos, wie es dem Hochstift frommte. Aber gerade dieser Vorgang deutet doch auch auf schwere Krisen, auf eine große Verwirrung. Das Verbot, Burgen in der Stadt zu errichten, die bittern Klagen der Domherren über Vergewaltigungen durch Ritter Hartung, durch Hugo zu Rhein und seine Söhne lassen uns die Wildheit dieser Jahre ahnen. Bischof Heinrich selbst scheute sich nicht, das Kloster St. Alban der Biesheimer Kirche zu berauben; und daß die Kathedrale am 25. Oktober 1185 durch eine Feuersbrunst verwüstet wurde, paßt zum allgemeinen Bilde dieser trüben und erregten Zeit.

Heinrichs Nachfahr Lütold von Arburg hatte noch die Folgen solcher Ereignisse zu tragen, und überdies bedrängte ihn und sein Hochstift die allgemeine schwere Not der Zeit, der Zwiespalt im Reiche. Lütold scheint im Grunde dem König Otto zugetan gewesen zu sein, aber Philipp zwang ihn auf seine Seite; wiederholt begegnet er uns am Hofe Philipps, und im Mai und Juni 1207 finden wir diesen selbst in Basel, wo er den Abt Ulrich von St. Gallen zum Fürsten erhebt, auf geschmückter Tribüne vor dem Münster dem Grafen Thomas von Savoyen die Reichslehen erteilt. Dann vernehmen wir von heftigen Kämpfen am Oberrhein; Bischof Lütold im Bunde mit Bischof Konrad von Straßburg und dem Herzog von Zähringen greift den Pfalzgrafen Otto von Burgund an, sucht das Reichsgut mit Krieg heim. Aber gleiches widerfährt auch ihm und seinen Landen, und nicht lange dauert es, so wird das Basler Bistum beklagt als tief darnieder liegend, als bedrückt von Uebeltätern und Gewaltigen. Der [19] schwer verschuldete Lütold mußte bei Juden Geld aufnehmen, seinen Bischofsring versetzen, einen goldenen Kelch veräußern. 1213 starb er.

Auch sein Nachfolger Walther von Röteln brachte dem Hochstift kein Gedeihen; er war auf unkanonische Weise gewählt worden, wirtschaftete übel, wurde im Jahre 1215 durch den Papst abgesetzt.

Jetzt kam mit Heinrich von Thun ein Fürst, der in der Geschichte des Bistums verdienten Ruhm genießt.

Sein Erstes war, einzugreifen, Verlorenes wieder zu gewinnen, überall wo es Not tat Ordnung zu schaffen. Was fand er hiebei? Einen städtischen, vor kurzem durch den König ausgestatteten Rat.

Nicht nur die das Hochstift heimsuchenden Verwirrungen waren eine Gunst für die städtischen Dinge gewesen. Es hatten direkt fördernde Kräfte gewirkt. Sie gingen aus von der Entwickelung der allgemeinen Zustände von dem mächtigen Vorwärtsschreiten alles Lebens. Das Zeitalter Kaiser Barbarossas, in der Geschichte der deutschen Kultur eines der wichtigsten, da die wirtschaftlichen Verhältnisse sich aus den alten Formen losrangen, neue Stände sich bildeten, die ganz unmeßbare Wirkung der Kreuzzüge alle Sitte und alle Bildung traf, war zumal für die Städte von höchster Bedeutung.

„Das Rheintal von Basel bis Mainz ist die Landschaft, in der die größte Kraft des Reiches liegt“, rief damals Otto von Freising aus. Lebendiger als irgend sonst wo regten sich hier, in der schönen gesegneten Weite, die neuen Mächte der Zeit. Sie gaben ihr die Städte Freiburg, Neuenburg, Rheinfelden, wie sie überm Gebirge Bern und Freiburg schufen und in Basels Nähe Liestal entstehen ließen.

Diese Tatsachen lassen erkennen, wie gewaltig die Bereicherung des Lebens war. Und an solchem Wachstum nahm auch Basel teil. Die wiederholten Erweiterungen seines Mauerringes bezeugen den nie ruhenden Strom von Einwanderung. Sie bezeugen damit auch eine stete Erfrischung und Stärkung des städtischen Wesens, deren natürliche Folge war, daß auch die Gemeindeverfassung festere Formen gewann.

In den 1180er Jahren tritt uns der Rat der Stadt entgegen. Ein wichtiges Dokument, von dem auch später noch zu reden sein wird, zeigt diesen Rat als Darleiher einer beträchtlichen Geldsumme an den Bischof. Im fernern ist wichtig, daß Hof- und Heersteuer von der Bürgerschaft, den Burgensen, als Gesamtheit aufgebracht wird. Und die Urkunde redet vom [20] einen wie vom andern mit der Beiläufigkeit und Ruhe des Erwähnens, das man nur einem unbestritten Vorhandenen gibt.

Deutlicher erkennbar wird dann diese städtische Organisation in dem Lichte, das von Friedrich II. ausgeht.

Friedrich, durch die deutschen Fürsten zur Regierung gerufen, zog im Herbst 1212 von Verona heran. Ende Septembers traf er in Basel ein. Zahlreiche Fürsten und Herren drängten sich hier um den jugendlichen König; neben seinen sizilischen Begleitern sehen wir die Bischöfe von Trient, Chur, Konstanz, die Aebte von Reichenau und Weißenburg, die Grafen von Kiburg, Habsburg, Froburg u. A. Ganz in der Nähe freilich, in Breisach, das ein Lehen des Reiches vom Bistum Basel war, weilte Friedrichs Gegner, der Kaiser Otto. Aber die Bürger Breisachs erhoben sich und trieben ihn zur Flucht. Friedrich war Herrscher am Oberrhein. Am 26. September gab er seine ersten Erlasse auf deutschem Boden und datierte sie freudig und stolz in nobili civitate Basilea, in der edeln Stadt Basel. Dann zog er weiter, das im Herbstglanz strahlende Rheintal hinab, zur Krönung in Mainz.

Zwei Jahre später, im November 1214, weilte König Friedrich wiederum in Basel, auf einem großen Hoftage für Burgund. Als Bischof fand er jetzt den Walther von Röteln vor.

Wahrscheinlich bei der ersten Anwesenheit, im Herbst 1212, den Bürgern zu Gefallen, die gleich den Breisachern sofort auf seine Seite getreten waren, hatte Friedrich der Stadt Basel das Privileg erteilt, dessen Inhalt wir nicht kennen; aber daß es eine feierliche Anerkennung des bestehenden städtischen Rates enthalten habe, ist aus den Unterhandlungen zu schließen, die wenige Jahre später stattfanden. Den Anstoß zu diesen gab Bischof Heinrich von Thun.


In allem, was wir von diesem Manne erfahren, in seiner Administration und seinen Kriegen, erscheint er als eine starke und herrische Natur. Dazu stand er unmittelbar unter der Wirkung, die vom Konzil des Jahres 1215 ausging. Seinen unwürdigen Vorgänger Walther hatte dieses beseitigt; ihn selbst mußten die Ideen von kirchlicher Machtfülle, die bei jener Versammlung in der lateranensischen Basilika so glänzend ihren Ausdruck gefunden hatten, aufs stärkste beherrschen und ohne weiteres dazu führen, auf dem ihm zugewiesenen kleinen Gebiete das Seine zu tun. Sanierung des arg verwahrlosten Hochstifts war das Erste, das er unternahm. Wir sehen ihn [21] aufs entschlossenste bemüht um die Wiedergewinnung von Verschleudertem; wichtig ist sodann seine Behandlung der Vogtei, hier beschäftigt uns sein Auftreten gegen den Rat der Stadt.

Dieser war vorhanden als eine vom Bischof unabhängige Behörde der Stadt und in solcher Stellung befestigt durch das vor kurzem erhaltene Privileg König Friedrichs. Auch ohne dies Privileg hätte der Rat wohl getan, was er wollte, wenn und soweit ihm der Bischof Raum ließ. Lütold und Walther liehen diesen Raum. Aber Heinrich nicht mehr. Als sogleich in den ersten Jahren seines Regimentes der Rat eine städtische Steuer auflegte, erhob der Bischof Einsprache. Der Rat berief sich auf Friedrichs Brief. Dem gegenüber konnte Heinrich Hilfe nur bei Friedrich selbst finden.

Am Reichstag zu Ulm, im September 1218, wo die Verhandlungen über die Erbschaft des letzten Zähringers die Anwesenheit Heinrichs nötig machten, bot sich ihm Gelegenheit, auch den Schlag gegen die Stadt Basel zu führen. Wir sehen den König in diesen Jahren wesentlich auf die Unterstützung der geistlichen Fürsten des Reiches angewiesen. Die Rücksicht hierauf leitete seine Politik, und dieser Politik gemäß ging er nun auch auf Heinrichs Wünsche ein. Die Neigung Basels galt ihm heute nicht mehr, was sie 1212 gegolten hatte.

Aber er mochte der Stadt doch nicht allzu nahe treten. Nur das Anstößigste sollte beseitigt sein: die vor kurzem geschehene selbstherrliche Steuerverfügung des Rates. Am 12. September übergab er diese Steuer dem Bischof und bestätigte ihm, in Ergänzung hievon, durch einen zweiten Brief alle seine Rechte in den Städten Basel und Breisach.

Aber weder diese Bestätigung, die in ganz allgemeinen Ausdrücken gehalten war, noch die halbe Maßregel der Steuerübertragung genügten dem Bischof. Ihm mußte der freischaltende städtische Rat als eine Gefährdung seiner eigenen Stadtherrlichkeit gelten; diesen zu beseitigen ging er vom Könige weg, der ihm nicht gab was er wollte, an die versammelten Fürsten des Reichs.

Am 13. September, in der allgemeinen Sitzung, brachte er seine Sache vor. Der Trierer Erzbischof hatte das erste Votum, es lautete ganz zu Gunsten des Fürsten von Basel, die Andern stimmten bei. In der Urkunde, die dann der König hierüber erließ, sind die Ausdrücke zu beachten. Frage wie Antwort galten nicht dem seit langem bestehenden Rate, sondern der „Verleihung“ dieses Rates durch Friedrich. Die Fürsten datierten den Basler Rat nicht weiter zurück als bis zu Friedrichs Privileg und tadelten an diesem, daß es den Rat gesetzt habe ohne Wissen und Zutun des [22] Bischofs. Friedrich mußte sich fügen. Er hob den Rat auf. „wie er bisher, so oder so, in Basel bestanden“, kassierte sein Privileg und verbot den Baslern ernstlich, je wieder einen Rat aufzustellen oder sonst eine neue Einrichtung zu schaffen ohne Willen und Zustimmung des Bischofs.

So erlangte Bischof Heinrich dasselbe, was kurz vorher sein Amtsbruder in Straßburg erlangt hatte: das Bestehen eines Rates wurde gebunden an den Willen des Bischofs. Nicht die Existenz des Rates, aber dessen Unabhängigkeit vom Stadtherrn hatte er bekämpft und war nun zum Ziele gekommen. Ein prächtiges Pergament, dem an roten Seidensträngen die Goldbulle des Königs angehängt war, verbriefte seinen Sieg.

Unter der Geltung dieses Spruches ging nun die Entwickelung weiter. Der Rat blieb bestehen, nicht mehr unabhängig vom Bischof wie zuvor; aber wir begegnen ihm wiederholt und finden ihn an der Arbeit.

Vor allem ist ein Unternehmen zu nennen, das als städtische Angelegenheit im höchsten Sinne gelten kann: der Bau der Rheinbrücke. Der Rat in erster Linie erscheint als sein Förderer; auf Begehren des Rates, dann auch auf das des Bischofs, leisten die Klöster St. Blasien und Bürgeln Beiträge an die Baukosten. Erst beim Folgenden, dem Erlaß des Brückengeldes, der diesen beiden Klöstern im Jahre 1225 gewährt wird, tritt der Bischof als Zollherr hervor. Aber auch da handelt er mit dem Willen seiner Bürger und läßt diese die Urkunde mit dem Siegel der Stadt bekräftigen. Dasselbe tun sie auch Jahrs darauf bei Verleihung des Zunftrechts an die Kürschner; auch wird in diesem Zunftbriefe der Stadtgemeinde ein Anteil an der Condictbuße zugesprochen.

Wie das Verhältnis im Einzelnen geordnet war, ist nicht bezeugt. Aber das Eine wenigstens findet sich, daß das Recht des Bischofs seinen Ausdruck erhielt in einem Funktionieren des Schultheißen als Vorsteher der Stadtgemeinde. Dieser Schultheiß, bischöflicher Beamter, erscheint im Jahre 1227 als offizieller Vertreter der Basler Bürgerschaft. Es handelte sich um die Bemühungen König Heinrichs, des Sohnes von Friedrich, den staufischen Besitz im Elsaß zu verstärken, und um seine deswegen geschlossene Verbindung mit den Grafen von Pfirt; im Herbst 1227 weilte er in diesen Landen; den Fürsten gegenüber sich an die Städte haltend besuchte er Konstanz, Zürich, Basel; am 12. November in Hagenau sammelte er die Schultheißen und Vögte der oberrheinischen Reichsstädte um sich. Auch Basel war vertreten durch seinen Schultheiß Konrad Münch, und wie sehr dem jungen König daran lag, die Basler zu gewinnen, zeigt die Gunst, [23] die er ihnen auf diesem Landtage zu Teil werden ließ: er verlieh den Bürgern von Basel die Lehnsfähigkeit und stellte sie insoweit den Rittern gleich.

Als das Haupt dieser Bürgerschaft, zugleich als unmittelbarer Träger des bischöflichen Stadtregimentes, erscheint also der Schultheiß. Neben ihm oder unter ihm stand der Rat; wir kennen die Art und Ordnung der Verhältnisse nicht. Auch die Zusammensetzung des Rates wird nicht angegeben. Aber alles spricht für die Annahme, daß die Geschlechter, die in eben dieser Zeit als die frühesten Träger des Bürgernamens sich zeigen und später die patrizischen Ratsgeschlechter sind, jetzt die Gemeinde darstellen und den Rat besitzen.

Was an der Zeit Bischof Heinrichs von Thun auffällt, ist die ungemeine Vitalität, die sie durchdringt. Trotz der Spärlichkeit der Ueberlieferung erkennen wir in diesen Jahrzehnten klar und sicher eine unerhört starke Entwickelung gerade der städtischen Verhältnisse. Was in folgenden, wieder auf ihre Weise bewegten und gefüllten Zeiten aus einem willkommenen Reichtum von Zeugnissen uns entgegentritt, darf sich an Macht dauernder Bedeutung kaum messen mit den Ereignissen, die den Episcopat Heinrichs von Thun begleiten, mit einem gewaltigen Rucke den gesamten Zustand vorwärts bringen.

Zunächst ist zu sagen, daß Ratsverfassung, Gemeindeleben, Gemeindegefühl sich in dieser Zeit merkwürdig befestigten. Das eigenartige und gewaltsame Auftreten der Bürgerschaft unter Heinrichs Nachfolger Lütold setzt eine Periode ungehemmten Wachsens und Reifens voraus. Es geschah dies unter demselben Heinrich, der seine Herrschaft mit dem Willen antrat, den Rat zu brechen. Aber wir erinnern uns an die Gewalt, die einem naturgemäß emporstrebenden Organismus innewohnt; zudem war Heinrich, sobald nur seine Hoheit nicht in Frage gestellt wurde, keineswegs Gegner der Stadt, deren Gedeihen vielmehr seinen Interessen entsprach.

Die früheste urkundliche Erwähnung des Transits, der Basel auszeichnete, fällt in diese Zeit; es ist die Verpfändung des Zolls, den der Bischof von den durch seine Stadt gehenden, aus Lombardia und aus Francia kommenden Warenballen, Maultieren und Rossen erhebt. Dieser Verkehr hatte bis dahin die Alpenpässe des Septimer und vor Allem des Großen St. Bernhard beschritten. Jetzt, um das Jahr 1220, öffnete sich der Gotthardpaß, und der Anstoß, der hievon ausging, wurde sofort auf der ganzen Linie spürbar. Für Basel kam dabei vornehmlich der Paß des [24] Untern Hauensteins in Betracht; das Tal von Liestal aufwärts wurde neuem Leben erschlossen, der Verkehr in Basel selbst verstärkt und bereichert, die Bedeutung der Stadt als Stapelplatz mächtig gehoben.

Ohne Zweifel in Zusammenhang mit dieser Eröffnung eines neuen Verkehrsweges stand nun der Bau der Rheinbrücke in Basel. Zwar der große Transit hatte hier den Fluß wohl nur selten überschritten und sich auf den Straßen des linken Ufers bewegt, oder er war den Wasserweg gegangen. Dieser Zustand blieb auch nach dem Brückenbau zunächst noch derselbe. Eine Weiterleitung des Verkehrs auf dem rechten Ufer geschah erst später. Aber schon, daß dies jetzt ermöglicht wurde, war etwas Großes. Und in außerordentlicher Weise wirksam war der Brückenbau vor allem für die lokalen und provinzialen Interessen.

Vergegenwärtigen wir uns den Basler Rhein ohne die Brücke. Sie erscheint uns wie etwas durch die Natur selbst Gegebenes. Als sie zum ersten Male dastand, als dem uralten dürftigen Zustande des Kahndienstes ein Ende bereitet war, da sah sich Basel mit einem Schlage reicher geworden um den mächtigen Strom und um ein Ufer, nun lag es nicht mehr nur am Rheine, sondern über ihm, als seine Herrscherin. Von nun an, allen Rechtsverhältnissen zum Trotze, durften die Ansiedelungen diesseits und jenseits als eine Einheit gelten; in rapidem Wachstum entstand drüben neben dem Dorf eine Stadt. Auch das rechtsrheinische Hinterland war nun ganz zu Basel gewendet, an diesen Punkt gefesselt, und hinwiederum ihm alles Leben des Sundgaus, der Täler von Birs, Birsig und Ergolz ungehemmt aufgeschlossen. Mitten inne im Gewühl dieser sich kreuzenden Kräfte lag Basel, unaufhörlich durch sie erfrischt und genährt, und zur gleichen Zeit nahm es den Strom des großen Weltverkehrs in stets stärker flutender Masse, mit vermehrten eigenen Organen auf.

So stellen sich uns diese Zeiten dar als die Zeiten von wirtschaftlichen Ereignissen ersten Ranges. Deren Wirkung war notwendig ein allgemeiner Aufschwung der Stadt, äußeres wie inneres Wachstum der Bevölkerung. Die Anlage des Marktplatzes, die schon als Werk Bischof Heinrichs gepriesen worden ist, kann ihm freilich nicht nachgewiesen werden; aber daß er die Gemeinden St. Leonhard und St. Peter ausschied, zeigt deutlich, wie stark sich der städtische Boden mit Menschen und Wohnungen bedeckt hatte. Die Blüte des Gewerbes findet Ausdruck in den Zunftgründungen.

Diese Vorstellung von Reichtum wird zu einer vollständigen, wenn wir uns klar machen, welche geistigen Kräfte in eben dieser Zeit Basel zugeführt wurden. An die Kreuzzugspredigt ist nur zu erinnern; sie wurde [25] hier betrieben durch den großen Konrad von Urach, Kardinalbischof von Porto und päpstlichen Legaten, unter ihm durch den Abt von Lützel und den Domscholasticus Heinrich. Die Gründung des St. Petersstiftes war eine nennenswerte Erweiterung und Mehrung des kirchlichen Lebens, ein Vorgang, der sich zur gleichen Zeit in Erhebung der St. Martinsstifter zu Colmar und Rheinfelden wiederholte. Vom Sondern der Gemeinden St. Peter und St. Leonhard war soeben die Rede. 1236 zeigt sich die Kirchgemeinde St. Martin als selbständig handelnd. Wichtiger als alles dies ist, daß jetzt der Orden der Reuerinnen, namentlich aber die Orden der Heiligen Franciscus und Dominicus, Elemente eines völlig neuen Lebens in die Stadt bringen. Und erwähnt muß auch werden, daß der Neubau des Münsters in diese selben Jahrzehnte fällt.

Bischof Heinrich starb zu Beginn des Jahres 1238.


Sein Nachfolger, Lütold von Röteln, genießt den Ruhm eines Mehrers des Bistums, weil er die Hasenburger Herrschaft und im Birstal die wichtigen froburgischen Besitzungen erwarb; auch zeigt seine Mitwirkung bei der habsburgischen Teilung, wie viel er seinen Zeitgenossen galt. Uns ist er denkwürdig, weil unter ihm die Wogen der großen Weltbewegung mächtiger, konzentrierter als bisher in die Verhältnisse Basels hineinschlugen, weil in dem Kampfgewühl, das mit den Parolen Hie Kaiser! Hie Papst! die engen Gassen Basels durchstürmte, die Stadtfreiheit zur Reife kam.

Gleich zu Beginn finden wir Bischof Lütold in diesen allgemeinen Beziehungen stehen. Während er bei Kaiser Friedrich in Verona an der Weihung der Kirche S. Maria mater domini teilnimmt, läßt er sich von Papst Gregor die Erlaubnis zur Beibehaltung seiner bisherigen Pfründen geben, zum Nutzen des „schwer verschuldeten, von Tyrannen und Verfolgern der Kirche umgebenen“ Hochstifts. Damit ist seine künftige Richtung gewiesen. Er ist ergebener Diener der Kirche. Auch er empfängt im Juli 1239 die große gegen den Kaiser erlassene Encyclica des Papstes, die „mit den Farben der Apokalypse“ Friedrich als die Verkörperung des widergöttlichen Geistes schildert und alle Bischöfe auffordert, die Gläubigen vor diesem Verführer zu warnen, und vollzieht sie. Im höchsten Momente des Kampfes sodann, zu Lyon 1245, wo Papst Innocenz am 17. Juli die Absetzung Friedrichs verkündet, jeden ihm geschworenen Treueid löst, die Wahl eines Nachfolgers anordnet, ist Bischof Lütold von Basel einer der wenigen anwesenden Prälaten aus deutschen Landen.

[26] Ich habe Art und Gang des Kampfes hier nicht zu schildern. Er hatte äußerlich mit Zerwürfnissen über der Kreuzzugssache begonnen, in den Gegensätzen der italienischen Politik sich leidenschaftlich bewegt, um zuletzt seinen wirklichen tiefsten Inhalt zu erweisen in einem mächtigen Ringen um dieselben Hauptfragen, die schon zu Gregors VII. Zeiten die Gemüter erschüttert hatten, die Frage der Stellung des Papstes und die Frage der Herrschaft über die Welt.

Als Bischof Lütold von Lyon heimkehrend die Absetzung des Kaisers kundtat, brauste ihm der Unwille der Bürgerschaft entgegen. Denn Basel war gut kaiserlich und staufisch. Es erinnerte sich an die Gunst, die es vor dreißig Jahren von dem jungen Friedrich empfangen hatte. Und in seiner Anhänglichkeit an ihn stand es nicht allein. Nach manchem schroffen Wechsel der Politik hatte sich Friedrich wieder den Städten zugewandt, fesselte sie durch reiche Privilegien an sich, gewann die Anhänglichkeit ihrer Kaufleute durch seine Bemühungen für den Landfrieden. Er fand jetzt in den Jahren des harten Kampfes an ihnen eine mächtige Stütze.

So stand auch Basel auf Seite des Kaisers. Es ist aller Beachtung wert, wie die Bürgerschaft hiebei selbständig und einheitlich handelte und ihre Kraft übte.

Mit der gleichen Entschiedenheit aber hielt ihr Bischof zum Papste. Zahlreich waren die Erlasse, durch welche Innocenz diesem treuen Diener Aufträge erteilte. Rechte einräumte, Belohnungen und Aufmunterungen gab. In derselben Weise verfuhr er gegen die Herren des Domstiftes; mit Provisionen aller Art, mit Gestattung des Besitzes mehrerer Pfründen, mit den schönsten Lobpreisungen belohnte er diese Vorkämpfer der Kirche, den Dompropst Heinrich von Veseneck, den Domdekan Wilhelm, den Domkämmerer Konrad. Zweie aus diesem Kreise sind besonders bemerkenswert, Beide in der Folge Bischöfe von Basel: Berthold von Pfirt und Heinrich von Neuenburg; sie wurden jetzt durch Papst Innocenz in hervorragender Weise ausgezeichnet und vielfach reich begabt.

Welcher Art aber waren Stimmung und Parteiung im Lande ringsum? Die Grafen von Freiburg, von Pfirt, von Neuenburg, von Kiburg, von Froburg, sie alle standen auf Seiten des Papstes. Hier auch der Habsburger Graf Rudolf von der jüngern Linie, während sein Neffe Rudolf (der spätere König), der Bruder des Basler Domherrn Albrecht, unentwegt zu Kaiser Friedrich hielt.

Kaiserlich gesinnt waren auch die Bürgerschaften von Mülhausen und Colmar, von Zürich, von Bern, „das mit trotzigem Nacken gegen Gott und [27] seine Kirche deren Verfolger beistand.“ Daß als Folge der allgemeinen Parteinahme wilder Streit das ganze Land durchtobte, ist natürlich. Das kaiserliche Colmar geriet über diesen Gegensatz mit dem päpstlichen Rufach in offenen Krieg; auf der Gotthardstraße kamen nach Basel Nachrichten von den Kämpfen, die dort oben See und Hochgebirge erfüllten: Schwyz und Obwalden waren ghibellinisch, Uri und Nidwalden bekannten sich zum Papst, Luzern, die Stadt des Murbacher Abtes, führte Krieg mit den Städten Bern und Zürich.

Vergegenwärtigen wir uns die Wirkung solcher Zustände und Ereignisse auf Basel, wo die Gegensätze Stadt und Stadtherrn, Bürgerschaft und Klerus trennten. Vergegenwärtigen wir uns, mit welchen Mitteln das Papsttum seinen Kampf führte, das Volk gegen den Kaiser als den Verderber des Glaubens und Zerstörer der Kirche aufzuhetzen suchte. Alle vierzehn Tage wurde das Kreuz gegen ihn gepredigt; derselben Exkommunikation, die ihn getroffen, verfielen auch Alle, die ihm Hilfe und Gunst erzeigten. Das Volk sah sich um einer Anschauung und Parteinahme willen, die für sein Gefühl eine politische war, mit Maßregeln bedroht, die ihm das Innerste und Heiligste trafen. Wir können hienach die zornige Gereiztheit ermessen, die in der Menge lebte. Eine furchtbare Schwüle liegt über der Zeit.

Zuerst schaffte sich die Erregung einen Ausweg durch Erstürmung der Burg Landser, im Jahre 1246. Die Schloßherren, Edle von Butenheim, zählten zu den Anhängern des Gegenkönigs Heinrich; durch allerhand Gewalttat hatten sie die Städte Basel und Mülhausen sich zu Feinden gemacht. Diese legten sich vor die Burg, bezwangen und besetzten sie; erst im November konnten die Butenheimer die Rückgabe ihres Hauses erlangen. Dann aber folgte der zweite, mächtigere Schlag. Die Basler führten ihn im Innern ihrer Stadt selbst und gegen den Bischof.

Ich erinnere daran, daß nach dem Tode des Gegenkönigs Heinrich (16. Februar 1247) der Papst den Kardinal Petrus von San Giorgio in Velabro nach Deutschland schickte, um eine neue Königswahl zu bewirken; er gab ihm auch die Weisung zu noch schärferen Kampfmitteln. Die Bettelmönche sollten auf den Straßen bei Prozessionen und andern Anlässen die Exkommunikation des Kaisers verkünden; seine Anhänger hießen rechtlos; Niemandem war erlaubt, mit ihnen Handel zu treiben oder sonst Verkehr zu pflegen. Sonntag für Sonntag wurde über sie, mit namentlicher Bezeichnung, unter Glockengeläute und bei brennenden Kerzen der Bann erneuert. Vielleicht war es die hiedurch gesteigerte Erbitterung, die zur Katastrophe führte. Oder lag ein Befehl Friedrichs vor, ähnlich demjenigen, den er [28] 1247 den Zürchern gab, den Klerus aus der Stadt zu jagen? Die zum Äußersten gebrachten Bürger zu Basel erhoben sich, stürmten hinauf zum Münster, eroberten den bischöflichen Palast, brachen ihn in Trümmer; die Domherren und die gesamte Geistlichkeit standen in Gefahr. Bischof Lütold, der, wie es scheint, in diesem Moment außerhalb Basels weilte, verlangte von den Städtern Buße und Entschädigung. Als sie sich dessen weigerten, sprach er den Bann über sie aus, belegte Basel mit dem Interdikt. Papst Innocenz bestätigte dies und beauftragte den Bischof Heinrich von Straßburg, die genaue Handhabung zu überwachen.

Die Strafe war eine empfindliche. Basel fand sich jetzt in der Lage anderer kaisertreuer Städte. Das Interdikt lastete auf der Stadt; Messe und Predigt waren stillgestellt, keine Kinder wurden mehr getauft, keine Ehen gesegnet, den Toten die geweihten Ruheorte verschlossen. Und strenge sah die Curie auf die Ausführung der grausamen Maßregel. Als der Inzlinger Priester nach Basel kam und hier die Sakramente spendete, wurde er seines Amtes entsetzt.

Dieser Zustand dauerte mehrere Monate. Aber im folgenden Frühjahr, 1248, hat er sich geändert. Am 18. Februar hatte Friedrich bei Parma eine schwere Niederlage erlitten, im März war sein Sohn Konrad in Schwaben geschlagen worden, wobei auch Graf Ludwig von Froburg unter den Siegern gewesen war. Daß die Entmutigung, die infolge hievon die kaiserliche Partei im Reiche ergriff, einen Umschwung der Dinge in Basel bewirkt habe, ist nur teilweise anzunehmen; glaubhafter ist ein allmähliges Mürbewerden der Einwohner selbst unter der andauernden Züchtigung, unter dem furchtbaren Gewissensdruck, unter dem Einfluß der rührigen Bettelmönche. Wir sehen, daß der Papst schon am 24. März schreiben konnte, die Bürger von Basel seien gewillt, sub certa forma, unter gewissen Bedingungen, zum Gehorsam der Kirche und des römischen Königs (es ist der Gegenkönig Wilhelm von Holland gemeint) zurückzukehren. Und von da an wird in zahlreichen Schreiben die Wiederherstellung guten Einvernehmens vorgenommen.

Dabei erscheint Bischof Lütold selbst nie als mithandelnd; er wird als krank und schwach bezeichnet und die Frage, ihm einen Coadjutor zu geben, mehrfach erwogen. Dagegen erscheint der schon genannte Berthold von Pfirt, jetzt Propst von Moutier, als erprobter Vertrauensmann der Curie im Vordergrund; außer ihm scheint auch das Kloster Wettingen am Frieden gearbeitet zu haben, vielleicht durch seinen merkwürdigen, in diesen Jahren viel genannten Convers Werner.

[29] Das Wichtige ist, daß die Basler Bürger sich nicht einfach unterwarfen, sondern daß Verhandlungen geführt wurden. Die Forderung des Papstes, von deren Annahme er die Aufhebung seiner Strafen abhängig machte, war der Abfall vom Kaiser. Die Bürger fügten sich, aber nicht ohne weiteres. Zunächst verschafften sie sich Anerkennung gewisser zivilrechtlicher Satzungen sowie die Bestätigung ihrer Rechte und Gewohnheiten überhaupt und spezielle Zusagen inbetreff des Gerichtsstandes. Sodann aber kam es zu bestimmten Anordnungen inbetreff ihrer Gemeindeverfassung und des Rates. „Die Wahl von Ratsherren und Richtern, die Vogtei und Anderes“ wurden dabei berührt; wir vernehmen nichts Näheres. Aber eine Vergleichung der Zustände vor und nach diesen Abmachungen läßt vermuten, daß einerseits der bisherige städtische Rat durch das bischöfliche Vogtsgericht ersetzt und der Vogt zum unmittelbaren Vorsteher der Stadt gemacht, andererseits Wünschen der Bürgerschaft dadurch entsprochen wurde, daß man die Wahl der Ratsherren und Richter vom Bischof unabhängig stellte und zu einer jährlich wiederkehrenden machte.

Es war ein Friedensschluß, bei dem, wenn die Vermutung richtig ist, die Stadt zwar ihren alten Rat einbüßte, aber statt seiner eine Behörde erhielt, die ihren Interessen wiederum entsprach. Die folgende Entwicklung zeigt dies aufs deutlichste. Da diese neue Organisation durch Verbindung des kommunalen Wesens mit dem öffentlichen Organ des Gerichts das erstere hob und da sie feste Formen schuf, auf denen weiterzubauen war, so konnten die Bürger bei der Endrechnung ihren Gewinn größer finden als ihren Verlust. Das Sturmjahr 1248 brachte Basel unverkennbar eine Stärkung des städtischen Wesens. Die im Kampf bewährte Kraft war nicht mehr zu beseitigen, das dort erlangte Selbstbewußtsein nicht mehr zu beschwichtigen; es drängte um so kräftiger vorwärts, als die neue Ordnung reichere Competenzen gab und die Tüchtigsten am Stadtregiment beteiligte.

Aber in politischer Hinsicht, in der Stellung gegen außen war das Ergebnis ein für die Stadt nachteiliges. Sie büßte dafür, daß sie den Kaiser verlassen. Denn nur in diesem Sinne, nur als Beugung und Bindung der Stadt kann die Aufstellung des capitaneus et defensor, des Stadthauptmanns, verstanden werden, die der Papst jetzt vornahm. Es war eine Ausnahmemaßregel, der kriegerischen Zeit entsprechend. Der Besitz Basels, das die Verbindung zwischen dem Elsaß und den obern Landen beherrschte, war strategisch von höchster Wichtigkeit für die päpstliche Partei; zur Handhabung und Hütung dieses Besitzes wurde der Stadthauptmann bestellt, wie es scheint in der Person des Propstes Berthold von Pfirt, [30] und damit war nicht allein die Stellung Basels in diesen Kämpfen gesichert; als viel wichtiger erscheint, daß von nun an und auf Jahre hinaus die politische Betätigung Basels überhaupt an den Willen des bischöflichen Stadtherrn gebunden und der Bürgerschaft ein freies Handeln in dieser Richtung genommen war. Persönliches wirkte hiebei mit; denn derselbe energische Berthold von Pfirt, der wohl das Amt des Stadthauptmanns bekleidete und daneben Coadjutor des unfähig gewordenen Lütold war, wurde nach dessen Tode (17. Januar 1249) zum Bischof erhoben.


Die Geschichte der Stadt zur Zeit Bertholds wie auch noch seines Nachfolgers Heinrich stand unter der Wirkung der Ereignisse von 1248. Die Politik des Bischofs war auch die der Stadt. Letztere geht vorerst keine eigenen Wege mehr. Bedeutsam ist vor allem, daß, als in den letzten Jahren Kaiser Friedrichs die Städte dieser obern Gebiete sich zusammenschlossen zur Vertretung der kaiserlichen Sache und zu gegenseitigem Schutz vor Entfremdung vom Reiche, Basel an dem Bunde nicht teilnahm. Hagenau, Schlettstadt, Colmar, Kaisersberg und Mülhausen, Breisach und Neuenburg, Rheinfelden, Bern und Zürich gehörten ihm an; aber vergebens sucht man in dieser Reihe die Hauptstadt der oberrheinischen Lande. Basel stand nicht mehr zum Reiche, nicht mehr zu den Staufern. Dem gegenüber kommt nicht in Betracht, daß es 1254 sich am großen rheinischen Städtebunde beteiligte; auch sein Bischof beschwor ja diesen Bund, der ohne bestimmte politische Bedeutung war und vornehmlich der Handhabung des Landfriedens und der Beseitigung ungerechter Zölle galt. Taten, wie die Eroberung von Landser, wie die Zerstörung des Bischofshofes waren jetzt nicht mehr denkbar. Während die Bürger Straßburgs glänzenden Sieg über den dortigen Bischof erfochten, hatten die Basler ihrem Herrn Heeresfolge zu leisten wider denselben Rudolf von Habsburg, der dazu berufen war, als König Basel wieder zum Reiche zu bringen.

Im Innern jedoch zeigt diese Zeit ein mächtiges Vorwärtsschreiten. Das städtische Wesen entwickelt sich breit; Rat und Gemeinde handeln in anerkannter freier Tätigkeit. Neben den Vogt tritt schon bald als zweites Haupt der Stadt der Bürgermeister; auch ein eigener Stadtschreiber wird bestellt. Die Gemeinde schafft sich ein Haus für Rat und Gericht. Sie erhebt ein Weinungeld und verfügt frei darüber; sie erwirbt 1262 den Hornfelsen und erscheint wiederholt beteiligt bei den Verfügungen über die Allmend. Wie es sich 1250 darum handelt, den Barfüßern ein Stück dieser Allmend zum Klosterbau zu überlassen, haben Rat und Bürger ihre Zustimmung [31] dazu zu geben; die Gemeinde hängt ihr Siegel an die Urkunde; in der langen Reihe der Zeugen stehen neben den Domherren, Rittern und Burgern in imposanter Zahl die Vertreter der Gewerke.

Es ist bekannt, wie nach dem Untergang Friedrichs Fürsten und Herren sich des staufischen Gutes wie des Reichsgutes bemächtigten. Auch den Bischof Berthold von Basel finden wir bei diesem Treiben beteiligt. Sein Hochstift hatte einst Berg und Burg Breisach dem Reiche zu Lehen gegeben, im November 1250 zwang er die Breisacher zur Anerkennung seiner Oberherrschaft. Ähnliches geschah mit Rheinfelden. Im Frühling 1230 setzte sich König Konrad, nach erfolglosen Kämpfen am Oberrhein, in diesem Schlosse fest; Bischof Berthold zog davor, trieb den König zur Flucht und nahm Schloß und Stadt zu des Hochstifts Basel Handen. Der Übergang dieser beiden Städte an den Bischof brach eine breite Lücke in den vorhin erwähnten Städtebund; er verletzte aber auch Ansprüche des Grafen Rudolf von Habsburg.

Denn diesem treuen Parteigänger hatte König Konrad Breisach und eventuell Rheinfelden zu Pfand gegeben, und diesen Ansprüchen hatte sich Bischof Berthold in den Weg gestellt. Der Gegensatz war damit gegeben, der von da an zwei Jahrzehnte lang fast unausgesetzt die oberrheinischen Geschicke beherrschte: der Gegensatz zwischen dem Basler Bischof und dem Habsburger. Der Krieg entbrannte.

Die Feldzüge Bischof Bertholds haben wir uns zum guten Teil als Taten der Basler Bürgerschaft zu denken; diese trug jetzt ihre Waffen gegen alles was kaiserlich hieß. Welches Lob sich damit die Stadt am päpstlichen Hofe erwarb, welche Nöte und Gefahren ihr aber auch daraus erwuchsen, so daß kein Basler wagen durfte, sich von der Stadt zu entfernen, zeigt das Schreiben, das Papst Innocenz im Mai 1254 von Assisi aus an sie richtete. Die Verbrennung des hart vor den Mauern gelegenen Steinenklosters durch Graf Rudolf war der für Basel empfindlichste Schlag des ganzen Krieges, wohl aber auch der letzte. Nach König Konrads Tod (21. Mai 1254) nahmen diese Streitigkeiten bis auf weiteres ein Ende. Es fand ein Ausgleich statt. Rheinfelden blieb beim Hochstift, und auch Breisach, dessen sich Rudolf hatte bemächtigen können, ergab sich dem Bischof von Basel und gelobte ihm Treue.


Die letzten Jahre Bischof Bertholds erscheinen schon als verdunkelt durch die große Gestalt Heinrichs von Neuenburg.

[32] Dieser, Sohn des Grafen Ulrich von Neuenburg am See, begegnet uns zuerst zu Beginn der 1230er Jahre als Mitglied des Basler Domkapitels. Er besaß nicht die Bildung, die einem Geistlichen ziemte; aber glänzende Fähigkeiten, Ehrgeiz und gewalttätiger Sinn trugen ihn empor. Die Macht seiner Familie, seine Verschwägerungen mit den Häusern Röteln, Toggenburg, Grandson, Regensberg kamen ihm zu statten. Es ist schön zu beobachten, wie er in den Jahren dieser Episcopate Lütolds und Bertholds langsam heraufsteigt, immer mächtiger wird, seines Zieles und Berufes wie von Anbeginn an sicher. Seit 1242 ist er Archidiacon des Hochstifts, in dem großen Kampf als einer der brauchbaren Diener der Kirche vielfach ausgezeichnet. Er wurde Propst von Moutier und von Solothurn, Dekan von Rheinfelden, Kirchherr von St. Martin zu Basel. Wenn er auch die erste Stelle im Domstift, die Propstei, erst 1260 nachdem Tode Heinrichs von Veseneck erlangte, war er doch schon vorher der mächtigste Mann des Capitels. Seinem Willen beugten sich die Andern; schon bei Lebzeiten des alternden Bertholds konnte er als der Lenker des Bistums gelten, und zugleich war er der anerkannte Prätendent der Nachfolge. Er sicherte sich diese Aussicht durch ein Abkommen, das er am 8. Januar 1261 mit den Domherren traf; aber er hatte nicht mehr lange Geduld zu üben. Im Sommer 1261 rührte den Bischof der Schlag; Heinrich wurde vom Papste zum Coadjutor erhoben, und als Berthold am 10. Dezember 1262 starb, folgte ihm jener ohne weiteres. „Ohne Wahl gleichsam“ berichtet der Chronist. Formlos und unordentlich war der Vorgang jedenfalls; denn erst im März 1264 war Heinrich soweit, kraft päpstlicher Bestätigung sich Bischof nennen zu können. Aber was kümmerte ihn dies? Er war der Fürst von Basel und stand mitten in Aufregungen, die stärker waren als diese Bedenken über die Art seiner Wahl.

Im Sommer 1261 sehen wir ihn im Bunde mit den Bürgern von Straßburg. Er tat dies nicht etwa als ein Freund der Städter, sondern um gegenüber dem Straßburger Bischof Walther die Rechte des Basler Hochstifts auf Münster im Gregoriental und das Schloß Schwarzenberg durchzusetzen. Seine Bundesgenossen waren die Grafen Rudolf und Gottfried von Habsburg und Konrad von Freiburg; im Anschlusse an diese Föderation ging dann, im November 1261, auch die Gemeinde Basel einen Bund mit der Stadt Straßburg ein. Es war dies die erste Vereinigung der beiden Städte, der Beginn einer seitdem, in stets wiederholten Bündnissen, durch anderthalb Jahrhunderte hindurch gepflegten Freundschaft.

[33] Wenige Jahre später führte Bischof Heinrich Krieg mit demselben Rudolf von Habsburg, dessen Verbündeter er in der Straßburger Sache gewesen war. Es handelte sich zwischen ihnen um die große Frage der Präponderanz am Oberrhein, zugleich um die Frage, wer von Beiden der Mächtigere auf Kosten des Reichsgutes werden solle. Wie schon zu Bertholds Zeit, gaben auch jetzt wieder die Verhältnisse Breisachs und Rheinfeldens den äußern Anlaß des Haders, und zuletzt ging Rudolf als Sieger aus dem Konflikte hervor. Aber nicht dieses ist es, was ihm unsere Sympathien gibt. Auch das glaubt Niemand, daß er um des Reiches willen für das Reichsgut kämpfte. Wohl aber erlangt in unsern Augen sein Kampf einen höhern Wert und eine dauernde Bedeutung, weil dadurch, daß seine Wahl zum König den Kampf endete, das von ihm Gewonnene dem Reiche gewonnen ward.

Hier haben wir die Stellung Basels in diesen Kämpfen zu beachten.

Fürstlicher als Heinrich erscheint keiner der Basler Bischöfe, keiner vom Gefühl seiner Stellung so erfüllt wie er. Er nennt sich Caplan Jesu Christi und der Maria; den Papst citiert er vor sich auf Schloß Birseck. Keiner hat wie er die Macht des Hochstiftes gemehrt und zugleich in jahrelangem Kampfe geübt. Er sicherte sich den Besitz von Breisach und Rheinfelden und gewann die Anerkennung seiner Rechte über Olten und Waldenburg; er befestigte Kleinbasel; er erwarb Tiefenstein am Ausgange des Albtales, ferner Landser und Biedertal; er schloß den gewaltigen Kauf über die Herrschaft Pfirt. Seine Urkunden zeigen in glänzenden Reihen das vornehme Domkapitel, die Blüte des Stiftsadels, die Ersten der Stadt.

Und mit welcher Sicherheit bringt er sein Verhältnis zu dieser Stadt in ganz neue Formen! Bemerkenswert ist schon, daß er seine Urkunden in deutscher Sprache abfassen läßt; ungewohnter Art sind aber auch seine Erweisungen selbst. Schon wie er im Jahre 1262 durch König Richard die Rechte und guten Gewohnheiten Basels bestätigen ließ, mag auffallen; er machte den Sachwalter der Stadt und trat für Rechtsame ein, die zum Teil auf Kosten des Hochstifts errungen sein mochten. Nachdem er zu Beginn des Regiments eine Codification seines Bischofsrechtes vorgenommen, war er auch der Erste, der den Bürgern der Stadt eine Handfeste gab, als Verbriefung ihrer Rechte und dauernde Regel für die Beziehungen zwischen Stadtherr und Gemeinde. Ein deutlicher Reflex der Zeitverhältnisse liegt darin, daß die Handfeste diesen Beziehungen den Charakter eines Bündnisses gibt; der Bischof gelobt der Stadt Rat und Hilfe gegen jedermann und empfängt dafür von ihr den Eid, daß sie ihm und seinem [34] Gotteshause helfen wolle und dessen Rechte behalten. Dieser Gedanke eines Bündnisses, den Heinrich hier einführt, ist ein wesentlicher Teil seiner Politik; für die gewaltigen Kämpfe, die er zu bestehen hat und denen seine unzuverlässigen Vasallen und Dienstleute bei weitem nicht genügen, schafft er sich Stärke, indem er die wuchtige, in täglicher harter Arbeit geübte Kraft der Städter heranzieht. Mit der Gesamtheit der Einwohnerschaft hat er es zu tun; sie ist das „gedigen“, von dem seine Urkunden reden; die Handwerker sind ihr größter und stärkster Teil. Die Letztern finden wir unter Heinrich zeitweise im Rate mitwirkend, und auch ihnen gegenüber, in den Zunftbriefen, kehrt der Gedanke des Bündnisses wieder; Bischof und Zunft geloben sich gegenseitig Hilfe in allen ihren Nöten.

In solcher Weise verfuhr Heinrich mit der Stadt Basel. Der Begriff der Stadtherrschaft erscheint dabei durch die Vorstellung eines Bundes wie geadelt. Aber Heinrich tat, was er tat, nur dem Hochstift zu Nutzen und Ehre. Die Handfeste spricht nichts aus, was dem im Bischofsrecht sich erweisenden Herrschaftsgefühl zuwider wäre.Sie gewann dem Bischof die Stadt völlig; er schaltet unbeschränkt mit ihr.

Der Krieg Heinrichs mit Graf Rudolf weist keine großen Taten auf. Aber mit Brand und Verwüstung, mit Handstreichen und Ueberfällen brachte er den ganzen Oberrhein in Aufruhr und trug seine Gräuel bis in die Juratäler, bis nach Moutier hinauf. Er begann im Jahre 1268, und das Glück schwankte zwischen den Kämpfenden hin und her. Nach kurzem Stillstand fand die Fehde im Jahre 1271 neue Nahrung durch die Erhebung der Stadt Neuenburg gegen ihren Herrn, den Grafen von Freiburg. Die Neuenburger riefen den Bischof Heinrich zu Hilfe und unterwarfen sich ihm. Mit vermehrter Erbitterung ging nun der Kampf in der Nähe Basels weiter. Der Bischof nahm Säckingen ein, brannte eine Reihe Dörfer im Sundgau nieder, verwüstete das Heiligtum des habsburgischen Hauses, Ottmarsheim. Die Feinde vergalten mit Gleichem, vernichteten Dörfer und Klöster; in der Nacht vom 24. zum 25. August 1272 ließ Graf Rudolf die St. Johannsvorstadt Basels in Flammen aufgehen.

Bei diesen Taten war auf Seite Heinrichs die städtische Miliz beteiligt. Das Banner der Stadt, die Fahnen der Zünfte wehten überall.

Wie sich aber die Bürgerschaft im Einzelnen zu den Vorgängen stellte, wissen wir nicht. Die alten Reichsparteien lebten jedenfalls noch in dem und jenem Hause weiter; als im Jahre 1270 ein falscher Konradin in Basel auftrat, mochte sich Mancher wieder als Ghibelline fühlen. Ein deutliches Hervortreten solcher Parteiung jedoch sehen wir damals nur bei der Ritterschaft.

[35] Diese war gespalten in die Faktionen der Psitticher und der Sterner. Der erste Ursprung der Entzweiung war vielleicht nur ein persönlicher Zwist Einzelner gewesen, der zum Familienhader wurde. Die Gegensätze päpstlich und staufisch traten dann hinzu, gaben dem Streit eine allgemeine Bedeutung und schlossen jede der Parteien fester zusammen. Auf der einen Seite standen die Münch und die Schaler; sie waren die angesehensten Geschlechter der Ministerialität; ihnen gehörten seit Jahrzehnten die Aemter des Vogtes und des Schultheißen, dann auch des Bürgermeisters; ihren Anhang bildeten die Marschalk, die Kämmerer, die zu Rhein. Wenn die Basler Ritterschaft sich bei Turnieren und Auszügen zeigte, war nur von ihnen die Rede, hieß es nur: das sind die Schaler und Münch von Basel. Dieser mächtigen, glanzvollen Partei gegenüber, deren Zeichen ein grüner Psittich (Papagei) im weißen Felde war, standen die andern Geschlechter, unter einer roten Fahne mit weißem Stern: die von Eptingen, von Uffheim, Kraft, Pfaff, Reich, Viztum, Mazerel, zahlreicher und wohl auch an Adel der Herkunft den Gegnern überlegen, aber in Aemtern und Würden hintangesetzt, dem Bischof fernerstehend.

In diese Parteiung trug nun der Krieg vermehrtes Leben; er bewirkte, daß auch die Dynastenhäuser der Nachbarschaft den Einen und den Andern sich anschlossen. Die Psitticher hielten zu ihrem gnädigen Herrn, dem Bischof, die Sterner zu dessen Widersacher. Welche Kämpfe dies am bischöflichen Hofe, in den Gassen und um die Geschlechtertürme, in den Trinkstuben der Stadt zur Folge hatte, wird uns nicht gemeldet; aber es kam zur Katastrophe. Die Psitticher behaupteten die Oberhand und trieben ihre Gegner, den gesamten Adel der Sternpartei, im Jahre 1271 aus der Stadt und ins Feldlager des Grafen Rudolf. Es war dasselbe gewaltsame Verfahren, dem wir in den Geschlechterkämpfen der italienischen Republiken oft begegnen.

Zu Beginn des Jahres 1273 bereitete sich die Entscheidung des Krieges vor. Rudolf sammelte seine Kräfte, um einen Hauptschlag zu führen. Er arbeitete zugleich durch geheime Mittel im Innern Basels selbst; jedenfalls waren auch die vertriebenen Edeln mit dem Einflusse tätig, den sie noch hinter den Mauern besaßen.

Um Mitte Juli lagerte sich Rudolf vor der Stadt, bei Binningen. Er berannte Basel; er ließ verheerende Streifzüge ins Elsaß und rheinaufwärts gehen; er sammelte Scharen im Breisgau, um auch Kleinbasel anzugreifen. Der Bischof sah sich in schlimmer Lage.

[36] Da kam ein Ereignis, das den Bischof rettete, ohne ihm doch den Sieg zu geben. Am 20. September brachte der Burggraf Friedrich von Nürnberg die Botschaft ins Lager, daß die Kurfürsten bereit seien, Rudolf zum König zu wählen. Rudolf erklärte sofort die Annahme und sandte den Burggrafen mit seiner Neuigkeit in die belagerte Stadt. Als Bischof Heinrich die Kunde vernahm, erbleichte er; er schlug sich mit der Hand an die Stirne und rief: Herrgott im Himmel, sitze fest, damit dieser Rudolf nicht auch Dich wegdrängt! Am 22. September wurde ein Waffenstillstand geschlossen.

Dem Rudolf aber huldigten sofort Basel, Rheinfelden, Neuenburg, Breisach. Diese wiedergewonnenen Städte dem Reiche zubringend, fuhr er im Jubel alles Volkes den Rhein hinab. Am 1. Oktober wurde er in Frankfurt zum deutschen Könige gewählt, am 24. Oktober in Aachen gekrönt. [37] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Zweites Buch.
Die rudolfinische Zeit.




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Erstes Kapitel.
König Rudolf.




Mit der Wahl Rudolfs nahm vor den Toren Basels eine neue Zeit ihren Anfang. Kurz nach der Krönung erließ der König ein Schreiben an die Stadt Basel, worin er erklärte, aller Groll sei vergessen, er wolle der Stadt gnädig sein und alle ihre Rechte und Freiheiten bestätigen. Die Gemeinde antwortete mit einem begeisterten Huldigungsbrief.

Von da an hat eine unwandelbare Freundschaft den König Rudolf und seine getreue Stadt Basel verbunden, und noch heute ist hier seine Gestalt eine dem Volke vertraute.

Nach einer langen schrecklichen Zeit des Haders und der Rechtlosigkeit war in seiner Person der Friede wiedergekehrt und dem Reiche ein mächtiger Führer, ein Wahrer der Ordnung wieder erstanden. Und weil nach seinem Tode sofort neue Zwietracht entstand, war mit seinem Andenken die Erinnerung an eine friedevolle Zeit unlöslich verbunden. „Solche Friede war auf Erden nie gesehen noch erlebt worden“, schreibt Gottfried von Ensmingen. „In seinem Anschauen ruhte ganz Deutschland, und vor seinem Antlitze scheute sich jedermann.“ Aber der hier als Friedefürst gepriesen wird, der erhielt auch das Lob eines tapfern und klugen Kriegers, eines meisterlichen Heerführers.

Daneben das Bild seiner eigensten Persönlichkeit, des Mannes von hohem Wuchs und schlanken Gliedern, mit ernstem bleichem Antlitz und einer langen Nase, der in Speise und Trank mäßig war und von äußerster Schlichtheit der Kleidung, und der auch mit dem gemeinen Manne zu reden und zu scherzen verstand.

In diesen Zügen lebt das Andenken des großen Königs Rudolf noch heute in Basel weiter. Jedes Kind kennt die Geschichte seiner Bewirtung beim Basler Gerber, und jeder gute Basler ist im Stillen stolz darauf, daß Rudolf, gerade da er mit Belagerung unserer Stadt beschäftigt war, zum deutschen König erhoben wurde. Wer das alte Steinbild im Seidenhof [40] anschaut, das uns den König Rudolf zeigt mit Szepter und Reichsapfel, in Krone und Mantel auf seinem Stuhle sitzend, der erblickt darin ein Denkmal vertrauter Beziehungen des Königs zu Basel; weiter schreitend findet er im Chore des Münsters das feierlich schöne Grabmal, darin Rudolfs Gemahlin Jahrhunderte lang geruht hat. Die Erinnerung an mannigfaches tätiges Eingreifen des Königs in die Geschichte der Stadt, an Verleihung wichtiger Gnaden und Freiheiten durch ihn ist nicht erloschen. König Rudolf von Habsburg ist der heute am besten gekannte der alten Herrscher und neben dem guten Kaiser Heinrich beinahe zum Patrone der Stadt geworden.


Wenige Wochen nach Uebernahme der Krone bestätigte Rudolf der Kirche Basel die Rechte, die sie von seinen Vorfahren am Reich, insbesondere von Friedrich II. erhalten habe. Damit war also auch der Ulmer Spruch von 1218 über den Rat der Stadt bestätigt. Aber eine tatsächliche Wirkung kam dem doch nicht zu. Die Urkunde will nichts sein als Zeugnis der Huld für den frühern Gegner. Ueberdies war Rudolf zu Beginn seiner Herrschaft gewillt, sich den Städten förderlich zu erzeigen, wo nötig auch auf Kosten des Episkopats.

So brachte denn schon das erste Regierungsjahr Rudolfs auch für die Stadt Basel zwei Privilegien. Das eine, vom 17. Juni 1274, gewährte den Basler Bürgern, daß sie weder wegen ihres Bischofs noch wegen seiner oder eines Andern Schulden von irgend jemand gepfändet werden könnten; wer einen Anspruch an sie habe, solle sie vor dem König belangen. Es wurde damit anerkannt, daß für die Stadt Basel als Korporation der Gerichtsstand vor dem König sei; dorthin gewiesen wurden alle Anforderungen, die an die Gemeinde, an die Gesamtheit der Bürger erhoben wurden. Eine Ergänzung hiezu war dann das kurz nachher, am 20. September 1274, erlassene Reichsgesetz, das Forderungen an einzelne Bürger vor das Gericht der Stadt selbst wies. Beide Verfügungen zusammen bedeuteten eine Ordnung des Rechtszustandes, die nach den langen Zeiten des Streites und der Unsicherheit hochwillkommen sein mußte. In den gleichen Tagen, 15. Juni 1274, erneuerte Rudolf den Baslern das Privileg König Heinrichs von 1227, das sie lehnsfähig erklärte.

Am 13. September 1274 war Bischof Heinrich gramvoll gestorben; sein Letztes war die feierliche Urkunde gewesen, in der er die Steuerlast der Kleinbasler Bürger ermäßigte.

[41] Sein Tod bezeichnet deutlich die Grenze zweier Zeiten. Er war der letzte Basler Bischof mit einer Politik großer Art; sein Versuch, das Hochstift zu einem bedeutenden Territorialfürstentum auszubauen, war mißlungen und wurde von keinem seiner Nachfolger mehr aufgenommen. Mit ihm ging aber auch eine denkwürdige Periode der Stadtgeschichte zu Ende. Als er starb, hinterließ er beide Städte Basel mit Verfassungen ausgestattet und die lange Reihe der Zünfte organisiert. Im Besitze dieses Rechtes, dessen eigenartige, durch Heinrich ihm gegebene Formulierung nicht mehr preisgegeben wurde, gewann sich Basel sofort, als dieser letzte Bischof der alten Zeit nicht mehr war, eine neue Stellung zu Reich und Stadtherr.

Heinrich von Neuenburg erhielt sein Grab in der Marienkapelle neben dem alten Turm des Münsters, die er selbst gebaut hatte. Und zu seinem Nachfolger wählte das Domkapitel den Archidiakon Peter Reich. Aber der Papst versagte diesem die Bestätigung und erhob statt seiner, ohne Zweifel auf Antreiben König Rudolfs, zum Basler Bischof den Bruder Heinrich von Isny, Lesemeister im Barfüßerkloster zu Mainz.

Dieser Heinrich, der elf Jahre später in gleicher Weise über die Hoffnungen und Ansprüche desselben Peter Reich hinweg, der dazumal Dompropst von Mainz war, zum Haupte dieses gewaltigen Erzbistums erhoben wurde, nimmt in der Reihe der Basler Kirchenfürsten eine eigentümliche Stellung ein. Er erwarb sich große Verdienste als Lenker seiner Diözese und als Herr des Territoriums; aber diese Leistungen werden hell überstrahlt durch seine Taten als eines der ersten Staatsmänner des Reiches. „Er hatte größere Liebe zu den Rittern als zu den Geistlichen“, sagt der Chronist, und ein eifersüchtiger Predigermönch weiß von ihm dem Minoriten zu erzählen, daß er dreimal seinen Orden verleugnet habe. Seine Neigung für die Dinge weltlicher Herrschaft, für das Kriegerische und Glänzende, sein hohes Geschick für die Geschäfte des Diplomaten waren den Zeitgenossen an diesem Sohn eines Handwerkers, an diesem Bettelmönch erstaunlich. Er erschien in allem als ein ungewöhnlicher Mensch, der sich auch nicht scheute, ganz auf seine Weise zu leben. Wunderliches wurde über ihn berichtet: daß er an einem Weihnachtsfeste, obwohl es auf einen Freitag fiel, Fleisch aß; daß er zu Kolmar im Jahre 1282, als er in der Barfüßerkirche Weihen erteilte, einen weißgekleideten Mohren und einen Zwerg in seinem Gefolge hatte. Der ganze Gang seines Lebens wurde mit der Einwirkungg eheimnisvoller Kräfte und Wesen in Verbindung gebracht, seine wunderbare Erhöhung als das Werk böser Geister angesehen, denen er sich übergeben habe.

[42] Dieser merkwürdige Mann ist von den Tagen der Wahl Rudolfs an bis zu seinem eigenen Tode unermüdlich für König und Reich wirksam gewesen. Stets in den bedeutendsten Stellungen und mit den wichtigsten Obliegenheiten. Keine Gesandtschaft ist von Rudolf an den Papst abgegangen, an der Heinrich von Isny nicht teilgenommen hat; die Unterhandlungen wegen der Kaiserkrone sind durch ihn geführt, die Abrede der Vermählung von Rudolfs Sohn Hartmann mit der englischen Königstochter Johanna ist durch ihn als Brautwerber in London zu Stande gebracht worden; ihm übertrug der König die Ordnung der Reichsangelegenheiten in der Lombardei. In den bedeutungsvollsten Momenten von König Rudolfs Regierung begegnen wir ihm, in Lausanne, in Wien, auf dem Schlachtfelde von Dürnkrut, als Friedensvermittler in Böhmen und bei den rheinischen Kurfürsten. Und wie lobt ihn Rudolf! Er hat dem König in der äußersten Not seines Lebens, da er für sein Leben und die Ehre des Reiches focht, herrlich geholfen; seine reine Treue und seine glühende Ergebenheit für den König und das heilige Reich strahlen wie ein Helles Licht. Alle Geheimnisse des königlichen Herzens sind ihm bekannt; er ist dem König der Vertraute seines Innersten, sein anderes Ich und seine rechte Hand.

Dieser Mann war Bischof von Basel, und es ist daher natürlich, daß das Verhältnis Rudolfs zum Hochstift und zur Stadt ein besonders wohlgeneigtes geworden ist, abgesehen von persönlichen Empfindungen, die den König mit diesem Ort mögen verbunden und ihn dazu bewogen haben, Denjenigen, die er einst mit Feuer und Schwert heimgesucht hatte, nun um so mehr seine Gunst zuzuwenden.

Seit er vor Basel die Königswürde empfangen, ist er oft wieder hier eingekehrt. Im Glanze als ein Gekrönter zuerst im Januar 1274, da er hier einzog, die Edeln der Sternpartei glorreich wieder in ihre Heimat einführte. Ein ähnlicher Einritt voll Pracht und Würde muß jener vom 18. November 1275 gewesen sein, da Rudolf mit seiner Gemahlin von Lausanne, von der Konferenz mit Papst Gregor herkam; er führte mit sich den neugewählten Heinrich von Isny, der an diesem Tage von seinem Bistum Besitz nahm und im Münster seine erste Messe las. Und so noch viele Male hat Rudolf in Basel geweilt. Sein Hofgericht ist hier abgehalten worden. Auch seine Gesandten und Räte wie die Legaten des Papstes haben oft die so wohlgelegene, von überall her zugängliche Stadt besucht. Das öffentliche Leben Basels stand mitten in den Bewegungen, die von den großen Ereignissen des Reiches, von den allgemeinen Angelegenheiten [43] der Zeit ausgingen; eine ganze Welt von Interessen, neuen und mächtigen Anschauungen wurde hineingetragen in den engen Gedankenkreis der Bewohner, Nachrichten von allen Seiten strömten zu, fremdartige Gestalten zeigten sich, der Glanz des Königshofes und der Fürsten konnte bestaunt und genossen werden. Herrlich war das große Ritterfest, das Graf Diebold von Pfirt am 31. Mai 1276, mitten in den Vorbereitungen zum Heerzuge nach Böhmen, hier dem Königspaare gab, herrlich die Feste, die Rudolf hier im Sommer 1284 beging; da vereinigte ein Hoftag Bischöfe und Fürsten, Ritter und Herren in Menge, und prunkvoll wurde die Hochzeit von Rudolfs natürlichem Sohne Graf Albrecht von Löwenstein mit Luccard von Bolanden gefeiert.

So nahm Basel Teil am Leben des Königs; in gleicher Weise ward ihm auch die Ehre, die Toten des königlichen Hauses bei sich aufzunehmen. Schon das im Februar 1274 zu Rheinfelden geborene Söhnlein Karl, das im selben Jahre starb, wurde im Chore des Basler Münsters beigesetzt. Hier erwählte auch die Königin Anna selbst, im Jahre 1281, ihr Grab. Als sie zu Wien erkrankte, gab sie ihren Willen kund, im Münster zu Basel bestattet zu werden, zur Sühne des Schadens, der einst durch Rudolf dem Basler Hochstift sei zugefügt worden. In einem höchst feierlichen Zuge ward die Leiche durch alle die winterlichen Lande bis nach Basel geführt und hier vom Bischof, den zwölfhundert Geistliche, brennende Kerzen tragend, begleiteten, würdig empfangen. Dann folgte die Beisetzung im Münster, in der Nähe des Hochaltars. Wenige Monate später erhielt nahe dabei auch Rudolfs Sohn Hartmann, der im Rheine ertrunken, sein Grab. So ruhten hier an heiliger Stätte beisammen Gemahlin und Söhne Rudolfs, und in schöner Einfachheit schreiben die Annalen des schwäbischen Klosters Sindelfingen von der Königin nur die wenigen Worte: dormit in Basilea, sie schläft in Basel.


Die Wahl Rudolfs und der Tod Heinrichs von Neuenburg hatten für die Stadt Basel die wichtige Folge, daß sie ihrer Zugehörigkeit zum Reiche wieder bewußt werden konnte. Was sie im Kampfe für Friedrich II. eingebüßt hatte, das wurde ihr jetzt, da dem Reiche wieder ein Haupt gegeben war, um so rascher und entschiedener zu Teil, als dieser König von Anbeginn die Wiederherstellung des Reichsgutes, überhaupt die Kräftigung der Machtgrundlagen des Königtums als seine Aufgabe erfaßte.

Deutlichen Ausdruck fand diese Tendenz in Basel dadurch, daß König Rudolf die Vogtei an das Reich zog.

[44] Ein Ueberblick über die bisherige Geschichte der Vogtei ist hier einzufügen.


Wie die Vorsteher anderer alter Bistümer, so hat einst auch der Basler Bischof vom König die Grafenrechte über seine Stadt erhalten. Ein bestimmt lautendes Zeugnis, wann und durch welchen König dies geschehen ist, besitzen wir freilich nicht. Aber die Vermutung ist sehr begründet, daß Kaiser Heinrich II., der gefeierte Wohltäter und Erneuerer des Hochstifts Basel, ihm die Gerichtsbarkeit verliehen habe.

Nicht in der Stadt allein. Der spätere „Zwing und Bann“ Basels scheint den Bezirk zu bezeichnen, der durch Heinrich II. der Jurisdiktion des Bischofs unterworfen wurde: ein Gebiet, das im Großen und Ganzen dem heutigen Großbasler Bann mit den Bännen Binningen und Bottmingen gleichkam.

Aber der Bischof war als Geistlicher nicht in der Lage, die Gerichtsbarkeit selbst zu handhaben; für deren Ausübung war ein weltlicher Beamter erforderlich, und es ergab sich für den Bischof ohne weiteres, dabei auf denselben Herrn zu greifen, der schon bisher im Immunitätsgebiete des Bischofs die staatlichen Rechte vertreten und die Immunitätsgerichtsbarkeit geübt hatte, auf den Vogt.

Zu Basel nun finden wir die bischöfliche Vogtei schon frühe in den Händen der Grafen von Honberg. Sie besaßen wahrscheinlich bis dahin die Gaugrafschaft sowie die Immunitätsvogtei, und ihre Ernennung zu Vögten des Bistums war die einfachste Maßregel. Sie begegnen uns als Vögte bis ans Ende des zwölften Jahrhunderts. Dann folgen ihnen, nur während kurzer Zeit noch, die ihnen verwandten Grafen von Tierstein.

Dieser Basler Vogt empfing zwar seinen Bann vom König, aber er war Beamter des Bischofs, wurde von diesem ernannt. Er war nicht Reichsvogt, sondern Bischofsvogt.

Um uns die Verhältnisse klar zu machen, haben wir zu beachten, daß im Bistum mehrere Vögte neben einander bestanden. Als solche erscheinen z. B. die Usenberger im Breisgau; die Grafen von Habsburg waren vielleicht Basler Vögte im Sundgau. Bei Bartenheim, gleichfalls im Sundgau, begegnet aber 1190 auch ein Graf Hermann von Froburg als Vogt, 1186 wird ein Heinrich Vogt von Hasenburg genannt; auch an die Vögte der Immunität von St. Alban ist zu erinnern. Dieser Vielheit von advocati gegenüber steht nun der „Großvogt“, der Domvogt, der major advocatus, der summus ecclesiae et civitatis advocatus. [45] Und zwar ist Domvogt und Stadtvogt dieselbe Person; der Graf von Honberg heißt bald Vogt der Kirche, bald Vogt der Stadt. In der letztern Eigenschaft hat er, da die Kompetenz der Stelle eine ausgedehnte ist, seine Stellvertreter, seine Untervögte; als ein solcher erscheint in den Jahren 1187 und 1202 Hugo Münch.

Aber wie anderwärts, so werden auch in Basel im zwölften Jahrhundert Klagen über die Vögte laut. Die Erblichkeit ihres Amtes machte sie in einer dem Herrn immer lästiger werdenden Weise unabhängig; sie suchten ihre Befugnisse zu erweitern, mißbrauchten ihre Gewalt, maßten sich Rechte an. In höchst belehrender Weise gibt eine Urkunde des Basler Domkapitels von 1190 Aufschluß; worüber hier vornehmlich geklagt wird, das ist Verletzung der Freiheit von beneficia claustralia, der libertas curie durch einzelne Herren, die sich als Vögte aufdrängen, eigene Vogteien über solche Güter ausdehnen wollen.

Mit dem obersten Vogt und Stadtvogt geriet aber auch der Bischof selbst in Zwist, namentlich darüber, daß der Bischof das Recht beanspruchte, jede zur Erledigung kommende Vogtei an sich zu ziehen und je nach seinem Gutdünken zu behalten oder wieder weiter zu geben. Der Stadtvogt widersprach dem. Die Sache kam vor den Kaiser Friedrich, und dieser entschied in Gelnhausen, April 1180, zu Gunsten des Bischofs. Ein zweiter ebendort ergangener Spruch bestimmte, daß Niemand ohne des Bischofs Gunst eine Befestigung, eine sog. Wicborc, in der Stadt Basel haben dürfe, und dieser Spruch traf jedenfalls auch wieder den Vogt. Wir kennen den Verlauf des Streites im einzelnen nicht; aber wenige Jahre später ist von einem abgesetzten Vogt die Rede, und die Vogtei erscheint dann nicht mehrbei den Honbergern, sondern bei den Tiersteinern.

Die Regelung der Verhältnisse, die Bischof Heinrich von Horburg mit dem ersten Vogt aus dem neuen Hause vornahm, ist in einer Schiedsurkunde aus dem Ende der 1180er Jahre enthalten. Sie bildet die Grundlage des von da an geltenden Vogteirechtes. Wir bemerken vorweg, daß in ihr dem neuen Vogt beträchtliche Geldzahlungen an den Bischof und an den städtischen Rat überbunden werden; vielleicht ist dabei an eine Abfindungssumme zu denken, die dem abgesetzten Vogt zu leisten war, vielleicht an Rückstände aus der Vogtei, bei der Zahlung an den Rat wohl an Erstattung eines von diesem gemachten Darleihens. Wichtiger ist, daß der Bischof jetzt eine Reihe von Gebieten aus der Vogteigewalt löste, wobei wohl hauptsächlich an Land zunächst der Stadt zu denken ist. Er verfuhr hiebei lediglich dem durch die Gelnhausener Sentenz ihm zuerkannten Rechte gemäß.

[46] Unter Bischof Lütold wird Graf Rudolf von Tierstein als Vogt genannt; er schuldet dem Hochstift 67 Mark für die Basler Vogtei d. h. wohl rückständige Bußgelder. Auch sonst erscheint dieser Rudolf noch in Urkunden Lütolds, während die Honberger überhaupt nicht mehr genannt werden. Unter Bischof Heinrich von Thun aber kam es zu einer gründlichen Umgestaltung der Verhältnisse.

Von der eingreifenden, die Folgen früherer schlechter Wirtschaft energisch bekämpfenden Art dieses Fürsten war schon die Rede. Sie zeigt sich auch hier. Zwar gelang es ihm nicht, die Vogtei zu erwerben, wie damals mancherorts in Deutschland durch die Bischöfe geschah. Wohl aber minderte er ihre Macht. Er nahm sie den Grafen von Tierstein und gab sie in die Hand eines seiner Ministerialen.

Diese Beseitigung der mächtigen Barone konnte nicht wohl durch den Bischof allein geschehen. Er bedurfte der Zustimmung des Königs. Wir gehen nicht irre, wenn wir an einen Zusammenhang mit dem schon geschilderten Einschreiten gegen den Rat der Stadt denken. Hier wie dort galt es die Stärkung der gefährdeten bischöflichen Macht.

So ist zu vermuten, daß auch die Abmachung mit dem König über die Vogteisache in das Jahr 1218 fiel. Der Bischof erhielt von Friedrich den Consens zur Übertragung der Vogtei an einen Dienstmann, und im Anschlusse hieran wurde die Verteilung der Gerichtsbußen sowie des Gewerfes neu geregelt. Bei jenen scheint die bisherige Teilung zu 2/3 und 1/3 durch eine Halbteilung zwischen Bischof und Vogt ersetzt worden zu sein; beim Gewerf trat die Neuerung ein, daß es nicht mehr in der alten Weise zu 1/3 und 2/3 zwischen Vogt und Bischof, sondern zu gleichen Teilen zwischen König und Bischof geteilt werden sollte. Daß Friedrich den Steueranteil des Vogtes an sich ziehen und ihn überdies auf die Hälfte des Ganzen erhöhen konnte, war nicht nur eine Gegenleistung des Bischofs für das Entgegenkommen des Königs in der Stadt- und in der Vogteisache, sondern entsprach auch der Änderung in der Stellung des Vogtes; der Letztere wurde für den Ausfall entschädigt durch die Erhöhung seines Bußenanteils; der Bischof verlor Geld, aber gewann unmittelbaren Einfluß auf die Vogtei.

Die Absichten, denen der Bischof bei diesem Verfahren diente, zeigen sich auch sonst. Schon im Jahre 1213 hatte Lütold die Vogtei Metzerlen an sich gezogen; jetzt führte Heinrich den stärkeren Schlag, indem er dem Grafen Werner von Honberg, dem Letzten dieses Geschlechtes, der nach dem Verlust der Stadtvogtei noch immer erbsweise, von der Verleihung [47] Bischof Burchards her, Vogt von St. Alban war und als solcher die Gerichtsbarkeit beanspruchte, diese auf Klage des Priors im Jahre 1221 absprach.

Von da an finden wir Ministerialen des Basler Hochstifts im Besitze der Stadtvogtei, aus den Geschlechtern Kraft, von Straßburg, Schaler, Reich, Münch, von Eptingen, Vitztum.

Noch ist Wesen und Inhalt des Amtes zu bezeichnen. Zeugnisse hierüber sind der Schied Heinrichs von Horburg und das Bischofsrecht Heinrichs von Neuenburg.

Twinch und alle gerichte sint des bischoffes und der die si von im hant. Der Vogt ist Beamter des Bischofs, nicht Reichsvogt, wenn er auch unter Königsbann dingt. Er präsidiert an Stelle des Königs, wird aber durch den Bischof bestellt.

In die Kompetenz des Vogtsgerichtes fallen die Immobiliarprozesse. Vor allem aber die hohe Gerichtsbarkeit, das Richten über tiubde und vrevel, furtum et temeritas. Nur für die kleinen Übertretungen ist der Schulheiß zuständig. Und zwar kann auch der Bischof das Gericht präsidieren; die Zeit gestattete dies jetzt auch einem geistlichen Herrn. Alle Sachen, die der Vogt richtet, kann auch der Bischof richten; doch wenn es an die blutige Hand des Henkers geht, entfernt sich der Bischof und heißt den Vogt richten; denn nur dieser hat den Königsbann.

Von den Bußen kommen nach altem Recht dem Vogt 1/3, dem Bischof 2/3 zu. Doch scheint durch das Abkommen Heinrichs von Thun mit König Friedrich auch hier wie beim Gewerf Halbteilung eingeführt worden zu sein.

Der Ort des Vogtsgerichtes lag wahrscheinlich außerhalb des bischöflichen castrum, unten neben der freien Königsstraße. Der „heiße Stein“ auf dem Marktplatz darf vielleicht als die beim Gerichtsplatz gelegene ursprüngliche Stätte der Exekutionen gelten.


Auf diese Vogtei nun griff Rudolf von Habsburg. Es sollte gezeigt werden, daß Basel unmittelbar ans Reich gehöre; in solcher Absicht schuf der König eine Reichsvogtei zu Basel; er nahm die Wahl des obersten Richters aus den Händen des Bischofs und machte sie zu einer Sache des Reiches. Er verfuhr in Basel, wie er in Chur und in Augsburg verfuhr. Wie die dortigen Vogteien durch ihn zu Reichsvogteien gemacht wurden, so tritt jetzt in Basel an die Stelle der Herren aus dem Stadtadel ein Reichsbeamter. Dies war der Aargauer Hartmann von Baldegg, ein in den Geschäften König Rudolfs vielbewährter Mann, durch machtvolle Größe [48] der Gestalt ausgezeichnet. Neben der Basler Vogtei trug er die Ämter eines Rheinfelder Burggrafen und eines Pflegers des gesamten habsburgischen Hausgutes in den obern Landen, später auch eines Landvogtes in Burgund.

Für die Stadt war diese Veränderung deswegen von Belang, weil damit ein wichtiger Teil des öffentlichen Rechtes der direkten Einwirkung des Bischofs entzogen wurde; die Bürger schwuren von nun an der Vogtei wegen dem Könige. Andrerseits waren aber auch Gefahren für sie damit verbunden; denn das Reichsoberhaupt konnte frei über die Rechtsame verfügen, und die Stadt hatte ihm gegenüber weniger Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Interessen, als dem Bischof gegenüber. In der Tat ist im vierzehnten Jahrhundert die Vogtei vom Kaiser dem größten Feinde der Stadt übergeben worden.

Vorerst aber bedeutete Rudolfs Vorgehen eine willkommene Bezeugung der Reichszugehörigkeit. Durch diese Maßregel und im Anschluß an sie durch das ganze Walten Rudolfs gewann Basel den Charakter einer Stadt des Reiches.

Tätig nahm sie nun Teil an den allgemeinen Angelegenheiten. Im Juni 1278 sandte sie ihre Vertreter nach Hagenau, mit Fürsten und Städten des Rheingebietes sich zur Wahrung des Friedens zu verbinden; im September 1281 hatte sie dem König, der von Konstanz herangezogen kam und sich überall durch Edle und Bürger den Landfrieden beschwören ließ, diesen Schwur zu tun. Reichsdienste leistend finden wir ihre Bürger vor allem auf dem Zuge König Rudolfs gegen Ottokar von Böhmen 1278, wo sich am großen Schlachttage von Dürnkrut nicht nur Bischof Heinrich und der Ritter Rudolf zu Rhein, sondern auch Vivian und Heinrich Schörlin von Basel auszeichneten.

Auch in den Kämpfen der Bischöfe Heinrich und Peter mit dem Grafen von Mömpelgard, seit 1283, an denen König Rudolf von Reiches wegen sich beteiligte, erwies die Basler Bürgerschaft ihre Kriegstüchtigkeit; als bei einem dieser Treffen, 1287, Graf Egen von Freiburg mit seinen dem Bischof zugeführten Hilfstruppen vom Schlachtfelde floh, hielten die Basler vom Fliehen nichts wissend und dem guten Ruf ihrer Tapferkeit getreu dem Feinde Stand und büßten nach heißem Streit zahlreiche Tote und Gefangene ein. Die Kämpfe dauerten fort und erweiterten sich zu einem großen Reichskriege gegen den Pfalzgrafen Otto von Burgund. Im Juli 1289 sammelte sich Rudolfs gewaltiges Heer in Basel; es zählte über 2000 schwergerüstete Reiter mit verdeckten Rossen, etwa 4—5000 leichte [49] Reiter und berittene Bogenschützen, zahlreiches Fußvolk und Troß. Durch die Grafschaft Pfirt zog diese Heeresmacht vor Besançon; aber hier entschied rasch ein Handstreich der unter Rudolf dienenden Schwyzer den ganzen Krieg zu Gunsten des Königs. Friedensunterhandlungen wurden eingeleitet; als Rudolf nach Basel zurückgekehrt war und hier Hof hielt, erschienen Pfalzgraf Otto und die andern Reichsvasallen von Burgund und leisteten am 20. September feierliche Huldigung.

Dies war Rudolfs letztes bedeutendes Walten in den obern Landen. Noch einmal, in seinem Todesjahre, kam er herauf und feierte in Basel Ostern. Die junge Königin Elisabeth, die er vor wenigen Jahren gefreit, führte er nach Rheinfelden, wo sie auf dem Schloß im Rheine Wohnung nahm; dort wurden auch die Kleinodien des Reiches verwahrt. Er selbst zog nach Norden. Am 15. Juli 1291 starb er zu Speyer und ward im Dome bestattet. [50] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Zweites Kapitel.
Das Stadtbild.




Basels Bedeutung als Stadt im Reich und als Haupt der oberrheinischen Ebene war zur Zeit Rudolfs eine viel größere als schon fünfzig Jahre später. Noch hefteten sich an den Rhein und an die mächtigen Fürsten und Städte seines Gebietes die hauptsächlichen Interessen Deutschlands. Hier brauste der große Strom des öffentlichen Lebens, hier war die politische Macht, die geistige Blüte, die materielle Wohlfahrt.

An alledem nahm Basel vollen Anteil. Zu seinen Füßen lagen Sundgau und Breisgau, lag „das lange weite herrliche Rheintal“; es war das Tor, durch welches die Täler Helvetiens in diese Ebene mündeten, und das, wichtiger noch, die vom Rhein über das Gebirge nach Italien führenden Straßen beherrschte. „Dar nach bi des Rines vluot lit ein veste unmazen guot, Basel diu vil werde, daz niender uf der erde endarf bezzer veste siw u. s. w.“ singt ein ritterlicher Dichter des dreizehnten Jahrhunderts; der Abt des fernen Victring feiert Basel als die „berühmte und edle Stadt des Rheines“.

Das mächtigste Element im Stadtbilde war und ist dieser Rhein. Doch gehörte er zur Stadt eigentlich erst, seit er die Brücke trug. Noch lebten Menschen, die sich an eine Zeit erinnerten, da von Konstanz abwärts keine solche über den Strom ging. Wiederholt, 1268, 1274, 1275, in gewaltigen Hochwassern, trat der Rhein in der Stadt über seine Ufer und zerriß die Brücke.

Schon frühe finden wir auch die reiche Bewässerung, die dem Orte Basel von beiden Seiten des Rheines in Birsig, Birs und Wiese zuströmt, der Stadt dienstbar gemacht. Aus den breit gelagerten, in zahlreiche Rinnen und Arme geteilten Flüssen wurden einzelne Wasserläufe gefaßt und geleitet, um als Gewerbskanäle die Kraft des Wassers zur Stadt zu führen. Dies ist bei Birs und Wiese schon sehr frühe nachweisbar; der „obere“ oder „kleinere“ Birsig, später Rümelinbach geheißen, wird in den Urkunden allerdings erst seit 1279 ausdrücklich genannt; aber schon geraume Zeit [51] vorher ist von einer Wasserleitung und ist von der Walkmühle beim Eseltürlein die Rede, die von diesem Bache getrieben wurde. Alle diese Kanäle, auch der letztgenannte des Birsigs, trugen schon im dreizehnten Jahrhundert den Namen „tich“.

Zu erinnern ist auch an die Funktion des Birsigs als Grenzfluß. Er hat höchst wahrscheinlich die Stadt Bischof Burchards begrenzt, später schied er die Kirchgemeinden. Mehrere Brücken überspannen ihn: beim Barfüßerkloster, bei der weißen Gasse der Snürlinssteg, beim Hause zum Rüden der Menlisteg, beim Kornmarkt und beim Fischmarkt. Auch er gibt wiederholt durch Hochwasser zu schaffen, 1265 unter schwerer Beschädigung des Steinenklosters.

Birs und Wiese sind Grenzen der Stadtbänne, die Birs auch die uralte Grenze des Sundgaus. Zuerst 1103 wird die Brücke genannt, die zwischen Muttenz und Basel die große Straße über dies Wasser führte. Noch um das Jahr 1260 findet sie Erwähnung; dann scheint sie in Abgang gekommen zu sein und wurde durch eine Fähre ersetzt. In den 1290er Jahren aber baute die Stadt Basel die Brücke aufs neue, durch Zahlung einer Geldsumme an den Grafen von Honberg dessen Einwilligung erkaufend. Von einem Steg über die Wiese wird 1283 Erwähnung getan; außer ihm bestand weiter unterhalb, bei Kleinhüningen, eine Fähre, die mit dem Dorf den Herren von Tegerfelden zustand, im Jahre 1273 aber durch Vergabung einer Witwe aus diesem Hause zur Hälfte, samt dem halben Dorfe, an das Kloster Klingental kam.


Wer nun von außen dieser Stadt sich näherte, dem wuchs sie aus dem grünen Gelände entgegen, scharf von diesem gesondert und mit all ihrem Leben eingespannt durch einen Gürtel von Mauern. Mauern stiegen dann auch im Innern der Stadt da und dort in langen Linien auf.

Die Geschichte dieser Mauerzüge ist die Geschichte des Wachstums der Stadt. Der früheste Mauerbau außerhalb des alten Kastells war die Mauer des elften Jahrhunderts, aufgeführt durch Bischof Burchard. Sie wurde schon erwähnt. Sie zog sich dem Birsig nach; ihre Richtung vom Birsig zum Rheine zeigt höchst wahrscheinlich heute die Bäumleingasse.

Diese älteste Stadt Basel, die sich als schmaler, langgezogener Streifen um den Burghügel legte, vielleicht auch längs dem Rheine sich noch eine Strecke weit von der Birsigmündung gegen das Elsaß bergan zog, hat schon früh Erweiterungen erhalten. Die Lokalitäten „grüner Pfahl“ und [52] „schwarzer Pfahl“ und die zwischen ihnen nachweisbaren Türme scheinen auf einen Stadtabschluß zu weisen. Hiemit stimmt, daß für den Eptingerhofzins in der St. Johannsvorstadt noch später nicht der Schwibogen, sondern der „schwarze Pfahl“ Ausgangs- und Grenzpunkt war.

Deutlicher erkennbar ist uns eine noch weiter gehende Vergrößerung, die gleichfalls dem zwölften Jahrhundert angehört. Die Stadtgrenze wurde den Abhang hinan auf die Kante des Plateaus geschoben und wohl im Anschlusse hieran vom Leonhardshügel und Birsig in der Linie der heutigen Straßen Steinenberg und St. Albangraben zum Rheine gezogen. Kunostor, Eschemertor, Eseltürlein, Spalentor, Kreuztor schirmten die Ausgänge aus diesem Mauerring; das Wassertor deckte den Birsigeinfluß.

