Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1/Fünftes Kapitel

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[263] Fünftes Kapitel.

Der buchhändlerische Geschäftsbetrieb bis zur Reformation.

Zahl der Inkunabeln. Was sind Inkunabeln? – Verschiedene Geschäftszweige des buchhändlerischen Betriebes. – Schriftgießer. Goldschmiede sind Schriftgießer. Beispiele. Typen Eigentum des Verlegers. – Buchdrucker rekrutieren sich aus allen möglichen Klassen: Studenten. – Schönschreiber und Miniaturmaler werden Drucker. Bedingungen der Versöhnung. – Kein Unterschied zwischen Schreiber und Drucker in der Sprache. Beweise aus Augsburg. Straßburg. – Drucker und Verleger trennen sich. – Kolporteure. Anschlagzettel; Beispiele. – Buchführer. Jahrmarktsbesuch. – Filialen. – Buchhändler und Drucker verwechselt. – Drucker selbst bestellen bei Dritten. – Aufträge von Privatpersonen an Drucker. – Verleger geben Druckern Aufträge. – Spezialitäten der einzelnen Drucker und Verleger der verschiedenen Länder. – Großkapital; Association (verschieden in Italien, Deutschland und Frankreich). – Buchläden (Verkauf von eigenem und fremdem Verlag). – Ältester Sitz der Sortimentsbuchhändler Augsburg. – Mitte des 16. Jahrhunderts der Buchhandel entwickelt. Usancen auf der Messe. Zahlung. – Honorar. Korrektoren. Tanner. – Honorar schimpflich (Erasmus und Hutten), später annehmbar. – Barzahlungen. Goldast. – Dedikationen. – Höhe der Auflagen. Ausgaben (theologische Litteratur). – Juristische Litteratur nach Stintzing. – Koberger. Briefwechsel mit Amerbach. – Schluß.

Erst um die Wende des 15. Jahrhunderts wird es möglich, einen Überblick über die jugendlichen Leistungen des Buchdrucks und Buchhandels zu gewinnen. Leider sind nur gelegentliche Äußerungen und zerstreute Einzelheiten über das damalige Geschäft erhalten; indessen ergibt sich aus ihnen, daß es selbst in der sogenannten Inkunabelnzeit durchaus nicht unbedeutend gewesen sein kann.

Wenn Didot auf Grund einer Schätzung Daunou’s annimmt[1], daß bis 1500 nur 13000 Bücher in einer Durchschnittsauflage von je 300 Exemplaren gedruckt worden seien, was im Jahre 1501 für ganz [264] Europa einen Vorrat von etwa 4000000 Büchern ergeben würde, so greift er viel zu niedrig. Hain führt in seinem Repertorium 16299 bis dahin gedruckte Werke an. Indessen ist auch diese Zählung nicht hoch genug, denn einmal sind viele hundert, wenn nicht viele tausend Bücher bis auf ihre letzte Spur der Nachwelt verloren gegangen, dann aber seit Hains Tode auch Tausende wieder aufgefunden worden, sodaß man die Gesamtzahl ohne Übertreibung auf wenigstens 25000 Druckschriften veranschlagen kann, von welchen etwa sechs Siebentel aus scholastischen und religiösen Werken bestehen. Von der Linde berechnet die noch vorhandenen Bücher und Flugschriften sogar auf mehr als 30000 selbständige Stücke. Ebenso sind die Auflagen viel höher zu berechnen, als man, nach den Nachrichten betreffs einiger der ersten gedruckten Bücher urteilend, zu thun pflegt. Statt auf 300 Exemplare, wie Didot, kann man, wie der Verlauf dieser Darstellung nachweisen wird, die durchschnittliche Auflagehöhe auf mindestens 500 Exemplare, wenn nicht höher, annehmen. Natürlich umfassen die angegebenen Zahlen nicht allein die deutschen, sondern alle bis zum Jahre 1500 in Europa veröffentlichten Preßerzeugnisse. Überhaupt kennt der Buchhandel während des ganzen ersten Jahrhunderts seit der Erfindung der Kunst keine nationalen Unterschiede und Gegensätze. Seine dem deutschen Großhandel entnommenen Usancen sind ziemlich überall die nämlichen, die Sprache seiner Verlagsartikel ist fast durchgehends die lateinische, die Sprache der Kirche, der Litteratur, der Regierungen und der Gerichte, und schon im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts dient die frankfurter Messe als Centralpunkt für den europäischen Buchhandel überhaupt. Es ist deshalb auch kein Notbehelf, sondern ein Gebot der geschichtlichen Unparteilichkeit, wenn in der Folge, um eine buchhändlerische Erscheinung zu erklären, oder in das rechte Licht zu stellen, vorerst ebenso sehr auf französische oder italienische, als auf deutsche Verhältnisse verwiesen wird.