Diese mächtigen Leistungen von Stadterweiterung und Mauerbau zu denen die Geschichte anderer Städte im zwölften Jahrhundert Analogien bietet, sind die deutlichsten Beweise für die Entwicklung Basels in diesem Zeitraume.

So stellt die heute den Namen „Gräben“ tragende Ringlinie den Umkreis Basels im Jahre 1200 dar. Dies war die Stadt Heinrichs von Thun, der Hohenstaufenkämpfe, Heinrichs von Neuenburg. Indem sie äußerlich zur Ausfüllung dieses Kreises gewachsen war, hatte zugleich ihr Wesen eine Ausbildung erlangt, die man Volljährigkeit nennen könnte. Fertige Zustände, bestimmte Rechte und Geltungen waren vorhanden und schlossen sich an diese Umgrenzung. Daß der Martinszins nur innerhalb des Mauerrings, — und auch hier nicht durchweg, — erhoben wurde, daß die außerhalb wohnenden Bäcker anderes Recht hatten, sind nur vereinzelte, aber bedeutsame Zeugnisse. Diese Stadt trug den Namen Burg, der Bezirk, den sie deckte, hieß Burgbann, ihr Graben Burggraben. Die in ihr als Berechtigte wohnten, waren Bürger.


Der Zustand innerhalb dieser Stadt darf nicht als ein völlig geschlossener gedacht werden. Es fanden sich noch durchweg offene Gebiete, unüberbaute Hofstätten. Allmendstücke werden erwähnt am Burghügel, und von dem großen alten Allmendkomplex des Leonhardshügels und Birsigtales lag noch ein gutes Stück beim Birsig unverwendet.

In den bebauten Teilen ist nun eine Topographie der Stände wahrzunehmen, die als Zeugnis der Besiedelung und des Wachstums gelten kann. Hier ist darüber nur das Hauptsächliche zu sagen; bei Erwähnung der Einwohnerklassen werden diese Zustände nochmals zu berühren sein.

[53] Vorerst erweist sich der Burghügel als der Ort der Domgeistlichkeit und der Ministerialität.

Am untersten Birsiglaufe sodann liegt der Kern der Altstadt. Die Namen von Straßen und Häusern, sowie zahlreiche Urkunden zeigen, daß hier in ältester Zeit die Handels- und Gewerbsleute saßen und neben ihnen auch die frühesten Handwerker, während später hier und an dem gegen St. Peter sich hinaufziehenden Berghang vorzugsweise die reichen Geschlechter und Ratsfamilien, die Kaufleute und die Krämer ihren Sitz hatten.

Ein neuer Stadtteil hat seine Hauptstraße in der Gerbergasse. Hier, wie auch an der Hutgasse, begegnet uns eine handwerkliche Bevölkerung. Die Richtung dieser Straßen, ferner die Gleichheit im Maß ihrer Hofstätten — welche Gleichheit in der Fischmarktgegend sich nicht findet, — weist auf künstliche planmäßige Anlage. Hier sind die Handwerkerquartiere, die im zwölften Jahrhundert geschaffen wurden.

Der dritte Bezirk ist die Freiestraße. Seine Bewohner sind vorwiegend Handelsleute und Patrizier. Aber es sind Geschlechter einer spätern Schicht. Es finden sich auch Reste gleichmäßiger Aufteilung des Bodens. Der Umstand endlich, daß tief hinab die Straße noch lange nicht Freiestraße genannt wird, sondern den auf Mangel von Bebauung weisenden Namen „an den Schwellen“ (Schwellung des Gewerbswassers Birsig) trägt, führt gleichfalls dazu, die Besiedelung wenigstens der obern Teile dieser Straße nicht als eine frühe anzusehen.


Der Zustand des um die Stadt sich ziehenden Geländes in alter Zeit wurde geschildert. Ein großer Teil jener Wildnis war seitdem urbar gemacht worden. Vor allem bei St. Leonhard, wo an der Stelle des alten Waldes sich nun ein vielzerteiltes Reben- und Gartengebiet hinzog; aber der Name dieser Gegend „zu Kohlenhäusern“ deutet auf den alten Zustand und die Art seiner Beseitigung. Auch bei St. Alban war der Wald, den Bischof Burchard dem Kloster geschenkt hatte, zum Teil schon gerodet worden. Offene Wiesenflächen dehnten sich, durch die der blanke Wasserstreifen des Teiches ging. Und den Fortgang solcher Lichtungsarbeit bezeugt 1258 der Name des novator von St. Alban, des Roders, genannt Bischof. Aber noch immer stand Wald in Menge; noch in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts bedeckte er einen großen Teil der Gegend zwischen der Birs, der St. Albanvorstadt und der vom Eschemertor nach St. Jakob führenden Straße. Er hieß Hard, hardaicum, und war in Parzellen geteilt, die das Kloster gegen Zins auslieh. Aber dieser [54] Forst diente auch zum Versteck von Gesindel; Mordtaten wurden hier begangen, so daß die Mönche gezwungen waren, den Wald zu beseitigen. Es geschah dies um das Jahr 1300.

Im übrigen war der Bann der Stadt als Kulturland benützt. Auen (uffen Owe, Sturgow), Gebreite, Aecker, Sandgruben sind Bezeichnungen aus diesem Gebiete; namentlich aber begegnen uns Rebgärten in Menge. Der Weinbau um die Stadt war schon damals ein ausgedehnter; die Bestimmungen des Bischofsrechtes über den Fuhrwein veranschaulichen die starke Produktion von Eigengewächs durch Domherren, Ritter und Bürger.

Allmälich aber begann auch dieses Land städtisch zu werden. Den ersten Anstoß hiezu gaben klösterliche Niederlassungen.

Vor allem natürlich St. Alban. Das Kloster selbst, seine Land- und Waldwirtschaft, die Mühlen, die Fischer, alles führte zur Bildung eines Komplexes von Wohnungen. Es war ein aus der wilden Fläche ausgeschiedener Bezirk, der mit der Zeit wuchs und zur geschlossenen Vorstadt wurde. Das Tor, das gegen Basel in der Mauer dieses Bezirkes stand, trug den Namen Fridentor, wohl in Bezug auf den Frieden, die Freiheit des Klosterbodens.

Gleich St. Alban eine Enklave im freien Feld, auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt, war die Ansiedelung der Johanniter. Im Jahre 1206 treffen wir sie zuerst; sie war kleiner und in jedem Betracht unbedeutender als St. Alban. Aber auch bei ihr finden wir eine ringsum schließende Mauer und ein der Stadt zugekehrtes Tor.

Eine eigentliche Vorstadt, mit unmittelbarem Anschluß an die Stadt bildete sich zuerst gegen Westen, an der verkehrsreichen Straße, die durch das Tor Spalen ins Elsaß führte. An diesem Punkte ist die stärkste Extension Basels bemerkbar. Nicht umsonst wählten die Barfüßer dort die Stätte ihrer Ansiedelung; schon bei der Grenzscheidung von 1230 ist von Häusern die Rede, die vor dem Tor an der Straße stehen; kein Vorstadtgebiet begegnet so häufig wie dieses in den Urkunden des dreizehnten Jahrhunderts mit Käufen und Leihen. Der Gang der Besiedelung war sichtlich ein reger, und die von den St. Albaner Mönchen als eine Tat launischer Willkür beklagte Verlegung des Galgens vom Lisbühl nach ihrem äußern Territorium erklärt sich eher daraus, daß die Gebiete vor Spalen immer mehr für Wohnungen in Anspruch genommen wurden. Hier zuerst wird uns denn auch die Nachricht von Einbeziehung der Vorstadt in den städtischen Mauerring; die Vorstadt heißt burgum; seit dem Jahre 1290 sind die sie umschließende Mauer und in dieser mehrere Tore nachzuweisen.

[55] Bei den übrigen Vorstädten fehlen bestimmte Nachrichten. Hinsichtlich der Gegend zwischen Spalenvorstadt und Rhein kann allerdings vermutet werden, daß sie gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts mit einer Mauer umgeben wurde, die von der Spalenvorstadt sich zu dem innern Tore des Johanniterbifangs und zum Rheine zog. Diese Mauer schirmte dann auch den „Platz“, den alten Garten des Petersstifts, den die Chorherren 1277 mit Bäumen hatten bepflanzen lassen und der damals der einzige große Platz der Stadt neben dem Platze auf Burg war.

Wann die Ummauerung der Vorstadt vor Eschemertor und die Verbindung der St. Albanvorstadt mit der Stadt stattgefunden haben, ist mit voller Sicherheit nicht zu sagen; die frühesten Angaben hierüber gehören dem vierzehnten Jahrhundert an.

Am spätesten jedenfalls haben die Gegenden zu Steinen und auf dem Kohlenberg Ringmauern erhalten. Ihre Besiedelung war lange Zeit eine sehr schwache; noch der Stadtfrieden König Rudolfs von 1286 stellt sie ausdrücklich nicht in die Linie der Vorstädte.


Von dem Aussehen Basels im Einzelnen kann hier nichts mitgeteiltwerden. Aber die Tatsache, daß die Urkunden es jeweilen zu betonen lieben, wenn das Haus, von dem sie handeln, ein gemauertes, ein steinernes ist, ebenso die Erwähnung eines Ziegeldaches als einer Seltenheit, das Vorkommen von Geschlechtsnamen zum Steinhaus, zum Steinkeller u. dgl. m. verraten eine allgemeine dürftige Bauart. Die Stadt mar in der Hauptsache eine Holzstadt. Ueberdies war sie enge gebaut, ohne Fürsorge und Polizei, und dabei wurden Backen, Hanfrösten u. dgl. feuergefährliche Arbeiten allenthalben in den Häusern ausgeführt. Die Folge solcher Zustände waren furchtbare Brandverheerungen; gemeldet werden solche aus dem Jahre 1258, da mit einem großen Teile der Stadt das Predigerkloster unterging, und aus dem Jahre 1294, da am 13. September über sechshundert Häuser zerstört wurden. Von diesem Brande ist auch die schaurige Einzelheit überliefert, daß im Hause zum Richtbrunnen an der Gerbergasse, das dem Goldschmied Rudolf von Rheinfelden gehörte, zwanzig Menschen zugleich in den Flammen umkamen, unter ihnen der Kleriker Johann von Liestal und der Schulmeister des Domstifts, Thomas. Am 23. August 1298 verbrannte das Kloster der Barfüßer.

Nur einige charakteristische Punkte des Stadtbildes fallen uns ins Auge.

Dies sind vor allem die Gotteshäuser, stark gebaut, breit gelagert, aus der weiten Dächermenge da und dort aufsteigend in schlanken raschen [56] Linien, bis zur Kathedrale, die als stolze Burg des Herrn die Stadt und den Strom beherrscht.

Sodann die zahlreichen Profantürme. Sie stehen an Straßenkreuzungen oder in den Mauerzügen älterer Befestigungen, inmitten der Holzstadt als Steingefüge um so mächtiger wirkend, mit ihrer trotzigen Wucht die Gassen verdunkelnd. Das sind die Wicburgen, von denen im zwölften Jahrhundert die Rede ist, sind die „guten Häuser mit den wenigen und kümmerlichen Fensterlein, des Lichts entbehrend“, die ein Kosmograph der rudolfinischen Zeit spottend als Denkmale der frühern, rauhen und bedürfnislosen Zeit aufführt. Lallos Turm, mehrere rote Türme, der Turm Schalon, Krafts Turm, Schlegels Turm, Marschalks Turm, der Turm Löwenberg und manch andere gehören in diese Reihe. Es sind Wohnungen edler Ministerialen, Geschlechtertürme von der Art jener, die noch heute dem Bilde mancher italienischen Stadt unvergleichlichen Reiz geben. Aber das Verbot der Wicburgen 1180 machte dem Entstehen solcher Wohntürme ein Ende; das Wachstum des städtischen Wesens, dazu die Ausbildung feinerer Lebensart ließen auch die alten Türme langsam verschwinden. Sie wurden, wenn nicht beseitigt, doch der Zeit angepaßt, in moderne Häuser umgebaut. Aber noch lange hielten Haus- und Geschlechtsnamen die Erinnerung an dies eigenartige Wesen fest. [57] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Drittes Kapitel.
Der Bischof, das Reich, die Stadt.




Stadtherr war der Bischof, ein Fürst des Reichs; in seiner Hand vereinigten sich kirchliches und weltliches Regiment.

Seine Residenz stand auf dem Burghügel, bei der Kathedrale des Bistums. Trotz Münster und Kapellen und Domstift war hier oben das geistliche Element keineswegs so vorherrschend, wie man im Gedanken an spätere Zustände anzunehmen versucht ist. Regierung, Gutsverwaltung, Hofhaltung des Bischofs waren auf Burg vereinigt; am Platze vor dem Münster und in den rings ansteigenden und anstoßenden Gassen wohnten zahlreiche Herren und Edle. Neben dem Dienste Gottes und ihn oft laut übertönend bewegte sich ein reiches weltliches Leben.

Zum Verständnis solchen Lebens haben wir vorerst uns klar zumachen, daß nicht nur Geschäfte der Herrschaft und der Politik in Betracht kamen, sondern auch ein wirtschaftlicher Betrieb. Der Bischof war in Basel auch Grundherr.

Grenzen und Bestand dieses Gebietes kennen wir freilich nicht. Es umfaßte aber keinesfalls die ganze Stadt. Um so ausgedehnter scheint die bischöfliche Grundherrschaft vor den Mauern gewesen zu sein. Die großen Schenkungen der Bischöfe Burchard, Rudolf und Adelbero an die Klöster St. Alban und St. Leonhard deuten hierauf, ebenso der spätere große Grundbesitz und das Meiertum der Dompropstei. Namentlich aber ist an die umfassenden Pertinenzen der bischöflichen Ämter zu erinnern, die sich nachweisen lassen. Der Heuerbezirk der Amtleute, sowie der Schürhof bei St. Peter lagen außerhalb der frühesten Ummauerung, außerhalb der jetzigen Mauern sodann die folgenden: Zum Marschalkenamt gehören große Teile des Areals in der Vorstadt zu Kreuz und vor dem St. Johanntor; Güter ebendort auch zu dem mit dem Marschalk zusammenhängenden Schmiedamt. Güter vor Spalentor beim steinernen Kreuz stehen 1257 den bischöflichen Amtleuten zu. Zum Muramt gehören Güter gegen Allschwil; zum Bulgenamt [58] Güter gegen Oberwil; zum Schenkenamt Güter bei Binningen und Bottmingen und das „Schenkenholz“, in welch letzterm auch der Schürhofverwaltung Land zugeteilt ist; zum Spisamt Äcker vor Spalentor, beim Holee, „in der obern Kuchi“ vor dem Äschentor, Hofstätten auf der Landseit der innern St. Albanvorstadt, endlich die in der Äschenvorstadt fälligen Bohnenzinse.

Neben dieser Grundherrschaft nun das Wichtigere, die Stadtherrschaft, deren Inhalt allerdings zum Teil auch auf der Einwirkung grundherrschaftlicher Begriffe beruhen mag. Aber was wir jetzt als solche Stadtherrschaft vor uns sehen, ist kaum der alte Bestand. Eine Reihe von Geschäften sind wohl schon von ihr abgelöst, die vor Zeiten dem Bischof zustanden. Als solche Geschäfte können gelten die Verfügung über die Allmend, Aufsicht auf Verkehrswege, Bauliches, Aufgebot zu Stadtbewachung und Auszug. Wir finden sie jetzt in Händen des städtischen Rates.

Heinrich von Neuenburg hat indessen für einige Dauer einen Stillstand bewirkt. Er schuf und hinterließ fertige Zustände, die bis auf weiteres genügen konnten. Aber daß er dies tat, daß er das Verhältnis zwischen Bischof und Stadt unter die Herrschaft eines neuen Gedankens stellte, geschah nur dem Bistum zu Liebe. Aus derselben Tendenz und demselben Herrschergefühl heraus erklärt sich auch die Codifikation des Bischofsrechts durch Heinrich. Er läßt nicht ein umfassendes Stadtrecht aufzeichnen. Er stellt auf dem Pergament einen Rechtsorganismus fest, der nur von der Herrlichkeit bischöflichen Regimentes weiß. In der größten Zeit des Bistums geschah so zum ersten Male eine Zusammenstellung seiner Herrschaftsrechte; aber sie geschah zugleich auch zum letzten Male, und vielleicht entsprach sie schon jetzt nicht mehr völlig der Wirklichkeit.

Aus diesem Bischofsrecht vor allem schöpfen wir unsere Kenntnis der bischöflichen Stadtherrschaft an der Schwelle der rudolfinischen Zeit.

Welche Rechte bildeten diese Herrschaft? Die Gerichtsbarkeit, das Bannrecht, die Münze, die Zölle, die Verwaltung des Marktes.

Zu der letzteren gehörte auch die Handhabung von Maß und Gewicht. Ebenso der Fuhrwein d. h. die Abgabe von dem Wein, der faßweise verkauft wurde. Der Bischof bezog diese Abgabe; von ihr befreit waren Domherren, Pfaffen, Ministerialen und Burger, die Eigengewächs auf den Markt brachten.

Eine Marktsteuer war auch die in den Bereich des Besenamtes gehörende; sie fiel dem Bischof von allen hier verkauften Holzwaren zu.

[59] Auch die Polizei über Lebensmittel und Waren war ein Teil des Marktrechtes.

Ein willkürliches Steuerrecht dagegen stand dem Bischof schwerlich zu. Sein Recht ging nicht weiter als zur Steuererhebung für das Reich, deren Ertrag freilich zum Teil ihm zufiel.

Eine Berechtigung eigener Art war sodann der Bannwein, kraft dessen in Basel vom Montag nach dem Kreuztag im Mai (3. Mai) an während sechs Wochen niemand Wein verkaufen durfte als derjenige, dem der Bischof dies erlaubte oder der den Wein vom Bischof hatte. Der Sinn dieser auf dem Bannrechte ruhenden Verfügung konnte nur der sein, daß der Bischof seine Regierungsgewalt dazu benützte, für die Produkte seiner Grundherrschaft während gewisser Zeit ein Absatzmonopol zu schaffen.

In ähnlicher Weise wird der Achtschnitter auf einem Zwange beruhen, den der Bischof in früherer Zeit der Gemeinde aufzulegen im stande gewesen. Die Art der Leistung selbst deutet auf hohes Alter. Es ist eine Ackerfrohn, ähnlich der fünftägigen, zu der die Straßburger Bürgerschaft ihrem Bischof verpflichtet war. Der Achtschnitter wird zur Ernte gestellt, zur Arbeit in der Achte, d. H. auf dem eingefriedigten Ackerlande des Bischofs. Die Pflicht hiezu liegt auf den Häusern der Burger; ihre Unterlassung hat die große Buße von drei Pfund zur Folge. Aber die Erwähnung des Achtschnitters im Bischofsrecht ist die einzige; er kommt dann nie mehr zur Sprache, scheint früh dahingefallen zu sein. Vielleicht weil die Achte abnahm; eher noch, weil die Bürgerschaft diese Last abschüttelte.

Neben dem Achtschnitter geht der Martinszins her. Während jener eine Last auf den Häusern der Burger ist, wird der Martinszins dem Bischof von allen Hofstätten entrichtet, jährlich auf Martini; die ganze vierzig Fuß weite Hofstatt zinst vier Pfennige, die halbe zwei. Wer den Zins nicht zahlt, hat drei Pfund zu büßen. Diese Buße tritt nicht ein bei den Zinsen von Hofstätten der Domherren, der Amtleute und der Gotteshausdienstleute; Hofstätten aber, die Domherren und ändern Pfaffen sowie Amtleuten gehören und von diesen selbst bewohnt werden, sind überhaupt vom Zinse befreit. Als ein Leihezins für die Hofstatt kann der Martinszins nicht betrachtet werden; er hat vielmehr die Bedeutung einer Abgabe für den vom Bischof gewährten Schutz.

Soviel ergibt sich aus den Sätzen des Bischofsrechtes. Aber eine wesentliche Ergänzung findet sich in spätern Zeugnissen, nämlich in einer um das Jahr 1500 angelegten Sammlung von Aufzeichnungen, Kundschaften, Urteilen über den Martinszins, die das alte Recht deutlich wiederspiegelt. [60] Danach umfaßt der Bezirk des Martinszinses keineswegs die ganze Stadt innerhalb der sog. alten Gräben; vielmehr liegen die Häuserblöckezwischen Spalenberg, Hutgasse, Gerbergasse und Heuberg, sowie zwischender obern Freienstratze und dem Birsig außerhalb des Martinszinsbezirkes. Der letztere scheint somit dem Basel der frühern bischöflichen Herrschaft zu entsprechen.

Laut Kundschaften und Urteilen sind vom Martinszins befreit das Domstift und das St. Petersstift, sowie die Kirchen St. Martin und St. Ulrich, ferner Bürgermeister, Vogt, Schultheiß, Amtleute u. s. w. , die Lehenmannen der Hohen Stift, „so die vier Erbämter haben“, Offizial und Notare des bischöflichen Hofes. Das sind die Pfaffen und Amtleute des Bischofsrechtes.

Wir erfahren aber noch Weiteres. Die außerhalb des Martinszinsgebietes, aber innerhalb der Stadtmauern gelegenen, vorhin genannten Stadtteile tragen ebenfalls einen Zins, und zwar ein auf St. Lorenzentag fälliges Heuergeld von sechs Pfennigen. Zur Erhebung dieses Gefälles berechtigt sind aber nicht die Martinszinsbeamten Vogt und Schultheiß, sondern der Freiamtmann und die drei andern Amtleute des weltlichen Gerichts sowie das „Richenampt“ d. h. das den Reich von Reichenstein zustehende Amt, in drei scharf abgegrenzten Bezirken. Zum Verständnis ist darauf zu verweisen, daß die vier Amtleute des weltlichen Gerichts in verschiedenen Beziehungen sich als Unterstufen der vier hochstiftischen Erbämter darstellen. Ein Zusammenhang und Parallelismus ist unverkennbar. Sonach dürften diese Heuergelder angesehen werden als ursprüngliche Gefälle der Erbämter, die auf den Gebieten beidseits des Birsigs konstituiert wurden zu einer Zeit, da diese Gebiete noch offen waren; sie würden ein Analogon bilden zu den Gefällen der Erbämter und anderer bischöflicher Ämter, denen wir außerhalb der Mauern begegnen.

Mit dem Heuer oder Schnitter von St. Leonhard, der zum Teil auf demselben Gebiet erhoben wurde, hat dieses Lorenzenheuergeld der Amtleute jedoch nichts zu tun. Beide Gefälle sind neben einander von denselben Liegenschaften erhoben worden.

Soviel von den Rechten. Wir fragen nunmehr nach den Organen, den Beamten.

Unter dem Vogt, von dem schon die Rede war, steht der Schultheiß. Aber er ist nicht Beamter des Vogts, sondern des Bischofs. Er hat sein Amt von diesem, der geneigt sein mochte, das Amt um so mehr sich entwickeln zu lassen, je weniger Einfluß er auf die Gewalt des Vogtes hatte.

[61] Die Funktionen des Schultheißen sind zwiefach: administrativ und richterlich.

Von seiner Tätigkeit ersterer Art nennt das Bischofsrecht die Teilnahme am Bezuge des Fuhrweins und die Kontrollierung der Münze. Eine Kontrolle übt er auch bei den Bäckern aus. Es ist dies nur Vereinzeltes. Wenn wir uns aber daran erinnern, was aus andern Städten über die Kompetenz von Schultheißen bekannt ist, so dürfen wir annehmen, daß auch in Basel seine Befugnisse über das Genannte beträchtlich hinausreichten. Wir dürfen ihn betrachten als Vertreter des Bischofs für das Marktwesen und für die Lebensmittelpolizei wie der Münzer wird auch der Zoller ihm untergeben gewesen sein. Und so für die ganze Verwaltung. Er erscheint als „das Organ des Stadtherrn für das Stadtregiment.“

Hiezu kam seine richterliche Tätigkeit. Auch diese galt nicht etwa nur dem bischöflichen Hofe. Der Bischof war Inhaber der öffentlichen Gerichtsgewalt in der Stadt; wie sein Vogt, so war sein Schultheiß im ganzen Stadtgerichtsbezirke zuständig. Er hatte die niedere Gerichtsbarkeit. Während der Vogt für Streit über Eigen und für Auflassungen zu Eigentum zuständig war, galt der Schultheiß als kompetent für Leihe und für Streit aus Leiheverhältnis; er richtete über Vergehen, die der kleinen Buße unterlagen. Das Gericht des Vogtes mochte das höhere sein; das des Schultheißen war das sozusagen täglich erforderliche, das nie entbehrliche und insofern das wichtigere. Der Schultheiß war im fernern der Beamte für Vollstreckung der Urteile. Und eine Besonderheit sodann war seine Teilnahme am Klostergericht zu St. Alban.

In solcher Weise gestaltete sich das Schultheißenamt reich und stark, und wir wundern uns nicht, Angehörige der stolzesten Ministerialengeschlechter als seine Träger zu finden: Flecke, Vorgassen, Münch, Schaler.

Beamte der Gerichtsbarkeit neben dem Schultheiß waren die Amtleute und der Stockwart.

Als Regierungs- und Verwaltungsbeamte begegnen uns ferner der Vitztum, der ursprünglich, wie sein Name zeigt, ein Hauptbeamter war, aber jetzt nur noch mit beschränkter Kompetenz auftritt, sodann der Münzmeister, der Zollmeister, die Salzmütter, die Steuerbeamten des Fuhrweins, des Besenamtes u. s. w., die Vorsteher von Handwerksämtern.


Neben dem Bischof hatte auch das Reich Rechte in Basel.

Wir haben uns klar zu machen, daß die bischöfliche Regierung den Zusammenhang der Bürgerschaft mit Kaiser und Reich niemals abgeschnitten [62] hat. Auch die direkte Berührung beider ist nie gelöst worden. Weder die Immunität noch die Verleihung der umfassenden Gerichtsbarkeit haben die Reichspflichten der Städter beseitigt; Königsdienst und Heerbann galten unverändert für sie.

Der Zusammenhang der Stadt mit dem Reiche offenbarte sich vorerst in der Vogtei. Es wird an das über sie Gesagte erinnert. Der Vogt, auch da er noch vom Bischof ernannt wurde, hatte seinen Bann vom König, saß vice regis zu Gericht. Rudolf vollends brachte den Reichsgedanken zur Geltung, indem er dem Bischof das Recht der Ernennung nahm und an sich zog.

Auch die Königspfalz in Basel wurde schon erwähnt. Ein deutlicher Hinweis auf sie, nicht nur auf gelegentliches Hoflager, ist das Recht des Zollholzes, wonach zweiundsiebzig Dörfer der Umgebung Basels zur Holzlieferung an den König verpflichtet waren. Sie genossen dafür Befreiung vom Basler Zoll; zwei bischöflichen Beamten lag der Transport dieses Holzes ob. Bis zum 23. Juni 1279 besaß das Reich diese Rechtsame; an diesem Tage ging sie durch Schenkung König Rudolfs an den Bischof von Basel über; die Dörfer sollten fortan nicht mehr dem König, sondern dem Bischof holzen, wogegen der Letztere gehalten war, bei Anwesenheit des Königs in Basel die Feuerung zu bestreiten.

Weiterhin die Reichssteuern. Die Stadt war dem König zu einer ordentlichen jährlichen Steuerleistung verpflichtet. Das war die exactio, auch precaria genannt, in der deutschen Rechtssprache Basels das Gewerf. Ihre Erhebung für das Reich geschah durch den Bischof. Aber der Steuerertrag, der schon im zwölften Jahrhundert von der Stadtgemeinde im Ganzen geleistet wurde, gelangte nicht ohne weiteres an die königliche Kammer, sondern wurde zwischen Bischof und Vogt geteilt. Jener behielt 2/3, dieser erhielt 1/3. Und da dieser wie jener als ein Verwalter königlicher Rechte zu gelten hatte, so lag hierin nichts Befremdliches. Noch in der Schiedsurkunde der 1180er Jahre erhielt dieses Verfahren seine ausdrückliche Bestätigung; aber schon dreißig Jahre später wurde es geändert durch das Abkommen des Bischofs mit Friedrich II., wonach dem Vogt sein Drittel genommen und Halbteilung zwischen König und Vogt eingeführt wurde. Angaben über die Höhe dieser Steuer in älterer Zeit besitzen wir nicht. Aber ein Verzeichnis von Geldstenern des Reichsgutes vom Jahre 1241 nennt als Steuer der Stadt Basel zweihundert Mark. Es ist dies einer der höchsten Beträge in der ganzen Steuerrolle — nur Frankfurt leistet mehr —, und es frägt sich, ob nicht in ihm der ganze [63] Steuerertrag zu erkennen sei. Als Hälfte wäre die Summe überraschend hoch, und die nicht aufgeklärten Beziehungen Bischof Heinrichs von Thun zu dem aufständischen Sohne König Friedrichs lassen wenigstens der Vermutung Raum, daß Friedrich nach des Bischofs Tode 1238 die gesamte Steuer ans Reich gezogen habe. Hiefür spricht auch die unmittelbar folgende Entwicklung. Denn nach dem Sturze der Hohenstaufen ging in der allgemeinen Auflösung, bei der insbesondere die Steuerrechte des Reiches empfindlich litten, auch das Gewerf zu Basel verloren, und dies konnte um so eher geschehen, wenn der Bischof keinen Teil daran hatte. Darum enthält das Handfesterecht schon für die Zeit Heinrichs von Neuenburg die deutliche Erklärung des Bischofs an die Bürger: wir tuont si alles gewerffes und aller stüre fri; und damit erklärt sich auch die ganz hypothetische Fassung im Bischofsrecht: wenne ouch daz were, daz man ze Basel gewerf gebe. Heinrich will hier, wo er alle Macht und Gewalt seines Amtes aufführt, die Steuer nicht unerwähnt lassen, aber er redet von ihr nur als von einer Möglichkeit. Wie sich dann die Verhältnisse unter König Rudolf gestalteten, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen. Die energische und methodische Steuerpolitik dieses Herrschers ist bekannt; mit ordentlichen und außerordentlichen Steuern hieß er die Städte dem Reiche dienen und schreckte auch vor weitgehenden Forderungen nicht zurück. Aber wie er sich in dieser Sache Basel gegenüber verhielt, geht aus den Zeugnissen der Zeit nicht hervor. Das Fehlen aller Nachrichten deutet aber vielleicht darauf, daß nach dem Untergange des Gewerfs im sog. Interregnum und der vom Bischof der Stadt gegebenen Zusage der König in der Tat „bei seinem Regierungsantritte nichts mehr vorfand, worauf er Ansprüche erheben konnte.“ Somit würde schon zur rudolfinischen Zeit in diesem Verhältnisse Basels als einer von der ordentlichen Reichssteuer freien Stadt der Ausgangspunkt liegen für seinen später anerkannten Charakter einer Freistadt.

Wir wenden uns von der ordentlichen Reichssteuer, dem Gewerf, precaria, zu den außerordentlichen Leistungen der Stadt von Reiches wegen. Verschiedene Anlässe kommen hiebei in Betracht: der Aufenthalt des Kaisers in Basel, eine allgemeine Heerfahrt, der Besuch des Hofes durch den Bischof. In allen diesen Fällen wird dem Bischof von Alters her durch seine Stadt Beihilfe geleistet. Sie entrichtet ihm eine Steuer, die Hof- und Heersteuer, und in dieser sind alle jene Zwecke zusammen berücksichtigt. Nicht die Stadt allein. Wie die Dörfer der Umgebung das Holz zu liefern haben für die Herde und Kamine der Reichspfalz, so werden bei Anwesenheit des königlichen [64] Hoflagers in Basel dem Bischof im Lande die „Königsschillinge“ gezahlt. Die Zahlung liegt dem Einzelnen ob; in der Stadt dagegen finden wir gegen Ende des zwölften Jahrhunderts ein von der Bürgerschaft bewilligtes beneficium. Es ist anzunehmen, daß dieses nicht eine ursprüngliche Einheit, sondern aus verschiedenen einzelnen Leistungen und Verpflichtungen zusammengeschmolzen sei, wobei an Ablösung von Heerdienst durch Steuerzahlung und an Lieferungen der einzelnen Handwerker für die kriegerische Ausrüstung, wie in Straßburg, gedacht werden kann.

Außer der Schiedsurkunde der 1180er Jahre, die von diesem beneficium redet, bestehen keine Zeugnisse über die Basler Hof- und Heersteuer. Hinsichtlich der Steuererhebung durch König Rudolf wird auf das Gesagte verwiesen. Eine Erinnerung an die alte Pflicht und die sie ersetzende Hof- und Heersteuer liegt aber vielleicht in der Verbindlichkeit der Freistadt Basel zur Teilnahme an der Romfahrt des Kaisers oder zur Zahlung eines Ersatzgeldes.


Diesen beiden großen Gewalten Bischof und Reich gegenüber steht nun die Stadt Basel und ihr Rat.

Vorerst sei rasch resümiert, was über die Entstehung des letztern schon gesagt wurde. Zunächst handelt es sich um ein aus kleinen Anfängen emporwachsendes Stadtwesen. Die Gemeinde schafft sich Vertretung in einem Rate, der Gemeinderat ist, nur städtische Administrativbehörde ist und als solche selbständig auftritt. Nichts mit ihm zu tun hat das Vogtsgericht; die beiden Behörden sind unabhängig voneinander, mögen aber zum Teil dieselben Männer zu Mitgliedern haben. Durch Heinrich von Thun wird die Institution des städtischen Rates bekämpft und unter bischöfliche Anerkennung gebracht, aber nicht beseitigt und nicht geändert. Eine eingreifende Reorganisation dagegen erfolgt im Jahre 1248, unter der Wirkung der großen Ereignisse der Zeit. Es scheint, daß Gemeinderat und Vogtsgericht zu einer einzigen Behörde zusammengestoßen werden. Die Geschäfte dieser Behörde sind nun sowohl richterlicher als administrativer Art. Ihr Vorsitzender ist der Vogt. Den Interessen der Bürgerschaft wird dabei Rechnung getragen durch die Bestimmung jährlichen Wechsels, womit größeren Kreisen der Zutritt zum Stadtregiment ermöglicht ist, und dadurch, daß die Wahl der Mitglieder, die bisher beim Vogtsgericht Sache des Bischofs oder des Vogts gewesen, diesem abgenommen und in die Hände der Behörde selbst (Cooptation? Wahlmännerverfahren?) gelegt wird.

[65] Der Zustand war nunmehr der, daß ein und dieselbe Behörde zwei Funktionen ausübte, die wir heute zu trennen gewohnt sind. Sie war Gericht und Rat. Aber eine scharfe Grenze dieser Gebiete wurde damals gar nicht als notwendige Forderung empfunden. Ohne Anstand konnte Peter Schaler Bürgermeister und Schultheiß zugleich sein.

In beiden Eigenschaften sehen wir den Rat — denn immer heißt er so — an der Arbeit.


Zuerst als Verwaltungsbehörde.

Auch in dieser Eigenschaft steht er Anfangs unter der Leitung des Vogtes. Der Vogt erscheint im stürmischen Jahre 1248 wiederholt als der Repräsentant der Stadt; hie und da handeln neben ihm die consules und rectores. Wir finden dies Verhältnis auch noch einige Jahre später. Aber dann tritt neben dem Vogt der Bürgermeister hervor, zuerst im Jahre 1253. Von da an erscheinen Vogt und Bürgermeister wiederholt neben einander, in Rechtssachen so gut wie bei administrativen Geschäften, jeweilen an der Spitze der consules, des Rates. Aber eine Trennung der Geschäfte und der Kompetenzen kündigt sich schon frühe an, indem hie und da in den Gerichtsurkunden nur der Vogt genannt wird, in den Urkunden die von reiner Administration handeln nur der Bürgermeister. Gegen Ende der 1260er Jahre scheint diese Ausscheidung Regel geworden zu sein. Der Vogt verschwindet aus der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit und wird auf die Gerichtstätigkeit beschränkt. Es ist eine Änderung, die nicht erst etwa in Folge der Umgestaltung der Vogtei durch König Rudolf eintritt; sie wird bewirkt durch das Wachstum des städtischen Wesens.

Der Bürgermeister ward aus dem Adel genommen. Aber Beachtung verdient, daß der erste Inhaber dieses Amtes keiner der vielgenannten Söhne aus den alten Basler Ritterhäusern war, sondern Heinrich Steinlin, ein zu Blotzheim begüterter Murbacher Ministerial, der sich erst in den letzten Jahrzehnten in Basel angesiedelt hatte. Er führte dasselbe Wappen wie die edeln Reich. Nach ihm hatten Angehörige der Geschlechter Schaler, Münch, Reich, von Straßburg, Marschalk, von Eptingen, Vitztum, ze Rin die Bürgermeisterwürde inne.

Über Größe und Zusammensetzung des Rates in dieser Zeit ist Zuverlässiges nicht zu sagen. Die Zeugnisse sind zu lückenhaft und zu selten. Nur soviel ergiebt sich, daß Ritter und Burger im Rate saßen und daß die Letztern die Mehrheit bildeten. Die Gesamtzahl scheint ziemlich [66] groß gewesen zu sein, wohl in Folge der Kombination von 1248, die mit dem Vogt wohl auch den Schultheiß und mit dem Vogtsgericht wohl auch die Beisitzer des niedern Gerichts in die Behörde gebracht hat. Eine Ratsurkunde von 1253 nennt 2 Ritter und 12 Bürger, eine solche von 1257 1 Edelherrn, 4 Ritter und 11 consules als Zeugen, eine Urkunde von 1258 8 Ritter (neben Vogt, Schultheiß und Bürgermeister) und 22 Bürger als Mitglieder des Rates.

Bischof Heinrich von Neuenburg scheint hier Wandel geschafft zu haben. Er reduzierte die Zahl der Ratsglieder. Vielleicht ist auch erst durch ihn das Kieser- oder Wahlmännerverfahren, wie es seitdem Regel war, ausgebildet worden. Was er vorfand und anerkannte und was er neu schuf, faßte er alles in der Handfeste zusammen. Mit dieser gab er dem Rate zu Basel eine Verfassung, die von da an mit wenigen Änderungen durch dritthalb Jahrhunderte gedauert hat.

Die Hauptbestimmungen sind folgende: Jährlich soll ein Bürgermeister und ein Rat gegeben werden. Der abtretende Rat wählt zwei Gotteshausdienstleute und vier Burger, diese sechs nehmen noch zwei Domherren zu sich, und alle acht Kieser wählen dann einen Rat; ferner wählen sie einen Bürgermeister, wobei aber der des abgelaufenen Jahres nicht wiederwählbar ist.

Die Handfeste nennt nur die Tatsache des jährlichen Wechsels; die aus den Urkunden zu gewinnenden Bürgermeisterlisten ergeben, daß wie später so schon damals in der Regel das Amtsjahr mit dem Sommer-Johannitag begann und endete.

Die Zusammensetzung des Rates wird in der Handfeste nicht angegeben; auch die Urkunden bieten nicht sicheren Aufschluß. Sie haben nicht Regeln zu bezeugen, sondern einzelne Handlungen. Sie zeigen das Leben. Hiebei erweist sich, daß wie überall so auch bei diesen Verhältnissen des Rates wir mit einer Elastizität der Zustände, einer Unbefangenheit und Souverainetät in Anwendung der Verfassungsformen zu rechnen haben, die von der methodischen Regelmäßigkeit späterer Zeit weit abliegt. Die Zeugenreihen der Ratsurkunden führen nicht immer nur den Rat auf, sondern je nach Bedarf und Umständen entweder den Rat überhaupt nicht, sondern andere Zeugen, oder neben Ratsherren auch Leute von der Gasse, oder sie nennen zwar nur Ratsherren, aber nicht alle, nur einen Teil des Ganzen, aber auch da wieder so wechselnd, daß der Gedanke an einen förmlichen Ausschuß fallen zu lassen ist. Und vielleicht lag das Unregelmäßige [67] gar nicht in der Verurkundung, sondern in der Sache selbst; man behandelte den Umfang des Rates als eine Sache, die sich nach den Verhältnissen zu richten hatte.

Durch alle diese Schwankungen hindurch läßt sich mit einiger Sicherheit nur soviel erkennen, daß seit der Handfeste meistens vier Ritter und acht Burger den Rat bildeten. Dieses Verhältnis wurde später die dauernde Norm.

Dies der Rat. Aber wir fragen, ob nicht neben ihm auch die Gemeinde ein Wort gehabt und Rechte geübt habe. Dies ist in der Tat der Fall gewesen. Bei Verfügungen über die Allmend 1250 und 1260, beim Verkauf des Weinungeldes 1255/1261, beim Bündnis mit Straßburg 1261 wie bei der Geleitszusage an diese Stadt 1269, handelte neben Bürgermeister und Rat jeweilen die univseritas civium, die Gesamtheit der Bürger, die Gemeinde. Ihre Zustimmung war bei solchen Geschäften erforderlich. Sie bestand aus der Bürgerschaft im weitern Sinne, aus der zweiten Gemeinde, die neben den Burgensen herangewachsen war und vor allem die Handwerker umfaßte; aber schon war sie nicht mehr eine formlose Gesamtheit. Schon die früheste der genannten Urkunden, die Allmendurkunde von 1250, zeigt die Gemeinde gegliedert in Gewerkschaften; sie tritt auf in einzelnen Gruppen von coartifices. Das sind die Zünfte, zum Teil schon fertig ausgebildet, zum Teil vielleicht noch auf einer Vorstufe stehend.

Diese Gliederung bildet sich dann aus zu einer organisierten Repräsentanz der Gemeinde. Das sind die Zunftmeister insgemein, ist das Zunftmeisterkolleg. Es scheint zunächst für Schlichtung von Streitigkeiten zwischen verschiedenen Zünften zuständig gewesen zu sein. Aber bei allgemein verbindlichen und wichtigen Vorgängen, gleich den oben genannten, tritt es neben dem ordentlichen Rate mithandelnd auf, so 1272 bei der Gutschrift für Bischof Heinrich, so 1289 beim Verkauf eines der Stadt gehörenden Hauses.

Während kurzer Zeit wurden diese Vertreter der Zünfte in den Rat selbst hineingezogen durch Heinrich von Neuenburg. Schon seine Handfeste scheint den Grundsatz ausgesprochen zu haben, daß die Kieser den Rat wählen sollten von Rittern und von Burgern und von den Handwerkern; und dem entspricht, daß in seiner Handfeste für Kleinbasel neben vier „rittern von dem rate“ und acht „dez rates von den burgern“, fünfzehn „dez rates von den zünften“ stehen.

[68] Aber schon Heinrichs Nachfolger unterließ dies. In seiner Kleinbasler Handfeste begegnen keine Zünftler als Ratsherren. Und von da an während eines halben Jahrhunderts blieb es beim Funktionieren des Zunftmeisterkollegs neben dem Rate, als eines eigenen Organes der Stadtverfassung.

Vorsteher dieser Zunftmeisterversammlung aber und somit oberster Meister aller Zünfte war der Oberstzunftmeister. Aus einer Mitteilung des Mathias von Neuenburg ergibt sich, daß er schon in den 1280er Jahren unter Peter Reich bestand; danach verfügte dieser Bischof, daß in jährlicher Abwechslung Einer vom Psittich und Einer vom Stern jeweilen das Bürgermeister- und das Oberstzunftmeisteramt bekleiden solle. Die früheste urkundliche Erwähnung des Amtes ist von 1305.

Die universitas, die Gemeinde, wird auch bei Beurkundung von Käufen u. dgl. neben dem Rate genannt. Doch wird dies schwerlich auf eine tatsächliche Mitwirkung bei solchen Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit deuten. Die Nennung geschah, um den öffentlichen Charakter und Wert derartiger Beurkundung möglichst voll darzustellen.

Aus demselben Grunde auch ist nicht von einem Ratssiegel die Rede, sondern seit Beginn von einem Stadtsiegel, einem Siegel der Bürger. Ein solches wird zuerst im Jahre 1225 erwähnt; das älteste erhaltene stammt aus dem Jahre 1256. Es ist aber unmöglich zu sagen, ob der bei diesem gebrauchte Stempel dem alten, 1225 verwendeten, gleich gewesen sei. Das Siegel zeigt das Bild einer Kirche, wohl das Münster. Sein letztes Vorkommen fällt ins Jahr 1262; seit 1265 begegnet ein neues Siegel, mit derselben Darstellung und Schrift, aber in wesentlich besserer Ausführung.

Ein eigenes Haus des Rates wird zum ersten Mal 1257 erwähnt, als domus communitatis, Gemeindehaus; dann wird es meist Richthaus (domus judicii, domus judicaria) genannt. Auch den Namen pretorium trägt es gelegentlich. In der Mitte zwischen der Altstadt und der neuen Handwerkerstadt war es gelegen, an der kurzen Gasse, die von der Freienstraße her über die Birsigbrücke zum Kornmarkt führte; es bildete hier die Ecke zur Sporengasse. Hinter ihm lag das Gesesse der Edeln vom Kornmarkt, ihm gegenüber am rechten Birsigufer der mächtige Geschlechterturm, an dessen Stelle 1259 das Haus zum Riesen gebaut wurde.

So lückenhaft die Ueberlieferung auch ist, bleibt doch die Frische und Lebenskraft des städtischen Wesens dieser Zeit uns nicht verborgen. Wir fühlen deutlich den mächtigen Willen, der sich regt; wir sehen ihn immer weitere Gebiete in seinen Bereich ziehen, immer neue Organe ausbilden.

[69] Der wichtigste Beamte war der Stadtschreiber. Man nahm ihn aus dem geistlichen Stande, wo juristische Bildung und vor allem die Kunst des Schreibens zu finden war. Als erster in der langen Reihe der Männer, die dieses Amt geführt haben, darf Rudolf der Kirchherr von Wenzweiler gelten, 1248, der sich in den Friedensunterhandlungen der Bürgerschaft mit der Kurie verdient machte. Sein Nachfolger war Burchard, Pfarrer zu Pratteln, 1250. Und dessen Nachfolger wiederum ein Burchard, der neben der Stadtschreiberei ein Kanonikat zu St. Peter besaß, dann Scholaster dieses Stifts war und bis 1284 nachzuweisen ist. Von seiner Kunst und Bedeutung als Notar wird noch zu reden sein.

Weiter sind zu nennen die Wachtmeister, Stadtdiener, Amtleute; sie erinnern sowohl an die gerichtlichen als an die administrativen Befugnisse des Rates.

Wichtig ist, was wir vom Bauwesen vernehmen. Es kommen öffentliche Gebäude in Betracht. Vor allem das Rathaus. Aber die Stadt besitzt auch noch andere Häuser, wie sie auch Aecker besitzt. Auch um die Straßen und Brücken handelt es sich — schon beim Rheinbrückenbau war die Stadt beteiligt gewesen —, um die Verwaltung der Allmend, vor allem aber um den Bau und Unterhalt der Stadtmauern. Der Rat hat das Recht, seine Bürger hiezu zwangsweise aufzubieten, und mit des Bischofs Willen kann er solchem Zwang auch die bischöflichen Beamten, sowie das Gesinde der Domherren, der Geistlichen und der Ministerialen unterwerfen. In allen diesen Richtungen hat die Stadt vorzusorgen und zu leisten, und wir gehen kaum irre, wenn wir ihre Erwerbung des Hornfelsens 1262 hiemit in Zusammenhang bringen; sie bedurfte des Berges zur Gewinnung von Baumaterial.

Auch eine Baupolizei macht sich schon geltend. Die starke Bautätigkeit dieser Jahrzehnte, außerdem aber die Entwickelung der Eigentums- und Zinsrechtsverhältnisse machten eine Behörde nötig, die im öffentlichen Interesse über die Art des Bauens wachte. Ungebührliches oder Gefährliches beseitigte. Das waren die Fünf, „die über die buwe ze Basel hant gesworen“; zum ersten Mal erwähnt werden sie in einer Urkunde von 1300. Etwas Verwandtes war die städtische Schatzungskommission, die einige Male bei Streitigkeiten über Eigentum und Zinsrecht erwähnt wird.

Einer anderen Richtung öffentlicher Fürsorge gehört die Schaffung eines kommunalen Spitals an, als Ergänzung der ältern durch Klöster besorgten Anstalten dieser Art. Auch diese Neuerung gehört den 1250er oder 1260er Jahren an; sie wird später noch zu erörtern sein.

[70] Von einem städtischen Vermögen vernehmen wir schon frühe; im Schied Bischof Heinrichs von Horburg 1185/1190 werden hundert Mark erwähnt, die der Rat zu fordern hat, wohl zufolge eines durch ihn gewährten Vorschusses. In ganz gleicher Weise äußert sich auch jetzt wieder, 1272, die städtische Finanzverwaltung durch ein Gutsprechen für den Bischof; die Gemeinde verschreibt ihrem Bürger Walther des Meiers, der dem Bischof eine Summe Geldes geliehen hatte, hiefür einen Jahresertrag der von ihr zu Händen des Bischofs, beim Kauf der Herrschaft Pfirt, bewilligten Steuer von zwei Mark wöchentlich.

Diese Steuer war eine außerordentliche, freiwillig zugesagte Abgabe der Stadt an den Bischof, schon durch ihren Namen „Stüre“ vom Gewerf, der ordentlichen Steuer, unterschieden, wie ja auch die Handfeste Steuer und Gewerf auseinander hält. Vom Gewerf und seiner Geschichte in Basel war schon die Rede. Hier ist nur darauf aufmerksam zu machen, daß der Rat der Stadt, indemd ie Aufbringung des Gewerfs, wie auch der Hof- und Heersteuer ihm übertragen war, auf diese Weise über die Einwohner ein Vesteuerungsrecht erlangte, das dann auch zu rein städtischen Zwecken nutzbar gemacht werden konnte. Wir dürfen kaum daran zweifeln, daß er dieses Recht schon im zwölften Jahrhundert übte; sein in der Schiedsurkunde genanntes Darleihen scheint solche Einnahmequellen vorauszusetzen. Auch bildete ja die Steuerpolitik des Rates den Ausgangspunkt für den Konflikt mit Bischof Heinrich von Thun, dessen Lösung durch König Friedrich 1218 oben geschildert wurde.

Die spätere Regelung des Steuerwesens findet sich im Bischofsrecht und in der Handfeste. Danach soll ohne des Bischofs Willen die Stadt kein Ungeld erheben und hinwiederum der Bischof weder Steuer noch Gewerf von der Stadt fordern gegen ihren Willen. Dies war die Theorie; in der Praxis aber erwies sich das Gewerf als dahingefallen und ließ sich nicht mehr beleben; der Bischof konnte es nur noch in ganz vereinzelten Fällen zu freiwilligen Leistungen der Stadt bringen, wie bei Anlaß des Kaufs der Pfirter Herrschaft; um so entschiedener war das Streben der Stadt, ihr Selbstbesteuerungsrecht, die Erhebung eines rein städtischen Ungeldes oder einer Verbrauchssteuer, zu handhaben; in der Tat wird ein städtisches Weinungeld schon zu Ende der 1250er Jahre bezeugt.

Aber der Rat durfte nicht auf die Erträgnisse solcher Steuern allein angewiesen sein. Sie waren der Natur der Sache nach stets schwankend; dazu konnten Hinderungen durch den Bischof kommen. Der Rat nahm [71] daher den öffentlichen Kredit in Anspruch und kontrahierte eine städtische Schuld. Daß er dies zu tun vermochte, ist ein Beweis für die Vermöglichkeit der Bürgerschaft; denn unter dieser vor allem hatte er seine Kreditoren zu suchen. Wir begegnen wiederholt Spuren dieser auf den Gütern der Stadt, vor allem dem Rathaus, fundierten Schuld; der Rat ging sie auf dem Wege des Rentenkaufs ein. Ihre Ergänzung waren Anlehen, die er gegen Gewährung von Leibrenten aufnahm.

Wie das Gewerf so ist auch der Kriegsdienst ursprünglich Reichspflicht der Stadt, und beiden gleichmäßig eigen die Wirkung auf die Selbständigkeit des Rates; aus der Veranstaltung des Aufgebotes erwächst ihm das Recht zu eigener Kriegführung.

Im Weistum von St. Alban, das kurz nach der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts aufgezeichnet wurde, ist gesagt, daß Bischof, Bürgermeister und Rat zu Krieg aufbieten. Aber schon einige Jahre vorher sehen wir die Stadt selbständig ins Feld ziehen, vor Landser 1246, und wiederum im Bischofsrechte ist die Befugnis des Rates anerkannt. Er darf aufbieten zum gewaffneten Auszug, zu Versehung der Wachten, zu Befestigung der Stadt, und diesem Zwange haben sich, sofern der Bischof einwilligt, auch seine und der Domherren Amtleute zu fügen, ebenso das Gesinde der Domherren, Münsterpfaffen und Ministerialen, soweit es nicht durch Dienst um die Person des Herrn befreit ist. Den Ministerialen selbst gegenüber hat der Rat kein Recht zum Aufgebot. In der durch Heinrich von Neuenburg gegebenen Verfassung und in seinen Kriegen bildete sich dann die militärische Stellung Basels vollends aus. Indem die Zünfte in die Wehrpflicht eintraten, die Gliederung des Heereskörpers darstellten und dies unter ihren Bannern kämpfend erhärteten, entstand eine baslerische Miliz, die mit dem alten Reichsaufgebot nichts mehr zu tun hatte, sondern der unmittelbare und stärkste Ausdruck des städtischen Wesens selbst war.

Als Obrigkeit ist der Rat auch Wahrer des Stadtfriedens. Diesen Begriff finden wir schon frühe. Es ist der höhere Friede, der die Stadt vor dem Lande auszeichnet, von ihrer Eigenschaft als Burg herrührt, ihr Burgfriede. Die Regelung dieses Stadtfriedens ist die Einung d. h. die Abrede, Uebereinkunft. Und zwar kann dabei gedacht werden an Vereinbarungen, die von Parteien unter sich getroffen und beschworen werden, um Ordnung und Frieden zu schaffen oder aufrecht zu erhalten. Eine Erinnerung an Einungen solcher Art ist der Satz der Handfeste, wonach die Bürger versprechen, nie mehr zu einander schwören und Sicherheit machen zu wollen. Es lag aber durchaus im Interesse des Rates und entsprach [72] seiner Bedeutung, daß er selbst dies Einungswesen in die Hand nahm, daß er selbst die Abreden zu Stande brachte, die in ihnen Eingeschlossenen verpflichtete, über die Handhabung des Friedens wachte, die Friedebrecher mit den festgesetzten Strafen traf. Zum Verständnis dieser Institution gehört, daß sie sich nicht richtet gegen Handlungen, die an sich schon strafwürdig sind und somit der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterstehen; sie richtet sich gegen die Selbsthilfe, die an sich straflos ist; sie will keinen Fehderechtszustand in der Stadt dulden. Sie ergänzt somit das ordentliche Strafrecht, schafft einen höhern Frieden für das Stadtgebiet.

Der ergänzende außerordentliche Charakter dieser Einungen kommt auch darin zum Ausdrucke, daß sie stets nur für eine gewisse beschränkte Zeitdauer gemacht werden. Sie beruhen auf tatsächlichen Voraussetzungen, die nicht dauernd dieselben sind.

So vernehmen wir auch in Basel schon im dreizehnten Jahrhundert von einer Mehrzahl solcher Einungen. König Rudolf bestimmte in dem Stadtfrieden, den er selbst hier zwischen den Parteien aufrichtete, im März 1286, daß alle vormals geschehenen Einungen stät und unzerbrochen weiterdauern sollen. Was er darüber hinaus festsetzte, hatte singulären Charakter, betraf ausschließlich die Parteiungen der Ritterschaft und sollte nur ein Jahr dauern. Aber bemerkenswert ist, wie doch auch hier ohne weiteres der Rat als Träger und Hüter des Friedens und als sein Richter hingestellt wurde. Seine Kompetenz war nicht unerheblich. Er erlangte eine Strafgewalt, die derjenigen des Vogts an die Seite trat, erst ergänzend, dann notwendiger und natürlicher Weise konkurrierend.

Dem Stadtfriedensgebot unterlagen alle Einwohner; es galt für ein Gebiet, dessen Umfang durch Kreuze bezeichnet wurde. Den frühern Bereich eines Stadtfriedens scheint der Mauergürtel zu zeigen, der um das Jahr 1200 geschlossen war. Als diese Mauern entstanden, mögen die Kreuze weiter hinaus geschoben worden sein, so daß ihr Umkreis mit der äußern Grenze der meist noch offenen Vorstädte zusammenfiel; der Stadtfriede Rudolfs galt deswegen für die Stadt und für die Vorstädte. Der Fortschritt der Bebauung und die Schließung der Vorstädte machte dann ein nochmaliges Hinausschieben nötig; von diesen äußern Kreuzen reden die Stadtfriedensurkunden des vierzehnten Jahrhunderts.

Auf der Uebertretung des Friedegebotes stand, der Natur der Sache gemäß, die Verweisungsstrafe; wer den Stadtfrieden brach, sollte seiner auch selbst nicht genießen, sondern aus der befriedeten Stadt weichen.

[73] Die gerichtliche Tätigkeit des Rates kann hier nur kurz erwähnt werden. Die Zeugnisse, die sich erhalten haben, sind nicht zahlreich und vertreten sie zudem sehr ungleichmäßig; Kriminalurteile besitzen wir gar nicht, nur drei Prozeßentscheide, im übrigen Urkunden nur der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hiezu kommt, daß der ganze Zustand ein Uebergangszustand ist. Rat und Gericht sind eins, erst seit kurzem; aber schon bereitet sich wieder eine Ausscheidung vor.

Wir haben Vogtsgericht und Schultheißengericht zu unterscheiden. Als Urteilsfinder des Vogtes funktionierten die Ratsherren. Auch der Schultheiß mit seinen Urteilern saß in dieser Behörde; die hie und da genannten scabini sind wohl als dieses Urteiler-Kollegium des Schultheißen anzusehen, das einen Teil des Rates bildete. Die Urkunden des Vogtsgerichtes waren daher ausgestellt meist durch Vogt und Bürgermeister gemeinsam, seltener durch Vogt und Schultheiß oder durch Vogt und Bürgermeister und Schultheiß oder durch den Vogt allein. Aussteller der Urkunden des Schultheißengerichts war in der Regel der Schultheiß allein; vereinzelt erscheint neben ihm auch der Vogt.

Hinsichtlich der Kompetenzen galt in der ersten Zeit die Regel, daß der Vogt für Streitigkeiten über Eigen und für Auflassungen zu Eigentum zuständig war, der Schultheiß für Leihen und für Streit aus Leiheverhältnis. Um die Mitte der 1270er Jahre jedoch trat eine Aenderung ein. Der Vogt, der kurz vorher aus seiner bisherigen Stellung in der städtischen Verwaltung ausgeschieden war, verlor jetzt auch seine Civilgerichtsbarkeit. Er behielt nur seine Kompetenz in Strafsachen, und der Schultheiß erscheint von nun an als zuständig für die ganze Civiljurisdiktion, auch über Eigen; nur noch gelegentlich scheint der Vogt dabei mitgewirkt zu haben. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Aenderung eine Folge des Vorgehens von König Rudolf war, das den Vogt aus dem Dienste des Stadtherrn nahm; er verlor damit den organisatorischen Zusammenhang mit dem Stadtgerichte.

Als Sprengel dieses von Vogt und Schultheiß, dann vom Schultheiß allein geleiteten Stadtgerichtes erweist sich das Gebiet der Stadt sowohl innerhalb der alten Mauern als in den Vorstädten. Nur vereinzelte Fälle greifen über diesen Bereich hinaus und bringen die Verfügung über Güter in Delsberg, Häsingen, Blotzheim, Inzlingen, Attenschweiler usw. vor das Gericht zu Basel. Die Parteien sind dabei meist Bürger der Stadt, und es ist an die Möglichkeit zu denken, daß sie aus persönlichen Gründen auf dieses ihnen am nächsten liegende Gericht prorogierten. Die gleiche Bedeutung [74] und Wirkung wie in den Fällen der Fertigung von hier gelegenem Gute konnte freilich ein solcher Akt nicht haben. Aber es handelte sich wohl überhaupt nicht immer um einen eigentlichen Gerichtsakt, sondern oft lediglich um Beurkundung. Urkunden des Ratsgerichtes selbst halten dies auseinander. Sie zeigen, daß die Beurkundung als von Seiten des Rates kommend aufgefaßt wurde und vom Gerichtsakt verschieden war. Die städtische Behörde funktionierte als Notar, gab Beglaubigung durch ihr Siegel, und eine Reihe solcher Urkunden über Schenkungen, Verkäufe, Leihen u. s. w. sind nicht durch den Schultheiß, sondern durch den Bürgermeister ausgestellt, tragen nicht das Schultheißensiegel, sondern nur das Stadtsiegel, lassen von gerichtlichen Handlungen und Solennitäten nichts verlauten, sondern geben nur Zeugnis von dem Geschehenen.

Eine solche beurkundende Tätigkeit des Rates begegnet uns nicht allein für Rechtsgeschäfte, die vor ihm vollzogen wurden, und wobei erselbst die Briefe ausstellte. Er war überhaupt anerkannte und gesuchte Urkundsperson, und in sehr großer Anzahl enthalten auch die von Andern in eigener Sache ausgestellten Urkunden die Bezeugung des Geschehenen durch den Rat und tragen sein Siegel.

Nur der Vollständigkeit wegen ist hier daran zu erinnern, daß nicht allein der Rat solche Beurkundungsinstanz war. Außer ihm sind zu nennen vor allem der Bischof und das Domkapitel und für die spätere Zeit die geistlichen Gerichtshöfe. Die außerordentlich starke Tätigkeit der letztern in Verlautbarung des Liegenschaftsverkehrs, wovon an anderer Stelle noch zu reden sein wird, gibt auch, neben den zahlreichen in eigener Sache ausgestellten Urkunden über Verkäufe und Schenkungen, einen Anhalt, um Wert und Wirkung der vor Stadtgericht geschehenden Fertigung zu bemessen.


Aber auf welchen Grundlagen ruhten Verfassung und Recht der Stadt?

Eine Stadtrechtsaufzeichnung fehlt. Die allgemein lautende Bestätigung der städtischen Rechte und Freiheiten durch König Richard 1262 besagt wenig; nicht viel besagen die königlichen Privilegien über Lehnsfähigkeit der Bürger und Zuständigkeit von Stadtgericht und Hofgericht, die nur allzu knapp überlieferten Erlasse von Papst Innocenz 1248. Das Wichtigste waren Ereignisse und Handlungen, die überhaupt nie in Schrift gefaßt wurden. Aber aus ihnen erwuchs das städtische Wesen, die Verfassung, die bürgerliche Freiheit, von der 1278 der Rat spricht. Wesentliches konnte positiv wie negativ, schaffend wie hemmend, der Bischof tun. Seine Hoheit als Stadtherr steht am Anfang der Entwickelung. Auf Kosten seines Rechtes [75] entstand das öffentliche Recht der Stadt. Was in dieser Beziehung einzelne Bischöfe taten, ist gesagt worden; dokumentarisch festgestellt ist das Letzte dieser Art, mit Dauer auf lange hinaus, in der Handfeste Heinrichs von Neuenburg. Und auf diesen Rechtszustand, das öffentlich rechtliche Verhältnis zwischen Bischof und Stadt beziehen sich denn auch die Privilegien der Bischöfe, mit denen sie einzelnen ihrer Landstädte — Biel, Delsberg, Laufen — die Freiheiten verleihen, „deren die Bürger von Basel genießen“.

Von den einzelnen Formen, die in der frühern Zeit dieses Verhältnis des Stadtherrn zur Gemeinde beherrschten, ist nur das Schwören der Bürger bezeugt. Es wurde dann in die Handfeste-Verfassung herübergenommen. Jener alte Eid verpflichtete die Bürgerschaft dazu, die Rechte des Bischofs und seiner Kirche nicht zu verletzen; im Jahreid der folgenden Jahrhunderte geloben sie, dem Bischof zu raten und zu helfen wider Jedermann und der Kirche ihre Rechte zu erhalten. Das Handfesterecht hatte das Verhältnis auf eine neue Grundlage gestellt: man huldigte nicht mehr als Untertan, sondern man beschwor ein Abkommen.

Auch über das alte Civilrecht, das der städtischen Wirtschaftsform entsprechend sich vom allgemeinen Landrechte und durch besondere Eigentümlichkeiten vom Recht anderer Städte mag unterschieden haben, sind wir kaum unterrichtet. Papst Innocenz IV. erwähnt 1248 die alten Rechte und Gewohnheiten der Stadt Basel, im besondern ihr Statut über Ersitzung von Sachen, und bestätigt sie. Und die Urkunden der folgenden Jahrzehnte reden nur gelegentlich von dem Rechte der Stadt, dem jus municipale civitas Basiliensis, viel häufiger aber von der Sitte, der guten Gewohnheit, der Observanz. Ein Rechtsspruch stützt sich ausdrücklich auf die erprobte Gewohnheit, die approbata consuetudo civitatis, als die beste Auslegerin der Gesetze. Die verschiedensten Gebiete des Privatrechts werden dabei unter die Regelung durch dies Recht und diese Gewohnheit gestellt: Leihe und Zinsrecht, die Vergabung, aber auch das Eherecht, die Morgengabe, die gegenseitige Erbseinsetzung von Ehegatten. Und zwar nicht nur am Stadtgericht, sondern auch an den Curien der Officiale.

Dies war die Stadt und ihr Rat. So eigenartig ihr Wesen und so mannigfach ihre Tätigkeit sich darstellt, können wir doch nicht behaupten, daß sie schon jetzt, in der Zeit König Rudolfs, dem Bischof entwachsen sei. Was unter Heinrich von Neuenburg die bischöfliche Stadtherrschaft ausmachte, das bleibt in diesem Bestande formell unversehrt noch ein volles Jahrhundert lang. Die wesentlichen Rechte der öffentlichen Gewalt ruhen [76] noch immer in der Hand des Bischofs und machen die Stadt zu seiner Stadt. Freilich hindert dies die Entwicklung nicht, die im städtischen Wesen mächtig ist. Die Stadt wächst an Kräften, bildet ihre Organe aus, schafft immer weiteren Kreisen der Einwohnerschaft ein gemeinsames Interesse, zieht sie heran zur Mitarbeit in der Stadt Dingen. So sehr sie dabei die Rechte des Bischofs äußerlich respektiert, lebt sie tatsächlich doch auf seine Kosten. Die Formen werden noch nicht angetastet, aber immer mehr füllt sie ein neues Leben. Die Stadt des Bischofs entwickelt sich zur Stadt des Rates. [77] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Viertes Kapitel.
Die Laien.




Diese Stadt füllend und diesen Gebietern unterworfen steht nunmehr die große Masse der Einwohnerschaft vor uns. Sie teilt sich vorweg in die beiden Hauptgruppen der Laien und des Klerus. Hier beschäftigen uns zunächst die Erstern.


Eine einheitliche, die ganze Laienbevölkerung gleichmäßig umfassende Beziehung zum gemeinen Wesen ist nicht vorhanden. Eine Mehrzahl von Schichten, Gruppen, Ständen tritt uns entgegen; dieser Gesondertheit entspricht eine reiche Mannigfaltigkeit im Verhältnis des Einzelnen zur Gesamtheit.

Aus der Menge der Gestaltungen tritt zunächst der feste Begriff des Bürgerrechts hervor.

Der Begriff Bürger, burgensis, hat in Basel Wandlungen durchgemacht.

Ursprünglich bezeichnete das Wort den Gegensatz zum Klerus; es war „eine rein lokale Bezeichnung für den wehrhaften Stadtbewohner, ohne politischen Begriff, ohne Hinweisung auf einen städtisch gegliederten Organismus.“ Daher konnten auch die adligen Ministerialen Bürger von Basel genannt werden; so noch 1226 die von Uffheim, von Delsberg, Kuchimeister, 1236 die Münch und Schaler.

Aber in den 1230er Jahren vollzog sich eine Scheidung. Was schon früher hie und da geschehen war, wurde nun konsequente Übung: die Ritter, milites, traten den burgenses, den cives gegenüber. Ritterlich und Bürgerlich sonderte sich.

Das letztere Prädikat kam jedoch nur bestimmten Personen und Familien zu. Bürger war der berechtigte Städter, Bürgerschaft die Gesamtheit der Nichtritterlichen, die im öffentlichen Leben der Stadt Geltung hatten, für alles wichtige Geschehen in der Gemeinde unentbehrlich waren. Männer [78] aus diesen Kreisen finden wir in den Zeugenreihen von Urkunden des Bischofs und des alten Vogtsgerichts und Schultheißengerichts; sie haben wir als die Mitglieder des alten städtischen Rates zu vermuten. Diese das Bürgerrecht besitzenden Einwohner bildeten eine Schicht, in welcher der Gleichheit im öffentlichen Recht eine Gleichheit der sozialen Stellung entsprach. Doch bildeten sie keine Kaste, die sich nur durch Geburt vermehrt; Gleichartige konnten sich ihnen anschließen, in das Bürgerrecht aufgenommen werden.

Seit Mitte der 1250er Jahre erscheinen in diesem Kreis einzelne neue Gestalten. Es handelt sich um Fälle, bei denen individuelle Qualitäten entscheiden mochten. Heinrich von Bättwil der Schuhmacher 1255, Heinrich der Schmied 1258, Werner der Schwertfeger zum Schwert 1258 u. s. w. sind solche Bürger neuer Art. Sie bezeugen damit zunächst nur ihre eigene Tüchtigkeit und Ambition. Aber die Fälle mehren sich, und die Umgestaltung des Bürgerbegriffes, die sie ankündigen, steht im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwickelung. Auf dem Markte, auf dem Schlachtfelde, vereinzelt auch in Rat und Gericht machen nun die Handwerker von sich reden, zeigen sich, bringen Jedem zum Bewußtsein, daß auch auf ihrer Kraft und auf ihrem Willen das Gedeihen der Stadt ruhe. Sie werden so in der allgemeinen Auffassung zu Städtern, zu Bürgern gleich den Andern.

Das Bürgerrecht ist dabei noch immer das Recht, das die eigentlichen Glieder der Stadtgemeinde bezeichnet. Die Bürger haben den Genuß der libertas civilis, der bürgerlichen Freiheit, das Recht vor keinen fremden Richter gehen zu müssen, den Anspruch, „als ein Burger von Basel“ durch die Obrigkeit vor Gewalt und Unrecht geschirmt zu werden, die Befreiung von Zoll. Was diesen Rechten gegenüber steht, ist vor allem Steuerpflicht und Dienstpflicht. Voraussetzung des Bürgerrechtes ist der Besitz freien Eigens in der Stadt.

Insoweit ist der Bürgerbegriff gegen früher nicht alteriert. Insoweit können daher auch jetzt in vereinzelten Fällen Ritter Bürger heißen, wie z. B. Heinrich Zerkinden 1271 und die Brüder von Straßburg 1276, und redet der Stadtfriede König Rudolfs 1286 von einem Bürgerrechte, das nicht nur Rittern und Burgern, sondern Allen zusteht, die in Basel seßhaft sind.

Aber gerade dies zeigt den Unterschied, der jetzt bemerkenswert ist. Es giebt Bürger, die nicht Burger sind. Die Letztern sind Solche, für die der alte Bürgerrechtsbegriff als eine soziale Kennzeichnung und Aussonderung weiterlebt und, was das Wichtige ist, die ausschließliche Ratsfähigkeit begründet. [79] Die durch das Bürgerrecht der frühern Zeit zusammengefaßte Klasse bleibt als solche bestehen, hält die Auffassung fest, der sie ihre Entstehung verdankt. Sie bildet von nun an innerhalb der Bürgerschaft den Stand der Burger. Es wird noch von ihr zu reden sein.


Bürgerrecht und Stände können als die festen Begriffe gelten, an die sich eine Betrachtung der Einwohnerschaft vorzugsweise zu halten hat. Aber sie erschöpfen den Gegenstand nicht; auch vermögen wir sie nur nebenbei zu deduzieren aus einer Überlieferung, die ja zu ganz andern Zwecken geschaffen ist, als um Gesetze und Regeln zu lehren. Sie bezeugt das Geschehen, das Handeln. Sie läßt die Bevölkerung sich vor uns in einem Leben regen, das tausend Seiten hat. Gruppen in Menge bilden sich, treten uns entgegen, lösen sich wieder. Nicht nach Distinktionen des Rechtes sind sie gesondert, sondern nach tatsächlichen Beziehungen. Verwandtschaft, Freundschaft, politischer Ehrgeiz, Parteiung und Familienzank, Nachbarschaft, Gleichheit des Gewerbes, geschäftliche Interessen, Devotion bewegen und gestalten diese Menschenmasse und ermöglichen uns zum mindesten eine Ahnung dessen, was damals Leben hieß.

Am deutlichsten in den Beziehungen zur Kirche. Man sieht, wie einzelne Klöster und Stifter ihren Anhang haben, Frauen und Männer und ganze Familien, die ihnen zugetan sind. Solches Ergebensein, das in Stiftungen, Vergabungen, Begräbnissen sich äußert, schafft in der Bevölkerung allerhand Zirkel, die zum Teil noch erkennbar sind. Solcher Art waren z. B. die Beziehungen der Familien Rot, zum Rosen, von Heidweiler, von Zässingen zu den Barfüßern und ihren Töchtern den Clarissen. Aber noch in weiterm Sinne sehen wir solche Kreise sich um eine Kirche bilden. Sie umschließen Alle, die in ihrem Schatten wohnen, ihren Glocken folgen. Nicht ihr Schenken an diese Kirche ist die Hauptsache, sondern ein so nahes Vertrautsein, daß sie der Kirche als Berater und Zeugen dienen können, als solche von ihr gerufen werden. Man kann geradezu von Gesellschaften reden, einer Peters-, Leonhards-, Münstergesellschaft. In den Zeugenreihen der Gotteshäuser sind sie deutlich vergegenwärtigt. Bei St. Peter fällt die Gesellschaft zusammen mit dem größern Teil des Burgerstandes und einem Teile des Adels. Sie umfaßt die Familien, die zwischen Eisengasse und St. Peter wohnen, die ratsfähigen Geschlechter. Das stattliche Stift ist Hort und Zuflucht, Liebling und Stolz dieser Familien. Die bekannten Namen Rot, zum Sternen, Ludwig der Krämer, Sutto, Münzer, Tanz u. dgl. begegnen uns immerfort in den zahlreichen Dokumenten der Chorherren [80] Neben ihnen gelegentlich aber auch eine Petersgesellschaft zweiten Ranges; auch sie umschließt Nachbarn und gute Anhänger; aber es sind einfachere Leute: von Wenzweil, am Graben, Tecke u. s. w. Sie entspricht derjenigen, die bei St. Leonhard Regel ist. Denn es besteht eine deutliche soziale Verschiedenheit; das Statut über die Grenze der Kirchgemeinden St. Peter und St. Leonhard läßt hierüber keinen Zweifel, indem es die Vornehmen und Edeln von vorneherein als nur bei St. Peter wohnend annimmt und erst in zweiter Linie, si quando, wenn je einmal, auch bei St. Leonhard. Hier ist die Welt sichtlich eine andere. Selten verirrt sich in sie ein Burger oder Ritter. Es ist eine Handwerkerwelt, die Gesellschaft des kleinen Mannes, wie auch das Stift selbst weniger vornehm besetzt ist, als das zu St. Peter. Kürschner, Gerber, Permenter, Bäcker, Schuhmacher u. dgl. Handwerke, die Namen Hostein, Ozelin, von Allschwil, Berwart, Orabpeiß u. s. w. füllen die Zeugenlisten. Beim Münster hinwieder finden wir eine Societät, die gemischt ist aus hochgeborenen Prälaten, Edelleuten, den Burgergeschlechtern der Freienstraße, Schreibervolk und kleiner Pfaffheit. Aber auch auswärtige Klöster wie Olsberg, wie Lützel haben hier ihr Kreise. Man ermiß, wie diese kirchlichen Beziehungen im Innersten ergreifen und das Leben beherrschen.

Dann die Nachbarschaft. Fast sichtbar finden sich vor uns die Bewohner einer Gasse, die Gewerbsgenossen zusammen, wenn Einer von ihnen ein Geschäft zu vollziehen hat. Sie stehen dazu und lassen sich als Zeugen in die Urkunden setzen, und auf diesem Wege gelangen etwa auch Weiber in die Zeugenreihen. So kommen wir zu den Gruppen der Spalenbewohner mit ihrem angesehenen Gärtnermeister Eglolf und dem Gastwirte Nordwin an der Spitze, zu den Schmieden auf der Au, den Schwertfegern und Kammachern, die Nachbarn des Krämers Rudolf von Mülhausen sind, den Gürtlern und Gießern beim Hause zur Platte u. s. f. Auch ohne Nachbarschaft bringt ein Rechtshandel die Genossen und Befreundeten zusammen. Und so fehlen auch bei Geschäften der städtischen Ritter selten die guten Bekannten aus dem Burgerstande. Bei Verbürgungen, bei Giselschaften wiederholt sich dies. Auch die Kreditorschaften mögen hier Erwähnung finden, die sich mit ihren Forderungen an einen gemeinsamen Schuldner zusammentun; ein berühmtes Beispiel sind die Gläubiger des Bischofs Lütold 1213: der Münzer Berthold, der Metzger Eppo, der Walker, der Keller, die Töchter Hessos und der Jude Meier; aus späterer Zeit melden sich mit Guthaben an das Kloster Ölenberg ein Kürschner, ein Schuhmacher, ein Öler u. s. w. Von den Parteiungen der Ritter war schon [81] die Rede. Das Schönste aber, neben jenem Einigenden der Kirche, war wohl eine geistige Gemeinschaft, wie sie die Gönner Konrads von Würzburg verband: hohe Domherren, Ritter, Kaufleute.

Dies einige wenige Gruppen aus den unzähligen, die das Leben der Einwohnerschaft gab. Sie werden uns zum Teil wieder begegnen bei Betrachtung der einzelnen Einwohnerstände.


Der Herrenstand zeigt sich in einer reichen Fülle der Abstufung, vom Fürsten herab bis zum Ackerritter, der halb Edelmann, halb Bauer ist.

Zunächst sind es in der ältern Zeit die Grafen, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Ihre Bedeutung für Stadt und Hochstift lag darin, daß die Vogtei ihnen zustand. Aber vor allem waren sie, neben der Kirche, die Gestalter und Erleuchter des ganzen Gebietes im Umkreis unserer Stadt. An ihre Namen knüpft sich die erste historische Kunde, zahlreiche Schöpfungen, die Grundlagen des Lebens wurden, gehen auf sie zurück. Dabei verbindet eine Verwandtschaft alle diese Grafenhäuser, die alten Honberg Tierstein Saugern, die spätern Froburg Honberg Habsburg. Aber in der uns hier beschäftigenden Zeit bereitet sich schon ihr Ausgang vor; Röteln und Pfirt sind dem Erlöschen nahe. Aus dem durch Vatermord geschändeten Hause Pfirt ist Graf Ulrich zu nennen, der seine Herrschaft dem Hochstift Basel verkaufte und dessen Lehnsmann wurde; sein Sohn Diebold, mit einer Tochter Walthers von Klingen vermählt, verschwenderisch, ein schlechter Haushalter, geriet unter Heinrich von Isny in noch stärkere Abhängigkeit vom Bistum, verlor seine Ansprüche auf Pruntrut und die Vogtei im Elsgau.

Eine Stufe tiefer als diese Grafen standen die freien Herren, die Edelfreien, nobiles, die als eine bunte Reihe in die Basler Verhältnisse hineinspielen. Die von Usenberg, von Löwenberg, von Röteln, von Bechburg, von Liebenberg, als die bekanntesten die von Ramstein. Mehrfach machen unter ihnen die von Butenheim von sich reden, deren altes Schloß Landser 1246 von den Baslern erobert wurde. Gleich dem Pfirter wurden sie Lehnsleute der Basler Kirche, gingen dann aber treulos zu Rudolf von Habsburg über; in Todschlag und schmutzigen Familienhändeln nahm das Geschlecht ein elendes Ende.

Aber die vornehme Gesellschaft, welche die Urkunden füllt, sind nicht die Grafen und Edelfreien, sondern die Ritter. Es ist eine Schar, die sich mengt aus kleinen freien Herrn und aus unfreien Ministerialen. Der rechtliche Unterschied zwischen beiden bleibt zwar im Bewußtsein, aber wirtschaftlich [82] und sozial erscheinen sie als gleich, sie verbinden sich zu einer einzigen großen Klasse der Gesellschaft. Das ist der niedere Adel. Ihm gehört die Zeit; er steigt empor, während alte freie Herrengeschlechter zu Grunde gehen.

In der Benennung dieses Standes macht sich seit dem zwölften Jahrhundert eine Distinktion geltend. Ritter im neuern Sinne ist nunmehr nur noch, wer durch Gelübde die Teilnahme am Ritterorden erlangt hat. Wer diesen Grad nicht besitzt, heißt nicht Ritter, miles sondern Knecht, Edelknecht, juvenis, domicellus, armiger.

Aber neben dieser genauen Scheidung behauptet sich der Name Ritter im alten Sinne auch noch; gelegentlich heißen alle Edeln Ritter, ohne Rücksicht auf Rang und Würde, und auch die Basler Rechtssprache der Handfeste und der Ratsverfassung bedient sich der alten, umfassenden Ausdrucksweise. Diesem Sprachgebrauch folgt auch die vorliegende Darstellung.

Der Basler Adel nun ist zu der Zeit, da er uns bekannt wird, zum größten Teil kein freier Adel mehr, sondern ein Dienstadel. Er wird gebildet durch die Ministerialen der Grafenhäuser Froburg, Honberg, Tierstein, Pfirt und hauptsächlich durch die Ministerialen des Hochstifts Basel.

Was wir als früheste Erwähnung des Stiftsadels finden, ist nicht erheblich. In den Namenreihen dieser Hesso, Sigebot, Adelgoz, Lantpert, Adelpreht usw. zeigt sich dieselbe Dürftigkeit, wie in den knappen Listen der Domherren. Das zwölfte Jahrhundert bringt neben größerer Fülle auch eine schärfere Darstellung des Einzelnen: Namen von Geschlechtern werden laut. Mit den Inhabern der Hofämter zusammen geben diese Herren schon ein leidlich volles Bild, bis dann unter Heinrich von Thun der ganze Reichtum sich strahlend entfaltet im Stiftungsbriefe der Kürschner 1226 oder dann 1241 bei der Uebergabe der Herrschaft Hasenburg an das Hochstift, wo dieser Prunk höfischer Gefolgschaft wie absichtlich in Gegensatz gestellt erscheint zu der Armut des Hasenburger Freiherrn. Zwischen den Capitularen des Doms und den angesehenen Bürgern stehen in diesen feierlichen Dokumenten die Ramstein, Uffheim, Schaler, Münch, von Straßburg, Pfaff, vom Kornmarkt, zu Rhein, Reich, am Ort, Kraft, Zerkinden, Spender usw. Dies sind die Geschlechter, mit denen wir es von da an zu tun haben, die „Ritter von Basel“ der Urkunden und des Bischofsrechtes.

Das Verhältnis dieser Herren zum Bischof war das des Dienstes und hierüber hinaus das der Lehnspflicht. Seinen stärksten Ausdruck fand dies Verhältnis in den Aemtern des Kämmerers, des Truchsessen, des Schenks, des Marschalks, des Küchenmeisters, die seit Beginn des zwölften [83] Jahrhunderts am bischöflichen Hofe nachzuweisen sind. Sie galten dem Dienst um die Person des Fürsten, der Leitung seines Haushaltes und Hofstaats; da es sich um wichtige Verrichtungen handelte und die Aemter als erbliche in den Händen stets derselben Ministerialenfamilien blieben, so entwickelten sie sich zu ansehnlichen Komplexen von Berechtigungen aller Art, deren Spuren noch bis ins neunzehnte Jahrhundert gedauert haben. Als Kämmerer erscheinen frühe die Reich, aber neben ihnen gab es noch ein Rittergeschlecht, das den Amtsnamen selbst führte. Truchsessen waren die von Schönenberg. Auch die Aemter des Schenks, des Marschalks, des Küchenmeisters gaben denen, die sie von Generation zu Generation vererbten, den Namen. Von der zweiten bischöflichen Hofhaltung her traten ihnen die Marschalke von Delsberg, aus den edeln Dienerschaften der Grafen die Marschalke von Wartenberg, die Schaffner von Pfäffingen, die Truchsessen und die Marschalke von Froburg entgegen; die Truchsessen von Rheinfelden waren Reichsministerialen.

Die Gotteshausdienstmannen und ihr Gesinde waren frei von allem Zoll zu Basel, ihre Eigenleute und ihr Gesinde frei von Gewerf und Aufgebot; von dem auf ihrem Eigen wachsenden Wein hatten sie die Fuhrweinabgabe nicht zu entrichten; in ihren Häusern konnte Jeder des Asyls genießen, außer gegen den ordentlichen Richter; auch durfte man in diesen Häusern weder Gut noch Leute mit Arrest belegen; ohne ihren Willen konnten ihre Eigenleute nicht zu Bürgern angenommen werden; und während sonst Jedermann vom Silberkauf den Schlagschatz an den Bischof zu entrichten hatte, waren sie davon befreit, wenn sie das Silber kauften für den Erwerb von Grundeigentum, für Wallfahrten und Kriegszüge, für Hochzeitsfeste, für Anschaffung von Roß und Harnisch.

In solcher Weise steht die Ritterschaft vor uns, ansehnlich an Umfang, ausgezeichnet durch ihr Leben in der Nähe des Fürsten, durch Waffenwerk und ritterliche Kunst. Sie waren die Glänzendsten der Stadt, dazu durch diese Privilegien hoch aus der Masse herausgehoben.

Aber was sie uns wichtig macht, ist ihr Verhältnis zum Stadtregiment. Hiefür kommt außer den soeben aufgezählten Freiheiten noch Anderes in Betracht: die Funktionen bei den Zünften, die Anteile an Brückenzoll und neugeprägter Münze, die großen Güterbezirke der Aemter vor den Stadtmauern. Namentlich aber ihre Stellung im Rate des Bischofs. Er befragt sie, bedient sich ihrer Mitwirkung bei allem, was die Stadt angeht. So kann es denn kommen, daß auch diese ritterlichen Herren Bürger heißen. [84] Sie stehen nicht nur im Hofleben, sondern auch im Stadtleben. Die Stadt des Bischofs ist auch ihre Stadt.

Von Teilnahme dieses Adels an den Geschäften der Stadt in früherer Zeit hören wir nichts; sie ist nicht glaubhaft. Aber die Reorganisation des Rates in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts schuf dann den Zustand, der von da an lange gedauert hat. Neben Burgern sitzen nun regelmäßig Ritter im Rate; und zwar nur solche, die Gotteshausdienstleute sind. Sie haben die Minderheit im Kollegium; aber die führenden Aemter Bürgermeister, Vogt, Schultheiß sind in ihren Händen.