Man pflegt die bis zum Jahre 1500 gedruckten Bücher Inkunabeln oder Wiegendrucke zu nennen: eine willkürliche rein äußerliche Bezeichnung und Begrenzung, für welche es kaum innere Merkmale und Gründe gibt. Wenn z. B. Anton Koberger die Bibelerklärung des Kardinals Hugo schon von 1493 an vorbereitet und die sieben Folianten zwischen 1498 und 1502 drucken läßt, so wirft sich ganz natürlich die Frage auf, ob denn dieses Werk eine Inkunabel ist oder nicht, oder ob bloß diejenigen [265] Bände so genannt werden dürfen, welche vor dem 1. Januar 1500 gedruckt wurden? Außerdem bezeichnet der Anfang des neuen Jahrhunderts durchaus keinen Fortschritt in der Geschichte der Kunst, geschweige denn der Menschheit, wohl aber thut es die große Kirchenreformation, welche für das ganze denkende Europa den Übergang aus dem Mittelalter in die neue Zeit bildet. Es wäre also vielleicht viel bezeichnender gewesen, wenn man überhaupt eine Inkunabelnzeit annehmen und bestimmt abgrenzen will, die Periode vor 1520 das Foliantenzeitalter zu nennen, weil bis dahin fast nur ausnahmsweise in andern Formaten als in Folio gedruckt wurde. Dieser Unterschied ist kein bloß äußerlicher. Der Verbreitung der Bildung im Volke hatten eben die Folianten wenig oder gar nichts genützt. Die eigentliche weltbeherrschende Bedeutung des Buchhandels beginnt vielmehr erst mit dem überwiegenden Auftreten der kleinen Formate, welches in seinen Wirkungen eine vollständige Revolution bedeutete.

Der buchhändlerische Geschäftsbetrieb bedurfte zur Herstellung und zum Verkauf der Bücher der im Anfang meist in einer Person vereinigten Thätigkeit des Schriftgießers, des Buchdruckers, des Verlegers und des Händlers. Mit dem größern Leserkreise und dem durch ihn angeregten Erscheinen zahlreicherer Preßerzeugnisse zerfiel aber diese Vereinigung verschiedener Geschäftszweige allmählich wieder in ihre verschiedenen Bestandteile, sodaß jeder von ihnen nun das ihnen allen gemeinschaftliche Ziel selbständig, aber den andern ergänzend, ins Auge faßte.

Es handelt sich hier zunächst um den Schriftguß. Gutenberg und Fust besorgten diesen selbst. Jener hatte sich als der Erfinder beweglicher Bleitypen mit dieser Kunst vertraut gemacht und sich schon in Straßburg bei seinen ersten Versuchen im Spiegelgießen der Hülfe von Goldschmieden bedient. Fust war von Haus aus ein solcher und daher besonders geeignet, die Tragweite der neuen Erfindung zu erfassen. Die Goldschmiedekunst ist in der That eine Art Vorschule des Schriftgusses. Der Goldschmied mit seinen technischen Kenntnissen war dem ersten Drucker unentbehrlich, da er Stanzen hatte, mit welchen er seine Ornamente aus Metall vervielfältigte. Er mag sogar schon früher Inschriften durch Einschlagen einzelner Stanzen mit verkehrt geschnittenen Buchstaben hergestellt haben.[2] Jedenfalls war es der Goldschmied, welcher für die ersten Drucker die Stanzen anfertigte. Diese suchten deshalb auch zur [266] Herstellung ihrer Schriften die Goldschmiede als Mitarbeiter zu gewinnen. Schöffer ließ, um sich so lange als möglich sein thatsächliches Monopol zu bewahren, weder Matrizen noch Schriften käuflich ab. Nur die hervorragendsten und bemitteltsten Offizinen konnten untadelhafte Typen liefern; die Kosten ihrer Herstellung erforderten ein zu großes Kapital und die Beschaffung der unentbehrlichen Arbeiter ließ sich oft nicht ohne bedeutenden Zeitverlust bewerkstelligen. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstanden selbständige Schriftgießereien. So lange dauerte es, daß der Goldschmied, der oft genug zugleich der Kapitalist war, geneigt blieb, seine Thätigkeit und seine Mittel, sei es ganz, sei es teilweise, der neuen Kunst zuzuwenden. Bis dahin vergingen oft Jahre, ehe die Drucker ihre Stempel graviert, ihre eigenen Typen gegossen hatten, ehe sie also mit dem eigentlichen Druck von Büchern beginnen konnten. Ausdrücklich wird diese Thatsache von Schweinheim und Pannartz erwähnt, die sogar zweimal (zuerst in Subiaco und dann in Rom) eine solche kostspielige Vorarbeit unternehmen mußten, – von Wendelin von Speyer in Venedig, von Johann Neumeister in Italien und Frankreich und von Kranz, Gering und Freiburger in Paris. Unter diesen Umständen war es damals für einen Mann, der sich als Drucker mit einem andern associieren wollte, schon eine schwerwiegende Empfehlung, der Bruder eines Goldschmiedes zu sein.