Wenn wir an den Gegensatz Bischof und Stadt denken, so befremdet vielleicht dieser Zustand. Aber jener Gegensatz entwickelt sich überhaupt erst allmählich, und überdies ist nicht zu ersehen, weshalb das städtische Wesen diesen Herren aus dem Stiftsadel von vorneherein widerstreben sollte. Hier im Rathause konnten sie herrschen, während sie droben im Bischofshofe rechtlich nur Diener waren. Und so lange sie solche Gewalt ausübten, waren die städtischen Interessen ohne weiteres auch die ihrigen. Der Widerstreit von Adel und Stadt gehört einer spätern Zeit an, wurzelt in der Teilnahme der Zünftler am Rate; mit dem Burger mochte der Ritter die Bank teilen, mit dem Handwerker nicht.

Die an Bewegung und Umgestaltung reiche Zeit Heinrichs von Neuenburg übte ihre Wirkung auch auf die Ritter aus. Zerwürfnisse erhoben sich zwischen dem Fürsten und seinem Dienstadel, leidenschaftlich trennte sich der letztere in Parteien, deren eine zum Verlassen der Stadt gezwungen wurde. Daneben zog der Bischof, um für Durchführung seiner politischen Pläne zuverlässigere Hilfe zur Hand zu haben, als diese Ministerialität ihm bot, die Bürgerschaft heran. Nur weniges vernehmen wir von all diesem. Erst die Wahl Rudolfs von Habsburg zum König brachte den Frieden. Der König führte die vertriebenen Adligen, die Sternpartei, wieder nach Basel zurück; „mit Glanz und Ehren“, wie der Chronist sagt, und, was der Chronist verschweigt, mit dem strengen Gebot, von nun an Frieden zu halten. Er tat noch ein weiteres: er zog die Vogtei zu Basel ans Reich und entkleidete damit die stolzen Führer der Psittichpartei, die Münch und Schaler, in deren Händen dieses Amt seit Jahrzehnten gewesen, eines Vorteils, der stets Unzufriedenheit und Gegnerschaft der andern Geschlechter erzeugt hatte.

Kurze Zeit mochte nun Ruhe sein. Dann wachte der alte Hader wieder auf. Wir kennen die Ursache nicht. Aber es mag an Peter Schaler gedacht werden, der in diesen Jahren überall gewalttätig und herrschsüchtig [85] hervortritt. Den Bischof hielten Geschäfte des Reiches oft von Basel fern. Da griff Rudolf im März 1286, da er am Oberrhein verweilte, aufs neue ein und verkündete jenen Stadtfrieden, von dem oben gehandelt worden ist, unter Androhung schwerer Verbannungsstrafen für Friedestörer. Was er in dieser Weise tat, stand im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Tätigkeit für den Landfrieden im Reich; wenige Wochen später verfügte er dasselbe zu Hagenau, zur Beseitigung der Mißhelligkeiten in der dortigen Bürgerschaft.

In derselben Zeit ging das Basler Bistum von Heinrich an Peter Reich über. Dieser, der erste Bischof aus Dienstmannengeschlecht, hatte nähere persönliche Beziehungen zur Ritterschaft als irgend einer seiner Vorgänger. Er ergänzte den Stadtfrieden Rudolfs durch eine weitere Anordnung zu Gunsten des Friedens: in jährlicher Abwechslung sollte Einer vom Psittich und Einer vom Stern jeweilen das Bürgermeister- und das Oberstzunftmeisteramt bekleiden und der Rat aus gleichviel Gliedern von jeder Partei bestehen.

Noch einige allgemeine Bemerkungen sind hier anzuschließen.

Seit der Mitte des Jahrhunderts treten neue Adelsfamilien zu den bisherigen: die von Eptingen, von Biedertal, von Dachsfelden, Räuber, von Titensheim, von Lörrach, von Rotberg, von Flachsland. Dem Zuge dieser Geschlechter vom Lande in die Stadt begegnen die Stiftsadligen, die sich Sitze auf dem Lande suchen. Denn wie das Wachstum der alten städtischen Adelsfamilien schon frühe einen neuen Komplex von Höfen bei St. Peter entstehen läßt, als Gegenstück zu den Gesessen des Münsterhügels — die Münch, die Pfaff, die Steinlin, Vorgassen, von Straßburg siedeln sich dort an — so treibt dasselbe Wachstum Andere ganz aus der Stadt hinaus, macht geborene Stadtritter zu neuen Landrittern. Vor allem im untern Birstal ist dies wahrzunehmen; die Schaler von Benken, die Münch genannt Gempener, die Münch genannt Zwinger, die Münch von Münchsberg sind solche Ableger eines städtischen Stammhauses. Daß das alte Gelingen in den 1270er Jahren den Namen Münchenstein erhält, zeigt, daß ein Zweig der Münche von Basel sich hier festgesetzt hat. Die Vitztum haben das Burgstal Rheineck im Leimental inne. Während die alten Landgeschlechter sich vermehren, die Eptinger z. B. in zahlreiche Linien auseinandergehen (von Madeln, von Wartenberg, von Wildenstein, von Blochmont u. s. w.), bewirken die aus der Stadt herauskommenden Edeln, daß eine neue Schicht von Burgen entsteht, eine neue Gesellschaft von Landadel sich bildet.

[86] Trotz dieser Ausdehnung aber hatte der Adel dem aufstrebenden Städtertum keine gesteigerte Macht entgegenzustellen. Was wir vor uns sehen, ist eine zersplitterte Betätigung, ein Verbrauchen der überschüssigen Kraft dieses Nachwuchses zu allerhand Unruhe und Fehde. König Rudolfs Landfriedensordnungen suchten dem Uebel, das ein allgemeines war, zu steuern; von den Zuständen unserer Gegend und Stadt, von all dem Hader und Kampf, der sie damals erfüllte, zeugen der königliche Stadtfrieden von 1286 und die Nachrichten über die Fehde der Pfaff und von Uffheim mit der Stadt Freiburg, über die Ermordung des Ritters Werner von Straßburg durch die Riehener Bauern. Neben diesem Treiben finden wir auch größer geartetes Wesen, einen Zug ins Weite; in der Grabeskirche zu Jerusalem konnte man noch lange die Wappenschilde hängen sehen, die durch einen Münch und einen Schaler von Basel 1269 hier waren gestiftet worden. Kraft und Mut spricht aus allem, auch aus den Unfugen des Fehdewesens; von jener Schlacht im burgundischen Kriege Bischof Peters, da der Graf von Freiburg floh, die Basler Ritter und Bürger aber im blutigen Kampfe aushielten, ist schon geredet worden. In einem Preisliede jener Zeit heißt es: In Basel sint ouch ellenthaft mit huse gesezzen, zallerzit vermezzen fünfzic ritter oder mer, die man niemer widerker sihet tuonze kinden, ze frouwen noch gesinden, e daz si gesiget hant.

Von der Kultur dieses Adels zu reden ist unmöglich. Was die Urkunden über ihn aussagen, betrifft nur Geschäfte. Und im übrigen erscheint namentlich sein Anteil an der höfischen Poesie dieser Zeit als ein bescheidener. Ein halbes Jahrhundert früher hatte der Basler Dienstadel einen Dichter von der Bedeutung des Konrad Fleck in seinen Reihen gesehen; jetzt dürfen höchstens der Göli und der Pfeffel als Basler in Anspruch genommen werden, aber ihre Leistungen sind unerheblich, und auch die Dichtung Walthers von Klingen war kaum mehr als eine Konzession an die Mode. Ueber das ritterliche Treiben erfahren wir aus dem Datum U. L. F. Tag zum Turney, einer Basler Spezialität, daß am Tage Mariae Geburt die Ritterschaft hier ein Turnier abzuhalten pflegte, wohl auf dem Münsterplatz. Das Verhältnis zur Kirche erscheint als ein schwaches. Vom Domkapitel abgesehen vermögen die Basler Stifter und Klöster nur wenige adlige Mitglieder aufzuweisen, und das bürgerliche Element überwiegt auch sehr bei den Vergabungen und Stiftungen. Eine Ausnahme hievon macht einzig der Stifter des Klingentals, Herr Walther von Klingen. Aber dieser gehört Basel überhaupt kaum an. Erst am Ende seines Lebens zog er hierher, nachdem er alle Söhne verloren, die Töchter vermählt [87] hatte, und lebte in seinem hochaufragenden Gebäude beim Peterskirchhof aus; in Pfründen, Seelenmessen, Bittgängen dauerte bei den Predigern und den Klingentaler Damen sein Gedächtnis weiter.

Eine Gestalt ganz anderer Art war Johann Rauber. Anfangs begegnet er uns als Bürger, seit 1269 aber als Ritter; als solcher saß er zu Zeiten auch im Rate. Aber nicht diese Standeserhöhung macht ihn uns merkwürdig, sondern daß er offenbar der beste Laienjurist des damaligen Basel war. Was man sonst nur bei Klerikern zu finden gewohnt war, fand man bei ihm. Daher die zahlreichen Kompromißurkunden, in denen der Entscheid des Streites stets dem Johann Rauber übergeben wurde; daher seine Anwesenheit als Zeuge und Berater überall, wo ein Geschäft zu vollziehen war, nicht nur in seiner eigenen Gesellschaft vom St. Petersberg, sondern auch bei St. Alban, bei St. Leonhard, bei den Handwerkern, selbst im Gerichte des Offizials. Allenthalben war er zu brauchen, galt er als der Kenner des Rechts, als der Mann, der alles verstand. Auch im königlichen Hofgericht, wenn es zu Basel gehalten wurde, stand unter den Zeugen natürlich Herr Johann Rauber; ein merkwürdiges Rechtsgutachten von 1272 wurde neben einigen Geistlichen durch ihn erstattet.

Sodann der große Peter Schaler. Kein anderer Adeliger tritt uns so greifbar entgegen. Zu dem, was er wurde, war er schon durch seine Abstammung disponiert. Seinen Vater Peter sehen wir mit einem Bruder Otto zusammen ein gemeinsames Siegel führen, deutlichen Ausdruck des starken Familienbewußtseins; es hängt an einer Urkunde, die Peter als Vogt ausstellt, wie an solchen, die Otto als Schultheiß gibt. Aber auch Peter war Schultheiß und sodann einer der ersten Bürgermeister. Alle diese Ansprüche gingen auf Peter den Sohn über, um von ihm ein halbes Jahrhundert lang einer großen Umgestaltung der Verhältnisse gegenüber mit unbeugsamem Stolze geübt zu werden. Beim Tode seines Oheims Otto, nach 1265, nahm er die Schultheißenwürde wie ein erbliches Recht der Familie an sich und behielt sie bis ans Ende des Lebens. Daneben war er wiederholt Bürgermeister. So ruhte oft die Summe der öffentlichen Gewalt in seiner Hand. Bei Rudolfs Wahl zum König hatte Peter Schaler sofort erkannt, wo sein Vorteil liege. Bis dahin der entschiedenste Gegner Rudolfs, wurde er der Führer der österreichischen Partei in Basel, und der alte Zwist in der Ritterschaft brach, wenn auch die Stellung der Führer verschoben sein mochte, aufs neue aus. In der städtischen Politik hinwiederum vertrat Schaler heftig und herrisch die Rechte des Adels der Volkspartei gegenüber, in deren Führer Johann von Arguel er einen ihm [88] im Wesen verwandten Gegner fand. „Weißt du nicht, daß Hausherr und Schwein in demselben Hause wohnen können, aber verschieden leben!“ warf er diesem im Ratssaale ins Gesicht. Allenthalben finden wir den Peter Schaler in energischer und bedeutender Tätigkeit, auf dem Schlachtfelde von Dürnkrut, als Schiedsrichter zwischen Bischof Heinrich von Basel und Graf Reinald von Burgund. Zu seinem Preis wäre eine ganze Historie von nöten, schrieb Mathias von Neuenburg. Er war auch ein Gönner Konrads von Würzburg, der in schönen Tönen sein Lob singt. Und diese Macht wiederholt sich auf anderem Gebiete in seinem Bruder Werner, der Kirchherr zu St. Martin, Domherr am Münster, Propst von St. Ursitz war. Das letzte Auftreten Peters für uns ist die Zeugenschaft beim Verkaufe Liestals an das Hochstift, im Dezember 1305. Bald nachher wird er gestorben sein. Zum Bilde seines großen Wesens gehört, daß er auf der Nordseite des Münsters eine Kapelle hatte bauen und ausstatten lassen; in ihr fand er nun die Ruhe. Noch heute trägt sie an Schlußsteinen und Pfeilern sein Wappen.


Der Begriff Burger und seine Entwickelung ist schon erörtert worden. Er schuf eine geschlossene Gesellschaft; doch lag die Geschlossenheit im Begriffe, nicht im Bestande. Sie dokumentierte sich durch die Ratsfähigkeit. Bis in den 1330er Jahren die unmittelbare Teilnahme der Zünfte am Stadtregiment Tatsache wurde, bestand in Basel eine Geschlechterherrschaft. Sie wurde geübt durch die Ritter und die Patrizier, welch Letztere zum Unterschied von den Bürgern allgemeiner Bedeutung in der offiziellen Ratssprache Burger hießen.

Ihre Namen zeigen uns Kaufleute (Merschant), Krämer und Wechsler, aber auch herrschaftliche Beamte, wie Brotmeister, Keller, Münzer, Zoller, Meier, wobei nicht in Betracht kommt, ob es sich noch um Amtstitel, oder schon um Geschlechtsnamen handelt; die Mehrzahl aber trägt persönliche Beinamen: Rot, Sutto, Fuchs, Brogant, Pauler, Rezagel, Botscho, Schaltenbrand, Tanz, Iselin, Helbling u. s. w. , oder Namen von Haus und Straße; zum Angen, zum Steinkeller, vom Neuen Keller, zum Roten Turm, vom Hirzen, zum Sternen, unter Salzkasten u. s. w. , oder Einwanderungsnamen: von Arguel, von Blotzheim, von Magstat, von Müsbach, von Gundolsdorf, von Buggingen.

Mit den Listen dieser Burgergeschlechter in den 1230er Jahren beginnt deren Geschichte. Aber diese Namen stehen am Ende einer jahrhundertelangen Entwickelung. Nachdem schon Generationen unbezeugt dahin gegangen [89] sind, kommt zum ersten Mal in diesen Namenreihen die alte Bevölkerung der Stadt zum Worte. Es ist bezeichnend, daß sie mit Kaufleuten, Krämern und Wechslern anheben; gleichwie in der Folge ein ununterbrochenes Herüberströmen aus der kaufmännischen Welt in die Burgergesellschaft stadtfindet, so hat diese sich auch in der Vergangenheit von dort her rekrutiert. Auch der Zuwachs aus den Kreisen der herrschaftlichen Beamten ist zu beachten. In keiner Richtung jedoch darf an etwas Ausschließliches und Zwingendes gedacht werden. Die Wege zu der bürgerlichen Vornehmheit konnten zahlreich sein und von den verschiedensten Orten ausgehen. Auch ist nicht deutlich erkennbar, wie und durch wen die Aufnahme geschah. Aber die Schwelle war eine deutliche. Der Petent mußte qualifiziert sein durch persönliche Freiheit, durch Tüchtigkeit, durch Reichtum und insbesondere durch Grundbesitz. Freies Eigen ist in Basel nachzuweisen bei allen Ständen.

Neben dem Grundstock der ritterlichen Gesesse in der Münstergegend finden wir solches Eigen des Adels am frühesten am Kornmarkt, an der Eisengasse, auf dem Salzberg, auf dem Nadelberg.

Ebenso unzweifelhaft ist das Grundeigentum der Burger; es genügt, an die Verkäufe des Rüdeger Brotmeister 1241, des Heinrich Tanz 1253, die Schenkung des Kuno von Müsbach 1258 u. a. zu erinnern. Freilich sind die Erwähnungen solches bürgerlichen Eigens verhältnismäßig selten; vielleicht weil der Besitz seit Alters meist in festen Händen war und blieb, eher noch aber ist die Einseitigkeit der Überlieferung daran schuld. Sie bewahrte nur das, was für die Kirche von Wert war; reine Laienangelegenheiten fehlen fast völlig.

Mehr verlautet vom auswärtigen Besitz, vor allem vom Sundgauischen. Ritter wie Burger erscheinen als begütert in diesen schönen Geländen: die Schaler in Habsheim, die von Straßburg und von Arguel in Attenschweiler, Heinrich Münch in Egisheim, Heinrich Reich in Jungholz und Hagental; Güter des Heinrich Tanz liegen in Geberschweier, Pfaffenheim, Suntheim, Werenzhausen, Benken; Güter des Rudolf Fuchs in Geispitzen, Kappeln, Brinkheim usw. usw. Rechtsrheinisches Eigen scheint seltener gewesen zu sein; Gertrud vom Kornmarkt war in Istein und Haltingen, Burchard zum Rosen in Tannenkirch, Johann Münzer von St. Martin in Grenzach Eigentümer. In den meisten Fällen wird es sich um Geldanlagen, Geschäfte, Spekulation handeln; zuweilen aber war es einfach die alte Heimat des Betreffenden und ein Grundstück, das er dort noch besaß, wie z. B. im Falle des Rudolf von Müsbach, der eine halbe Hufe zu Obermüsbach verschenkte. [90] Im Anschlusse hieran ist nach der Tätigkeit und der Lebensstellung der Burger zu fragen.

Unterhalt und Beschäftigung bot den Burgern vor allem ihr Grundbesitz, sowohl die Hofstätten und Häuser in der Stadt, als die Güter auf dem Lande. Vom Ertrage des Grundes und Bodens, von der Verwertung seiner Erzeugnisse lebten sie; die Scheunen und Kornhäuser, die wir im Besitze solcher Geschlechter finden, weisen auf Landwirtschaft, auf Naturalabgaben und deren Umsatz. Einzelne lebten überhaupt nicht in der Stadt, sondern auf den Landgütern; das Bischofsrecht bezeichnet als zollfrei ausdrücklich nur die seßhaften Burger.

Nicht selbst Gewerbtreibende, sondern Inhaber von Gewerben, die zum Betriebe verliehen wurden, waren wohl die Burger Brogant, zur Sonnen, Helbling, denen Walke und Mühle zustanden.

Aber auch an Handel in größerm Sinne muß gedacht werden. Daß der Basler Burger Peter genannt Münzer 1273 sich von St. Urban Häuser in Zofingen leihen ließ, ist doch wohl aus Geschäften zu erklären, die er auf der Straße zum Gotthard betrieb. Und aus solchen auch die Konflikte der Zebel und Meier von Hüningen mit Luzern 1298.

So begegnen uns die Burger schließlich auch als Kapitalisten; Walther des Meiers, Konrad Ludwigs, Hug zur Sonnen, Hug Pauler sind Kreditoren der Basler Bischöfe für große Beträge; Rudolf Fuchs leiht dem Kloster Olsberg; auch der Bischof von Konstanz nimmt Geld bei Basler Burgern auf.

Es würde erwünscht sein, im Anschlusse hieran auch die Betätigung dieser Burger für geistige Dinge würdigen zu können; doch reichen hiezu die Zeugnisse nicht aus. Ihre Beziehungen zur Kirche wurden schon berührt; namentlich bei St. Peter zeigt sich eine ausgiebige und konstante Teilnahme dieser Klasse, die in Wohnungs- und Zinsverhältnissen, in persönlichem Verkehr, in Vergabungen geäußert wird. Hiezu kommt, daß, nach den allerdings nicht methodisch und vollständig überlieferten Namen zu schließen, sowohl die Weltgeistlichen als die Mitglieder der Capitel und Konvente zum größeren Teil aus dieser Burgergesellschaft hervorgehen.

Ein Weiteres ist das Vorkommen von Klerikern im Dienste solcher Familien; neben der Besorgung von geistlichen Funktionen sowie von Schreib- und Verwaltungsgeschäften ist dabei jedenfalls an Hausunterricht zu denken, den die Burger durch diese Geistlichen ihren Kindern erteilen ließen, was beim Mangel von Laienschulen ein Bedürfnis sein konnte. Als das Wichtigste auf diesem Gebiete müssen die Beziehungen einzelner Burger zur Poesie gelten. Neben die Zeugnisse einer Teilnahme [91] Basels an dem großen allgemeinen Besitz der deutschen Heldensage, wie sie durch die Namen Irinc, Gelfrat, Ermenrich, Elegast, Sintram, Wielant und die Skulpturen in der Crypta und dem Chor des Münsters gegeben werden, tritt hier in bemerkenswerter Weise das persönliche Empfinden und Handeln Einzelner.

Nach Konrad Fleck, dem Dichter der anmutvollen Erzählung von Flore und Blancheflur, ist der namhafteste höfische Dichter Basels, den Zeitgenossen Walther von Klingen weit überragend, Meister Konrad von Würzburg. Seine Lebensumstände sind freilich nicht deutlich erkennbar. Er wird ein Fahrender genannt, und als ein solcher kam er nach Basel, wo er an der Spiegelgasse (heute Augustinergasse) wohnte und 1287 starb. Hier nun fand er jene Gönner, die ihn zur Arbeit ermunterten und seine Werke belohnten: die Domherren Lütold von Röteln und Dietrich am Ort, den Ritter Peter Schaler, vor allem aber die Burger Johann von Arguel, Heinrich Merschant, Arnold Fuchs, Johann von Bärschwil, Heinrich Iselin. Sie haben ihm Liebe getan, rühmt Konrad, mit ihrer Gnade, mit ihrer Mildigkeit Sold ihm geholfen; auf ihren Wunsch geschieht es, daß er die schönen Legenden von Silvester und Alexius und Pantaleon dem Latein, den großen Roman von Partonopier und Meliur dem Französischen nachdichtet; bei der letztern Arbeit steht ihm Heinrich Merschant helfend zur Seite, welcher der beiden Sprachen Hort hat. In Worten voll warmen Gefühles weiht der Dichter diesen Gönnern und Freunden seine Schöpfungen, wünscht ihnen die Wonnen ewiger Seligkeit, verheißt ihnen, daß man ihrer gedenken werde, so lange diese Dichtungen leben.

Das Wesentliche aber, das diesen Stand auszeichnete und als solchen zusammenhielt, war der Sitz im Rate.

Hiefür wird auf schon Gesagtes verwiesen. Seit Heinrichs von Neuenburg Zeit scheint die Zahl von acht Ratsherren aus den Burgern als Norm zu gelten; die Burger besaßen damit das Übergewicht neben dem Bürgermeister und den vier Ratsherren von Rittern.

In solcher Weise vereinigte Gleichheit im öffentlichen Recht die beiden Stände. „Ritter und Burger haben der Stadt Ehre geschworen“ sagt König Rudolfs Stadtfriede. Gedeihen und Ansehen des gemeinen Wesens ruhten auf ihnen. Dem entsprach eine Gleichheit der sozialen Stellung. Eine schärfere Abgrenzung der Burger gegen unten, ein engeres Zusammenhalten mit den Rittern scheint zu der Zeit sich bemerkbar zu machen, da die Handwerker in das öffentliche Leben eintreten, durch Heinrich von Neuenburg herangezogen und begünstigt werden. Die Burger begannen [92] jetzt sich gleich den Rittern „Herr“ zu nennen; sie führten Siegel, so schön und stattlich wie nur je die Siegel der Edeln waren; wichtiger aber, daß zwischen Rittern und Burgern Ebenbürtigkeit anerkannt wurde. Heinrich Tanz verheiratete seine Tochter Gertrud dem Ritter Heinrich Kraft; Konrad Ludwigs hatte die Agnes von Titensheim zur Frau, den Heinrich Zerkinden zum Schwesterbruder, den Hugo Münch zum Schwiegersohn. Auch das alte Recht der Lehensfähigkeit wurde jetzt den Burgern vom König neu bestätigt, und seine Bedeutung darf nicht gering bemessen werden. Es befähigte diese Städter, ihr Vermögen in adligem Besitz auf dem Lande anzulegen, und vermochte daher mehr als Anderes, sie und ihr Gut der Stadt zu entfremden.

Diesem Zusammengehen mit den Rittern antwortete naturgemäß ein entschiedeneres Sichzusammennehmen im Innern selbst. Da der Bürgerbegriff jetzt seine exklusive Bedeutung verlor und nicht mehr an sich den geschlossenen Kreis der Ratsfähigen bezeichnete, ergab sich das Bedürfni seiner andern Form der Absonderung. Dies war die Stube. Dem in den Zünften sich aussprechenden Genossenschaftsleben analog verband auch sie Diejenigen, die gleiches Rechtes waren. Als rein gesellige Organisation bestand sie vielleicht schon seit längerer Zeit, jetzt wurde sie zum öffentlich-rechtlichen Verband. Möglicherweise geschah das Gleiche zur gleichen Zeit bei Rittern und Burgern, in Entstehung der beim Münster gelegenen Ritterstube zur Mücke und der bürgerlichen zum Brunnen im Petersquartier.

Das spezifische Wesen des Patriziats hat sich in dieser Periode ausgebildet, als Eigenart gegenüber dem gemeinen Manne, aber auch gegenüber dem Adel, nach dessen ritterlicher Art zu leben ersehntes Ziel war und von dem doch so viel Inneres, Angebornes, auch ein stolzes Gefühl alter Freiheit gegenüber diesen Dienstleuten schied.

Denn es ist nicht zu verkennen, daß in dieser Gesellschaft, ihr selbst vielleicht nicht völlig bewußt, doch viel Gegensätzliches gegen die Ritter, viel Verwandtsein mit den Zünften lebte. Diese waren rein städtisch wie die Burger. Die Tatsache des steten Strömens und Drängens von unten her trug auch dazu bei; sie brachte neue demokratische Elemente in diese Kreise hinein, und Diejenigen, die sich zu den Rittern gesellen konnten, nahmen Ambitionen mit sich fort, die dieser Gesellschaft im Grunde fremd waren. Aber weil der Zufluß von unten stets nur die Tüchtigsten und Ehrgeizigsten brachte, hielt sich der Charakter der Klasse auf einer Höhe; das Selbstgefühl des Emporkömmlings hinderte die Einzelnen am fernern Zusammengehen mit den Zünften, aus denen sie heraufgekommen.

[93] So ergab sich eine Zwischenstellung, deren Art und Bedeutung im einzelnen Falle allerdings schwankend sein mochte.

Hier lag auch die Ursache von Entzweiungen. Die Elemente, die so nahe beisammen standen, waren verschieden genug, daß es nur eines Anstoßes von außen bedurfte oder des kräftigen Auftretens eines Einzelnen im Innern, um sofort Faktionen zu schaffen. In den großen Parteihader von Psittich und Stern wurden auch die Burger mit hinein gerissen, und das Entstehen einer dritten Patrizierstube, derjenigen zum Seufzen, darf vielleicht auf solche Spaltungen zurückgeführt werden.

Wir sehen ein Gewirre von Leidenschaft und Verlangen vor uns; nur die Gestalt des Johann von Arguel tritt daraus erkennbar entgegen. Noch ein halbes Jahrhundert später lebte er in der Erinnerung des gemeinen Mannes als Derjenige, der zu seiner Zeit der Mächtigste in Basel gewesen; er war ein Volksführer, die Plebs hing ihm an, obwohl er zu den Burgern gehörte, als Vertreter ihrer Stube im Rate saß. Er war begütert, sein Haus stand an der Freienstraße; wiederholt wurde der mächtige und geschickte Mann als Schiedsrichter berufen, zum Pfleger des städtischen Spitals gewählt. Gleich Andern seines Standes gefiel auch er sich darin, der Mäcen eines Dichters zu sein; für ihn brachte Konrad von Würzburg die Legende vom heil. Pantaleon in Verse. Aber nicht in solchem Tun lebt sein Bild; wie er wirklich geartet war, zeigt sein Verfahren gegen St. Alban im Galgenstreit. Mit derselben harten Eigenwilligkeit fuhr er auch im Rate drein, den stolzen Rittern und dem Bischof entgegen; er war kein alter Basler, sondern ein Eingewanderter, durch seine Mutter, eine Winhart, mit den Angesessenen verwandt; aber seine Kraft hatte ihn rasch heraufgetragen, und unter den Burgern war nun er mit seinen Anhängern Johann Meier zum Schlüssel und Kuno zur Sonnen der Vertreter der Volksinteressen, der Begünstiger der Zünfte.

Außer ihm zeigt die Burgergesellschaft noch mannigfaltige Typen: den Johann Hurrebold z. B., der nach dem Tode seiner Frau Chorherr zu Münster wird; den all sein Hab und Gut dem Kloster Unterlinden zuwendenden Johann Apotheker; die Grundbesitzer Heinrich Tanz, Rudolf Fuchs und vor allem Wetzel Keller; die Merschant und Helbling, deren Namen schon auf den Beruf ihrer Väter weisen; die Jurassier von Gundolsdorf, die durch die bischöfliche Hofhaltung hindurch in die Bürgerschaft gelangt sind, nun im Rate sitzen und als Schultheißen des Rechtes walten; die erst spät, aber dann sofort mit Macht und Ansehen auftretenden zer Sunnen; endlich den Krämer Ludwig und seinen Sohn Konrad. Die Entwickelung [94] dieser Familie zeigt scharf das damals auf sozialem Gebiete Mögliche. Sie beginnt mit dem Krämer und führt das Geschlecht stetig aufwärts; zunächst noch ganz im Bereiche der Petersgesellschaft, unter Burgern und Kaufleuten; aber Ludwigs Sohn Konrad, durch Reichtum und persönliche Fähigkeit gehoben, begegnet uns immer häufiger in den vornehmen Kreisen, oft als der einzige bürgerliche Zeuge neben Edelleuten, bis er den letzten Schritt tut, das ritterliche Lehen von Hertenberg erwirbt und sich Edelknecht nennt.


Ritter und Burger waren zwei privilegierte Klassen, aber im Verhältnis zur Bevölkerung nur kleine Komplexe. Wir haben uns klar zumachen, daß, wenn sie auch in der Urkundenwelt dominieren, sie in der Wirklichkeit von einer wimmelnden Menge umdrängt waren, deren lautes tausendstimmiges Leben sie weit übertönte.

Diese Wirklichkeit, die an und für sich ja keines Zeugnisses bedürfte, ist doch auch in unserm Schrifttum nicht ohne Spuren geblieben. Schon frühe machen sich Basler geltend, die weder Ritter noch Burger sind: 1193 Gisilbert, Hugo von der Walke, Werner vom Runs; 1202 Eberhard Faßbind; 1213 Volkmar vom Steg, Eppo der Metzger; 1223 Dietrich, Konrad, Arnold u. s. w. Das sind nur Namen, nur ganz vereinzelte Personen, die zufällig aus der Masse hervortreten.

Noch im dreizehnten Jahrhundert zeigt uns die Einwohnerschaft den alten gemischten Zustand. Die Stadt umschließt alte und neue Einwohner, Freie und Hörige. Die letztere Klasse haben wir nicht allein auf den Grundherrschaften des Bischofs oder von Klöstern zu suchen, sondern auch unter dem Gesinde von Rittern und Burgern. Daß solche Eigenleute sogar das Bürgerrecht erwerben konnten, setzt das Bischofsrecht als möglich voraus. Wie aber im übrigen hinsichtlich der Einwanderung unfreier Leute verfahren wurde, wissen wir nicht. Die Regel richtete sich hiebei wohl nach dem Bedürfnis, und dieses war jedenfalls nicht immer dasselbe. Insbesondere darf von dem, was für die Gründungsstadt Kleinbasel galt und was dort nachweisbar geschah, nicht ohne weiteres auf Basel geschlossen werden.

Auch als Grundeigentümer stehen Ritter und Burger nicht allein da. Wir finden Eigen des Bischofs, der Stifter und der Klöster. Wir finden auch Auswärtige, sowohl Klöster als Laien, hier im Besitze freien Eigens. Ebenso Juden. Und dem entspricht, daß auch eingesessene Nichtbürger Eigen besitzen konnten. Spuren eines verbreiteten Eigentums in den Händen einzelner Laien sind auch die Einträge im Münsteranniversar über [95] die in alter Zeit dem Dom gemachten Schenkungen. Und endlich ist daran zu erinnern, daß überall da, wo ein reichgewordener Kaufmann oder Handwerker das Bürgerrecht erhalten wollte und auch erhielt, der Erwerb freien Eigens vorausgegangen sein mußte.

Vor allem aber haben wir auf Beruf und Tätigkeiten zu achten, wenn wir versuchen wollen, neben den ausgeprägten Bildern, in denen Ritterschaft und Burgerschaft sich uns darstellen, die sie umgebende Laienwelt uns zu vergegenwärtigen in der Fülle ihres Lebens, in ihrem Reichtum an Formen.


Den größten und wichtigsten Teil dieser Einwohnerschaft bilden die Handwerker. Nicht in Betracht fallen dabei solche Handwerker, die nur Haus- und Hofhandwerker waren. Diese arbeiteten als Gesinde eines Bischofs, eines Klosters, eines Herrn nur für dessen oder seines Haus- und Hofhaltes Bedarf, sowie für den Gutsbetrieb. Um eine erhebliche Zahl solcher Handwerker konnte es sich kaum handeln. Auch begegnen uns nur wenige Zeugnisse über sie; zu St. Alban ist vom Klosterbäcker und vom Klosterschmied die Rede, an einer anderen Stelle von den Bäckern des Domstifts, die zur Bereitung des Stiftsbrotes das Mehl auf der Stiftsmühle zu Brüglingen müssen mahlen lassen; das Namhafteste ist die Erwähnung der Zimmerleute, Maurer, Becherer, Bäcker usw. der bischöflichen Hofhaltung und Grundherrschaft.

Diesen Hofhandwerkern gegenüber, die wohl nur gewisse Betriebe vertraten, standen die städtischen Handwerker. Ob sie persönlich frei oder unfrei waren, ist hier nicht von Bedeutung; nur auf ihre wirtschaftliche Selbständigkeit kommt es an. Es ist nicht an eine durchweg tiefstehende und beschränkte Klasse zu denken. Diese Handwerker waren keineswegs von vornherein nur Kundenarbeiter oder Lohnwerker, sondern auch sie schon Händler, die in eigener Werkstatt und aus eigenem Stoffe für den Markt produzierten und hier die so gefertigte Ware zum Verkauf stellten. Unter den alten mercatores von Basel sind auch sie einzubegreifen. Und dami tist ihre wirtschaftliche und soziale Bedeutung gegeben, auch wenn sie nicht in Allen gleichmäßig wirksam sich äußerte.

Das Selbstgefühl und die Kraft, die in diesen Schichten lebten, treten doch vielfach zu Tage. Vor allem in der großen Ausgestaltung der Zünfte und in der ihr folgenden Teilnahme am öffentlichen Leben. Aber auch schon das frühe Auftreten von Handwerkern in Zeugenreihen neben Herren, [96] die Aufnahme Einzelner von ihnen in die Bürgerschaft, die Tatsache des Grundeigentums von Handwerkern sind Zeugnisse. Ihre Stellung im öffentlichen Leben wird hier schon frühe bezeugt durch die Tatsache einer Verfügung der gesamten Bürgerschaft, auch der Handwerker, über die Allmend 1260, zu einer Zeit, da z. B. in Straßburg nur die „Reichen“ über sie verfügen zu können glaubten. Und ein Beispiel aus dem Leben, das viel besagt, gibt die bekannte Erzählung Vitodurans vom Besuche König Rudolfs bei dem Basler Gerber. Ueberhaupt welcher Schwung und Glanz geht durch alle die Arbeit dieser Zeit! Immer wieder müssen wir, vom Urkundenlesen stumpf geworden, zur Besinnung kommen und uns sagen, daß diese Urkunden nur äußere Formulierung von Lebensvorgängen überliefern und auch sie nur von wie wenigen der vielen! Was in diesen Jahrzehnten Verkehr, Handel, Gewerbe, Tätigkeit irgend welcher Art heißt, trägt ein Gepräge der Größe. Gleich zu Beginn die gewaltige Tat des Rheinbrückenbaus gibt der Periode ihren Maßstab; der Bau des Münsters, die Errichtung neuer Kirchen und Klöster, der Neubau von St. Martin, die Bauten zu St. Leonhard werden begleitet durch eine starke private Bautätigkeit. Der Stadtboden innerhalb der Mauern wird dichter besiedelt; an die Stelle offener Hofstätten treten Häuser, die schon bestehenden werden vergrößert. Nicht nur die Mehrung der Bevölkerung, auch die Erstarkung des Erbzinsrechtes kommt in Betracht, die dem Beliehenen möglich macht, Geld auf sein Haus aufzunehmen und zu Verbesserungen zu verwenden. Rings um die Stadt aber wachsen Vorstädte aus dem Boden, füllen sich mit Leben, erhalten Mauern und Tore; und gegenüber, jenseits der Brücke, entsteht eine neue Stadt. Zwischen hinein geben gewaltige Brandkatastrophen den Anstoß zu wiederholter Verjüngung. Wie das ganze Wesen, Auffassung und Bedürfnisse sich hoben, zeigen die einzelnen Beispiele der Beseitigung von Geschlechtertürmen oder der in eben diesen Jahren eingeführten Wasserversorgungen; zu den alten Quellbrunnen des Birsigtals traten jetzt zwei große Herbeileitungen von Trinkwasser, durch das Domkapitel 1266, durch das Stift St. Leonhard schon früher.

Das Wachstum der Stadt, das Gedeihen des Handels und Handwerks, die Zunahme des Verkehrs finden ihren Ausdruck in einem sich Steigern und Herrlicherwerden des Lebens überhaupt. Was jene kostbare Schilderung der zu Beginn des Jahrhunderts gewesenen Verhältnisse gibt, ist durch den Verfasser bewußt in Gegensatz gestellt zu den Zuständen seiner eigenen Zeit. So malt er, wie früher die Stadt Basel gering an Mauern und Gebäuden gewesen sei, wie auch die guten und festen Häuser nur wenige [97] kleine Fenster gehabt hätten. Der Rhein war ohne Brücke, das Land in Waldung begraben; es gab viele Fischer, aber nur wenige Kaufleute und Handwerker. Die letztem waren noch einfältig in ihrer Kunst: beim Hausbau wurde noch kein Gips verwendet, die Wagen waren noch nicht mit Eisen beschlagen usw.

Die Art unseres Quellenmaterials macht freilich unmöglich, irgendwie umfassend von diesen Dingen zu reden. Nur auf wenige Einzelheiten kann hingewiesen werden. So z. B. daß gewisse Berufe auch durch Frauen ausgeübt werden; wir finden Weberinnen erwähnt. Die Genossenschaft der Rümelinbachlehen, aus Sarwürkern, Müllern und Schleifern gebildet, wird zum ersten Male 1280 genannt; der Bach selbst ist älter. Auch Wirte treten jetzt mit Namen auf: Heinrich von Schliengen, Hermann von Biel, der Tavernenwirt Nordwin in der Spalen; ebenso schon, völlig unbefangen unter den Zeugen einer Urkunde von Konrad Ludwigs, der Frauenwirt Burchard von Aesch. Badstuben werden erwähnt. Zahlreiche Angaben über Gärten und Gärtner, über Scheunen, Trotten, Rebgelände, der Hinweis auf die im Stadtbann geltenden Ackerbaugesetze zeigen die stark entwickelte landwirtschaftliche Seite dieses Lebens. Auf die Biersiederei deuten wohl der Hopfen im Bäckerweistum 1256 und der Geschlechtsname Metter. Von einer Seidenindustrie, wie eine solche damals z. B. in Zürich bestand, findet sich hier allerdings keine Spur. Dagegen darf an Jenen nicht vorbeigegangen werden, die uns als die frühesten mit Namen zu nennenden Künstler Basels gelten dürfen. Es sind die Maler Berthold 1259, Gottfried, Ludwig von Mainz 1290, Hugo Lembli 1296. Sodann in dieser wichtigen Bauperiode die Steinmetzen Korentachs, Burchard von Delsberg, Arnold von Mülhausen 1293, Hermann 1284, Pirrin von Enschingen 1284, der am Bau von St. Martin tätige Magister Werner, und beim Klingental der Bruder Johann. Die Büste des heil. Pantalus und der Kelch des Gottfried von Eptingen, beide Stücke einst Zierden des Münsterschatzes, verkünden noch heute den Ruhm der damaligen Basler Goldschmiedekunst; als solche Künstler werden genannt Heinrich Liebauge 1270 und 1280, Rudolf von Rheinfelden 1296, Johann von Zürich 1298, und als frühester der bei St. Peter angesessene Helivic.


Das sind zusammenhangslose und darum wenig besagende Notizen. Reicheren Aufschluß gibt die Ueberlieferung über die Zünfte. Mit diesen findet in der rudolfinischen Zeit eine erste Entwickelung des Basler Handwerkerstandes ihren Abschluß.

[98] Es wird an die schon früher ausgesprochene Annahme erinnert, daß in Basel Handel und Verkehr der Römerzeit sich auch nach der germanischen Eroberung behauptet und in neue Staatsordnungen herüber gerettet haben. Das diesem Ort eigentümliche Leben eines hochwichtigen Transitplatzes machte jederzeit die Anwesenheit von Handwerkern nötig; ihm konnten die im Hofverband einer Herrschaft stehenden und nur für diese arbeitenden Handwerker nicht genügen. Das reichere Treiben des von allen Seiten zu- und durchströmenden Verkehrs verlangte nach Markthandwerkern, die jederzeit vorhanden waren und allen Bedürfnissen gerecht werden konnten. Das städtische Wirtschaftsleben schuf einen städtischen Markt.

Dieser Markt ging mit der gesamten Herrschaftsgewalt an den Bischof über. Der Bischof erscheint seitdem als Marktherr; das Bischofsrecht kennt ihn als solchen; er handhabt Maß und Gewichte.

Die Gewalt des Marktherrn übte der Bischof unmittelbar auch diesen städtischen Handwerkern gegenüber, in Beaufsichtigung der Arbeit wie des Verkaufes. Es war eine Aufsicht, die der gleichfalls vom Bischof geübten Lebensmittelpolizei analog war, im selben Rechte wurzelte, wohl auch durch dieselben Beamten gehandhabt wurde.

Für die Entstehung der Zünfte ist diese Polizei des Marktherrn jedenfalls von Bedeutung gewesen. Hier lagen starke Keime von Organisation und Verwaltung. Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben. Der Wille der Obrigkeit war nicht die einzige Gewalt. Neben ihr wirkte der Wille der Handwerker selbst, das Einungsstreben, der Drang, der allenthalben Genossen schuf. Wir dürfen nichts Ausschließliches sehen wollen. Denn nicht Prinzipien und juristische Definitionen bilden das Leben; es ruht auf Willkür, Möglichkeiten, freiem Wechsel der Kräfte, und ist überhaupt nicht jedenfalls etwas Rationelles.

Ein Zeugnis der vom Bischof geübten Marktaufsicht ist das Bäckerweistum von 1256. Dieses spricht aus, welche Rechte der Vitztum, der Brotmeister und die städtischen Bäcker gegenseitig haben. Die beiden Erstgenannten sind bischöfliche Beamte, der Vitztum der höhere, übergeordnete; der Brotmeister führt die Aufsicht im Einzelnen, übt die Brotschau, unter Beiziehung von Sachverständigen aus dem Handwerk, hat eine Gerichtsbarkeit bei Streit unter den Bäckern, Müllern und ihren Knechten, außer den Fällen, wo es an blutige Hand geht. Was er nicht schlichten kann, geht an den Vitztum, von diesem an den Bischof selbst. Will ein Bäckerknecht das Gewerbe auf dem Markt selbständig ausüben, so wird seine Tauglichkeit durch den Brotmeister in einer Versammlung [99] aller Bäcker geprüft; für die Aufnahme zahlt er Gebühren, auch an die Gemeinschaft der Bäcker für ihre Kosten bei dieser Versammlung. Für das Feilhalten von Brot hat jeder Bäcker ein jährliches Marktgeld zu entrichten, sowie bei Eröffnung eines neuen Ofens eine Abgabe für das Ofenrecht. Die in den Vorstädten und in Kleinbasel wohnenden Bäcker zahlen jeweilen nur die Hälfte.

Außer Vitztum und Brotmeister war aber auch der Schultheiß an der Aufsicht über das Brotgewerbe beteiligt; worin wir einen Rest der allgemeinen Marktpolizei erkennen dürfen, die dem Schultheißen zustand, hier aber im übrigen durch die Spezialordnung des Brotmeisters ersetzt wurde. Eine solche Spezialordnung entsprang der besondern Sorgfalt, die man dem ersten aller Lebensmittel, dem täglichen Brote schenkte; aus dieser erklärt sich auch die späte Aufzeichnung des Weistums. Der Bischof wünschte in der Zeit allgemeiner Organisation der Gewerbe in Zünften sich seine gesonderten Befugnisse gegenüber den Bäckern durch diese Kodifikation zu sichern; dieses Sonderrecht dauerte in der Tat noch lange weiter, in einer Zeit, da für dieselben Bäcker Zunft und Zunftrecht bestanden. Noch 1323 wurde es ausdrücklich erneuert, und eine Kundschaft von 1400 zeigt, daß auch da noch Recht und Gericht des Brotmeisters in alter Art bestanden.

Einrichtungen dieser Art sind für kein anderes Gewerbe in Basel nachzuweisen. Das Bestehen von „Aemtern“, d. h. marktherrlichen Handwerksämtern, obrigkeitlich geschaffenen Gruppen zum Zwecke der Marktaufsicht ist außer bei den Bäckern nicht bezeugt. Aber die Ueberlieferung ist vielleicht eine lückenhafte; wenngleich das Bäckergewerbe eine eigenartige Behandlung verlangen mochte, so konnte doch auch über die andern Gewerbe eine organisierte Marktpolizei geübt werden.

Nur als Parallelerscheinung zu einer solchen Gruppierung des Handwerks in der Organisation kann seine örtliche Gruppierung gelten. Diese bildete eine Erleichterung von Aufsicht und Kontrolle und mochte daher in der Tat durch die Obrigkeit veranlaßt worden sein. Aber nicht ausschließlich durch sie. Auch die Gewerbe selbst hatten ein unmittelbares Interesse an solcher Gruppierung. Daß die dasselbe Handwerk Treibenden ihre Verkaufsstellen und im Anschluß an diese meist auch Werkstätten und Wohnungen örtlich beisammen hatten, entsprach ihren eigenen Wünschen, hatte für sie Wert als Regelung der Konkurrenzverhältnisse, indem sie sich so gegenseitig unter den Augen hatten. Es entsprach zudem den Interessen der Kunden, die eine Auswahl der gesuchten Ware an einem Orte vereinigt zu finden wünschten.

[100] Diese Topographie der Gewerbe in Basel stellt sich folgendermaßen dar: Die Marktplätze dienen dem Verkauf von Lebensmitteln, während der eigentliche Handwerksmarkt ein Markt durch die ganze Stadt ist, sich durch die Gassen von der Rheinbrücke und von der Birsigmündung aufwärts bis zum Eintritt des Birsigs in die Stadtmauern hinzieht. Er füllt den größten Teil des städtischen Birsigtals. An die Eisengasse schließt sich die Gasse der Sporer, und unmittelbar bei diesen sind die Sattler in einer Gasse vereinigt. Den langen Straßenzug vom Kornmarkt aufwärts, zwischen Birsig und Rümelinbach, nehmen die auf Benützung dieser Gewässer angewiesenen Ledergewerbe ein: die Permenter, die Gerber, die Schuster. Die Freiestraße trägt diesen alten Namen nur noch auf einer kleinen Strecke; wie sie unten zur Eisengasse geworden ist, so hat sie vor ihrer Einmündung in den Kornmarkt ihren Namen von den hier arbeitenden und feilhaltenden Becherern. Die Schmiede lärmen längs der den Abhang sich hinauf ziehenden Straße ins Elsaß (Spalenberg); abseits, zwischen ihnen und der Leonhardskirche, finden wir die Weber angesiedelt.

Das sind die alten Basler Handwerkergassen. In ihnen verkaufte jeder Meister für sich allein; aber wir finden auch Lauben als im Eigentum der Genossen stehende Lokale, die zugleich die Zunftstuben trugen, so die Laube der Gerber beim Richtbrunnen an der Gerbergasse, die Lauben der Kürschner und der Grautücher in der Nähe der Sporer. Bei den Letztern auch die Schol mit den Fleischbänken; hier in der Nähe des Kornmarktes wurde im gedeckten Raume das gute Fleisch verkauft, das geringere davor, extra tecta.

Aber stabil und gleichbleibend dürfen wir uns diese Gruppierung nicht denken. Ein Wandern ganzer Gruppen ist nicht zu verkennen. Die Eisengasse und die ihr nahe Gasse unter den Bulgen (Ledersäcke u. dgl.) bezeugen einen frühern Zustand; die Ansiedelung der Schmiede am Spalenberg, der Ledergewerbe beim Rindermarkt ist etwas Späteres. Auch bei Einzelnen läßt sich ein Durchbrechen des Gefüges vermuten. Wie die Stadt wuchs und sich umbildete, verschoben sich auch diese Zusammenhänge; ein bezeichnendes Symptom hiefür ist das Wandern der Zunfthäuser talaufwärts. Die Häuser der Gerber, Schneider und Gärtner freilich standen wohl schon seit Beginn in der Gerbergasse, an der Stelle, die sie bis zu ihrem Untergang im Jahre 1874 innehatten. Aber die Zunfthäuser, die wir später an der Freienstraße sehen, befinden sich zu Beginn in den untern Stadtteilen: Grautücher und Rebleute bei den Sporern, die Hausgenossen am Fischmarkt. Auf gleiches deutet, daß auch die andern Zunfthäuser des [101] obern Gebiets erst spät von ihren Zünften erworben wurden: 1377 Weinleute, 1384 Scherer Maler und Sattler, 1404 Schlüssel, 1411 Schmiede, 1423 Safran.

Neben den Handwerksgassen finden wir die Marktplätze, den Fischmarkt, den Kornmarkt; auf dem letztern fand auch der Weinverkauf statt. Für Obst, Gemüse, Käse, Holz, Heu, Stroh usw. wurde der Markt auf dem Platze vor dem Münster abgehalten, was sich wohl daraus erklärt, daß es sich hiebei in früherer Zeit größtenteils um Produkte bischöflicher oder stiftischer Güter handelte und diesen zulieb der gesamte Viktualienhandel auf Burg zentralisiert wurde. Im übrigen war doch der Schwerpunkt des Verkehrslebens im Birsigtal, und zwar in dessen unterem Teil. Das Bestehen der Fronwage und der Wechselbänke am Fischmarkt, des Münzgebäudes auf dem Kornmarkt spricht deutlich dafür.

Machen wir uns das Zusammenwirken aller dieser Faktoren klar: das Nebeneinanderwohnen, Nebeneinanderarbeiten, Nebeneinanderfeilbieten; das zusammenfassende Verfahren bei der Kontrolle der Beamten; die Warenschau unter Zuziehung von Ausschüssen aus dem betreffenden Handwerk usw. Wie viel Anlaß bot sich nicht, der das Bewußtsein gemeinsamer Interessen stärkte, das Verlangen nach selbständigem Gebahren jeder Gruppe weckte. Dazu in Jedem mit der Gewalt eingeborner Kraft wirkend der genossenschaftliche Geist. Alles drängte in dieser Richtung. Eine weitere Förderung hiebei bot noch die Bruderschaft.

Diese war nicht Wurzel und nicht notwendige Begleitung weder einer frühern Gemeinschaft noch der spätern Zunft. Aber sie gewährte Denen, die in der harten Arbeit des Tages sich gleich waren und nun auch in der Richtung auf das Ewige und Heilige beisammen stehen wollten, die Form. So konnten die Handwerker gleicher Art vereinigt sein in der Verehrung der Mutter Gottes, in Begehung der Andacht; sie übernahmen die Ausstattung des großen Leuchters droben im Münster mit Kerzen. Keine Notwendigkeit war die Bruderschaft, aber sie wird kaum einem Gewerke gefehlt haben. Und da sie nicht nur für den Gottesdienst bestand, sondern auch für gegenseitige Hilfe und auch der Geselligkeit Raum bot, so schuf sie den “Brüdern“ eine reiche Fülle von Gemeinsamkeit, von Ordnung und Eigenart. Sie leitete sie auch ihrerseits dazu an, auf dem Gebiete der Gewerkspolizei sich selbständig zu machen; sie gab sodann für die neue Schöpfung, die Zunft, auch den Namen.

Auf solchen Wegen gelangten die Handwerker zur Bildung der Zünfte. Die letzte Stufe vor diesem Abschluß einer langen Entwicklung zeigt uns [102] die Angehörigen eines Gewerbes schon gemeinsam handelnd und Beschlüsse fassend, gemeinsam dem Bischof gegenübertretend. Was verlangten sie?

Schließung ihres Handwerks und zu wirksamer Durchführung dieser Maßregel Meister aus ihrer Mitte.

In den Stiftungsbriefen der Zünfte ist der Gegensatz, ist der Schritt der zu tun war, deutlich ausgesprochen: vom opus zur societas, vom antwerk zur Zunft. Die Willensäußerung, die dem zu Grunde lag, war das condictum, die Vereinbarung, die Abrede der Berufsgenossen.

Erforderlich war, daß der Bischof, Herr der Stadt und des Marktes, seine Zustimmung hiezu gab, das Condikt bestätigte. Er tat dies; Bischof Heinrich von Thun machte damit den Anfang.

Derselbe Bischof, der auf der ganzen Linie für die Rechte seiner Kirche eintrat, der den städtischen Rat unter seinen Willen beugte, erscheint auch hier als Ordner und Gesetzgeber. Das Motiv seines Handelns, mit den Absichten der Handwerker selbst sich deckend, ist klar erkennbar. Er trat der Willkür entgegen und sorgte zugleich für seine Stadt. Er schuf eine forma sanior, ein forum eminentius et melius, zu Ehre und Nutzen der Stadt. Wer ein Gewerbe zur Herstellung feiler Ware ausüben wollte, ward verpflichtet, der Zunft dieses Gewerbes beizutreten, in der Meinung, daß dieser Beitritt nur auf Grund eines Tüchtigkeitsausweises möglich sein sollte. Was man mit dieser Vorschrift erstrebte, war Steigerung des handwerklichen Könnens, Verbesserung und Bereicherung des Marktes, Hebung des Platzes Basel.

Die erste Zunfturkunde fällt in das Jahr nach der berühmten Urkunde über den Bau der Rheinbrücke. Der wirtschaftliche Aufschwung Basels in diesen Jahrzehnten stellte erhöhte Forderungen an den Markt; die Käufer mehrten sich; die Absatzgebiete wurden erweitert; eine starke Zuwanderung schuf nicht nur neue Anregungen und Bedürfnisse, sie brachte auch Handwerker in die Stadt, die als Pfuscher oder als unwillkommene Konkurrenten gelten mochten. Allen diesen Verhältnissen entsprach die Bildung der Zünfte; sie schuf ein wichtiges Stück neuen Lebens im Lebensreichtum dieser Zeit.

Wir besitzen sieben Zunftstiftungsbriefe; sie verteilen sich auf einen Zeitraum von fünfzig Jahren und auf vier Bischöfe: Heinrich von Thun gab 1226 den Kürschnern den Brief, Lütold von Röteln 1248 den Bauleuten (Maurern, Gipsern, Zimmerleuten, Faßbindern, Wagnern) und den Metzgern, Berthold von Pfirt 1260 den Schneidern, Heinrich von Neuenburg 1264/69 den Gärtnern (Gärtnern, Obstern und Menkellern), 1268 [103] den Webern und Leinwetern, 1271 nochmals den Bauleuten (Maurern, Gipsern, Zimmerleuten, Faßbindern, Wagnern, Wannenmachern, Drechslern).

Die Reihe ist aber nur eine zufällig erhaltene. Im Jahr 1250 sehen wir, neben den Kürschnern Metzgern Bauleuten, auch die Bäcker, die Schuster, die Gerber in Verbänden auftreten, die wir als Zünfte nehmen dürfen. Ein Zunftmeister der Schmiede begegnet im Jahre 1255.

Um die Mitte des Jahrhunderts scheint die Zunftbildung der Hauptsache nach abgeschlossen gewesen zu sein. In der Handfeste wurden die Zünfte insgesamt als zu Recht bestehend anerkannt; Bischof Lütold war dabei genannt als ihr Hauptgründer. 1260 bezeugte Bischof Berthold ausdrücklich, daß beinahe alle Handwerker seiner Stadt Zünfte hätten. Doch gab es auch jetzt noch eine Reihe von Berufen, die in keiner Zunft organisiert waren; die Rebleute, die Fischer, die Schiffleute wurden erst im vierzehnten Jahrhundert zünftig.

Allen diesen Privilegien gemeinsam ist das Charakteristicum des Zunftzwangs. Dieser ist es, der an die Stelle der alten lockern Gemeinschaft oder des marktherrlichen Amtes die Zunft setzt. Er ist Ausgangspunkt und Hauptinhalt des condictum, der Zwischen den Gewerksgenossen getroffenen Verabredung. Wer aus ihrem opus, ihrem Handwerk, in ihre societas, ihre Zunft übergehen will, kann dies erlangen durch Zahlung der Eintrittsgebühr; wer aber der Zunft nicht beitreten will, der ist von allem Arbeiten nach seinem Gutdünken, vom Markte und von der Gemeinschaft der Handwerksgenossen völlig ausgeschlossen. Die Maßregel richtete sich gegen die Fremden sowie die Unfähigen und Pfuscher; zu ihrer Handhabung aber war ein mit dem Handwerk und mit dem Vertrieb der Produkte durchaus vertrauter Vorsteher erforderlich, und deshalb ging mit der Etablierung des Zunftzwanges Hand in Hand die Aufstellung eines aus dem Handwerk selbst genommenen Zunftmeisters. Anfangs stand die Wahl dieses Meisters beim Bischof; zum erstenmal in der Schneidernurkunde 1260 ist sie der Zunftgemeinde zuerkannt. Kompetenz des Zunftmeisters ist Leitung und Regierung, nötigenfalls auch Bestrafung der Zünftler.

Mit in die Zunft herübergenommen wurden die bruderschaftlichen Beziehungen. Sie fanden in den Stiftungsbriefen ihre Fixierung, vielleicht unter Ausgleichung von Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Gewerken. An eine neue Einrichtung ist nicht zu denken, namentlich auch nicht an eine erst jetzt stipulierte Gegenleistung kirchlicher Art für das vom Bischof erteilte Privileg.

Etwas Neues aber war der Ministerial, den der Bischof jetzt über die Zünfte setzte. Vielleicht nicht für jede Zunft einzeln, sondern einen [104] einzigen über alle zugleich. Er wurde jährlich gewählt und sein Auftrag war, die neue Ordnung einzurichten und zu handhaben, wenn nötig zu korrigieren. Er war Hüter des Condikts gegen außen, zugleich Vertreter der Rechte des Bischofs gegenüber der Zunft. Aber wie diese Rechte verblaßten, verschwand auch dieser Zunftregent. Die Schneidernurkunde, die ja auch darin einen Punkt der Entwicklung markiert, daß sie das Condikt und dessen Approbation nicht mehr erwähnt und die Wahl des Zunftmeisters der Zunft gibt, nennt den Ministerial nicht mehr. Die ersten Anfänge waren vorüber; die Sache stand als eine gefestete und bewährte da.

Drei Zunfturkunden sind durch Heinrich von Neuenburg erlassen worden; sie zeigen eine neue Behandlung. Deutlich spricht sich in ihnen die politische Denkweise des Fürsten aus. Er gibt das Privileg nicht wie seine Vorgänger nur unter Teilnahme von Domherren und Ministerialen, er zieht Rat und Gedigen auch heran. Er schließt ein Bündnis mit der Zunft, unter gegenseitigem Gelöbnis der Hilfe in allen Nöten. Auf der Grundlage der Allianz folgen sodann die Bestimmungen, im einzelnen von denjenigen der früheren Periode wenig abweichend; aber wie die Sprache, so ist die ganze Auffassung eine andere. Die Stellung der Zunft im Gemeinwesen, unter ihrem Banner, als Verbündete des Bischofs, ist eine merkwürdig gehobene; ihr entspricht die innere Selbständigkeit. Sie hat nun das Recht, neben dem Meister sich einen Ausschuß von Sechsern zu wählen. In dem schönen prägnanten Deutsch dieser Urkunden wird der Zunftzwang nicht mehr formuliert als der Ausschluß der sich nicht Fügenden, sondern positiv und energisch als das Hereinzwingen eines Jeden, der sich mit dem antwerk bigat.

In dieser Weise hat Bischof Heinrich die Zünfte der Gärtner und Weber organisiert; wie er, in bemerkenswerter Weise, der Bauleutenzunft einen Brief gab als Erneuerung und Umformung ihres alten Lütoldischen Privilegs, so verfuhr er vielleicht auch gegenüber andern schon bestehenden Zünften.

Mit diesen Stiftungsbriefen und den Erwähnungen einzelner Meister und Zünfte ist aber die Zunftreihe, wie sie vom vierzehnten Jahrhundert an vor uns steht, noch nicht gefüllt. Es fehlen noch die vier sogenannten Herrenzünfte (Kaufleute, Hausgenossen, Weinleute, Krämer), die Rebleute (Grautücher), die Scherer Maler Sattler, die Fischer und Schiffleute.

Hierüber ist folgendes zu sagen:

Die Fischer und Schiffleute erhielten erst am 15. Februar 1354 eine Zunft.

[105] Die Scherer finden wir schon im Jahre 1274 im Rate repräsentiert, durch Hiltwin den Scherer. Am 6. Mai 1361 sodann erneuern Bürgermeister und Rat der Zunft der Scherer Maler Sattler und Sporer die Gesetze, „die sie von Alters gehabt und hergebracht haben“, deren Urkunde aber im Erdbeben untergegangen ist.

Die Grautücher waren die Wollweber, von den Leinenwebern der Weberzunft unterschieden. Wann und unter welchen Umständen sie eine Zunft wurden, wissen wir nicht. Ihre Laube, neben der Kürschnerlaube gelegen, wird zum ersten Male 1306 genannt. Gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts wurden der Grautücherzunft die bis dahin unzünftig gewesenen Rebleute angegliedert. In der Folge schieden die Grautücher aus dieser unnatürlichen Verbindung aus und gingen zu den Kaufleuten, später zu den Webern über. Ihre alte Zunft blieb den Rebleuten allein.

Mehr zu sagen ist über den Ursprung der Zünfte der Kaufleute und der Krämer.

Das nicht ritterliche Laienelement der Stadt präsentiert sich zuerst in den Gestalten von Kaufleuten, Tuchmachern, Wechslern, Krämern. Auch da die Burgensen sich von den Rittern sondern, stehen bei jenen der Wechsler Friedrich und der als Hauseigentümer an der Eisengasse wiederholt genannte Krämer Berthold.

Dies ist ein deutlicher Fingerzeig. „Handel und Gewerbe sind das, was die Städte gemacht hat.“ Auch Basel war vor allem Kaufmannsstadt, ist als solche erwachsen. Wie jetzt, da diese Städter zum ersten Mal einzeln und erkennbar hervortreten, sie Handeltreibende sind, so waren auch einst die Ersten, die an diesem Orte städtisches Leben zeugten und leiteten, Handeltreibende.

Daher liegt der Kern der Stadt am Rheinufer und am untersten Birsiglauf, wo Bodengestaltung und Flußverhältnisse die Straßen beider Gestade zusammenführten. Hier in der Niederung und an dem ihr zu gewandten steilen Abhang des Burghügels sowie die breite Halde gegen das Elsaß hinan lagen die Wohnungen und Kontore, die Transporteinrichtungen, die ältesten Herbergen, standen die Frohnwage, die Wechselbänke, die Salzkästen. Die Gasse, die aus diesem Handelsviertel zur Elsässer Landstraße hinauf führte, hieß Krämergasse. Ein altes Heiligtum des Quartiers war die Kapelle St. Brandans, des irischen Mönchs und Patrons der Seefahrer. Auch St. Niklaus, dem zu Ehren gleichfalls eine Kapelle in diesem Stadtteile sich erhob, war Schutzheiliger der Schiffer. Wie diese Kulte auf die bis übers Meer reichenden Straßen des großen Handels [106] hinweisen, so die ebenfalls hier lokalisierte Ursulalegende auf Beziehungen zu Köln.

Dieses Bild wird durch Nachweisungen von außen her ergänzt. Die in den Büchern St. Blasiens aufbewahrte Geschichte von dem reichen Basler Kaufmanne Heinrich, der Güter über Meer exportierte und dafür ausländische Waren, Gewürze und Spezereien herbrachte, die Erwähnung der mercatores von Basel im Allensbacher Privileg von 1075, von Basler Rheinschiffen in der Koblenzer Zollordnung von 1209 sind solche Zeugnisse. Sie weisen uns zum mindesten Bahnen und Ausdehnung des Verkehrs. 1216 wird ein Arnulfus von Basel in Genua betroffen, der dort Glas importiert; Basler Leinwand ging 1248 auf dem Schiffe San Spirito von Marseille nach Accon; in Bar-sur-Aube, wo die großen Messen der Champagne abgehalten wurden, stand ein Basler Hof für die Kaufleute unserer Stadt, eine maison de Baale.

In den solchergestalt durch ein buntes arbeitsames Leben bewegten Gassen der Kaufleute und Krämer fanden wir auch schon die Heimat der Burgerfamilien. Es wurde schon ausgesprochen, daß diese Patriziergeschlechter zum guten Teil aus den alten Kaufleuten herausgewachsen seien.

Dieser Zusammenhang tritt uns auch deutlich vor Augen, wenn wir sehen, daß neben Burgern und mit ihnen gemengt, sozialer Verwandschaft wie örtlicher Nachbarschaft gemäß, nichtburgerliche Handeltreibende stehen, wie Hugo und Ulrich Merschant, Arnold und Peter Wucherer, die Krämer Ludwig und Heinrich, Johannes Choufman, die Walker Hugo, Johann, Heinrich, Dietrich, Hugo der Cheger usw. Es sind die Vertreter der Handels- und Verkehrsgewerbe samt dem Gewerbe der Tuchmacher; nicht Burger, aber auf der andern Seite von den früh genannten Metzgern, Kürschnern, Schuhmachern u. drgl. sich scharf abhebend. Sie finden dann in den Zünften Schlüssel und Safran endgültig ihre Organisation. Sie stellen die „Mittelklasse zwischen den Burgern und Handwerkern“ dar, welcher Stellung später ihre Titulatur als „Herren“ unter den Zünftlern entspricht.

Den Gang der Entwicklung zu diesem Ziele dürfen wir uns so denken: am Beginne steht ein alle diese Handelsleute umfassender Verband, etwa in der Art der anderwärts nachweisbaren Kaufmannsgilden. Hiefür sprechen allgemeine, in der Sache selbst liegende Gründe. Außerdem aber scheint ein äußeres Kennzeichen solcher Zusammengehörigkeit vorzuliegen; das Wappenbild der Lilie nämlich, das in den Wappen zahlreicher Geschlechter des Patriziats und zu Schlüssel und Safran zünftiger Familien [107] sich findet. Sein Vorkommen ist ein auffallend verbreitetes und erhält besondere Bedeutung dadurch, daß es auch im Wappen der Safranzunft selbst steht. Der Gedanke an ein ursprünglich gemeinsames Zeichen und an alten Zusammenhang ist daher nicht wohl abzuweisen. Dieser Verband aller Kaufleute, der zur Vertretung gemeinsamer Interessen, zur Geselligkeit, zur Hilfe in Not dienen mochte, dauerte aber nur solange, als der Kaufmannsstand sich noch als Einheit fühlen konnte. Dies war nicht mehr der Fall, wenn auch beim Handwerk einzelne Betriebe, z. B. der Eisenhandel, größere Ausbildung erlangten. Dies mußte innerhalb des allgemeinen Verbandes zur Spezialisierung führen. Die Genossen gingen auseinander. Nach der einen Seite schieden die Burger aus, nach der andern Seite gliederten sich einzelne Berufe den Handwerkern an oder schlossen sich zu eigenen engern Verbänden zusammen. Diese ganze Umgestaltung fiel wohl mit der Entstehung der Zünfte zeitlich zusammen.

Auf solchem Wege scheinen Schlüsselzunft und Safranzunft entstanden zu sein. Die letztere war die Zunft der Krämer und namentlich der mit Spezereien Handel Treibenden, die erstere die Zunft der Tuchhändler, der Gewandschneider, mit all dem Ansehen ausgestattet, das den Vertretern dieses Handelszweiges durchweg zukam. Aber ihr offizieller Name „Kaufleutenzunft“ hielt die Erinnerung an ihre Vorgeschichte fest, an die alte Basler Kaufleutengilde, aus der sie hervorgegangen.

Als früheste Spur dieser beiden Zünfte darf vielleicht die große Allmendurkunde von 1250 gelten, in der neben den Handwerkergruppen der coartifices eine aus Walther vom Stern, Werner und Burchard Rot, Arnold Fuchs und Winhart bestehende Gruppe steht. In der Ratsliste 1274 sodann würden unter Jakob Stamler, Johann Steblin, Walther Winhart und Wilhelm an der Freienstraße die Beisitzer dieser beiden Zünfte im Rat zu sehen sein.

Weiterhin die Hausgenossenzunft. Es findet sich gleich zu Beginn ein Doppeltes: die vom Bischof für Ausübung seines Münzrechts bestellten Beamten (Münzmeister, Münzer, Münzknechte) und die Gewerbsleute, denen der Bischof das Wechselrecht erteilt hat. Die Aufzeichnung über das Bischofsrecht, die Kategorieen bestimmt auseinanderhaltend, zeigt die Regelung dieser Verhältnisse. Der Münzmeister, der bei Anfertigung der Münze unter der Kontrolle des Schultheißen steht, wacht seinerseits über die Münze in der Stadt und im ganzen Bistum und straft die Falschmünzer. Aber weil die Ausübung des Münzregals nur möglich war, wenn der Bischof auch allen Kauf und Verkauf von Silber in seiner Gewalt hatte, [108] so standen Wechselgewerbe und Silberhandel unter obrigkeitlicher Konzession: die Wechsler wurden zu Organen für Förderung wie Ueberwachung des Münzverkehrs gemacht. Verletzung der ihnen hierüber erteilten Vorschriften stand unter derselben großen öffentlichrechtlichen Strafe von drei Pfund, wie das Eingreifen Dritter in ihre Konzession. Das Recht, Silberwage zu halten, wurde außer ihnen nur noch den Goldschmieden zuerkannt, soweit es diesen zu ihrer Kunst geziemte. Wie enge verknüpft das in solcher Weise reglementierte Wechslergewerbe mit der bischöflichen Regierung war und welche Erheblichkeit ihm beigemessen wurde, zeigt die Bestimmung, daß auch die Wechselbänke des Privilegs der Immunität genossen; unter ihrem Dache sollte Jeder Friede haben und Niemand vor Recht geladen werden.

Dieses Zusammengefaßtsein unter derselben obrigkeitlichen Konzession und Aufsicht, dazu die Gleichheit des Gewerbes, mußten notwendig zur Bildung eines Verbandes führen. Einen solchen sehen wir im officium campsorum des Lehenbuchs, zu dem der Bischof, in gleicher Weise wie zu dem officium der gleichfalls von ihm kontrollierten Bäcker, einen seiner Beamten deputiert. Dieser Beamte konnte der Natur der Geschäfte entsprechend nur der Münzmeister sein. In der Organisation dieses Verbandes stellten die Wechsler die Unveräußerlichkeit ihres Rechts und die Geschlossenheit ihrer Genossenschaft auf. Kein Genosse sollte sein Recht verkaufen oder vergeben. Niemand sollte mehr Zutritt erhalten als die ehelichen Söhne der Genossen selbst; dem Bischof wurde nur zugestanden, daß er beim Amtsantritt befugt sei, einen „ehrsamen Mann“ in den Kreis hineinzubringen.

Im Jahre 1289 kam es zwischen den Wechslern und Bischof Peter zu endgültiger Verständigung über diese Angelegenheiten. Der Bischof erteilte den Hausgenossen — dieser Name, der nicht etwa ein Verhältnis zum Bischof, sondern das Zusammenarbeiten der Genossen in demselben Amt und Haus bezeichnet, findet sich jetzt zum ersten Male gebraucht — die Bestätigung ihrer Gesellschaft, ihrer Gewohnheiten und ihrer Statuten. Was er dabei außer diesen zur Sprache brachte, betraf ihre Beziehungen zum Edelmetallverkehr. Von der Münze selbst aber, welches Regal ja nicht in Frage stand, ist so wenig die Rede wie von der innern Organisation der Hausgenossen, die als solche den Bischof nicht berührte. Die Urkunde ist kein Zunftstatut.

Daß die Hausgenossenschaft zur Zunft wurde, ist aus der allgemeinen Bewegung der Zeit leicht zu erklären. Den Anstoß im einzelnen mögen [109] die Goldschmiede gegeben haben, die in ihrem Handwerk zwar für sich allein dastanden, durch die Art des Gewerbes aber, die in der Vorschrift über die Silberwage als eine verwandte Art zum Ausdrucke kam, sich mit den Hausgenossen verbunden fühlten. Sie bedurften auch der zünftigen Organisation mehr als die schon durch das Monopol ihrer geschlossenen Gesellschaft geschützten Wechsler. Daß dann aber doch diese, nicht die Goldschmiede der neuen Zunft den Namen gaben, war Folge ihres Ansehens, vielleicht auch eines numerischen Uebergewichts.

Ueber die Zeit der Entstehung der Hausgenossenzunft sind wir nicht genau unterrichtet. Das Statut von 1289 schließt ihr gleichzeitiges Bestehen keineswegs aus. Wie bei den Bäckern, so handelte es sich auch hier um spezielle Befugnisse und Funktionen, deren Regelung zwischen Bischof und Verband vor sich ging und die übrigen Rechte des letztern nicht berührte. Um dies Verhältnis klar zu machen, genügt ein Hinweis darauf, daß die Bischöfe noch im fünfzehnten Jahrhundert wiederholt ihr Recht, beim Amtsantritt einen Hausgenossen zu wählen, ausübten. Angehörige der Zunft waren zu Beginn wohl nur die Wechsler und die Goldschmiede; seit dem Uebergang der bischöflichen Münze an die Stadt gehörten ihr auch die Münzer an.

Endlich die Weinleute. Die Quellen fließen hier überaus dürftig. Aber wie beträchtlich schon frühe die Weinproduktion war, zeigen die Bestimmungen des Bischofsrechts über den Fuhrwein, zeigen überhaupt die zahlreichen Weingefälle, die oft erwähnten Keller, das einzelne Beispiel der fünfzig Weinfuder im Münchenhof 1308; die Befreiung der Domherren u. s. w. von dieser Abgabe sowie das Bannweinrecht des Bischofs sprechen dafür, daß die Grundherrschaften starken Weinverkauf betrieben. So haben wir uns Weinmarkt und Weingewerbe schon bei Zeiten als sehr belebt vorzustellen, und was bei den übrigen Gewerben zur Zunftbildung führte, tat dies auch hier. Die früheste Erwähnung der Weinleutenzunft fällt in das Jahr 1311.

So viel von den Zünften. Am Rate selbst haben sie nur während kurzer Zeit teilgenommen. Aber schon ihre organisierte Vertretung im Kolleg der Zunftmeister kann als etwas Großes gelten. Die Geschlechter, die sofort nach Heinrichs von Neuenburg Tod den fernern Beisitz Zünftiger im Rat gehindert zu haben scheinen, mußten doch dieses Zusammentreten der Zunftmeister zu einem Kollegium neben dem Rat und dessen Beteiligung am öffentlichen Leben geschehen lassen.

[110] Sozial und politisch hat das Jahrhundert einen Stand emporgebracht, der von da an immer wichtiger wird für die Geschichte der Stadt. Eine nur selten stürmische, viel mehr mit unwiderstehlicher ruhiger Kraft stetig vorwärts drängende Bewegung sehen wir sich vollziehen. An jene zeremoniöse durch den Bischof geschehende Promotion des Handwerkers zum Burger ist nicht mehr zu denken, die noch vor wenigen Jahrzehnten möglich gewesen war; der Handwerker hat andere Ziele und bedient sich anderer Mittel. Einzelfiguren freilich treten uns aus dieser Entwicklung nicht entgegen; ihr Charakteristisches ist die Masse und deren Wucht in der Bewegung.

Halten wir diesen Begriff von Masse fest. Er hat Geltung in der Geschichte der Stadt über den Bereich der Zünfte hinaus.

Sobald wir uns klar machen, wie eng umschränkt im Grunde die von der Überlieferung vor uns hingestellte Welt ist, werden wir der weit überwiegenden Mehrheit inne, die noch außer ihr bestand und lebte. Die Quellen nennen nur, was in festen Formen sich zeigte, was Geschäfte schloß oder zu ihnen gezogen wurde, was Rechte, Vermögen, Ansehen, Einfluß besaß. Und es ist zuzugeben, daß von diesen wenigen Menschen in der Tat das momentane Geschehen abhieng. Aber ihnen gegenüber stand eine Menge, die für uns zwar lautlos und bewegungslos, aber deren Vorhandensein an sich allein schon wichtig ist. Sie bildet sich aus den zahllosen Kleinen, aus Armen, aus wenig Berechtigten; sie bildet sich aus Fahrenden und Fremden, aber vor allem aus Ansässigen; sie ist die breite niedere Schicht, die unterste Gesellschaft, stets genährt durch Zufluß vom Lande und ihrerseits ihr Bestes an die höhern Klassen abgebend. Das Spiel einer solchen unaufhörlich nach oben ausscheidenden, von unten frisch zuströmenden Kraft hat große Bedeutung. Aus ihr quillt eine stetige Erneuerung der Bevölkerung bis in die obern Schichten hinauf. Sie ist aber auch Wirkung und Zeugnis einer allgemeinen Bewegung.

Als ein von Weltstraßen durchschnittener Transitpunkt war Basel ohne weiteres den Einwirkungen des Auslandes, auch der weiten Ferne, unterworfen. Vor allem und seit Alters denjenigen Italiens. Wesen und Umfang dieser Influenz irgendwie in ihrem Ganzen zu erkennen, ist jedoch unmöglich; nur ein Hinweis ist gegeben im Vorhandensein der Lombarden in Basel, d. h. jener Italiener, die Wechselgeschäfte trieben, Darlehen gegen Faustpfand gaben, daneben sich auch mit Zinswucher befaßten; die heutige Streitgasse trug von ihnen den Namen Lampartergasse. Gestalten aus diesem Kreise waren der bei St. Leonhard angesiedelte Albertlinus, ferner [111] Konrad und Hugo die Lamparten, Rudolf von Mailand 1256. Nebeneinander an der Freienstraße wohnten die beiden Römer Manegold und Vivian. Auch an den Beinamen Püliand ist zu erinnern.

Aber als noch viel kräftiger einwirkend erscheint Frankreich. Hier kam vor allem die Grenzlage Basels in Betracht, deren historische Bedeutung schon in den Verträgen von Verdun und Mersen lebt und die im elften Jahrhundert, bei den Verhandlungen um Hochburgund, den Zeitgenossen aufs neue zum Bewußtsein kam. Diese Lage „am Kreuzweg zwischen Burgund, Frankreich und Deutschland“ hat jederzeit mächtig auf die Kultur Basels gewirkt; sie erschien als besonders wichtig jetzt, in den letzten Jahren König Rudolfs, da in diesen oberrheinischen Gebieten eine starke nationale Erregung gegen Frankreich und alles Wälsche sich geltend machte.

Solche Opposition war vorwiegend politischer Natur. Sie hatte vor sich eine Macht, die gerade hier in Basel unaufhaltsam und auf allen Gebieten des Lebens einwirkte. Dem allgemeinen Vorherrschen französischer Kultur, dem Deutschland seit dem zwölften Jahrhundert unterlag, gingen hier lokale Zustände parallel. Nachdem schon St. Alban seit langem französisches Wesen vertreten hatte, geschah dies jetzt noch viel entschiedener durch die Dominikaner. An die gewaltige geistige Herrschaft, die von der Universität Paris aus auch hier geübt wurde, an den Einfluß französischer Kunst auf den Bau des Basler Münsters ist nur zu erinnern. Die zahlreichen französischen Namen, die jetzt in Basel auftreten, die Pirrin, Schachterel, Scheshart, Merschant, die Walch, Welsch, Gallicus, die von Munpaslier, von Pontarlin, von Cortalari, von Corchapois usw. zeigen den Umfang der von Westen her strömenden Einwanderung.

Was diese neuen Kräfte im Einzelnen wirkten, bleibt uns verborgen; aber daß eine starke und allgemeine Anregung ihre Folge war, ist nicht zu bezweifeln. Immer wieder haben wir uns frei zu machen von den Vorstellungen, die das fast nur aus Urkunden bestehende Quellenmaterial sowie eine rein verfassungsgeschichtliche Betrachtung uns geben. Die Begriffe und Sonderungen des Bürgerrechtes, der Stände, der Stuben, der Zünfte erschöpfen den Gegenstand nicht. Wenn z. B. im Jahrzeitbuch von St. Peter neben den bekannten und altansässigen Burgergeschlechtern als Donatoren nahe beisammen der Kaufmann Friedrich von Trier, der Kaufmann Walther von Luzern, der Kaufmann Jakob von Freiburg erscheinen, so zeigt diese kleine Erwähnung nur eine einzige der vielen Möglichkeiten, deren wir mit den üblichen Kategorien nicht habhaft werden. Sie zeigt, wie auch die Einwirkung des Auslandes von allen Seiten her geschah.

[112] Namentlich die Kaufmannswelt mußte einer beständigen und starken Bewegung dieser Art unterworfen sein. Und gerade ihr Leben entzieht sich beinahe ganz der Wahrnehmung. Bei ihr finden wir die Beherrschung der fremden lebenden Sprachen am frühesten bezeugt. Für sie hauptsächlich kam nun auch die Einwirkung des durch die Kreuzzüge erschlossenen Orients in Betracht. Mit dem Import von Cyperwein, mit dem Bekanntwerden neuer Tiere, seltsamer gefiederter Hühner und Tauben, Fasane, Kamele usw. , die über Meer in unsere Gegenden gebracht wurden, zeigte sich eine neue Welt; die Produkte der orientalischen Industrie, die Gewürze, die Medikamente und Parfümerien kamen jetzt zum ersten Mal oder doch in einer bisher nicht gewöhnlichen Menge herüber.


Von dieser ganzen Laienwelt abgesondert steht die Judenschaft. Ihre Existenz ruht auf einem seltsamen Gemenge von Verworfensein und Unentbehrlichsein.

Die Juden waren nicht Volksgenossen und waren Feinde der christlichen Religion, aber weder Fremde noch Ketzer; vom allgemeinen Rechte ausgeschlossen, aber mit einem Sonderrechte privilegiert; ein Gewerbe treibend, das die Kirche verdammte, aber bei seiner Ausübung von der Kirche so gut gebraucht wie von den Laien.

In früherer Zeit war ihr Geschäft der Warenhandel gewesen, bis die einheimischen Kaufleute sie hieraus verdrängten. Damit wurden die Juden auf das Gebiet gewiesen, das seitdem vor allen ihnen vorbehalten geblieben ist. Sie wurden zu Trägern des Geld- und Pfandleihgeschäfts, zu Kreditgebern; sie liehen gegen Zins und Zinseszins, weil das kirchliche Zinsverbot für sie nicht galt. Sie waren die anerkannten Wucherer und erhielten mit dem Privileg dieses Gewerbes auch dessen Gehässigkeit.

Die Konkurrenz, die ihnen früh auf diesem Gebiete begegnete, ist hier nur kurz zu erwähnen. Die Gawertschen aus Südfrankreich und die Lombarden, die in späterer Zeit hier viel von sich reden machen, treten schon im dreizehnten Jahrhundert auf; neben dem Wechselgeschäfte trieben sie gleich den Juden Zinswucher. Daher ein Basler Synodalstatut verbot, Häuser der Kirche an Gawertschen und andere Wucherer zu vermieten, und die Beerdigung eines solchen Gawertschen auf dem Barfüßerkirchhof 1278 als ein öffentlicher Skandal empfunden wurde.

Als Kreditoren der Basler Bischöfe werden hier die Juden zuerst genannt. 1213 war der Jude Meier im Pfandbesitz des bischöflichen Ringes und eines Seidentuches für ein dem Bischof Lütold gemachtes [113] Darlehen; noch 1223 mußte Heinrich von Thun den Juden Zins zahlen und den Schatz seiner Kirche als Pfand in ihren Händen lassen. Auch die Deutschritter von Beuggen waren Schuldner eines Juden zu Basel, und ebenso, mit schwerlastenden Zinsen, die Marbacher Stiftsherren. Von den Geldgeschäften mit Laien dagegen verlautet in unsern, ihrem Ursprunge nach meist nur kirchlichen Quellen nichts.

Die Wohnungen der Juden finden wir an einer Stelle der Stadt vereinigt, am Rindermarkt, vereinzelt auch in der Nähe am Kornmarkt und in der Winhartsgasse. Nirgends sonst werden sie erwähnt, und es scheint in der Tat hier ein Ghetto gewesen zu sein. Erst eine spätere Zeit zeigt uns Judenhäuser auch in andern Gegenden der Stadt.

Von einem Thorbogen ist die Rede, der vielleicht die Niederlassung schloß, deutlicher von ihrem Hauptgebäude, der Synagoge. Die Zahl der hier beisammen stehenden Häuser war zwölf, das größte darunter der Mannenhof, so genannt nach dem reichen Juden Salman Unkel, der das Gesesse 1284 von der Ritterfamilie Reich gekauft hatte. Dieses Alles stand in der Parochie von St. Leonhard, und dieses Verhältnis äußerte sich in Verschiedenem. Vorab in einem Aufenthaltsgeld, das die Juden jährlich, und zwar bezeichnenderweise am Weihnachtsabend, dem Stift zu entrichten hatten; es betrug für das ganze Judenviertel insgesamt 35 Schillinge und hatte den Namen eines Zehnten, welcher Name noch an die alte rein landwirtschaftliche Beschaffenheit dieser Gegend erinnert und wohl auf ein Zehntrecht der Pfarrei St. Leonhard weist. Ein im Mai 1293 zwischen dem Stift und der Judengemeinde geschlossenes Abkommen regelte dieses Verhältnis aufs neue, nachdem zwei Jahre lang die Gebühr durch die Juden versäumt worden war. Ein weiteres Recht, das dem Stift aus diesem Wohnen der Juden in seiner Gemeinde erwuchs, bestand darin, daß es jederzeit befugt war, von ihnen ein zinsfreies Darlehen von fünf Pfund auf Zeit eines halben Jahres zu verlangen.

Die Ergänzung dieser Judengasse war der Judengottesacker, vor der Stadt im Arsclaf, neben dem Garten der Custodie von St. Peter, dem spätern Petersplatze, gelegen. Seine früheste Erwähnung fällt ins Jahr 1264.

In solcher Weise zeigt sich uns die Judenschaft als eine sowohl religiös als rechtlich geschlossene und organisierte Gemeinde; doch erfahren wir nichts von ihrer Organisation. Wir vernehmen nur die Namen einzelner Juden, des Johann Vivelman, des Moses von Rheinfelden, der Guta von Neuenburg, des neben der Synagoge wohnenden Meier, der [114] Frau Genta, des kleinen Joël, Sohns des Josef Kaltwasser, usw. Es sind Namen, wie sie die Juden im Verkehr mit den Christen trugen, verschieden von den in ihrem Kreise üblichen Benennungen. Der am häufigsten genannte Jude und hienach wohl der mächtigste war Salman Unkel; außer dem Hof der Reiche besaß er auch ein Haus beim Richtbrunnen an der Gerbergasse; später scheint er in Köln als Salman von Basel sich aufzuhalten.