Neben diesem tritt der Stempelschneider, Formschneider und Schönschreiber als Mitarbeiter für die Herstellung der Typen auf. Schöffer, als alter Schönschreiber, lieferte dem Formschneider neue Zeichnungen und Modelle. König Ludwig XI. sandte angeblich schon 1458[3] seinen Münzstempelschneider Nikolaus Jenson aus Tours zur Erlernung der Buchdruckerkunst nach Mainz. Dieser nämliche Künstler erschien einige Jahre später, zwischen 1470 und 1480, wieder in Venedig, wo er sich zum berühmtesten Stempelschneider seiner Zeit emporarbeitete, der seine geschmackvollen Schriften an die bedeutendsten Druckereien des Inlandes und Auslandes verkaufte. Nach Didot muß Jenson Typen an Eucharius Silber in Rom abgegeben haben, da des letztern 1490 erschienene Ausgabe von Cicero’s Briefen an Atticus mit ganz denselben Typen gedruckt ist, mit welchen Jenson 1475 seinen Cicero hergestellt hatte. Jedenfalls muß er der erste größere Händler mit Buchdruckerschriften gewesen sein. In Straßburg gossen Goldschmiede, Formschneider und [267] Schönschreiber oft in Gemeinschaft, oft wieder selbständig Typen für eigenen Gebrauch, legten eine Druckerei und einen Buchhandel an; das zweite Kapitel brachte ja schon zerstreut Nachweise dafür. Der dortige Goldschmied Georg Husner, dessen Schwiegervater Nikolaus von Honau gleichfalls „Aurifaber“ und „Pressor librorum“ war, wurde Drucker und Verleger und redet im Jahre 1473 von seinen „Literae aere exculptae“.[4] Der später so berühmt gewordene Buchhändler Johann Rynmann wird im Jahre 1475 in den augsburger Steuerlisten als Goldschmied angeführt, während er erst 20 Jahre später, 1495, als Buchführer besteuert ward. Die städtische Behörde nahm also erst Kenntnis von seinem anderweitigen Geschäftsbetrieb, als die Goldschmiedekunst auch äußerlich in den Hintergrund seiner Thätigkeit getreten war. Rynmann muß teils neben-, teils hintereinander Goldschmied, Schriftgießer, Buchdrucker und Buchhändler gewesen sein.

In andern Ländern war es nicht anders. Des Aldus Manutius Schriftgießer, oder wenigstens der Hersteller der nach dem Verleger genannten Kursivschrift, Franz Raibolini oder auch Franz von Bologna genannt, war der bedeutendste Goldschmied des damaligen Italien. Neumeister verdankte seine Typen dem Goldschmied Emilio Orsini in Foligno. Ziemlich zu derselben Zeit blühte als solcher Bernardo Cennini in Florenz, der mit seinem Sohne Dominicus schöne Schriften schnitt und goß. In einem 1561 dem französischen Goldschmied Duvet in Lyon verliehenen königlichen Privilegium heißt es noch: „Duvet maistre orfèvre a portraict et figuré en table de cuyvre et caractères pour imprimer ce volume.“[5]