Über das Verhältnis dieser Juden zur christlichen Bevölkerung liegen keine Zeugnisse vor, und auch die Art ihrer Stellung im Rechte wird uns nicht klar. Doch erscheinen sie als Eigentümer von Liegenschaften, sie kaufen und verkaufen vor dem ordentlichen Gerichte, und zwar sie selbst, ohne Salmann. Auch ihr Verhältnis zum Bischof wie zur Stadt ist in keiner Weise bezeugt. Nur von ihrer Stellung unter dem König vernehmen wir. Gemäß dem Reichsgesetze von 1236 waren sie königliche Kammerknechte und als solche zu einer jährlichen Steuer an die Kammer verpflichtet; laut dem Steuerverzeichnis von 1241 betrug diese Steuer der Basler Juden die starke Summe von vierzig Mark. Aber noch über diese Steuer hinaus konnte der König Person und Vermögen der Juden als zu seiner Verfügung stehend in Anspruch nehmen, und so verfuhr auch König Rudolf im Herbst 1278; in dankbarer Anerkennung der Dienste, die ihm Bischof Heinrich von Basel beim Kampfe wider Ottokar geleistet, verschrieb er ihm die in den Diözesen Straßburg und Basel wohnenden Juden zur Ausnützung; sie sollten ihm so lange gehorchen, dienen und leisten, bis er damit eine Einnahme von dreitausend Mark Silber erzielt haben werde. [115] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Fünftes Kapitel.
Die Geistlichkeit.




Neben dieser Laienbevölkerung tritt uns die Geistlichkeit ungebührlich entgegen. Ungebührlich, weil in den Quellen — fast ausschließlich Klosterarchiven und Klosterannalen — sie nur sich überliefert und weil diese Einseitigkeit der Ueberlieferung unsere Vorstellung zu fälschen geeignet ist. Eine ganze Welt lebte in den Mauern Basels, über die wir aus den vor uns liegenden Zeugnissen nichts erfahren. Unsere Pflicht ist, bei Darstellung des geistlichen Wesens der übermäßig zuströmenden Nachrichtenfülle gegenüber Stand zu halten und nur das Wesentliche herauszugreifen.

Aber auch dann noch überraschen uns die Eigenart und der Reichtum des Lebens, das sich im Klerus verkörpert, und die Bedeutung dieses Standes für die Geschicke auch des profanen Basel. In den Türmen von Gotteshäusern kündigte sich die Stadt dem entfernten Reisenden zuerst an; ein Münsterbild schmückte das früheste Siegel der Bürgerschaft. Wie die Stadtherrschaft in den Händen der Kirche lag, so war im täglichen Leben des Einzelnen das Heiligste und das Unentbehrliche nur hier zu finden.

An der Spitze des Basler Klerus standen die Kirche St. Martin und die Genossenschaften Domstift, St. Alban, St. Leonhard und St. Peter.


Auf das hohe Alter der St. Martinskirche wurde schon hingewiesen. Sie darf als das älteste Gotteshaus Basels gelten; ihre Entstehung ist schon im sechsten Jahrhundert und wohl auf Königsgut zu suchen. Sie war auch die früheste Pfarrkirche. Als ihre Gemeinde haben wir hauptsächlich die Handelsansiedelung am unteren Birsig anzunehmen, und zwar auf den beiden Ufern des Flusses. Aber daß ihr Sprengel noch weiter reichte, über das nächste Stadtgebiet hinaus das Dorf Hüningen umfaßte, scheint sich aus der Zugehörigkeit des letzteren zu St. Martin in späterer Zeit zu ergeben.

Für die Martinsgemeinde auf dem linken Birsigufer fehlen allerdings bestimmte urkundliche Zeugnisse. Die durch solche Zeugnisse erhellte Zeit [116] zeigt uns in diesem Gebiet zunächst die Kapellen St. Nikolaus und St. Brandan, die vielleicht schon eine zweite Entwicklungsperiode bezeichnen. Die völlige Ablösung des Gebietes von St. Martin geschah dann jedenfalls durch das Entstehen der Pfarrkirche von St. Peter, wohl im zwölften Jahrhundert. Aber daß noch 1233, bei der Organisierung des Petersstiftes, die Möglichkeit der Uebertragung eines Canonicats an den Pleban von St. Martin ausdrücklich vorbehalten wurde, kann als Hinweis auf alte Rechte St. Martins in der Petersparochie gelten.

Eine Schmälerung der Rechte erlitt die alte St. Martinspfarrei schon früh auch auf der andern Seite. Die Kathedrale war der altkirchlichen Anschauung gemäß die Pfarrkirche der Bischofsstadt. Wir müssen daher annehmen, daß mit der Verlegung des Bistums nach Basel auch die Pfarreiverhältnisse in dieser Stadt umgestaltet wurden. Die Rechte gingen an das im alten Römerkastell sich erhebende Münster über. Wie die schon erwähnte Entstehung einer Kirche St. Peter auf den Bischof zurückzuführen ist, so zeigt sich an Anderm, daß er auch St. Martin an sich gezogen hat. Bei Gründung des Klosters St. Alban steht in der großen Reihe der bischöflichen Gaben die Martinskirche. Bischof Burchard schenkt diese und alle seine pfarrlichen Befugnisse in ihrem Gebiet, d. h. in der Stadt Basel „wie sie der Birsig begrenzt“, dem Kloster. St. Martin steht nun im Gebiet von St. Alban; Prior und Convent von St. Alban sind seine Patrone. Aber St. Martin bleibt Pfarrkirche und behauptet eine Eigenexistenz auch unter den neuen Verhältnissen. Es zeigt sich dies zunächst darin, daß zwei Kirchgemeinden St. Alban und St. Martin nebeneinander bestehen und scharf von einander abgegrenzt sind; ihre Grenze geht vom Birsig bei Lallosthurm das Fahnengäßlein und den obern Schlüsselberg hinauf zum Rheine. Noch bedeutsamer ist das selbständige Handeln der Gemeindegenossen von St. Martin neben dem Leutpriester schon im Jahre 1234, in Betreff eines Weges zu ihrer Kirche. Und so tritt auch die Gemeinde als solche 1287 beim Bau ihrer Kirche hervor. Dieses freie Handeln der Parochianen um Jahrhunderte früher als bei irgend einer der andern Kirchgemeinden der Stadt ist Zeugnis einer dieser Martinsgemeinde als alter Institution innewohnenden besonderen Kraft.

Von der Geschichte dieser Kirche und Gemeinde verlautet im übrigen wenig. Als Inhaber der Pfarrei begegnen uns Mitglieder des Domkapitels: 1236—1244 der Domkämmerer und Domdekan Wilhelm, 1259 der Archidiakon Heinrich von Neuenburg, 1277—1290 der Domherr Werner Schaler. Sie heißen Pleban oder Rektor. Aber diese hohen Herren [117] übten die Seelsorge nicht selbst aus; daher an ihrer Stelle Vikare, Viceplebane amtierten: 1241 ein Ulrich, 1293 und 1294 ein Reinbold.

Das der Kirche St. Martin zustehende Recht im Dorf Hüningen wurde schon als Beweis ihres hohen Alters erwähnt. Bis 1184 wird ihr nur der dortige Zehnte bestätigt; aber schon bald findet sich eine Kapelle daselbst, die als Filiale durch den Pfarrer von St. Martin mit bedient wird; diesem spricht Papst Cölestin 1196 den vierten Teil des Hüninger Zehnten zu. Noch 1277 wird das Hüninger Gotteshaus als zur St. Martinskirche gehörende Kapelle erwähnt.

Neben den zum Teil prächtigen Kirchen neuen Stiles, die das dreizehnte Jahrhundert in Basel geschaffen, mochte die noch aus früher Zeit stammende Martinskirche dürftig erscheinen. Jedenfalls erfahren wir, daß an ihrer Stelle in den 1280er Jahren ein neues Gebäude kostbarer Art, sumptuoso opere, aufgeführt wurde. Um die Mittel hiefür zu gewinnen, zogen Kollektoren der Gemeinde durch das ganze Bistum; Bischof Peter empfahl sie 1287 durch ein Rundschreiben zu guter Aufnahme. Noch in Vermächtnissen der 1290er Jahre wird dieses Baues von St. Martin gedacht.


Durch Ehrwürdigkeit und Macht ragte das Domstift empor. Es war nicht nur das älteste und während langer Zeit das einzige Stift der Stadt; sein Zusammenhang mit dem Regiment der Diözese, ja mit der allgemeinen Kirchenverwaltung, erhob es weit über alles Andere, was in Basel Klerus hieß.

Dies ganze Wesen, die Gefühle zentraler Gewalt und Beherrschung wie der feierlichsten Andacht fanden ihren Ausdruck im Münster.

Über den Bau des Münsters kann das Folgende gesagt werden, nicht durchweg als sicheres Ergebnis von Forschung, sondern zum Teil als Vermutung.

Am 25. Oktober 1185 hatte ein Brand das Münster schwer geschädigt. So schwer, daß nicht nur eine Wiederherstellung, sondern ein Neubau nötig wurde. Vom Feuer verschont geblieben waren der Chor und das Westende mit Türmen und Fassade.

Zunächst wurde der Chor provisorisch abgeschlossen, um ihn auch während der Bauzeit benützen zu können, ebenso in der hintern Front der beiden Westtürme eine provisorische Mauer gezogen.

Der Neubau sollte nicht dasselbe wieder bringen, was das alte Münster geboten hatte. Bedürfnis und Gesinnung waren gewachsen. Man verlangte [118] jetzt nach einem großem Raume und gewann diese Vergrößerung gegen Süden, auf dem Boden der wohl gleichfalls vom Brande verwüsteten Stiftsgebäude. Wir kennen den Meister nicht, der den Plan aufstellte. Aber es war die Zeit Heinrichs von Horburg, eines Kirchenfürsten, dessen große und leidenschaftliche Art wir schon kennen gelernt haben. Zum Geiste seiner Regierung paßt auch dieser Bauentwurf mit dem machtvoll breiten Mittelschiffe. Wir wissen auch nichts näheres vom Fortgange des Baues. Bischof Heinrich starb auf der Meerfahrt, und die Zeit seines Nachfolgers Lütold war eine verworrene und bedrängte. Man hatte mit dem Bau des Langhauses begonnen, aber ihn wenig gefördert. Wohl erst mit dem Auftreten Heinrichs von Thun, des Regenten, der die Vögte und Grafen beugte, den Rat der Stadt zur Anerkennung seiner Gewalt zwang, die Rheinbrücke baute, hat auch der Bau des Münsters wieder frisches Leben empfangen. Vielleicht hiefür hat Heinrich den Kirchenschatz an die Juden verpfändet, wenn die Verpfändung nicht schon eine ältere war. Aber er benützte auch die reichen Kräfte, die seine Zeit ihm bot. Um die Mitte der 1220er Jahre war das Langhaus vollendet, und es konnte an den Bau des Querschiffs geschritten werden. Das Münster war des Namens einer Basilica, der ihm damals gelegentlich gegeben wurde, in der Tat wieder würdig. Mit dem Langhause zusammen war wohl der Kreuzgang gebaut worden.

Der Chor hatte während dieser Jahrzehnte des Baus unberührt gestanden, er war das einzige benützbare Kircheninnere gewesen. Die Kreuzpredigt Martins von Päris hatte in ihm stattgefunden, der junge Friedrich II. in ihm gebetet. Wiederholt reden die Urkunden von Dingen, die in diesem Raume geschahen, von der Stiftung eines ewigen Lichtes, von Gelöbnissen vor dem Hochaltar usw. Jetzt kam auch an ihn die Reihe, durch einen Neubau ersetzt zu werden, und bis auf weiteres konnten Langhaus und Querschiff allein als Kirche dienen. Die letzten Jahre Heinrichs und den Episcopat Lütolds von Röteln hindurch scheint der Chorbau gedauert zu haben; am 23. Mai 1250 wird wieder eine Urkunde „im Chore“ datiert.

Es ist nicht zu entscheiden, was unter den Bischöfen Berthold und Heinrich von Neuenburg am Münster geschah, ob namentlich schon unter ihnen der Westbau erneuert wurde. Hiegegen scheint die Erwähnung des porticus im Jahre 1259 zu sprechen (sofern auch jetzt wieder wie im Jahre 1231 hierunter der zwischen der alten Fassade und der provisorischen Langhauswand gelegene Raum zu verstehen ist), und sprechen ferner die allgemeinen Verhältnisse. Heinrich von Neuenburg fand keine Muße zu [119] einem solchen Bau, der ja nicht eigentliche Notwendigkeit war. Was er baute, war höchstens seine Residenz und ein Anfang seiner Grabkapelle an der Nordseite des neuen Langhauses. Ist diese Annahme richtig, so vermögen wir uns das Basler Münster in den ersten Jahren König Rudolfs deutlich vorzustellen. Es ist in der Hauptsache das Münster von heute, ohne die obern Teile des Chors, ohne die äußern Seitenschiffe, mit einer alten Fassade, in der das heute Galluspforte heißende Portal als Haupteingang steht, und mit zwei romanischen Türmen; auch der Kreuzgang ist mit seinen untern Partieen im heutigen größern Kreuzgange noch erhalten.

Mit Peter Reich aber kommt fühlbar ein neuer Impuls. Vielleicht ist an Anregungen zu denken, die er von seiner Dompropstei in Mainz mitbrachte. Eine zweite Bauperiode setzt nun ein, deren Leistung vor allem die gänzliche Erneuerung der Westseite ist; eine neue Fassade wird gebaut, der Südturm vom Erdboden an, der Nordturm vom zweiten Stockwerk an neu aufgeführt, das alte Portal in die Nordfront des Querschiffs verlegt. Aber man bleibt hierbei nicht stehen, sondern drängt weiter und zieht nun auch neue Mittel heran. Wiederholte Ablaßverheißungen an die Förderer des Münsterbaus, wiederholte Vermächtnisse Einzelner, ein dringliches Kollekteschreiben an alle Gemeinden der Diözese 1297 zeigen, mit welcher Energie diese letzten Bischöfe des Jahrhunderts verfahren. Es ist das Gefühl befestigter Zustände, das Bewußtsein von Macht, das nun wieder aus allem spricht. Auch handelt es sich nicht allein um eigentliches Bauen, sondern auch um reichere Ausgestaltung und Ausstattung des Innern. Wir gehen kaum irre, wenn wir dabei unmittelbare Einwirkungen zumal Straßburgs vermuten. Dort entstand in diesen Jahrzehnten der gewaltige Bau, über dessen Schönheit selbst ein Urkundenschreiber in Flammen geraten konnte und, seinen gewohnten Stil bei Seite legend, von den Blumen des Mais zu reden begann, denen gleich das Bauwerk in seinem Schmuck aufsteige. In derselben Zeit wurde auch der Turm zu Freiburg gebaut. Von solchen Vorbildern erregt hat namentlich der große Peter von Aspelt alles daran gesetzt, um den Bau auch seines Münsters in eine lichte Höhe zu treiben. Wir wissen nicht, wie weit empor er drang, wie weit seine Nachfolger das Werk führten. Das große Erdbeben hat Schöpfungen vernichtet, die wir nicht ahnen können.

Von dem Leben, das um die ruhige Macht dieses Münsters wogte, war schon die Rede. Es wurde gezeigt, wie auf dieser von jeher durch Beherrschung ausgezeichneten Höhe weltliche und geistliche Gewalt sich enge [120] berührten und von derselben Hand ausgeübt wurden, wie das mannigfaltigste Treiben den Platz und seine Wohnungen füllte.

Hier, wo uns nur das Geistliche gilt, ist das Bild darum nicht weniger ansprechend. Als charakteristisch vor allem erweist sich die libertas, die Freiheit, die engere Immunität dieses der Gewalt weltlichen Gerichts verschlossenen Münsterbezirkes. Er umfaßte das castrum oder atrium, dem heutigen Münsterplatz entsprechend, und innerhalb dieser Freiung waltete ein besonderer Friede, dessen Bruch als sacrilegium galt und schwer gebüßt wurde; in den Domherrenhöfen, die den Platz umschlossen, konnten weder Menschen noch Güter mit Arrest belegt werden und fand der Fliehende eine Freistatt.

Die Domherren haben anfangs ihre Behausungen jedenfalls da gehabt, wo heute der Kreuzgang seine Hallen öffnet. Die bis in spätere Zeit festgehaltenen Bezeichnungen einzelner Teile des Kreuzganggebietes (capitulum, refectorium, scolae, latus canonicorum) zeigen die der alten Regel folgende Gemeinsamkeit des Wohnens auf dieser Stelle, an welche Gemeinsamkeit überhaupt der Name Münster noch heute erinnert. Dieses Stiftsgebäude, in dem die Herren wohnten, aßen und schliefen, hieß claustrum; in unmittelbarer Verbindung mit ihm stand die Wohnung des Bischofs. Und zwar scheint dieser Zustand bis an die Wende des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts gewährt zu haben. Nicht ohne Störung freilich. Die Vorschrift gemeinsamen Lebens, die auch den Stiftsklerus unter mönchische Ordnung zu beugen bestimmt gewesen, wurde anderwärts schon früh außer Acht gelassen, und daß sie auch in Basel nicht mehr zur Anwendung kam, zeigen die wiederholten Rügen der Päpste über den Besitz mehrerer Wohnungen im claustrum durch einzelne Domherren. Völliges Verlassen dieses Stiftshofes durch die Kapitularen hat wohl erst stattgefunden, als nach dem Brande von 1185 die Erweiterung der Münstergebäude gegen Süden eine gänzliche Umgestaltung der hier stehenden Gebäude nötig machte. An deren Stelle wurde nun der Kreuzgang angelegt, die Domherrenwohnungen aber nach moderner Art rings um den Münsterplatz her eingerichtet. Sie begegnen uns hier urkundlich nicht vor 1234; ihre geschlossene Reihe gab dem Platze den Charakter eines Stiftshofes.

Die bischöfliche Residenz haben wir uns, wie schon gesagt wurde, in Verbindung mit dem alten claustrum zu denken, sowie in unmittelbarer Nähe des Münsters. Ihre früheste Erwähnung findet sich im Kapitular Hattos von c. 820, wobei aber nicht klar wird, ob von einem königlichen oder einem bischöflichen Palaste die Rede ist. Bischof Heinrich im Jahre [121] 1189 ist dann der Erste, der eine seiner Urkunden aus seinem Hofe datiert; auch hier hat wohl der Neubau des Münsters eine Aenderung zur Folge gehabt. Ein halbes Jahrhundert später aber wird die gänzliche Zerstörung des Bischofshofes durch die Bürger gemeldet, 1247. Wahrscheinlich ist nach dieser Katastrophe das Haus nicht sofort wieder aufgebaut worden. Denn Bischof Berthold bewohnte einen der Höfe am Münsterplatz (heute Nr. 18), baute auch in diesem eine der heiligen Katharina geweihte Kapelle. Wo die folgenden Bischöfe hausten, ist uns nicht bekannt. Aber man darf glauben, daß ein Herrscher wie Heinrich von Neuenburg sich die alte Residenz am hohen Ufer des Stromes wieder aufgerichtet habe. In der Tat finden wir später einen bischöflichen Palast an derjenigen Stelle, wo heute die berühmte Terrasse sich breitet und in ihrem Namen „Pfalz“ den alten Zustand festhält. Es ist denkbar, daß der Bau dieser Pfalz durch Heinrich von Neuenburg hastig und unsorgfältig geschah, sodaß ihr Sturz in den Rhein 1346, den die Chronik meldet, erklärlich wird.

Inmitten dieser Höfe von Bischof und Domherren war das Münster keineswegs die einzige Kirche. Zahlreiche Bethäuser schmückten vielmehr den Bezirk und gaben ihm eine besondere Weihe, machten ihn zu einer auserlesenen „Stadt Gottes“.

Die älteste und die diesem Alter wie ihrer Funktion gemäß angesehenste war die Kapelle Johannes des Täufers; sie hieß zu Zeiten sogar Kirche. Wir erkennen in ihr die schon in frühester Zeit der Kathedrale beigegebene Taufkapelle. Ihr Vorsteher war dementsprechend der Archipresbyter, und unter diesem stand auch der Sprengel, der später die in der Nähe der Stadt gelegenen Gemeinden Muttenz, Münchenstein, Pratteln, Hochwald, Oberwil, Allschwil und Hüningen, die sogenannten vagantes extra civitatem, mit umfaßte. In der Folge ging der Name Archipresbyter auf den Archidiakon von Basel über, dem der Stadtklerus unterstand, und es erscheint der Dekan von St. Johann, dessen Dekanat die soeben genannten, in der allgemeinen Dekanatseinteilung des Bistums nicht berücksichtigten Gemeinden umfaßte. Außerdem jedoch war dieser Dekan Vorsteher, und die St. Johannskapelle Stätte einer Bruderschaft, die, wohl aus den regelmäßigen Zusammenkünften jener Landgeistlichen entstanden, diese selbst sowie die Domkapläne einschloß, der Bruderschaft St. Johanns auf Burg.

In anderer Weise hervorragend war St. Ulrich. Eine Kaplanei dieses Namens erscheint schon 1219, 1245 gibt die Kapelle der Gasse den Namen Ulrichsgasse. In den 1260er Jahren aber wurde sie durch den Dompropst, [122] dem sie Zustand, zu einer Kirche erhoben. Es stand diese Maßregel im Zusammenhang mit dem kurz vorher erledigten Seelsorgestreit des Domstifts mit St. Alban und war jedenfalls eine Folge des Wachstums der Stadt; das Gemeindegebiet, das jetzt der neuen Pfarrkirche zugeschieden wurde, umfaßte die Vorstädte zwischen St. Alban und Birsig sowie die alte Parochie von Binningen und Bottmingen.

Zu nennen sind ferner die St. Jakobskapelle hinter dem Münster, die aber beim Münsterbau untergegangen zu sein scheint; die St. Vincenzkapelle und die St. Fridolinskapelle am Sprung; die schon erwähnte St. Katharinakapelle im Hofe Bischof Bertholds, später des Domherrn von Ellerbach. Von ihr, der Katharinenkapelle im Hof, in curia, unterschieden war die Katharinenkapelle im Wasen, in cespite, d. h. im Kirchhof neben dem Münster; nahe bei dieser standen die St. Maria Magdalenakapelle, als deren Gründer 1193 der Archidiakon Diether genannt wird, und die St. Nikolauskapelle.

Uns beschäftigen aber hier nicht diese Gebäude, sondern ihre Verwalter und Bewohner.

Die ältesten Basler Domherren begegnen, gestaltlos und nur genannt, in den Confraternitäten von Reichenau und St. Gallen, sowie in der Gründungsurkunde von St. Alban. 1005 wird ein Dompropst Otim genannt; ein Dompropst Dietrich von Basel erlangte 1046 das Bistum Verdun. Erst im zwölften Jahrhundert wird auch diese Welt für uns zu einer beseelten. In mannigfachen Äußerungen erscheinen jetzt die Domherren als Berater des Bischofs wie als seine Widersacher; sie treten heftig für ihre Stiftsgüter ein; derbe Weltlichkeit und Lebensbehagen sprechen, wie aus allem, so namentlich aus der umfänglichen Speiseordnung, die sie für ihre Festmahlzeiten dem Propste diktieren. Die reichen Zeiten der beiden Heinriche, Lütolds und Bertholds zeigen uns sodann das Domkapitel auf einer glänzenden Höhe. Schon sein Umfang ist beträchtlich; wir besitzen Urkunden, in denen 10, 15, 18, 21 Domkanoniker als Zeugen paradieren. Aus dieser Menge heben sich Einzelne hervor, wie der Arzt Cuno, wie Heinrich von Veseneck, der als Domherr drei Episcopate durchlebte und zwei Jahrzehnte lang Dompropst war. Sodann Dietrich am Ort und Lütold von Röteln; für Jenen dichtete Konrad von Würzburg das gewaltige Epos vom trojanischen Krieg, für Lütold von Röteln die Legende vom hl. Sylvester. Lütold hat dem Domkapitel sieben Jahrzehnte lang angehört; schon 1243 saß er darin als Domherr; er hatte nacheinander mehrere Archidiakonate inne, war auch Propst von Moutier-Grandval, [123] wurde dann Dompropst und starb als solcher, nachdem ihm der Versuch, auch noch Bischof zu werden, mißglückt war, hochbetagt als der Letzte seines Geschlechtes im Jahre 1316. Auch der Domherr Rüdeger von Kienzheim ist der Erwähnung wert; man bewunderte seine Redekunst, seine ausgebreitete Gelehrsamkeit, aber auch seinen Reichtum, der ihm möglich machte, das St. Martinsstift in Colmar, dessen Propst er war, mit einem prachtvollen Stiftshause samt Kreuzgang zu beschenken. Endlich der von Spechbach, der „bei seinen Zeiten wohl und köstlich lebte“, dessen Seele aber nach dem Tode jammernd und von bösen Geistern gepeinigt in seinem Domherrnhause erschien.

In der Regel rekrutierte sich das Domkapitel aus der Ministerialität, sowie überhaupt aus dem Adel dieser Lande; aber auch Grafensöhne saßen darin: Berthold von Pfirt, Heinrich und Otto von Neuenburg, Hermann und Werner von Tierstein, Wilhelm von Toggenburg, Ulrich von Kiburg, Albrecht und Rudolf von Habsburg.

Bei den Domkaplänen ist das Bemerkenswerte ihre Masse. Im Münster selbst bestanden zahlreiche Kaplaneien; zu diesen kamen die Pfründen all der über den Burghügel zerstreuten Gotteshäuser, gesellten sich ferner die mannigfachen Dienste in den Hofhaltungen von Bischof und Domherren. Diesen Schwarm von Klerikern aller Art und Gattung, von Schreibern, Verwaltern, geistlichen Beamten mehrten noch die Scholaren, deren Jeder der hohen Herren zu persönlichen Geschäften und Dienstleistungen um sich hatte. Aus dem ganzen wirren Haufen heben wir nur Einen hervor, den Bruder Hartung, einen Barfüßermönch, der als solcher durch Bischof Heinrich von Isny in diese Kreise gebracht und zur angesehenen Stelle eines bischöflichen Kaplans erhoben wurde; er behielt das Amt auch nach Heinrichs Weggang; seine Bedeutung für uns liegt darin, daß durch ihn jene wichtige Sammlung von Urkunden des Bistums zusammengestellt wurde, die neben anderm das berühmte Bischofsrecht gerettet hat.

Eine Sache für sich und unter allen Instituten dieser eigenartigen Welt auf Burg dasjenige, das dem täglichen und profanen Leben der Unterstadt am nächsten trat, war das geistliche Gericht. Die geistliche Gerichtsbarkeit war ursprünglich allein Sache des Bischofs; vor ihr Forum gehörten alle Klagen gegen Geistliche, auch in Civilsachen, alle Streitigkeiten um kirchlichen Grundbesitz, und die Kirche strebte naturgemäß danach, die Kompetenzen auszudehnen, auch gewisse Verbrechen und weiterhin Civilrechtssachen überhaupt vor sich zu ziehen. Sie trat in Konkurrenz mit dem weltlichen Gerichte; der Kampf hierüber war ein allgemeiner und durch die [124] Jahrhunderte hindurch dauernder. In Basel nun scheint die Entwicklung die gewesen zu sein, daß der Bischof seine Gerichtsbarkeit in der Regel durch Propst und Dekan des Domkapitels ausüben ließ; Aeußerungen hievon sind die von den judices Basilienses erlassenen Urkunden, die um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts begegnen. Erst Heinrich von Isny brachte diesem Zustande gegenüber, bei dem das Recht des Bischofs in Vergeß geraten war, dieses wieder zur Geltung und verständigte sich mit Propst und Dekan, unter Halbteilung der Gerichtsgefälle zwischen ihm und ihnen.

Aber diese Usurpation war nicht die einzige. Noch stärker griff in Rechte des Bischofs der Archidiakon ein. Dieser war ursprünglich der bevorzugte Helfer des Bischofs bei Verwaltung der Diözese, namentlich bei der Sendgerichtsbarkeit für innerkirchliche Angelegenheiten, Kirchenzucht, Amtsvergehen der Geistlichen usw. Daraus bildete sich bei ihm schon frühe, auf Kosten der bischöflichen Jurisdiktion, eine eigene Gerichtsbarkeit aus, im Zusammenhang mit der allgemeinen Aspiration von Macht, mit den Uebergriffen und Anmaßungen, die durchweg die Entwicklung der Archidiakonatsgewalt kennzeichnen. Die heftigen Bewegungen und der Unfriede, die — trotz Spärlichkeit der Quellen unverkennbar — die Geschichte des Basler Bistums im zwölften Jahrhundert erfüllten, sind jedenfalls zum Teil aus diesem Konflikt erwachsen; als ein mächtiger Repräsentant der Archidiakonatswürde in jener Zeit kann uns Diether vom Kornmarkt gelten, der nach dem Münsterbrande von 1185 die St. Maria Magdalenenkapelle erbaute.

Der Gegensatz der beiden Gewalten, den kein Ausgleich beseitigte, findet sich dann seit Mitte des dreizehnten Jahrhunderts vorwiegend in den neben einander amtenden Gerichtshöfen des Bischofs auf der einen, des Archidiacons von Basel (im Gegensatz zu den in den verschiedenen Sprengeln der Diözese regierenden Archidiakonen archidiaconus major genannt) auf der andern Seite. Jede der beiden Curien hatte ihren Official und ihren Stab von Beamten, Notaren, Advokaten, Siegelbewahrern, Bütteln. Diejenige des Archidiakons, der, wie oben erwähnt wurde, auch Archipresbyter hieß, daher sein Official auch der erzpriesterliche heißen konnte, war zuständig nur für die Stadt und deren Umgegend, diejenige des Bischofs dagegen für das ganze Bistum, sodaß sie in der Stadt selbst mit jener konkurrierte. Aber wie diese Gerichtshöfe sich auf beschränktem Gebiete Konkurrenz machten, so traten sie beide dem weltlichen Gerichte des Schultheißen gegenüber. Ihre Überlegenheit in der Rechtskunde, ihre sichere Anwendung der Form gewann stets das Zutrauen der Laien, sowohl für die [125] Entscheidung von Rechtshändeln als für die Notariatsgeschäfte freiwilliger Gerichtsbarkeit. Die Urkunden in eigener Sache, die der Official durch Anfügung seines Siegels beglaubigte, und in weit stärkerem Maße noch die von den Officialen selbst ausgestellten Urkunden zeigen, wie zahlreich und mannigfaltig die Rechtsgeschäfte waren, die vor sie zur Bezeugung gebracht wurden. Der hieraus erwachsende, durch Übergriffe wie durch Verbote stets neu genährte Widerstreit zwischen Stadtgericht und geistlichen Gerichten füllte die Jahrhunderte, bis ihm erst die Reformation ein Ende machte.

Ihren Sitz hatten beide Gerichte auf Burg. Der Archidiakonatsofficial scheint sein Konsistorium in der St. Maria Magdalenakapelle gehabt zu haben, die einst ein Archidiakon erbaut hatte; aber er amtete auch an andern Stellen. Wir finden sein Gericht und dasjenige des bischöflichen Officials auf dem Münsterplatz unter der großen Linde, im Hofe des Domsängers, auf den Stufen vor der Peterskirche, auf dem Leonhardsberg usw.

In allen diesen Einrichtungen, Formen, Rechten erschien das Domstift als eine geschlossene und mächtige Einheit, dem weiten Umfang der Diözese wie der nahen Stadt gegenüber.

Hier war der Punkt, wo das Leben des Bistums seinen Ursprung hatte und seine Richtung empfing. Alljährlich in der Fastenzeit versammelte sich hier die Geistlichkeit zur Synode, und neugierig mochten diese Landpfarrer um sich blicken, die, nachdem sie schon die starken Tore der Stadt dort unten durchschritten, hier oben nochmals durch einen Mauerring eintretend sich in einer merkwürdig umfriedeten Welt fanden, wo die stolzen Ritter- und Priesterhöfe, die geschmückten Kapellen, die Pracht des Münsters ihnen wie Wunder erschienen neben ihrer bäuerlichen Heimat.

Für die Stadt selbst hatten Domstift und Kathedrale eine andere Bedeutung. Eigenartig war schon, daß in diesem Münster, das ursprünglich doch die Pfarrkirche der Stadt gewesen, nunmehr der Klerus kein Seelsorgerecht besaß, auf den Altar- und Chordienst beschränkt war. Er begab sich aber damit des Einflusses auf die Seelen und auch der äußern Vorteile keineswegs. Das Anniversar, das Gräberbuch, die Urkunden des Münsters zeigen uns eine Art Münstergemeinde, die Gesellschaft der ihm und seinen Klerikern besonders zugetanen Gläubigen, die Nachbarn, die Umwohner, die sein Treiben unmittelbar sahen und hörten und über Parochierechte hinweg in Leben und Tod zu ihm hielten. Es waren durchaus nicht nur ritterliche Dienstleute; auch die Burger von der Freienstraße, jenes bunte Gemisch sodann von Notaren, Kunstfertigen und Gelehrten [126] an der Augustinergasse, wie die Bewohner der Ulrichsgasse bis zu den Häusern des Brotmeisters und des Ritters von Kaiserstuhl gehörten zu diesem Kreise.

Zum Greifen nahe war der Stadt die ganze Münsterwelt und doch wie entrückt dem gewöhnlichen Verkehr, wie abgesondert durch ihre Rechte und Freiheiten, durch die Immunität der ganzen Ansiedlung, die Fuhrweinfreiheit, Zollfreiheit, Martinszinsfreiheit der Domherren, die diesen und mit ihnen der ganzen Münsterklerisei zukommende Freiheit von Steuer- und Dienstpflicht, während die andern Stifter und Klöster diese Bürden trugen.

Aber auch hierüber hinaus noch repräsentierte das Domkapitel eine ansehnliche Macht. Seine Funktionen als Ratskollegium des Bischofs, als Wahlbehörde waren erheblich; seine Teilnahme am weltlichen Regiment und damit auch an der Stadtherrschaft verschaffte ihm das Recht, Zwei aus seiner Mitte zu den Kiesern des Rates abzuordnen. Und wie stark steht es da, wenn es als Gegner des Bischofs auftritt, dessen schlechte Wirtschaft rügt, sich der Beeinflussung der Wahlen in das Kapitel erwehrt. Dem entspricht, daß schon frühe eine Teilung der ursprünglich einheitlichen Stiftsgüter zwischen Bischof und Kapitel stattfand. Wir sehen zwei getrennte Vermögensverwaltungen und gelegentlich das Domkapitel sogar als Gläubiger des Bischofs.

Unter den Kapitelgütern nahm aber das zur Dompropstei gehörende den ersten Rang ein, mit einem weitverteilten Reichtum an Ländereien und Rechtsamen ringsum im Stadtbann, in Hüningen und zu Michelfelden, in Bubendorf, Benken, Hagental, Spechbach, Istein usw. In dem stattlichen Hofe des Propsts an der Rittergasse zu Basel, neben der leimenen Stege, die dort zur Marienkapelle hinaufführte, war die Stätte des Gerichtes, an das als letzte Instanz der Rechtszug von den Dinghöfen der genannten Dörfer ging.

Unverkennbar lebt in allen diesen Verhältnissen des Domstifts eine Größe, die kein anderes Stift noch Kloster Basels hat. Wir erinnern uns an den schon einmal betonten Zusammenhang mit den allgemeinen Dingen, der hier waltete. Durch königliche Stiftungen war das Münster ausgezeichnet. Zwar wurde das Andenken Kaiser Heinrichs II. noch nicht gefeiert, aber der Domschatz bewahrte herrliche Gaben dieses Wohltäters, die seinen Namen festhielten. Alljährlich wurde die Jahrzeit feierlich begangen, die einst Kaiser Heinrich III. für sich und seine Gemahlin, für seine Eltern Konrad und Gisela und für den Würzburger Bischof Bruno hier gestiftet hatte. Auch die Namen des [127] Königs Rudolf und der Seinigen zierten das Anniversarienbuch, und im hohen Chor stand das Grabmal, das die Gebeine der Königin Anna und ihrer Söhne Karl und Hartmann barg, in seiner Nähe der Altar mit den zum Seelenheil dieser erlauchten Toten gestifteten Pfründen zweier Priester, der capellani regine.


Den vollkommenen Gegensatz zum Domstift bildet das Kloster St. Alban. Sein Wesen ist Entrücktsein, Abgewendetsein. Es ist entstanden als wahres Anachoretenkloster in Einöde und Wald. Wenn es vielleicht auch eine durch das Andenken alten Martyriums schon geheiligte Stätte wählte und auch Basel selbst nicht ferne lag, so war doch in dieser grauenvollen Zeit des elften Jahrhunderts ein Wohnungsuchen an dieser Stelle gleich einem Wohnungsuchen in der Wildnis. In Einsamkeit sich zu bergen mochte damals Mancher getrieben sein, der Schlimmes erlebt oder getan hatte; vielleicht haben wir an Derartiges zu denken bei jenem Vorfahr des Grafen Adelbert, dem im Jahre 1096 schon gestorbenen Wolfrad, dem frühesten uns genannten Mönche von St. Alban.

Die Anfangszeiten glichen hier völlig denen des Klosters im Eremus. Die Mönche rodeten den Wald, der ihrem Hause zunächst stand; sie bauten das Feld; sie zogen das Wasser der Birs durch einen Kanal in ihre Nähe, legten hier Mühlen an. Um dieses früheste Centrum von Arbeit und geordnetem Leben sammelten sich Anwohner, und bei der klösterlichen Niederlassung entstand ein Dorf und später eine Vorstadt.

Auf solche Weise bildete sich hier außerhalb Basels eine abgeschlossene Welt. Sie trug sofort einen eigenen Charakter und hielt diesen auch später fest. St. Alban war ein Kloster der kleinen Leute. Wir vernehmen wenig von Beziehungen des Adels oder der reichen Burger zu diesem Gotteshause; auch unter den Prioren begegnen uns keine dieser Herren. Eine Folge hievon mag sein, daß in den Urkunden das Kloster verhältnismäßig selten von sich reden macht. Es lebte weniger nach außen, als im Bereich seiner Grundherrschaft, mit seinen Zinsleuten und Hörigen, und was hier vorfiel kam in keine Urkunden. Aber auch seine besondere Organisation kommt hiebei in Betracht. Von Anbeginn war St. Alban der unmittelbaren Leitung des Abtes von Cluny unterstellt. Es war eine Gründung des cluniacensischen Geistes; dieser Zusammenhang gab nicht allein die Regel für Gesinnung und Leben des Klosters, sondern er bewirkte auch ein Abgewendetsein desselben in die Ferne, nach Cluny, von Basel weg. Seine ganze Geschichte offenbart dies. Nicht daß die einzelnen Beziehungen [128] zwischen Kloster und Stadt etwa fehlten; schon seine ausgedehnten Pfarreirechte bewirkten, daß es mit einem großen Teile der Stadtbevölkerung stets in Berührung blieb. Aber sein Wesen selbst stand doch unter Herrschaft eines fremden Geistes, einer fremden Kultur; wenn auch die Mönche einheimisch sein mochten, so finden wir unter den Prioren öfters Ausländer; gleich der erste, Wilhelm, war ein Mönch aus Cluny, und auch Joffrid, Stephan, Symon scheinen Wälsche gewesen zu sein.

St. Alban hatte auffallend wenig Besitzungen in der alten Stadt. Seine Güter lagen vor allen im Lande draußen, zu beiden Seiten des Rheins. Bei seiner Gründung war es durch Bischof Burchard fürstlich ausgestattet worden, und diesem Beispiel waren große Donatoren, wie die Grafen Ulrich von Saugern und Adelbert und der Vitztum Hupold von Basel gefolgt. So besaß das Kloster schon zu Beginn des zwölften Jahrhunderts Güter in Binningen, Oberwil, Pratteln, Gelterkinden, Thürnen, Höllstein, im Sundgau zu Buschweiler, Habsheim, Sierenz, Uffheim, Ranspach usw., im Breisgau zu Rheinweiler, ja im fernen Mett bei Biel; großartiger noch war die lange Reihe von Kirchen, die ihm gehörten, diesseits Rheins in Kembs, Biesheim, Appenweier, überm Rheine in Lörrach, Hauingen, Kandern, jenseits des Jura in Hägendorf, durchweg mit reichem Zubehör an Ländereien und Rechten.

Auch sein Besitz in Kleinbasel geht auf die Schenkung des Gründers Burchard zurück; er bestand in der Kirche St. Theodor und ausgedehntem Territorium; bei Anlaß der Schilderung von Kleinbasel wird hierüber noch zu reden sein.

In der Stadt selbst finden wir nur vereinzelte, den Mönchen von St. Alban zustehende Liegenschaften. Um so überraschender wirkt hier der Umfang ihrer geistlichen Macht.

Bischof Burchard hatte bei der Gründung des Klosters alle seine pfarrlichen Befugnisse in der Stadt Basel „wie sie der Fluß Birsig begrenzt“ auf den Prior übertragen und ihm außerdem die Kirche St. Martin geschenkt. St. Alban erhielt damit die Seelsorge in ganz Basel; nicht allein in seiner eigentlichen und engern St. Albansgemeinde vor dem Tor, sondern im Bezirk der alten Stadt zwischen Birsig und Rhein. Das Verhältnis war ein außerordentliches. Wenn auch die alte Parochie St. Martin dieser Schenkung gegenüber sich zu behaupten vermochte, so lag etwas Befremdliches doch darin, daß die Arbeit an der Gemeinde im Kerne der Stadt, rings um die Kathedrale her, Mönchen anvertraut war, die vor der Stadt hausten und ihren Regenten in Cluny hatten. Wir dürfen freilich annehmen, [129] daß eine geraume Zeit lang, und nachdem der Martinssprengel abgesondert war, nicht sehr viele Häuser und Seelen unter St. Alban zu stehen kamen. Das Domstift mit seinen Pertinenzen war jedenfalls vom Gemeindeverband eximiert, und es ist daran zu erinnern, daß die Stadtmauer in der ersten Zeit wahrscheinlich in der Richtung der heutigen Bäumleingasse lief. So blieb in der Tat kein großes Gebiet mehr. Aber die Stadt wuchs auch nach dieser Seite hin; und die Stadtmauer wurde auf die Linie Wasserturm-Kunostor hinausgeschoben. Im Gebiet der Berechtigung von St. Alban trat infolge hievon keine Änderung ein; aber Bedeutung und Inhalt dieses Rechtes hob sich mächtig durch die Überbauung des nun von den Mauern geschirmten Terrains. Nicht zum Wohlgefallen des Domstifts. Die Inbrunst, mit der einst Burchard so Großes seinem Heiligen dargebracht, wirkte schon lange nicht mehr, und mit Widerwillen sahen zumal die Domkapläne, wie die Geistlichen von St. Alban hier vor ihren Augen im Bereiche des Münsters amteten, die Sakramente spendeten, Einfluß und Anhang hatten, Gebühren erhoben. Daß das Kloster auch in außergewöhnlichen Fällen seine Rechte geltend zu machen verstand, zeigte sich bei der Niederlassung der Barfüßer innerhalb der Stadtmauern 1250, die nur mit seinem Consense geschah. Es verlautete auch, daß St. Alban, um der wachsenden Arbeit besser genügen, den seiner Sorge Befohlenen wirksamer beistehen zu können, den Bau einer Kirche mit Kirchhof innerhalb der Mauern plane. Nun rührten sich die Domkapläne. Sie brachten 1256 den Bischof Berthold dazu, ausdrücklich zu erklären, daß seit unvordenklichen Zeiten die Domgeistlichen befugt seien, den Bewohnern der alten Stadt von Lallos Turm (Fahnengäßchen) aufwärts bis zu den Stadtmauern die Sakramente zu spenden. Ein Schiedsspruch sodann, den der Bischof bestätigte, stimmte hiermit überein, sprach die Gemeinde innerhalb der Mauern dem Kloster ab und teilte sie dem Domkapitel zu. Aber die Mönche von St. Alban fügten sich keineswegs. Sie suchten das Recht, das ihnen in Basel vorenthalten wurde, am apostolischen Stuhle und gelangten hier in der Tat zum Ziel. 1259 wurde in Anagni entschieden, daß die umstrittene Gemeinde dem Kloster zustehe; das Domstift solle keine pfarrlichen Funktionen gegenüber den Gemeindegenossen ausüben; dafür wurde dem Kloster auferlegt, das Patronat von St. Theodor an das Domstift abzutreten.

So hatte St. Alban seine kirchliche Machtstellung behauptet; dem Domstift konnte die Erhebung seiner Ulrichskapelle zur Pfarrkirche, die kurz nachher gelang, ein Trost für die Niederlage sein. Aber einige Jahre [130] später hatte St. Alban sein Recht neuerdings zu wahren, als die Deutschordensherren sich in seiner innern Gemeinde festsetzten.

Völlig frei dagegen von aller Nachbarschaft und daher auch frei von Feindschaft und Eingriffen bewegten sich die Mönche in der äußern Gemeinde, die das ganze Stiftungsgut zwischen Stadtmauer und Birs umfaßte. Der Leutpriester von St. Alban, dem der Prior die Versehung des Pfarramtes übertrug, wird zum ersten Male 1192 genannt; er wurde aus der Zahl der Mönche genommen.

Centrum alles Lebens von St. Alban waren Kloster und Kirche. Aus zwölf Mönchen sollte der Konvent bestehen, mit Einrechnung des Priors. Aber diese Zahl wurde selten eingehalten. 1269 fanden die Visitatoren dreizehn Mönche vor, 1275 und 1276 nur fünf. 1289 lebten im Kloster neben den Mönchen noch zwei Konversbrüder und eine Begine. Auch im übrigen fand sich bald die bald jene Verletzung der Regel: Fleischessen zur Unzeit, Schwatzen, Tragen leinener Hemden, Mangel der Weihen u. s. f. Pflicht der Brüder war, dreimal im Tag die Messe zu feiern.

Noch ist vom Klosterbau ein dürftiger Rest erhalten, in einem Stück des Kreuzgangs. Vom Aussehen der Kirche wissen wir nichts. Wollen wir sie uns vergegenwärtigen, so dürfen wir annehmen, sie sei den gleichfalls cluniacensischen Kirchen von Payerne, Grandson, Romainmotier ähnlich gewesen. 1269 wurde an ihr gebaut, 1299 wiederum; aus dem letzten Jahre wird berichtet, daß der Chor noch nicht vollendet sei.

Um den von einer Mauer umzogenen Bifang der Kirche, des Klosters und ihrer Nebengebäude drängte sich die weltliche Ansiedelung. Vor allem die Mühlen sind hier zu nennen, die ihr den besondern Charakter gaben; sie waren eine Grundlage für das wirtschaftliche Gedeihen des Klosters. Das Zinsbuch von 1284 kennt ihrer eine ganze Reihe; die eine Gruppe lag in der Nähe der Klostergebäude, weiter oben am Teich die andere, die auch Sägen enthielt. Noch älter als die Müller vielleicht waren die Fischer. Im tiefen Mühlenrevier und oberhalb des Klosters am Berge fanden sich andere notwendige Gewerbe, Schmiede, eine Weberin, Schneider usw. Auch das Spital, das die Mönche betrieben, stand hier oben. Der Klosterbäcker wird genannt, der Förster des Klosters, der Hirt, der Bannwart, der Amtmann, der Sigrist. Das Kleinleben eines Dorfes oder Landstädtchens im Klosterschatten liegt vor uns. Eines der Häuslein war dem alten Pfarrer von Kembs eingeräumt, seine Tage darin zu beschließen. Noch trug ein Haus den erlauchten Namen des Bischofs Burchard. Ein Schüler Berthold, die von Brüglingen, die Nonnen des Schöntals besaßen Häuser. Burchard [131] von Liesberg, die Brüder Burchard und Cuno von Corchapois waren Jurassier, die jedenfalls mit der Birsflösserei herabgekommen und hier sitzen geblieben waren. Gärten, Scheunen, Ställe fanden sich zwischen den Wohnungen zerstreut; auch ein Sodbrunnen wird genannt.

Alles das stand auf Grund und Boden des Klosters. Jede Mühle und jedes Haus zahlte den Mönchen zu Fastnacht ein Huhn und zur Zeit der Heuernte einen Heuer. Diese Vorschrift mochte die gebundenen Verhältnisse der ersten Ansiedelungszeit wiederspiegeln; aber die Ansiedelung wuchs, nicht nur an Umfang, sondern auch an Art und Inhalt. Sie entwickelte sich in den verschiedensten Formen. Schon eine frühe Anordnung aus Cluny redet von der Menge der Bewohner dieses Dorfes, sodaß die Spende beim Kloster nur einmal in der Woche gegeben werden könne. Aber durchaus nicht alle Anwohner waren auf solche Spende angewiesen, und auch durchaus nicht Alle waren Unfreie. Auch innerhalb der Grundherrschaft konnten Freie leben, unter der Gerichtsherrschaft des Grundherrn stehen, mit herrschaftlichem Gute beliehen sein.

Mit der Ausbreitung der Wohnungen, der Mehrung von Menschen und Gut hatte sich das Bedürfnis eines Schutzes ergeben. Schon früh werden Kloster und Mühlen zusammen eine Ummauerung erhalten haben; später, wohl vor 1284, wurde zur rechten Seite der von Kunos Tor hinausführenden Straße die Mauer aufgeführt, die auch die Ansiedelungen „auf dem Berge“ schirmte. Sie verband den äußeren Bezirk mit der Stadtmauer; wo sie zusammentrafen, bei der heutigen Einmündung der Malzgasse, stand das Friedentor. Auch ein Turm bei den Mühlen wird genannt, ein Steinbogen und ein oberer Steinbogen, ein Torwartshaus.

An dieses Dorf, diese Vorstadt schloß sich nun die weite Grundherrschaft von St. Alban. Was zwischen der Stadtmauer und der Birs, sowie der von der Stadt nach St. Jakob hinausführenden Straße und dem Rheine gelegen war, gehörte in der Hauptsache dem Kloster. Auch der Lauf der Birs unterhalb St. Jakob war ein Teil dieser Herrschaft; noch 1301 anerkannte dies Graf Hermann von Honberg ausdrücklich; nur St. Alban hatte das Recht, in dieser Flußstrecke zu fischen und zu wuhren. Dies schöne Gebiet war der Kern der burchardischen Schenkung gewesen, seine Nutzung war der die Mönche am nächsten berührende Teil der ganzen Klosterwirtschaft. Von der Hardwaldung, die große Strecken dieses Gebietes überzog, wurde schon geredet, ebenso von der Ausleihung dieses Waldgebietes, von der allmählichen Rodung. Wie ferne dem gewöhnlichen Verkehr und den Wohnungen dieses Gebiet aber war, zeigt deutlich der Galgenstreit [132] des Klosters mit Johann von Arguel. Ursprünglich hatte sich der städtische Galgen vor Spalen auf dem Lysbühl befunden, war aber, als die dortige Gegend bewohnt zu werden begann, vom mächtigsten Grundeigentümer dieser Gegend, dem von Arguel, beseitigt und draußen im Gebiet von St. Alban aufgerichtet worden, wo er Niemanden störte als die Mönche.

Wir haben noch die Rechtsverhältnisse der Grundherrschaft von St. Alban zu beachten; sie sind deutlich erkennbar.

Zunächst waltet im innersten Bezirke, der Kirche, Kirchhof und Kloster umschließt und dem Namen des Allerhöchsten geweiht ist, der besondere Friede der Heiligkeit. Wer diesen Frieden bricht, den trifft Exkommunikation und das Gericht Gottes.

Größer ist das Gebiet der Immunität. Als solches stellt sich der ganze Bereich der Grundherrschaft zwischen Stadtmauer und Birs dar. Richter hier ist allein der Prior des Klosters. Bischof Burchard hat ihm diese Gerichtsbarkeit zugeteilt und dadurch, wie er sagt, alles Handeln und Amtieren weltlicher Personen, alles Geräusch der Welt aus diesem Gebiete weggewiesen, damit die Mönche in voller Freiheit einzig Gott zu dienen vermögen. Nur die hohe Gerichtsbarkeit hat der Bischof dem Kloster nicht gegeben, sondern sich reserviert.

Doch kommt diese Immunität nicht nur im Fernhalten des weltlichen Gerichts zum Ausdruck; auch andere öffentliche Gewalten und Lasten sind ausgeschlossen. Wer in dem Gebiet von St. Alban wohnt, ist von Heerespflicht und sonstigen Diensten der Stadt noch im dreizehnten Jahrhundert frei. Bischof, Bürgermeister und Rat mögen, wenn sie ein Aufgebot erlassen, auch den Prior von St. Alban um Zuzug bitten, aber er kann nach freiem Willen Leute ziehen lassen oder die Bitte versagen.

Die Gerichtsbarkeit, die dem Kloster zustand, wurde von ihm geübt nicht durch den Prior persönlich, sondern durch dessen Schultheiß; als Richter saßen die Müller. Gerichtsort war der Platz unter der Linde vor der Kirche, bei Regenwetter der Kreuzgang.

Die Handhabung der hohen Gerichtsbarkeit zu St. Alban war durch Bischof Burchard lediglich seinen Beamten, d. h. wohl in erster Linie dem Vogt seiner Kirche, zugewiesen worden. Ein Weistum des dreizehnten Jahrhunderts bezeichnet dies Verhältnis etwas näher. Bei blutiger Tat innerhalb der Grundherrschaft des Klosters ladet der Prior den Schuldigen vor, zugleich entbietet er den bischöflichen Schultheiß. Dann sitzt er mit diesem zusammen unter der Linde zu Gericht. Von Bußen erhält der Prior 2/3, [133] der Schultheiß 1/3. Aber geht es an blutige Strafe, so steht der Prior auf und läßt einen Stellvertreter neben dem Schultheiß sitzen. Es ist etwas dem Verfahren beim bischöflichen Vogtsgericht durchaus Analoges; statt des Bischofs der Prior, statt des Vogtes der Schultheiß.

Aber wir sehen, daß von dritter Seite Eingriffe in diese Gerichtsbarkeit zu St. Alban stattfanden. Burchard hatte 1103 dem von ihm gestifteten und ausgestatteten Kloster Vögte gegeben, für die linksrheinischen Besitzungen den Grafen Rudolf von Honberg, für die rechtsrheinischen den Herrn Dietrich von Röteln. Ausdrücklich nur als Schirmvögte, tuitionis virtute, zur Verteidigung von Leuten und Gütern des Klosters. Von irgend welcher Gerichtsgewalt der Vögte kein Wort. Die eine dieser Schirmvogteien scheint sich im Honbergischen Hause weitergeerbt zu haben, auch dann noch, als dieses die Vogtei des Bistums schon eingebüßt hatte; und auch bei ihr zeigt sich die Entwicklung der Vogtei zu Mißbrauch und Uebergriff. Der Honberger Graf Werner beanspruchte Kraft seiner Schirmvogtei eine Gerichtsbarkeit zu St. Alban. Das Kloster widersetzte sich; es kam zu einem Schiedsverfahren, und Bischof Heinrich bestätigte 1221 den Spruch, durch den auf Grund des burchardischen Privilegs dem Grafen alle Gerichtsbarkeit aberkannt und für die Zukunft Ruhe geboten wurde. Es ist aber fraglich, ob sich der Graf völlig gefügt habe; in der Gerichtsbarkeit wenigstens, die später durch die Herren von Biedertal und die Herzoge von Oesterreich zu St. Alban geübt wurde, wenn auch in sehr kümmerlicher Weise, scheint eine Usurpation der Honberger weiterzuleben.

Auf die Spärlichkeit der Ueberlieferung bei St. Alban ist nochmals hinzuweisen. Wir vermögen beinahe nur die allgemeinen Zustände zu erkennen, und da wir eine Mönchswelt vor uns haben, macht sich insbesondere das persönliche Element kaum geltend. Immerhin zeichnen sich in der Reihe der Prioren einige wenige Figuren aus: Heinrich, der um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Prior war und neben St. Alban auch die Priorate von St. Viktor in Genf und des Portes bei Belley innehatte; seinen Wert erweisen überdies der Sieg, den er im Parochiestreit über die Domkapläne errang, und seine Erhebung zum Bischof von Genf 1260. Sodann Stephan, unter dessen Regierung (1270er und 1280er Jahre) so überraschend viel von Kauf, Leihe und Verwaltung der Klostergüter die Rede ist, daß dies nur als Folge seiner persönlichen Energie und Rührigkeit betrachtet werden kann; die Ergänzung hiezu sind aber die Rügen der Visitatoren, daß zur selben Zeit die Mönche Mangel leiden und Stephan sie auch nicht mit genügendem Ernste zur Erlangung der Weihen anhalte.

[134] Wie St. Alban war auch St. Leonhard die Schöpfung eines reformatorischen Geistes.

Diese Schöpfung ruhte zunächst auf der Initiative eines reichen Klerikers, dessen Persönlichkeit freilich wie eine halbmythische vor uns steht, des Diakons Ezelin. Dieser bewog den Bischof Rudolf dazu, eine vor der Stadt gelegene Berghöhe, die Allmendland war, „der Freiheit zu schenken“, d. h. mit der Heiligkeit und dem Frieden eines kirchlichen Ortes zu begaben; er baute dann hier die Kirche, die 1118 durch Rudolf in der Ehre der heiligen Bartholomäus und Leonhard geweiht wurde. Art und Verfassung dieser Kirche kennen wir nicht, dürfen aber vermuten, daß schon bei ihr eine Kongregation von Geistlichen sich befand. Sie empfing ansehnliche Schenkungen: von Bischof Rudolf selbst den Berg, sowie einen gegen 140 Jucharten großen Landkomplex gegen Allschwil, von Bischof Berthold Pastorat und Zehntquart in Stetten. Als ihr Prokurator wird ein Eppo genannt, und von diesem ging nun die zweite Anregung aus: das Gotteshaus der Augustinerregel zu unterstellen. Bischof Adelbero vollzog dies; Mönche aus Marbach sollen die Regel hier eingeführt haben. 1135 gab Adelbero dem neuen Stift Statuten, Papst Innocenz erteilte 1139 seine Bestätigung. Adelbero begabte das Stift auch mit dem nahegelegenen Walde. So entstand fünfzig Jahre nach St. Alban das zweite Kloster in Basel. Auch dieses, indem man sich einer neuen Auffassung zuwendete, einem neuen, strengeren, geläuterten Leben eine Statt bereiten wollte.

Wie St. Alban war auch St. Leonhard eine Gründung vor den Mauern, ein Erstes in bisher unbebautem und unbewohntem Gebiet. Aber schon die Teilnahme alles Volkes bei der Widmung der Allmend und dann wieder der Wille alles Volkes bei der Einführung der Regel gibt der neuen Stiftung ihre Eigenart. Sie ist nicht abgelegen und wendet sich nicht ab wie St. Alban, sie wurzelt im Volke, ist von Anbeginn etwas Populäres.

Zahlreiche Urkunden und ein im Jahre 1290 sorgsamst angelegtes Zinsbuch sind die Quellen für Geschichte des Leonhardsgutes.

An die Kirche angeschlossen, zog sich ihr städtisches Grundeigentum in dichtgedrängter und dem Anschein nach ziemlich geschlossener Masse über die Hänge des Leonhardsberges; die Grenzen waren in der Hauptsache gegen außen die Mauern, gegen innen Spalenberg und Gerbergasse. Das Gebiet ist dadurch gekennzeichnet, daß von allen Häusern, die auf Grund und Boden des Stiftes standen, diesem ein Schnitter gestellt werden mußte. Wie der Achtschnitter des Bischofs ist dies ein grundherrliches Recht, das der Bischof usurpierender Weise in seine Stadtherrschaft aufgenommen zu haben [135] scheint, das aber hier bei St. Leonhard, wie auch bei St. Alban, diesen Charakter unverkennbar trägt. In der Zeit unsrer Urkunden wird es sich dabei kaum mehr um die Leistung in natura gehandelt haben, sondern um die Zahlung eines entsprechenden Betrages. Der Name jedoch, der von der Lieferung des Schnitters zur Zeit der Ernte auf das grundherrliche Ackerland redet, bezeugt frühere landwirtschaftliche Zustände, und ein Hinweis auf den alten Umfang des Leonhardslandes liegt auch darin, daß der Schnitter noch spät nicht nur von den städtisch überbauten Liegenschaften, sondern auch von Parzellen im Gartengebiet auf dem Kohlenberg, außerhalb der Mauern, zu entrichten war.

Schon früh zeigen sich die auswärtigen Besitzungen des Stifts. Das früheste genannte Gut ist das im elsässischen Stetten; mit der Zeit fügte sich hieran ein ansehnlicher und wichtiger Besitz weit herum im Sundgau, in Neuweiler, Hagental, Wenzweiler, Müsbach, Knöringen, Michelbach bis hinab nach Dietweiler und Galfingen, ja selbst in Sulz noch war St. Leonhard begütert. Eine zweite Gruppe bildeten die Berechtigungen in Muttenz, Reinach, Pfäffingen, Wintersingen. Rechts vom Rheine aber scheint das Stift noch gar nichts besessen zu haben.

Eine Bereicherung eigener Art sodann war die Erwerbung des Klösterleins Kleinlützel. In früherer Zeit war dies eine Niederlassung von Cistercienserinnen gewesen; Graf Rudolf von Tierstein hatte dann das Haus unter die Regel St. Augustins gestellt und Marbacher Mönche dahin berufen. Aber die Verhältnisse waren dürftige und wurden immer kümmerlicher. Es fehlte an Allem; neue Mönche traten gar nicht mehr ein. Um daher das Kloster der Augustinerregel zu erhalten, vollzog Bischof Heinrich 1264 seine Vereinigung mit dem Leonhardsstift zu Basel; keine Unterscheidung sollte fortan zwischen Chorherren hier und dort gemacht werden, der Propst von St. Leonhard zugleich Prälat von Kleinlützel sein.

In der Reihe der Basler Gotteshäuser nehmen St. Leonhard und sein Gut eine besondere Stellung ein. Das Stift war viel weniger emanzipiert als St. Alban, zumal dem Bischof gegenüber, der bei diesem sozusageu Alles aus der Hand gegeben hatte. Dem Stift St. Peter aber war St. Leonhard überlegen durch höheres Alter und dann wieder in anderer Weise von ihm unterschieden dadurch, daß sein Gebiet ein jüngerer Stadtteil war als derjenige, bei dem St. Peter entstand. Zu Beginn des zwölften Jahrhunderts war dieses Gebiet von St. Leonhard noch unstädtisch, Allmend vor der Mauer. Seine Ummauerung wird zuerst im Jahre 1206 bezeugt. Aber erst geraume Zeit nachher, und dann zunächst noch recht langsam, [136] stellen sich die Urkunden ein, belehren uns über die Geschichte der Hofstätten, über die Rechte des Stiftes. Eine spätere Formation steht in ihnen vor uns, das alte Eigenartige ist schon verwischt.

Zu diesem nicht mehr deutlich Erkennbaren gehört auch das Propstgericht von St. Leonhard. Es ist nur sehr ungenügend bezeugt. Kein Weistum hat sich erhalten, wie bei St. Alban; auch nicht wie dort zeigt sich später ein klares Ende durch Abtretung einer Gerichtsbarkeit an die Stadt. Es handelt sich offenbar um ein reines Privatgericht. Nur zweimal findet es Erwähnung: 1252 wird ein Streit des Klosters Olsberg mit dem Schneider Albert über eine Hofstatt, die dem Stifte gehört, vor den Propst zur richterlichen Entscheidung gebracht; 1270 präsidiert der Propst dem Gerichte, redet von dessen Uebung, spricht Recht und adjudiziert ein Haus nach dem Urteil der jurati seiner Kirche. Wer sind diese jurati? Grundherrliche Hofgeschworene? oder Gemeindevertreter, die bei Verwaltung kirchlichen Besitzes mitwirkten?

Von der sozialen Eigenart St. Leonhards war schon zu reden Anlaß. Eine Bevölkerungsschicht wurde erwähnt, die als Leonhardsgesellschaft gelten kann. Es wird auf das dort Gesagte verwiesen und hier nur eine Familie kurz namhaft gemacht, die sich in dieser Plebs deutlich abzeichnet. Es ist die Familie der Färber, ihr Stammvater der Lombarde Albertlinus, der im Färbereigewerbe reich wurde, das Basler Bürgerrecht erwarb und unter den großen Wohltätern von St. Leonhard stand. Seine Söhne Nikolaus und Bertschi wurden hier Chorherren; auch ein Konrad Färber erscheint im Konvent; die ganze, gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts breit auswachsende Familie ist ausschließlich in dieser Welt von St. Leonhard heimisch, wohnt an der Gerbergasse, giebt Zeugen zu den Urkunden des Stifts. Wie diese Lombarden gehörte auch die ganze Judenschaft in den Bereich von St. Leonhard.

Wie aber stand es nun mit der wichtigsten Betätigung des Stiftes, mit demjenigen Geistigen, um des willen eigentlich es geschaffen worden war und lebte? Es ist Folge der Dürftigkeit unseres Quellenbestandes, daß wir auch bei St. Leonhard Ausführliches und Zusammenhängendes nur über die Gutsverwaltung erfahren. Anniversarienbuch, Statuten usw. fehlen völlig. Das innere Leben des Stifts bleibt uns verschlossen.

Die Zahl der Chorherren scheint keine fest bestimmte gewesen zu sein. Nur einmal begegnet uns die apostolische Zwölfzahl, sonst ist die Anzahl der Brüder stets kleiner, um sieben bis zehn schwankend. Der Vorsteher des Stiftes ist der Propst; seine Wahl wird schon im Statut von 1135 [137] den Brüdern zugewiesen. Aber neben ihm bestehen noch andere Aemter, die aus der Reihe der Brüder besetzt werden: der Custos, der Cellerar und Prokurator, der Pleban, der Scholastikus. Die Gesamtheit heißt Konvent, in späterer Zeit vorzugsweise Kapitel. Kurze, vereinzelte Erwähnungen zeigen, wie hier gelegentlich, sei es durch den Bischof, sei es durch das Kapitel selbst, vorkommende Anordnungen gestraft wurden.

Daß diese ganze Welt sich aus niederen Schichten rekrutierte, zeigen die Chorherrenlisten deutlich. Es hindert dies, das Kloster in uns bekannte Beziehungen einzugliedern; aber auch abgesehen hievon waltet ein Gefühl von Leerheit und Dürftigkeit. Nichts von dem Greifbaren und breit Lebendigen, das wir bei den Domherren finden; nichts hinwieder von dem idealen Unpersönlichen eines Minoritenkonvents, wo der Einzelne hinter der Idee vergeht, für die er lebt und Mönch geworden ist. Eine gewisse Deutlichkeit der Erscheinung haben sich nur zwei Leonhardsleute zu verschaffen vermocht: Heinrich von Weißenburg, der von 1279 bis 1294 die Probstwürde inne hatte und an dieser Stelle Vieles für den Bau des Klosters tat, und sein Nachfolger Martin. Dieser begann seine Laufbahn als Kleriker und Gutsverwalter der Familie zur Sonnen, trat ins Leonhardsstift, ward hier Administrator, dann Propst, und brachte es schließlich bis zum Vikar des Bischofs Peter; seine Tüchtigkeit für Alles, was Geschäft und Verwaltung heißt, zeigt sich überall; das Cartular und das Zinsbuch von St. Leonhard sind sein Werk.

Bei solcher Lage der Dinge beachten wir um so eifriger alle Spuren höherer Tätigkeit. Zu erinnern ist an die Versuche von Annalistik, die damals im Leonhardskloster gemacht wurden; an anderer Stelle giebt der Titel des Cartulars von 1295, der alle Regenten der Zeit aufzählt, in seinen Bemerkungen über den wundersamen Einsiedlerpapst Cölestin und sein Beiseiteschieben durch Bonifaz VIII. ein kleines Zeugnis davon, wie hinter diesen Klostermauern die allgemeinen Geschicke der Welt beachtet und erwogen wurden. An die Schule des Stifts ist hier nur zu erinnern; ebenso an sein Spital. In beiden lag eine Tätigkeit für die Außenwelt. Aber das Normale und zugleich das Erste und Hauptsächliche solcher Tätigkeit war die Pfarrei.

Eine Anerkennung des Stiftes St. Leonhard als Pfarrkirche geschah schon 1135 durch Bischof Adelbero damit, daß ihm Sepulturrecht und Kirchhof zugesprochen wurden, welches Recht 1139 die ausdrückliche Bestätigung des Papstes erhielt. Erst später, als die Bevölkerung des Pfarrgebietes zugenommen hatte, gewährte Bischof Lütold 1205 dem Stift auch [138] die Befugnis zur Sakramentsverwaltung und Seelsorge. Diese lag zunächst jedenfalls in der Hand des Propstes als Vorstehers des Stiftes, als sein Stellvertreter hiebei mochte der Custos funktionieren; seit 1291 sodann begegnet uns ein für diese Obliegenheiten besonders bestellter Pfarrer, plebanus. Auch der Begriff des Pfarrsprengels hat sich in solcher Weise erst allmählich entwickelt. Ein Bedürfnis zu genauer Umschreibung lag noch gar nicht vor, solange die Besiedelung eine lichte war; aber mit der Zeit ergaben sich Schwierigkeiten. Nicht mit St. Alban, dessen Sprengel die feste Grenze des Birsigs besaß, wohl aber mit St. Peter, an dessen Kirche sich gleichfalls eine Gemeinde angeschlossen hatte. Die beiden Kirchen spendeten allenthalben und durcheinander die Sakramente; der Zustand war anstößig und den Kirchen selbst wie den Gläubigen nachteilig. So griff denn der überall fördernde und Klarheit schaffende Bischof Heinrich von Thun auch hier ein; am 14. September 1230 zog er zwischen den Parochieen St. Leonhard und St. Peter eine feste Grenzlinie. Alle Häuser in der Spalengasse (Spalenberg) auf der Seite gegen St. Peter vom Tor (Schwibogen) an bis zu den obern Schalen, und ebenso vor dem Tore, ferner die Sattelgasse bis zu dem Bächlein gegen den Kornmarkt hin, sowie alles was unterhalb d. h. rheinwärts von dieser Linie liegt, sollen zu St. Peter gehören, alle Häuser oberhalb dieser Linie aber zu St. Leonhard. Diese Grenzbestimmung hat von da an Geltung gehabt und durch die Jahrhunderte bewahrt; mit Dankbarkeit feierte St. Leonhard in seinem Anniversarienbuch den Bischof Heinrich als Schöpfer der Parochie.

Endlich der Bau. Die Größe und Mächtigkeit der Anlage geht über das Klosterbedürfnis weit hinaus, deutet auf etwas Schloßartiges. So vermögen wir in der Tat die alte Tradition vom Schlosse Wildeck im Leimental, das hier gestanden haben soll, nicht ganz zu verwerfen. Es ist zu beachten, daß, wenn der Berg völlig unbebaut gewesen wäre, der Erbauer der Kirche diese über den Abhang, an den dominierenden Punkt gestellt hätte; an diesem Punkte stand wahrscheinlich die Burg, die dann zum Stiftshause gemacht wurde.

Wir wissen nichts Bestimmtes von diesem Bau. Nur eine romanische Krypta unter dem heutigen Chor darf als Zeuge des alten Zustandes gelten und als Beweis, daß die Kirche schon damals an dieser Stelle stand. Eine Reihe romanischer Architekturstücke und Skulpturen haben sich überdies als Trümmer gefunden und ermöglichen einen Schluß auf ansehnliche Baulichkeiten, ohne aber im Einzelnen Aufschluß zu geben. Auch die Urkunden reden nur von allerhand Detail; sie nennen Altäre der Kirche, [139] auch die Krypta nennen sie, den Kreuzgang und den Kirchhof, sowie im Stiftshause Stube, Refektorium, Kapitelsaal, Laube u. s. w. Einzig aus der Zeit des Propstes Heinrich von Weißenburg (1279—1294) wird zusammenhängender berichtet über Erweiterung der Kirche, Anlegung eines Kirchhofs für die Chorherren, Bau des Kapitelsaals, Aufführung von Stützmauern am Fuße des Berges, Herrichtung von Chorschranken und Altären in der Kirche. Es handelt sich offenbar um eine eingreifende Umgestaltung der Kirche, und daß diese Arbeiten auch unter Propst Martin noch andauerten, ist wohl aus der Häufigkeit der Ablässe zu schließen, die in den 1290er Jahren zu Gunsten der Leonhardskirche verheißen wurden.

Der Laienkirchhof lag vor der Kirche, der Stadt zugewendet; auf ihm stand die St. Oswaldskapelle. Diese Kapelle, 1248 zum ersten Mal genannt, bildete für das Stift eine nützliche Filiale. Sie war an dem der Stadt zugewendeten Eingang des innern Kirchengebietes gelegen, und die Stiftsherren konnten auf dem Platze vor der Kapellentüre allerhand Geschäfte mit dem Publikum erledigen; das Propstgericht saß hier, Häuserleihen fanden hier statt, Spenden wurden hier ausgeteilt. St. Oswald scheint ein ansehnlicher Bau gewesen zu sein; er hatte Ober- und Unterkirche; die Lieferung der Ziegel für das Dach ruhte als Last auf einem der Zinshäuser des Stifts.

An diese St. Oswaldskapelle knüpft sich ein lebendiger Handel. Johann Teufel, ein begüterter Bürger aus der Leonhardsgesellschaft, hatte dem Stifte sich und sein ganzes Gut verschrieben, wurde dann aber reuig und erklärte, weltlich bleiben zu wollen. Die Chorherren machten ihr Recht an ihn geltend. Bischof Heinrich mußte schlichten und brachte es dazu, daß Teufel sich mit einer großen Vergabung loskaufen konnte, 1277; er widmete, nicht sofort zwar, sondern auf den Zeitpunkt seines Todes, dem Stift mehrere Häuser zur Stiftung einer Pfründe in der Krypta von St. Oswald. Damit unanfechtbar weltlich geworden, heiratete er, zeugte einen Sohn, und nun schien das Stift in seinem Interesse neuerdings gefährdet. Es bewog daher die höchste Instanz, den Papst, im Jahre 1290 dazu, die Vergabung des Teufel fest und unlöslich zu machen. Aber Johann Teufel starb noch nicht. Vielmehr benützte er eine gute Gelegenheit zur Spekulation in Korn, kaufte billig ein und gewann binnen Jahresfrist durch Verkauf das Zehnfache. Auf dieses hin scheint sich das Stift neuerdings seiner bemächtigt zu haben. Es wird überliefert, daß er aus dem Spekulationsgewinn die St. Oswaldskapelle neu habe bauen lassen, was im Zusammenhang mit den Bauten des Propstes Heinrich allerdings [140] denkbar ist. Aber die Stiftsherren hielten ihn auch dann noch fest, und als er nach kurzem gestorben war, machten sie geltend, daß er auf dem Todbette noch das Mönchskleid angelegt und sich und seinen gesamten Nachlaß dem Stift übergeben habe. Der Sohn und Erbe, das junge „Teufelein“, erhob Einsprache; der Streit kam vor Schiedsmänner, und diese urteilten 1294, daß der junge Teufel durch das Stift mit einer Zahlung von zwanzig Mark abzufinden sei, der Nachlaß des Alten aber an St. Leonhard fallen solle.


Von St. Alban und St. Leonhard führt uns der Weg nach St. Peter wieder zurück in die größeren und freieren Formen, denen wir zuerst beim Domstift begegneten. Wir betreten da zugleich auch den Boden der Anfänge Basels.

Es wurde schon gesagt, wo er zu finden sei. Es ist das unterste Birsigtal und die aus diesem gegen Westen ansteigende Berglehne. Den frühesten Ansiedlern folgten hier und wuchsen die Geschlechter, die als Kern der Bürgerschaft, als Träger bürgerlicher Tätigkeit und des innersten städtischen Wesens zu gelten haben. Vermutungen über die frühesten kirchlichen Zustände dieses Stadtteiles sind oben, bei Anlaß der Martinsgemeinde, geäußert worden. Ein neuer, klar bezeugter Zeitraum knüpft sich an die Gotteshäuser St. Peter und St. Andreas.

St. Peter hat als einfache Pfarrkirche begonnen. Die Besiedelung des Abhangs, die in diesem Stadtteil früher stattfand als bei St. Leonhard, machte die Pfarrei zum Bedürfnis. Wir wissen nicht, wie sie entstand. Aber wir dürfen eine unmittelbare Einwirkung des Domstifts dabei annehmen; denn das Patronat der Kirche stand dem Dompropste zu, und bei der Erhebung zum Kollegiatstift war ihr Pfarrer der Domdekan. Auch hing der Bau der Kirche an dieser Stelle, am äußersten Rande des Plateaus, wo sie ihre Gemeinde auch äußerlich beherrschte und den alten St. Martin von gleicher Höhe über das Tal hin grüßte, wohl damit zusammen, daß das Domstift hier Grundbesitz hatte. Reste dieses Besitzes begegnen noch später im domstiftischen Schürhof bei St. Peter.

Zuerst genannt wird ein Leutpriester von St. Peter im Jahre 1200, er hieß Konrad. 1219 begegnet er nochmals, in einem Sprengelstreit mit den Johannitern, von dem später zu reden sein wird.

Auf diesen Konrad folgte ein Pfarrer gleichen Namens, der zur selben Zeit das Dekanat am Domstift inne hatte; unter ihm geschah die Grenzscheidung zwischen den Parochieen St. Peter und St. Leonhard 1230. [141] Vielleicht lag diesem Akt seine Initiative so gut zu Grunde, wie dann der Erhebung der Kirche zum Stift.

Es war die Zeit Heinrichs von Thun, die kräftige schöpferische Periode. Die Bevölkerung wuchs, die Arbeit des Pfarrers mehrte sich. Und wir haben uns klar zu machen, daß der Pfarrer schwerlich der einzige Geistliche einer solchen Gemeinde war. Eine kleine Zahl von Klerikern war unter ihm für die Parochie tätig, und von diesem Zustande aus bedurfte es keines großen Schrittes mehr, um die Pfarrkirche in eine kanonisch geordnete Kollegiatkirche umzuwandeln. Der Zweck, zu dem dieser Schritt geschah, war die Verherrlichung des Gottesdienstes. Die Zahl der an dieser Kirche Gott Dienenden sollte gemehrt, ihr Wesen geregelt, dem Kultus dadurch erhöhter Glanz gegeben werden. Es konnte dies hier um so eher geschehen, als das Kirchenvermögen, jedenfalls infolge von Zuwendungen aus der begüterten Gemeinde, so stark angewachsen war, daß es zum Unterhalt eines Kollegiums von Kanonikern ausreichte.

So geschah denn diese Erhebung der Pfarrkirche zum Stift in der Zeit zwischen September 1230 und Januar 1233, auf Betreiben namentlich des Leutpriesters Konrad, der in den gewohnten Räumen gerne einen prunkvolleren Gottesdienst mochte einziehen sehen. Sein Andenken als des iniciator collegii, Schöpfers des Stiftes, wurde noch lange gefeiert.

Im Januar 1233 zum ersten Mal werden Propst und Chorherren von St. Peter genannt; am 15. August gleichen Jahres gab ihnen Bischof Heinrich eine Ordnung, die auf das Absterben des alten Pfarrers Konrad in Kraft treten sollte. Im April 1236 war dies geschehen, sodaß Papst Gregor die neue Stiftung bestätigen konnte.

Das Statut Heinrichs besagte, daß die St. Peterskirche dem Kollegium dienen und gehören solle. Die Leutpriesterstelle wurde aufgehoben und die Seelsorge dem Custos des Stifts übertragen, der auch im übrigen alle Befugnisse des frühern Leutpriesters erhielt. Seine Wahl sollte wie bisher die des Pfarrers dem Dompropste zustehen, die Wahl des Propstes und die Annahme neuer Chorherren dem Kapitel von St. Peter selbst.

In solcher Weise erhielt das Kirchenleben Basels eine eigenartige Bereicherung. Sie ist denkwürdig schon deswegen, weil sie Bestand und Formen bis ins neunzehnte Jahrhundert bewahrt hat. Für die Beurteilung ihres Wesens aber kommt in Betracht, daß das kollegiale Leben, das beim Domstift durch die Beteiligung an Regierungsgeschäften eine höhere Bedeutung erhielt, hier allein für Chordienst und Gottesdienst bestand. Eine Gemeinsamkeit waltete, die doch dem Einzelnen die Freiheit lässiger Bewegung [142] und Gebahrung gab; er blieb auch ökonomisch der Korporation gegenüber in gewissem Maße unabhängig.

Aus diesen Verhältnissen erklärt sich der Charakter der Vornehmheit, den das Institut von Anbeginn trägt.

Die Güterverwaltung tritt in den Quellen auffallend zurück. Als frühester Hauptbesitz wird die Gruppe Kirchen-Eimeldingen-Märkt genannt; neben sie treten Güter in Oetlingen und städtische Liegenschaften; erst einige Jahrzehnte später macht sich auch Sundgauischer Besitz geltend. Aber Alles kommt nur nebenbei zur Sprache; die Urkunden beschäftigen sich stärker mit der Organisation, mit der Ausbildung der Rechte und Formen des jungen Stiftes.

Als die Hauptämter der ersten Zeit geben sich Propstei und Custodie; neben ihnen hat auch die Scholasterei ihren Platz.

Der Propst, durch die Chorherren gewählt, war Vorsteher und Leiter. Aber das Domstift oder der Bischof scheinen bei der Ernennung der ersten Pröpste einen Druck ausgeübt zu haben; man wählte Domprälaten an diese Stelle, den Domsänger Hugo, dann den Domkämmerer Konrad Golin, der später Domdekan wurde. Das Mißliche solcher Kombinationen liegt auf der Hand, und man fand in der Tat bei St. Peter Anlaß, sich darüber zu beklagen; die Geschäfte und die ganze Haltung litten darunter. Das Kapitel nahm sich daher zusammen und faßte 1274 den Beschluß, künftighin Pröpste nirgendwoher zu nehmen, als aus seiner eigenen Mitte.

Der Custos galt sogleich bei der Gründung des Kollegiums als der Nachfolger des alten Plebans. Aber wie anderwärts, so ließ auch hier dieser Würdenträger die Seelsorge durch einen stellvertretenden Priester ausüben. Er nahm dazu einen der Stiftskapläne; dieser hatte die Pfarrei zu bedienen und trug dafür den Titel eines Gesellen, socius. Er wird auch Vikar genannt; neben ihm beteiligten sich später an der Gemeindepflege auch die Kapläne der Marien- und der Nikolauspfründe sowie der sacrista.

Schon das Gründungsstatut redet vom Scholastikus. Er soll befugt sein, eine Stiftsschule zu halten und in dieser zwanzig Schüler um Lohn und zehn arme aufzunehmen.

Ein Dekan von St. Peter wird zuerst 1241 genannt, und sofort scheint dieses Amt an die zweite, bisher vom Custos besessene Stelle gerückt zu sein. Der Dekan erscheint wiederholt als Leiter des Kapitels, statt des abwesenden Propsts.

Endlich die Cantorei. Sie entstand erst in den 1260er Jahren, durch Stiftung des Chorherrn Reinher Vüli, der dann auch selbst der erste Cantor [143] wurde. Zum Unterhalt dieses Amtes bestimmte er Zinse von seinem Haus an der Eisengasse.

Die Zahl der Canonicate war zu Beginn auf sechzehn festgesetzt worden; wohl unter Kombination der apostolischen Zahl mit der sonst vielfach begegnenden Vierzahl. Dieses würdevolle Kapitel haben wir uns umgeben zu denken durch eine große und vielgestaltige Schar von Klerikern höhern und niedern Grades, von Priestern, Diakonen und Subdiakonen. Die in der Versehung des Gottesdienstes wochenweise abwechselnden Priester hießen Hebdomadare; an den zahlreichen Altären bestanden Kaplaneien; die Lektoren, der Rektor mit seinen Scholaren, der Sakristan, der Glöckner gehörten auch zu dem Schwarm.

Und dennoch genügte all dieses Personal zu Zeiten nicht. In den Reihen des Kapitels fehlten wohl beständig einzelne Herren, sei es weil sie ihren sonstigen Pfründen abwarteten, etwa den Landpfarreien, die sie besaßen, sei es weil sie in Bologna oder an einem andern berühmten Studium sich aufhielten. Auch sonst aber hatte man über Mangel an Priestern zu klagen. Die Bevölkerung in der Parochie nahm zu, die Meßstiftungen mehrten sich. Trotz der Konkurrenz, die insbesondere durch das Predigerkloster gemacht wurde, litten Stift und Gemeinde Not an Arbeitskräften. Diesen Übelständen durch Vermehrung der Priesterpfründen abzuhelfen, wie z. B. 1290 geschah, gelang deswegen nicht, weil das Geld schon für das vorhandene Personal kaum ausreichte. Mit Klagen darüber, daß das Stiftsvermögen der Menge der Verpfründeten gar nicht entspreche, schließt überhaupt unsere Periode; Versuche zur Besserung, die man zuletzt noch machte, waren die Bestimmung eines vakant gewordenen Chorherrenhauses zu gemeinem Nutzen und die Einverleibung von St. Andreas.

Zum Verständnis dieser ökonomischen Lage ist daran zu erinnern, daß die einzelnen Chorherren Sondervermögen besaßen. Aus Verkäufen, Testamenten usw. ergibt sich dies aufs deutlichste. Und dem entspricht, daß sie etwa auch im eigenen Hause wohnten. Allerdings werden Chorherrenhäuser genannt, die dem Stifte gehören; aber das ist nicht Regel noch Zwang.

Alles nun, was Stiftsgebäude hieß, war um den Kirchhof gereiht, der sich neben der Kirche befand. Neben den Häusern des Stifts auch Privathäuser von Chorherren. Auch das Schulhaus stand hier, das der Scholaster Burchard gebaut hatte, samt dem zum Marienaltar gehörenden Kaplanenhäuslein. Weiterhin das „hohe Haus“, in dem der edle Herr Walther von Klingen wohnte; später war es im Besitz seiner Enkel, der Grafen von Pfirt.

[144] Wir würden uns gerne die Zusammenordnung aller dieser Elemente im Raume vergegenwärtigen. Aber auch was an Erwähnungen von Einzelheiten des Kreuzgangs und der Kirche sich erhalten hat, ist viel zu wenig, um uns ein Schauen zu ermöglichen. Wir lesen von den Altären, von einer Marienkapelle beim letzten Bogen, von einer großen Türe und einem Türlein; auch die lampenhelle Krypta wird genannt, und im Äußern ein Portikus, Stufen vor der Kirche, der neue Glockenturm.

Näher glauben wir dem Menschentum selbst zu kommen, dem diese Räume dienten. Es sind freilich keine Figuren dabei, die durch Dieses oder Jenes unsrer Aufmerksamkeit rufen. Was wir an ihnen sehen, ist das übliche Tun und Lassen von Stiftsherren. Aber eine besondere Färbung hat der Kreis als Ganzes genommen.

Vorerst sind zu beachten die vielfachen Beziehungen zum Domstift. Beim Propst war hievon schon die Rede. Diese Zusammenhänge, — vielleicht immer noch ein Stück Weiterleben der alten Wirkung, die der Dom beim Entstehen von St. Peter ausgeübt - wiederholten sich bei einzelnen Chorherren, und zeigen uns hier Notare und einen Cellerar des Bischofs, einen Schreiber und einen Kaplan des Dompropsts usw.

Vor allem aber empfinden wir, wie fest diese Stiftswelt in ihrer Umgebung steht. Es ist die wohlgeschaffene, behagliche Umgebung, die wir schon früher als Petersgesellschaft charakterisierten. Von ein paar Landpfarrern abgesehen, die auch bei St. Peter Präbenden haben, sind die Chorherren und manche Kapläne doch zumeist Söhne dieser Burgergeschlechter, — Ludwigs, Brotmeister, Vülin, Rifo, Meier, Progant, zum Rosen - und zwischen hinein begegnet uns auch hier derselbe Adel, - Truchseß, Vitztum, von Eptingen, von Röteln — der dort in Wohnen und Leben sich vielfach mit dem Patriciate mengt. Aus diesem Kreise zieht das Stift unverkennbar seine Kräfte. Es hat Land und Rechte überall zerstreut in dem Bezirke, der sich von seiner Schwelle den Berg hinab zieht zu Birsig und Rhein; die Sinz, Zerkinden, Vorgassen, von Straßburg, Merschant, Fuchs, Progant, im Steinkeller, Stamler, Titensheim, aber auch kleine Leute wie Gerhard der Wechsler, Richard der Kaufmann, die Krämerin Ita usw., sind seine Zinsleute. Und eben diesen Kreisen gehören auch die Donatoren, die Stifter von Messen und Kaplaneien an, von denen die Urkunden und die schönen Jahrzeitbücher St. Peters reden. Einer der größten unter diesen war Ludwig der Krämer; Johann von St. Martin der Münzer und Berthold im Steinkeller stifteten Altäre.

[145] Es ist recht eigentlich das Wurzeln in Gewohnheit und Anschauung dieser Bevölkerungsklasse, das den Herren von St. Peter ihre Eigenart gibt. In der merkwürdigen Mischung dieses Wesens wirken der Geschäftssinn und die Freude am Leben viel stärker als alle kirchliche Weihe, als die doch den höchsten Dingen geltende Tätigkeit. Durch alle Zeugnisse geht diese Stimmung. Die Wohlhabenheit einzelner Kanoniker, die in Testamenten offenbar wird, sowie die ganz unbefangene Nennung ihrer Söhne und Töchter sprechen dafür. Auch die Bepflanzung des Platzes vor der Stadtmauer mit Bäumen 1277, die Aufsehen machte, ist Ausdruck solcher Gesinnung; die Kanoniker schufen hier nicht nur sich, sondern mit der Geberde vornehmer Herren zugleich allem Volk einen Lustgarten.

Neben St. Peter und im Gebiete seiner Parochie bestand die St. Andreaskapelle, als alte Gründung der Bischöfe deutlich bezeugt, wie auch ihr Kollaturrecht den Bischöfen zustand. Sie heißt stets Kapelle. Aber sie scheint Rechte einer Pfarrkirche besessen zu haben; denn sie hatte einen Kirchhof, wie in späterer Zeit so vielleicht schon frühe auch einen Glockenturm, und besaß eigenes Vermögen, war wirtschaftlich selbständig. Doch ist ihr Verhältnis zur Gemeindekirche St. Peter nicht klar. Ihr Kaplan wird gelegentlich unter den Chorherren gefunden.

Die erste Nennung von St. Andreas fällt in das Jahr 1241. Aber die Kapelle entstand jedenfalls viel früher. An die Zeit der Besiedelung dieses Stadtteiles ist zu denken; wie St. Peter vorzugsweise die Kirche der Kaufleute und der Burgergeschlechter war, so hatte St. Andreas Beziehungen zu den Krämern. Sie stand mitten in deren Quartier, und der später sich zeigende enge Zusammenhang der Krämerzunft mit St. Andreas weist auf alte Zustände zurück.

Im Jahre 1296 wurde St. Andreas durch den Bischof dem Petersstift übergeben und einverleibt; die Absicht hiebei war, durch Zuwendung des beträchtlichen Vermögens der Kapelle dem Mangel leidenden Stift aufzuhelfen.


In den bisher betrachteten Gestalten hatte eine ältere Zeit der Kirche ihre Formen gefunden. Aber im gleichen Jahre, da St. Peter in Basel zu einem Stift erhoben und damit diese frühere Schicht geschlossen wurde, begann etwas völlig Neues.

Es gehört zur überreichen Belebtheit der Zeit Heinrichs von Thun, daß in ihr auch die Bettelorden hier eine Stätte fanden. Ein neuer Geist, eine neue Art von Arbeit an den Menschen kam mit ihnen.

[146] Wir möchten uns den Eindruck vergegenwärtigen, den die erste Kunde von Franziskus machte. Franziskaner waren vielleicht unter den frühesten Passanten der jungen Rheinbrücke. Während[WS 2] man dem Domklerus wieder sein Münster baute, unterhielt man sich von diesen neuen Menschen und ihrer Lehre.

Als Kern dieser Lehre, wie sie in der Regel des heiligen Franz verkündet ist, wird zu fassen sein, daß die soweit als möglich gehende Erneuerung des ursprünglichen christlichen Lebens als Ziel gesetzt, für Erreichung dieses Zieles aber nicht die mönchische Abgeschlossenheit, sondern das Hinaustreten in die Welt vorgeschrieben wird. Wie bestimmt Franz beabsichtigte, sein Werk in der reinsten Form des Christentums auszuprägen, geht aus der Fassung der Regel unverkennbar hervor. Immer aufs neue wird die Nachfolge Christi gefordert; seine Weisungen an die Jünger werden wörtlich aufgenommen als Weisungen an die Ordensbrüder. Aus diesem Geiste entspringen die franziskanischen Gebote der Demut und der Armut, und zwar einer Armut, die als ein völliges Nichtsbesitzen für den Einzelnen wie für den Verband Gesetz ist. So zubereitet sollen die Brüder die Welt durchziehen, allem Volke das Christentum der Buße, der Liebe und Entsagung predigen.

Sie zeigten sich nun auch in Basel. Fremde Männer, ärmlich gekleidet, mit einem Strick als Gürtel; sie lebten von erbettelten Almosen; sie predigten, und in ihrer Rede lebte noch die Begeisterung, die sich an Person und Worten ihres Meisters, des milden Heiligen von Assisi, entzündet hatte. Was sie lehrten, war an sich nichts Neues; neu aber war die Art, in der diese Mönche auftraten.

Wenige Jahre nach ihnen kamen andere Männer mit derselben Lehre nach Basel, die Dominikaner. Ihr Wesen war in Manchem ein verschiedenes, es war kluger, bewußter. Aber vereint bedeuteten beide Orden eine gewaltige Bereicherung und Neuerung. In ihnen bemächtigte sich das Mönchtum eines großen Teils der geistlichen Tätigkeit in der Stadt, trat hier dem übrigen Klerus zur Seite und bald entgegen; sie kamen dem Volke nahe, brachten diesem, das bisher nur den Priester und das Sakrament besaß, das Evangelium. Alles dies im Dienste Christi, aber auch durchaus im Dienste der Kirche. Während der politischen und religiösen Kämpfe, die diese Jahrzehnte erschütterten, waren die Mendikanten die treuesten und wirksamsten Streiter des Papsttums. Dazu befähigte sie namentlich auch ihre Organisation. Was sie taten, geschah nach Weisung der Ordensleitung; was sie erwarben, erwarben sie der Kirche, dem apostolischen [147] Stuhle; dem Bischof und jeder parochialen Ordnung gegenüber machten sie ihre durch die Privilegien der Päpste geschaffene Freiheit geltend.

Die Niederlassung der Minoriten in Basel, die wohl von Straßburg aus geschah, ist nicht sicher bezeugt; wir finden ihr Haus 1238 als vorhanden erwähnt. Es hat seinen Meister oder Rektor und führt auch ein eigenes Siegel, sodaß die Niederlassung schon früher stattgefunden haben muß. Die spätere Provinzchronik gibt an, daß die Minoriten im Jahre 1231 nach Basel gekommen seien; es besteht kein Anlaß, dieser Mitteilung keinen Glauben zu schenken.

Das erste Barfüßerkloster zu Basel stand noch außerhalb der Stadtmauer, vor dem Tore zu Spalen, an der Stelle des spätern Klosters Gnadental. Einer aus dem Geschlechte Oezeli soll den Mönchen die Liegenschaft zu ihrem Bau geschenkt haben; ihr Nachbar war der Domherr Krafto, Thesaurar von Lautenbach. Auch anderwärts haben die Minoriten für ihre Klöster solche Situationen gewählt; das Land war hier leichter erhältlich; auch fanden sie sich hier unmittelbar bei der Stadt und doch frei von ihr. Aber in Basel blieben sie nicht allzu lange an dieser Stelle. Während sie hier hausten, vollzog sich die Katastrophe im großen Kampfe der Zeit, die Bannung des Kaisers, die Zerstörung der Bischofsburg, die Verhängung des Interdikts über die Stadt. Wir haben deutliche Spuren davon, daß die Minoriten und die Prediger zu Basel in diesen gewaltigen Jahren als die wirksamsten Werkzeuge der römischen Kirche gearbeitet haben; die Kirche siegte, und es erscheint wie eine Belohnung, daß jetzt der Bischof die Minoriten in das Innere der Stadt aufnahm.

Es geschah dies im Jahre 1250; Bischof Berthold übergab den Brüdern einen Allmendplatz innerhalb der Mauern beim Einlaufe des Birsigs, um hier Kirche und Kloster zu errichten; der Consens des Klosters St. Alban, in dessen Parochie das Terrain lag, erfolgte erst später, dieser Invasion rühriger Bettelmönche durch die stolzen Benediktiner ungerne und nur dem Bischof zu Willen erteilt; um so willkommener war das neue Kloster der Bürgerschaft, die bei der Abtretung der Allmend mitzuwirken hatte und ihre Vertreter in Rittern, Burgern und Gewerkschaften als stattliche Zeugenschar aufrücken ließ.

Die Brüder schritten sofort zum Bau. 1253 scheint das Kloster vollendet gewesen zu sein. An der Kirche wurde noch gearbeitet. Aber im Sommer 1256 konnte Papst Alexander Ablaß verheißen für alle Diejenigen, die an den Festen des hl. Franciscus, des hl. Antonius von Padua und der hl. Clara die Minoritenkirche zu Basel andächtig besuchten.

[148] Wir dürfen diese Kirche nicht in der heutigen Barfüßerkirche erkennen; sie ist ohne Zweifel ein bescheidenes Gotteshaus gewesen. Aber sie stand wohl schon am Platze der heutigen Kirche. Auch die Situation des Klosters kann von der spätern nicht wesentlich verschieden gewesen sein. Die Grenzen des Bezirkes waren die Allmend hinter der Stadtmauer, die Häuser der obern Freienstraße, der Birsig und die später zur Spitalliegenschaft gemachte Allmend. Von diesen Grenzen wurde diejenige des Birsigs zuerst überschritten. Schon 1260 erwarben die Barfüßer ein Stück Allmend auf dem linken Ufer; später brachten sie auch mehrere der am Fuße des Berges stehenden Häuser an sich; eines derselben, Omanns Haus, wurde ihnen durch das Leonhardsstift abgetreten und zwar, wie der Schaffner des Stifts mit hörbarem Seufzen bemerkt, aus Zwang des Barfüßerbischofs Heinrich von Isny. An anderer Stelle, zwischen Kirche und Birsig, erweiterte sich die Niederlassung 1288 durch Erwerb von Häusern und Land des Spitals; es geschah dies hauptsächlich zur Vergrößerung des Kirchhofs.

Die Geschichte aller Barfüßerklöster des spätern dreizehnten Jahrhunderts hat etwas Gemeinsames; wir finden nicht mehr den Geist, der in den ersten Jahren des Ordens über seiner teilweise noch von Furcht und Ungewißheit begleiteten Ausbreitung gewaltet hatte; diese innerliche Begeisterung, die ihren Ursprung nahm aus unmittelbarem Verkehr mit der lautern und schwärmerischen Gestalt des Ordensstifters, war geschwunden. Aber statt ihrer begegnet uns die Kraft und die Frische einer Jugend, die schon die ersten Siege hinter sich hat.

Diesen Eindruck giebt jetzt auch die Geschichte des Basler Hauses. Für sein Ansehen so gut wie für sein Alter spricht die Tatsache, daß eine Custodie der oberdeutschen Minoritenprovinz nach ihm genannt war, Custodie Basel hieß. Auch zählte es zu den Häusern der Provinz, die sich durch Größe und Lage zur Abhaltung der Provinzialkapitel eigneten; 1276 und 1285 haben solche Kapitel hier stattgefunden. Wie weit herum die Wirkung des Klosters reichte, seine Brüder zu Predigt und Gabenheischen zu reisen befugt waren, zeigt das Bestehen seiner „Herbergen“ in Laufen, Liestal, Rheinfelden, Laufenburg, in Schopfheim und in Hirsingen; diese Herbergen dienten den terminierenden Brüdern als Absteigequartier; ihre Verteilung im Lande gibt ungefähr den Umfang des Klostersprengels.

Die Größe des Konvents wird veranschaulicht durch die Nachricht, daß beim Einritt König Rudolfs in Basel 1274 ihm unter dem Klerus [149] auch 36 Minoriten entgegen zogen. So zahlreich haben wir uns die Bewohnerschaft keines der alten Klöster zu denken.

Das Wesentliche der Arbeit dieser Barfüßer entzieht sich freilich völlig unsern Blicken. Aber wir lesen die Predigten, die der Barfüßer Berthold von Regensburg damals hielt, und wenn wir an verwandte Erscheinungen von heute denken, so wird uns klar, was diese innere Mission der Bettelmönche bedeutete. Sie traten vor allem den kleinen Leuten, dem Volke nahe; sie wirkten auf dessen Masse im Ganzen und ergriffen es zugleich bis ins Einzelne und Verborgene des Hauses hinein, durch die Kräfte einer ausgezeichneten Organisation, die Clarissen, Tertiarier, Regelschwestern, Beginen, unterstützt und überall vertreten. Aber neben diesem populären Wesen melden sich schon zeitig auch höhere gesellschaftliche Beziehungen; im Kreise der Barfüßer erscheinen nun auch Burger und Edelleute. Das Kloster sah sich zum Leben doch auch auf die Teilnahme solcher angewiesen, sobald einmal das strenge Armutsprinzip der ersten Zeit leichter genommen wurde. Schon Jordanus a Giano, der einst die Lehre des Franziskus nach Deutschland gebracht hatte, war erstaunt, wenn er seine und der andern Missionare einstige Niedrigkeit mit dem jetzigen Glanze des Ordens verglich.

Im Mittelpunkt der damaligen Geschichte unseres Klosters steht derselbe Heinrich von Isny, von dem schon in der Geschichte des Bistums und der Stadt zu reden war. Er soll einst dem Basler Konvent als Lesemeister angehört haben; jedenfalls wendete er ihm als Bischof seine besondere Gunst zu. Das Gedeihen des Klosters ist wohl zum guten Teil auf den mächtigen Kirchenfürsten zurückzuführen; neben einzelne bestimmte Erweisungen trat die allgemeine geistige Wirkung; die Macht dieses so hoch erhobenen Ordensbruders gab ohne weiteres seinem Hause Ansehen.

Von ähnlicher Bedeutung war Konrad Probus; auch er stand als Minorit dem Basler Konvent nahe; er war Lektor zu Konstanz, wurde 1271 Provinzial, 1279 Bischof von Toul. Seine Stellung am Königshofe, seine Beziehungen zum Papst zeigen ihn als bedeutenden Mann, dessen Gunst Gewinn brachte. Das Basler Kloster erfreute sich seiner Freigebigkeit und feierte noch nach Jahrhunderten das Andenken des guten „Bischofs von Dol.“

Es ist nicht nur Wirkung eines reicheren Bezeugtseins, daß uns der zweite Mendikantenorden, derjenige der Prediger, sofort viel deutlicher entgegentritt. Er ist schärfer erkennbar, weil er selbst schärfere Formen [150] trägt. Die weiche Poesie, die dem Franziskus und seiner Schöpfung ihren Reiz gibt, mangelt ihm; sein Wesen, und zwar von Anbeginn, ist Klarheit und Weisheit.

Schon der Anfang in Basel ist bezeichnend. Während die Franziskaner wohl aus eigenem Antrieb herkamen und hier den Ort ihrer Niederlassung von einem Bürger zugewiesen erhielten, kamen die Dominikaner auf ausdrückliches Verlangen des Bischofs. Sie wurden berufen. Heinrich von Thun wünschte durch ihre Predigt, ihr Beichtehören, ihre Beaufsichtigung des Volkes in seinem Hirtenamt unterstützt zu werden. Das geschah im Jahre 1233.

Die Mönche erhielten gleich den Barfüßern einen Platz vor der Stadtmauer; er lag hart vor dem Kreuztor und scheint zum Grundeigentum des Bischofs selbst gehört zu haben. Spätere Ordenstradition bezeichnet ihn als einen schönen großen Weingarten und erklärt seine Bestimmung als Klosterplatz daraus, daß dort etliche fromme Leute Gesichte und Erscheinungen gehabt hätten.

Der Fortgang des Baus von Kloster und Kirche wird als ein auffallend langsamer bezeugt. Im Dezember 1235 wurde zum ersten Male Ablaß gewährt für Unterstützung des begonnenen Klosterbaues; im folgenden Jahre schon ist auch von einer Kirche die Rede, wobei wir jedoch wohl nur an eine provisorische Einrichtung, einen Holzbau zu denken haben. Es scheint an Geldmitteln gefehlt zu haben, vielleicht zufolge Opposition des benachbarten Petersstifts, und die Bischöfe von Basel und Konstanz, die Päpste, der Kardinallegat Hugo, Albert der Große mußten wiederholt die Gläubigen zur Beisteuer ermahnen, mit Ablaßverheißungen nachhelfen. Während z. B. in Straßburg die Prediger ihre neue Kirche rasch unter Dach brachten, hatten sie sich hier mit notdürftigen Einrichtungen zu begnügen. In den 1250er Jahren aber scheint der Bau des Klosters in der Hauptsache zu Ende gebracht und von der Kirche wenigstens das Langhaus, als Predigtraum der wichtigere Teil, errichtet gewesen zu sein. Die Mönche konnten sich nun mit einer bessern Arrondierung ihres Areals beschäftigen; sie erwarben im Jahre 1257 benachbarte Grundstücke. Aber der Brand, der am 10. November 1258 in dieser Gegend der Stadt ausbrach und große Verwüstungen anrichtete, legte auch das Kloster der Prediger in Asche. Dagegen, daß auch die Kirche (die nur als Langhaus stand) vernichtet wurde, scheint zu sprechen, daß sie im Mai 1259 als vorhanden erwähnt wird. Jedenfalls aber entbehrte sie des Chores. Und mit dessen Bau wurde nun im Jahre 1261 begonnen, das Fundament gelegt. Drei Jahre später standen die beiden Kapellen zur Seite des Chores fertig da [151] und wurden am 22. April 1264 durch den Bischof Dietrich von Wierland geweiht. Als endlich auch das Chorhaupt selbst gebaut, die Gewölbe geschlossen, Chor und Kirche vereinigt waren, fand am Tage nach Mariä Geburt (9. September) 1269 die feierliche Weihe des Gotteshauses statt, durch keinen Geringeren als Albert den Großen. Den Schluß der langen Bauarbeit bildete der Bau des Glockenturmes; am Feste des Ordensheiligen Dominicus, 4. August 1273, vierzig Jahre nach der Niederlassung, in den ersten Tagen der Regierung König Rudolfs, wurde er vollendet.

Von dieser Predigerkirche des dreizehnten Jahrhunderts hat der Chor samt seinen Seitenkapellen dem Erdbeben standgehalten und steht heute noch. Es ist nicht allein das Andenken der großen Gestalt seines Consecrators, das an ihm haftet und ihm Wert giebt; der Bau ist an sich ausgezeichnet durch den Adel seiner Gestalt.

Das Wesen des Predigerklosters ist demjenigen des Minoritenhauses in den allgemeinen Zügen gleich. Jedenfalls fanden sie sich im Dienst der Kirche zusammen, schon früh beim Kampfe gegen Friedrich und bei der Unterjochung der gegen Papst und Bischof sich erhebenden Bürgerschaft. Auch hier erscheint es wie eine Belohnung getaner Dienste, daß Bischof Berthold 1249 den Predigern eine Urkunde zu teil werden läßt, in der ihre Rechte allem Volk und zumal dem gesamten Weltklerus gegenüber aufs entschiedenste proklamiert werden. Scharf und prinzipiell ist hier Alles ausgesprochen, der Klerus bekommt ernste Vorwürfe zu hören, nichts ist den Dominikanern untersagt. Sie haben das Recht zu predigen, Beichte zuhören, Strafen zu verhängen und freizusprechen; kein Weltpriester soll sie daran hindern oder seine Pfarrkinder von ihnen abhalten dürfen. Es sind dies Zugeständnisse, die auch anderwärts gemacht werden; aber in beachtenswerter Weise geht hier der Bischof noch weiter. Er gibt den Predigern ausdrücklich die Befugnis, an seiner Stelle Haeretiker und Gebannte zu absolvieren, Gelübde zu lösen, Dispens zu erteilen, Zauberer und Wahrsager öffentlich zu bestrafen. In allen diesen Stücken wird den Mönchen die volle Macht des Bischofs zuerkannt. Deutlich tritt ihr Beruf zu Tage, die Kirche zu erbauen, Irrlehre und Wahn zu bekämpfen. Viel mehr als von den Minoriten wird hier das Agitatorische, das Streitbare und Laute gefordert. Der stilleren evangelisierenden Tätigkeit des Minderbruders, seiner Arbeit am Einzelnen gegenüber steht hier die Wirkung ins Große und mit starken heftigen Mitteln.

Der Erlaß Bertholds galt natürlich nur für die Basler Diözese. Aber der Vorsteher des Nachbarbistums Konstanz erwies den Brüdern von [152] Basel Aehnliches. 1235 gab er Ablaß für Förderung ihres Klosterbaues, und 1243 sicherte er ihnen das Recht zu Predigt, Exhortation und Beichte in seinem Sprengel. Es entsprach dies dem ganzen Wesen des Ordens, der nur unter Rom stand und vom Bistumsverbande kaum berührt war.

Statt des Bistumsverbandes hatte das Kloster seinen eigenen Bereich, der über die Grenzen der Diözesen hinwegging und für die Predigt und das öffentliche wie private Gabensammeln seiner Brüder galt, ganz entsprechend dem Terminierbezirke der Barfüßer. Aber auch hier wieder begegnen uns präzisere Formen, klare Abgrenzungen.

Die erste Verfügung dieser Art geschah schon bald nach der Niederlassung der Prediger in Basel durch den Ordensprovinzial Konrad von Höxter; sie bestimmte die Grenzen der Termine für die drei Klöster Basel, Freiburg und Zürich. Der Basler Bezirk war ein weit ausgedehnter; aber das Entstehen neuer Predigerklöster in diesen Landen machte auch jeweilen neue Begrenzungen nötig. So 1268 die Neugründung in Rottweil, 1270 die Neugründung in Bern, 1278 die Neugründung in Colmar, 1294 die Neugründung in Gebweiler. Der letztgenannte Fall ist nicht ohne Reiz; er zeigt, welche Interessen in Frage kamen. Basel verlor nämlich alle seine Elsässer Weintermine an den Konvent zu Gebweiler und verlangte nun, daß die Brüder in Freiburg ihm von ihren Weinbezirken einige abtreten sollten. Man stritt sich hierüber, und erst der vom Provinzialkapitel ernannte Schiedsrichter brachte eine Abgrenzung zu Stande, bei der Basel in der Tat einige Breisgauer Weinbezirke gewann. Die endgiltige Bereinigung mit Gebweiler zog sich bis 1296 hinaus. So ergab sich zu Ende des Jahrhunderts für das Basler Kloster ein gegen früher wesentlich veränderter Sprengel: er reichte bis zum Hauenstein und Laufenburg; im Breisgau umfaßte er alle Orte südlich von Müllheim sowie Alles, was von Schönau und St. Blasien gegen Basel zu gelegen war; im Elsaß zog sich die Grenze bis Thann und St. Amarin. Herbergen der Basler Prediger befanden sich in Säckingen, Rheinfelden und Mülhausen.

Neben die Gewalt, die das Kloster in diesem Gebiet ausübte, trat seine Herrschaft über einzelne Frauenklöster. Schon im zweiten Jahre seiner Existenz wurde ihm die Aufsicht auf die Kolmarer Nonnen übergeben; 1268 ging dann diese Aufsicht an die Freiburger, 1278 an die Colmarer Brüder über. Von zwei Frauenklöstern in Basel selbst, die dem Konvent anvertraut waren, St. Maria Magdalena und Klingental, wird an anderer Stelle zu handeln sein.

[153] Nicht nur im Zustand der Ueberlieferung, auch in der Sache selbst scheint begründet zu sein, daß das Predigerkloster schon früh einzelpersönliches Leben zeigt. Die Richtung zur Gelehrsamkeit, die Beziehung zu höhern Kreisen der Gesellschaft begünstigt das Hervortreten des Individuellen. Eine reiche Reihe von Gestalten steht vor uns im Rahmen dieser ersten Jahrzehnte. Der erste Prior des Hauses, Heinrich von Westhofen, genoß den Ruhm eines unbedenklich tätigen Ketzerverfolgers. Durch Heiligkeit des Lebens leuchtete der Prior Walther, und seinen Tod meldeten die seine Seele geleitenden himmlischen Geister in derselben Stunde den Brüdern in Straßburg. Aber unser Interesse gehört in höherm Grade den durch Studium und Wissen sich auszeichnenden Gliedern des Konvents. Auffallend ist hiebei namentlich die Beobachtung der Natur, die Erkenntnis ihrer Gesetze, der wir begegnen. Der Lesemeister Lütold 1263 und ein junger Mönch 1276 sagen Sonne- und Mondfinsternis voraus. Ein andrer Lesemeister, Heinrich, heißt physicus und medicus; er wird Leibarzt der Königin Anna und hebt ihr Söhnlein Karl aus der Taufe; daneben übt er wunderliche poetische Künste, er kann Verse machen, die sowohl vor- als rückwärts zu lesen sind und auf die eine Weise loben, auf die andre tadeln. Auch der Verfasser der im Kloster entstehenden Annalen ist hier zu nennen; sein Werk ist überreich an Nachrichten über die Natur; er selbst zeichnet eine Weltkarte auf zwölf Pergamentblätter, 1276 verbessert er sie. Andere Gebiete des Wissens vertreten der Bruder Johann als Kompilator eines Rechtshandbuches, und der Prior Heinrich, der für die guten frommen Weiblein deutsche Lieder dichtet. Zu dieser Vorstellung von geistiger Tätigkeit gehört untrennbar das Bild Alberts des Großen, der Basel wiederholt besucht und die Kirche geweiht hat. An einer starken Wirkung seiner Persönlichkeit auf Einzelne ist nicht zu zweifeln.

Alles dies macht klar, daß der Orden von vorneherein höhere Anforderungen an seine Mitglieder stellte, als die Minoriten taten. Es wird damit Zusammenhängen, daß er im allgemeinen auch sozial höher stand, Unterstützung und Nachwuchs meist in andern Kreisen fand als Jene. Wir sehen in Basel Dominikanerbrüder aus den Geschlechtern von Dale, Pfaff, von Pfaffenheim, zu Rhein, unter den Benefaktoren von Titensheim, vom Kornmarkt, von Pfaffenheim, von Eptingen, von Klingen. Ein Thüring (von Ramstein) gehörte dem Orden an; als Prior des Hauses Colmar wurde er 1301 durch das Generalkapitel in Köln, wir wissen nicht wegen welchen Vergehens, auf fünf Jahre aller seiner Ämter beraubt, für fünfundzwanzig Tage auf Wasser und Brot gesetzt und dann nach Ungarn [154] verwiesen; Johann zu Rhein hingegen, der in den 1290er Jahren Bruder des Basler Konventes war, wurde später Prior von Gebweiler, dann von Colmar, und brachte es bis zum Bischof von Valanea und Generalvikar des Bischofs von Konstanz.

Bei solcher Gesellschaft und der ihr entsprechenden Lebensart im Basler Kloster erklärt sich der rege Verkehr des Königs Rudolf und seiner Familie mit den Mönchen, auch wenn wir nicht sonst schon seine Neigung zum Predigerorden kennten. Wiederholt besuchte Rudolf das Kloster und speiste dort; die Königin ließ sich auch die Klausur zeigen und brachte einmal zur Unterhaltung der Brüder ein Stachelschwein in den Klostergarten; bei der Taufe ihres Söhnleins Karl in Rheinfelden 1276 sang der Basler Dominikaner Hartmann das Evangelium und war der Basler Lektor Heinrich Pate.

Aus allem spricht die Kraft und das Ansehen des Konvents. Seiner Brüder waren mehr als vierzig, die 1274 dem König bei seinem Einzug Ehre erwiesen. Das Generalkapitel selbst sprach es aus, 1296, nicht nur wie zahlreich Basels Konvent sei, sondern wie löblich auch seine honestas, Würde, und seine wissenschaftliche Arbeit. Als schöner Abschluß der Periode steht das Provinzkapitel dar, das am 8. September 1302 zu Basel gehalten wurde; 570 Brüder des Ordens waren dabei anwesend.

Ein Stück Leben dieses Hauses nun wird uns gezeigt in den Annalen, die von Mitte der 1260er bis Ende der 1270er Jahre durch einen der Mönche hier geschrieben worden sind. Die Schicksale des Klosters selbst werden freilich darin kaum berührt. Aber was im breitesten reichbewegten Flusse uns entgegenkommt, ist die Teilnahme des Hauses an dem draußen Geschehenden. Die unaufhörliche Bewegung im Kommen und Gehen und die emsigste Wißbegier sprechen sich aus. Es ist der Niederschlag alles Dessen, was tagsüber in der Fremdenstube, am Tisch, im Klostergarten zu hören gewesen, was Gäste erzählt oder was die Brüder von ihren Fahrten als Neuestes heimgebracht. Bei Durchblätterung dieses Tagebuches wird aufs neue deutlich, wie rege das Interesse auch an der entferntesten Begebenheit war, wie stark die Nationen sich mischten und miteinander verkehrten. Das internationale Wesen der Mendikantenwelt ist auf jeder Seite zu spüren. Keine große Auffassung freilich und keine Idee wird uns geboten; alles ist Rapportierarbeit eines untergeordneten, aber fleißig aufmerkenden Mannes. Notizen über das Wetter, über Kälte und Hitze, über Sternschnuppen mengt er mit den Berichten über politische Ereignisse; er schreibt nieder, was die Bauern erzählen, was die Kabisköpfe [155] in Sulz kosten; dann wieder kommen Geschichten und Anekdoten aus andern Klöstern und aus der Stadt, vom Krystall im Schlosse Regensberg, vom Bandwurm des Ritters Zielemp, buntvermengte Notizen über Fehden, über wundersame Menschen und Tiere, die Inschrift der Pierre Pertuis; Alles wird vorgebracht, in bunter Reihe, ungeordnet, wie es der Tag bot. Das Ganze durchaus kein Kunstwerk, nur festgehaltenes Klostergeschwätz, aber als frische unverfälschte Geschichtsquelle nicht hoch genug zu werten.


Minoriten und Prediger waren beinahe ein halbes Jahrhundert schon in Basel angesessen, als mit den Augustinern auch der dritte Mendikantenorden hier Niederlassung nahm. Man bewundert den Reichtum an Willen und Kraft, wie an innerm Bedürfnis, der dazu drängte, den Gedanken des Mönchtums stets wieder umzubilden, neue Formen für seine Gestaltung zu finden. Aber auch die erstaunliche Mannigfaltigkeit städtischen Wesens zeigt sich uns bei diesem wunderbaren Schauspiel, da Orden um Orden in die Stadt einzieht, Kloster nach Kloster sich hier öffnet und eine jede dieser so verschiedenen Schöpfungen ihren Raum, ihren Unterhalt, ihren Anhang und vor allem ihre Arbeit findet.

Die Augustiner waren aus italienischen Eremitenkongregationen erwachsen; 1256 in Rom hatte sich ihr Orden definitiv konstituiert und die Regel St. Augustins angenommen. Sofort nachher werden diese schwarzen Brüder auch in Deutschland angetroffen, wo sie gleich den ältern Bettelorden sich vor allem der geistlichen Tätigkeit in den Städten widmeten. 1270 kamen sie nach Breisach, 1271 feierten sie ein Kapitel zu Gebweiler, 1276 faßten sie von Mülhausen her kommend Fuß in Basel.

Bisher hatten hier alle Klöster ihre Ansiedlung an der Peripherie gefunden. Die Augustiner dagegen setzten sich im innersten Kerne fest, auf dem Burghügel, mitten zwischen Münster und St. Martin. Den Anstoß hiezu gab wohl die Gunst der hier begüterten ritterlichen Geschlechter, der Marschalke, der Kraft u. s. w. Aber die ganze Entwicklung des Klosters hat hieraus ihre Richtung genommen. Es lebt abgeschlossen, ohne Einfluß. Es hat kein Volksquartier um sich; seine Nachbarn sind Ministerialen, Hofbeamte, Domgeistliche und zahlreiche kleine Zugewandte bischöflicher und stiftischer Verwaltung.

Wir erfahren auch in der Tat wenig von diesem Kloster. Hie und da stehen die Augustiner unter Denen, die in einem Testament bedacht werden. 1293 erwarben sie ein Haus in der Lottergasse zu Rheinfelden und richteten es als Herberge für ihre predigend reisenden Brüder ein. [156] Von Wichtigkeit war ihre Auseinandersetzung mit dem Pfarrer von St. Martin, in dessen Gehege sie gekommen waren, im Jahre 1290. Wie überall trat auch hier der Gegensatz von Pfarrei und Bettelorden hervor, und bei diesem Konflikt scheint es dem geistlichen Herrn von St. Martin – es war der Domherr Werner Schaler, Bruder des mächtigen Bürgermeisters Peter Schaler — gelungen zu sein, seine ältern Rechte zur Geltung zu bringen. Die Fassung der Urkunde, die vom Vertreter des Ordensgenerals der Augustiner ausgestellt wurde, zeigt dies unverkennbar; die Abmachung wahrte die Interessen des Pfarrers in geschickter Weise, indem sie den Augustinern auferlegte, jährlich eine Entschädigung von fünfzehn Pfund für den Ausfall am Opfer an St. Martin zu entrichten.


Neben diese Mönchsklöster sah das dreizehnte Jahrhundert in Basel Nonnenklöster treten. Auch diese zeigen in Ursprung und Entwicklung große Mannigfaltigkeit.

Wir beginnen mit dem Kloster an den Steinen. Es steht vereinzelt da; Art und Zeit seiner Entstehung sind nicht bekannt.

In Deutschland führte namentlich das Beispiel des Propstes Rudolf von Worms an vielen Orten zur Gründung von Rettungshäusern für öffentliche Sünderinnen, in den ersten Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts. Dies waren die frühesten Klöster der Reuerinnen, die Vorbilder der später entstehenden Konvente, die dann nicht nur für gefallene Mädchen sich bildeten. Aber der Name blieb auch den Insassen der spätem Häuser; auch sie hießen Reuerinnen, büßende Schwestern, von ihrem Habit Weißfrauen.

Die früheste Erwähnung des Basler Reuerinnenklosters stammt aus dem Jahre 1230; Papst Gregor IX. nahm das Kloster in seinen Schutz und bestätigte ihm alle Rechte und Besitzungen. Zwei Jahre später verhieß er den Besuchern und Wohltätern des Klosters Ablaß.

Außer diesen zwei Papstbriefen liegen wenige Nachrichten aus der ältern Zeit vor. Das Kloster war vor der Stadtmauer am Birsig gebaut worden, auf Allmend, also mit Unterstützung und vielleicht auf Veranlassung der Gemeinde; 1234 erhielt es eine Schenkung von Ritter Pfaff, 1251 eine solche in seiner Nähe, im Sturgau, von Ritter Burchard Vitztum. Aber kurz darauf trat die Katastrophe ein, die den Bestand des Klosters schwer gefährdete: seine Verwüstung durch Graf Rudolf von Habsburg bei einem nächtlichen Ueberfall 1253. An eine völlige Vernichtung des Klosters ist freilich kaum zu denken; es bestand weiter, aber sein Unglück [157] wiederholte sich, indem 1267 der Birsig mit einem mächtigen Hochwasser sich gegen das Kloster ergoß und dessen Umfassungsmauer brach. Bischof Heinrich nahm sich der heimgesuchten Nonnen an, durch das Bistum wurden Gaben für sie gesammelt. Doch lag das Kloster schwer darnieder. Erst Arnold von Blotzheim, ein vielgenannter Geistlicher jener Jahre, dessen Schwester Bertha Nonne an den Steinen war, brachte durch sein Eingreifen das Haus wieder zu Gedeihen. In den Jahren 1275, 1277, 1281 vergabte er ihm seinen ganzen Besitz, namentlich große Güter zu Blotzheim, Habsheim, Sulz, Orschweier. Mit Recht feierte ihn die Klostertradition noch lange nachher als den zweiten Fundator des Hauses; als er 1284 starb, fand er sein Grab vor dem Frohnaltar in dem Chor, den er aus seinen Mitteln hatte bauen lassen; auch die Hälfte des Dormenters baute er und stellte im Klosterhof die Mühle wieder her, die hier durch einen Kanal des Birsigs getrieben wurde. Wie rasch und nachhaltig das Kloster bei solcher Unterstützung in die Höhe kam, zeigt die Tatsache, daß es schon 1282 im Stande war, um die ansehnliche Summe von 82 Mark Silbers eptingische Güter in Hausgauen an sich zu bringen. Dem Bau des Chors war 1280 die Weihe der drei neuen Altäre durch Bischof Albert von Marienwerder gefolgt.

Das Steinenkloster steht wie gesagt für sich allein da. Zwar ist von einem Orden der hl. Maria Magdalena die Rede, dem es angehöre; aber Organisation und Wirkung eines solchen Verbandes treten nirgends zu Tage. In ein festes Gefüge kamen die Weißfrauen erst 1291 durch Unterstellung ihres Hauses unter die Aufsicht der Dominikaner; den Anlaß zu dieser Maßregel boten dem Bischof die Zwistigkeiten, die unter den Schwestern ausgebrochen waren.


Aber diese Reuerinnen an den Steinen waren nicht die einzigen ihrer Art zu Basel; noch 1293 wird von andern Häusern dieses Ordens hier geredet. Und auch hierüber hinaus sehen wir einen großen Reichtum von Formen auf diesem Gebiete. Auch ohne die besondere Veranlassung, die zu der Gründung der Maria Magdalenen-Häuser führte, fand die weibliche Welt wie die männliche ihren Weg zum Klosterleben; auch sie tat dies von asketischen Gedanken getrieben, im Verlangen nach einer Stille, in der sie der Heiligung leben konnte; und daneben waren es allerdings auch äußere Rücksichten, welche den Klöstern Nonnen zuführten.

Schon die karolingische Zeit sah zu Basel Frauen und Jungfrauen, die sich Gott geweiht hatten. Um Klöster scheint es sich dabei nicht zu [158] handeln; es mögen Existenzen gewesen sein gleich den in einer Predigeraufzeichnung des dreizehnten Jahrhunderts geschilderten Weibern, die in der Nähe von Kirchen in Hütten oder Zellen, inclusoria, wohnten und auf ihre Weise Gott dienten. Es waren städtische Klausnerinnen. Der Mönch schildert uns, wie die Mendikanten, allenthalben organisationseifrig, sich auch dieser Frauen bemächtigten, sie aus ihrer Verzettelung herausrissen und in geordnete Klöster sammelten.

Für uns werden diese Nonnenklöster erst sichtbar vermöge ihres Anschlusses an bestehende Mönchsorden.

Wir finden zunächst Cisterzienserinnen. Ein solches Kloster war z. B. das nahe Olsberg. Aber auch in Basel selbst entstand ein Kloster dieser Art.

Als die Barfüßer nach 1250 ins Innere der Stadt übersiedelten, verkauften sie ihr Heimwesen vor Spalen samt der Kirche und allem Zubehör an das Stift auf dem Großen St. Bernhard. Dieses aber behielt den Erwerb nur kurze Zeit und gab ihn weiter an Frauen aus dem Cisterzienserinnenkloster zu Tänikon. Im Dezember 1253 begegnen uns diese im Besitz des Hauses. So auch noch im Dezember 1257. Eine Meisterin regiert den Konvent; der Abt von Lützel ist ihr Vater und Beichtiger; wir finden auch Basler Bürgertöchter unter den Nonnen. 1259 aber erwerben sie von der Dompropstei den Ort Michelfelden und verlegen mit Erlaubnis des Bischofs ihr Kloster dorthin. Es ist das spätere Kloster Blotzheim, wohin die Schwestern einige Jahre nachher von Michelfelden übersiedelten.


In dem freigewordenen Kloster vor Spalen zogen Clarissen ein.

Nachdem schon die ältern Mönchsorden sich der Aufgabe unterzogen hatten, mit Nonnenklöstern in Verbindung zu treten zum Zweck ihrer regelmäßigen Ueberwachung und der Aufrechterhaltung der Disziplin, griffen die Bettelorden auch auf diesem Gebiete kräftig ein. Daß die Dominikaner die Aufsicht über das Steinenkloster 1291 übernahmen, wurde gesagt; schon früher hatten sie dasselbe für Klingental getan.

Bei den Minoriten handelt es sich um einen zweiten Orden, dessen Stiftung ebenfalls vom hl. Franziskus ausging, den Orden der hl. Clara. Seine Angehörigen hießen arme Schwestern; die ihnen von Franziskus gegebene Regel ist derjenigen der Minderbrüder zum Teil wörtlich gleich. Seit 1245 war den Letztern durch den Papst die geistliche Leitung der Clarissen übertragen; sie waren ihre „geistlichen Väter“. Wir sehen eine [159] Ergänzung des Minoritenordens durch eine aus gleicher Gesinnung heraus geschaffene und organisatorisch eng verbundene weibliche Gemeinschaft.

So waren denn auch in dem alten Barfüßerkloster vor Spalen Clarissen die richtigen Erbinnen der Mönche. Sie kamen nicht sofort nach dem Wegzuge der Cisterzienserinnen; erst 1266 sollen sie eingerückt sein, vom Kloster Paradies bei Schaffhausen her. In den Urkunden werden sie zuerst 1268 genannt.

Das Bild dieses Clarissenklosters steht deutlich vor uns. Von der Armseligkeit und Demut der ersten Franziskanerzeiten wurde es nicht mehr berührt, sondern war schon Produkt einer Entwicklung. Es hatte vornehme Beziehungen, und daß in den Urkunden seine Insassen nicht „arme Schwestern“, sondern „arme Damen“ genannt werden, läßt den Geist erkennen, der hier waltete. Wir finden in der Tat adlige Nonnen, eine von Heidweiler, sowie Witwe und Tochter des Ritters Bohart von Auggen. Auch die Gönner und Wohltäter des Hauses sind in diesen Kreisen zu treffen: die Herren von Zässingen, die Töchter des reichen Vivian, die von Heidweiler, die Frau von Butenheim, und angesehene Burger, wie Burchard zum Rosen, Heinrich Iselin, usw. Eine Aebtissin leitet den Konvent; bei den Käufen, Schenkungen, Leihen fehlen nie die Minoriten als Aufseher und Berater. Im Jahre 1279 nahm aber dieses Kloster hier ein Ende; Bischof Heinrich führte die Frauen über den Rhein in das ehemalige Kloster der Sackbrüder in Kleinbasel.

Die nunmehr in das Haus vor Spalen einziehenden Nonnen — sie werden zum ersten Mal 1282 genannt — waren nicht wieder Clarissen. Sie kamen aus dem Kloster Gnadental bei Bremgarten, wo ein freier Verband gottseliger Frauen unter Leitung einer Meisterin lebte. Ordnung und Namen dieses Hauses brachten die Kommenden nun auch nach Basel. Ihr Leben tritt aber in den Urkunden noch wenig hervor, und was sich von ihm zeigt, hat bescheidenes Aussehen. Eine Meisterin stand dem Konvente vor, und wir dürfen auch annehmen, daß die Barfüßer die Aufsicht führten. Sie waren es, die im Jahre 1289 die Inkorporation des Klosters in den Clarissenorden vornahmen. Die Nonnen legten am 17. April d. J. das Gelübde auf die Regel des Ordens ab, in Gegenwart des Bischofs Peter und zahlreicher Zeugen. Von nun an hießen sie Frauen von St. Clara, und ihre Meisterin ward zur Aebtissin; aber der Name Gnadental blieb dem Hause.


Endlich noch einige kleine und vereinzelt stehende Ordensniederlassungen.

In der Vorstadt zu Kreuz finden wir schon frühe die Antonier angesiedelt. Sie waren ein Spitalorden, wie die nahen Johanniter, doch [160] nicht ritterlicher Art, vielmehr eine Bruderschaft für den Krankendienst, die dann in eine Kongregation regulierter Chorherren umgewandelt wurde. Sie scheinen den Johannitern als Gehilfen gedient zu haben, für ihren Unterhalt hauptsächlich auf die Almosen angewiesen gewesen zu sein, die sie an Festtagen auf den Straßen einsammelten.

Am entgegengesetzten Ende der Stadt, vor dem Aeschentor (Schwibogen), wohnten die Mönche, die als Brüder St. Marien, Unser Frauen Brüder, Erwähnung finden. Das waren Carmeliter, Glieder des Ordens, der aus der Genossenschaft von Einsiedlern am Berge Carmel erwachsen war. Die Verehrung Mariens war ihre Hauptaufgabe. Näheres von der Basler Niederlassung wissen wir nicht; beim Empfange Rudolfs am 13. Januar 1274 war sie durch acht Brüder vertreten.


Soviel von den Stiftern und Klöstern Basels. Es ist aber von Wert, über die Betrachtung des Einzelnen hinaus sich die Stellung dieser Kirchenwelt im Ganzen klar zu machen. So verschieden auch die Lebensbedingungen und die Entwicklung einer jeden Kirche, eines jeden Stifts und Klosters waren, so groß doch die Summe des Gemeinsamen und so anziehend die Aufgabe einer zusammenfassenden Betrachtung.

Wir fragen vor allem: in welcher Weise fand sich die Stadt als Gemeinde mit diesem Klerus ab?

Kirche und Geistlichkeit machten geltend, über der Welt oder außer ihr zu stehen; aber sie lebten in der Stadt, genossen Vorteile dieses Lebens und erhoben hier Rechtsansprüche. Das Eine widerstritt im Grunde dem Andern, und unter der Wirkung hievon stand auch das Verhältnis des Klerus zur Stadt.

Dies Verhältnis war im Allgemeinen dasjenige des Schutzes. Der Rat, der berechtigt und verpflichtet war, den Stadtfrieden zu wahren, war Schirmer wie der weltlichen Einwohner so der geistlichen. Deutlich redet er selbst von der protectio, die er dem Klerus gewährte, und diesem Schutzbegriff entsprach, daß Klöster, die sich hier niederließen, und auch auswärtige, die hier einen Hof hatten, Bürger der Stadt genannt wurden. Auch Domkapitel und Pfaffheit hießen Bürger.

Die so beschirmte Klerisei hatte in der Stadt die Stellung einer Einwohnerklasse besonderer Art und zum Teil eigenen Rechtes. Sie genoß einer kirchlichen Freiheit, eines privilegium clericale.

Zunächst in Bezug auf das Gerichtswesen. Dabei handelt es sich nicht um Gerichtsbarkeiten wie diejenige von St. Alban, sondern um eine [161] gerichtliche Sonderstellung der Kleriker und um die geistliche Gerichtsbarkeit. Bei Anlaß der Offizialgerichte ist hievon schon die Rede gewesen.

Im Steuerwesen galt eine Steuerfreiheit hinsichtlich des Gewerfes nur für die Amtleute des Vogts, des Bischofs und der Domherren sowie für die Eigenleute und das Gesinde der Domherren und der Gotteshausdienstmannen. Eine weitergehende Befreiung wird dort nicht statuiert; die Sache ist aber ohne praktische Bedeutung, da das Gewerf frühe dahin fiel und überdies der Bischof zu seiner Erhebung an den Willen der Gemeinde gebunden war. Anders verhielt es sich bei der städtischen Verkehrsabgabe, dem Ungeld. Eine Befreiung bestand hier für das Domkapitel und die Chorpfaffen auf Burg und wurde auch vom Rate für diese anerkannt, während die übrige Geistlichkeit zur Entrichtung des Ungelds verpflichtet war.

Andere städtische Lasten waren Wacht- und Kriegsdienst. Vom Getwinge, das dem Rat hiebei zustand, und von dem dieselben Klassen von Amtleuten, Eigenleuten und Gemeinde befreit waren, die auch Exemtion vom Gewerf genossen, redet das Bischofsrecht. Aber über dessen Bestimmungen hinausgehend wurde später auch hier eine Befreiung der Domherren und Domkapläne wie beim Ungeld anerkannt, während die übrigen Kleriker die Lasten von Wachen und Reisen zu tragen hatten, freilich nicht mit ihrem Leibe, sondern mit ihrem Gelde. Wir erinnern an die Bestimmung des Straßburger Stadtrechts, wonach die dortigen Klöster bei einem Heereszuge der Stadt die Pferde zum Fahnenwagen zu liefern hatten; in Basel ist aus späterer Zeit die Pflicht der Klöster zur Stellung der Trainpferde ebenfalls bezeugt.


Auch die äußere Stellung, die Erscheinung im Stadtbilde verdient hier gewürdigt zu werden. Außer dem Münster zeigen die noch heute stehenden Chöre zu Barfüßern, zu Predigern und im Klingental, und zeigt die Nachricht, daß der Chor des Steinenklosters das Erdbeben überdauert habe, die Mächtigkeit und Kraft dieser Bauten an. Sie ragten jedenfalls alle gewaltig hervor aus der größtenteils hölzernen Stadt; die starken Mauern und Gewölbe der Sakristeien haben die Dokumente durch den großen Brand von 1356 hindurch gerettet, während das städtische Archiv in ihm untergegangen ist. Beachtenswert ist auch die andauernde Bautätigkeit der Kirche. Sie füllt das ganze Jahrhundert. Alle diese Kirchen und Klöster sind in diesem Zeitraum entweder neu entstanden oder umgebaut und erweitert worden. Was die Urkunden über Ablässe und Altarweihen, [162] die Nachrichten der Chroniken, endlich die Gebäude selbst uns hierüber lehren, läßt uns schließen auf eine allgemeine, jedenfalls auch durch Wetteifer, Neid und Stolz geweckte Regsamkeit sowie auf ein außerordentliches bauliches Können. Weniger bestimmt vermögen wir die Frage nach den zum Bauen nötigen Geldmitteln zu beantworten. Die Verschiedenheit, die sich im Betriebe zeigt, ist auffallend. Während die erste Kirche der Barfüßer rasch entstanden zu sein scheint, zog sich der Bau zu Predigern über Jahrzehnte hin; am Münster wurde wahrscheinlich das ganze Jahrhundert hindurch gebaut. Ohne Zweifel wirkten hiebei die Geldverhältnisse mit. Wenn ein Stift oder Kloster einen Bau unternahm, standen außer den Spenden, die durch Kollekten oder vermittelst Ablaßverkündung aufgebracht wurden und gewiß ungleichmäßig eingingen, keine flüssigen Kapitalien zur Verfügung, sondern Einkünfte aus festgelegten Renten. Es ist daher natürlich, daß der Bau nur langsam gefördert werden konnte.


Wenn so die Kirchen, Stiftshäuser und Klöster das Stadtbild beherrschten, so trat dem als Verwandtes zur Seite die außerordentliche Wirksamkeit aller dieser Korporationen im Liegenschaftswesen. Freilich dürfen wir uns nicht durch den Zustand der Überlieferung zur Ansicht verleiten lassen, als ob Grund und Boden ausschließlich in der Gewalt der Geistlichkeit gewesen wäre; über den ganzen, möglicherweise ausgedehnten Liegenschaftsbesitz der Laien, zumal der Ritter und Burger, fehlen uns nur die Nachrichten. Aber doch war dieser kirchliche Besitz ein sehr ansehnlicher, wie schon die Masse der von Erb und Eigen redenden Pergamente der Gotteshäuser zeigt; ihre Ergänzung findet sich in den auf den Liegenschaftsbesitz bezüglichen Eintragungen der Anniversarien und Zinsbücher, unter denen namentlich das an solchen Einträgen überreiche Buch von St. Leonhard zu nennen ist. Im Zusammenhange hiemit ist hervorzuheben, daß von städtischen Bestimmungen, durch die eine zu weit gehende Anhäufung von Immobilien in der Hand der Kirche verhindert werden sollte, in Basel nichts verlautet, während andere Städte schon zu dieser Zeit solche Bestimmungen erließen.

In der Hauptsache erscheint der kirchliche Besitz in der Stadt als ein arrondierter. Wie jedes Stift und Kloster seine Gesellschaft hatte, seine Anhänger, Gönner und Helfer, so auch in ähnlich bestimmter Umgrenzung einen Kreis der von ihm Abhängigen. Eine Nachbarschaft, die seine eigene Welt war. Bei St. Alban liegt dies klar zu Tage. Auch bei St. Leonhard finden wir einen solchen Zustand, und das Minoritenkloster hat die [163] ihm zugetanen Frauen ringsum in seinen Häusern wohnen; das vornehme Gegenspiel hiezu sind die Verhältnisse auf Burg und zu St. Peter. Natürlich besaß jedes Kloster auch einzelne, in entlegenere Stadtteile verzettelte Liegenschaften; aber im allgemeinen haben wir es mit Komplexen von Klostergut zu tun, welche die Stadt beinahe in Bezirke zerfallen lassen.

Dieser städtische Besitz der Kirche ist in vielen hunderten von Urkunden vor uns ausgebreitet, und im Schicksal dieser Liegenschaften und Häuser, wie es von Jahr zu Jahr sich wandelnd bezeugt wird, vollzieht sich vor unsern Augen eine privatrechtliche Entwicklung der interessantesten Art. Die Parzellierung des städtischen Bodens, die Verleihung dieser Hofstätten durch Stift oder Kloster zu Erbzinsrecht, der Hausbau des Zinsmanns, das Aufnehmen von Kapital durch diesen nicht auf die Hofstatt, die nicht sein Eigen war, aber auf das Haus, das ihm gehörte, endlich der Verkauf der Liegenschaft selbst durch den Beliehenen, aber unter Wahrung des grundherrlichen Eigentums, das ist ein immer wieder vor uns geschehender Gang. Seine Wirkung war dann das allmäliche Erlöschen des ursprünglichen Eigentums der Kirche. Aber in unserer Periode ist diese Entwicklung noch lange nicht geendet; wir stehen dem vollen Flusse, dem bewegtesten Leben gegenüber. Noch ist die Kirche Eigentümerin ihrer Hofstätten und bezieht als solche bei jeder Handänderung des Beliehenen eine Anerkennungsgebühr, vor allem aber jährlich den Zins, der zumeist in Geld, aber auch in Naturalien wie namentlich Wecken, Brotringen, Hühnern, Pfeffer, Wachs besteht.

Die Ergänzung dieses städtischen Besitzes sind die Güter auf dem Lande. Keines unserer Stifte und Klöster ermangelt solcher. Es sind Besitzungen aller Art, Eigengüter, Zinsrechte, Gefälle, und als wichtige Objekte Kirchensätze. Sie finden sich der großen Mehrzahl nach im Sundgau, viel seltener im Breisgau; im Sisgau ist hauptsächlich St. Alban begütert. Daß hier Verhältnisse bestehen, die von denen des städtischen Gutes sich unterscheiden, daß Recht und Betrieb hier andre sind, ist natürlich. Schon die Art der jährlichen Abgaben zeigt dies. Die Naturalabgaben überwiegen weit und sind aufs mannigfaltigste gestaltet: Korn- und Weinzinse vor allem, sodann Stroh, Gemüse, Eier und Käse, Becher voll Oeles, Lämmer, Gänse und anderes Geflügel; aber auch Rebstecken werden gezinst, und einen breiten Raum nehmen Dienste ein, wie Fuhre und Beherbergung. In Wintersingen hat St. Leonhard zwei solcher Herbergsrechte, das eine im Frühling, das andre im Herbst, jedesmal zu 31/2 Pferden; als ein halbes Pferd wird das des Kochs gerechnet, der den Propst bei diesem [164] Einritte zu begleiten hat. Aehnlich sind die Rechte von St. Alban in Kembs und in Mett; mit Hunden, Pferden, Jagdfalken, Dienern kommt der Propst auf den Hof seines Meiers oder Försters; nichts Mönchisches mehr steht vor uns, sondern der mächtige Grundherr.

Alle diese Dinge nehmen in der Ueberlieferung den breitesten Raum ein. Ihnen gelten fast alle Urkunden, ihnen die prächtigen Urbarien und Zinsrödel, die in den Anhängen der Anniversarien gesammelten Notizen. Es sind zum Teil Aufzeichnungen von erstaunlicher Einläßlichkeit und Sorgfalt; und so vollständig scheint hie und da dieses Material zu sein, daß wir uns versucht fühlen, heute noch einen solchen Vermögensstand und Haushalt zu rekonstruieren. Wir gewahren dabei, wie verwickelt und schwierig oft jene Verwaltungen sein mußten. Die Beaufsichtigung der Zinsleute und die Abnahme, Verwahrung und Verwertung aller der Einkünfte gaben um so mehr zu tun, je mehr es sich um Naturalleistungen und um kleine Einzelgefälle handelte. Wir ahnen den Organismus, den dies nötig machte, die Größe der Vorratsräume, die Menge des Gesindes, den Umfang der ganzen Oekonomie. Neben den Haus- und Hofgewerben, als welche uns Schuhmacher, Bäcker, Müller, Schmiede usw. genannt werden, stehen die Knechte und Tagelöhner, die Mähder, Heuer, Schnitter, Leser für Bearbeitung des nicht ausgeliehenen Landes. Nur gelegentlich zeigt sich dieses ganze Personal in den Zeugnissen; häufig aber, namentlich in einer spätern Zeit, erscheint der Schaffner, der Prokurator oder Syndikus. Bei St. Peter und St. Leonhard ist dies meist einer der Chorherren, in den Frauenklöstern und bei den Predigern einer der Konversen, bei den Barfüßern sehen wir Bürger das Amt besorgen. Dieser Schaffner erscheint als der Vertreter des Stifts oder Klosters bei allem profanen Geschäft, bei Kauf und Leihe und vor Gericht; ihn haben wir uns wohl auch als den Leiter der ganzen Gutsbesorgung zu denken.

Die Ueberlieferung, die uns die Kenntnis dieser Zustände vermittelt, ist natürlich eine einseitige; aber die Einseitigkeit so stark und geschlossen, daß sie uns die tiefste Bedeutung, den wirklichen Beruf dieser Stiftungen in der Tat kann vergessen lassen. St. Leonhard z. B., bei dem sozusagen nur diese Dokumente sich erhalten haben, alles Weitere aber völlig fehlt, stellt sich vor allem als Vermögensverwaltung und nur nebenbei als Gotteshaus dar.


Dem ausgebildeten, uns viel zu nahe kommenden Geschäftswesen gegenüber steht der eigentliche Dienst der Kirche. Wir haben ihn hier nicht [165] darzustellen, sondern nur die wenigen Zeugnisse dieser Tätigkeit zu vernehmen, die sich vorfinden.

Vor allem handelt es sich um die Pfarreirechte, deren wichtigstes die Seelsorge ist. Zu ihr gehören die tägliche Messe, die Predigt an Sonn- und Feiertagen, die Abnahme der Beichte. Dazu kommt die Taufe, die Oelung und das Begräbnis. In welcher Weise zur Ausübung dieser Funktionen sich die Pfarreien in Basel ausbildeten, die Gemeinden entstanden, ist schon gesagt worden. Nur mit einer wirklichen Pfarrkirche haben wir es zu tun, mit St. Martin, und nur bei dieser tritt auch die Gemeinde als solche handelnd auf. Im übrigen finden wir die städtischen Pfarreien bei Stiftern und Klöstern.

Die pfarrliche Tätigkeit war allerdings etwas im Grunde Unmönchisches, ein Uebergreifen in die Tätigkeit der Priester und ein Abweichen vom wirklichen Berufe der Klosterleute. Aber es handelte sich um eine Aufgabe und zugleich um eine Macht, der sich das Kloster nicht entziehen konnte und wollte. Zu den wichtigsten Ausstattungsstücken, die St. Alban bei der Gründung erhielt, gehörten die pfarrlichen Befugnisse in der ganzen damaligen Stadt Basel; die Mönche ließen diese Geschäfte durch Kapläne besorgen, und jedem Versuche, ihre Herrschaft zu beeinträchtigen, traten sie kräftig entgegen. Aehnliches wiederholt sich bei den Priestermönchen von St. Leonhard. Dennoch scheint bei dieser kirchlichen Tätigkeit der Klöster ein vorhandenes Bedürfnis nicht befriedigt worden zu sein. Der große Erfolg der Bettelorden ruhte gerade auf dem Punkte der Predigt und des Beichthörens. Ihre Gesinnung, ihr Geist, die Art ihrer Arbeit waren Mächte, gegen welche die bisherigen Parochiegewalten offenbar nur schwer ihren Stand behaupten konnten.

Daher der erbitterte Kampf, der bald ausbrach. Wie überall, so auch hier. Vorerst sehen wir ein anscheinend von Niemand gehemmtes Eindringen und Fußfassen der neuen Mönche. Sie genossen die Gunst der Bischöfe, die sie dem Klerus ihrer ganzen Diözese warm empfahlen. St. Alban mußte die Niederlassung der Barfüßer in seinem Sprengel gutheißen; ein bischöfliches Privileg befreite die Prediger von der Pflicht, von den ihnen zufließenden Vergabungen und Begräbniseinnahmen irgend Jemandem, d. h. hier zunächst dem Petersstift, einen kanonischen Anteil zu entrichten. Das Wohlgefallen an diesen noch vom ersten Feuer erfüllten Söhnen der Kirche, die Zufriedenheit mit ihren Diensten im Kampfe gegen Kaiser Friedrich und gegen Haeretiker ließ ihnen alle Gunst gewähren. Nur nicht auf Seite des Pfarrklerus. Schon 1249 hatte sich Bischof [166] Berthold über den Widerstand zu beschweren, den Prälaten und Kirchherren den Mendikanten sei es im Geheimen sei es öffentlich bereiteten; er befahl ihnen, hievon abzulassen. Nun aber wandten sich die Inhaber der baslerischen Pfarrkirchen an den Papst selbst mit Klagen über Eingriffe der Ordensbrüder in die Pfarreirechte, über ihre Erbschleicherei bei Kranken, über die hieraus sich ergebende Schädigung der Pfarrer an Gebühren und Vergabungen. Sie erlangten einen Entscheid des Papstes, der die pfarrlichen Rechte sicher stellen sollte, aber sie erlangten nicht Ruhe. Der Konflikt scheint von da an ein dauernder gewesen zu sein. Mit der Opposition des in seiner Stellung und Wirksamkeit bedrohten Pfarrklerus als solchen verband sich hier, wo die Pfarreien zum guten Teil Klöstern inkorporiert waren, der Neid der alten Orden gegen diese neuen Heiligen. Und bald teilte auch der Bischof selbst diesen Widerwillen. Die Mendikanten durchbrachen mit ihren zahlreichen und großen Privilegien alle in der Diözese geltende Ordnung, waren vom Bischof emanzipiert, seiner Jurisdiktion nicht unterworfen. So hatte er allen Grund, gegen sie aufzutreten. Noch war ihnen der mächtige Heinrich von Isny, selbst Barfüßer, eine Stütze; aber nachdem dieser den Basler Bischofsstuhl verlassen hatte, trat ein Umschlag ein. Strömungen von außen her wirkten mit. Der heftige Streit der Straßburger Bürgerschaft mit dem dortigen Predigerkloster, der Erlaß des Rates daselbst gegen die Mendikanten, sein Rundschreiben, das er zur Aufklärung über das Vorgefallene auch an Basel gelangen ließ, machten hier tiefen Eindruck. Eine Reihe bedeutsamer Erlasse zeigt uns die Stimmung, die hier Oberhand gewonnen hatte: die Indulgenz für St. Leonhard 1287, in Stadt und Diözese Basel Beichte zu hören, Bußen aufzuerlegen, dem Volke zu predigen und den Zuhörern Ablaß zu verheißen; das Zirkular des erzpriesterlichen Offizials an alle Leutpriester der Stadt 1288, worin jedem Gläubigen auferlegt wird, seinem Sprengel treu zu bleiben; das vorteilhafte Abkommen des Pfarrers von St. Martin mit den Augustinern 1290. Völlig im Einklang mit alle dem steht die scharfe Bestimmtheit, mit der in den Synodalbeschlüssen von 1299 der Pfarrklerus bei seinen Rechten des Begräbnisses, der Predigt, des Beichthörens gegenüber den Bettelorden geschützt wird.

Doch dürfen wir bei Erwägung dieser Verhältnisse nicht nur an den Streit denken, der sich dabei entzündete, und nicht nur an die äußerlichen Einbußen, welche die Pfarrer erlitten. Den Mendikanten ist wahrlich noch Anderes zuzuschreiben als Uebergriff in fremde Rechte und Erbschleicherei. Was sie unzweifelhaft bewirkten, war eine segensvolle Erneuerung, eine [167] Belebung und Bereicherung des Verhältnisses zwischen Kirche und Gemeinde; und dies wurde nun nicht nur in ihrem Gebiete, sondern auch in den alten Verbänden spürbar. Daß z. B. der Bischof von Konstanz 1288 dem Leutpriester am Großmünster zu Zürich das Predigen ausdrücklich empfahl und ihn ermächtigte, den Besuchern seiner Predigten Ablaß zu erteilen, zeigt, wie das Beispiel der Bettelorden zur Nachfolge trieb, wie der Weltklerus Anlaß fand, nun auch seinerseits sich Mühe zu geben.

Damit werden wir aber auf die Gebiete inneren Lebens der Kirche geführt, die sich hier unsrer Betrachtung entziehen. Für sie muß auf die allgemeinen Darlegungen verwiesen werden; zu erwähnen ist höchstens, daß die an die Ausbildung des Bußsakraments sich anschließende Institution des Ablasses in Basel seit Beginn der 1230er Jahre in Uebung war.

Im übrigen zeigen die Quellen noch einige Einzelheiten aus dem Kirchenwesen, die von Interesse sind. So erfahren wir, daß schon damals einzelne Gotteshäuser der Stadt sich in Prozessionen besuchten. Die Mönche von St. Alban zogen an den Tagen vor Himmelfahrt, das Kreuz voran, zum Münster, während hinwieder am Martinstag die Domherren nach St. Alban wallfahrteten. Zahlreiche Prozessionen hatten die Stiftsherren von St. Peter auszuführen; schon ihre erste Ordnung von 1233 auferlegte ihnen, an den großen Marienfesten, am Kirchweihtag des Münsters, zu Weihnachten, am Palmsonntag, Ostern und Pfingsten processsionaliter zur Kathedrale zu ziehen und hier der Messe beizuwohnen; ohne Zweifel fanden alte Zusammenhänge in diesem Brauch ihren Ausdruck.

Auch das Augustinusfest war einer dieser feierlichen Vorgänge. Es wurde alljährlich zu St. Peter mit Glanz gefeiert; die Mönche von St. Leonhard hatten an die Kosten, weil das Fest ihrem „Herzog“ galt, eine Summe beizutragen.

Sodann das die zarteste Andacht mit zugreifender Sinnlichkeit merkwürdig vereinende Reliquienwesen. Vom heiligen Blut, das Bischof Ortlieb, von den Heiltümern, die ein halbes Jahrhundert später der Abt von Päris aus dem Osten gebracht, ist schon die Rede gewesen. Sie hatten den von Heinrich II. gestifteten Reliquienschatz des Münsters bereichert. Jetzt kamen einheimische Stücke dazu: 1254 von den Gebeinen der elftausend Jungfrauen aus Köln, 1270 das Haupt des heil. Pantalus ebendaher. In eine prachtvolle Büste von Gold und Silber wurde dieses eingeschlossen, Pantalus selbst zum zweiten Patron der Basler Domkirche erhoben; der Tag nach der Münsterkirchweih war sein Tag.

[168] Zahlreicher sind die Nachweise über die Anniversarien, die dazu dienten, den Todestag des Stifters auf ewig mit einer kirchlichen Feier zu seinem Seelenheil zu umgeben. Vor allem in den Jahrzeitbüchern, die sich bei Domstift und St. Peter in schönen Reihen erhalten haben, sind diese Stiftungen bezeugt. Der Quellenwert dieser Bücher zumal für Personengeschichte ist unvergleichlich. Aber sie vermitteln auch die schöne Vorstellung, wie in den Anniversarienfeiern die vergangenen Geschlechter stets aufs neue gegenwärtig waren, in ihrer Kirche und in ihrer Gemeinde weiter lebten.


Die mächtige Begleiterin dieser kirchlichen Tätigkeit war die wissenschaftliche Arbeit. Doch kann hier von den allgemeinen Beziehungen beider, von der Beherrschung der Wissenschaft und der literarischen Kultur durch die Kirche nicht gehandelt werden; wir haben uns auf die Ortsgeschichte und ihre dürftigen Zeugnisse zu beschränken.

Bemerkenswert ist hier das auswärtige Studium, der Besuch einer der großen Hochschulen jener Zeit durch Geistliche. Hiebei ist vor allem an Paris zu denken; ferner tritt uns Bologna mächtig entgegen. Dort treffen wir zu dieser Zeit eine Reihe von Basler Domherren als Studierende: den Heinrich Mazzerel, den Heinrich von Lörrach, den Peter Schaler. Neben ihnen dann den St. Peterschorherrn Burchard Vitztum, der später Propst wurde, und außer diesen noch zahlreiche andere Basler, einen Arnold von Biedertal, einen Pauler, einen Berthold, Friedrich, Heinrich usw. Den Kanonikern von St. Peter war ausdrücklich die Freiheit zugesichert, an eine Universität zu gehen, und wiederholte Erwähnungen zeigen, daß dies Verlassen von Stift und Pfründe zum Besuch eines solempne studium etwas Normales, ein anerkannter Brauch war. Daher auch im Statut der Hausgenossen 1289 die Bestimmung aufgenommen wurde, daß der Kauf von Silber für den Besuch solcher Schulen vom Schlagschatz so gut frei sein solle wie der Silberkauf für Wallfahrten und kriegerische Ausrüstung; in der entsprechenden Bestimmung des Bischofsrechtes war dieser Punkt nicht erwähnt, und sein Hinzutreten weist auf eine inzwischen geschehene Entwicklung.

Was solches Studium im Einzelnen bewirkte, ist uns natürlich verborgen. Nur zwei Erscheinungen können kurz erwähnt werden: die Jurisprudenz und die medizinische Wissenschaft.

Die Jurisprudenz ist im damaligen Basel vertreten durch die zahlreichen magistri, die namentlich an den geistlichen Gerichtshöfen als Offiziale, Vögte und Notare arbeiteten. Mitten in ihren Kreis hinein versetzt uns [169] ein merkwürdiges Rechtsgutachten über die Gültigkeit einer dem Kloster Lützel gemachten Schenkung, 1272. Es ist erstattet durch den Ritter Johann Rauber und die Meister Seman, Rudolf von Rixheim und Nikolaus; mit ihrem Gutbefinden erklärt sich einverstanden ein Magister Peter, bei dem vielleicht an Petrus de Prece, den Protonotar Konradins, zu denken ist. Diese Männer, nebst dem doctor legum Berthold und dem Magister Rudolf von Rheinfelden, können als die angesehensten Basler Juristen jener Tage gelten; Meister Seman erscheint dann als bischöflicher Offizial, Meister Nikolaus ist Advokat der Kurie. Die Ergänzung dieser Gelehrten aber, die kanonistisch-römischrechtliches Wesen in Rechtsprechung und Urkundenstil einführten, waren gute Laienjuristen wie der Ritter Rauber, der schon genannt worden ist, oder die Nachschultheißen Heinrich und Hugo von Gundolsdorf.

Mit der Rechtswissenschaft berührte sich die Schreibkunst. Wie hoch mußte diese stehen, wie einflußreich Der sein, der sie besaß, in einer Zeit, da Fürsten wie der Erzbischof Friedrich von Salzburg und die Aebte von St. Gallen und Murbach nicht schreiben konnten! Zwischen all der Kraft und Gewalttätigkeit stehen die Schreiber da als Wissende, auf deren Hilfe auch der Mächtigste sich angewiesen sah. Ihre Tätigkeit konnte in der Tat wie eine Wissenschaft gelten und mit juristischer Bildung Hand in Hand gehen. Dies vor allem bei den Schreibern der geistlichen Kurien und des Rates.

Aber Schreiber solcher Qualität fanden sich auch an andern Posten. Wo regiert und verwaltet wurde, war ein Schreiber Bedürfnis, und dessen Arbeit nicht nur das Ausfertigen der Urkunden, sondern auch die Korrespondenz, das Führen der Güterbücher und Rechnungen. So haben wir uns die Schreiber des Bischofs zu denken und der hohen Herren des Domkapitels. Typisch ist jener Burchard. der die zweite Hälfte des Jahrhunderts ausfüllt, als Schreiber der Dompropsts beginnt, dann Schreiber der Bürgerschaft wird, daneben Chorherr und bald Scholastikus zu St. Peter ist, Pfründen der Stifter Rheinfelden und Zofingen besitzt, Kinder zeugt und diese im Nonnenkloster Blotzheim versorgt. Die überaus schöne und klare Schrift dieses gewandten Mannes begegnet in zahlreichen Urkunden. Sodann die bischöflichen Schreiber Rudolf und Kuno, die Beide gleichfalls Chorherren von St. Peter sind; wie Kuno erhält auch der Dompropsteischreiber Heinrich von der ihn vor Vielen auszeichnenden Beschäftigung den Beinamen Schreiber. Aber auch aus andern Dienstverhältnissen treten uns solche Schriftkundige entgegen: der Hauskleriker der Familie zur Sonnen, Martin, der später Propst zu St. Leonhard wurde; der in Basel viel verkehrende [170] Schreiber des Grafen von Honberg, Rudolf von Wenslingen; und unter den Domherren der Magister Ulrich von Ulm, ehemals Notar des Kaisers.

Diese beamteten Schreiber sehen wir gelegentlich auch für Andre als ihre Herren die Kunst ausüben; so z. B. den Stadtschreiber Burchard 1269 für den Ritter Johann von Butenheim, 1265 für den Altscholaster Johann usw.

Und endlich zeigt sich die Wichtigkeit der Schreibkunst in dem Vorkommen selbständiger Privatschreiber, die aus ihrem Können ein Gewerbe machten. Wenn sie Urkunden schrieben, so hatten diese natürlich so wenig Beweiskraft, wie an sich die Ausfertigungen der beamteten Schreiber; diesen wie jenen kam solche Kraft erst durch die Besiegelung der hiezu Berechtigten. Einen Johann, zwei Konrade, einen Berthold, einen Eberlin, einen Anshelm finden wir als solche gewerbsmäßige Skriptoren. Und auch Frauen werden bei diesem Berufe getroffen: die Schreiberin Hedwig 1250, die Schreiberin Irmina 1297. Ihre geistliche Genossin war jene Klingentaler Nonne, von der die Prediger rühmen konnten, daß sie ihnen den ganzen Winterteil des Lektionars mit einer einzigen Feder geschrieben habe.

Das letzte Beispiel zeigt wieder, daß wir bei Betrachtung dieses Schreibervolkes durchaus nicht nur an die Verfertigung von Urkunden denken dürfen. Die Schreiber dienten dem Leben überall und alltäglich, und ein Blick auf die reiche Gesamtheit des von ihnen Geschaffenen zeigt ihre geschichtliche Bedeutung. Auch wo sie nicht Urkunden verfaßt haben, sind sie Urkundspersonen ersten Ranges. Das Greifbare und Schaubare, in dem jene Zeit noch heute vor uns lebt, besteht nur aus wenigen Gebilden des Meißels, aber aus unzähligen Werken der Feder.

Dem Sprachlichen und Stilistischen dieser Werke kann hier natürlich nicht näher getreten werden. Nur Eines ist zu erwähnen: das Auftreten des Deutschen in den Urkunden. Ihre übergroße Masse ist in einem Latein abgefaßt, das uns völlig als lebende Sprache entgegentönt, sodaß wir uns des Ueberganges nicht bewußt werden, der vom Sprechen und Tun des Tages zu dieser seiner Dokumentierung geschah. Nun beansprucht auch das Deutsche hier Geltung. Ein Zusammenhang mit allgemeinen Strömungen, die das Volkstum hervortreten lassen, eine Laienliteratur einführen, ist nicht zu verkennen. Beachtenswert aber sind die Punkte, wo diese Neuerung einsetzt, und die Personen, die sie vertreten. In Basel ist dies vor allem Bischof Heinrich von Neuenburg; als eigenartig und groß zeigt er sich auch hierin. Sein Bischofs- und Dienstmannenrechr, seine Verträge [171] mit den Herren von Butenheim, mit dem Grafen von Pfirt, mit der Stadt Neuenburg, seine Zunfturkunden, seine Handfeste für Kleinbasel sind deutsch abgefaßt. Sodann kommt Kleinbasel selbst in Betracht. In auffallender Weise bedienen sich hier Schultheiß und Rat konsequent der deutschen Sprache, während der Großbasler Rat lateinisch urkundet. Dies und die frischere, von Konvention freiere Form der Kleinbasler Ratsurkunden lassen vermuten, daß der Stadtschreiber in Kleinbasel kein Kleriker, sondern ein Laie war. In der Menge der Klosterurkunden sodann zeichnen sich die beiden Frauenklöster St. Clara und Klingental durch deutsche Abfassung aus, schon vor ihrer Uebersiedelung nach Kleinbasel und in den von ihnen ausgestellten Urkunden sowohl wie in den von ihnen empfangenen. Der Adel endlich, dessen Urkunden sonst schon früh zur deutschen Sprache greifen, ist nur wenig vertreten; aber der deutsch dichtende Herr Walther von Klingen urkundet lateinisch.

Auch von den medizinischen Kenntnissen der Geistlichkeit ist zu reden, als von einer weitern Wissenschaft, mit der sie in die Welt hinaustraten und dieser dienten. Der erste Basler Arzt, von dem mir hören, ist wohl jener Domherr Kuno; auch die nach ihm kamen, als medici, physici, chirurgici, scheinen Kleriker gewesen zu sein: Otto 1254, Johann von Zürich 1288, Dietrich 1295, Heinrich von St. Blasien 1298 u. s. w. Sie Alle tragen den Magistertitel. In dem Jahrhundert, das durch den Mönch Albert den Großen eine neue naturwissenschaftliche Erkenntnis gewann, war auch die Heilkunst noch in die Hand der Kirche gelegt. Dann aber trat unter der Wirkung fremdländischer Einflüsse eine Verschiebung ein; schon in der nächstfolgenden Zeit sehen wir hier die jüdischen Aerzte tätig.


Bei dieser Erwähnung wissenschaftlicher Arbeit der Kirche sind endlich ihre Schulen namhaft zu machen. Diese hatten in erster Linie dem kirchlichen Bedürfnisse selbst zu dienen, Geistliche heranzubilden.

Von den Schulen in den Klöstern Basels vernehmen wir gar nichts. Man vermutet solche Nachrichten noch am ehesten bei St. Alban zu erhalten. Aber so wenig hier über ein gelehrtes, geistiges Leben überhaupt etwas verlautet, so wenig über eine Klosterschule.

Besser bezeugt sind die Stiftsschulen. Von einer Domschule ist die Rede. Ferner von Schulen zu St. Peter und St. Leonhard. An allen diesen Orten haben wir die verschiedenen Arten von Schülern uns zu denken: solche die vom Stift lebten, Anwartschaft auf Pfründen hatten und als arme Schüler beim Chordienst mitzuwirken hatten, oder die in freierer [172] Stellung sich befanden, als Söhne aus guten Häusern sich für den Eintritt in den Weltklerus vorbereiteten, auf eigene Kosten lebten.

Schon bei der Gründung von St. Peter wurde bestimmt, daß dort eine Stiftsschule zu betreiben sei mit zwanzig Schülern, die ein Schulgeld entrichten, und zehn armen Schülern. Später lautete die Bestimmung sowohl für St. Peter als für St. Leonhard, daß an jedem Orte dreißig Schüler sein sollten, worunter sechs Arme oder sonst ohne Entgelt zu Unterrichtende.

Die ganze bewegliche und mannigfach gestaltete Welt der Scholaren findet freilich eine sehr ungenügende Bezeugung. Zunächst sind es die armen Schüler, die wir kennen lernen, aus den Statuten über ihr Singen im Chor und aus den Stiftungen von Brot- und Kleiderspenden zu ihren Gunsten. Sodann werden einzelne Scholaren gelegentlich erwähnt, weil sie im Dienste eines Domherrn stehen, oder als neugewählte Landpfarrer, aber auch als Gutsverwalter eines Nonnenklosters, und als Hausbesitzer. In allen diesen Fällen handelt es sich um geordnete Existenzen; von der viel zahlreicheren Gattung, die als fahrende Schüler, als Vaganten dem Jahrhundert zu tun gab, haben unsere Quellen nichts zu sagen.

Die Organisation der Stiftsschulen war in der Hauptsache durchweg dieselbe. Am Domstift wie zu St. Peter bestand die Würde des Scholasticus; auch im Leonhardskonvent findet er sich. Ihm lag die Aufsicht über das Schulwesen ob; er war der Gebildetste des Kollegiums, vor den Andern in Sprache und Schrift erfahren. Der Scholaster Burchard zu St. Peter galt als der beste Schreiber seiner Zeit, und der Domscholaster hatte das Amt, die Briefe, die das Kapitel ausgehen ließ, zu verfassen und die Briefe, die es empfing, vorzulesen. Unter ihm stand überall der Schulmeister, Knabenrektor, auch Unterscholasticus genannt, der in Person den Unterricht erteilte und die Schüler zum Mitsingen in den Chor zu bringen hatte.

Das Schulhaus diente wohl auch zur Wohnung der Schüler. Dasjenige der Münsterschule befand sich beim Kreuzgang. Zu St. Peter hatte der Scholasticus Burchard die Schule am Ende des Kirchhofs gebaut; zu St. Leonhard stand das Schulhaus anfangs unten am Berg beim Leonhardsspital; später wurde die Schule infolge Vergabung des Konstanzer Domkustos Heinrich Kücheli hinauf an den Kirchhof verlegt, in das ehemals dem Großen St. Bernhard zuständige Haus; der Konvent vermietete das alte Schulhaus 1297 an die Schreiberin Irmina.

Eine besondere Stellung nahmen neben diesen Stiftsschulen die Schulen der Mendikanten ein. Sie waren geregelt durch die allgemeinen [173] Gesetze der Orden und in jedem Hause gleich. Der Lesemeister unterrichtete die jungen Mönche, gab ihnen Anleitung zum Beichthören, zur Schriftauslegung, zur Polemik gegen die Haeresie; die Ausländer unter ihnen hatten die Landessprache zu lernen. In unsern Urkunden ist von diesem Schulhalten begreiflicherweise nichts zu lesen; einen Hinweis gibt einzig die Stiftung des Konrad Probus, der für die Aufzucht junger armer Minoritenschüler eine jährliche Summe aussetzte. Neben den Schulen der einzelnen Konvente aber bestanden die Generalstudien oder Provincialstudien des Ordens, wohin taugliche Brüder zu höherer Ausbildung gesandt wurden.

Aller dieser Unterricht aber, von der Kirche geregelt und erteilt, sollte zunächst nur den Bedürfnissen der Kirche selbst dienen. Eine Laienbildung, eine Bildung als Allgemeingut war daher nur zu erlangen, wenn die gegebene Vertreterin des Laientums, nämlich die Stadt, die Gemeinde, sich der Schule annahm. Wir wissen, daß anderwärts das dreizehnte Jahrhundert städtische Schulen entstehen sah, daß vereinzelt sogar Stadt und Kirche um die Schule kämpften. Für Basel liegt ein bestimmtes Zeugnis nicht vor. Aber jener Magister Johann, Knabenschulmeister in Basel, der 1285 uns begegnet, dürfte doch als städtischer Schulmeister, als Lehrer an einer städtischen Anstalt, aufgefaßt werden.


Um so deutlicher sehen wir auf einem andern Gebiete die Stadt der Kirche folgen und sie beerben.

Die Armenfürsorge lag in den Händen der Kirche; auch was von Weltleuten für die Armen und Notleidenden geschah, kam, sofern es sich um größere und dauernde Veranstaltungen handelte, durch Vermittlung kirchlicher Institute zu seiner Bestimmung. Dies gilt vor allem von den Armenspenden, die bei Klöstern durch private Wohltätigkeit veranstaltet wurden. Sie waren sehr häufig. Die Verfügungen des Johann Hurrebold 1284, des Herwig 1297, des Altscholaster Johann 1265, der Begine Hirnapussin 1300 sind nur einzelne Beispiele aus der Fülle. Der Kirche wurden dabei Summen Geldes oder noch eher jährliche Fruchtgefälle übergeben mit der Bestimmung, an kirchlichen Festen oder am Jahrestage des Stifters Brot, Wecken, Schuhe, Tuch unter die Armen auszuteilen.

Neben dieser vermittelnden Tätigkeit der Kirche stand ihre eigene organisierte Fürsorge.

Alle Armenanstalten des früheren Mittelalters waren bei Klöstern oder Stiftern. „Das Hospital gehörte zur Klosteranlage fast wie die Kirche.“ [174] Sein Name rührt her von der Beherbergung landfremder Reisender, die den Klöstern zufiel, wo keine Herbergen bestanden. Aber diese Hospitäler wurden schon frühe zu mehr, zu Pflegehäusern und Heilstätten, und diese Bestimmung trat immer stärker hervor.

Wir finden solche Einrichtungen auch in Basel. Die Infirmerie des Predigerklosters wird beiläufig genannt. Von den Antoniern war schon die Rede, von den Ritterorden und ihrer Spitalpflege wird noch zu reden sein. Hier stehen voran die Spitäler von St. Alban und St. Leonhard.

Das Spital von St. Alban befand sich an Stelle des Hauses zum Schönen Eck. Seine früheste Erwähnung, als einer schon fest bestehenden Anstalt, fällt in das Jahr 1278. Zwei Jahre später erhielt es ein Reglement durch den Abt Yvo von Cluny; die Trennung seines Vermögens von dem allgemeinen Klostergut wird eingeschärft, das Vermögen genau bezeichnet und seine Verwendung geordnet. Außer der Krankenpflege gedenkt der Abt dabei namentlich der Armenfürsorge; einer der Mönche hat als Almosenier zu amten; er soll die Armen und Bettler unterstützen und, wenn er bei Herannahen des Winters noch Geld in der Kasse hat, dies zur Verteilung von Leinen- und Wollentuch verwenden.