Mit der zunehmenden Zahl der Druckereien wurde die Nachfrage nach den verschiedensten Gattungen von Typen immer größer, sodaß es sich nunmehr der Mühe lohnte, den Guß derselben als selbständiges Geschäft zu betreiben. Ihr Verkauf an sich kam anfänglich sogar verhältnismäßig öfter vor als später, weil die Schriften vielfach, samt den mit ihnen hergestellten Büchern, das Eigentum der Beschützer der Drucker oder der Verleger und Auftraggeber wurden. So ist mit den Typen der Gutenbergschen Ablaßbriefe kein Buch mehr gedruckt worden, weil sie in den Besitz des Bestellers übergingen[6]; so druckten Schweinheim und Pannartz mit andern Lettern in Rom, als in Subiaco, die ersten pariser deutschen Drucker Kranz, Freiburger und Gering mit andern [268] Schriften „in der goldenen Sonne“ als in der Sorbonne. Man übertrug eben unwillkürlich, da man noch gar keine Ahnung von dem universellen Charakter der Kunst hatte, die eng beschränkte Aufgabe der Handschrift auf die gedruckten Bücher, und lebte in den Anschauungen des Mittelalters unbefangen weiter. Von deutschen Städten waren es namentlich Straßburg und Basel, welche die ersten großen Schriftgießereien einrichteten und deren Erzeugnisse bald nach Norden und Süden hin verkauften. Von tüchtigen Künstlern unterstützt, waren sie schon im Anfang des 16. Jahrhunderts im Stande, nicht allein eine reiche Auswahl geschmackvoller deutscher Typen, sondern auch in Nachahmung der neuesten venezianischen Erfindungen Antiqua und Aldinische Kursiv zu liefern. Augsburg und Nürnberg folgten dem Beispiel jener Städte bald nach und trugen das Ihrige dazu bei, den Buchdruck und Buchhandel unabhängig von der Selbstherstellung der Schriften zu machen.

Fortan also ist es einzig und allein der Buchdruck, welcher die Voraussetzung des Buchhandels bildete. Beide sind sogar so eng verbunden, daß sie vielfach miteinander verwechselt werden; namentlich aber hat sich bis in die neuere Zeit hinein der Begriff des Buchdruckers noch nicht prinzipiell von dem des Verlegers geschieden.

Die Buchdruckereien nun bezogen ihre Arbeitskräfte – Setzer und Drucker – aus allen möglichen Klassen und Gewerben, namentlich aber aus den Kreisen der Schreiber und der ihnen verwandten Berufsgattungen, wie Formschneidern, Briefmalern, Illuminatoren und Miniaturmalern. Der Zahl nach natürlich viel geringer und der Zeit nach später schließen sich ihnen verdorbene Studenten und überhaupt junge Männer der gebildeten Stände an, die ihren Beruf verfehlt oder im Leben schon Schiffbruch gelitten haben. Seitdem nun gar das Drucken eine einträgliche Industrie geworden, suchten Leute aller Stände darin ihren Broterwerb. Damalige Schriftsteller, wenn sie sich über die schlechten Sitten der Studenten beklagen, erzählen, daß viele derselben, unfähig einen Grad zu erlangen, sich zuletzt als Druckergehilfen verdingten. Sie verstanden gerade genug Latein, um als Setzer lateinischer Bücher zu dienen. Sebastian Brant, der während seines Aufenthalts zu Basel, wo er bei Amerbach und andern Korrekturen besorgt hatte, mehr als einen solcher ehemaligen Studenten gesehen haben mag, beschreibt sie als ebenso liederlich, wie auf den Universitäten. An einem [269] Tage, sagt er, verprassen sie einen ganzen Wochenlohn.[7] „Wenn die Studenten wider heim kumen, so kunnen sie nüt (nichts) und werden buchtrucker darusz“, sagt Geiler in seinen Predigten über das Narrenschiff.[8] Daraus erklärt sich vielleicht das Hinübernehmen eines Stücks des studentischen Pennalismus, des Depositionswesens, in die Zunftgebräuche der neuen Kunst.

Die Schönschreiber verhielten sich anfangs derselben gegenüber feindlich, weil sie sich von ihr in ihrem Erwerbe bedroht sahen. Ihre Gegnerschaft hielt aber nicht lange an, teils weil sie um des lieben Broterwerbs willen alles aufbieten mußten, nicht nur Schriften formen und gießen, sondern auch Bücher setzen und drucken zu lernen, teils weil sie sich bald überzeugten, daß auch für sie bei der täglich wachsenden Ausdehnung der Kunst noch genug zu thun und zu verdienen übrigblieb. Die gescheitern Köpfe und tüchtigern Kräfte unter den Schreibern würdigten also sehr bald deren Tragweite und übertrugen in richtiger Erkenntnis der Folgen, welche der Buchdruck für sie haben mußte, ihre Erfahrung, Kenntnisse und Einsicht auf das immer mehr aufblühende Geschäft. Wenn bei der frühern handschriftlichen Herstellung ein paar, oder höchstens einige Dutzend Bücher mit Initialen zu schmücken oder zu rubrizieren gewesen waren, verlangten jetzt Hunderte und Tausende von Werken eine derartige künstlerische Zuthat. Die ehemaligen weltlichen Schreiber, welche mit den geistlichen Schreibern und teilweise auch mit den Stationarien der Universitäten konkurrieren mußten, hatten jetzt so viel Arbeit als sie wollten und verdienten mit einiger Geschicklichkeit als Setzer und Drucker ebenso viel, wenn nicht mehr. Der Verdienst der Zeichner und Maler, Illuminierer und Rubrikatoren vermehrte sich auch, statt daß er sank. In dieser Thatsache lag das einigende und versöhnende Moment für die alte und neue Richtung, die allmähliche Annäherung und Verschmelzung ihrer Interessen. Dieser Versöhnungsprozeß vollzog sich schon in den ersten Jahrzehnten nach Erfindung der neuen Kunst. Es ist also kein Zufall, daß gerade in den Städten, in welchen während des Mittelalters Schönschreiberei, Miniaturmalerei und Handschriftenhandel in Blüte gestanden hatten, schon in den sechziger und siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts die ersten und bedeutendsten Druckereien entstanden, welche sich zugleich durch besonders geschmackvolle Ausstattung ihrer Verlagswerke und teilweise reichen Bilderschmuck derselben auszeichneten. Straßburg, Basel, Augsburg, [270] Ulm, Nürnberg und Köln stehen hier in erster Linie. Die kleine Reichsstadt Hagenau im Elsaß gehört, weil sie, wie bereits im ersten Kapitel erzählt wurde, von alters her der Sitz berühmter Schreibstuben und Schreiber war, zu den ältesten Stätten der Buchdruckerkunst und zog selbst noch 1518 einen so bedeutenden Drucker und Verleger, wie Thomas Anshelm aus der Universitätsstadt Tübingen an.

So kam es denn auch, daß die Volkssprache anfangs noch nicht zwischen Schreibern und Druckern zu unterscheiden wußte, zumal sich auch die Drucker selbst über diesen Unterschied nicht klar waren, oder ihn nicht hervortreten lassen wollten. In den ältesten Preßerzeugnissen wird die alte Thätigkeit des Schreibens noch vielfach für den neuen Begriff Drucken gebraucht. So sagt der Drucker Peter Adam in der Schlußschrift zu des Angelus Aretinus’ „Tractatus de Criminibus seu de Maleficiis“, welche er 1472 in Mantua herausgab: „Petrus Adam Mantue opus hoc impressit in urbe Illic nullus eo scripserat aere prius.“ Noch deutlicher tritt diese unwillkürliche oder absichtliche Verwechselung im Schlußwort zu einer der ältesten Ausgaben des Petrarca’schen „Triumphs Amors“ hervor, wo es heißt: „Magister Joannes Petri de Maguntia scripsit hoc opus die XXII Februarii“ (1472). In demselben Jahre gebrauchte derselbe Mainzer (12. November 1472) dasselbe Wort „scripsit“ statt „excudit“ im Kolophon zum „Philocolo“ von Florenz. Auch Kranz, Freiburger und Gering wandten, als sie noch in der Sorbonne druckten, höchst wahrscheinlich im Jahre 1473, die kalligraphischen Ausdrücke auf den Druck an. In der Schlußschrift zu der „Legenda Aurea“ sagen sie: „pulchre transcripta per nos impressoriae artis magistros“ (statt impressa). Überhaupt wird in etwa einem Dutzend Schlußworte aus dem 15. Jahrhundert der Druck mit „scribere“, „transcribere“ und „exscribere“ bezeichnet.[9]

Übrigens wird die von den verschiedensten Seiten, namentlich einem so bedeutenden Forscher wie A. Kirchhoff, aufgestellte Vermutung, daß die ersten Druckereibesitzer aus den Schreibern hervorgegangen seien, unter anderm auch durch die augsburger Steuerbücher zur vollsten Gewißheit erhoben. Es sind dieselben von den Jahren 1346 bis 1717 für jeden Jahrgang sauber auf Pergament geschrieben und wohlgeordnet im dortigen städtischen Archiv aufbewahrt. Je nach Straßen und Straßennummern [271] geführt, enthalten sie die Namen sämtlicher Steuerpflichtigen, sowie die jedesmaligen Beträge der Kopf- und Einkommensteuer. Da die Wohnungen und Offizinen der ersten augsburger Drucker aus den Grundbüchern und vielfach auch aus den noch vorhandenen Kaufbriefen nachgewiesen sind, so läßt sich auch die Identität der einzelnen Steuerzahler leicht feststellen.