Aehnliches begegnet bei St. Leonhard, dessen Spital am Fuße des Berges lag. Auch bei ihm war gesonderte Vermögensverwaltung; ein Spitalmeister stand dem Hause vor.

Das Bemerkenswerte ist nun, daß die Stadt eingreift. Andere Städte erlebten die Umbildung des kirchlichen Spitals zu einer kommunalen Anstalt; in Basel trat ein Bürgerspital neben die Klosterspitäler. Mit der Festigung und Ausgestaltung der städtischen Verhältnisse hing dies zusammen. Die Kraft des Gemeindelebens, die in Schaffung des Bürgermeistertums, im Erwerb des Rathauses sich dokumentierte, führte in denselben Jahren auch zur Gründung dieser Anstalt. Die Klöster genügten wohl dem Bedürfnisse nicht, und der Bürgerschaft mochte es als Ehrensache erscheinen, hier von Gemeinde wegen etwas selbst zu tun. Es war ein Gedanke, durchaus verwandt dem damals am Würzburger Städtetage, 1256, gefaßten Beschlusse einer in den oberdeutschen Städten einzuführenden gemeindlichen Armensteuer.

Die Gründung dieses städtischen Spitals geschah kurz vor 1265; in diesem Jahre wird es zum ersten Male als neues Spital genannt. Grund und Boden, auf dem es stand, war die städtische Allmend auf dem rechten Birsigufer, neben dem Barfüßerkloster.

[175] Die Leitung dieses städtischen Spitals war einem Kollegium von Prokuratoren, Pflegern übertragen; angesehene Männer aus der Bürgerschaft, wie Heinrich Iselin, Johann von Arguel, Berthold im Steinkeller, sind unter diesen, so auch der Ritter Konrad Zerkinden. Die Geschäfte im Hause selbst besorgte die „Familie“ der Conversen, die sowohl Männer als Frauen umfaßte: eine geistliche oder halbgeistliche Genossenschaft, durch die gemeinsame Aufgabe des Dienstes an den Armen und Kranken verbunden, die wir gelegentlich auch bei Verfügungen über das Spitalvermögen neben den Pflegern mitwirken sehen. Auch von einem Priester des Spitals ist die Rede. Doch bringt erst das folgende Jahrhundert nähere Nachrichten über die Geschichte des Spitals. Das Wichtigste dieser frühern Zeit mag der Kauf der Güter zu Egringen 1284 sein und 1288 die Abtretung von Land an das Barfüßerkloster zur Erweiterung seines Kirchhofs.

Das Bestehen dieses Spitals beseitigte die alten Klosterspitäler nicht; sie begegnen uns noch neben ihm.

Eine unentbehrliche Ergänzung des Spitals war das Siechenhaus, wo die ansteckend Kranken, vor allem die Aussätzigen zusammengebracht und von aller Berührung mit der Welt möglichst fern gehalten wurden. In alter Zeit, da die Stadt nur bis zum Birsig reichte, stand das Siechenhaus auf dem jenseitigen Ufer, am Fuße des Leonhardsberges. Aber die Ausdehnung der Stadt machte in der Folge seine Verlegung nötig. Wir wissen nicht, wann dies geschah. Wir wissen auch nicht bestimmt, wessen Befehl und Leitung das Haus unterstand. Eine Beziehung zum Leonhardsstifte, gleich derjenigen des dortigen Spitals, ist nicht anzunehmen, eher an eine Befugnis der Stadtgemeinde selbst zu denken. Kurz nach Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, in denselben Jahren, die das städtische Spital entstehen sahen, wird das Siechenhaus zum ersten Mal weit draußen vor der Stadt, bei der Birsbrücke, gefunden. Aber es kann schon geraume Zeit früher dorthin verlegt worden sein. Seine Leitung war in den Händen von Pflegern, zeitweise derselben Männer, die Spitalpfleger waren. Wir vernehmen von Güterbesitz, den das Haus in seinem Revier erwarb; noch trug es nicht den Namen des heiligen Jakobus; nur von den Dürftigen an dem Felde, von den Leprosen bei der Birsbrücke ist die Rede.


Zur Vollständigkeit des Bildes der Basler Geistlichkeit gehören noch zwei Gruppen, die uns als Zwischenformen entgegentreten: die Ritterorden und die Beginen samt den Tertiariern.

[176] Die drei Ritterorden der Johanniter, Templer, Deutschherren haben gemeinsamen Ursprung; auch die Größe der Aufgabe war ihnen gemeinsam: Beschützung und Pflege der zum heiligen Grabe des Erlösers Pilgernden, Spitaldienst, Kampf gegen die Ungläubigen. Noch im zwölften Jahrhundert faßten alle drei Fuß auch im Abendlande.

Am frühesten werden in Basel die Johanniter angetroffen. Sofort an der Stelle, die dann Jahrhunderte lang das Johanniterhaus war. Dieser Ort war kaum durch den Zufall gegeben. Er lag an der begangenen Straße, die längs dem Rheine von Basel nach Norden führte; hier war Gelegenheit, Pilgern und Notleidenden beizustehen. Die erste knappe Erwähnung zeigt die Johanniter hier im Jahre 1206; aber von sehr ausgebildeten Verhältnissen redet schon ein Vergleich von 1219 über Parochiefragen. Die Johanniter haben eine Kapelle auf ihrem Gebiet vor dem Stadttor, eine zweite, die dem heiligen Nikolaus geweiht ist, innerhalb der Mauern und im Pfarrgebiet von St. Peter. Ohne Zweifel klingen hier alte Verhältnisse weiter, machte sich eine frühere, nicht mehr bestehende Stadtbegrenzung geltend. Der Leutpriester von St. Peter empfindet den Zustand als eine Schmälerung seines Rechtes, und nur durch eine Schenkung an seine Kirche können die Ritter einen Vergleich ermöglichen. Ihre Pfarrrechte werden anerkannt gegenüber den Bewohnern ihres äußern Bezirkes, sowie einiger Häuser in der Stadt und längs der Rheinstraße; überdies darf ihr Priester an gewissen Tagen in der innern Kapelle Pilgern und Reisenden Messe lesen und das Viatikum reichen. Diese Niklauskapelle wird später nicht mehr genannt; die Sondergemeinde zu St. Johann aber, die durch das Abkommen geschaffen worden, blieb seitdem bestehen.

Im übrigen ist vom Johanniterhause dieser frühern Zeit wenig zu sagen. Unter den Brüdern, die in Priester und Ritter sich gliederten, werden Angehörige der Basler Geschlechter Ramstein, Rauber, von Frick, Münzmeister gefunden. Ein Provisor oder Prokurator stand anfangs der Niederlassung vor, 1263 zum ersten Male erscheint ein Komthur als Leiter. Diesem beigeordnet war der Prior.

Von den Templern, deren nächstgelegene Konvente zu Breisach und Bergheim waren, ist in Basel kaum etwas zu sagen. 1220 kaufte St. Leonhard Güter in Basel, die diesem Orden gehörten. In der St. Johannskapelle auf Burg sah man das Grab eines Templers Konrad.

Auch die Anfänge des Deutschen Ordens in Basel sind dunkel. Vielleicht, daß sie auf jenen Konrad von Basel zurückgehen, der in den 1220er Jahren Präceptor des Deutschordenshauses zu Barletta war. Vielleicht, [177] daß die hiesige Niederlassung von Beuggen aus geschah. Denn dieses Haus war es, das im Jahre 1268, zusammen mit dem Subkustos des Domstifts Arnold (es ist der große Wohltäter des Steinenklosters Arnold von Blotzheim) die Hofstatt des Heinrich Brotmeister bei Kunos Thor kaufte. Dieselbe Liegenschaft, die dann Jahrhunderte hindurch das Haus des Ordens in Basel war; 1286 erweiterte sich dieser erste Besitz durch drei benachbarte Liegenschaften, die des Otto von Blotzheim Witwe Anna dem Orden schenkte.

Das Oratorium der Ordensbrüder, das auf einer dieser Liegenschaften stand, wird bei der Schenkung erwähnt; aber nähere Behandlung fand die Sache infolge einer Beschwerde der Mönche von St. Alban. Der neue Ordenshof war im Sprengel dieses Klosters gelegen, und es mochte besorgen, daß die Deutschritter hier nach dem Beispiel der Johanniter eine Sondergemeinde zu schaffen versuchten; seiner Klage antworteten die Ritter durch Berufung auf die Ordensprivilegien. Ein Schiedsgericht brachte 1287 die Sache in Ordnung; es sprach den Deutschherren das Recht zu, in ihrem Hofe zu bleiben, Kapelle, Oratorium und Glockenturm zu haben, auch Gottesdienst daselbst zu halten, Opfer von Gemeindeleuten von St. Alban anzunehmen und solchen auch Begräbnis bei der Kapelle zu gewähren, doch durchaus unter Wahrung aller Rechte der ordentlichen Pfarrkirche. Zu einer Absonderung vom Gemeindeverbande kam es somit nicht.

Soviel von den Ritterhäusern in Basel. Ihnen gemeinsam ist eine gewisse Unselbständigkeit, ein Zusammenhang mit der allgemeinen Ordensleitung, der zur Folge hat, daß in letzter Linie nicht die Vorsteher dieser Häuser hier Geltung und Verantwortung haben, sondern die auswärts amtenden Superioren. Bei den Johannitern ist dies der Präceptor durch Deutschland, bei den Deutschherren der Landkomthur der Ballei Elsaß.

Gemeinsam ist ihnen ferner, daß, obwohl es sich um Spitalorden handelte, doch bei keinem ein Spital nachzuweisen ist.


Was von Kirchen, Kapellen, Stiftern, Klöstern uns bezeugt wird, erschöpft die kirchlichen und namentlich die religiösen Zustände lange nicht. Nirgends mehr als auf diesem Gebiete werden wir der Unzulänglichkeit unsrer Quellen bewußt. Auch darüber hinaus, was christliches Leben im weitern Sinne heißt, bleibt noch eine reiche Welt von Erscheinungen, deren jede ihre bestimmte und der Zeit eigentümliche Form besitzt. Diese Welt, die in wunderbarer Flüssigkeit die festen Gestaltungen umwogt und vielleicht das Reifste und Edelste des damaligen Christentums birgt, kann in ihrer [178] Größe uns freilich nur erscheinen, wenn wir die Geistes- und Kirchengeschichte jener Zeit so umfassend als möglich betrachten. Aber dies ist uns hier verwehrt, und wir müssen versuchen, dem in Basel uns Begegnenden gerecht zu werden.

Das Innerste der ganzen Bewegung, so knapp als möglich zusammengefaßt, ist die Sehnsucht nach alleiniger Betrachtung der höchsten Dinge, eine Gesinnung, die den Einzelnen dazu treibt, seine Gabe den Armen zugeben, sich ganz Gott zu widmen, für sich allein der Heiligung zu leben. So ist das Mönchtum entstanden. Aber Mönch oder Nonne werden ist nicht die einzig mögliche Form. Noch in der Zeit, der unsere Darstellung gilt, finden wir Solche, die dieses Leben zu führen wünschen und tatsächlich führen ohne den Schutz des Klosters, mitten in der Welt, umgeben vom Lärm der Stadt.

Jene „armen Schwestern“, jene „Weiblein“, die von den ersten nach Deutschland kommenden Mendikanten als stille Klausnerinnen neben Kapellen im Straßen- und Marktgewühl vorgefunden wurden, können Existenzen dieser Art gewesen sein. Die Mönche holten sie allerdings aus ihren Klausen heraus, vereinigten sie in Klöster, gaben ihnen Regel, Ordnung und Aufsicht. Aber das Bedürfnis und die Möglichkeit eines weltabgewandten Lebens auch ohne Kloster bestand weiter.

Dies zeigt vorerst das Beginentum, das aus seiner belgischen Heimat auch nach Basel kam und hier Wurzel trieb. Die Beginen wohnten, wie es scheint, meist in Gemeinschaften; aber sie konnten auch für sich allein wohnen. Der Gedanke, der sie leitete, war Verzicht auf die Welt; sie lebten in Enthaltsamkeit, Gebet und Fasten; das Wenige, dessen sie bedurften, erwarben sie durch Handarbeit. Aber kein Gelübde band sie; sie waren frei von äußerer Pflicht und Regel. Entsprechender Art waren Männergenossenschaften, die Begharden.

Sodann sind zu nennen die Tertiarier der Bettelorden, die Brüder und Schwestern des dritten Ordens, auch Brüder und Schwestern von der Buße genannt. Hier war das Charakteristische der Anschluß an die bestehenden Orden. Die Tertiarier erhielten eine Regel, die ihnen Pflichten der Demut, der Entsagung, des Gehorsams, des frommen Wandels auferlegte. Aber sie blieben in der Welt. Ehe und Beruf mußten nicht preisgegeben werden. Eine Form war erstrebt, bei der das völlige Leben mit Gott, der Geist des ursprünglichen Christentums in das Alltägliche, in Familie, Arbeit und Erwerb mitten hinein geführt wurde. Schon ein Schritt weiter war es, wenn den Tertiariern das Verlassen ihres bisherigen Lebens gestattet [179] wurde; sie konnten zur Befolgung der gemeinsamen Regel die gemeinsame Wohnung wählen, wenn sie wollten, und so Regelhäuser gründen, die den wirklichen Klöstern ähnlich waren.

Es ist sofort klar, wie weit auch noch innerhalb dieser Bildungen das Feld war für Möglichkeiten aller Art. Die mannigfaltigsten Abstufungen und Einzelerscheinungen sind denkbar, je nach Persönlichkeit, Zeit, Umgebung und Verhältnissen.

Breitern Einblick in diese ganze Welt und zugleich schärferes Erkennen von Verschiedenheiten gewähren in Basel erst die Zeugnisse des vierzehnten Jahrhunderts. Unsere Periode zeigt nur Weniges und zudem dies Wenige — der Natur der Quellen entsprechend, die ja nur vom äußerlichsten Leben, von Geschäft und Handel reden — nicht in reinen Formen. Wir haben es zum guten Teil mit Abart und Entartung zu tun.

Zunächst die an die Bettelordensklöster Angeschlossenen. Dieser Art waren die „Ordensweiblein genannt Beginen“, die in der Predigerkirche zu kommunizieren pflegten; für solche wird wohl auch der Prior Heinrich seine deutschen Lieder gedichtet haben. Einzelne dem Predigerkloster Zugetane sind die Begine Benigna, die Konversen Gisela von Weißenburg, Gisela von Wallis, Christina von Wattweiler usw. Aber es ist unmöglich zu sagen, ob es sich dabei um Schwestern des dritten Ordens oder um Beginen oder um eine noch freiere Form handle. Dasselbe ist der Fall bei den Minoriten. Auch hier begegnet uns ein weiblicher Anhang des Klosters; sie wohnen in seiner Nähe, am dichtesten beim Eseltörlein, wo 1276 ein Haus von Konversen genannt wird, wo wir eine Gerlin, eine Phisterin, die Frau von Kienberg, die Frau Beatrix von Neuchâtel finden.

Von einer Gemeinschaft, einer Sammlung ist da und dort einmal die Rede. In der sehr großen Zahl von Beginensammlungen und Regelhäusern, die das Basel des vierzehnten Jahrhunderts bevölkern, ist das Schwesternhaus am Rindermarkt in Vitztums Hof (später Schmiedenzunft) das älteste. Es wurde durch die Clarissen mit dem Gelde gekauft, das Konrad Probus, der Bischof von Toul, für Einrichtung solcher Schwesternhäuser gestiftet hatte, und armen Beginen zugewiesen, die dort nach der dritten Regel der Minoriten leben sollten. Aber Gemeinschaften solcher Art bestanden jedenfalls schon damals auch sonst. Die beim Eseltörlein wohnenden Weiber wurden erwähnt; die in einem Haus unter Krämern zusammen wohnenden Koserlinfrauen, die Peierin und die Kremerin in dem unsaubern Gäßlein bei St. Leonhard gehören vielleicht auch hieher.

[180] Die große Mehrzahl aber sind die einzeln Genannten. Von der frühesten Vertreterin dieser Menschenklasse an, jener andächtigen Begine, die sich im Jahre 1282 erhängte, nachdem sie dreißig Jahre lang zu Basel den Habit getragen, begegnen wir zahlreichen Frauen, die dazu gerechnet sein wollen; auch bei ihnen fließen die Bezeichnungen Schwester, Konverse, Begine völlig durcheinander. Sie haben sehr verschiedene Lebensstellungen; sie sind Witwen, oder ausgediente Köchinnen geistlicher Herren, oder Mägde in Bürgershäusern. Auch davon, daß sich ihre Handarbeit zu eigentlichem Gewerbebetrieb erhebt, ist bei Beginen die Rede; in dieser Beziehung mögen sie mit den die Wollweberei treibenden Humiliaten Oberitaliens verglichen werden; es ist namentlich an die Weberinnen und Schreiberinnen unserer Basler Urkunden zu erinnern, die vielleicht Beginen waren. Daß nun aber neben diesen dürftigen Formen nicht wenige Fälle genannt werden, wo die Begine als eigentliche Geschäftsfrau mit Geld und Gut auftritt, darf uns nicht überraschen; denn die Quellen zeigen uns auch hier eher Ausnahmen als die Regel. Ein armes Leben hinterläßt keine Urkunden und vergeht unbezeugt, während die Bela von Liestal, die Agnesa Bruperin, die Hemma von Altkirch, die Gerina Hirnapussin, vor allem aber die vielgenannte Anna Schachternellin, sämtliche Konversen oder Beginen, mit ihren Güterkäufen, mit ihrem Besitz von Häusern in der Stadt und von Weinbergen in Oetlingen, Haltingen, Binzen usw. vom Ideal der seligen Armut allerdings weit ab zu stehen scheinen.

Neben den Beginen schuf jene Zeit auch Begharden, neben den Beginensammlungen auch Männergenossenschaften. Der dritte Orden umschloß auch Brüder. Aber die Quellen sagen wenig von ihnen. Als die Prediger 1302 ein großes Provinzialkapitel zu Basel hielten, waren dabei auch achtzig anwesend, die der Annalist, über ihre Natur offenbar selbst im Unklaren, als Conversi oder als Begharden oder als Mönche ohne Kloster bezeichnet. Die Erwähnung des Schneiders Ludwig, eines Konversen in einem Häuslein bei St. Leonhard, läßt eine kleine stille Existenz vermuten.


Diese ganze Basler Kirchenwelt stand in den engsten Beziehungen zu einer verwandten Welt außerhalb der Stadtmauern.

Doch ist hier nicht von der Universalität der Kirche zu reden, von der Wirkung der einen zentralen Gewalt, die durch Alles hindurch ging bis zum niedersten Organ, nicht von den großen, jeder örtlichen Zugehörigkeit entgegentretenden Ordenszusammenhängen.

[181] Hier beschäftigen uns andere Erscheinungen: die einzelnen Kleriker, das einzelne Kirchengut, die von außen in das Bild der Basler Kirche eintreten.

Vor allem war Basel als Durchgangsstation auch in diesen Dingen bedeutend und schon sehr frühe von hin- und widerwogenden Kräften berührt. St. Gallen hatte ausgedehnten Besitz bei Basel, im Breisgau und im Sisgau, und daß ein häufiger Verkehr dieses Klosters mit Basel die Folge hievon war, versteht sich von selbst. Am Grabe St. Othmars findet eine blinde Frau aus Basel, die dorthin gepilgert ist, die erflehte Heilung; Bischof und Domherren haben ihre Memorientage im St. Galler Totenbuch. Aehnliches ist von Einsiedeln zu sagen. Auch diese Abtei war bei Basel begütert; sie hatte Besitzungen im Breisgau, im Sundgau; ihr großes Gut in Sierenz verdankte sie zum Teil dem Basler Bischof Adelbero. Hin und her gingen die Klosterleute zwischen der einsamen Zelle und der von Leben widerhallenden Rheinstadt; schon das älteste Reliquienverzeichnis des Basler Münsters nennt auch Heiltum von St. Meinrad. Zu den Elsässer Weinbergen der königlichen Abtei Payerne führte die alte Römerstraße über den Hauenstein und durch Basel. Beromünster hatte den Kirchensatz in Auggen und war durch die Habsburger mit Gut zu Schlierbach, Ottmarsheim usw. begabt worden. In Bellingen begütert waren die Propstei Luzern und, gleichfalls von der Ausstattung durch die Habsburger her, die alte Stiftung Muri, unter deren Mönchen ein Notker von Basel lebte.

Dies alles sind Rechtsverhältnisse, aber auch mehr als dies: Lebenszustände, Handlungen, Bewegung. Dieser begegnet von der andern Seite her die große Elsässer Einwirkung, die vielleicht in noch fernere Zeit zurückreicht. Auch sie berührt Basel unmittelbar, auch ihre Bahnen gehen hier durch: die Beziehungen des Hochstifts Straßburg zur Herrschaft Wartenberg und zu Muttenz, zu Schönenwerd, die Beziehungen von Pfirt zu Münchenstein, von Marbach zu Luzern, von St. Ottilien zu Arlesheim.

Wir spüren die Wirkungen ähnlichen Wesens in der spätern uns vornehmlich beschäftigenden Zeit.

Das Hospiz auf dem Großen St. Bernhard, dem Jovisberge, faßte Fuß in Basel. Wie es an den von seiner Höhe nach Süden und nach Norden führenden Straßen Filialhospize zu errichten pflegte, bis in weite Ferne, und hiefür allenthalben Grundstücke erwarb, so besaß es auch in Basel auf dem Leonhardsberge nahe der Kirche ein Haus. Die Nähe der Straße ins Elsaß, aber auch die Verwandtschaft mit dem Leonhardsstifte, das gleich dem Kloster auf dem St. Bernhard regulierten Chorherren gehörte, mögen [182] zur Wahl des Platzes veranlaßt haben. In diesem Hause wohnte und war zu einem Teil dessen Eigentümer der Chorherr Albert vom St. Bernhard, Prokurator seines Stiftes in deutschen Landen. Er war es, der nach Uebersiedelung der Barfüßer in die Stadt 1250 ihre Liegenschaft vor Spalen erwarb, ohne Zweifel zur Einrichtung eines Hospizes, sie dann aber rasch wieder an die Frauen von Tänikon veräußerte, um aus dem Erlös den Erwerb der Kirche Pfirt, auch eines Bernhardshospizes, zu bestreiten. Sein Haus, das den Namen des fernen heimatlichen Berges trug, Mont Jop, kam dann durch Kauf an den Konstanzer Thesaurar Heinrich Kücheli und 1288 als dessen Schenkung an das Leonhardsstift.


Es ist ein reizvolles Geschäft, den Motiven nachzugehen, die zu solchen Ansiedlungen in Basel drängen. Sie sind durchaus nicht in jedem Falle dieselben. Bei den Herren auf St. Bernhardsberg war das Basler Haus nichts als vereinzelte Station ihres in einer großartigen Organisierung von Liebestätigkeit entworfenen Straßensystems. Ganz anders lautet die Rechnung bei den übrigen Klostern. Hier sind es Lebensbedürfnisse sowohl äußerlicher als geistiger Art, die diese Mönche aus ihren Land- und Bergeinsamkeiten in die große Stadt treiben, zum Verkehr mit aller Welt, auf den Markt, in die Nähe ihrer Freunde, in den Bereich des Münsters, das nicht nur die stolze fürstliche Kathedrale, sondern auch die mütterliche Kirche für das ganze Bistum ist. Bei Häusern wie St. Urban, Wettingen, Beinwil mag als besonderer Anreiz dazu treten die Lage Basels an der Schwelle der schönen Wein- und Kornländer. Andre wiederum kommen hier zu Grundbesitz lediglich infolge des Vermächtnisses eines ihnen gewogenen Städters oder weil ein Stadtkind bei ihnen Profeß getan hat.

Wettingen erscheint zuerst 1243 als in Basel begütert. 1262 heißen sein Abt und Konvent „seit alters“ Bürger von Basel.

Das ehrwürdige Beinwil hatte schon frühe Beziehungen zu unserer Stadt. Die Dame Elisabeth, die ihm um die Mitte des zwölften Jahrhunderts ihr Allod zu Seewen schenkte, ist vielleicht die älteste mit Namen bezeugte Baslerin. Aber auch sonst war Beinwil in der Nähe unserer Stadt begütert, 1194 in Reinach, Gundeldingen usw. Wann es sich in Basel selbst festsetzte, ist nicht zu sagen. Aber 1252 redet sein Abt Otto von dem Klosterhof in Basel, bei dem die Weinfuhren aus den Müllheimer Rebbergen des Klosters abgeladen werden müssen. Dieser Hof lag an der dem Jura und dem Kloster zugewendeten Eingangspforte der Stadt, beim Aeschentor (Schwibogen), dem Hause der Klostervögte von Tierstein benachbart.

[183] Aehnliches ist zu berichten von der alten und mächtigen Abtei der Cisterzienser zu Lützel. Wenige Jahrzehnte nach ihrer Gründung schon hat diese ein Haus zu Basel. Zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts ist es eine Mehrzahl von Häusern. Im größten derselben ist eine Kapelle eingerichtet. An der Sattelgasse besitzt das Kloster eine stattliche Scheune und Nebenhäuser. Dieses Eigentum mehrt sich auch später noch, hauptsächlich in den alten Stadtteilen, unter den Bulgen, am Petersberg, am Spalenberg. Aber die Bedeutung Lützels für Basel ruht in dem allgemeinen Ansehen der Abtei. Zahlreiche Beziehungen persönlicher Art bestanden; die Basler Werner Rebmann und Johann Pauler waren Mönche in Lützel; auch jener Konrad mit dem Klosterübernamen Prudencia, der zuerst Mönch und Schreiber, dann zur Zeit König Rudolfs Abt von Lützel war, soll ein Basler Kind gewesen sein; unter den Donatoren des Klosters fanden sich die Geschlechter vom Kornmarkt, von Straßburg, Apotheker, von Arguel, von Bottmingen usw. Wichtig vor allem aber und von dauerndem, in alle Kreise dringendem Einfluß begleitet war das Verhältnis Lützels zu seinen Tochterklöstern; solche waren hier die Bernhardinerinnen vor Spalen, dann die Schwestern von Michelfelden und Blotzheim. Auch die Benediktinerinnen von Michelbach waren in ihren letzten ausgelassenen Zeiten dem Lützler Abt anvertraut. Namentlich aber sind Olsberg und St. Urban, Häuser desselben „grauen Ordens“, zu nennen.

St. Urban erscheint erst 1241 als begütert zu Basel; bezeichnenderweise trägt sein Haus den Namen des dem Kloster benachbarten Schöftland. Es ist an der Freienstraße gelegen, an dem Straßenzug also, der das Kloster mit dem Sundgau verbindet. Vielleicht war diese Niederlassung veranlaßt worden durch die Oeffnung des Gotthardpasses. Auch in Liestal hat St. Urban einen Hof, und in denselben Zusammenhang gehören seine Besitzungen in Läufelfingen, Sissach, Muttenz, Habsheim. Daher auch das Kloster schon frühe im ganzen Froburger Territorium Freiheit von Zöllen und Fährgeldern genoß und einer seiner Brüder Wegebesserer an der Hauensteinstraße war. Daß dann das Kloster sich am untern Ende der Stadt, beim Kreuztor, festsetzte, wo es 1274 ein Haus besaß und dies durch Erwerb von Nachbarliegenschaften zu seiner Basler Hauptniederlassung ausgestaltete, weist wiederum auf die Bedeutung der dem Rhein entlang ins Elsaß führenden Straße.

Wie St. Urban treten auch die Cisterzienserinnen von Olsberg hier erst in der Zeit Heinrichs von Thun auf. Am frühesten mit der Verfügung über ein Mühlwasser, bei dem vielleicht an den Rümelinbach gedacht [184] werden darf. Dann ist es ein bestimmter Komplex von Liegenschaften, der unsre Aufmerksamkeit erregt: das Kloster besitzt das Haus zum neuen Keller am Spalenberg; Beziehungen zum Burgergeschlecht dieses Namens treten daneben; dann erwirbt das Kloster auch angrenzende Keller, sowie das gleichfalls am Spalenberg gelegene Haus zur Platte. Andre Olsberger Häuser liegen unter Krämern, in der Sattelgasse. Diesen Besitzungen entspricht die Gesellschaft, die den Olsberger Frauen zugetan ist: es sind Burgerfamilen, die Roth, Fuchs, Merschant, Iselin u. A. Die von Müsbach machen Vergabungen und Einer aus ihnen dient den Nonnen als Convers und Schaffner. Denselben Kreisen gehören die Baslerinnen im Kloster an, die Greda Bulin, die Margaretha Bottminger; dem Eintritt solcher Frauen verdankt Olsberg Häuser an der Gerbergasse, an der Freienstraße, in der Vorstadt zu Kreuz. Doch ist alles dies nur Besitz, nicht Niederlassung. Den Olsbergerhof finden wir in der Ulrichsgasse (Rittergasse), wo das Haus noch heute diesen Namen trägt; er war ursprünglich Eigen von St. Alban; die Olsberger Frauen reden von ihm schon 1267 als von ihrem Hause.

Dies waren die Klöster, die in Basel einen „Hof“ hatten d. h. feste und anerkannte Niederlassungen, zu Zeiten Wohnung von Abt oder Aebtissin, Sitz eines Schaffners, Fruchtspeicher und Keller, Absteigequartier für den Orden.

Auch der andern mit Basel verkehrenden Klöster wird gedacht. Vorab des Priorats Istein, dessen Mißwirtschaft hier fast beständig zu reden gab. Die Nonnen daselbst und die zu ihrer geistlichen Pflege bestellten Mönche hatten Wohnung in getrennten Häusern; aber es fand sich, daß sie zusammen saßen und gemeinsam die Mahlzeiten hielten. Im Jahre darauf hatten sich die Mönche davon gemacht, und der einzige von ihnen, der neben dem Prior zurückgeblieben, war taub und blind, sodaß der Gottesdienst nicht versehen werden konnte. Die Schwestern gaben Anstoß durch unzüchtiges Leben. Endlich verübte der Prior Guido selbst, 1289, das Aergste, indem er eines Nachts die vollen Fässer im Klosterkeller einschlug und dann das Haus anzündete; das ganze Gebäude brannte zusammen, und ein Priester sowie ein „clientulus“ kamen im Feuer um. Der Uebeltäter entwich noch in derselben Nacht „und kehrte nicht mehr zurück“, wie die Visitatoren zu betonen für gut fanden.

Außer Istein kommen noch einige Elsässer Klöster hier in Betracht. Basels Antlitz war dieser Seite zugewendet. Selbst das alte Jurakloster Schöntal tritt in der Basler Welt nur ganz vereinzelt auf. Aber Oelenberg, [185] das colmarische Unterlinden, Alspach bei Kaiserberg, die Herren von Marbach verkehren häufig, haben hier Häuser und Garten. Die großen Vergabungen des Baslers Johann Apotheker an Unterlinden füllen zahlreiche Urkunden.

Halten wir die Anschauung fest, daß das Verhältnis sich im Anwesendsein und Begütertsein keineswegs erschöpfte. Lebendiger als Geld und Gut und dabei stets wechselnd, in jeder Seele auf neue Art tätig, war die persönliche Zuneigung, die Hingabe. Wie der Städter ein Gefühl für das große Kirchenganze hatte, so blieb sein Interesse für die einzelne kirchliche Erscheinung nicht bei den Mauern stehen. Es gehörte auch auswärtigen Gotteshäusern, den genannten allen und außer ihnen noch manchen, von jeder Art, bis hinab zu kleinen Feldkirchen und Bethäusern wie St. Brictius, St. Pantaleon, St. Romey.


Das Vielgestaltige und Bewegliche kann überhaupt hier als Charakteristisches gelten. Welche Menge von Abstufungen in diesem auf engem Raum zusammengedrängten Kirchenwesen, vom fürstlichen Bischof bis hinunter zum Schwarm der Scholaren, der Kleriker ohne höhere Weihen und ohne Kirchendienst, der Hauspfaffen und Hauslehrer reicher Familien! Und jede Form hat ihre Eigenart, sodaß allenthalben Verschiedenheiten bestehen und Gegensätze, welche die Wellen oft hoch gehen lassen. Es genügt, an die Konflikte von Weltklerus und Kloster zu erinnern. Aber auch Orden steht gegen Orden, und in den Zänkereien von Salem und Unterlinden um den Nachlaß des Johann Apotheker, von Wettingen und Beinwil um den Nachlaß des Peter Senftelin offenbaren sich solche Antagonieen.

Das Ganze ein weites Gewühl, in dem nur wenige große Gestalten vor uns auftreten, alles Andre bei Seite schiebend. Von diesen die Mächtigsten zwei Bettelmönche, „der lantbredier bruder Bertholt der barfuße und der große phaffe bischof Albreht“, Berthold von Regensburg und Albertus Magnus. Sie wirkten hier beinahe gleichzeitig. Kurz nachdem die Barfüßer sich zu Basel innerhalb der Stadtmauern niedergelassen hatten, erschien am Oberrhein Bruder Berthold, „der große Prediger, der wie vom Geiste des Elias erfüllt mit brennenden Worten die verdunkelten Herzen der Sünder durchdrang und Unzählige aus der Verirrung zu einem gebesserten Leben führte.“ Vielleicht war er einer der Ersten, die in der neuen Kirche der Barfüßer predigten. Gleich ihm den eigenen Orden aufs Bestimmteste vertretend und gerade deswegen von ihm verschieden war sein Zeitgenosse, der Dominikaner Albert der Große. Er wirkte nicht wie Jener mit momentaner [186] Gewalt und auf Massen; als Denker, als Gelehrter diente er in unvergleichlicher Weise der Theologie, schuf er eine neue Naturwissenschaft; der Ruhm, den er hiebei gewann, lebte im nicht großen Kreise Derer, die ihn verstanden, aber auf Jahrhunderte. In Basel hat er sich nachweislich zweimal aufgehalten, 1263 und 1269; am 9. September des letztern Jahres weihte er den Chor der Predigerkirche.

Andre über die Menge ragende Figuren sind die Vertreter der päpstlichen Weltherrschaft, die Legaten: der Kardinalpriester von St. Sabina, Hugo, der im Frühjahr 1251, wenige Monate nach Friedrichs Tod, als Gesandter des frohlockenden Papstes und als Träger von Befehlen, die auf Vernichtung des staufischen Königtums gingen, von Lyon nach Deutschland zog und hiebei auch Basel berührte; dann nach drei Jahrzehnten der Kardinalbischof Johann von Tusculum, von Papst Honorius nach Deutschland gesandt, um wegen der Romfahrt König Rudolfs zu verhandeln und wohl auch um einen neuen Kreuzzugszehnten auszuschreiben; im September 1286 hielt er sich in Basel auf, erteilte dem neugewählten Bischof Peter die Konsekration, bestätigte dem Stift St. Leonhard den Besitz der Kirche Stetten. Aber sein Verhalten machte den übelsten Eindruck; in maßloser Weise forderte er Leistungen aller Art, und zornig berichtet von ihm der Chronist, daß er mit seiner Simonie das ganze Reich betrogen und vergiftet und sich so auch in Basel einen großen Schatz gesammelt habe.

Durch die Menge der Erscheinungen hindurch spüren wir ein beständiges Fluten. Das stete Bewegtsein dieses Lebens wird in der frühern Zeit nicht so sichtbar; jetzt erkennen wir auch das Einzelne. Das rege Getriebe der Verwaltung, der Aufsicht, des Verkehrs liegt offen vor uns. Den Eintritten in die Klöster antworten Austritte, in die Welt zurück. Es zeigen sich Ueberläufer von einem Orden zum andern. Der Pleban von St. Martin beugt sich unter eine Regel und wird Chorherr zu St. Leonhard. Auch das häufige Wandern ganzer Niederlassungen ist zu beachten. Die Bernhardinerinnen kommen von Tänikon nach Basel, dann nach Michelfelden, dann nach Blotzheim; die Clarissen ziehen von Großbasel nach Kleinbasel, die Klingentaler Frauen aus dem Wehratale in die Stadt. Die größte Beweglichkeit waltete jedenfalls bei den Mendikanten. Schon das tägliche Leben des Bruders war hier kein ruhiges Verweilen im Kloster, sondern ein Reisen. Denken wir an alle die Herbergen der Minoriten, der Prediger, der Augustiner rings um Basel, so wird uns eine Vorstellung von dem beständigen Umherwandern dieser Mönche im oberrheinischen Gebiet. Aber es bestand überhaupt keine Zugehörigkeit des Einzelnen zu [187] seinem Konvent. Er wird von Ort zu Ort versetzt. Daneben werden die Kapitel besucht, auswärtige Brüder rasten hier, die Inspektoren kommen und gehen.

Das Spiel dieser Bewegung ist um so lebendiger auf dem Hintergrund einer großen, ruhigen, zusammenfassenden Macht. Die einheitliche Kraft, von der Alles durchdrungen und sich gleich gemacht und aneinander gebunden erscheint, äußert sich in Unzähligem. Wie sie in der Parochie und in der Diözese wirksam ist, so wiederum in der Provinz und im Orden. Wenn sich Lützel und Olsberg, Salem und Wettingen immer wieder zusammenfinden, wenn die Mönche von St. Leonhard ihren Verkehr haben mit dem Großen St. Bernhard, mit Interlaken und dem Zürichberg, wenn der Abt von Cluny in der St. Albanvorstadt Ordnungen gibt, wenn beim Vertrag der Prediger mit den Petersherren sich der Provinzialprior von Deutschland, der Prior von Freiburg, die Lektoren von Freiburg und Bern einfinden, so gibt alles dies die Anschauung von festen Linien, die das Gewühl regeln, von unerschütterlichen Zusammenhängen. Denselben Eindruck gewährt das Ganze der Kirche. Daß Papst Nikolaus durch besondere Bulle die Schenkung bestätigt, die der Bürger Johann Teufel dem Leonhardsstifte gemacht hat, daß Clemens IV. dem Kloster Klingental den Besitz der Kirche Wehr bekräftigt, kann nicht als kleinlich erscheinen; wenn wir das Gefüge des Organismus überdenken, so liegt in solchen Verfügungen eine majestätische Größe. Und wie weit spannt sich der Horizont über jener kleinen Urkunde des Bischofs Peter vom 28. April 1290; es ist ein Rundschreiben, das in jeder, auch der entlegensten Kirche des Bistums die Gläubigen zusammenruft wegen einer Angelegenheit des von den Ungläubigen bedrängten Heiliggeistspitals von Accon. In den zu Basel stattfindenden Kreuzzugspredigten der Dominikaner, - 1245 des Ordensgenerals Johann von Bologna, wobei ein Wunder sich ereignete, in den 1260er und 1270er Jahren des Priors und der Brüder Achilles und Eberhard vom Basler Konvent — wie im Reisen und Sammeln der Kollektoren für den Kreuzzugszehnten lebte, bei aller Opposition Einzelner und ganzer Kreise, dieselbe Größe. Auch die Weihbischöfe mit den fremdländischen Namen — Albert von Marienwerder und Dietrich von Wierland, Incelerius von Budua, Ywan von Lacedaemon — zeigen, daß die Erde überall des Herrn ist. Und ihr Mittelpunkt ist Rom. Wer dorthin, zu den Schwellen der Apostel, zu pilgern sich anschickt, macht sein Testament, der Gefahren der Reise wegen und im Gefühl, vor seinem größten Erlebnis zu stehen.

[188] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Sechstes Kapitel.
Kleinbasel.




Kleinbasel ist in verfassungsgeschichtlicher Beziehung das Widerspiel zu Großbasel. An den Ufern des Rheins sind einander gegenüber zwei Städte gelagert, die gleichen Namen tragen und unter derselben Herrschaft stehen, aber verschiedene Typen der mittelalterlichen Stadt repräsentieren: die Römerstadt und die Gründungsstadt.

Kleinbasel erwuchs aus einer Mehrzahl disparater Elemente: Fronhof, Kirche, Dorf, Neugründung; sein Recht bildete sich aus Grundherrschaft und Hoheitsrechten. Aber die Anfänge sind nicht mehr zu erkennen.

Von der natürlichen, alten Beschaffenheit dieses Bezirkes ist schon gesprochen worden. An der Schwelle unserer historischen Zeit sodann begegnet als Inhaber von Grundherrschaft und Hoheit der Bischof von Basel. Wir wissen nicht, wann und wie er zu diesen Rechten gekommen ist. Aber es darf vermutet werden, daß hier so gut wie anderwärts dies Gebiet wilden Waldes durch den König geschenkt worden sei. Auch an die übrigen rechtsrheinischen Besitzungen des Hochstifts hat man sich zu erinnern, an den Wildbann im Mooswald und an die Silbergruben im Breisgau, an die Kirchen Lörrach. Hauingen, Kandern. Ungewiß ist auch, ob die Kirche vom Bischof erworben oder durch ihn als Grundherrn erst erbaut wurde. Sie bildete dann das Centrum der ganzen Herrschaft, zusammen mit dem zwischen ihr und dem Rhein gelegenen Herrenhof des Bischofs und dem Dorfe Niederbasel. Stromaufwärts schloß sich Oberbasel an, eine offene und schwach besetzte Siedelung, die an Bedeutung dem Dorfe nachstand; aber sie war vielleicht Erbin einer römischen Anlage und ist durch frühe Erwähnungen ausgezeichnet. Güter daselbst wurden geschenkt an Einsiedeln durch Bilidruth, Mutter des Reginbold von Rappoltstein, an St. Blasien 1113 durch Walcho von Waldeck. Jedenfalls handelt es sich dabei um einen schon früh bewirtschafteten Punkt, während das Gebiet unterhalb Niederbasels noch lange Zeit durch Wald und Wasser beherrscht [189] war und nur wenige Spuren menschlicher Tätigkeit trug: Wege, die von der Ueberfahrtstelle ins Land führten, vielleicht Gewerbe an einem Wasserlauf.

All dies Gebiet lag im Breisgau, dessen alte Grenze hier der Rhein war. Aber es ist anzunehmen, daß die hoheitlichen, landesherrlichen Rechte, die der Bischof später in diesem Gebiet übte, ihm schon frühe, neben der Grundherrschaft, zugefallen seien.

Das erste Ereignis, das eine große Aenderung in diese Zustände brachte, war die Vergabung an St. Alban. Zu der Ausstattung, mit der Bischof Burchard dieses Kloster, seine unmittelbar aus der Not und Erschütterung einer schweren Zeit heraus geschaffene Gründung, begabte, gehörte auch die Kirche in Niederbasel mit Zubehör.

Von dieser Schenkung des ausgehenden elften Jahrhunderts an finden wir nun hier eine Mehrheit von Rechtsordnungen und Lebenskreisen nebeneinander bestehen. Der Umfang des von St. Alban Erworbenen ist nicht sogleich mit Sicherheit zu erkennen; es scheinen im Laufe der Jahrzehnte Erweiterungen stattgefunden zu haben. Jedenfalls aber war das Verhältnis von demjenigen, das in der Nähe des Klosters selbst bestand, völlig verschieden. Hier empfing das Kloster eine Gerichtsbarkeit, die das weltliche Gericht ausschloß; auf dem rechten Ufer des Rheins dagegen nur eine Kirche und Großgrundbesitz. Als Schutzvogt für diesen letztern, wie für die übrigen Besitzungen St. Albans im Breisgau, wurde der Herr des nahen Röteln, Dietrich, bestellt.

Der Grundstock dieser klösterlichen Grundherrschaft befand sich bei der Kirche; auch der hier stehende Frohnhof des Bischofs stand jetzt auf Klosterboden. Wie weit sich von hier aus dieser Klosterboden erstreckte, wissen wir nicht; aber in späterer Zeit begegnet Eigen von St. Alban an zahlreichen Stellen des Gebiets, bis über die untersten Teicharme hinaus. Was die Mönche drüben bei ihrem Kloster vollbrachten, in Rodung von Wald, Urbarmachung des Bodens, Regulierung der Wasserläufe, Anlegung von Mühlen und Sägen, wiederholte sich hier.

Für das zwölfte Jahrhundert bleibt die Geschichte dieses Gebietes beinahe ohne Bezeugung. Die ihm geltenden Sätze in den Besitzbestätigungsurkunden von St. Alban, dann einige Angaben über Zusammenkünfte und Rechtshandlungen von Breisgauer Herren, die hier stattfanden, sind das Einzige, was wir vernehmen.

Erst das dreizehnte Jahrhundert brachte dann die große Tat des Rheinbrückenbaus und damit dasjenige Ereignis, das für Kleinbasel schöpferisch gewesen ist. Unmittelbare Folge dieses Baus war die Gründung einer [190] Stadt in der Grundherrschaft. Man wird nicht irren, wenn man den Willen dieser Stadtgründung vor allem beim Bischof sucht. Aber natürlich entsprach sie auch den Interessen der Mönche von St. Alban. Und jedenfalls verdient Beachtung, daß der Gründer und Stadtherr nicht auch zugleich Grundherr war, sondern die Gründung auf dem Besitz eines Andern vollzog.

Die neue Stadt entstand im Anschluß an die Brücke, sollte von dieser und ihrem Verkehre leben. Bei der Anlage konnte daher auf den gegebenen Komplex von Kirche und Dorf keine Rücksicht genommen werden, sondern nur auf den Ort der Brückenausmündung; die Stadt hatte zugleich die Funktion eines Brückenkopfes zu erfüllen. Für die Aussteckung des Stadtumfangs maßgebend waren wohl die in den Rhein sich ergießenden Teiche.

Ein Blick auf den Plan des alten Kleinbasel zeigt, wie einheitlich und bedacht die Stadt angelegt wurde. Die Rheinbrücke und eine große Querstraße gaben die Hauptlinien und Richtungen, denen sich die Nebenstraßen anschlossen. Die große Landstraße, die dem Rheine folgte, lag wohl tiefer im Lande; aber die Stadt brachte sie nun durch die große Querstraße in Verbindung mit der Brücke und fesselte sie und ihren Verkehr an diese Stelle. Die Form war ein breitgezogenes Viereck.

Dem Gedanken, der die Anlage beherrschte, entsprach auch die Befestigung, indem die dem Rhein parallel laufende Landseite geschlossen war, aber landauf und landab, an den beiden Enden der großen Querstraße, welche die Landstraße aufnahm, Tore errichtet wurden. Die Befestigung der obern Schmalseite trennte die Stadt vom alten Dorf Niederbasel. Dorf, Fronhof und Kirche blieben außerhalb der Mauern.

Das Bemerkenswerte am Plan dieser Stadt ist das Fehlen eines eigentlichen Marktplatzes. Sie enthält nur Straßen.

Zu beachten sodann ist die verschiedene Größe der einzelnen Liegenschaften; in der untern Stadt, bei den Teichen, finden sich durchwegs kleinere Parzellen, während die obere Stadt große, zum Teil von Straße zu Straße durchgehende Hofstätten aufweist. Ohne Zweifel liegt hierin eine Wirkung von Vorgängen beim Entstehen der Stadt. Wir dürfen uns diese Vorgänge so denken, daß in dem aus dem offenen Land ausgesonderten Gebiete Jeder sich Grund und Boden erwerben konnte, in einem durch sein Belieben bestimmten Ausmaß, entweder Eigen oder nur zu Leihe. Und auch darauf ist hinzuweisen, daß nicht allein Hofstätten im eigentlichen Stadtgebiet zugewiesen wurden, sondern auch Parzellen von Ackerland und Wiesland außerhalb dieses Stadtgebietes.

[191] Es war eine Gründung, bei der es hauptsächlich auf Kaufleute und Gewerbetreibende abgesehen war. Neben die Bauern draußen im Dorfe traten nun hier die Städter. Ihre Siedelung sollte der alten Ansiedelung jenseits der Brücke antworten, Kräfte, Mittel und Verkehr der nahen rechtsrheinischen Lande an diesen Punkt ziehen. Etwas Bedeutendes und Großes entwickelte sich aber hierbei nicht und konnte sich nicht entwickeln; die dominierende und absorbierende Kraft der ältern Stadt war zu stark.

Einzelne Namen späterer Kleinbasler Geschlechter, - von Laufenburg, von Säckingen, von Kaiserstuhl, von Hiltalingen, von Brombach, von Wyhlen usw, - deuten auf die Herkunft solcher Ansiedler; einen andern Fingerzeig gibt, daß einer der frühest genannten Kleinbasler Wucherer heißt. Weiterhin kommen in Betracht die Handwerkernamen, unter ihnen vor allem die der Wassergewerbe.

Bestimmtere Nachrichten aber fehlen noch immer. Wie über die Gründung selbst, so über die ersten Zeiten. Nur Vermutungen und Rückschlüsse sind möglich. Aber die zeitliche Einordnung ist klar. Den einen Punkt gibt 1225 als das Jahr der Vollendung der Rheinbrücke, den andern 1241 als das Jahr, in dem zum ersten Mal von einer ulterior Basilea, einem jenseitigen Basel die Rede ist, nachdem bisher immer nur von dem Dorf Niederbasel und von Oberbasel gesprochen worden. In den anderthalb Jahrzehnten, die dazwischen liegen, muß sich die Stadt gebildet haben. 1255 sodann ist die Reife erreicht; die Stadt hat eine eigene Kirche nötig und erhält als solche die Niklauskapelle, und zur gleichen Zeit zeigt sich auch das profane Gemeindeleben in festeren Formen. Man kann sagen, daß um diese Zeit das neue Kleinbasel in die Geschichte eintrete.


Der Zustand dieser Stadt in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ist nunmehr zu schildern.

Vorerst das sie umgebende Gelände. Hier offenbart sich in mannigfachen Benennungen der Wandel der Bewirtschaftung, der sich vollzogen hat und zum Teil noch andauert. Die Rütinen, die Neusätze sind solche Namen, die von der Aufhellung des alten Waldgebietes reden; „neue Matten“ werden genannt und ein neuer Bifang, der zu Matten gemacht ist, u. dgl. m.

Andre Flurnamen, wie Gylienberg und im Baumgarten, zeigen die Art der Gewächse; das „Gemürre“ findet sich in Oberbasel, wo Trümmer alter Mauern, wohl aus der Römerzeit her, im Boden stecken; die Namen inme Itger, hinder dem Horemberge, am Schoren klingen noch heute wieder in Itelpfad, Horburg und Schoren.

[192] Wichtiger ist, daß wir uns ein Bild dieser Flur im Gesamten verschaffen. Es hat sich vor allem auf die Tatsache zu gründen, daß ein zahlreicher Einzelbesitz durch das ganze Gebiet nachzuweisen ist. Herren und Burger von Großbasel, auch Entferntere wie z. B. das Kloster Lützel, sodann Viele vom Orte selbst begegnen als Eigentümer. Die Parzellen, von denen hiebei die Rede ist, sind Matten, Aecker, und in großer Zahl Rebgelände. Gärten werden gezeigt vornehmlich in den besonnten Lagen vor dem Bläsitor. Neben diesen Parzellen privaten Eigens bestand eine Allmend. Sie wird freilich nur einmal erwähnt, zum Jahre 1259. Und es ist aus keiner Angabe zu erkennen, wie ihre Nutzung geregelt war, ob die alte Dorfgemeinde und die neue Stadtgemeinde sie gemeinsam nutzten oder ob eine Ausscheidung stattgefunden hatte.

In dieser Fläche nun erhob sich die Stadt, als solche gekennzeichnet durch ihre Befestigung. Wir haben allerdings nicht sogleich das Vorhandensein eines völligen Mauerringes anzunehmen; noch 1255 ist nur von Gräben die Rede. Aber die Verbesserung dieses Zustandes war eine der hauptsächlichen Aufgaben und Funktionen der jungen Gemeinde. Während der Krieg Rudolfs von Habsburg durch das Land tobte, „bauten und festigten“ die Bürger ihre Stadt auf eigene Kosten, mit „viel Arbeit an Leib und Gut“, also mit Fronen und Geldbeiträgen, sodaß ihnen der Stadtherr in Anerkennung dieser Leistungen 1274 eine Ermäßigung seiner Steuer gewährte.

Schon 1270 werden die Mauern Kleinbasels erwähnt. Die stärksten Punkte in der Ummauerung waren die über den beiden Eingängen errichteten Tore: das „obere Tor“, „Tor gegen Riehen“, das zuerst 1265 genannt ist, und das „Tor gegen Istein“, das „niedere Tor“, das zuerst 1256 vorkommt.

Im Großen und Ganzen hat Kleinbasel vom dreizehnten bis ins neunzehnte Jahrhundert dieselbe Ummauerung beibehalten. Mauergürtel aus verschiedenen Zeiten, wie in Großbasel, finden sich hier nicht; es haben sich keine Vorstädte gebildet. Eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den ersten Jahrzehnten und der Folgezeit zeigt nur die stromaufwärts gerichtete Schmalseite. Noch 1277 lag St. Theodor außerhalb der Stadtmauern. Das alte Dorf war in den Mauerring noch nicht einbezogen. Vielmehr ging die früheste Mauer der Stadt an dieser Stelle in der Richtung der heutigen Riehentorstraße zum Rheine, vielleicht gedeckt durch den Teich, der hier noch in seiner ursprünglichen Richtung lief und erst später die Ableitung nach Norden erhielt. Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, wann [193] diese Mauer hinausgeschoben, St. Theodor mit Niederbasel in das Stadtgebiet ausgenommen wurde; in Verbindung damit scheint dann auch das Riehentor, das bis dahin wohl am Eingang der Rebgasse stand, die Stelle erhalten zu haben, die es seitdem einnahm. Aber diese Aenderung hat offenbar schon frühe stattgefunden. Im vierzehnten Jahrhundert wird die Kirche als in Kleinbasel liegend bezeichnet, und ein Hinweis kann vielleicht auch darin erkannt werden, daß schon in den 1290er Jahren die Lokalitäten am Rheinufer oberhalb St. Theodors zum Stadtbanne gerechnet werden.

Auf die Gestaltung der Mauern wirkten sodann die in ihrer Nähe entstehenden Ansiedelungen der Klöster.

Zunächst diejenige Klingentals. Ehe dieses nach Kleinbasel kam zog sich die gezinnte Burgmauer vom Isteinertor (Bläsitor) auf dem rechten Ufer des Teiches zum Rheine. Als sich nun die Klosterfrauen hier festsetzten und Liegenschaften sowohl innerhalb als außerhalb der Burgmauer erwarben, Dormenter und Kirche bauten, entstand das Bedürfnis diese beiden Klostergebiete miteinander zu verbinden, sie ringsum abzuschließen und namentlich die Stadt selbst wieder hinreichend zu befestigen. Eine Vereinbarung des Bischofs und der Stadtgemeinde mit dem Kloster 1278 brachte diese Angelegenheit in Ordnung.

Aehnliches geschah bei St. Clara. Auch hier handelte es sich um Klosterterrain zu beiden Seiten der Stadtmauer. Nur daß hier das äußere Gut kein geschlossener Bifang war wie das klingentalische, sondern offener Besitz mit Matten, Weiher usw. Auch einen Kanal aus dem Teiche hatten die Frauen durch die Stadtmauer herein in ihren Garten gezogen, in die Mauer mehrere Türen und Türlein gebrochen, Lauben und sonstige Ausbauten über dem Stadtgraben angebracht. Den Rondenweg, von dem auch beim Klingental die Rede ist. beanspruchten die Bürger in gleicher Weise hier; er führte zwischen Chor und Ringmauer durch. Die Klosterfrauen sperrten ihn durch eine Mauer, die Bürger brachen diese Mauer gewaltsam nieder. So war Anlaß zum Streit die Menge. 1287 kam eine Einigung zu Stande; sie wurde ergänzt durch weitere Abreden in den Jahren 1298 und 1311.

Unter den äußeren Zuständen der Stadt die bemerkenswertesten sind aber die Teiche, welchen Namen hier so gut wie in der großen Stadt die Gewerbskanäle seit Anbeginn tragen.

Während bei den Mühlen zu St. Alban die Geschicke sich im Innern der Klosterherrschaft unbezeugt abspielen, finden die Kleinbasler Wassergewerbe häufige Erwähnung. Der Grund wird sein, daß nicht wie dort [194] ein einziger Herr, sondern eine Mehrzahl von Berechtigten und Rechtsamen vorhanden war. Aus dem starken Auftreten dieser Gewerbe in den Urkunden gewinnt man unmittelbar einen Eindruck von ihrer Wichtigkeit für das Leben der Stadt; diese Zeugnisse zu vernehmen ist überdies von eigenem Reiz, wenn wir uns klar machen, daß bei allem Wechsel der einzelnen Form doch Art und Kraft des Betriebes im Wesentlichen dieselbe ist heute wie vor siebenhundert Jahren, daß an denselben Stellen und von dem im selben Kanal strömenden Wasser geregt die Räder gehen heute wie in den Tagen König Rudolfs.

Jedenfalls ist diese ganze Wasserwelt älter als die Stadt, und auch die Anwendung ihrer Kraft wird in die Zeiten vor der Gründung zurückreichen. Die Flößerei sowohl, von der gelegentlich die Rede ist, als auch der Betrieb von Sägen, Mühlen, Schleifen usw. Denn es verdient Beachtung, daß die ältesten Gewerbe dieser Art (Holzmühle, Mühle zu Allen Winden, Schleife, Brotmeisters Mühle) vor der Stadt im freien Lande liegen, die städtischen Gewerbe dagegen erst später auftreten.

Der Teich zu Allenwinden darf als der älteste Teich gelten; daß er ursprünglich in gerader Richtung, der frühesten Stadt vorbei, zum Rheine lief, ist als möglich schon erwähnt worden. Eine Ableitung von diesem ersten Teiche, oberhalb der Mühle zu Allenwinden, geschah durch Heinrich den Brotmeister. Er zog einen zwölf Fuß breiten Kanal durch die Wiesen nach dem untern Ende der Stadt; das war Brotmeisters Teich, später der krumme Teich genannt. Seine Bestimmung war zunächst die vor der Stadtmauer gelegene Mühle des Brotmeisters, die man die Schöne Mühle hieß; an seinem untern Laufe innerhalb der Stadt entstanden noch andere Mühlen, die wir gleichfalls in Heinrichs des Brotmeisters Besitz finden.

Die Rolle, welche dieser Mann unleugbar in der Geschichte des Kleinbasler Teiches spielt, wird nicht allein als Wirkung seiner Persönlichkeit zu nehmen, sondern auch mit seinem Amte in Verbindung zu bringen sein. Wie die Bäcker unterstanden die Müller seiner Jurisdiktion; von den Bäckern in Kleinbasel spricht das Brotmeisterweistum von 1256. Und so erklärt sich, daß in den lebensvollen Zeiten, die der Gründung folgten, ein energischer Inhaber dieses Amtes Anlaß genug fand, sich und seine Macht zur Geltung zu bringen. Wir sehen Heinrich den Brotmeister einen neuen Kanal anlegen, wir finden ihn als Besitzer mehrerer Mühlgewerbe; auch eine Gruppe von Ofenhäusern gehört ihm in derselben Gegend der Stadt. Vor der Ringmauer errichtete er an dem neuen Teich die Schöne Mühle, [195] neben ihr stand sein stattliches Steinhaus; der Teich ging weiter durch die untere Stadt dem Rheine zu.

Früh finden wir hier eine Teilung dieses Teiches; sie geschah außerhalb der Stadtmauer bei Brotmeisters Haus. 1268 ist von den zwei Teicharmen im Innern der Stadt bestimmt die Rede; aber schon 1262 scheint es sich um diese durch den Brotmeister veranstaltete Ableitung zu handeln.

Eine weitere Entwicklung brachte sodann das Kloster St. Clara. Die Nonnen wünschten sogleich nach ihrer Ansiedelung Teichwasser und Mühle zur Verfügung zu haben. Sie erwarben von Heinrichs des Brotmeisters Sohn Ulrich die Schöne Mühle samt dem Wasserrecht 1280; das Wasser leiteten sie in einem eigenen Kanal durch die Stadtmauer auf ihr Territorium und nahmen mit dem Wasser auch die Mühle selbst in die Stadt herein. Am Teichgäßlein finden wir seitdem die Schöne Mühle; der Wasserlauf, der sie trieb, ging durch den Klostergarten der Clarissen, dann durch die Stadt, bis er sich kurz vor der Ausmündung in den Rhein mit dem „erren“ (frühern) Teich wieder verband; er selbst hieß der „minre Tich“.

In solcher Weise gestaltete sich das Netz der Kanäle schon im dreizehnten Jahrhundert, wie es noch heute vor uns liegt. Aus den zahlreichen Gewerben, die an diesen Wassern begegnen, sind neben der Schönen Mühle namhaft zu machen die Mühle des von Öschgen, die Mühle Brotmeisters an der Ochsengasse und die zur Katharinenkapelle in Bischof Bertholds Hof auf Burg gehörende Höll- und Drachenmühle, ferner am untern Lauf in der Nähe des Rheines der Komplex von drei Mühlen und einer Säge, der sich 1270 im Besitze des überall mächtigen Heinrich Brotmeister befand, sowie die Ziegelmühle; der Name der letztern ist aus der Bauart zu erklären, die sie vor ihrer hölzernen Nachbarschaft auszeichnete.


Weltlicher Herr der Stadt war der Basler Bischof, Grundherr der Prior von St. Alban.

Indessen dürfen wir uns diese Grundherrschaft nicht als eine ausschließliche vorstellen. So zahlreich auch allenthalben in der Stadt und draußen im Felde Eigentum des Klosters begegnet, ist es doch nicht das einzige. Vor allem erscheint als Grundeigentümer auch der Bischof selbst und das Domstift. Diese haben ihr Eigen jedenfalls nicht erst nach der Gründung der Stadt erworben, sondern besitzen es schon von früher her. Andere Grundeigentümer neben St. Alban, die wiederholt genannt werden, mögen zum größeren Teil ihr Eigen erst bei der Gründung sich verschafft [196] haben; aber bei Einzelnen ist auch ein Besitz aus der alten, noch nicht städtischen Zeit denkbar.

Mit diesen Vorbehalten hat St. Alban als Grundherr in Kleinbasel zu gelten; das Recht war erheblich genug, und eine bemerkenswerte Einzelheit ist jedenfalls, daß der Hof des Stadtherrn selbst, der bischöfliche Hof, auf Grund und Boden von St. Alban gelegen war. Der Bischof hatte dafür dem Kloster jährlich von Eigenschaft wegen zu zinsen. 1284 wird dieser Bischofshof, der zwischen St. Theodor und dem Rheine lag, zum ersten Male erwähnt; 1294 erweiterte ihn Bischof Peter, indem er den anstoßenden Hof des Ritters Mathis Rich um hundert Mark kaufte.

Die hoheitlichen Rechte des Bischofs finden mannigfache Bezeugung: Er hat Recht und Gerichtsbarkeit in Kleinbasel bis zur Mitte des Rheins und der Brücke, unter Vorbehalt des dem Großbasler Schultheißen hier zustehenden „Ufergerichts“.

Er spricht von der Stadt Kleinbasel als seiner Stadt, von seinem Schultheiß, seinem Rat, seinen Bürgern.

Er gewährt allen diesen Bürgern seinen Schutz.

Er nennt sein jus advocaticium, sein Vogteirecht, als Quelle des Anspruchs auf Steuer und Wachdienst.

Er ermuntert gelegentlich zu Ansiedlung und Hausbau durch Befreiung von aller Steuer bis zum Betrage von fünf Schillingen und Befreiung vom Wachdienst.

Er belohnt die Arbeit der Bürger an den Stadtmauern durch Ermäßigung der jährlichen Steuer.

Er gibt den Bürgern einen Schultheiß.

Er hat die Rechte des Bannweins und des Fuhrweins wie in Großbasel.

Sein Beamter der Brotmeister hat Aufsicht und Gerichtsbarkeit über die Bäcker.

In Betreff der Steuergewalt ist noch Einiges zu sagen. Die sogenannte Handfeste wurde den Bürgern Kleinbasels zuerst durch Bischof Heinrich von Neuenburg erteilt, am 25. August 1274, und sodann von jedem seiner Nachfolger erneuert. Ihr Inhalt ist lediglich die Zusage, daß das Gewerf nicht mehr als vierzig Pfund betragen solle; seit Heinrich von Isny kam hiezu noch die Gewährung, als Schultheißen nur einen in Kleinbasel seßhaften Mann zu ernennen. Dieses Gewerf war dem alten Großbasler Gewerf nicht gleich, es heißt gelegentlich auch Steuer und stellt sich dar als eine normale, jährlich wiederkehrende, dem Bischof als dem Stadtherrn zu entrichtende Contribution der Bürgerschaft.

[197] Von dieser Steuer verschieden war der Burgrechtszins, der ebenfalls an den Bischof entrichtet wurde. Er wird nur einmal ausdrücklich erwähnt, zum Jahre 1297: zwei Eimeldinger verleihen ein Haus am Teich in Kleinbasel, das ihr Eigen ist, zu Erbrecht; sie behalten sich aber eine Stube in diesem Hause vor jeweilen für die Zeit, da sie zur „Leistung des Burgrechts“ in die Stadt kommen müssen. An diesen Burgrechtszins ist wohl auch zu denken bei der Abgabe von fünf Schillingen, über die hinaus das Kloster St. Blasien bei seiner Niederlassung 1256 steuerfrei erklärt wird. Und da die Stadt nicht auf bischöflichem Boden, sondern im Territorium des Klosters St. Alban gegründet worden ist, so kann dieser Burgrechtszins, den der Bischof erhält, nicht als ein Zins für Ueberlassung von Grund und Boden gelten. Er hat öffentlich rechtlichen Charakter, er ist eine Abgabe für den Schutz des Stadtherrn und wird entrichtet von zu Burgrecht besessenen Hofstätten. Er ist somit dem Martinszins der größern Stadt entsprechend.

Sodann die Gerichtshoheit des Bischofs. Ueber die hohe Gerichtsbarkeit zunächst schweigen die Quellen. Es handelt sich bei ihnen um eine Zeit, in der die alte Vogtei schon beseitigt und die Vogtei Ministerialen übergeben war. Vielleicht stand diesen auch die Handhabung der Hochgerichtsrechte in Kleinbasel zu. Vielleicht aber ließ es der Bischof in dieser rechtsrheinischen Herrschaft nach dem Untergang der alten Vogtei überhaupt nicht mehr zu einer solchen kommen, sondern nahm die Ausübung dieser Gerichtsbarkeit in seine eigene Hand. Die Tatsache, daß der Schultheiß in Kleinbasel sofort auch über Eigen Richter ist, die gesamte zivilrechtliche Zuständigkeit besitzt, läßt allerdings auf ein Fehlen des Vogts schließen. Von dessen Obliegenheiten würde sich dann der Bischof nur die Kriminalgerichtsbarkeit vorbehalten haben.

Deutlicher tritt uns der Schultheiß entgegen. Er ist sowohl Regierungs- als Gerichtsbeamter des Bischofs und dessen Vertreter in Kleinbasel.

Hier ist vorerst von ihm als Richter zu reden. Als solcher hauptsächlich erscheint er. Anfangs er allein. Nur er stellt die Gerichtsurkunden aus, nur er besiegelt sie. Aber das Vorhandensein einer Gerichtsgemeinde neben ihm, das Urteilen durch diese wird mehrfach bezeugt.

Seit Ende der 1270er Jahre aber zeigt sich an der Seite des Schultheißen ein ständiges Urteilerkollegium: der Rat von Kleinbasel. Er kommt von der Seite der Administration her, seine Tätigkeit als Gemeinderat ist die ursprüngliche; neben dieser amtet er nun auch als Gerichtsorgan. Sowie er als solches hier neben dem Richter auftritt und mit diesem die [198] Urkunden ausstellt, verschwindet dessen persönliches Siegel, und die Beglaubigung geschieht fortan durch das Siegel der Gemeinde.

Diese Mitwirkung des Rates als Gericht läßt sich verfolgen bis ans Ende der uns beschäftigenden Periode. In der Folge, schon mit Beginn des vierzehnten Jahrhunderts, scheidet dann der Rat wieder aus, als Urteilerkollegium funktioniert wohl nur noch ein Ausschuß des Rates; er nimmt auch nicht mehr an der Ausstellung der Urkunden teil, und ihre Besiegelung geschieht wieder durch den Schultheißen allein.

Wie beim Großbasler Stadtgericht ist auch die Tätigkeit des Gerichtes von Kleinbasel sehr ungenügend und einseitig überliefert. Wir besitzen einen einzigen Prozeßentscheid; alles andere sind Gerichtsurkunden über Verkauf, Gabe und Leihung, und auch bei diesen können, wie bei denen des Großbasler Gerichts, die Fälle der solennen Gerichtshandlung von andern unterschieden werden, die lediglich eine beurkundende Tätigkeit des Ratgerichtes zeigen.

Welcher Art aber war die Zuständigkeit?

Der Gerichtssprengel beschränkte sich keineswegs auf das ummauerte Stadtgebiet. Was sonst etwa bei Marktansiedlungen gelten mochte, galt hier nicht. Wir haben es hier nicht mit einer gewöhnlichen Marktansiedlung zu tun; der Markt wird noch in keiner Weise erwähnt; er kam erst 1285 hinzu, als Kleinbasel schon seit Jahrzehnten bestand. Dieses Kleinbasel ist eine Herrschaft, deren Kern und Hauptinhalt allerdings die im Zusammenhang mit dem Brückenbau gegründete Stadt ist; aber ihr Gebiet reicht über die Stadt hinaus, und für dessen rechtliche Natur kommt in Betracht, daß die Exemtion vom Gau nur unvollkommen durchgeführt ist. Wir begegnen einem Mangel an Schärfe der Distinktion, an Bestimmtheit der Ausscheidung, der überrascht.

Zwar darauf ist weniger Gewicht zu legen, daß zunächst das Landrecht noch Geltung behalten hat. Gelegentlich allerdings wird bezeugt, daß am Kleinbasler Gericht nach dem Rechte von (Groß-)Basel verfahren werde; aber 1301 widmen ein Kleinbasler Bürger und seine Frau sich ihr Gut vor dem Schultheißen daselbst nach Breisgauer Landrecht. Und auch an die Verschiedenheit im Erbrechte der Töchter, die zwischen Großbasel und Kleinbasel bestand, ist hiebei zu erinnern; in Kleinbasel waren die Töchter von der väterlichen Erbschaft ausgeschlossen, wenigstens soweit sie aus Liegenschaften bestand.

Wohl aber wird Kleinbasel 1265 bei Anlaß einer gerichtlichen Fertigung ausdrücklich zum districtus Briscaugie, zum Breisgauer Gebiet gerechnet; [199] und auch andre Zeugnisse dieser Zeit sowie spätere Tatsachen weisen darauf hin, daß zwischen der Stadt und ihrem Hinterlande Zusammenhänge bestanden, die über die Gemeinsamkeit von Rechtssätzen hinausgingen und formeller Natur waren.

In solcher Weise erklärt sich nun die Ausdehnung der örtlichen Kompetenz beim Schultheißengericht Kleinbasels. Auch wo nicht nur eine bloße Beurkundung, sondern ein eigentlicher Gerichtsakt stattfindet, kann es sich vor diesem Gericht um Güter irgendwo im Breisgau draußen handeln, wenn eine der Parteien zur Stadt gehört; aber es finden sich auch Fälle, wie der, da ein Großbasler Güter in Tannenkirch an einen Neuenburger verkauft und vor dem Schultheißen in Kleinbasel fertigt.

Auch die sachlichen Kompetenzen sind sehr weite. Der Schultheiß erscheint als zuständig für das ganze Zivilrecht. Nicht nur die Leihe, sondern auch die gerichtliche Auflassung von Grundeigentum geschieht vor ihm. Kauf, Tausch, Verpfändung, Schenkung, Gabe zu Leibgeding, Alles vollzieht sich hier; und daß der Schultheiß auch zuständig war bei Klagen um Eigen, zeigt sein Urteil im Prozeß der Klöster Beinwil und Wettingen über den Senftelin'schen Nachlaß. Der Vollständigkeit wegen sei auch eine gerichtliche Kundschaft über Rechte am Wasser des Teichs 1294 erwähnt.

Der Schultheiß wurde durch den Bischof ernannt. Der Erste, den wir an diesem Amte finden, scheint ein Fremder gewesen zu sein, wohl ein von auswärts in die Stadt Gekommener; er trug den hier ungebräuchlichen Namen Siegfried. Seine Nachfolger wurden aus dem Kleinbasler Rittergeschlechte der Geisriebe genommen: Konrad 1265—1273 und Ulrich 1275, 1276. Nach des Letztern Abgang scheint der Bischof an die Wahl eines Großbaslers gedacht zu haben, des Ritters Niklaus von Titensheim; er sicherte aber der Gemeinde Kleinbasel zu, daß der Gewählte bei ihnen Wohnung nehmen werde. Dies geschah 1277, und eine Zusage solcher Art kehrt von da an in den Handfesten immer wieder. Auf Titensheim folgte Johann Macerel, der ebenfalls Großbasler war. Doch saßen statt dieser beiden Herren meist eingeborne Unterschultheißen dem Gerichte vor: Peter Senftelin, Werner Vogt von Brombach, Konrad Fleisch, Konrad Böller, Heinrich Meier von Hüningen.

Außer Diesen wird im dreizehnten Jahrhundert nur ein Gerichtsbeamter erwähnt, der unter dem Schultheißen stehende Amtmann, minister. [200] Vor Betrachtung der Stadtgemeinde ist hier noch eine Instanz zu erwähnen, die gleich dem Bischof in die Frühzeit des Ortes zurückreicht und neben ihm lange Zeit die einzige Autorität war: das Kloster St. Alban. Sein Prior war Patron der Stadtkirche und zur gleichen Zeit Grundherr. Den Umfang und Wert dieser Grundherrschaft zeigt uns in zusammenfassender Weise kein Zeugnis; der St. Albaner Zinsrotel 1284 gibt nur Vereinzeltes aus dem Bilde. Dessen Ergänzung bilden die gleichfalls nur Vereinzeltes berührenden Urkunden. Aber auch so, welcher Reichtum an Recht und Macht tritt uns entgegen! Durch das ganze Gebiet innerhalb wie außerhalb der Stadtmauern stoßen wir auf Klostergut von St. Alban; es sind Häuser und noch offene Hofstätten, Gärten, Mühlgewerbe in der Stadt, Aecker, Matten, Rebgelände draußen. Das Organ für Handhabung aller dieser Rechtsame war das officium villicationis, das Meieramt von St. Alban. Daß dieser Meier am alten Sitze der Grundherrschaft, im Dorf Niederbasel, eine Gerichtsbarkeit geübt habe, ist möglich. Aber die Urkunden lassen nichts hievon erkennen; sie reden nur von den Zuständen der Stadt. Eine solche Meiergerichtsbarkeit würde ursprünglich im ganzen Gebiete der Grundherrschaft bestanden haben, nach Gründung der Stadt aber durch Stadtrecht und Stadtgericht auf einen kleinen Bezirk beim Dorf zurückgedrängt worden sein. Wie aber mit der Zeit das Dorf in der Stadt aufging, so wird auch der Schultheiß eine solche Hofgerichtsbarkeit des Meiers, sofern sie bestand, in sich aufgenommen haben. Uns zeigt sich der Meier lediglich als Verwaltungsbeamter des Priors; er hat die Aufsicht über die ausgeliehenen Klostergüter, nimmt die Zinsen ein, wirkt bei Veräußerungen mit. Das Letztere geschieht meist in der Weise, daß Gabe und Fertigung direkt durch den Veräußerer „mit des Meiers Hand“ geschieht; nur vereinzelt findet sich der Modus der gewöhnlichen Erbleihe, wobei der Verkäufer sein Erbrecht an den Meier aufgibt und dieser es dem Käufer leiht. Der frühest genannte dieser Klostermeier ist Johann 1265; dann folgen von 1275 bis ans Ende des Jahrhunderts zwei Angehörige des Kleinbasler Bürgergeschlechtes Böller, erst Heinrich, dann Konrad, die Beide auch im Rate der Stadt saßen.


Der Schultheiß war nicht allein Richter, sondern auch erster Beamter des Bischofs für die Verwaltung der Herrschaft Kleinbasel. Zu Beginn jedenfalls er allein. Erst später zeigt sich auch ein Rat.

Das Wichtigste für uns ist aber nicht die Entstehung dieses Rates, sondern das Hervortreten der Gemeinde als einer selbständig [201] handelnden und berechtigten Korporation. Es geschieht dies in den 1250er Jahren; es ist die Zeit, die auch den Zustand Großbasels mächtig förderte.

Die erste Regung der Kleinbasler Gemeinde zeigt sich beim Bau der Niklauskapelle 1255. Denn die Initiative zu diesem Bau ist sicherlich nicht allein vom Kirchherrn ausgegangen, sondern die Bewohner des Städtleins selbst haben ein Gotteshaus an einer ihnen passenden Stelle verlangt, und die prudentes, die Weisen, auf deren Rat der Dompropst handelte, dürfen als ein Ausschuß der Gemeinde gelten. Deutlicher zeigt sich die Gemeinde im folgenden Jahre 1256, wo bei der Ansiedelung des Klosters St. Blasien von den Leistungen die Rede ist, die durch die Bürgerschaft können gefordert werden. Eigene Rechte der Gemeinde stehen hier neben denen des Stadtherrn. Auf solcher Grundlage entwickeln sich nun Leben und Befugnis der Bürgerschaft weiter. Es ist bezeichnend, wie sie 1278 in der Angelegenheit der Klingentaler Stadtmauer zwar neben dem Bischof handelt, doch ihn das Wort führen läßt, 1287 aber gegenüber St. Clara, wiederum bei einer Stadtmauersache, ganz frei vorgeht; die Bürger haben die Wand gebrochen, die durch die Nonnen wider Recht ist errichtet worden, und sie sind es, die sich nun mit ihnen vergleichen, nur nebenbei unter Vorbehalt bischöflicher Rechtsame. An der Befestigung der Stadt, im Bau des Mauerrings, in der Aufwendung von Geld und schwerer körperlicher Arbeit für dies Werk, das den Flecken zur Stadt machte, haben die Bürger sich recht eigentlich emporgebracht. Nicht daß sie durch solche Leistungen eine Ermäßigung der Steuer erzielten, ist das Wesentliche, sondern daß sie ein Zusammenhandeln übten, eine tätige bewußte Gemeinschaft darstellten, die Ansiedelung als ihre Burg aus dem offenen Lande heraushoben und sie als ihnen dienend und gehörend schlossen.

Um dieselbe Zeit tritt nun auch ein Rat als Behörde dieser Gemeinde neben dem Schultheiß auf. Er kann allerdings schon früher entstanden sein; die urkundliche Bezeugung ist eine zufällige. Jedenfalls aber war die Erstarkung des Gemeindewesens, die sich im Rat aussprach, unmittelbar wirksam auch auf die Stellung des Schultheißen. Sie brachte diesem die Wichtigkeit der städtischen Interessen zum Bewußtsein und bewog ihn, diesen Interessen zu dienen; er wurde allmählich, nicht rechtlich, aber tatsächlich, aus einem Beamten der Stadtherrschaft ein städtischer Beamter. Daher in eben dieser Zeit, 1277, die von der Gemeinde geforderte Zusage des Bischofs über Ansäßigkeit des Schultheißen in ihrer Mitte, „dur daz si deste baz verrihtet werden an allen dingen.“

[202] Mit dem Rate zeigt sich uns aber auch ein Siegel der Bürgerschaft von Kleinbasel, zum ersten Mal 1278.

Als Verwaltungsbehörde wird dieser Rat freilich selten erwähnt. Um so häufiger bei Gerichtsgeschäften. Denn nur diese geben zu Urkunden Anlaß. Aber auch die spärliche Bezeugung reicht hin, um den raschen und weiten Gang dieser Entwickelung zu zeigen. 1289 erwerben Schultheiß und Rat ein neues Rathaus in Ersatz des bisher gebrauchten; 1298 treffen sie ein Abkommen mit St. Clara wegen eines Baues an der Stadtmauer; ihr Verkommnis mit Laufenburg 1296, daß die Angehörigen beider Städte einander nur vor dem ordentlichen Richter suchen sollen, beweist, daß das selbständige Gebahren der Gemeinde auch außerhalb Geltung hat.

Die Ratslisten, die gelegentlich in den Urkunden des Schultheißen mitgeteilt werden, geben einen Einblick in Bestand und Umfang der Behörde. Anfangs scheint der Rat sechs Mitglieder gehabt zu haben; seit Ende der 1280er Jahre waren es zwölf Ratsherren.

Den Schultheiß setzte der Bischof. Nirgends ist zu ersehen, wer den Rat gewählt habe. Aber es ist dies auch nicht sehr wesentlich. An einen Gegensatz zwischen Bischof und städtischem Rat, wie ihn die Geschichte Großbasels zeigt, ist hier nicht zu denken. Bei aller Ausbildung von Gemeindeleben und Gemeindegefühl kommen doch nicht Herrschaftsrechte in Frage. Die Stadt bleibt eine Stadt ihres Herrn, und ihre Entwicklung beschränkt sich auf das Gebiet kommunaler Befugnisse.

Eine solche Auffassung gibt nun auch dem berühmten Königsbriefe Rudolfs sein Recht, dem Privileg, das er am 29. Oktober 1285 dem Bischof Heinrich für Kleinbasel erteilte. Indem der König diese Stadt begabte, erwies er dem Bischof eine Gunst und Gnade. Er wollte nur dies tun; sowenig er in seiner allgemeinen Politik ein Freund der Städte war, seine eigenen Herrschaftsstädte zumal streng darniederhielt, so wenig war hier seine Meinung, den Kleinbaslern etwas Gutes zu tun. Was sie erhielten, ward ihnen, weil sie des Bischofs waren.

Daher wahrte der König ausdrücklich die bischöflichen Rechte über Kleinbasel, wie sie sich vor allem in Steuern, Abgaben und Kriegsdiensten äußerten. Nur unter dem Vorbehalt dieser Rechte und mit der bestimmt ausgesprochenen Voraussetzung, daß die Bürger diese Pflichten gegen ihren Herrn erfüllen, befreite er Kleinbasel d. h. er erteilte den Bürgern die Rechte und Freiheiten, deren die Reichsstadt Colmar genoß, und verlieh einen Wochenmarkt (am Donnerstag) mit des Reiches Schutz und den Marktfreiheiten für Alle, die zu Kauf und Verkauf diesen Markt besuchen würden.

[203] Diese Erweisung ist nichts Vereinzeltes. Sie fügt sich ein in eine Reihe gleichartiger Privilegien, die König Rudolf im Laufe der 1280er Jahre zahlreichen Städtlein geistlicher und weltlicher Herren auf Bitte der Letztern zu Teil werden ließ. Die Befreiung mit dem Rechte einer nahen Reichsstadt und die Verleihung eines Marktes kehrt hier immer wieder, bei Pruntrut, bei Sulz, bei Ravensburg, Wangen, Memmingen, Kaufbeuren, Bergzabern, Veldenz usw. Es ist stets Dasselbe. Wenn dabei der König gelegentlich sagt, daß er die Freiheiten erteile, mit denen Kaiser und Könige neue Festen, novas munitiones, zu freien pflegten, so kann dies auch bei Kleinbasel zutreffen.

Hinsichtlich der Rechte und Freiheiten Colmars, die jetzt Kleinbasel gegeben wurden, ist kaum an das ganze Recht Colmars, zumal das Privatrecht zu denken. Vielmehr zeigt eine Rechtsbelehrung, die der Rat von Colmar den Baslern 1340 hierüber erteilte, um welche Rechtssätze es sich hauptsächlich handelte: ein Bürger, der stirbt, soll ausschließlich durch seine Nächsten beerbt werden, d. h. herrschaftliche Ansprüche auf Sterbfall und Besthaupt sollen nicht bestehen; Keiner kann mit dem Zeugnis eines Solchen überführt werden, der nicht seines Gleichen ist; Herrschaftsleute, die in die Stadt ziehen und während Jahr und Tag von ihren Herren nicht zurückgefordert sind, werden ihrer früheren Pflichten frei und Bürger der Stadt. Der letzte Satz enthält das Wichtigste. Eine Gründungsstadt wie Kleinbasel sah sich auf Freiheit und Leichtigkeit der Zuwanderung angewiesen, und es kann nur auffallen, daß diese Vergünstigung, die schon im Freiburger Gründungsstatut enthalten ist, ihr nicht schon früher zu Teil wurde. Sie war wohl unterblieben aus Rücksicht auf benachbarte Herrschaften, und solche Rücksichten bewogen auch jetzt noch zu einer Einschränkung der Rechte: Leute der Herzoge Albrecht und Rudolf von Oesterreich und des edeln Herrn von Röteln sollten nur nach bisherigem Recht aufgenommen werden, d. h. ihre Herren sollten sie jederzeit zurückfordern können. Soweit es sich hiebei um Oesterreicher Hörige handelte, war diese Bestimmung das Gegenrecht zu der durch Rudolf im Jahre zuvor, 1284, dem Bischof gegebenen Zusicherung hinsichtlich der österreichischen Stadt Delle und der Hörigen der Basler Kirche.

Die Verleihung des Donnerstagsmarktes brachte der Stadt ohne Zweifel erheblichen Vorteil. Doch fiel Dasjenige, was sonst bei Marktgründungen an rechtlicher Gestaltung zu beobachten ist, hier wohl weg, wo eine schon fertige Stadt den Markt erhielt. Die Wirkung konnte in der Hauptsache nur eine wirtschaftliche sein.

[204] In solcher Weise war das Recht Kleinbasels gestaltet.

Als Centrum des öffentlichen Lebens galt der Brückeneingang. Hier befand sich eine Straßenkreuzung, die für Marktzwecke den Raum bieten konnte, da ein eigentlicher Marktplatz nicht vorhanden war. Hier stand die Niklauskapelle und ihr gegenüber, an der Ecke von Greifengasse und Unterer Rheingasse, das älteste Rathaus. Vor diesem waren die Fleischbänke, die Schol. In nächster Nähe dieses offiziellen Gebietes, meist auf altem St. Albanland, hatten die angesehenen Geschlechter, Knäblin, Vogt von Brombach, Senftelin, Fleisch, von Haltingen, von Embrach, ihre Häuser. Im Jahre 1289 verkauften Rat und Schultheiß ihr Rathaus an den Nachbar Peter Senftelin und erwarben als neues Rathaus das am Eingang der Rheinbrücke neben der Kapelle stehende Gebäude; an dieser Stelle blieb von da an das Kleinbasler Rathaus, später Richthaus genannt.

Von der Einwohnerschaft ist wenig zu sagen. Im Vergleiche mit Großbasel, dessen Rechtszustände nicht allein, sondern auch dessen Bewohner uns in überreich geformter Fülle entgegentreten, ist es hier eine recht kleine Welt, beschränkt im Umfang, einförmig in der Gestaltung.