Der erste Buchdrucker, welcher als solcher bezeichnet wird, erscheint in den augsburger Steuerbüchern 1473; bis dahin hieß er vielfach Schreiber, trotzdem daß nachweisbar schon 1468 dort gedruckt worden war. So wird Günther Zainer in den Steuerlisten bis 1473 als wohnhaft zu St. Anna (wo jetzt die Sandersche Fabrik steht) nur als Günther der Schreiber geführt. Im Jahre 1473 kaufte er von Johann Schüßler das Haus in der Weismalergasse (jetzt D, 213 Karolinenstraße). Als Besitzer dieses Hauses wird er in den Jahren 1474 und 1475 Günther der Buchdrucker, 1476 und 1477 aber einfach Günther Zainer ohne jeden Zusatz genannt. Wie schnell sein Geschäft gewachsen sein muß, geht aus der Thatsache hervor, daß er von 1474 an bereits 28 Gulden jährlicher Steuern zahlte.

In derselben Weise wird Johann Schüßler von 1453 bis 1484 in den augsburger Steuerbüchern als Schreiber angeführt. Er wohnte bis 1464 am Bruderkloster und kaufte 1464 von der Witwe Anna Kötzlin und Konsorten das obengenannte Haus in der Weismalerstraße. In dem Kaufbriefe von 1464, dessen Original sich in dem Besitz des hochverdienten Lokalhistorikers Dr. Robert Hoffmann in Augsburg, dem gegenwärtigen Eigentümer desselben Hauses, befindet, wird Schüßler als Buchbinder bezeichnet. Es findet mithin seine frühere Thätigkeit und auch sein späteres untergeordneteres Geschäft Erwähnung, nicht aber seine Druckerei, durch welche er sich nicht nur einen angesehenen Namen, sondern offenbar auch Wohlstand erwarb. Denn während er 1464 nur 23 Gros (Groschen) Steuern bezahlte, ward er 1468 schon auf 2 Gulden eingeschätzt. Johann Bämler endlich erscheint in den städtischen Steuerlisten zuerst 1453 als Schreiber, 1457 ohne jeden Zusatz als Bämler, 1459 als Bämler, Schreiber, 1461 als Johann Bämler, 1462 bis 1472 als Bämler, Schreiber, und nur 1477 als Johann Bämler, Drucker. Erst 1508 verschwindet sein Name aus diesen Listen. Von 1477 bis 1508 war seine Wohnung „Vor den Predigern“ (der jetzigen [272] Wintergasse). Bämler errichtete 1460 nur 3 ½ Gros Steuer, 1464 schon 2 Gulden und 1466 bereits 6 Gulden. Die verhältnismäßig bedeutende Steigerung dieses 1464 schon hohen Steuersatzes rührt schwerlich aus seinem Gewerbe als Schreiber her[10], da ja die meisten reinen Schreiber durch den Bücherdruck wenigstens früher oder später Einbuße in ihrem Erwerb erleiden mußten. Es drängt sich also die Vermutung auf, daß Bämler das gesteigerte Einkommen seinem neuen Geschäft als Buchdrucker verdankte und er dieses schon um die Mitte des siebenten Jahrzehnts schwunghaft betrieb.

Andererseits lieferten aber auch einige der sonstigen verwandten Gewerbe ihre Vertreter zur neuen Kunst. So namentlich die Holzschneider und Kartenmaler. Anton Sorg wurde von 1466 bis 1476 einschließlich als Kartenmaler, fast gleichbedeutend mit Formschneider, bezeichnet. Zu jener Zeit, und noch später, wurden Kartenmacher, Briefmaler und Briefhändler, welche alle der Kramerinnung angehörten, ebenso oft in eine Kategorie von Gewerbtreibenden geworfen, wie Buchdrucker und Buchbinder. Die neuen Buchdrucker brauchten aber außerdem nicht nur Setzer, zu denen die Schreiber wohl am besten geeignet waren, sondern zur Anfertigung ihrer Typen, Pressen und sonstigen Werkzeuge auch Kistler (Schreiner), Schnitzler (Armbrustmacher) und Holzschneider. Wenn nun diese Leute noch des Schreibens kundig waren und sonst Unternehmungsgeist hatten, so konnten sie, nachdem sie die Werkzeuge hergestellt hatten und mit deren Verwendung vertraut geworden waren, ohne zu große Schwierigkeit auch das Setzen und Drucken lernen, wie umgekehrt die Schreiber die Anfertigung der notwendigen Utensilien. Anton Sorg ging nun als Drucker aus den Briefmalern hervor. Noch 1457 zahlte er nur 7 Gros Einkommensteuer, 1464 schon 7 ½ Pfund und 1466 sogar 10 Gulden. Er muß sich also ebenso früh wie Bämler erfolgreich als Drucker emporgearbeitet haben, wenngleich aus jener Zeit kein mit Jahreszahl und Namen bezeichnetes Druckwerk von ihm mehr vorhanden ist. Wieder andere traten zuerst als Buchbinder auf. So erscheint der berühmte Erhard Ratdolt von 1469 bis 1473 nur mit seinem Namen in den Steuerlisten, 1474 aber als Buchbinder Erhard, dann als Drucker, von 1486 bis 1528 sei es als Meister Erhard, sei es als Erhard Ratdolt. Er zahlte zu Anfang des neuen Jahrhunderts bereits 30 Gulden Einkommensteuer.

[273] Etwa zu Beginn der achtziger Jahre fangen die Unterscheidungen zwischen den verschiedenen, teilweise verwandten Gewerben an, und namentlich treten von da an die Buchdrucker und Buchführer in den Steuerbüchern zahlreich als selbständige, voneinander gesonderte Gewerbtreibende auf. Nur ausnahmsweise wird ein namhafterer augsburger Buchdrucker, wie der Briefmaler Krapfenstein, welcher von 1475 bis 1479 bei Günther Zainer gearbeitet hatte, noch 1486 als Schreiber aufgeführt; ein Beweis, wie lange noch einzelne Kreise an dieser für damals volkstümlich zu nennenden Bezeichnung der Buchdrucker festhielten.

Was sich nun von Augsburg aktenmäßig nachweisen läßt, das muß auch für andere große Städte Deutschlands gelten, da die innere und äußere Entwickelung der neuen Kunst überall dieselbe war. So z. B. für Straßburg, welches nicht nur der Mittelpunkt der elsässischen Druckerthätigkeit, sondern auch noch im 16. Jahrhundert eine Art Buchdruckerschule für Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz bildete. Der hochverdiente straßburger Gelehrte C. Schmidt hat in seiner vortrefflichen Schrift: „Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken und der ersten Buchdrucker zu Straßburg“, unter anderm eine Fülle von bisher unbekannten Thatsachen veröffentlicht, welche das vom Verfasser aus den augsburger Akten gezogene Material bestätigen und zugleich vervollständigen. Mehrere der ersten straßburger Drucker waren Goldschmiede, Maler, Kalligraphen. Als solche gehörten sie zur Goldschmiedezunft, die damals alle irgend einen künstlerischen Charakter tragenden Gewerbe umfaßte und ihre Stube in der Münstergasse, in dem Hause „Zur Stelz“ hatte. Schon frühe trifft man auf Drucker, Pressores, impressores librorum, von denen man nichts als den Namen kennt. Da nun die Verbreitung des Buchdrucks das Gewerbe der Kalligraphen beeinträchtigte, manche Druckereien auch zur Ausschmückung ihrer Erzeugnisse eigene Zeichner und Illuministen in ihre Dienste nahmen, so erlitt die Zunft „Zur Stelz“ durch Verminderung der Zahl ihrer Mitglieder so bedeutenden Schaden, daß die Beiträge für den Stubenzins erhöht werden mußten. Nach Schöpflin soll schon 1472 im Stadtrat „de lege et norma typographis praescribenda“ die Rede gewesen sein. Über den Gegenstand dieses Gesetzes erfährt man leider nichts; es scheint aber, daß man die Absicht hatte, die Drucker zünftig zu machen. Ein desfallsiger Beschluß wurde aber erst 1502 und auch nur [274] auf so lange gefaßt, bis die „Stelz“ von ihren Verlegenheiten befreit sein würde. Doch aber kann dieser Vorgang mit einer beginnenden zünftlerischen Bewegung unter den Buchdruckern, die ja später die ärgsten Zunftfanatiker wurden, zusammengehangen haben. Denn auch in Leipzig wollte der Rat im Jahre 1506 über eine Ordnung für die Drucker beraten. Leider fehlen, außer dieser dürren Notiz, auch hier alle weitern Nachrichten in den Akten.