Die Bevölkerung ist entstanden aus Bauern des Dorfes und aus den von links und rechts herkommenden Ansiedlern. Daher namentlich der Adel völlig fehlt. Neben den hier begüterten von Dachsfelden, Münch, Eptingen usw. ist er als angesessen nur vertreten durch das Geschlecht der Geisriebe, mit dem das zur selben Zeit einmal genannte Rittergeschlecht vom Obertor identisch gewesen zu sein scheint. Auch Kaufleute bedeutender Art sind hier nicht zu vermuten. Neben Krämerei und Landwirtschaft beschäftigte kleines Gewerbe die Einwohner. Bäcker, Müller, Schmiede, Keßler usw. saßen im Rate. Ebenso gehörten die Ziegler zu den Angesehenen. Ihr Gewerbe war eine Kleinbasler Spezialität; zwei Ziegelhöfe bestanden: der eine am obern Ende der Stadt, auf der heute Hatstätterhof genannten Liegenschaft, der andere an der Rheingasse (Nr. 61), und auf beiden wurde die Ziegelei durch die vielgenannte Familie von Hiltalingen betrieben. Böller, Lesser, Fleisch, Vogt von Brombach, Bögge, Reizo, Brotmeister, Senftelin, Sniz, von Embrach, von Wintersingen usw. hießen die Kleinbasler Familien, von denen in den Urkunden am meisten die Rede ist; aber auch der schöne Name Ermenrich begegnet uns unter ihnen, der gleich Elegast, ebenfalls einem Kleinbaslernamen, an die Welt der alten Heldensage anklingt. Daß diese Familien Eigen besaßen, ist aufs mannigfachste bezeugt. Und deutlich erwiesen auch das Vorhandensein unfreier Einwohner. Die Bestimmung des königlichen Privilegs von 1285 über [205] die Reklamation leibeigener Zuwanderer durch ihre Herrn schuf ein neues Recht nur insofern, als sie eine Frist hiefür statuierte; so gut unter der Herrschaft dieses Rechtes Unfreie in der Stadt bleiben konnten, wenn sie sich zu ihrem Herrn bekannten und von ihm belassen wurden, so gut hatte dies früher geschehen mögen. Ein lehrreiches Beispiel eines solchen Unfreien ist Peter Senftelin, der als Leibeigener des Klosters Beinwil nach Kleinbasel kam, hier eine Bäckerei betrieb, zu Reichtum und Ansehen kam, Liegenschaften besaß, Bürger wurde, in den Rat gewählt wurde, den Schultheiß vertrat. Alles dies als ein Eigenmann der Mönche von Beinwil. Erst gegen Ende seines Lebens, 1293, ließ ihn das Kloster frei.

Bürger von Kleinbasel werden als solche ausdrücklich bezeichnet zuerst im Jahre 1270. Die Urkunden lehren, daß, während in Großbasel freies Eigen Voraussetzung des Bürgerrechtes war, hier schon der Besitz eines Zinseigens genügte. Auch hierin spricht sich wieder die schwächere und dürftige Art dieses ganzen Zustandes aus.

Wie hiebei das Fehlen des Adels und einer stattlichen Kaufmannschaft den Maßstab verschieben konnte, zeigt eine kleine Aeußerlichkeit im Urkundenstil der Gerichtsurkunden; da wird der Titel „Herr“, der sonst nur Rittern und Geistlichen zukam, freigebig Jedem verliehen, der im Städtchen bekannt war und Macht hatte. Auch Großbasler, die zu Hause niemals Herren hießen, konnten zu dieser Auszeichnung gelangen, sobald sie auf das rechte Ufer und in Geschäften vor Rat kamen.

Diese ganze Welt steht beständig unter der Einwirkung der ältern, größern, mächtigern Stadt. Schon daß der Herr beider Städte derselbe Bischof ist, hat Einfluß; aber auch der städtische Rat von Großbasel greift in mannigfachster Weise herüber. Als Grundbesitzer: er macht Rechte geltend an den Ziegelacker, und schon früh erwirbt er das dem Kleinbasler Rathaus gegenüber gelegene Haus an der Brücke. Er nennt die Klingentaler Nonnen seine Bürgerinnen und sichert ihnen Schutz zu. Daß er später sein Mühleungeld auch in Kleinbasel erhebt, daß seine Bannmeile auf dem rechten Ufer bis an die Wiese und die Holzmühle reicht, mag altes Recht wiedergeben; und auf einen Zusammenhang weist auch die Besiegelung von Kleinbasler Kaufbriefen oder des bischöflichen Niederlassungsprivilegs für St. Blasien durch Bürgermeister und Rat der größern Stadt.

Es handelt sich hiebei um Verhältnisse, die an sich nicht verwunderlich sind; vielmehr müßte ihr Fehlen befremden. Denn neben diesen offiziellen, aber vereinzelten Beziehungen steht ein beständig vorhandenes und sehr mannigfaltiges Zusammenleben beider Städte in wirtschaftlichen [206] und persönlichen Dingen vor uns. Zahlreiche Großbasler haben Grundeigen in der kleinen Stadt; zum Domstift und den Klöstern St. Alban, St. Clara, Steinen usw. gesellen sich da Reinbold von Eptingen, Dietrich Münzmeister, Johann von Arguel, Jakob Zebel, der vielgenannte Liegenschaftsbesitzer Wetzel Keller, Hug zur Sunnen usw. usw. Was uns dann die Urkunden als äußerliche Folge hievon zeigen, die Anwesenheit von Großbaslern im Kleinbasler Gericht, ist nur ein Vereinzeltes aus dem Unzählbaren, das Bestand und Leben beider Städte miteinander verflicht. Familien Großbasels wandern hinüber und schlagen drüben Wurzel, so die Brotmeister; so ist auch Gerung zum Roten Hause zu nennen, den die Frauen von St. Clara bei ihrer Uebersiedelung mitgezogen haben. Wie dann nach dem Abgang der Geisriebe die Großbasler Herrengeschlechter von Titensheim und Macerel, später die von Bärenfels, sich der Schultheißenwürde der kleinen Stadt zu bemächtigen verstehen, ist ein Schritt weiter in der Entwickelung, die ihr natürliches Ziel zuletzt in der Vereinigung der beiden Städte hat.

So kurz der Zeitraum der Geschichte Kleinbasels ist, um dessen Schilderung es sich hier handelt, zeigt er doch das Schauspiel einer Entwickelung. Ruhig und ohne Stolz folgen sich die Zustände. In der Verfassung, im Baulichen. Daß 1284 die Säge des Heinrich Zeisse durch eine Mühle ersetzt wird, ist Zeichen von Kulturänderung; und so ist auch bemerkenswert, wie sich im Klösterlichen die Schichten ablösen: nach St. Alban, dem Kloster der ersten Zeit, treten zunächst Wettingen und St. Blasien, dann die Frauenklöster Klingental und St. Clara als neue Elemente der Kleinbasler Geschichte hervor.


Für die Stellung des Klerus in Kleinbasel war von Bedeutung, daß dieses Herrschaftsgebiet des Basler Bischofs außerhalb seines kirchlichen Amtssprengels gelegen war. Der Rhein schied die Diöcesen Basel und Konstanz; zur letztern gehörte Kleinbasel. Die Vielheit der auf diesem engen Raume gedrängt nebeneinander geltenden und waltenden Befugnisse wurde hiedurch noch vermehrt, und in der Geschichte der sämtlichen kirchlichen Institute Kleinbasels begegnet man immer wieder, über alle sonst bestehenden Rechte hinweg, diesem obersten geistlichen Regimente.

Das Aelteste von Kleinbasel war die Kirche St. Theodor, die als Eigenkirche des Grundherrn, nämlich des Bischofs von Basel, in die Geschichte eintritt. Ob dieser sie gestiftet oder als schon vorhanden mit dem Lande erworben hatte, ist unbekannt; er schenkte sie, samt ihrem Zubehör, [207] im elften Jahrhundert dem Kloster St. Alban. Diese Schenkung, die den Propst von St. Alban zum Kleinbasler Grundherrn machte, machte ihn auch zum Kirchenpatron.

Dieses Patronat blieb beim Kloster bis zum Jahre 1259, wo es bei Erledigung des Großbasler Parochiestreites als Entschädigung an das Domkapitel abgetreten werden mußte. 1265 sodann erwarb der Bischof sein altes Recht wieder zurück, indem er dafür dem Domkapitel tauschweise den Kirchensatz zu Laufen gab. Doch scheint dieser Tausch nicht völlig durchgeführt worden zu sein. Bischof und Domkapitel erscheinen in der Folge, bis 1314, als gemeinsame Inhaber des Patronats von St. Theodor; Bischof Heinrich von Isny versuchte ohne Erfolg, St. Theodor den Clarissen zu verschaffen und das Domkapitel mit einer andern Kirche abzufinden.

Als Träger des Pfarramtes bei St. Theodor wird 1237 und 1241 der Chorherr und Dekan Konrad von St. Peter genannt; seit dem Erwerb der Kirche durch das Domkapitel ging die Würde in diesem Kollegium von Hand zu Hand: der Dompropst Heinrich von Veseneck war schon vorher, 1255, Kirchherr gewesen; in der Folge hatten der Archidiakon Peter Reich, dann der Domherr Wilhelm das Amt inne. Aber die Pfarrgeschäfte selbst wurden von diesen Herren kaum je besorgt. Dafür hatten sie ihre Stellvertreter, die Vikare; 1277 wird ein solcher genannt: der Priester Rüdeger.

Mit diesen wenigen Mitteilungen über Recht und Organisation erschöpft sich die alte Geschichte von St. Theodor. Wie alle Pfarrkirchen, hat auch diese nur wenig urkundliche Bezeugungen hinterlassen. Einmal ist von ihrem Kirchengut die Rede, bei der Ausstattung der Niklauskapelle 1255, wozu dieses Kirchengut herangezogen wurde. 1277 und 1300 erhielt sie Ablässe; als ihr Kirchweihtag galt der Sonntag nach Ostern.

St. Theodor, die alte Kirche des Dorfes, wurde nach Gründung der Stadt Kleinbasel deren Gemeindekirche, ihr Kirchhof der städtische Kirchhof. Aber noch 1277 lag sie außerhalb der Stadt, vor den Mauern.

Die Nachteile dieses Zustandes waren erheblich. Seelsorge und Kirchenbesuch litten immer mehr unter ihm, je stärker sich die neue Stadt mit Menschen füllte. Daher schon um die Mitte des Jahrhunderts Abhilfe getroffen werden mußte. Es geschah dies durch Errichtung eines zweiten Gotteshauses, der St. Niklauskapelle, durch den Pfarrer von St. Theodor, mit Einwilligung seiner Patrone, nämlich des Propsts und Konvents von St. Alban, sowie des Diöcesans.

Diese Kapelle erhielt ihren Platz neben dem Eingang der Rheinbrücke; vielleicht hatte St. Niklaus, der Patron der Schiffahrer, schon in der alten [208] brückenlosen Zeit an dieser Stelle Verehrung genossen. Die Kapelle war kirchlich jedoch nicht selbständig, sondern eine Filiale von St. Theodor; auch mußte sie durch die Geistlichen dieser Kirche versehen werden, da sie noch keine Priesterpfründe besaß. Aber was sie auszeichnete, war eine Art officiellen Charakters. Sie lag im Herzen der Stadt, dem Rathause gegenüber; die gelegentliche Kunde von Rechtsgeschäften, die in ihr vorgenommen wurden, zeigt ihre Bedeutung. Auch sie erhielt im Jahre 1300 einen Ablaß.

Neben der Pfarrkirche und ihrer Filiale machten sich in Kleinbasel auch Klöster geltend. Aber auf eigene Weise.

An ihrer Spitze dasjenige Kloster, das Grundherr war: St. Alban. Seine Wirkung auf das Leben des Ortes ist eine ganz und gar äußerliche, geschäftliche, wirtschaftliche. Es ist der Großgrundbesitzer der ersten Zeit, mit entscheidendem Einfluß auf die Gestaltung der Stadt und den frühesten Liegenschaftsverkehr. In der Folge hat es Bedeutung als Obereigentümer und Zinsherr; sein Vertreter bei allen diesen Geschäften und Wahrer seiner Rechte ist der Meier.

Aehnlicher Art ist die Stellung der beiden Klöster, die schon bald nach dem Entstehen der Stadt hier wichtig werden: Wettingen und St. Blasien. Auch sie sind Grundbesitzer, Gutsverwalter, Zinseinehmer; von einer geistlichen, geistigen Wirkung ihrer Anwesenheit ist nichts zu spüren.

Merkwürdig rasch haben die Cisterzienser von Wettingen, wenige Jahre nach der Gründung ihres Klosters schon, die neue Basler Rheinbrücke benützt, um sich auf dem rechten Rheinufer festzusetzen. Am frühesten, 1238, in Riehen. Während der folgenden Jahre in Weil, Inzlingen, Kirchen, Maulburg, Brombach. 1243 auch in Großbasel; hier erwarben sie das Bürgerrecht.

In Kleinbasel selbst findet sich die erste Spur einer Ansiedelung der Wettinger Mönche im Jahre 1251. Da erhielten sie vom Domstift eine „zum Mühlenbau geeignete“ Hofstatt geliehen. Schon 1262 spricht dann das Kloster von seinen Mühlen in Kleinbasel, die es dem Heinrich Brotmeister verkauft habe, und 1268 verkauft es demselben Brotmeister einen weitern Gewerbekomplex am Teich, in der Nähe des Rheines, nämlich drei Mühlen, eine Säge und ein Steinhaus. Von da an geben die Kleinbasler Besitzungen Wettingens wiederholt zu reden. Daß sie ein am Orte ständig anwesendes Verwaltungspersonal nötig machten, ist begreiflich; die Erwähnung des Kellers von Wettingen, des Bäckers von Wettingen, läßt auf eine solche organisierte Ansiedelung schließen. Doch wird ein Wettingerhof [209] noch nicht genannt; vielmehr scheint in dieser frühern Zeit die Hauptniederlassung der Klosterhof in Riehen gewesen zu sein. Aus den Kleinbasler Geschäften dieser rührigen Mönche mag hier nur noch beachtet werden, wie sie sich des schon erwähnten Peter Senftelin annehmen, da er alt, reich und kinderlos ist; wie sie ihn erst sein Haus neben dem weiten Keller, dann seine gesamte Habe dem Kloster vergaben lassen; wie sie in seine Leihen, erst der Domstiftgüter, dann der Arguelgüter, eintreten; wie sie ihn dazu bringen, auch dem Schwesternhaus im Dorfe Wettingen etwas Gutes zu schenken, nämlich die Reben in Istein; wie sie schließlich nach dem Tode Senftelins seine alten Beinwiler Herren, die sich übervorteilt sehen, vor Gericht besiegen, seine Nichte und seinen Neffen zum Verzicht auf alle Ansprüche bewegen.

Wie ruhig erscheint diesem Treiben gegenüber die Stellung, die St. Blasien im Bilde Kleinbasels einnimmt. Seine erste Beziehung zu dem Orte war seine Zahlung an den Bau der Rheinbrücke gewesen, die ihm die Freiheit vom Brückenzoll eingetragen hatte. Später wird es in den Urkunden dieser Stadt nur wenig genannt. Das eine Mal aber umso eindrücklicher. Es handelt sich um seine Erwerbung einer dem Kloster St. Alban gehörenden Liegenschaft 1256, derselben Liegenschaft, die von jenem Tage an der Hof des Klosters war und den Namen noch heute trägt. Damit verband sich eine Privilegierung seitens des Bischofs von Basel, die in erwünschtester Weise Aufschluß gibt über die Gesinnungen des Stadtherrn solchen Ansiedlern gegenüber und über die Mittel, mit denen er ihnen das Kommen und Bleiben leicht zu machen verstand. Das Kloster sollte mit Ausnahme einer jährlichen Gebühr von fünf Schillingen aller Steuern und Wachten frei sein; auch verhieß ihm der Bischof denselben Schirm, der den andern Bürgern der Stadt zu teil werde. Ueber diesen Bläsihof hinaus nun scheint das Kloster nach keinem weitern Besitz in Kleinbasel verlangt zu haben; hier hatte es sein Hospiz, sein Absteigequartier, hier auch den Sitz des Schaffners, der das St. Blasianische Baselamt verwaltete. Die schönen Besitzungen des Klosters in der Umgegend, bei Haltingen, Istein, Rheinweiler, Tüllingen, sowie im Wiesentale von Riehen aufwärts gehörten zu diesem Amte; als ihr Grundstock galt die große Schenkung des Walcho von Waldeck 1113, zu der auch Güter in Oberbasel gehört hatten; das ritterliche Wappen dieses Donators war noch Jahrhunderte lang im Bläsihof in Stein gehauen zu sehen.

Als das diesen Klöstern Gemeinsame ergibt sich, wie schon gesagt, daß sie selbst auswärts waren und in Kleinbasel nur Schaffner und Verwalter hatten.

[210] Ihren Hauskäufen folgten nun aber eigentliche Ansiedelungen von Klöstern.

Zunächst sind die Sackbrüder oder Bußbrüder zu nennen, eine den Augustinern verwandte Eremitenkongregation. Wir erfahren aber sehr wenig von ihnen. Ihr Kloster lag innerhalb der Stadtmauer, der von der Rheinbrücke herkommenden Straße gegenüber. 1268 erwarben sie zur Erweiterung einen anstoßenden Garten, zufolge Vergabung der Hedwig, Frau des Heinrich Brotmeister; 1273 gaben sie ihren Willen zur Niederlassung des Klosters Klingental. Schon zwei Jahre darauf traf ihren Orden die Aufhebung durch Papst Gregor X.; doch lebte das Kloster in Kleinbasel noch einige Jahre weiter, bis es 1279 durch Bischof Heinrich von Isny geschlossen wurde. Er steckte die Mönche in das Barfüßerkloster oder versorgte sie auf andere Weise; dem Provincial gab er die Propstei zu St. Leonhard.

In das leere Kloster aber führte er nun die Clarissen, die bis dahin in Großbasel vor Spalen gesessen waren. Was war dabei seine Absicht? Wenn er Kleinbasel, das doch seit einigen Jahren schon die Klingentaler Damen besaß, um ein zweites Kloster bereichern wollte, warum gab er ihm jetzt nicht einen männlichen Convent, der auf das Leben der Stadt ganz anders hätte einwirken können, als diese Frauen? Oder wollte er die Clarissen, die vor Spalen vielleicht dürftig untergebracht waren, besser stellen? Der Minorit in ihm war jedenfalls ihr Gönner, und unterstützt von seinem getreuen Hartung gedachte er ihnen zum Einzug in Kleinbasel geradezu auch die Kirche dieser Stadt, St. Theodor, zu geben. Aber er drang beim Domkapitel mit diesem Vorschlage nicht durch.

Das Clarissenkloster hatte in Großbasel das Bild einer vornehmen Körperschaft gezeigt. Dieser Charakter blieb ihm auch am neuen Orte. Seine Äbtissinnen tragen die edlen Namen von Wattweiler, von Tegerfelden, u. dgl.; unter den Nonnen finden wir neben Töchtern des Landadels auch solche aus den besten Ministerialengeschlechtern der Stadt, wie z. B. Anna und Verena, die Schwestern des Ritters Konrad Schaler.

Auch andere Beziehungen dauerten weiter. Jener Bürger Gerung zum Roten Hause, der den Barfüßern als Schaffner gedient hatte und in der gleichen Gesinnung auch den Clarissen vor Spalen stets beholfen gewesen war, scheint nun mit ihnen herübergekommen zu sein; er vertritt sie vor Gericht; zusammen mit ihrem Klosterschuster, dem Convers Konrad von Dießenhofen, besorgt er die Geschäfte der Frauen; er besitzt ein Steinhaus in Kleinbasel an der Rheinbrücke; eines der Törlein, die beim Clarakloster [211] durch die Stadtmauer gebrochen werden, heißt Herrn Gerungs Törlein; zuletzt vermacht er ihnen alle seine Habe.

Auch die Barfüßer behaupten ihre bisherige Stellung. Ihr Guardian heißt geistlicher Vater der Clarissen; er ist der Superior, ohne dessen Zustimmung sie nichts unternehmen.

Das Kloster der Sackbrüder wurde von den Nonnen nicht unverändert gelassen; 1280 ist von ihrem Bauen auf dieser Liegenschaft die Rede. Sie erwarben auch Land, zunächst solches, das unmittelbar vor ihrem Kloster, aber außerhalb der Stadtmauer lag. Hier dehnte sich der schon erwähnte Besitz des Heinrich Brotmeister und seiner Verwandten Zeisse und von Dachsfelden, bestehend aus einem Steinhause, aus Mühle und Scheune, umzäunten Gärten, Mattland, einem Weiher. Dies ansehnliche Gut ging nach und nach in die Hände der Klosterfrauen über; der letzte Erwerb war derjenige von fünf Jucharten Mattlandes 1285, aus denen dann der geschlossene Komplex der „Claramatte“ wurde. Aber Gebrauch und Bewirtschaftung waren nur möglich bei direkter Verbindung des Klosters mit diesem äußern Besitz; daher die verschiedenen Törlein, die von den Frauen in die Stadtmauer gebrochen wurden, ihre Ausbauten und Lauben, ihr Widerstand gegen den von der Stadt zwischen Kloster und Mauer beanspruchten Rondenweg; und noch komplizierter wurde der Zustand dadurch, daß St. Clara die Mühle von draußen hereinnahm und um ihretwillen einen neuen Teicharm anlegte, der durch die Mauer hereinfloß. Es bedurfte wiederholter Verträge zwischen Stadt und Kloster, 1287 und 1298, um alle diese Verhältnisse zu regeln.

Daneben geht in den Urkunden das übrige Liegenschaftsgeschäft des Klosters weiter. Seinen Besitz in Großbasel liquidierte es zum Teil und erwarb Häuser in Kleinbasel; namentlich aber erwarb es Auswärtiges in erheblicher Menge, freilich nicht wie man nun vermutet im Breisgau, sondern im Elsaß, in Hegenheim, Hausgauen, Sulzmatt, Sulz usw.

Wir haben uns hier aufs neue zu sagen, daß wenn diese äußerlichen Dinge auch die Ueberlieferung beherrschen, sie doch im Leben des Klosters selbst nicht die Hauptrolle können gespielt haben. Einige Nachrichten über die großen Stiftungen des Bischofs Konrad von Toul und deren Ausführung durch die Frauen von St. Clara, ferner über das Verhältnis dieser Gemeinschaft zu der Beatrix von Neuchâtel erlauben uns, wenigstens einen Blick in das sonst verhüllte Gebiet höherer Tätigkeit zu werfen. Es ist das Gebiet einer Devotion, die in dieser eigenartigen Färbung nur im Bereiche des Minoritenordens zu finden war.

[212] Kurz vor den Clarissen hatte sich ein andres Frauenkloster in Kleinbasel angesiedelt: Klingental. Unter allen Basler Klöstern das einzige, das nicht erst hier entstand, sondern schon fertig und wohlausgestattet herkam.

Seine Anfänge sind im Elsaß, in Häusern bei Pfaffenheim zu suchen. Dort wurde in den 1230er Jahren ein Frauenkloster gegründet, angeblich durch vier andächtige Matronen aus Mülhausen. Es war dem heiligen Leonhard geweiht, und die Nonnen lebten nach der Regel Augustins. Seine erste urkundliche Erwähnung gehört dem Jahre 1241 an. Es erwarb Güter in der Gegend. Sein frühes Wachstum, sein Ansehen werden bezeugt durch Privilegien und Indulgenzen des Papstes, 1246 unterstellte es dieser der Leitung des Predigerordens.

Im Jahre 1253 verließen die Schwestern ihr Häusern; vielleicht zogen sie schon jetzt über den Rhein ins Wehratal. 1256 beginnen hier die urkundlich bezeugten großen Schenkungen Walthers von Klingen, bestehend in Land und Waldung und dem Wehrer Kirchensatz. Das Kloster hieß jetzt Klingental. Es erwarb Gut um Gut, die Päpste erneuerten und vermehrten ihm ihre Gnaden. Hier wurde ihm nun auch die erste Vergabung aus Basel zu Teil; sie geschah durch die Witwe des Ritters Elbelin und betraf Güter in Benken. Eine weitere Berührung mit Basel ergab sich durch die Brüder des dortigen Predigerkonvents, die sich der Frauen mit Eifer annahmen. Die Zeugenreihen der damaligen Klingentaler Urkunden zeigen wiederholt auch Basler Predigermönche als im Kloster anwesend: den redegewaltigen Achilles, den Heinrich von Orschweier, den Reinher.

Solche Beziehungen mögen dann, als der Krieg Rudolfs von Habsburg mit dem Basler Bischof die Niederlassung im Wehratal beunruhigte und die Frauen zur nochmaligen Auswanderung bestimmte, als deren Ziel Basel gezeigt haben.

Nicht das mit Klöstern schon gefüllte Großbasel, sondern die kleine junge Stadt, wo außer dem bescheidenen Hause der Sackbrüder noch kein Kloster stand. Schon im Jahre 1270 scheinen die Klingentalerinnen hieran gedacht zu haben; sie kauften sich in Kleinbasel an, breit und dauerhaft, um die große Summe von 165 Mark Silbers, mit jenem Komplex von Mühlen, Säge, Haus und Hofstätten beim Rheine, den zwei Jahre früher die Wettinger Herren an den Brotmeister verhandelt hatten.

Doch kam es, während der Krieg wütete, noch nicht zur Ausführung des Planes. Die Sackbrüder freilich gaben, im Januar 1273, den erforderlichen Konsens; auch folgte im Februar schon eine Gabe, deren Voraussetzung [213] das Wohnen in Basel war, nämlich die Hälfte des Dorfes Kleinhüningen seitens der Irmentrud von Tegerfelden. Aber der Krieg zog sich in diesen Monaten immer mehr in die Nähe Basels; an eine Uebersiedelung war nicht zu denken; erst im Herbst, als alle Not zu Ende war und der Friede herrschte, konnte sie geschehen. Jetzt verkauften die Frauen ihre Güter in Wehr und Alpfen, erweiterten ihren Besitz in Kleinbasel, verschafften sich die Einwilligung des dortigen Pfarrers zur Niederlassung in seiner Gemeinde; endlich im August 1274 fand der Umzug statt. Die Schwestern kamen in Kleinbasel an, ihrer zwölf an der Zahl, und ließen, während sie einstweilen in den gekauften Häusern sich einrichteten, unverzüglich den Bau des Dormenters beginnen.

Zu beachten ist die Teilnahme Rudolfs von Habsburg, des nunmehrigen Königs, an dieser Verlegung des Klosters. Wie er dem Predigerorden überhaupt zugetan war, so schenkte er nun auch dessen Töchtern im Klingental seine Gunst. Beim Kleinbasler Pfarrer legte er sein gewichtiges Wort ein, damit sie die Erlaubnis zur Niederlassung in der Parochie erhielten; ein Verkehr des Königs und seiner Familie mit dem Kloster ist auch in der Folge bezeugt. Er nützte übrigens diese Beziehungen auch für seine eigenen Interessen; denn daß er im Sommer 1274 umfangreiches Gut des Klosters im Wehratal erwarb, geschah zu Ergänzung seines Familienbesitzes.

Neben Rudolf steht als Gönner Klingentals Herr Walther von Klingen, und diese Beziehungen geben dem Kloster von Anbeginn den Charakter der Vornehmheit. Höher noch als einzelne Erweisungen dieser Gönner war das Ansehen, der allgemeine Ruhm anzuschlagen, der dem Kloster aus ihrer Teilnahme erwuchs und dessen Wirkungen wir durch alle Verhältnisse hindurch verfolgen können. Auch das ist reizvoll zu beobachten, wie das bisherige Landkloster ein städtisches wird; schon eine Vergleichung der Zeugenreihen seiner frühern und seiner jetzigen Urkunden zeigt die Neuheit der Welt, in die es nun versetzt war, die neuen Ansprüche, denen es genügen mußte, wie die neuen Mittel, die sich ihm boten. An der Stelle der rauhen Landjunker und Bauern des Wehratales standen jetzt höfische Ritter, Bürger, Kleinbasler Gewerbsleute; städtisches Leben, und zwar ein solches in reichster Kraft und Bewegung umgab und trug das Kloster, und wie völlig verschieden seine Stellung von der frühern Existenz war, erweist deutlicher als alles Andre die schöne Urkunde des Großbasler Rates 1278, mit der er die Frauen des Klingentales als Bürgerinnen auch seiner Stadt anerkannte und unter seinen Schutz nahm.

[214] Alle diese neuen und mächtigen Kräfte übten freilich ihre Wirkung nur in der äußern Erscheinung des Klosters, in seinem Güterbesitz, in dem Bestande seiner Schwesternschaft; sein eigentliches Wesen konnte dadurch nicht geändert werden. Wie vordem stand es auch jetzt noch unter der Zucht und Leitung der Prediger, und diese mochte jetzt aus der Nähe nur um so intensiver geübt werden; die Schilderung des Klingentaler Klosterbaus in den Annalen der Prediger zeigt, wie dieser Konvent die Frauen jetzt tatsächlich, über den Rhein weg, unter den Augen hatte.

Die erste Ansiedelung wird durch die Häusergruppe bezeichnet, die noch heute den Namen Klingental trägt und an das „kleine Klingental“ grenzt; in der Hauptsache geht sie zurück auf die 1270 und 1273 geschlossenen Käufe der Gewerbe und Hofstätten von den Familien Brotmeister und von Dachsfelden. Der Komplex offenen Landes zwischen Bläsihof und Rhein sodann, den die Nonnen dem Kloster St. Alban und dem Wetzel Keller abkauften, darf als der Grund und Boden des eigentlichen Klosterbaues gelten. Er fand seine Ergänzung im Erwerb einer angrenzenden, zur Kathrinenpfründe des Domstifts gehörenden Mühle am Teich 1275. Auf ihm wurde der Dormenter, wohl an der Stelle des „kleinen Klingentals“, und die Kirche erbaut. Es machte dies eine Durchbrechung des Stadtabschlusses nötig, der sich hier am rechten Teichufer vom Bläsitor zum Rheine zog; die Sicherung der Stadt durch eine nunmehr den Klosterbifang miteinbegreifende Mauer samt Graben, sowie den Abschluß der Klosterimmunität selbst gegenüber der Stadt regelte ein Abkommen, das Bischof und Rat 1278 mit dem Konvente trafen. Wir haben anzunehmen, daß die äußere Mauer neben der Kirche hinlief; die Verlegung des Dormenters an diese Stelle und damit die große Ausdehnung des Klosterbezirkes, die heute der Kasernenhof anzeigt, gehören einer spätern Zeit an.

Im August 1274 begann Klingental den Bau seines Dormenters am Rhein, lang und breit und mit stattlichem Steinwerke; schon am Martinstag konnten drüben die Prediger der Eindeckung des Dachstuhls zusehen. Ueber den Bau der Kirche dagegen fehlen genauere Nachrichten; im Juli 1291 wird der Chor als schon stehend erwähnt; am 17. Mai 1293 konnte die vollendete Kirche, mit Chor und Altären, samt dem Kirchhof geweiht werden. Dieser Chor ist der heute noch stehende.

Wie bei allen Gotteshäusern, gilt auch bei Klingental die Ueberlieferung hauptsächlich der Gütergeschichte. Aber auf ihre Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Es muß genügen, an die Vermehrung des [215] Besitzes in Kleinbasel zu erinnern, die in diesen ersten Jahrzehnten stattfand; auch der Elsäßerbesitz, der älteste Kern des ganzen Klostergutes, erhielt noch Zuwachs in Türkheim, Ensisheim, Sulz, Häsingen usw. Beachtung verdient auch die methodische Erwerbung und Arrondierung in Oetlingen, wo die Klingentalerinnen 1280 mit Kauf der Ramsteiner Güter und Eintausch der Güter des Petersstifts Fuß faßten und in wenigen Jahrzehnten zu einer kompleten Grundherrschaft gelangten.

Welcher Art die gesellschaftliche Höhe des Konvents war, erhellt aus verschiedenen Angaben. Zwei Damen von Illzach, eine Witwe Junta von Schlierbach, Adelheid von Utenheim, des Straßburger Bischofs Konrad von Lichtenberg Nichte, eine Bertha Merschandin werden als Nonnen genannt; die alte Dame Vorgassen, Mutter des Ritters Heinrich, war im Kloster verpfründet.

Diesem ganzen Wesen entsprach die Breite und Gediegenheit der Einrichtung. Zumal im Fache der weltlichen Verwaltung. Kein anderes Frauenkloster Basels zeigt uns eine so große Zahl von Conversbrüdern, und überdies war Klingental so vornehm, daß unter diesen Conversen sich sogar Leute ritterlichen Standes befanden. Aber auch ein Müller ist unter ihnen, ferner der Klosterschuster, sowie der Steinmetz Bruder Johann; diesen darf man sich vielleicht als den Erbauer des Chors und der Kirche denken. Auch die Pfisterei (Bäckerei) des Klosters ist hier zu erwähnen und als weitere Hausmanufaktur die Weberei, der das Weberhaus gedient zu haben scheint; von diesem Hause trägt die Webergasse den Namen. In ähnlich reicher Weise war für die geistlichen Verrichtungen gesorgt. Es war dies nicht etwa Sache der Prediger; sondern wie das Steinenkloster, das gleichfalls unter der Aufsicht dieser Mönche stand, seinen eigenen Hauskaplan hatte, so lebte im Klingental eine Mehrzahl von Priestern, deren Pflicht vor allem darin bestand, Beichtväter der Frauen zu sein und für sie die gottesdienstlichen Geschäfte zu besorgen. Zu den Messen, die sie hiebei zu lesen hatten, kamen alle andern hinzu, die an den verschiedenen Altären des Klingentals gestiftet wurden, sodaß mit der Zahl dieser Stiftungen auch die Zahl dieser Klosterkapläne wuchs. Einer aus ihrer Mitte, Herr Rüdeger von Rufach, — er war der Vater der Begine Gerina Hirnapussin — schenkte 1298 dem Kloster ein Haus, das dieser ganzen Priestergesellschaft als Wohnung dienen sollte. Rüdeger heißt gelegentlich auch Leutpriester. Aber wenn dieser Titel auch in einer frühern Zeit des Klosters, während seiner Niederlassung im Wehratal, zu Recht bestanden haben mochte, so hatte er doch jetzt eine solche Bedeutung nicht mehr. [216] Klingental besaß in Kleinbasel keine Parochierechte, hatte keinen Seelsorgebezirk in der Stadt. Von einer eigenen Seelsorge konnte nur innerhalb seiner Immunität und in diesem Sinne dann vielleicht auch von einem Leutpriester geredet werden. In gleicher Weise hatte sein Kirchhof nur den innerhalb dieses Bereiches Sterbenden zu dienen, da die öffentliche Sepultur nur den Pfarrkirchen zustand. Als 1274 der Pfarrer von Kleinbasel den Nonnen die Ansiedlung in seiner Parochie gestattete, war von einer Einschränkung seiner Parochierechte nur insoweit die Rede, daß die Klosterkapläne den Frauen Gottesdienst halten sollten. Außerhalb des Klosters standen ihnen keine Befugnisse zu. Der Konsens aber, den die Sackbrüder 1273 erteilten, ging überhaupt nicht auf Parochieverhältnisse, sondern galt nur der Zone, innerhalb deren die Sackbrüder das Monopol des Bettelns hatten.

Zum Schlusse die Bemerkung, daß schon im dreizehnten Jahrhundert eine Niederlassung der Karthäuser in Kleinbasel gewesen zu sein scheint. Es werden dort schon zu Ende des Zeitraums Weingärten bei der Kapelle des heiligen Kreuzes erwähnt, „die vordem den Karthäusern zugestanden.“ Mit dieser Angabe verbindet sich die an anderer Stelle überlieferte Nachricht, daß die spätere Karthause ursprünglich an dieser Stelle durch Bischof Peter von Aspelt gegründet worden, wegen der dann ausbrechenden Kriegsunruhen aber nicht zur Vollendung gelangt sei. [217] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Drittes Buch.
Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft.




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[218] [219] Das Jahrhundert nach König Rudolfs Tod brachte der Stadt die Entwickelung zur Herrschaft.

Bei Beginn der Periode war der Bischof rechtlich und formell noch der Stadtherr. Mochte auch der faktische Zustand dem nicht ganz entsprechen, vielmehr der Rat schon allerhand Macht besitzen, so befanden sich doch die Hoheitsrechte noch ungeschmälert im Besitze des Bischofs. Das Ende des vierzehnten Jahrhunderts zeigt dem gegenüber ein völlig verändertes Bild: die Vogtei, das Schultheißentum von Großbasel, das Schultheißentum von Kleinbasel, das Gericht von St. Alban, der Zoll, die Münze, der Bannwein, das Brotmeisteramt, das Vitztumamt sind in Händen der Stadt; sie hat sich Kleinbasel vereinigt und die Herrschaften Liestal, Waldenburg und Honberg im Sisgau erworben. Die Entwickelung, die diese beiden Zustände verbindet, macht in der Hauptsache die äußere Geschichte Basels aus. Diese steht vor allem unter der Herrschaft des Verhältnisses zum Bischof; hienach ist ihre Darstellung zu gliedern.

Außerdem macht sich aber folgendes geltend: während im dreizehnten Jahrhundert der Schwerpunkt des öffentlichen Lebens in Deutschland sich am Rheine befunden, Basel als rheinische Stadt hieran Teil genommen hatte, ist seit König Rudolf eine Verschiebung eingetreten. Die Macht des Reiches hat auch im Osten zu fußen begonnen; in gleichem Maße, wie das Allgemeine nun von dort aus, von Oesterreich, von Bayern, von Böhmen seine Leitung erhielt, sank die Bedeutung der Rheinlande und damit auch die Bedeutung Basels. Seine Geschichte nimmt unverkennbar immer mehr den Charakter von Provinz- und Ortsgeschichte an.



[220] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Erstes Kapitel.
Peter Reich. Peter von Aspelt. Otto von Grandson.



Das Regiment des am 15. Mai 1286 durch Papst Honorius zum Bischof von Basel erhobenen Peter Reich ist durch nichts Eigenartiges und Mächtiges ausgezeichnet. Ihn charakterisiert vor allem sein wiederholtes Unterliegen gegenüber Heinrich von Isny.

Aber er hielt doch die guten Traditionen dieses Amtsvorgängers fest. In den wälschen Gebieten des Bistums durch den Ausbau der Feste Schloßberg und die Kämpfe gegen Graf Reinald von Mömpelgard. Bei diesen genoß er die Unterstützung des Königs Rudolf, der ihm überhaupt, vielleicht schon um seiner Zugehörigkeit zur alten Königspartei der Sterner willen, gewogen war; Rudolf rühmte von Peter Reich, daß er dem Morgensterne vergleichbar allen Fürsten des Reiches durch Tüchtigkeit und Treue voranleuchte, und noch in den letzten Tagen seines Lebens, zu Germersheim, hatte er diesen Basler bei sich. Andere Unternehmungen Peters knüpften an das durch seinen Vorgänger bei den Hauensteinpässen Begonnene an. 1277 hatte Graf Ludwig von Froburg die Schlösser Waldenburg und Olten vom Bistum Basel zu Lehen genommen; sein Sohn Graf Volmar mußte sich, nachdem er vergebens Widerstand versucht hatte, diesem Verhältnis aufs neue fügen und 1295 die Oberherrlichkeit des Bischofs anerkennen. Gleich ihm unterlag auch sein Vetter Graf Hermann von Honberg dem Basler Fürsten; nach erfolglosem Kampf hatte er sich zum Ersatze des Schadens zu verstehen und das Versprechen zu geben, daß er nach Teilung des Honbergischen Erbes das ihm Zufallende, Liestal oder Honberg, dem Bistum aufgeben und von ihm zu Lehen nehmen werde.

Neben dem Bild dieser Kämpfe steht aber als Zeugnis dessen, was dem Bischof doch das Willkommenste gewesen zu sein scheint, sein Freiheitsbrief für Delsberg 1289. Aus dem gewohnten Urkundenstil heraustretend preist er da dieses reclinatorium deliciosum, den wonnigen verborgenen Ort [221] der Ruhe, an dem er sich von der Mühsal des Herrschens erholen könne; zum Danke hiefür gibt er dem Burgflecken die Rechte und Freiheiten der Stadt Basel.

Für uns von Wichtigkeit sind nun die Erlebnisse dieser Stadt. Sie empfing 1292 den Besuch des Königs Adolf, der hier Weihnachten feierte. Im Oktober des folgenden Jahres war auch sie, wie ihr Bischof, an der Belagerung Colmars durch den König beteiligt. Aber vor allem der Beachtung wert ist, wie bei den vorhin erwähnten Unternehmungen des Bischofs gegenüber den Honberger und Froburger Grafen auch das Interesse der Stadt in Frage steht.

Allerdings handelte es sich dabei zunächst um die gräflichen Gebiete selbst. Aber wenn das Hochstift diese erwarb, so erwarb es damit zugleich die Beherrschung der beiden Pässe über den Hauenstein und zumal durch Honberg und Olten die Beherrschung eines Stückes der Gotthardstraße. Dies war von hohem Werte auch für die Stadt. Ihre Streitigkeiten mit Luzern in diesen Jahren, die Inhaftierung ihrer Burger Zebel, Meier von Hüningen u. A. durch die Luzerner, die Forderungen Einzelner auf beiden Seiten deuten doch wohl auf Verhältnisse, die sich aus dem Verkehr auf dieser Straße ergaben. Der Erwerb von Land in Zofingen durch den Basler Peter Münzer, die Zerwürfnisse zwischen Basel und Freiburg wegen des Prozesses ihrer Angehörigen Thüring und Simon und der Entscheid dieses Prozesses durch Podesta und Gericht zu Como sind weitere Zeugnisse solchen Verkehres. Ihre bestimmteste Ergänzung finden sie darin, daß 1295 die Stadt Basel selbst das Recht der Birsfähre und zugleich das Recht, zwischen Münchenstein und dem Rheine die Birs zu überbrücken, von den Honberger Grafen erwarb. Nicht um der paar nächsten Dörfer willen, sondern um die Bahn des großen Weltverkehrs zu verbessern, kaufte die Gemeinde das Recht des Brückenbaus. Wir erkennen hierin das erste Greifen der städtischen Kraft über ihre angeborne Grenze hinaus.


Am 3. September 1296 starb Bischof Peter Reich, und das Domkapitel, seines lange nicht geübten Rechtes sich erinnernd, schritt zur Wahl eines Nachfolgers. Aber die auch im Kapitel wirkenden Parteiungen führten zu einer Doppelwahl: der Dompropst Lütold von Röteln wurde von den Einen, von den Andern der Domherr Berthold von Rüti, Propst von Solothurn, zum Bischof gewählt.

Bei dieser Lage war ein Eingreifen der päpstlichen Regierung leicht. Sie verwarf die beiden Gewählten und gab ihrerseits das Bistum dem [222] Peter von Aspelt. Am 31. März 1297 stellte Papst Bonifaz diesen dem Volke von Stadt und Diözese Basel vor.

Der im Flecken Aspelt bei Luxemburg geborene Peter hatte dem König Rudolf als Arzt gedient, war Dompropst von Trier und 1296 Kanzler des Königs Wenzel II. von Böhmen geworden. Jetzt erhob ihn der Papst zum Bischof von Basel; zehn Jahre später wurde Peter Erzbischof von Mainz. Als solcher ward er der Leiter der deutschen Politik; großartig zeigt der Grabstein im Mainzer Dome sein Bild, wie er drei Königen die Krone aufs Haupt setzt.

Dieselbe Erscheinung eines mächtigen Menschen tritt uns auch aus den Denkmälern seiner Basler Regierung entgegen, so wenig zahlreich sie sind. Sein Kanzleramt in Böhmen und eine rege politische Tätigkeit hielten ihn oft lange Zeit von seinem Bistum fern; der Dompropst Lütold von Röteln, der Propst Martin von St. Leonhard, die Ritter Mathis Reich, Peter Schaler, Johann Macerel funktionierten dann als seine Vertreter. Dennoch hat er kräftig gewirkt. Die Synodalstatuten von 1297 und 1299, die Schaffung der unter dem Namen codex Basiliensis bekannten Sammlung von Urkunden und Rechtstiteln des Bistums, die Reservation der Einkünfte aller vakanten Pfründen zur Tilgung der Schulden des Hochstifts, bezeugen seine organisatorische Tätigkeit und die Energie seines Eingreifens. Beim Münster baute er eine Kapelle. Den durch frühere Bischöfe veräußerten hochstiftischen Besitz in Riehen kaufte er zurück, die Forderungen zahlreicher Gläubiger des Hochstifts löste er ein.

Das Wichtigste aber ist, daß unter ihm eine gegen Habsburg gerichtete Politik hier auftrat. Peter von Aspelt war seiner Zeit Kanzler von Böhmen geworden, um den habsburgischen Einfluß in diesem Lande zu stärken; als dann, nach der Wahl Albrechts zum deutschen König, der Gegensatz zwischen Oesterreich und Böhmen wieder hervortrat[WS 3], blieb Bischof Peter auf der Seite Böhmens. Er wurde zum größten Gegner des Habsburgischen Hauses.

König Albrecht hat in den frühern Jahren seiner Regierung wiederholt in Basel geweilt, zuerst im Oktober 1298, wenige Monate nach seiner Wahl. Da bestätigte und erneuerte er den Bürgern die Privilegien seines Vaters über Lehensfähigkeit und Hofgericht. Bei einem dieser Besuche geschah es, daß er persönlich in den Saal des Domkapitels eintrat und von den Domherren die Wahl des Hartung Münch an ein Canonicat erzwang. Es geschah dies der Partei zu Liebe. Denn jetzt gab es in Basel zwei Parteien, eine bischöfliche und eine österreichisch gesinnte; in Kapitel [223] und Ritterschaft lebten die alten Sonderungen wieder auf. Zum Bischof hielten die Geschlechter der Zerkinden, Vorgassen, Rotberg, Lörrach, Schönenberg, Schenk. Die Schaler, die Münche, die Kraft u. A. waren auf Habsburgs Seite; in dem stattlichen Hof der Münche auf St. Petersberg pflegte Albrecht Quartier zu nehmen. In seinem Heere hatte bei Göllheim, als die Könige um das Reich fochten, der Basler Ritter Lütold Münch den Tod gefunden; Konrad Münch war der vertraute Ratgeber Albrechts und diente ihm als Gesandter an Papst Bonifaz; den Domsänger Rudolf Kraft bestellte der König zu seinem Kaplan.

Nicht mehr wie einst bei Stern und Psittich handelte es sich um momentane Rivalitäten, um Glanz, Gunst und Ansehen; jetzt ging es um die großen Fragen der Macht, und die von den zwei starken und heftigen Naturen des Königs und des Bischofs getragenen Gegensätze sprachen sich aufs schärfste aus. In den Sisgauer Angelegenheiten trafen sie aufeinander.

Was die Basler Bischöfe Heinrich von Isny und Peter Reich hier unternommen hatten, war im Einverständnis mit König Rudolf geschehen, dessen eigene Pläne dadurch nicht gefährdet schienen. Jetzt war es anders. Der Konflikt der beiden Machthaber kam auch hier wieder zur Geltung. Albrechts Gedanken galten nicht allein einer Beherrschung der Gotthardstraße; als Oesterreich 1299 von Graf Volmar von Froburg die Herrschaft Arburg erwarb und damit einen ununterbrochenen Zusammenhang seines Gebietes vom Vierwaldstättersee bis zur Aare herstellte, so war dies allerdings von hohem Wert für die Verhältnisse des Verkehrs; aber die noch höhere Bedeutung dieses Erwerbs lag darin, daß er die transjuranischen Territorien Habsburgs seinen sundgauischen Aemtern um einen Schritt näher brachte. Vereinigung dieser beiden Gebietskomplexe war ein Ziel, das die Politik Habsburgs das ganze vierzehnte Jahrhundert hindurch nicht aus den Augen ließ. Ihm sollte nun auch der Erwerb der Herrschaften im Sisgau dienen.

Aber diesen Plänen kam der Basler Bischof zuvor. Graf Hermann von Honberg war am 19. November 1303 gestorben, und die Herrschaften Liestal und Honberg waren an seine Schwester Ita, Gattin des Grafen Friedrich von Toggenburg, gefallen. Im Dezember 1305 verkaufte diese die beiden Herrschaften um zweitausendeinhundert Mark an Bischof Peter.

Mit besonderer Feierlichkeit wurde dieser Kauf verbrieft. Die Urkunde trägt fünfundzwanzig Siegel; auch das Siegel der Stadt ist darunter, neben ihm hängen die Siegel zahlreicher Bürger. Man sieht deutlich, daß das große Geschäft im vollen Einverständnis von Bischof und Stadt geschehen [224] ist; letztere hat vielleicht, wie einst beim Kaufe der Herrschaft Pfirt, zur Beschaffung des Kaufschillings geholfen. Und dieses Einverständnis spricht sich auch in der Erklärung aus, die am Tage nach diesem Kauf Bürgermeister und Rat dem Bischof gaben; sie verpflichteten sich, keine Leute aus den soeben erworbenen Herrschaften zu Bürgern oder „zu irgend einem bürgerlichen Rechte“ anzunehmen ohne Konsens des Bischofs. Die Stadt fügte sich ganz den Interessen des in diesem Moment von einer mächtigen Politik belebten Hochstifts. Sie diente diesen Interessen auch bei einer zweiten Unternehmung.

Die ältere Linie der Grafen von Honberg besaß die Herrschaft Wartenberg, die Burgen, den Dinghof Muttenz und den Hardwald umschließend. Sie war Lehen vom Hochstift Straßburg. Wie bei Liestal und Honberg mußte sich auch hier die Rivalität Oesterreichs und Basels geltend machen. Da erwarben 1301 die Brüder Hugo und Kuno zur Sonnen, Bürger von Basel, diese Herrschaft von den Honberger Grafen zu rechtem Lehen. Die zur Sonnen hatten, um dies Lehen zu erhalten, den Grafen dreihundert Mark Silbers gezahlt und zwar aus der Kasse der Stadt Basel. Diese stand hinter dem Handel. Wie sie 1295 sich in den Besitz des Brückenrechts an der Birs gesetzt hatte, so gab sie jetzt die Mittel, um die ganze Herrschaft in die Hände zweier ihrer Bürger zu bringen, und ließ sich von diesen versprechen, den Erwerb nicht fahren zu lassen. Der eine der Erwerber, Hug zur Sonnen, der schon 1283 ein großer Kreditor des Hochstifts gewesen war, erscheint jetzt auch an einem andern Geschäfte mit den Honbergern beteiligt. Er erwarb 1302 von diesen und dem mitberechtigten Graf Volmar von Froburg den Zoll zu Liestal, zusammen mit Ritter Matthias Reich, der dem Bischof völlig ergeben war, ihm als Kämmerer und gelegentlich als Vikar diente und in demselben Liestal auch ein Burglehen besaß.

Alles dies zusammengehalten zeigt ein planmäßiges und gemeinsames Handeln des Bischofs und der Stadt. Der heftige Zorn König Albrechts über Vereitelung seiner Absichten auf Liestal und Honberg richtete sich daher auch gegen die Stadt, und diese war empfindlich getroffen, als es Albrecht gelang, jenen Mißerfolg wett zu machen. Er erwarb die Herrschaft Wartenberg 1306 von den Honbergern.

Durch diesen Kauf, der allerdings erst 1330 zur Wirkung gelangte, war Basel aus einer Position verdrängt, die es innegehabt, und vor seinen Thoren faßte Oesterreich Fuß. Es war das erste direkte und unverhohlen feindliche Hereinwirken der Herrschaft in die städtische Politik.

[225] Von der Erregung, die in Begleitung aller dieser Ereignisse durch Stadt und Land ging, geben uns vereinzelte Nachrichten ein Bild. Der Adel war durch Parteiung zerrissen, desgleichen das Domkapitel. Auch der Klerus wurde in den allgemeinen Hader hineingezogen. Schon 1297 wurde an der Synode geklagt über die Gewalttaten, denen die Geistlichen ausgesetzt waren; Laien aller Gattungen, oft verlarvt, fielen über sie her, mißhandelten sie, setzten sie in Haft, ja es kam bis zu Todschlag. Der Klerus begann Waffen zu tragen und zu gebrauchen, bis der Bischof dies verbot. Aber daß er selbst durch Hartung Münch ins Gesicht geschlagen wurde, zeigt, wie viel man sich erlaubte. Dem allem gegenüber sehen wir seine umfassenden kriegerischen Maßnahmen. Die Befriedigung der Schuldforderungen zahlreicher Adliger, die Aufnahme von Gütern solcher zu Lehen, der Bau eines Kastells auf dem Vollenberg oberhalb Kleinkems am Rheine, die Austeilung zahlreicher Burglehen in Schloßberg, Pruntrut, Istein, vor allem in Liestal, wo eine Art Garnison eingerichtet wurde, — alle diese Maßregeln des Bischofs waren Rüstungen für einen Krieg, der täglich losbrechen konnte.

Uns ist von Wert zu sehen, daß die Stadt nicht unberührt von diesen Händeln blieb. Sie sekundierte den Bischof in allem, und seine Feinde waren auch die ihren. Daher die Gefangennahme des Baslers Niklaus Stehelin durch den Grafen von Pfirt, andrer Bürger durch Herrn Thüring von Ramstein 1303. In Folge hievon aber auch ein kriegerischer Auszug der Basler; sie eroberten und zerstörten Schloß Ramstein, und nun ging das Erobern und Zerstören weiter; im Verlaufe von zehn Wochen brachen die Basler fünf Adelsschlösser. Aber wir erfahren nicht, welche.


Mitten in diesen Kämpfen geschah auf dem Bischofsstuhl ein Wechsel. Der große Peter von Aspelt erhielt das Erzbistum Mainz, am 10. November 1306; an seine Stelle in Basel trat durch päpstliche Ernennung Otto von Grandson. Dieser war seit dem Februar desselben Jahres Bischof von Toul, hatte aber schon in dieser kurzen Zeit sich mit der dortigen Bürgerschaft völlig überworfen und trat nun, leidenschaftlich in seinem Wesen und von Grund aus Wälscher, das Regiment zu Basel in einem Augenblicke an, da hier Alles in höchster Erregung war.

Nichts verlautet diesmal von einem Versuche des Domkapitels, selbst die Bischofswahl vorzunehmen. Ohne daß ein Gegner sich zeigte, in Uebereinstimmung mit der in Kapitel, Adel und Stadt herrschenden Partei [226] übernahm Otto die Herrschaft. Es blieb bei der bisherigen Richtung der Politik Basels. Und die Gegnerschaft gegen Albrecht wurde noch verschärft dadurch, daß in der Wahl Ottos ein nationaler Gegensatz und der bei den Entschlüssen des Papstes mitwirkende Wille Philipps von Frankreich zum Ausdrucke kam.

Von Bedeutung für Otto mußte namentlich die Haltung der Stadt sein. Daß sie gegen Habsburg gerichtet war, stellt diese Zeit in einen merkwürdigen Gegensatz zu den noch nicht so weit zurückliegenden Tagen König Rudolfs. Albrecht vertrat doch im Grunde dieselbe Politik wie sein Vater, und sein Streben nach Schaffung einer großen Hausmacht war nichts Neues. Aber was er jetzt mit dieser Tendenz im Sisgau unternahm, traf hier auf ein Beginnen des Basler Bischofs, der gleichfalls auf ein Territorium ausging, die Pläne seines großen Vorgängers Heinrich von Neuenburg wieder aufzunehmen schien. Daß aber die Stadt zum Bischof hielt, darf nicht befremden. Auch sie hatte Pläne im Sisgau, und auch diese wurden durch den König in Frage gestellt. Und überdies fand sie ein Zusammengehen mit dem Bischof ihren Interessen förderlicher als den Kampf. Die Methode, die später die Beziehungen zum Hochstift beherrschte, — dieses zu unterstützen, es der Stadt zu verpflichten, um zu gelegener Zeit einen Vorteil hievon zu ziehen — mochte Einzelnen schon damals als eine Möglichkeit vorschweben. Diese Politik setzte das Bestehen einer auswärtigen Macht voraus, die dem Hochstift und durch dieses der Stadt gefährlich war. Eine solche Macht zeigte sich jetzt offen: Oesterreich. Und so war der Stadt ihr Handeln vorgeschrieben.

Das enge Vertrautsein, das sie mit Peter von Aspelt verband, tritt in der Sisgauer Sache deutlich zu Tage. Deutlicher noch in dem Erlaß Peters vom 27. März 1305, durch den er den Bürgermeister und den Oberstzunftmeister ermächtigte, Geistliche, die auf frischer Tat bei Vergehen ertappt würden, zu ergreifen und gefangen zu halten, bis er selbst oder sein Vikar sie beurteilen könne. Im Vergleich mit spätern Protesten der Bischöfe gegen Ausdehnung städtischer Gerichtsbarkeit auf Geistliche ist dieser Erlaß bedeutsam; er gibt Zeugnis von der damals waltenden Stimmung.

In diese hinein trat nun Bischof Otto, und die Feindschaft Albrechts gegen ihn offenbarte sich sofort dadurch, daß er ihm die Investitur mit den Regalien versagte. Einige höchst lebendige Züge sind uns überliefert: die Audienz des Bischofs beim König im Münchenhof zu St. Peter, da Jener Diesen zu töten im Sinne trägt, der König ihn höhnisch als Scholaren [227] behandelt und nur die Geistesgegenwart des Dolmetschers Hugo zur Sonnen einen schlimmen Ausgang verhindert; oder wie die Königin Elisabeth, am Tage vor der Ermordung ihres Gemahls, diesem entgegen nach Rheinfelden reist, bei Kleinbasel der Bischof Otto an ihren Wagen tritt, um sich beim König empfehlen zu lassen, durch die Tücke des Konrad Münch aber von den eilenden Pferden mit Kot beworfen wird. Vor allem aber jene prächtig bewegte Szene, da die Kunde von Albrechts jähem Tode in Basel eintrifft, zur gleichen Zeit die Besatzung des rotbergischen Schlosses Fürstenstein, das durch die Truppen Albrechts belagert gewesen, hier einzieht, und nun ein Krawall entsteht, bei dem Niklaus Zerkinden durch Peter Schaler verwundet wird; Bischof Otto stellt sich an die Spitze des wild erregten Volkes, greift zum Stadtbanner und führt den ganzen Haufen gegen den Hof der Münche; das Gebäude wird erbrochen, geplündert und verwüstet, und als die Königlichen, die sich auf dem Münsterplatze gesammelt, heranrücken, kommt es zum Straßenkampf, das Volk dringt ihnen nach in die Häuser, treibt sie über die Dächer; zuletzt müssen sie die Stadt räumen.

Albrechts Nachfolger am Reiche war Heinrich VII. von Luxemburg, seine Wahl zum größten Teil das Werk des frühern Basler Bischofs Peter von Aspelt. Daß sie geschah im Sinne einer gegen Habsburg gerichteten Politik, entsprach den Wünschen Ottos von Grandson und stellte diesen ohne Weiteres auf die Seite des neuen Königs.

Am 6. Januar 1309 wurde Heinrich in Aachen gekrönt; im April verweilte er in Basel, mit einem mächtigen, mehr als tausend Pferde führenden Gefolge. Hier bestätigte er am 26. April die vor kurzem durch den Ritter Otto Münch geschehene Stiftung des Klosters Himmelspforte, neben Bellelay die einzige Niederlassung des Prämonstratenserordens in der Basler Gegend. Eine Folge dieses Aufenthaltes war auch, daß Bischof Otto zum Mitgliede der Gesandtschaft ernannt wurde, die nach Avignon gehen sollte, um vom Papste die Approbation der Wahl Heinrichs und die Zusage der Kaiserkrönung zu erlangen. Zu Avignon, im Juli 1309, starb Otto.

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Zweites Kapitel.
Gerhard von Wippingen. Johann von Chalon.




Sofort nach dem Tode Ottos von Grandson sorgte der Papst für Besetzung des Basler Bistums. Er übergab es am 30. Juli 1309 dem Gerhard, aus dem freiburgischen Geschlechte von Wippingen, der seit 1302 Bischof von Lausanne war. Aber das Domkapitel von Basel nahm diese Ernennung nicht an, sondern schritt selbst zur Wahl. Diese fiel auf den Ersten und Aeltesten der Körperschaft, Lütold von Röteln. Er war Dompropst; er saß seit einem halben Jahrhundert im Kapitel und war schon 1296 von einer Partei des Domkapitels als Bischof proklamiert worden; in jedem Betrachte erschien er jetzt als der des Amtes Würdigste. Er übernahm das Amt und begann zu herrschen.

Basel hatte nun zwei Bischöfe; der Kampf entbrannte. Doch begegnet uns dabei der vom Papst gesetzte Gerhard nie als tätig; statt seiner trat Papst Clemens selbst gegen den „Eindringling“ Lütold und dessen Anhänger auf. Diese Anhänger waren, nach des Papstes Aussage, der Klerus in Stadt und Diözese, die städtische Einwohnerschaft und der Rat selbst.

In der Tat schaltete Lütold ohne Vorbehalt und Einschränkung, unter allgemeiner Anerkennung als Bischof. Er hatte nach seiner Wahl die Schlösser und Städte des Bistums in Besitz genommen, die Herrschaft begonnen; bei Pontificalgeschäften vertrat ihn sein Suffragan der Bischof Martin. Die Handfeste, die er am 13. Oktober 1309 den Kleinbaslern erteilte, ist noch erhalten; auf die Handfeste für die große Stadt und auf den von Rat und Bürgerschaft ihm geleisteten Eid weisen die zornigen Klagen des Papstes über die „Versprechungen, Verpflichtungen und Eide“, mit denen Lütold das betörte Volk an sich gefesselt habe. Doch war auch der Papst nicht ohne Anhänger in Basel selbst. Er rief hier vor allem die Mendikantenorden zu seiner Hilfe auf; dem Predigerprior Günther und dem Barfüßerguardian Peter gab er, neben dem Bischof von Straßburg, [229] am 22. Januar 1310 die nötigen Befehle, um Volk und Klerus dem Lütold abspenstig zu machen und diesen vom Bistum wegzubringen. Dennoch dauerte der Widerstand weiter, und der Papst schritt jetzt zur Verhängung des Interdikts über die Stadt. Aber auch dieses blieb ohne ganze Wirkung. Die Barfüßer freilich schlossen die Türen ihrer Kirche; aber die Augustiner hielten öffentlichen Gottesdienst; der Suffragan Lütolds fuhr fort zu funktionieren; der Prior der Prediger erwies sich böswillig und lässig in Ausführung der päpstlichen Befehle. Da übertrug Clemens am 24. Juni 1310 seine Sache neuen Mandataren, dem Abt von Erlach und dem Propst von Solothurn; der Letztere, Graf Hartmann von Nidau, war auch Domherr von Basel. Zugleich exkommunicierte der Papst feierlich den Gegenbischof Lütold und Alle, die zu diesem hielten, unter ihnen auch den Rat, die Vorsteher und Beamten der Stadt. Der Barfüßerchronist jener Tage sagt, daß „Viele vom Volk“ mit dem Banne getroffen worden seien, und weist damit auf den schon beginnenden Abfall von Lütold hin. Und in den nun folgenden Monaten, während deren das Interdikt dauerte, kein Sakrament gespendet, kein Gottesdienst öffentlich abgehalten wurde, kein kirchliches Begräbnis stattfand, Viele als Gebannte sich aus aller Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen fühlen mußten, vollzog sich der Umschwung. Im Sommer 1311 konnte der Papst als Sieger gelten; der Klerus bekannte sich zu ihm und Bischof Gerhard; auch der Rat der Stadt erscheint jetzt als ein anderer und nimmt Aufträge des Papstes an; Lütold von Röteln weilte nicht mehr in Basel. Noch leistete er freilich Widerstand, und noch hielten einige seiner Domherren zu ihm, wie der Dekan Johann Kämmerer, Hartung Münch, Heinrich Kuchimeister, Werner von Gundolsheim u. A.; auch der Offizial Johann von Vinstingen, der schon unter Otto von Grandson Generalvikar gewesen war, zugleich Domherr von Metz, bewahrte ihm die Treue; aber wo in der Diözese Basel oder in den benachbarten Diözesen sich diese mit dem Bannfluch belegten und ihrer Pfründen entsetzten Männer aufhielten, mußte auf Befehl des Papstes der Gottesdienst eingestellt werden. Mit solchen Mitteln wurde der Streit bis zu Ende durchgeführt. Während seiner Dauer war Bischof Gerhard abwesend gewesen, meist in Italien bei Kaiser Heinrich VII.; im Dezember 1311 verfügte er auf seinem väterlichen Schlosse Wippingen über das Kleinbasler Schultheißenamt, im Frühjahr 1312 finden wir ihn im Bistum anwesend.

Lütold von Röteln nahm wieder die Dompropstei ein; am 19. Mai 1316 starb er, als der Letzte seines Geschlechtes.

[230] Diesem Streite folgte bald ein zweiter, größerer. Nach Heinrichs VII. Tode (24. August 1313 in Buonconvento) teilten sich die Kurfürsten. Lange zogen sich die Verhandlungen und Streitigkeiten hin; endlich im Herbst 1314 kam es zur Wahl; die habsburgische Partei erhob am 19. Oktober den Herzog Friedrich von Oesterreich zum König, am Tage darauf die luxemburgische Partei, geführt durch Peter von Aspelt, den Herzog Ludwig von Bayern.

Wie die andern Städte Süddeutschlands stellte sich auch Basel auf die Seite Friedrichs. Die österreichische Partei scheint in diesen Jahren hier das Regiment in Händen gehabt zu haben; und wenn unter ihrer Führung die Stadt den König aus dem Hause Habsburg anerkannte, so erhielt diese Politik auch von Seiten des Bischofs Gerhard keine andere Richtung. Während der Königswahl war der päpstliche Stuhl unbesetzt gewesen; der am 7. August 1316 gewählte Papst Johann XXII. erklärte sich für keinen der beiden Gegenkönige, sondern nahm eine abwartende Stellung ein.

Schon im Februar 1314 hatte sich Friedrich in Basel aufgehalten. Jetzt, einige Monate nach der Krönung, im Mai 1315, zu Pfingsten, hielt er hier königlichen Hoftag. Da wurden dem Volke durch einen Cisterziensermönch die Reichsheiligtümer gezeigt, die heilige Lanze, die Krone Karls des Großen u. a. m.; und im Glück einer prunkvollen Doppelhochzeit verband sich hier König Friedrich mit Elisabeth von Aragon, sein Bruder Leopold mit Katharina von Savoyen. „Wer könnte erzählen, was da alles in Basel geschah, an Turnieren und Waffenspielen!“ ruft der Chronist aus. Ein Graf von Katzenellenbogen wurde im Turnier durch einen Ritter Angreth von Gebweiler auf den Tod verwundet; aber den ersten Preis der Tapferkeit unter Allen und für lange Zeit erwarb sich Johann von Klingenberg. Es war ein glänzendes Getümmel; das von neuem an die Spitze des Reiches erhobene Haus Habsburg hielt Heerschau über seine Edeln. Und wie Manche von diesen gingen wenige Monate später am Morgarten unter!

König Friedrich tritt dann für Basel in den Hintergrund; alles scheint erfüllt von dem Leben, das von Herzog Leopold ausging. Unermüdlich stritt dieser für die Rechte seines Bruders und seines Hauses, bald hier bald dort, am Rheine bei Speier, am Lech, bei Solothurn. Schon nach dem Tode König Albrechts hatte er die Verwaltung der obern Lande übernommen. Und wie sehr auch Basler Edle an all seinen Feldzügen beteiligt waren, lehren die Verschreibungen, durch die er ihre Dienste belohnte, ihre Aufwendungen ihnen vergütete. Dem Burchard Werner von [231] Ramstein, dem Hans zu Rhein, dem Künzlin Münch, dem Heinrich Münch, dem Gottfried Münch, dem Lütold Münch verschrieb er solcher Art seine Steuern zu Brugg, zu Mellingen, zu Bremgarten, zu Wolhausen, zu Wehr usw. Aber auch der Burger Hug zur Sonnen wurde so von Leopold belohnt und entschädigt, und auch die Stadt Basel als solche diente ihm. Da er im August 1320 vor Speier zog, standen im weiten Kreise der Belagerer neben all den Städten der österreichischen Lande — die Speirer zählten ihrer neunzig Feldzeichen — auch die Bürger von Basel.

Es gehört zum Bilde der Zeit, daß in eben diesen Jahren einer der Mörder König Albrechts, Ulrich von Balm, zu Basel lebte, in der Verborgenheit eines Beginenhauses; daß der wegen desselben Mordes geächtete Konrad von Tegerfelden sich wahrscheinlich gleichfalls in Basel aufhielt; daß auch Gertrud, die Witwe des gerichteten Mörders Rudolf von Wart, hier verweilte.

Die Schlacht bei Mühldorf am 28. September 1322, die über die Krone des Reiches entschied, brachte auch in diese Basler Verhältnisse Wandel. Ludwig war Sieger, Friedrich sein Gefangener. Die Meisten, die bisher zu diesem gehalten hatten, erkannten nun Ludwig als König an, so auch Basel. Noch einmal kam Herzog Leopold in diese Stadt; düster saß er hier im Kreise der mit Scherz und Tanz sich um ihn bewegenden Herren und Damen des Basler Adels; dann brach er auf, mit seinen Scharen das abtrünnige Elsaß zu verwüsten.


Mit Gerhard von Wippingen gewann das Verhältnis des Bischofs zur Stadt einen neuen Ton.

Er war und blieb ein Fremder in Basel. Er kam unvermittelt von außen herein; er kam aus großen Verhältnissen. Gleich seinem Vorgänger Otto hatte auch er Beziehungen zu König Eduard I. von England gehabt, er war Archidiakonus von Richmond gewesen. Dann war er Bischof von Lausanne geworden. Daß ihm nun der Papst den Stuhl zu Basel gab, geschah im Zusammenhang mit einer allgemeinen Politik. In merkwürdiger Weise steht diese Zeit unter der Einwirkung wälschen Wesens; Kaiser Heinrich VII. selbst war nach Sprache und Denkungsart Franzose; dieselben Tendenzen, die Peter von Aspelt 1306 nach Mainz, den Franzosen Gerhard 1307 nach Konstanz brachten, walteten bei der Wahl Ottos nach Basel und jetzt wieder bei der Wahl Gerhards.

Dieser übernahm das Bistum, dem Willen des Domkapitels, der Geistlichkeit und der Bürger entgegen, im Kampfe und unter Anwendung [232] der schärfsten Mittel. Die Wirkung hievon verlor sich nie mehr, und die Entfremdung zwischen Bischof und Stadt, die das Regiment Gerhards kennzeichnet, blieb von da an, als das normale Verhältnis, bestehen. Es konnte dies umso eher geschehen, da die Szenen, die Gerhards Eintritt in das Bistum begleitet hatten, sich bei seinem Nachfolger wiederholten; und da in dieses lockere Verhältnis die Gegensätze von zwiespältiger Königswahl und von Schisma wiederholt hineinspielten, so verschwanden die alten Zusammenhänge immer mehr, die Verschiedenheit der Interessen und Absichten trat immer deutlicher hervor.

Dieses Verhältnis beginnt, wie erwähnt, unter Gerhard deutlich sichtbar zu werden. Es war ein Zustand, bei dem das eigene Wesen der Stadt in überraschender Weise gedieh.

Ob auch Gerhard so sehr ein Fremder war, wie Otto von Grandson, daß er die Sprache seines Bistums nicht zu reden verstand, läßt sich nicht erweisen. Aber bezeichnend ist, daß unter ihm das auswärtige Residieren der Bischöfe begann. Nicht nur um kurzer Erholung willen, wie etwa die alten Bischöfe getan hatten, suchten jetzt diese Herren ihre ruhigeren Schlösser in den Juratälern auf, St. Ursanne, Pruntrut, und vor allem Delsberg; das Meiden der Bischofsstadt wurde von jetzt an immer häufiger und bald Regel.

Aber Gerhards Regierung war durchaus nicht ohne Bedeutung, und die Kämpfe, die sie einleiteten und dann wieder beschlossen, geben ihr einen eigenen Reiz. Für die Stadt freilich hatte sie wenig unmittelbare Wirkung. Die Verpfändung des Bannweins durch Bischof Otto, die an sich keine große Sache war, deren Bedeutung aber darin liegt, daß mit ihr die Verpfändung bischöflicher Rechte an die Stadt begann, erneuerte Gerhard; auch seine Stellung im Ungeldstreit 1317 verdient erwähnt zu werden.

Dieser Streit entstand infolge eines Beschlusses von Bürgermeister, Rat und Zunftmeistern über Erhebung eines Ungeldes von allem Marktverkehr; die Geistlichkeit wurde dabei mit herangezogen, und hiegegen als gegen eine Verletzung der kirchlichen Freiheiten erhob das Domkapitel Protest. Es machte auch geltend, daß die Bürgerschaft gemäß ihrem Jahreid zu Erlaß eines derartigen Statutes ohne ausdrückliche Zustimmung des Domkapitels gar nicht befugt gewesen sei. Für den Fall, daß der Rat die Verfügung nicht zurücknehme, beschloß das Domkapitel die Verhängung der cessatio a divinis, d. h. die Einstellung des Gottesdienstes in den Basler Kirchen. Der Rat trat dem Allem entgegen; das Statut sei innerhalb seiner Befugnis, die kirchliche Freiheit nicht verletzt; sollte bei Ausführung des [233] Statuts etwas Ungebührliches geschehen sein, so erkläre er sich zur Vergütung bereit. Hierauf erfolgte die Cessatio; der Rat erhob Einsprache und appellierte an den Papst. Zugleich aber brachte er die Sache an Bischof Gerhard und bat diesen, die Streitsache zu schlichten, worauf Gerhard den Beschluß des Domkapitels über Verhängung der Cessatio suspendierte. Die Folge war, daß in einigen Kirchen, namentlich in denjenigen der Prediger und der Augustiner, der Gottesdienst in der Tat nicht eingestellt wurde, worüber neuer Streit zwischen diesen Konventen und dem Domkapitel ausbrach, der wie die Hauptangelegenheit nach Avignon zur Entscheidung vor höchste Instanz gebracht wurde. Wir erfahren nicht, wie schließlich die beiden Streitigkeiten ausgingen. Das Beachtenswerte ist, daß nicht der Bischof, sondern das Domkapitel gegen den Steuerbeschluß des Rates auftrat; es zeigt dies eine Uebereinstimmung mit der auch später geltenden Regel, wonach nicht der Klerus überhaupt, sondern nur derjenige des Domstifts als von städtischer Steuer befreit galt. Von Interesse ist auch die Haltung des Bischofs; daß er die Verfügung des Domkapitels aufhob, geschah kaum dem Rate zulieb, sondern in erster Linie wohl dem Domkapitel zuleid.

Bischof Gerhards Regierung zeigt uns das Bild eines tätigen und entschlossenen Fürsten; es ist zu erinnern an seinen Krieg mit Graf Rudolf von Neuenburg, die Gründung von Neuenstadt, den Erwerb von Straßberg und Büren. Aber diesen Errungenschaften steht der Verlust der Herrschaft Pfirt gegenüber.

Diese Angelegenheit scheint in merkwürdiger Weise verflochten zu sein mit einer zweiten Sache, derjenigen der Barfüßer und der Beginen, die während einiger Jahre die ganze Stadt in Mitleidenschaft zog und erregte.

Im Jahre 1318 stand die Herrschaft Pfirt, die seit Heinrich von Neuenburg Lehen des Hochstifts Basel war, vor der Gewißheit baldigen Erlöschens ihres Grafenhauses. Graf Ulrich hatte keine Söhne, nur Töchter. Diesen erteilte nun Bischof Gerhard am 30. Mai 1318 die Fähigkeit, ihrem Vater im Lehen zu succedieren. Diese Zusage erscheint als auffallend, um so mehr, da wenige Jahre später Gerhard selbst sich über ihre Konsequenzen beschwerte, die doch zu erwarten gewesen waren. Es müssen Einwirkungen bestimmter Art vermutet werden, und höchst wahrscheinlich gingen sie von den Basler Barfüßern aus. Die Beziehungen dieses Konvents zum Hause Pfirt sind mehrfach nachzuweisen; sein Lector Burchard von Eßlingen war Beichtvater des Grafen Ulrich; auch die Parteinahme des Konventes für Oesterreich ist zu ersehen. Im fernern ist daran zu erinnern, daß Gerhard [234] sein Bistum zum Teil der Agitation der Barfüßer verdankte. Dürfen wir hienach ein Eingreifen dieser Barfüßer zu Gunsten Pfirts annehmen und weiterhin vermuten, daß der Bischof die ihm abgewonnene Vergünstigung schon bald bereut habe, so erklärt sich seine Haltung in dem eben jetzt losbrechenden Beginenstreit.

Eine Konstitution des Concils von Vienne hatte 1311 die Beginen aufgehoben, mit Rücksicht darauf, daß in Beginenhäusern häretische Lehren verbreitet würden und daß sie Gelegenheit zur Unzucht böten. Doch ergaben sich bei Ausführung dieses Beschlusses Schwierigkeiten, indem einzelne Beginen ihre Orthodoxie, andere wiederum ihre Zugehörigkeit zum Dritten Orden erweisen konnten. Die Folge war Ungleichmäßigkeit im Verfahren der kirchlichen Obern, und die Haltung mußte um so schwankender sein, je weniger klar der Unterschied zwischen Beginen und Tertiariern vorhanden war oder erkannt wurde. Einer unberechtigten Ausdehnung des Spruches von Vienne auf die Tertiarierinnen des Minoritenordens war Papst Johann allerdings 1317 durch eine ausdrückliche Interpretation entgegengetreten. Dennoch dauerte die Verfolgung dieser Schwestern, namentlich von Seiten des den Minoriten feindlichen Weltklerus, vielerorts weiter. Auch in Basel geschah dies, so daß der Papst Anlaß nahm, den Schutz der Schwestern und der mit ihnen verbundenen Minoriten zu Basel dem Erzbischof von Besançon zu übertragen, aber ohne Erfolg. Denn wer hier den Barfüßern am entschiedensten entgegentrat, war der Bischof selbst. Mit einer Leidenschaft, die nur in ganz bestimmten Verumständungen ihre Ursache haben konnte, verfuhr er gegen die Brüder des Hl. Franciscus. Das Aufhebungsurteil von Vienne bezog er auf die Tertiarierinnen und erklärte die Barfüßer, als Begünstiger jener von der Kirche verdammten Personen, für exkommuniziert. Den wiederholten Mandaten des Papstes gegenüber hielt er mit merkwürdiger Hartnäckigkeit an diesem Verfahren fest und verpflichtete dazu, von seinem Offizial Richlin unterstützt, auch die gesamte Geistlichkeit der Stadt und Diöcese. In erregten Worten schildert der Chronist des Barfüßerklosters diese schwere Zeit. Ueber Basel war das Interdikt verhängt. Wenn einer der Barfüßer ein Dorf in der Umgegend besuchte, wurde dort der Gottesdienst eingestellt. Den Anhängern des Konventes wurden die Sakramente verweigert, ihre Toten mußten sie im freien Felde bestatten. Das Wichtige ist, daß es sich nicht nur um eine Zwistigkeit innerhalb der Kirche, um einen Hausstreit handelte, sondern um eine das Leben weiter Kreise unmittelbar ergreifende Sache. Denn viele Bürger, und diesen voran der Rat, standen zu den Barfüßern, auch der Graf von [235] Pfirt trat für sie ein. Nur ein einzelner Vorfall aus diesen Streitigkeiten ist uns überliefert, aber er besagt genug; es ist die Tötung des bischöflichen Offizials Richlin, der als Hauptpeiniger der Barfüßer galt, durch Die zur Sonnen.

Was einen Hader von solcher Ausdehnung und jahrelanger Dauer möglich machte, war freilich nicht die vereinzelte Antipathie des Bischofs, sondern der alte, allgemeine Widerwille der Weltgeistlichen gegen die Mendikanten. Es ist bezeichnend, daß gerade jetzt noch ein besonderer Zwist dieser Art zu dem großen Streite hinzutrat. Im Frühjahr 1321 starb eine Tochter des zu St. Leonhard eingepfarrten Bürgers Konrad Helmer, und die Barfüßer bemächtigten sich des Begräbnisses, trugen die Leiche aus Haus und Gemeinde fort auf ihren Kirchhof, verletzten dadurch die Rechte des Leonhardsstifts. Dieser klagte beim Bischof, und da die Barfüßer sich weigerten, die ihnen auferlegte Rückerstattung der Leiche und Vergütung des Schadens an das Stift zu vollziehen, so erfolgte wiederum Verhängung des Interdicts über alle Orte, an denen sich Barfüßer aufhielten; und diesem neuen Interdicte trat sofort ein weiteres zur Seite als Folge davon, daß in eben demselben Begräbnisstreit der Bruder der Verstorbenen, Johann Helmer, einen Chorherrn von St. Leonhard verwundet hatte.

„Ueber drei Jahre dauerte diese Verfolgung“, seufzt der Barfüßerchronist. Endlich, auf Pfingsten 1321, nahm sie ein Ende, durch eine Bulle des Papstes, in der dieser das Interdict aufhob und die Gebannten absolvierte. Am 2. Juni traf sie in Basel ein und wurde bei den Brüdern begrüßt als „eine von Gott gesandte Botschaft.“ Friede und Versöhnung war die Folge, durch die ganze Stadt herrschte Freude, lobpreisend öffneten die Barfüßer wieder die Tore ihrer Kirche zum Gottesdienst.

Am 11. März 1324, dem Sonntag Reminiscere, starb zu Basel der letzte Graf von Pfirt, Ulrich. Er ward in der Gruft zu Thann bei den Barfüßern eingesenkt, und alles Volk der Grafschaft wartete auf die Boten des Bischofs von Basel, die nun, nach dem Ausgang des Herrscherhauses, das Land in Besitz nehmen sollten. Da ward bekannt, daß des Grafen Tochter Johanna den Herzog Albrecht von Oesterreich heirate und die Herrschaft diesem zufalle.

Noch am 8. Februar desselben Jahres hatten Bischof und Domkapitel, ohne Zweifel in Kenntnis dieser österreichisch-pfirtischen Abmachungen, ausdrücklich beschlossen, daß kein Lehen ihrer Kirche veräußert werden könne. Die Heirat und der Uebergang der Herrschaft an Oesterreich geschah dennoch; [236] und daß die Klage, die Bischof Gerhard hierüber beim Papste erhob, von diesem abgelehnt wurde, ist natürlich. Johann XXII. bezeichnete als verwunderlich, daß der Bischof jetzt nicht anerkennen wolle, was er vor wenigen Jahren bewilligt habe. Aber hiebei kam vielleicht noch ein Weiteres in Betracht.

Nach der Mühldorfer Schlacht war im Herbst 1323 der Streit zwischen König Ludwig und dem Papste ausgebrochen. Der Letztere verlangte vom König den Verzicht auf die Reichsgewalt über Italien, und als Ludwig sich weigerte, trat Johann mit der Aufforderung hervor, daß Ludwig die Regierung niederlege und nicht eher wieder aufnehme, als bis er die päpstliche Bestätigung erlangt habe. Am 8. Oktober verkündigte er seinen ersten Prozeß in dieser Sache gegen König Ludwig. Dieser Erlaß war von Avignon auch nach Basel gekommen und hier am Epiphaniastag 1324 im Münster durch Bischof Gerhard verkündigt worden. Eine zweite Bulle des Papstes, mit der gleichen Aufforderung, aber mit der Androhung der Exkommunikation für den Fall des Ungehorsams, wurde sodann am 6. März im Münster proklamiert. Der alte Kanzler König Albrechts, Johann, jetzt Bischof von Straßburg, die österreichischen Herzoge Leopold und Albrecht, zahlreiche Laien und Geistliche wohnten diesem feierlichen Akte bei.

Wenige Tage später starb der Graf von Pfirt, wurde die Vermählung seiner Tochter mit Herzog Albrecht proklamiert, nahm Letzterer die Grafschaft in Besitz. Dies scheint den Bischof auf andere Gedanken gebracht und zur Parteinahme für Ludwig veranlaßt zu haben. Denn im gleichen Briefe, in dem Papst Johann die Klagen wegen Pfirts ablehnte, machte er dem Bischof Vorwürfe, daß er sich mit Ludwig von Bayern in Verbindung gesetzt und von diesem Hilfe gegen die Oesterreicher in Pfirt begehrt habe. Er warnte ihn drohend, weiterhin Einverständnis zu haben mit dem aus der Gemeinschaft der Kirche ausgestoßenen Ludwig. Und schon Tags darauf, am 9. Juni, gab er über den Kopf Gerhards hinweg dem Klerus in Stadt und Diöcese Basel seine Befehle für Publikation der Processe gegen Ludwig, da diese Publikation bis dahin in sträflicher Weise vernachlässigt worden sei.

Aber am 5. Februar 1325 schrieb Papst Johann dem Bischof, er sei verleumdet worden, und lobte ihn „als einen eifrigen Vollzieher der göttlichen Gerechtigkeit gegen Ludwig den Bayern“. Wir kennen die Verhandlungen nicht, die in der Zwischenzeit stattfanden, und der wirkliche Sachverhalt wird kaum mehr festzustellen sein. Daß nach der Einnahme [237] Pfirts durch die Herzoge Streitigkeiten dieser Herren mit dem Bischof ausbrachen, ist unleugbar; die Gefälle des Bischofs wurden arrestiert, seine Leute mißhandelt, seine Münzen verboten, und der Papst mußte noch im Januar 1325 dem Herzog Leopold anempfehlen, diese Feindseligkeiten einzustellen.

Unter der Wirkung solcher Ereignisse ging das Regiment Bischof Gerhards zu Ende. Er starb am 17. März 1325 und erhielt sein Grab in der Kapelle Heinrichs von Neuenburg beim Münster.


Nach dem Tode Gerhards regten sich wiederum die konkurrierenden Gewalten; aber auch diesmal sollte die päpstliche Macht, durch den Willen Johanns XXII. getragen, den Sieg haben.

Mit Eile bemächtigten sich sowohl Domkapitel als Curie der Ordnung der Nachfolge. Der Tod Gerhards muß dem Papste schon am 25. März bekannt gewesen sein; er gab an diesem Tage Bestimmungen für Sicherung des Nachlasses und reservierte sich, in einem Schreiben an das Basler Kapitel, ausdrücklich die Besetzung des Bistums. Aber als er dies schreiben ließ, war die Wahl zu Basel schon geschehen. Sie hatte am 22. März stattgefunden und war auf den Archidiakon Hartung Münch gefallen. Am 3. April empfing dieser die Konfirmation durch den Erzbischof von Besançon; am 4. April, dem Gründonnerstag, hielt er seinen feierlichen Einzug in Basel und nahm die Festen und Städte des Bistums in Posseß. Unterdessen hatte aber auch der Papst seine Wahl getroffen; am 30. März gab er das Basler Bistum dem Johann von Chalon, Domdekan von Langres.

Welch glänzende Erscheinung war dieser dem kleinen Hartung Münch gegenüber! Er stammte aus dem mächtigen burgundischen Grafenhause; sein Vater war Johann von Chalon, Herr von Arlay, seine Mutter Margaretha eine Tochter des Herzogs Hugo IV. von Burgund; durch sie war er der Neffe des Königs Rudolf, väterlicherseits Vetter des Pfalzgrafen Otto von Burgund und verwandt mit den Häusern Savoyen und Kiburg sowie mit Johanna, der Gemahlin Philipps V. von Frankreich. Der Papst rühmte seine Bildung, seine feinen Sitten. Aber er war wieder ein Ausländer, ein Franzose, den Basler Verhältnissen völlig fremd. Dazu erst fünfundzwanzig Jahre alt, sodaß er zu seiner Wahl eines Dispenses bedurfte.

Der Gegensatz, den diese beiden Wahlen schufen, war dem an andern Bistümern des Reiches damals bestehenden nicht von vorneherein gleich. [238] Das Verhältnis war hier ein anderes. Es handelte sich vorerst nur um einen Konflikt zwischen Domkapitel und Papst. Hartung Münch war seit jeher Parteigänger Oesterreichs gewesen, und seine Wahl konnte unmöglich als Bezeugung einer Parteinahme für Ludwig gelten.

Aber nun trat eine Aenderung ein. Hartung fand keineswegs eine Unterstützung an den Herzogen von Oesterreich; sie ließen ihn fallen und erklärten sich für Johann von Chalon. Ihre Stellung zum Papste nötigte sie hiezu, und im besondern noch bestimmte sie die Weigerung Hartungs, dem Herzog Albrecht die Investitur des Pfirter Lehens zu geben.

So waren nun die Parteien gestellt, und der Streit brach aus. Denn Hartung wich dem Papste durchaus nicht, er regierte als Bischof von Basel mit großem Anhange; aber da auch sein Gegner nicht nachgab und die österreichischen Herzoge zur Seite hatte, so kam es zum Kriege. Wir kennen dessen Verlauf im einzelnen nicht; wir hören von den mit Hartung verbündeten Herren und Städten, von der Erstürmung mehrerer Schlösser durch Johann von Chalon, von der Tötung und Verstümmelung von Menschen, dem Niederbrennen von Häusern, von der Verwüstung des Landes, die so groß war, daß allein das Kloster Lützel einen Schaden von zweitausend Pfunden erlitt. Hartung hatte sich von Anbeginn in den Besitz der bischöflichen Schlösser gesetzt; Johann weilte außerhalb des Bistums, in Neuenburg am See, mit Domherren, die ihm der Papst beigab. Vom Kapitel Gerhards war der Dompropst Otto von Avenches zu ihm übergegangen; aber dieser wurde durch Gerhard von Arberg eingefangen und in Haft gehalten. Seit Herzog Leopold gestorben (28. Februar 1326), hatte Johann als Helfer noch den Herzog Albrecht; er mußte diesem dafür zweitausendfünfhundert Mark Silbers verschreiben und ihm versprechen, ohne sein Einverständnis keinen Frieden mit Hartung zu machen. Einen Bund dagegen schloß er nicht mit ihm; einen solchen wollte er erst eingehen, wenn er seiner Herrschaft über die Bürger von Basel sicher war.

Wir machen uns die Vorstellung dieses Streites erst dann zu einer vollständigen, wenn wir auch nach dem lauten Kampfe hinhören, den der Papst Johann auf seine Weise von Avignon aus führt: in umfangreichen, zornig redigierten Schriftstücken verkündet er die Ungültigkeit der Wahl Hartungs, ladet diesen vor den päpstlichen Stuhl, fordert von dem Bisuntiner Erzbischof Rechenschaft darüber, daß er den „Eindringling“ bestätigt habe, verhängt Bann und Interdict, ruft die österreichischen Herzoge zur Unterstützung Johanns auf; der Letztere erhält, da ihm sein Bistum vorenthalten wird, allerhand Vergünstigungen; er darf seine Weihe verschieben, [239] einen Tragaltar gebrauchen, auch an den mit Interdict belegten Orten Gottesdienst feiern.

Namentlich aber sehen wir uns nach der Basler Bürgerschaft um. Hier war wie in andern Städten nach der Entscheidungsschlacht von Mühldorf ein Umschlag zu Gunsten König Ludwigs eingetreten. Bei der Bischofswahl 1325 hatte die Stadt den Hartung anerkannt, dem vom Papste gesetzten Johann den Gehorsam versagt. Die Folgen sowohl der Parteinahme für Ludwig als nun dieser Haltung im Streit der Bischöfe waren die üblichen: Belegung der Stadt mit dem Interdict, Bannung der Widersacher. Auch in den Krieg, der im Lande ringsum geführt wurde, sahen sich die Bürger hineingezogen; Herzog Albrecht redet von seinen Kämpfen mit der Stadt. Im Innern aber herrschte die größte Unruhe. Vor allem Streit mit den Religiosen, die das Interdict hielten und sich weigerten, Messe zuhalten. Bei den Dominikanern scheint es hiebei soweit gekommen zu sein, daß sie aus der Stadt gewiesen wurden; da verließen sie insgesamt ihr Kloster „und zogen mit Vortragung eines Kreuzes davon.“ Sie wichen vor der Partei, in deren Händen momentan die Gewalt war. Denn an eine die ganze Bürgerschaft umfassende Opposition ist nicht zu denken. Vielmehr bestanden, wie die zahlreichen Zeugnisse schon der nächstfolgenden Zeit lehren, große Parteien; Kaiserliche und Päpstliche lagen miteinander im Streit, und diese Kämpfe mußten die durch die Strafen der Kirche und den Krieg erregte Stadt noch um ihren letzten Rest von Ruhe bringen. Keine Schilderung dieses Zustandes ist auf uns gekommen; er war um so furchtbarer, da einzelne Katastrophen, wie die Verheerung Kleinbasels durch Brand am 3. Juli 1327, dazu traten und zur selben Zeit auch eine schwere Seuche die Bevölkerung heimsuchte; der im Basler Barfüßerkloster weilende Johann von Winterthur konnte sich später daran erinnern, daß damals an einem einzigen Tage fünfzig Leichen auf die Bestattung gewartet hätten. Es muß uns genügen, die Wildheit und Unerbittlichkeit jener Menschen dem einen Vorgange zu entnehmen, da ein Kleriker, der als Bote des Papstes dessen Erlasse gegen Bischof Hartung nach Basel brachte und hier zu verkünden d. h. an die Türen des Münsters oder des bischöflichen Palastes anzuheften wagte, ergriffen und aus diesem Palaste in den Rhein hinabgestürzt wurde; er hielt den Sturz aus und suchte sich durch Schwimmen zu retten, aber man setzte ihm zu Schiffe nach, fing und tötete ihn.

Doch solche Gewalttaten hemmten den Sieg der Curie nicht. Noch im Sommer 1327 sehen wir Hartung sich als Bischof benehmen; am 28. Juli erteilte er seiner Stadt Biel einen Jahrmarkt. Aber es ging mit [240] ihm zu Ende. Der Widerstand erlahmte. Im Februar 1328 ließ Hartung den Papst wissen, daß er nachzugeben bereit sei, und der Friede konnte geschlossen werden; schon im August 1328 ist von diesem Frieden als einer fertigen Tatsache die Rede, und die 1329 geschehende Aufnahme des Lütold und des Burchard Münch unter die Vasallen des Hochstifts hing wohl mit der Sühne zusammen. Noch einige Jahre lebte Hartung; am 25. Oktober 1332 starb er als Archidiakon der Basler Kirche und ward in der von ihm gebauten Kapelle neben dem alten Münsterturme begraben.

Bei diesem Friedensschluß erhielt nun aber auch Bischof Johann seine Belohnung. Am 6. April 1328 verlieh ihm Papst Johann das Bistum Langres, dessen Dekan er früher gewesen war. Die Curie vergalt ihm damit die großen Mühen und Opfer, die der Basler Episkopat verursacht hatte; zugleich übergab sie ihm dieses Bistum, dessen Fürst er bis dahin gewesen, zur Administration. Von der Wahl eines neuen Basler Bischofs mochte sie gerne absehen, um die Zwistigkeiten zu verhüten, die bei der noch lange nicht beruhigten Lage sich aus dem Anlaß einer Bischofswahl jedenfalls erhoben hätten.

Auch der Kampf Ludwigs mit dem Hause Oesterreich erlosch in diesen Jahren. König Friedrich starb am 13. Januar 1330, und am 6. August schloß Ludwig zu Hagenau endgültigen Frieden mit Friedrichs Brüdern, den Herzogen Albrecht und Otto. Die für Basel hochwichtige Bestimmung dieses Friedens war, daß die Oesterreicher die Städte Rheinfelden, Neuenburg und Breisach zum Pfand erhielten.

Das deutsche Königtum war nun Ludwig gesichert. Aber sein großer Streit mit dem Papst keineswegs zu Ende.


Auf den, Hintergrund einer zerrissenen und wilderregten Zeit steht das Bild des damaligen Basel vor uns. In zahlreichen Bistümern wiederholte sich die Zwietracht, welche die Häupter der Christenheit trennte; auch Abteien wie Säckingen und St. Gallen hatten Doppelwahlen. Aber bedeutender als diese Spaltungen, die oft mehr aus persönlichen und lokalen Umständen erwuchsen, war der neben ihnen hergehende Kampf des Minoritenordens gegen die offizielle Hierarchie, sich erhebend aus der Diskussion über eine der idealsten Forderungen des Ordensstifters. Es war dies die Forderung der vollkommenen Armut, des Verzichts auf alles Eigen, nicht nur für den Einzelnen persönlich, sondern für den ganzen Orden als solchen. In den ersten Zeiten hatte diese Forderung ihre Erfüllung finden können. Aber sobald die Entwickelung nur einen Schritt weiter ging, entstanden [241] Verhältnisse, die sie unausführbar machten. Man behalf sich mit der Deutung, daß der Orden an den Dingen, die er zum täglichen Leben gebrauche, nur den Nießbrauch habe, während das Eigentum dem päpstlichen Stuhle zustehe. Aber das konnte nicht genügen; es gab immer ernste Gewissen, die sich durch einen solchen Zustand beunruhigt fanden. Auf diesen Grundlagen bewegte sich der Kampf um die Observanz, der schon das dreizehnte Jahrhundert erfüllt hatte, und an ihn schloß sich jetzt unter Johann XXII. der theoretische Streit über die Armut Christi und der Apostel. Die Kirche verwarf 1323 den Satz über diese Armut, sie erklärte ihn für Ketzerei. Aber der Minoritenorden fügte sich ihrem Entscheide nicht; er nahm den Kampf gegen die Kirche auf, und dieser Kampf wurde mit der höchsten Erbitterung geführt. Beachtenswert ist, daß er viele Minoriten zu Parteigängern König Ludwigs machte. Auch dieser stritt gegen den Papst, und er stand nicht an, die Forderungen dieser Mönche mit den Seinigen zu verbinden.

Welche Gestalt nahmen diese Kämpfe in Basel an?

Seit der Sieg Ludwigs im Reiche einen Teil der Basler Bürgerschaft auf seine Seite gebracht hatte, waren Bann und Interdict auch hier ausgesprochen worden. Die Maßregel setzte fort, was nach der Doppelwahl an das Bistum 1314 und beim Beginenstreit 1318—1321 geschehen war; neben sie trat 1325 das gleiche Verfahren im Kampf der beiden Bischöfe Hartung und Johann. Von da an bestand das Interdict noch jahrelang, wurde nicht mehr dauernd, sondern nur zwischen hinein jeweilen für kurze Zeit suspendiert.

Es fällt schwer, sich eine Vorstellung zu machen von dem Zustande, dem die Stadt durch solche Behandlung verfiel. Die Kirche schloß ihre Türen, untersagte ihren Dienern, dem Volke beizustehen. Der furchtbare Ernst und die Härte dieser Maßregel sind nicht zu bezweifeln, auch wenn wir uns sagen, daß wir bei ihr weder an etwas gleichmäßig Dauerndes, noch an etwas umfassend Allgemeines denken dürfen.

In Betracht kommen vorerst die scharfen Erlasse des Kaisers selbst, mit denen er der Kirche entgegentrat. Er rief alle weltliche Gewalt und Obrigkeit zum Widerstand auf; er ermächtigte die Städte, die Güter der Interdict haltenden, nicht celebrierenden Priester einzuziehen, die Geistlichen selbst gefangen zu setzen.

Aber auch abgesehen hievon ist an ein allgemeines Halten des Interdicts durch die ganze Stadt nicht zu glauben. Die Kirche selbst trat als eine geteilte auf. Seit Mai 1328 hatte König Ludwig seinen eigenen [242] Papst, den Minoriten Peter von Corbara, der sich Nikolaus V. nannte und dem Avignoneser entgegen in Rom residierte. Daß nun auch in Basel der Klerus auseinanderzufallen begann, erhellt aus den bittern Klagen, die Papst Johann hierüber laut werden ließ. Es ist dabei von einzelnen Bettelmönchen die Rede, die in interdicierten Kirchen Messe lesen. Auch der Abt von Beinwil benahm sich als Anhänger von Nikolaus V.; er erhält von diesem den Auftrag, die geistlichen Strafen aufzuheben, die Jakob von Caturco (damit ist Johann XXII. gemeint) über die Stadt verhängt habe. Was der Chronist als allgemeinen Zustand schildert, fand sich wohl auch hier: „Die eine Kirche, vom Gebot des Interdicts sich freihaltend, öffnete in der Feier der Lobpreisungen Gottes unerschrocken und sicher ihren Mund; die andere, sich dem Interdicte unterwerfend, schloß die dem Herrn singenden Orgeln. Gegenseitig schmähten sie sich, und ein merkwürdiges Mißtrauen trennte sogar singende von singenden, schweigende von schweigenden Kirchen.“

Hiebei ist der Basler Konvent der Barfüßer einer gesonderten Erwähnung wert. Wir begegnen seinen Brüdern im Lauf dieser erregten Jahrzehnte wiederholt als den willfährigsten Söhnen der Kirche, bei den Bischofswahlen 1314 und 1325 wie beim Ungeldstreit 1317; im deutlichen Gegensatze zu der Selbständigkeit, die das Domkapitel, die Prediger, die Augustiner, der Bischof selbst zeitweise behaupten, zeigen die Barfüßer ein ausdauerndes Ergebensein, und dies macht ihre Stellung in allen diesen Bewegungen der Episkopate Gerhards und Johanns zu einer bemerkenswerten. Als das Wichtigste hiebei hat aber zu gelten, daß sie, gleich den Konventen im nahen Neuenburg und in Schaffhausen, das Interdict beobachteten; während die deutschen Minoriten im Großen und Ganzen, durch den Armutstreit mit dem Papste entzweit, der Sache Ludwigs dienten, blieben die Basler Barfüßer dem Papste treu und enthielten sich des öffentlichen Celebrierens. Als 1332 das Provinzialkapitel in ihrem Kloster gehalten werden sollte, bewilligte ihnen der Papst, eine Ausnahme zu machen und trotz dem Interdict Gottesdienst zu halten. So finden wir die Basler Barfüßer immer in derselben Stellung, dem Papste gehorsam, dem von ihm gesetzten Bischof anhangend, das hohe Gefühl kirchlicher Macht ohne Wanken vertretend. Gerade in diesen Jahrzehnten ist der gewaltige Bau ihres Chors aufgeführt worden. Man wird, unter Hinweis auf die allgemeinen Zustände der Zeit, diesen Bau als das Denkmal der soeben geschilderten entschlossenen Haltung der Basler Minoriten ansehen dürfen, als stolzen Ausdruck ihrer Gesinnung und zugleich als Zeugnis des Ansehens [243] sowie der Unterstützung, die der Konvent trotz allen Parteiungen genoß.

Wie im Allgemeinen, so ergibt sich auch bei den Einzelzuständen Basels das Bild eines wenig geschlossenen Wesens der ganzen Bewegung. Wir sehen ein Hin- und Herfluten vor uns und werden der schroffsten Gegensätze gewahr. Die zahlreichen Schreiben, die zu Beginn der 1330er Jahre aus der Kanzlei zu Avignon an die Stadt Basel erlassen wurden, wechseln merkwürdig zwischen Ermahnung, Lob und Drohung. Auch nach Abzug des Rhetorischen bleibt noch genug, um aus diesen Schriftstücken zu erkennen, wie schwankend der Zustand war. Es bestanden Parteien in der Stadt, starke Parteien, die sich unausgesetzt regten, durch Einflüsse aus der Nachbarschaft, Botschaften des Papstes, Erweisungen des Kaisers angetrieben wurden. Als Anhänger des Letztern werden die Schaler und die Kuchimeister genannt; Werner Schaler funktioniert hier als sein Reichsvogt. Ihnen gegenüber tritt das Geschlecht zur Sonnen für die päpstliche Sache ein. Der Administrator des Bistums, vielfach in Langres festgehalten, begegnet zwar noch wiederholt am Oberrhein, nie in Basel selbst, sondern in Delsberg, Biel, Pruntrut; in seiner Abwesenheit vertritt ihn als Generalvikar der Prior von St. Alban, Johann. Aber auch dieser ist nicht immer an seinem Posten; als in einem dieser Jahre die Visitatoren aus Cluny sich einstellen, finden sie den Prior nicht vor und vernehmen, daß er die Stadt verlassen hat, um sich vor den Nachstellungen eines Gegners zu sichern. In solcher Weise offenbaren sich uns Parteien und Führer, und wir dürfen annehmen, daß die alljährliche Erneuerung des städtischen Regimentes unter dem Feldgeschrei Kaiser oder Papst sich vollzogen habe. Die Partei, die ans Ruder kam, gab der Stadt die Haltung. So machen im Frühjahr 1330 die Bürger Miene, vom Kaiser zu lassen; es ist Aussicht vorhanden, daß sie samt dem Bischof einem Bunde mit Oesterreich zur Bekriegung Ludwigs beitreten. Aber diese Wendung geht vorüber, trotzdem der Papst die Bürger zu Frömmigkeit und Treue ermahnt, den Konrad Schuster zur Sonnen standhaft bleiben heißt, den Administrator Johann eiligst von Langres nach Basel beordert. Im August 1330 erscheint hier Kaiser Ludwig selbst, geleitet durch König Johann von Böhmen und Herzog Otto von Oesterreich. Aufs neue wird das Interdikt verhängt, dann wieder suspendiert. Im Mai 1332 hat der Papst Anlaß, die Treue und Anhänglichkeit der Basler Bürger zu preisen; aber im Herbst gleichen Jahres besteht das Interdikt schon wieder. Vor Weihnachten wird es neuerdings suspendiert, im Herbst 1333 diese Suspension erneuert. Wie im Mai 1332 [244] von einem Bunde der Stadt mit Straßburg, Freiburg und Mainz die Rede ist, der sich gegen Kaiser Ludwig richten soll, so jetzt sogar von einem Kriegszuge, den die Bürger von Basel ausrüsten; sie ziehen unter Führung des Priors Johann von St. Alban, der ihren Bischof vertritt, ins Feld, um dem Bischof Berthold von Straßburg gegen Ludwig beizustehen.

Alle diese Einzelheiten finden hier absichtlich Erwähnung. Sie zeigen deutlich, wie beschaffen die Lage war, wie die Stadt nie zur Ruhe kam.

Das geschichtlich Wichtige dieser Vorgänge ist aber ein doppeltes.

Zunächst die Wirkung, die ein solches Leben auf die ernster Denkenden ausüben mußte. Welche Wertung der Kirche, ihrer Organe und ihrer Handlungen ergab sich, wenn, wie hier geschah, politische Weltfragen zu Gewissens- und Heilsfragen umgewandelt und als solche dem Einzelnen gewaltsam zur Entscheidung vorgelegt wurden, wenn ein Kampf um Macht und Herrschaft geführt wurde mit Mitteln, die für ganz andern Gebrauch und zu ganz andern Zwecken geschaffen waren! Nicht Wenige mußten hiebei, wenn sie nicht den Glauben überhaupt verloren, stumpf und verbittert wurden, das Ganze als eine Nötigung empfinden zum Suchen des Heils außerhalb der Kirche.

Das Zweite ist, daß diese Vorgänge auch im Politischen emanzipierend wirkten. Wie ungenügend vertraten doch diese wälschen Herren, die jetzt Bischöfe von Basel wurden, den Begriff des Stadtherrn. In ihrem Fremdsein die Verhältnisse der Stadt entweder nicht verstehend oder gleichgültig übersehend waren sie die stärksten Förderer des städtischen Wesens. Hiezu trat nun dieser andauernde kirchenpolitische Zwist großer Art, in dessen Verlaufe Basel für Papst, Kaiser und Bischof als eine Stadt galt, der sowohl feindlich als werbend wie einer Macht eigener Art und freier Selbstbestimmung zu begegnen war. Unter den Bischöfen Peter und Otto hatte die Stadt im Anschluß an sie gehandelt und sich empor gebracht; jetzt wuchs sie im Kampf mit den Stadtherren. Den Letztern zum Schaden noch über den Verlust ihres Ansehens und Rechts in der Stadt selbst hinaus. Denn damit begann für sie auch das Verlieren der politischen Stellung am wichtigsten Punkte des Oberrheins; so lange sie hier Herren waren, besaß ihre Politik eine Größe und Kraft, die später, als sie in der Hauptsache nur noch ihr jurassisches Gebiet unter sich hatten, nicht mehr wiederkehrte.

Natürlich handelte es sich bei diesem Allem nur um allmähliche Wirkungen; momentan spürbar waren die Ereignisse hauptsächlich für den [245] Einzelnen. Das öffentliche Leben der Stadt wurde durch sie nicht ausgefüllt; ein ganzer Komplex von Verwaltung, Politik, Betätigung bestand unbeeinflußt daneben.

Zu erinnern ist hiebei an einige Zerwürfnisse und Fehden, die aus dieser Zeit gemeldet werden, ohne daß wir ihren Anlaß bestimmt erkennen. Solcher Art war der Krieg der Stadt mit Werner Truchseß von Rheinfelden und seinen Anhängern, in dessen Verlauf die den Vitztumen zustehende Burg Waldeck von den Baslern eingenommen wurde. Ein andrer Zug geschah im Herbst 1332; die Basler legten sich vor Schloß Röteln; doch hinderte Vermittlung Dritter den Sturm; Anlaß des Streites war die Tötung des Basler Bürgermeisters, wahrscheinlich des Burchard Werner von Ramstein, durch den Markgrafen Rudolf von Hochberg gewesen.

Sodann beginnt in dieser Zeit ein neues Element in der Geschichte der Stadt sich geltend zu machen: Landfriede und Bündnis.

Unter Landfrieden sind Maßregeln gegen Mißbrauch des Fehdewesens, zur Sicherung des Verkehrs und des Handels zu verstehen. Nicht um Landfriedensgesetze des Königs handelt es sich dabei, sondern um provinzielle Landfriedenseinungen der Fürsten und Städte; in solchen Provinziallandfrieden bestand seit König Rudolf die Haupttätigkeit auf diesem Gebiete. Ihr Wesen war, daß für eine bestimmte Zeitdauer und einen bestimmten Bezirk die Wahrung des Landfriedens vereinbart wurde, unter Aufstellung amtlicher Landfriedensausschüsse, denen die Ausführung im Einzelnen übertragen war.

Aber diese Landfriedenseinungen gingen bald über ihren ersten und eigentlichen Begriff hinaus. Sie wurden zu Schutzbündnissen; neben der Handhabung des öffentlichen Friedens dienten sie der Politik der einzelnen Bundesglieder.

Für die Geschichte Basels im vierzehnten Jahrhundert sind diese Vereinigungen charakteristisch. Unaufhörlich hat sich die Stadt an ihnen beteiligt; ihre politische Selbständigkeit kommt am deutlichsten in ihnen zum Ausdruck.

Die frühesten sind Provinziallandfrieden, bei denen noch der König selbst mitwirkte, 1301 Albrecht, 1310 Heinrich. Außer ihnen schließen beide Male den Vertrag dieselben Mächtigen des Landes: die Landgrafen, die Bischöfe von Basel und von Straßburg, die Städte Basel und Straßburg; der Landfriede gilt für das Gebiet zwischen Birs und Selz, Rhein und Vogesen. Diesen beiden Bünden folgten zahlreiche andere, an denen Basel jeweilen teilnahm, deren Zusammensetzung im übrigen aber eine wechselnde [246] war. Die verschiedenen Gruppen der „rheinischen“, der „niedern“ und der „obern“ Städte kommen in Betracht; neben ihnen die Herrschaft Oesterreich, die Grafen von Kiburg, von Nidau usw. Solcher Art war 1303 der Landfriede Basels mit Straßburg, Bern, Solothurn, mit den Grafen von Kiburg und von Habsburg und mit der Herrschaft Oesterreich, 1317 mit den Bischöfen von Basel und Straßburg sowie zahlreichen Fürsten und Städten des Sundgaus und Breisgaus. 1327 kam ein großer Landfriede zu Stande, der drei Landfriedenskreise vereinigte und in diesen mit den Oberrheinstädten Basel Freiburg Straßburg einerseits Speier Mainz Worms, andrerseits Bern Zürich St. Gallen Konstanz Lindau, sowie den Grafen Eberhard von Kiburg umfaßte, und dem dann auch die Länder Uri Schwyz Unterwalden beitraten. Ueber den alten Begriff von Wahrung des Landfriedens ist hier deutlich hinausgegangen; der Bund wird geschlossen mit dem Gelöbnis gegenseitiger Beratung und Hilfe in dem Falle, daß einer der Verbündeten in Krieg verwickelt werde. Auf die großen Fragen und Gegensätze, die alles Land erregen, wird mit keinem Worte hingewiesen, aber der Gedanke an sie beherrscht jedenfalls die Einung. Nach zwei Jahren wurde dieser Bund erneuert, jedoch ohne Beteiligung der drei Mittelrheinstädte sowie der Waldstätte. Ihn löste ab der große Bund von 1333, der im Zusammenhang stand mit der Beilegung des Gümminenkrieges und geschlossen wurde durch die Herrschaft Oesterreich, die Grafen von Nidau, Fürstenberg, Kiburg, die Städte Basel, Konstanz, Zürich, St. Gallen, Bern, Solothurn; er umspannte in gewaltiger Ausdehnung das Schwarzwaldgebiet, das ganze Gebiet zwischen Rhein, Alpen und Jura, und zwischen der First der Vogesen und dem Rhein bis an den Eckenbach und die Ill. Dauern sollte er bis 1338; nur die Basler banden sich nicht länger als bis 1334, wohl mit Rücksicht auf ihre innern Streitigkeiten und die gerade damals mit Bischof Berthold von Straßburg zusammen geplante Unternehmung gegen König Ludwig.

Aber dieser Bund war für geraume Zeit der letzte seiner Art. Der Gedanke solcher Vereinigungen mochte ein großer sein; die Ausführung blieb doch hinter ihm zurück. Die Kräfte, die politische Lage, die Bedürfnisse der Teilnehmer waren zu verschieden; bei der großen Ausdehnung des Bundesgebietes konnte der Einzelne in Unternehmungen hineingezogen werden, die seinen eigenen Interessen gar nicht entsprachen. So lagen die Kriegszüge der von Bern kraft Landfriedensbund aufgebotenen Basler vor Wimmis im Simmental 1303, vor die freiburgische Feste Gümminen 1331, wobei sie mit einer Schar von sechzig Helmen aufrückten, noch außerhalb [247] ihrer Interessen und Beziehungen. In der Geschichte der Stadt tragen diese Unternehmungen einen singulären Charakter. Sie sind Episoden, erscheinen wie verfrüht. Noch ging hier die allgemeine Tendenz des Lebens rheinabwärts. Das Feld der Politik Basels war die Rheinebene. Der Gebirgskamm des Hauensteins galt als Marche; er schied Oberland und Niederland, und zu dem letztern gehörte Basel.

Aus solchem Zusammenhange heraus erklären sich nun die Bündnisse Basels mit Straßburg und Freiburg, die Jahrzehnte hindurch einen Faktor in seiner Geschichte bilden. Aber es ist dabei auch noch an Anderes zu denken. Den weitumfassenden Landfriedensbünden gegenüber versprach eine Liga mit enger Begrenzung bestimmte Vorteile. Namentlich aber war die Entwicklung Oesterreichs maßgebend, das seit der Pfirter Heirat der große Fürst am Oberrhein wurde; sie nötigte zu rein städtischen Verbindungen.

Der erste Bund von Basel Straßburg Freiburg wurde 1326 geschlossen zu Nutz, Notdurft, Frieden und Frommen dieser Städte und ihrer Bürger; sie wollen einander getreulich beraten und beholfen sein in allen Kriegen, die sie selbst führen oder die gegen sie geführt werden; wird eine der Städte geschädigt, so sollen ihr die andern zu Hilfe kommen und den Schädiger angreifen; ohne gemeinsamen Willen der Städte soll kein Fürst oder Herr in den Bund aufgenommen werden; die Grenzen, innerhalb deren die Bestimmungen des Bundes gelten, sind Pruntrut und der Hauenstein, Vogesen und Schwarzwald, und im Norden die Selz. Von den heftigen Streitigkeiten mit Bischof und Papst, die in Basel den Abschluß dieses Bundes begleiteten, läßt das Bundesdokument nichts verlauten; aber es ist bezeichnend, daß Basel diesen Bund gerade jetzt schloß; es ging ihn ein mit Bürgerschaften, die gleich ihm auf der Seite des Königs standen.

Diesem ersten Zusammentreten der drei Städte folgten von da an, jeweilen in knappen Zwischenräumen weniger Jahre, die Erneuerungen und Bestätigungen. An die dreißig solcher Verbriefungen liegen aus dem vierzehnten Jahrhundert vor uns; die Zahl zeigt, wie bedächtig die Städte vorgingen, indem sie stets nur auf kurze Zeit sich verpflichteten, und wie unentbehrlich ihnen doch das Verhältnis war. Der Lage Basels entsprach dieses durchaus; es bestimmte während langer Zeit seine Beziehungen zu den elsässischen und breisgauischen Landen.

In diesen Beziehungen wurzelte auch die Teilnahme Basels am Schwanauerkrieg. Die Burg Schwanau, oberhalb Straßburgs am Rheine gelegen und den Herren von Geroldseck als Pfand des Reiches zuständig, [248] war als Raubhaus, aus welchem Verkehr, Handel und Wandel geschädigt wurde, eine Schmach und Plage für den ganzen Oberrhein. Im April 1333 taten sich alle Beteiligten, die Herrschaft Oesterreich, die Städte Basel, Straßburg, Breisach, Neuenburg usw. zusammen, um die Burg zu brechen. Nach fünfwöchentlicher Belagerung wurde die starke Feste bezwungen, die Besatzung hingerichtet, der Bau zerstört, auch das gleichfalls geroldseckische Schuttern bei Lahr eingenommen; erst 1334 kam es durch Vermittlung des Kaisers zum Frieden. [249] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Drittes Kapitel.
Johann Senn von Münsingen.




Ein Charakteristisches dieser Periode ist zunächst, daß in ihr der Bischof regierte, den das Kapitel gewollt hatte; von vorneherein war damit ein Gegensatz beseitigt, der unter den letzten Episkopaten Verwirrung und Hader in die kleine Basler Welt gebracht hatte. Hiezu kam das Erlöschen des Streits im Reich und das Aufhören des Interdicts; die Folge hievon war eine unendliche Beruhigung im Innern der Stadt.

Die so gekennzeichnete Zeit ist von hoher Wichtigkeit für die Entwickelung Basels; aber der Gang dieser Entwickelung tritt nirgends in Anstoß und Wirkung scharf erkennbar hervor. Auch ist die Zeit durch keine heftigen Persönlichkeiten belebt. Ihr Eigenes liegt überdies darin, daß sie schwächer bezeugt ist als irgend eine andere Periode.

Alles dies gibt ihrem Bilde etwas Mattes, Unbestimmtes. Die großen Ereignisse der Pestilenz, des Judenmordes und des Erdbebens stehen in dem allgemeinen Verlauf wie rasche schreckliche Episoden.


Am 23. Mai 1335 starb Johann von Chalon. Offenbar in seiner Kathedralstadt Langres. Kein Basler Anniversar erwähnt seinen Tod.

Auch diesmal wieder unternahm das Domkapitel von Basel — es stand unter der Führung des mächtigen Dompropsts Thüring von Ramstein und des Dekans Jakob von Wattweiler — eine Wahl. Sobald es vom Tode des Administrators Kenntnis erhalten hatte, trat es zusammen und wählte als Bischof seinen Mitkanoniker Johann Senn von Münsingen, der auch Domherr zu Mainz und Propst von St. Viktor daselbst war.

Mit diesem Manne bemächtigte sich das gräfliche Haus Buchegg, das während dieser Jahrzehnte in der Geschichte des Reichs und der Kirche merkwürdig hervortritt, des Stuhles von Basel. Der Gewählte, Sohn des Freiherrn Burchard Senn, war durch seine Mutter Johanna Neffe des großen Grafen Hugo von Buchegg, des gewesenen Erzbischofs Mathias [250] von Mainz und des Bischofs Berthold von Straßburg. Mit Kraft vertraten diese drei Brüder in den Kämpfen der Zeit die Sache Oesterreichs und die Sache des Papstes; die Wahl Johanns, bei der wohl Hugo wie Berthold die Hand mit im Spiele hatten, durfte als eine der Curie genehme gelten.

Johann folgte dem Rufe. Er beschwor am 22. Juni 1335 den Domherren die Wahlkapitulation; unter den Zeugen des feierlichen Aktes stand sein Oheim Berthold.

Papst war seit kurzem, Dezember 1334, Benedikt XII. Nach des Johann von Chalon Tode hatte er keine Wahl für Basel getroffen, sondern das Kapitel handeln lassen. Aber um sein Recht zu wahren instruierte er jetzt den Erzbischof von Besançon als den Metropolitan des Gewählten, diesem die Bestätigung zu versagen. Johann sollte Bischof sein, aber nur von des Papstes Gnaden. So reiste Johann denn nach Avignon; ihn begleiteten Einige der Domherren, sein am päpstlichen Hofe wohlbekannter Oheim Graf Hugo, sowie der Bürgermeister von Basel. Die Verhandlungen begannen; Johann hatte auf alles Recht, das aus der Wahl des Domkapitels etwa hergeleitet werden könnte, förmlich zu verzichten. Endlich erhielt er die Stimme des Papstes. Am 24. April 1336 ernannte ihn dieser zum Bischof von Basel. Vom 8. Juli 1336 ist die erste uns bekannte Regierungshandlung des Bischofs Johann datiert, die Handfeste für Kleinbasel.


In den Beziehungen Basels zu Kaiser und Papst bewirkte diese Wahl keine Aenderung.

Bischof Johann scheint stets zum Papste gehalten, nie dem Wittelsbacher gehorcht zu haben. Daß er im März 1338 an der Versammlung der Bischöfe der Provinz Mainz in Speier teilnahm und das Schreiben mitunterzeichnete, wodurch die Bischöfe sich beim Papste für Kaiser Ludwig verwendeten, war vielleicht das Werk einer zur Zeit im Domkapitel mächtigen Partei; vielleicht folgte darin Johann lediglich dem Beispiel des ihm verwandten Straßburger Bischofs, mit dessen Angelegenheiten er gerade zu dieser Zeit aufs ernstlichste beschäftigt war. Wie aber dieser Berthold sich sogleich nachher wieder völlig als Parteigänger des Papstes benahm, so ist diesem auch Johann von Basel treu geblieben und dann im Sommer 1346 dem gegen Ludwig zum König erhobenen Karl von Böhmen sofort zugefallen.

Ueber die Zustände in der Stadt ergibt sich Folgendes. Nachdem wir im Oktober 1333 von dem Zuge gehört haben, den die Bürger unter [251] der Führung des Generalvikars Johann gegen Ludwig zu unternehmen Willens sind, finden wir im Februar 1335 wieder das Interdict in Basel wirksam; von den Mönchen zu St. Alban vernehmen wir in dieser Zeit, daß sie sich des Celebrierens enthalten. Dann folgen die großen Ereignisse des Sommers 1338: die Erklärungen der Kurfürsten zu Lahnstein und Rense und die Erlasse des Kaisers zu Frankfurt, durch welche die Ansprüche des Papstums auf die Uebertragung der kaiserlichen Gewalt zurückgewiesen, die Rechte des von den Kurfürsten Gewählten festgesetzt wurden. Die Wirkung dieser Beschlüsse, in denen Kaiser und Fürsten, wenn auch nur für kurze Zeit, vereinigt zusammenstanden, ging mit Macht durch das Reich; und als nun Kaiser Ludwig dem Klerus insgesamt bei Strafe der Friedlosigkeit befahl, trotz päpstlichen Prozessen Gottesdienst zu halten, da brach in den Städten der Sturm los gegen alle Geistlichen, die dem Papste mehr gehorchten als dem Kaiser. Sie sollten singen oder aus der Stadt springen, hieß es. In Konstanz nahm Welt- wie Klostergeistlichkeit, durch die Bürgerschaft gezwungen, jetzt den Gottesdienst wieder auf, der seit 1326 geruht hatte; Zürich vertrieb seinen Klerus, weil er sich nicht fügen wollte, und elf Jahre lang blieb die Stadt ohne Singen und Gottesdienst. Der Dominikanerkonvent zu Straßburg, der bis dahin das Interdict nicht beobachtet hatte, dies aber jetzt tat und das Singen einstellte, mußte aus der Stadt weichen.

Von alledem ist in Basel nichts zu finden. Hier sehen wir eine Bevölkerung, die zum großen Teil kaiserlich gesinnt ist und trotzdem den Klerus das Interdict halten läßt. Daß dies geschehen konnte, ist auffallend. Wir vermögen diesen Zustand nur aus dem Willen der damaligen städtischen Behörden zu erklären.

Es ist zu beachten, daß während des ganzen Jahrzehnts nach 1338 die Ritter Konrad Münch und Konrad von Bärenfels in der Bürgermeisterwürde alternierten. Wir werden die Art dieser beiden Männer kennen lernen bei der merkwürdigen Scene der Absolution Basels 1347; diese Art, die es nicht zum Aeußersten will kommen lassen, war mit ihnen, solange sie an der Spitze der Stadt standen, hier offenbar maßgebend. Zeugnis davon sind die Stadtfrieden, Einungen, die gerade in der kritischen Zeit der ersten Erregung, zu Beginn 1339, für Bürgerschaft und Pfaffheit erlassen wurden. Beide Bürgermeister hielten von Haus aus jedenfalls zum Papste; aber wie es ihrem persönlichen Interesse entsprach, alles Gewalttätige vom papstgetreuen Klerus fernzuhalten, so ihrer Politik, auch in der andern Richtung nicht schroff zu sein. Eine duldsame Auffassung [252] beherrschte die Lage; sie war auch den Gesinnungen des Bischofs gemäß. Dieser ließ es geschehen, daß, während der städtische Klerus das Interdict beobachtete, durch die übrige Diöcese, mit Ausnahme des einzigen Rheinfeldens, gesungen und celebriert wurde. Und ebenso schritt in der Stadt dieselbe Behörde, die das Interdict anerkannte und seine Beobachtung schützte, doch nicht ein, wenn einzelne Priester sich darüber hinwegsetzten und die Sakramente Denjenigen reichten, die sie aufsuchten; den Heinrich von Nördlingen ließ man vierzig Tage lang in der Spitalkirche predigen und für die Deutschordensherren Messe sprechen.

Neben diesem Heinrich von Nördlingen, der von Konstanz herkam, weilte damals, in der Fastenzeit 1339, auch der große Johannes Tauler in Basel; er war aus Straßburg gewichen. Beide hatten sich als Anhänger des Papstes nach Basel begeben, um hier eine ruhige Stätte zu finden, und die Briefe, die Heinrich von hier aus der Margarethe Ebner schrieb, sind die schätzbarsten Zeugnisse für den Zustand der Stadt. In schöner Weise stimmt das Wesen von Ruhe und Milde, das in dieser hier sich zusammenfindenden Gruppe von Freunden der Mystik lebte, zu dem die Haltung der Stadt im allgemeinen bestimmenden Geiste.

Da starb Papst Benedikt am 25. April 1342. Er hatte Suspensionen des Interdicts nie erteilen mögen; sein Nachfolger Clemens VI. war auch in dieser Sache der gewandte Politiker. Die Begehren der Basler fanden jetzt Anklang. Clemens hob im Januar 1345 das Interdict für die Dauer eines Jahres auf und verlängerte in wiederholten Gewährungen diesen Termin bis 1. September 1346, sodaß während voller anderthalb Jahre die Stadt Basel vom Interdicte befreit war. Das ist die Zeit, die uns in einer zweiten Gruppe von Mystikerbriefen entgegentritt. Johannes Tauler und Heinrich von Nördlingen schildern, mit welchem Gefühl, mit welchem Aufatmen der Nachlaß der Interdictstrafe begrüßt wird. Der Basler Kirche ist jetzt wieder gestattet, öffentlich vor dem Volke Messe zu lesen und Allen das Abendmahl zu reichen. Wie kommen „die hungrigen Seelen jetzt mit großem Jammer zu Gottes Leichnam, dessen sie in christlichem Gehorsam wohl vierzehn Jahre gemangelt hatten!“

Bei den Suspensionen des Interdicts durch den Papst ist immer von den löblichen Absichten der Basler die Rede; sie machen Miene, zur Obedienz des heiligen Stuhles zurückzukehren; aber es fehlt immer noch an der völligen und entschlossenen Bekehrung. Da sehen wir im März 1346 zwei Basler, den Propst Rudolf von St. Peter und den Official Heinrich von Sursee, am Hof in Avignon auftauchen; es läßt dies auf Verhandlungen [253] schließen, die über Rückkehr der Basler zum Gehorsam und den hiefür von der Curie zu zahlenden Preis gingen. Als dann am Gründonnerstag 1346 Papst Clemens die erneute Bannung und Verfluchung des Kaisers Ludwig feierlich verkündete und den Kurfürsten des Reiches gebot, zu einer Neuwahl zu schreiten, da waren diese Basler Unterhändler vielleicht noch bei Hofe anwesend. Auch ihr Bischof erhielt jetzt den Erlaß zur Veröffentlichung in seiner Diöcese, samt dem Befehle, dem von den Kurfürsten zu wählenden neuen König beizustehen. Die Königswahl geschah am 11. Juli; sie fiel auf den Markgrafen Karl von Mähren, den Großsohn weiland Kaiser Heinrichs VII.

Bischof Johann erklärte sich ohne Zaudern für diesen König Karl. Auch das Geschlecht der Münche und sein Anhang traten für ihn ein. Noch war das Interdict in Basel suspendiert. Aber nun versagte die Bürgerschaft ihren bisherigen Häuptern den Gehorsam. Sie wich dem Drucke nicht. Sie folgte dem Beispiel der fränkischen, rheinischen, schwäbischen Städte; sie beschloß, noch fester als diese zu ihrem alten Kaiser zu stehen und versagte dem Gegenkönig die Anerkennung. Die Folge war, daß das Interdict neuerdings über Basel verhängt wurde.

Aber am 11. Oktober 1347 starb Kaiser Ludwig auf der Jagd, und auch für die Basler ergab sich nun die Notwendigkeit, zu den neuen Verhältnissen Stellung zu nehmen.

Karl IV. machte seinen Königsritt durch das Reich, um die Huldigung der Stände zu erhalten, und näherte sich im Dezember 1347 dem Oberrhein. In Straßburg vor dem Münster, mit allen Zeichen der Königsmacht angetan, hatte er den Bischof Berthold feierlich mit den Regalien investiert und zog nun das Land herauf. Am 20. Dezember traf er vor Basel ein. Aber die Bürger weigerten sich, ihm das Tor zu öffnen, wenn er nicht schaffe, daß sie den öffentlichen Gottesdienst wieder bekämen. Diese Gnade aber konnte nur der Papst gewähren, und man war in Verlegenheit, was zu tun sei. Da traf zu guter Stunde der Bamberger Dompropst Marquard von Randegg, der als Gesandter Karls nach Avignon gegangen war, von dort herkommend vor Basel ein mit Schreiben des Papstes, welche die Formel der Absolution und die Vollmacht zu deren Erteilung enthielten. Die Formel verlangte das Gelübde, daß man nie mehr einem ketzerischen Kaiser anhangen und jeden nicht vom Papst bestätigten Kaiser verwerfen wolle. Diese Forderung zu erfüllen weigerten sich die Bürger; sie versagten aber zugleich dem König die Huldigung, solange das Interdict auf ihrer Stadt liege. Der Klerus seinerseits drang [254] darauf, den Gottesdienst wieder zu beginnen. Die Lage war in jedem Betrachte schwierig. Da fanden die beiden Bürgermeister, deren kluge Führung der Stadt schon erwähnt worden ist, auch jetzt den Ausweg. Sie traten mit dem Rate vor den König, und hier erklärte Konrad von Bärenfels, weder gestehen noch glauben zu wollen, daß Kaiser Ludwig je ein Ketzer gewesen; auch würden sie Jeden für einen König oder Kaiser halten, den die Majorität der Kurfürsten gewählt, auch wenn er die Bestätigung des Papstes nicht suchen wollte; sie würden auch nichts unternehmen gegen die Rechte des Reiches; aber wenn der Bamberger Bischof Macht habe, ihnen ihre Sünden zu vergeben, so solle es ihnen recht sein. Nach dieser Rede wendete sich Bärenfels ans Volk und rief ihm zu: „gebt ihr mir und Konrad Münch Gewalt, zu bitten, daß ihr von euren Sünden absolviert werdet?“ Das Volk rief: „ja!“ Eine weitergehende Vollmacht hatten also die Beiden nicht; aber beiseits leisteten sie nun vor dem päpstlichen Sekretär den vorgeschriebenen Eid. Dessen Hauptinhalt hatten sie durch ihre vorhergehende Erklärung aufgehoben. Dem Papste war genügt und zugleich dem Volke. „Und man hielt es für gut, ungerade gerade sein zu lassen.“ Der Bamberger Bischof ledigte die Anhänger Ludwigs vom Banne, der Gottesdienst wurde wieder hergestellt, König Karl erhielt von den Bürgern die Huldigung. Nun war Freude in der Stadt, und am Feste, das hier zu Ehren des Königs gegeben wurde, trieb er selbst allerhand Torheiten mit den Basler Damen. Aber am Weihnachtstage trat er im Münster vor den Hochaltar und sang da mit lauter Stimme, das entblößte Schwert in der Hand haltend, das Evangelium des Tages es ging ein Gebot aus von Kaiser Augustus. Das war von Königs wegen ein feierlicher Wiederbeginn des so lange unterbliebenen Gottesdienstes.

Dieser Vorgang hat hohen Wert nicht nur wegen des lebendigen Reizes der Szene an sich. Er zeigt die Schroffheit der Curie und die Schwäche ihres Geschöpfes, des „Pfaffenkönigs“; er gibt die erregte Stimmung der durch die Kirche mit Strafe verfolgten, am Reiche festhaltenden Bürger; er faßt in wenigen Zügen Stellung und Bedeutung der Stadt. Wichtig ist er auch als frühes Zeugnis für die politische Manier des Basler Stadtregiments. Wenige Tage später befand sich König Karl in Worms auch dort handelte es sich um Aufhebung der kirchlichen Zensuren. Da waffneten sich die Bürger, stürmten dem König vors Haus und ertrotzten von ihm und den Prälaten, ohne Schwur und frei von jeder Bedingung, die Absolution. Wie ganz anders in Basel, wo der Bürgermeister den [255] Unterhändler macht und seiner Bürgerschaft die Beschwörung des päpstlichen Formulars mit einem Kunstgriff zu ersparen versteht.

Um eine Wertung dieses Verfahrens handelt es sich hier nicht. Für die geschichtliche Betrachtung ist wesentlich, daß das städtische Wesen sich als ein eigenartiges zeigt und seine Selbständigkeit erweist gegenüber König und Papst. Diese Haltung war die Frucht der schweren durchgekämpften Jahrzehnte.

Von der Begünstigung des Wachstums städtischer Freiheit durch die Zeitumstände war schon die Rede. Aber auch davon, daß die Stadt keineswegs schon als souveräne Stadt zu denken ist. Wie sie dem König schwor von der Reichsvogtei wegen, so dem Bischof. Diesen nennt sie noch immer ihren Herrn, nicht nur mit einem Sprachgebrauch offizieller Courtoisie. Die Verfassung der Handfeste gab Formen und Grenzen, über die das städtische Wesen nicht hinauskam; in Rechtsamen hoher Art — Gerichtsbarkeit, Zollrecht, Münzrecht — lebte noch die alte Stadtherrschaft des Bischofs. Freilich neben diesem allem lag das Gebiet der Administration, auf dem die Stadt schon lange selbständig waltete und dessen Umfang sie durch Usurpationen beständig erweiterte, lag vor allem das große, von reichstem Leben durchwogte Feld politischer Tätigkeit. In ununterbrochenem Verkehr mit aller Welt, mit Fürsten und Städten behauptete diese Stadt ihr Ansehen; sie schloß Bündnisse und zog gewaffnet ins Feld; sie empfing die Besuche des Kaisers, aber auch der König Peter von Cypern, der König Waldemar von Dänemark waren in diesen Jahren ihre Gäste. In allem führte sie selbst ihre Politik; bei dieser schränkten weder verbriefte Rechte noch Verfassungsformen ein, sondern kam es einzig an auf Willen und Kraft.


Einer freien Entwicklung der Stadt war vor allem förderlich Bischof[WS 4] Johann selbst. Sein Regiment hat Reiz und Charakter. Nachdem die wiederholten Zwistigkeiten zwischen Bischof und Kapitel, die Parteiungen, die jahrzehntelangen Banns- und Interdiktszustände Geistliches wie Weltliches aus den Fugen gebracht hatten, tritt er in diese arge Verwirrung ein als ein Ordner, als ein Reorganisator und Beschwichtiger. Daher zeigt seine Regierung im Verhältnis zu ihrer langen Dauer wenig Tätigkeit nach außen. Neben der Teilnahme an der Coalition gegen Bern im Laupenkrieg 1339 ist hier nur zu nennen sein Eingreifen in die Angelegenheiten des Nachbarbistums Straßburg, wo er nach der Gefangennahme des Bischofs Berthold, seines Oheims, durch den Domkustos Konrad [256] von Kirkel 1337 das Bistum als Administrator regierte, dann als Verbündeter Bertholds an dessen Fehden mit Kirkel und Johann von Lichtenberg teilnahm; er rückte ins Feld mit dreihundert Helmen und viertausend Fußknechten.

Alles Andre galt der Sorge für das eigene Bistum. Zunächst handelte es sich um Lösung von Schulden, die von den letzten Bischöfen her auf dem Hochstift lasteten; die hiezu nötigen Mittel wurden beschafft durch neue offenbar günstigere Geldaufnahmen bei Basler Kapitalisten wie Jakob Fröwler, Berthold Schönkind u. A., durch Verpachtung der Zölle in Groß- und Kleinbasel auf dreizehn Jahre, durch Verpfändung des Weinbannes an die Stadt selbst. Neben diesen Finanzoperationen steht der günstige Kauf der Dörfer Schliengen, Mauchen und Steinenstadt 1343. Namentlich aber ist zu achten auf die methodische Arbeit Johanns für Ordnung und Sicherung der Rechte seines Hochstifts. Sie äußert sich in den zahlreichen Privilegien und Stadtrechtscodifikationen für die bischöflichen Städte Biel, Neuenstadt, Delsberg, St. Ursanne, Pruntrut, Laufen; in der Aufzeichnung eines Urbars der Einkünfte des Bistums; in der großen Enquete 1352 über Zoll, Wage und Maß in Basel; in der Neuredaktion des Lehen- und Dienstmannenrechts 1351; in der energischen Wahrung des Martinszinsrechtes; im Erlaß von Diözesanstatuten.

Einzelnes in dieser Reihe mag unerheblich sein; aber zusammengefaßt geben diese Maßnahmen die Vorstellung eines durchgreifenden Erneuerns fast aller Grundlagen des öffentlichen Lebens. Ihre Ergänzung sind die auffallend häufigen Weihen von Kirchen und Altären durch den Bischof, im Gnadental zu Basel, in Pfäffingen, in Altkirch, in Lützel, in Sulz, in Moutier usw. Sie lassen schließen auf zahlreiche Neubauten an Stelle alter zerfallender Gotteshäuser sowie auf Verschönerung von bestehenden. Dabei ist hier vor allem daran zu erinnern, was Bischof Johann Senn für den Bau des Münsters getan hat, und auch Einzelheiten verdienen Erwähnung wie der Guß von U. F. Glocke 1347 und die Anschaffung einer prunkvollen Mitra. Wenn auch Störungen nicht fehlten, wie die Revolte der Kleinbasler 1342, die Verbrennung des Pruntruter Schlosses, der große Brand in Kleinbasel 1354, der Sturz der bischöflichen Pfalz in den Rhein 1346, und namentlich das seinen Episcopat unvergeßlich kennzeichnende Unglück des Erdbebens, so ist doch das ganze Bild der Tätigkeit Johann Senns ein wohltuendes. Nichts von Großartigkeit und mächtiger Leidenschaft ist darin; aber Klugheit, Ruhe, Festigkeit machen sein Wesen aus. Daß ihn diese Tätigkeit ganz in Anspruch nahm und daß er persönlich zu Milde [257] und Gewährenlassen veranlagt war, begünstigte in hohem Grade die Entwicklung der Stadt. Er war oft von Basel abwesend, residierte auf seinen Schlössern St. Ursitz, Delsberg, Pruntrut, Istein. Der Brief des Rates, mit dem dieser am 30. Juni 1365 den Tod Johanns nach Straßburg meldet, hat einen warmen Ton der Klage, und in ungewohntem Wortreichtum preist der Anniversarienschreiber des Doms diesen Fürsten als friedevollen und von Allen geliebten Vater, als Reformator und Mehrer des Bistums.


Auch von Seiten des Reiches fand die Stadt keine Hemmung. Sie stand außerhalb der Reichsangelegenheiten; was dort geschah, berührte sie kaum. Als Repräsentanten des Reiches hatte sie in ihrer Mitte den Vogt, und die Bürger schworen dem König, das Recht seiner Vogtei wahren zu wollen. Als solche Vögte finden wir hier bis in die Mitte der 1340er Jahre Herren aus dem Geschlechte der Schaler, dann solche vom Geschlechte Münch. Ihre Tätigkeit tritt wenig hervor; bemerkenswert ist nur ein Konflikt zwischen Vogt und Rat, der 1359 den Kaiser zu einer Rüge veranlaßte, und dessen Ursache wahrscheinlich die Konkurrenz war, die dem Vogtsgericht aus der Handhabung des Stadtfriedens durch den Rat erwuchs.

Karl IV. war schon als Prinz von Böhmen in Basel gewesen, im Sommer 1344; als deutschen König lernten ihn die Basler im Dezember 1347 kennen. Auch später noch bekamen sie ihn wiederholt zu sehen, und wir würden gerne Mehreres erfahren über die Art dieser Besuche, über die Berührungen dieses merkwürdigen Mannes mit den Leitern der Stadt. Die Nachrichten mangeln. Aber schon die vereinzelte kurze Notiz, daß im Herbst 1356 Petrarca als Gesandter des Visconti nach Basel kam und während eines Monats, auf den Kaiser wartend, in dieser „großen und schönen“ Stadt verweilte, zeigt, um was für Beziehungen und Menschen es sich dabei handeln konnte.

Ein Verhältnis Karls zu Basel ist ausschließlich niedergelegt in seinen Privilegien. Vor allen in denjenigen, die er im Frühjahr 1357 auf seinem Schlosse Karlstein den Baslern ausstellte, als Ersatz der im Erdbeben zu Grunde gegangenen Dokumente; Andres folgte, als er 1365 Basel passierte. Beide Male mochte die Stadt solche Gunst ihrem Bischof, mehr vielleicht noch ihrem Gelde verdanken. Von einer bestimmten Haltung Karls gegenüber Basel ist jedenfalls nicht zu reden. Es war lauter Zweckmäßigkeit, einen „listigen sinnrichen man“ nennt ihn der Basler Chronist; seine Sorge galt vor allem der Mehrung des Hausbesitzes und dem Glanze Böhmens, und [258] gegen gute Zahlung erteilte er seine Privilegien. In der Zeit des Bischofs Johann von Vienne zeigt sich dann das Schwankende dieses ganzen Verhältnisses aufs deutlichste.


Von hoher Bedeutung für die Geschichte der Stadt aber war das Haus Oesterreich. Was die Könige Rudolf und Albrecht für die Macht dieses Hauses am Oberrhein getan hatten, fand seine Fortsetzung zunächst durch Herzog Albrecht. In einer langdauernden kräftigen Regierung wurde dieser der Begründer der dominierenden Stellung Oesterreichs in diesen Landen. Es ist zu erinnern an seine Erheiratung der Herrschaft Pfirt, an den Pfanderwerb der Städte Rheinfelden, Neuenburg, Breisach, an die Uebernahme der Herrschaft Wartenberg.

Eine solche Ausgestaltung des österreichischen Territoriums war unmittelbar wichtig für Basel. Noch Manche mochten hier leben, die sich an die Zeiten der Bischöfe Peter und Otto und deren Kämpfe mit Oesterreich erinnerten. Die jetzige Zeit war völlig anders gerichtet; und wie damals so wirkten auch jetzt wohl vor allem persönliche Art und Richtung. An die Männer ist zu denken, denen die Leitung der Stadt übergeben war, an Bischof Johann, an den Herzog Albrecht, endlich an dessen Schwester, die durch hohe politische Einsicht ausgezeichnete Königin Agnes, die in Basel selbst Haus und Hof besaß.

Die einzelnen Motive und Beziehungen sind nicht erkennbar. Aber deutlich ist, daß die Basler Politik in dieser Zeit vielfach durch eine Allianz mit Oesterreich beherrscht wird. Dem war auch die Parteinahme der Stadt für Kaiser Ludwig nicht im Wege, seit im Reiche der Gegensatz Oesterreich-Wittelsbach nicht mehr im Vordergrunde stand.

Von einem Bündnisse der Stadt mit Oesterreich ist zuerst 1343 die Rede. Im Jahre darauf folgte zwischen ihnen eine Münzkonvention, an der auch Bischof Johann und die Stadt Zürich teilnahmen.

Das Eintreten der letztgenannten Stadt in die auswärtigen Beziehungen Basels ist zu beachten. Sie war ein Teil der großen Politik Rudolf Bruns. Denn an die Münzvereinigung schloß sich am 7. September 1345 ein Bündnis Zürichs mit Bischof und Stadt von Basel, wobei sich die Verbündeten Hilfe in erstaunlich weitem Umkreise gelobten, von den Vogesen bis zum Arlberg, vom Schwarzwald bis zum Weißenstein, Brünig und Septimer. Seitdem gehen die beiden Verbindungen Basels, mit Oesterreich und mit Zürich, eine Zeitlang nebeneinander her. Am 25. August 1347 schloß Basel wieder einen Bund mit Oesterreich, auf fünf Jahre; [259] am gleichen Tage verband sich der Herzog auch seinerseits und für die gleiche Zeitdauer dem Bischof. Dem folgte am 14. Januar 1348 die Erneuerung des Bundes der Stadt mit Zürich, mit Dauer bis Johannistag 1349.

Aber dann gingen die Wege der beiden Städte auseinander.

Aus dem Privatzank eines Mülner von Zürich mit den Waldnern von Sulz scheint der Streit erwachsen zu sein. Basler und Straßburger, die mit jener Sache gar nichts zu tun hatten und nach Einsiedeln wallfahrteten, wurden auf dem Wege dorthin durch Zürich festgenommen; da Beschwerden nichts fruchteten, griffen die beleidigten Rheinstädte zu Repressalien und setzten ihrerseits Zürcher in Haft. Dennoch hätte der Handel, dessen gleichen allenthalben geschah, ohne weitere Folgen bleiben können. Aber mit den Streitigkeiten zusammenwirkend, die gerade damals zwischen Zürich und seinen Feinden am obern See walteten, brachte er eine völlig neue Gestaltung der Dinge zu Wege. Am 23. April 1350, mit welchem Tage der große oberrheinische Landfriede von 1345 auslief, tat sich die Herrschaft Oesterreich mit den Städten Straßburg, Basel, Freiburg zu einem Bund auf fünf Jahre zusammen. Genau zwei Monate nach der Zürcher Mordnacht. Unverkennbar ging die Spitze dieses Bundes gegen Zürich. Und da er zur Hilfeleistung an Oesterreich vom Jura bis zum Arlberg, vom Schwarzwald bis an den Gotthard und Septimer verpflichtete, mußte er nicht nur in Zürich, sondern auch in den Waldstätten ernste Beunruhigung wecken.

Unterdessen lagen die Gefangenen vom Waldnerhandel hüben und drüben fest; am 11. Mai 1350 erklärte die Stadt Breisach, mit Straßburg Basel Freiburg verbündet, den Zürchern offen die Feindschaft. Kriegsrüstungen wurden betrieben. Doch kam es nicht so weit. Der unermüdlichen Schlichterin Königin Agnes gelang noch eine Vermittlung; am 6. Juli 1350 brachte sie den Frieden zu Stande. Es kam sogar zum Projekt eines Bundes zwischen Zürich und Oesterreich. Aber der Zug des Rudolf Brun gegen Rapperswil am 1. September brach alle solche Möglichkeiten und führte zum Kriege.

Während nun Zürich einen Rückhalt an den Waldstätten suchte, am 1. Mai 1351 sein ewiger Bund mit diesen geschlossen wurde, befestigte sich Basel um so mehr in dem Kreise, dem sein öffentliches Leben angehörte. Am 3. Dezember 1351 sandte die Stadt ihren Fehdebrief an Zürich. Als am 26. Dezember gleichen Jahres die Zürcher, die von einem gegen Baden unternommenen Streifzuge heimkehrten, bei Tätwil überfallen wurden und [260] ein heftiges Nachtgefecht sich entspann, war es das Basler Banner, unter dessen Führung die Gegner Zürichs stritten. An den Belagerungen Zürichs durch Herzog Albrecht und seine Verbündeten nahm Basel gleichfalls teil.

Auch die folgenden Jahre der Basler Geschichte stehen noch unter der Wirkung des Verhältnisses zu Oesterreich. Am 20. Juli 1358 starb Herzog Albrecht, nachdem seine Gemahlin Johanna von Pfirt, die zu Zeiten die Geschäfte Oesterreichs in diesen Landen allein geführt hatte, 1351 dahingegangen war. Seinem Sohne Rudolf hatte er schon 1357 die Verwaltung übertragen, und dieser setzte die traditionelle Politik in mächtigster Weise fort. Die Freude am Herrschen, das Streben nach Gründung eines von Kaiser und Reich unabhängigen Staates, ein wunderbar gesteigertes Gefühl von Wert und Beruf seines Hauses und namentlich seiner eigenen Person trieben diesen Fürsten wie überall so auch in den oberrheinischen Gebieten zu weitausgreifender Tätigkeit. Wenn Rudolf sein Bündnis mit Basel am 7. Oktober 1359 abschloß, wenige Tage nach einem Bunde mit Solothurn und kurz vor einem solchen mit Zürich, wenn er im Jahre darauf sich vom Grafen Sigmund von Tierstein die Herrschaft Dornegg aufgeben ließ und auch in die tiersteinischen Reichslehen Maisprach und Wintersingen eintrat, wenn er vom Grafen Rudolf von Nidau die Feste Fridau, von den Grafen von Kiburg Burgdorf und Oltingen, vom Grafen Rudolf von Habsburg Ansprüche auf die Grafschaft Honberg erwarb, so leuchtete aus all diesem Tun ein einziger großer Plan. Seine Geleitszusicherung an die italienischen Kaufleute für die Straße von Ottmarsheim nach Brugg und Luzern war ein Zeugnis wie für seine Tendenz, der Straße über den Untern Hauenstein den Verkehr zu entziehen, so für das nahe Zusammentreffen seiner argauischen und seiner sundgauischen Territorien. Als er am 27. Juli 1365 starb, wenige Wochen nach Bischof Johann, war der für Basel unmittelbar gefährliche Gedanke dieser Politik noch nicht offen hervorgetreten; es sollte dies geschehen durch Rudolfs Bruder Leopold.


Neben den Gewalten Bischof, Kaiser, Oesterreich kommt nun auch der Adel in Betracht. Diese Periode ist denkwürdig, weil sie den Gegensatz Adel-Bürgertum als einen entschiedenen politischen Faktor in die Stadtgeschichte einführt.

In der rudolfinischen Zeit war die Stellung des Patriziates mehr negativ als positiv zu charakterisieren, als ein Stand zwischen Volk und [261] Adel, der äußerlich mit diesem verbunden, innerlich aber jenem verwandt war. Nunmehr scheint sich eine Klärung dieser Verhältnisse vorzubereiten in der Weise, daß Achtburger und Zünfte sich einander nähern und der Adel ihnen gegenübersteht. Wesen und Wert des Handwerkerstandes wachsen, und die häufige Beiziehung der Zunftmeister zu Ratsgeschäften zeigt, daß die Burger im Rat ihre Stärkung auf dieser Seite bei den Zünften zu finden wissen, dem Adel gegenüber, der durch die sich ausbildende Fürstenmacht, vor allem Oesterreichs, angezogen den Weg allmählicher Entfremdung von der Stadt beschreitet.

Die Tendenz zu engem Zusammenschließen der rein städtischen Elemente wurde jedenfalls gefördert durch die gewaltig bewegten Zeitumstände. Der Streit des Kaisers mit dem Papste, die Kämpfe der Gegenkönige und der Gegenbischöfe machte allenthalben das städtische Wesen mündig. Auch in Basel. Doch ist der Verlauf nicht erkennbar. Nur Vereinzeltes, wie die Erwähnung eines sonst nicht begegnenden, in seiner Art nicht zu deutenden städtischen Amtes, des rector oder praefectus consulum, neben Bürgermeister und Oberstzunftmeister, weist auf Umgestaltungen und Krisen vielleicht heftiger Art hin. Die Worte, mit denen das Domkapitel, stolz auf seine noch nie durch Mitgliedschaft eines Plebejers befleckte Reinheit, 1337 von dem Schaden redet, den die städtische Verfassung durch Hinzutritt von Leuten aus dem Volke erlitten habe, gelten Aenderungen, die Aufsehen erregten. Es sind die Jahre, die z. B. auch in Straßburg und Zürich Verfassungsänderungen brachten; daß Aehnliches hier geschah, wurde begünstigt durch das andauernde Fehlen eines Bischofs, die Führung des Regiments durch einen oft abwesenden Administrator, dann wieder nach der Wahl des neuen Bischofs durch dessen monatelanges Fernebleiben.

Deutlich erkennbar sind uns nur zwei Fakten; sie haben als Ergebnis einer solchen Umwälzung zu gelten.

Das eine ist das Statut des Domkapitels vom 22. März 1337 über seine exklusive Besetzung aus dem Adel. Wir sind diesem Kapitel schon öfters begegnet; beim Ungeldstreit, wiederholt bei der Bischofswahl trat es energisch für seine Rechte ein. Der Papst selbst gab ihm gelegentlich ein gutes Zeugnis: es habe nicht nur adlige und mächtige, sondern auch gelehrte Mitglieder. Von seiner Stellung im öffentlichen, nicht nur kirchlichen Leben der Stadt war schon die Rede; es bildete eine wichtige Unterstützung für alle Bestrebungen der Basler Ritterschaft. Denn es rekrutierte sich vorzugsweise aus dem Herren- und Ritterstande. Schon 1307 hatte es statuiert, daß seine Mitglieder ritterbürtig sein müßten und höchstens [262] fünf Canonicate auch an nicht Ritterbürtige gegeben werden könnten, sofern sie Graduierte (Magister in Theologie und Medicin oder Doctoren in einem der Rechte) seien. Jetzt 1337 — seine Führer waren der Dompropst Thüring von Ramstein und der Dekan Jakob von Wattweiler, Domherren aber Graf Ludwig von Tierstein, Konrad Schaler, Henman Münch, Peter von Bebelnheim, Marquard von Wart, Johann Kämmerer u. A. — erneuerte es dieses Statut, in bestimmter Festsetzung, daß das Kapitel Allen verschlossen sein solle, die nicht väterlicherseits aus dem Ritterstande wären, und mit der vorhin erwähnten Motivierung, ihre Körperschaft vor dem Schaden bewahren zu wollen, den anderwärts die Teilnahme der Plebs angerichtet.

Das zweite Aktenstück ist die Handfeste des Bischofs Johann Senn vom 21. Juni 1337. In dieser wird bestimmt, daß die Kieser einen Rat von Rittern, Burgern und Handwerkern kiesen, somit von nun an eigentliche, von den Zunftmeistern verschiedene Zunftratsherren als beständige Mitglieder im Rate sitzen sollen. Und da die am 8. Juli 1336 von Bischof Johann, vor seiner Anerkennung durch den Papst, den Kleinbaslern erteilte Urkunde als Mitglieder des Rates noch keine Handwerker nennt, so darf angenommen werden, daß in der Zwischenzeit, also gerade während der Bischof und mit ihm der Bürgermeister Konrad von Bärenfels bei Papst Benedikt in Avignon sich aufhielten, die Basler Zünfte den letzten Schritt getan und die Oeffnung des Rates für ihre Vertreter erlangt haben.

Bemerkenswert ist die Geräuschlosigkeit dieser Bewegung. Kein Chronist erwähnt sie. Sie ergibt sich nur aus der Urkunde von 1337 und aus einer Vergleichung des frühern Zustandes mit dem spätern. Sie scheint sich ohne große Erschütterung vollzogen zu haben. Hierzu paßt, daß sie auch die alte Wahlform unangetastet ließ, indem den Kiesern von nun an auch die Wahl der Ratsmitglieder von Handwerkern oblag.

Dennoch war die Aenderung eine hochwichtige. Der Rat bestand nunmehr aus vier Rittern, acht Burgern, fünfzehn Zünftigen. Die Stellung des bürgerlichen, städtischen Elementes im Rate war mächtig gehoben, der Einfluß des Adels geschwächt.

Aber dieser Adel spielt auch außerhalb des Rates, gesellschaftlich, wirtschaftlich, nicht mehr dieselbe Rolle im städtischen Wesen wie früher. Für ihn begann jetzt die Möglichkeit des Lebens an weltlichen Fürstenhöfen und eröffneten sich in solchem Dienste Tätigkeiten, bei denen es sich um große Beziehungen handeln konnte, sowie um Ehren und Geschäfte, weit überlegen denjenigen, die im Dienste des Bischofs und bei dessen [263] Stadtregiment sich boten. Auch auf diese Verhältnisse wirkte der Uebergang der Grafschaft Pfirt an Oesterreich; das Pfirterschloß war stets in Rivalität mit der Hofhaltung des Bischofs ein Centrum adeligen Lebens am Oberrhein gewesen; jetzt im Besitze Oesterreichs gewann es erhöhte Bedeutung. Die Dienstverhältnisse, die der Freiherr von Hasenburg, der Graf von Habsburg bei Oesterreich eingingen, sind deutliche Zeugnisse hiefür.

Außerordentliche Förderung aber fand diese ganze Bewegung durch das Erdbeben, indem es dem Adel des Bistums seine alten Bergschlösser vernichtete und ihn damit zum Aufsuchen neuer Lebensformen und neuer Tätigkeit auch da zwang, wo nicht schon die allgemeine Aenderung in den Verhältnissen der Herrschaft und Gesellschaft dazu antrieb.

Neben Oesterreich bot auch das aufsteigende Haus Luxemberg Aussichten. Vor allem das Geschlecht der Münch ist hier zu nennen. Diese Münch beginnen jetzt die erste Familie des Basler Adels zu werden; ihre alten Beziehungen zu Oesterreich dauerten weiter, und hinzu traten nun die neuen. Sie begannen vielleicht bei dem Besuche der oberrheinischen Lande durch König Johann von Böhmen im Sommer 1330. Damals zog dieser Fürst in Begleitung Kaiser Ludwigs von Hagenau das Land herauf; schon vor Kolmar begegnen wir in seiner Nähe dem Heinrich Münch von Basel, demselben, der dann 1346 an der gewaltigen Schlacht bei Crécy teilnahm, vielleicht im Gefolge des Herzogs Raoul von Lothringen, und dort neben König Johann den Tod erlitt.

Bei Karl IV. sodann, diesem dienend und von ihm wiederholt belohnt, finden wir zunächst den Götzman Münch; Konrad Münch bringt der Stadt Bern 1348 an des Königs Statt die Bestätigung ihrer Privilegien und nimmt zu des Reiches Handen ihre Huldigung entgegen; namentlich aber Burchard Münch erscheint im Besitze der vollen Neigung Karls, ist wiederholt in seiner Nähe zu treffen, heißt sein Vertrauter, sein Rat und Hausgenosse, wird durch ihn begabt und ausgezeichnet mit dem Schultheißenamt zu Solothurn, dem Schultheißenamt zu Kolmar, der Hauptmannschaft im Wallis, der Reichsvogtei zu Basel.


Hier sollte nun das städtische Wesen selbst gezeichnet werden. Aber fast alles hiezu Notwendige mangelt.

Vor allem die Möglichkeit, einzelne Personen als Solche wahrzunehmen, die der Entwickelung der Stadt den Weg gewiesen haben. Auch der viel genannte Konrad von Bärenfels ist hiefür nur unter Vorbehalt geltend zu machen. Während dieser Jahrzehnte begegnet er freilich unaufhörlich [264] als ein Mediator ohne gleichen, als Schiedsrichter, Bürge, Vertreter bei allen möglichen Geschäften und Streitigkeiten der Städte, der Adligen und der Fürsten; an Stelle des abwesenden Bischofs regiert er das Bistum; in Basel ist er Bürgermeister; er wird hier auch Schultheiß an Stelle der Schaler, wie er drüben in Kleinbasel Schultheiß ist von seinem Vater Johann her; er selbst ist der Vater von Söhnen, die später Bürgermeister Vögte Schultheißen zu Basel werden. So faßt er sichtlich in seiner Person die ganze Bedeutung des Standes zusammen, dem er angehört; er zeigt die Weltgewandtheit und politische Schulung, die in diesen Kreisen zu erlangen war. Aber individuelle Züge offenbaren sich kaum, und eine bestimmte Einwirkung auf den Gang der städtischen Dinge ist höchstens in der Interdictssache zu ersehen, von der die Rede gewesen ist.

Dieser Mangel wird auch nicht wett gemacht durch eine reiche Ueberlieferung von Tatsachen. Erst in der folgenden Periode fließen die Quellen; die ganze städtische Bezeugung der frühern Zeit ist im Erdbeben untergegangen.

So erscheint das Bild der Stadt als ein lockeres, zufälliges, innerlich unbelebtes. Es ist dies doppelt bedauerlich, da es sich um die Zeit des Uebergangs, der wichtigsten Entwickelung handelt. Ein so bedeutsames Ereignis wie die Oeffnung des Rates für die Zünfte kann lediglich konstatiert werden; aber die Motive, die Mittel, die Führer, der Verlauf der Sache selbst bleiben verborgen.

Die Schilderung von Verfassung und Verwaltung der Stadt muß daher einer andern Stelle vorbehalten werden, wo sie im Zusammenhang mit der Weiterentwickelung gegeben werden kann.

Hier kann es sich nur um Erwähnung dessen handeln, was über Politik und äußere Beziehungen Basels bekannt ist.

Vorerst ist an das hierüber schon Mitgeteilte zu erinnern, wobei hervorgehoben werden mag, daß auch das Verhältnis zum Bischof anfängt, in das Gebiet der auswärtigen Stadtpolitik überzugehen; am deutlichsten zeigt sich dies bei den Bündnissen, welche die Stadt mit dem Bischof schließt.

Sodann die alten Beziehungen zu den Städten Straßburg und Freiburg. Wie ein Lebensbedürfnis, wie ein notwendiger Bestandteil der öffentlichen Existenz erscheint diese Liga. Die Städte halten fest und treu zusammen; aber bei der Unsicherheit der Lage jeder einzelnen, bei der Eigenart ihres Verhältnisses zum Stadtherrn, das von einem Jahr zum andern schroff wechseln kann, dann auch bei dem offenbar noch wenig konsolidierten, den Einflüssen momentaner Parteiungen stets ausgesetzten [265] Zustande der städtischen Bevölkerung selbst, vermeiden sie jede Verbindung auf lange Zeit, weil sie als hinderliche Fessel wirken könnte. So hat sich Basel in den Jahren 1338, 1339, 1342, 1344, 1346, 1348, 1356, 1360 mit Straßburg und Freiburg verbündet. Wir haben nur diese Bundesurkunden in ihrer Monotonie vor uns; aber wir müssen an all das Dazwischenliegende denken, um der hohen Bedeutung eines solchen Verbandes, sowie der Intensität und Unentbehrlichkeit des Verkehrs bewußt zu werden, der zwischen den Städten stattfand. Seit 1342 sehen wir auch Breisach an dem Bunde teilnehmen.

Verbindungen anderer Art waren die Burgrechte, die Basel mit auswärtigen Herren einging. So mit dem Grafen Rudolf von Habsburg; im Anschlusse daran wurde dann Basel Gläubigerin des Grafen und seiner Stadt Laufenburg für eine große Geldsumme. Aber solche Burgrechte hatten nicht nur wie hier finanzielle Folgen, sondern konnten, hierin den Bündnissen gleich, die Stadt auch geradezu in Krieg verwickeln. Dies zeigt sich bei dem Burgrecht mit dem Grafen Heinrich von Mömpelgard.

In der Basler Geschichte werden die Grafen von Mömpelgard zuerst bemerkbar durch ihre Kämpfe mit den Bischöfen Heinrich und Peter. Doch lag der Ort noch außerhalb der Sphäre Basels. Als sein Wichtigstes mochte gelten, daß er die Straße nach der Metropole Besançon beherrschte. Sein Gebiet war wälsches Gebiet, den diesseitigen Zuständen und Bewegungen noch fern; bezeichnend hiefür ist, daß in diesen Jahrzehnten bei Mömpelgard jeweilen die westliche Grenze lief für Landfriede und Bundeshilfe der oberrheinischen Herren und Städte.

Aber 1345 nimmt die Gräfin Johanna von Mömpelgard selbst am Landfrieden teil. Und um diese Zeit beginnen überhaupt die nähern Beziehungen der Grafschaft zu den rheinischen Gebieten. Die Tendenz wälschen Vordringens gegen Osten, die später so bestimmt auftritt, regt sich vielleicht schon hierin. Jedenfalls ist bedeutsam, daß Graf Heinrich von Mömpelgard-Montfaucon zu Beginn der 1350er Jahre als Bürger von Basel erscheint.

Es ist derselbe Graf, von dessen unaufhörlichen Kämpfen mit Graf Ludwig von Neuenburg am See die Chroniken seines Landes zu berichten wissen. Mit Graf Ludwig waren verbündet die Herren von Vienne, von Grandson, von Faucogney u. A., als Mächtigster Diebold VI. von Neuenburg in Burgund; zum Mömpelgarder Grafen hielten Graf Diebold von Blankenberg (Blamont) in Lothringen, die Herren von Villersexel und Belvoir. In wilden Kämpfen verheerte diese Zwietracht die Lande am [266] Doubs, und an ihnen nahm nun auch Basel teil, kraft Burgrechtes durch den Mömpelgarder aufgeboten. In denselben Jahren, da die Stadt mit Zürich in Fehde lag, war sie so auch hier im Westen beschäftigt. Ihre Truppen belagerten 1351 das neuenburgische Schloß Blamont, 1355 die feste Stadt „zer Ile“ (L'Isle sur le Doubs), die gleichfalls dem Diebold von Neuenburg zustand. Doch kam es nicht zur Eroberung; König Johann von Frankreich legte sich ins Mittel und bewirkte am 25. Februar 1355 einen Frieden zwischen den Grafen Ludwig und Heinrich.

Für Basel bedeutete dieser Krieg jedenfalls ein bedeutendes Unternehmen; zum ersten Male trug jetzt die Stadt ihre Waffen hinüber in das wälsche Gebiet, das später wiederholt Ziel ihrer Züge werden sollte. Nur fehlen über einige knappe Urkunden- und Chronikenstellen hinaus alle Mittel zur nähern Kenntnis der Sache. Dies gilt auch von andern Zügen Basels in dieser Zeit, über die einzig gemeldet wird, daß die Basler am 1. Juni 1354 Schloß Dürmenach im Sundgau verbrannten; man wird hiebei nicht an die Mömpelgarder Händel zu denken haben, sondern an einen Grenzkrieg der Herrschaft Oesterreich, bei dem Basel als verbündete Stadt sich beteiligte, wie dies damals z. B. auch Freiburg tat.


Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß diese Periode durch Dürftigkeit der Ueberlieferung ausgezeichnet sei. Aus wenigen unzusammenhängenden Nachrichten müssen wir eine Vorstellung von dem Geschehenen zu gewinnen suchen.

In dieses Schweigen der Quellen hinein bricht nun die laute Gewalt einiger Katastrophen. Sie hat auch die Chronisten zum Reden gebracht, und die Fülle der Nachrichten über sie bewirkt, daß ihre Erscheinung in gar keinem Verhältnisse steht zu dem übrigen uns bezeugten Bilde der Zeit. Es kommt hinzu, daß die von diesen Ereignissen ausgehenden Erschütterungen zwar ungeheure waren, aber merkwürdig rasch vorübergingen.

Die in allen damaligen Geschichtswerken des Abendlandes ihre Spuren hinterließ, die Pestilenz des schwarzen Todes, traf auch Basel. Sie hat aber hier so wenig wie anderwärts individuelle, lokaleigene Züge.

Die Seuche kam aus dem Orient. Genueser Schiffe brachten sie an die Küsten des Mittelmeers. Zu Beginn des Jahres 1348 erreichte sie Avignon; und in verheerendem Zuge ging sie über das Abendland hin. „Die Leute starben an Beulen und Drüsen, die sich unter den Armen und oben an den Beinen erhoben, und wen diese Beulen ankamen, wer da sterben sollte, der starb am vierten Tage oder am dritten oder schon am zweiten. Auch [267] erbte Eins vom Andern die Seuche, und in welches Haus das Sterben kam, da hörte es nicht auf mit Einem.“

Dem entsprach auch die Verwüstung, die allenthalben angerichtet wurde. Zu Mainz, zu Köln starben täglich hundert, u. s. f., und das währte viele Monate. Der Straßburger Chronist schreibt von sechzehntausend Toten seiner Stadt, „und starben doch im Verhältnis weniger als anderswo.“

Da ward auch zu Basel gestorben, daß an der Straße vom innern Eschentor bis zum Rheintor nur drei Ehepaare bei einander erhalten blieben. Die Zahl aller zu Basel Gestorbenen wird auf vierzehntausend angegeben.

Durch die uns überlieferten Beschreibungen und Zählungen hindurch wünschen wir die schreckliche Tatsächlichkeit dieses „Weltsterbens“ selbst zu greifen. Aber die Qual des Einzelnen, die Trauer um Verlust und Trennung treten in den Berichten völlig zurück. Was das Bild bestimmt, ist die Plötzlichkeit, mit der die Pest trifft, ist ihre scheußliche Erscheinung, ist die unheimliche und unzähmbare Wut ihres Weitergreifens. Von der Verzweiflung hören wir, welche die Menschheit unter dieser Züchtigung befällt, von dem Erschüttertwerden aller Sitte, aller Ordnung und Arbeit. Das aufregend lebendige Bild der Seuche und ihrer Folgen, das Boccaccio völlig ruhig, jedes Mittels seiner Kunst bewußt, geschaffen hat, läßt erkennen, was auch bei uns geschah.

Hier sehen wir aber noch Andres, das über die Schilderung des Florentiners hinausgeht. Wir sehen das Volk seiner Angst Genüge tun durch eine Judenverfolgung. Diese hing mit der Epidemie zusammen, war aber nicht zeitlich ihre Folge, sondern ging ihr stellenweise sogar voran.

Sie war freilich nichts Neues. Der Haß auf das fremde, dem Christentum feindliche Volk mußte aufs höchste gesteigert werden durch die schwere Verschuldung, in welche die mit Zinswucher Geschäfte treibenden Juden Viele brachten. Ausschreitungen hatten wiederholt stattgefunden. Und wie erregt allerorts die Leidenschaft war und auf jede Anklage hörte, zeigen die zahlreichen Geschichten, die sich in den Chroniken jener Zeit finden, von Hostienschändungen, von Mordtaten der Juden; die Folge war jeweilen Niedermetzelung oder Verbrennung der Angeschuldigten. In den Jahren 1337 und 1338 hatte im Elsaß der Bauernkönig Armleder einen Feldzug gegen die Juden, die Mörder des Heilandes, unternommen und sie massenweise niedergemacht, bis Herren und Städte dem Treiben entgegentraten und eine Vereinigung schlossen, um solche Anmaßungen des Volkes künftig niederzuwerfen. Ein ähnliches Bündnis wurde 1345 geschlossen, [268] zur Verhütung wiederum von Judenverfolgungen; und auch Basel nahm daran teil.

Aus Basel selbst verlautet während aller dieser Jahre Nichts von Unruhen dieser Art. Aber 1349 kam es auch hier zum Ausbruche.

Den Anstoß gaben Gewalttaten einiger Ritter gegen Basler Juden. Wir haben auch hier an Schuldner zu denken, die sich an ihren Gläubigern vergriffen, und daß es sich um Ausschreitungen ernster Art handelte, zeigt die Strafe, mit welcher der Rat die Missetäter und Friedebrecher belegte; er verbannte sie auf lange Zeit aus der Stadt.

Gegen diesen Spruch erhob sich nun das Volk. Schwerlich der Adligen wegen. Aber der Judenhaß regte sich. Schon war die Pest, von Süden herankommend, nahe; vielleicht war sie in der Stadt selbst schon aufgetreten. Die Angst machte Jeder zum gläubigen Hörer des Gerüchtes, daß die Juden an dem Sterben schuld seien. Es hieß, sie hätten die Brunnen und Sode vergiftet. Von Bern, von Zofingen waren Berichte dieser Art gekommen; auch in Solothurn, in Lindau, in einigen schwäbischen Städten habe man solche Verbrechen entdeckt und die Juden verbrannt. Da sammelten sich die Zünfte, mit ihren Bannern zogen sie vor das Rathaus und verlangten stürmisch den Tod der Juden, die Heimrufung der Verbannten. Der Rat, von der Schuld der Juden nicht überzeugt, trat dem Begehren entgegen. Er verstand sich nur dazu, die Verbannungsurteile aufheben zu wollen; die Juden aber sollten in sichere Haft gesetzt, ihr Schicksal durch ordentlichen Rechtsspruch entschieden werden. Das Volk ließ sich beschwichtigen und nahm diese Zusagen an.

Der Rat aber sandte seine Boten nach Benfeld, wohin unter dem Drucke der durchs ganze Land, nicht nur in Basel, leidenschaftlich laut gewordenen Erregung die Stände des Landfriedens von 1345 waren aufgeboten worden. Hier an der Versammlung trafen die Meinungen aufeinander. Die Städte Straßburg, Basel, Freiburg fanden keine Schuld an den Juden. Aber die Fürsten und Herren, Bischof Berthold von Straßburg voran, traten ihnen entgegen; sie überschlugen, wie hoch ihre Schulden bei den Juden stünden, und dachten, diese Last mit einem Rucke los zu werden. Das allgemeine Verlangen des Volkes nach Rache, die Mähr von den Brunnenvergiftungen wirkten mit; es kam zum Beschlusse, die Juden preiszugeben, und damit war allenthalben ihr Schicksal besiegelt.

Vom Wege Rechtens und Urteil konnte auch in Basel jetzt nicht mehr die Rede sein. Der Rat mußte dem Volke nachgeben. Am 16. Januar 1349, einem Freitag, wurden die Juden auf einer der Sandbänke der Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR Vorlage:SeitePR 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