Die in einer Person vereinigte Thätigkeit des Druckers, beziehungsweise Verlegers, und des Händlers konnte auch nur kurze Zeit dauern. Solange die Zahl der Lesenden nämlich gering war und wenige Bücher erschienen, vermochte der Drucker ohne Mithilfe Dritter die Erzeugnisse seiner Presse persönlich ganz gut zu vertreiben. Als aber das Absatzgebiet im Innern immer mehr erstarkte und auch nach außen hin sich ausdehnte, war ein Einzelner nicht mehr im Stande, neben der Aufsicht über seine Druckerei weite Reisen zu unternehmen und die verschiedenen Jahrmärkte oder Messen zu besuchen. Die Drucker mußten deshalb, um mit der Entwickelung des Geschäfts gleichen Schritt zu halten und dessen kaufmännischen Betrieb zu fördern, sehr bald Verkäufer anstellen, Filialen errichten oder Gesellschafter annehmen. Zunächst löste sich also in den Verkäufern der Bücher ein anderer Zweig vom Hauptstamm ab. Diese Verkäufer hießen anfangs Buchführer und umfaßten sowohl den heutigen Sortimenter, als auch den Kolporteur. Die beiden letztern Geschäfte sind in ihrem ersten Ursprung qualitativ ganz dieselben und höchstens quantitativ voneinander verschieden, gehen aber häufig ineinander über. Der eine wie der andere widmet sich persönlich dem Kleinhandel mit den von ihm selbst, meistens aber von Dritten gedruckten oder erhandelten Büchern. Der Hausierer trägt dieselben von Ort zu Ort auf Jahrmärkte und Messen, aber er verkauft neben seinen Büchern unter Umständen auch andere Waren. Der Buchführer beschränkt sich an seinem ständigen Geschäftssitze mehr auf den ausschließlichen Vertrieb von Büchern und vermittelt, wie jener, den Verkehr des lesenden Publikums mit dem Drucker und Verleger. Der Hausierer (bibliopola libros venales deportans) ist der Zeit nach der erste und arbeitet dem Buchführer vor.

Als einer der ältesten Sortimentshändler (Buchführer) erscheint Reinhard Türkhl, welcher 1474 in Wien einem kölner Franziskanermönch [275] Hans fünf Exemplare der „Summa Theologiae“ oder „Pantheologia“ in einer zweibändigen Ausgabe (offenbar der schönen Sensenschmid-Keferschen, 1473 in Nürnberg erschienenen) verkaufte. Der Händler mit österreichisch geschriebenem Namen wird zwar nicht ausdrücklich als Buchführer bezeichnet und ebenso wenig findet sich Aufschluß darüber, wie die betreffende Urkunde ins augsburger Stadtarchiv geraten ist, wo sie der Verfasser entdeckte und abschrieb; allein es läßt sich wohl kaum daran zweifeln, daß Türkhl ein wiener, und dabei sehr gewandter Buchhändler war. Man hat es hier wenigstens mit einem Manne zu thun, welcher bei einem Zeitgeschäft sowohl sich, als auch seinen Käufer sicherzustellen und diesen, der offenbar keine genügenden Barmittel hatte, auch für die Zukunft an sich zu binden weiß. Türkhl bescheinigt also in der vorliegenden Urkunde (s. Anhang Nr. IV) in Gegenwart eines Zeugen und unter Siegel, daß er dem genannten Hans fünf Exemplare des ersten Bandes der „Pantheologia“ verkauft und von ihm bis auf drei ungarische Gulden Zahlung dafür erhalten hat. Zugleich aber verpflichtet er sich, ihm die restierenden fünf Exemplare des zweiten Bandes bis spätestens zu nächstem Martini (also vom 11. August, dem Tage des Abschlusses, an in drei Monaten) zu liefern. Sollte das aber nicht geschehen, so möge Hans die ersten fünf Bände wieder verkaufen, um sich für sein an Türkhl gezahltes Geld und etwa erlittenen Schaden bezahlt zu machen.

Der Buchführer bezog nun von einem oder von verschiedenen Druckern seine Ware und handelte damit auf eigenen Gewinn und Verlust, oder er vermietete ihnen seine Dienste und arbeitete auf Kosten und Gefahr seiner Auftraggeber. Er war den Druckern besonders dadurch wichtig und unentbehrlich, daß er, selbst mit ungeschlachten Folianten das ganze Land durchziehend, den Geschmack und die litterarischen Bedürfnisse der verschiedenen Gegenden erforschte, das Lesebedürfnis durch Vorzeigung und Anpreisung seiner Bücher weckte oder sich auch an einem ihm günstig erscheinenden Orte niederließ, wodurch er natürlich auch zur Ausbreitung des Buchhandels wesentlich beitrug. Den ältesten beglaubigten Spuren des Hausierhandels begegnet man, wenn nicht Ende der sechziger, so doch zu Anfang der siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts. Es sind nämlich noch etwa acht der schon früher erwähnten von deutschen Verlegern ausgegangenen Bücheranzeigen oder vielmehr Prospekte erhalten, darunter [276] drei von Johann Mentel in Straßburg, je einer von Günther Zainer, Johann Bämler und Anton Sorg in Augsburg, einer von Johann Regiomontan und ein späterer (1486) von Anton Koberger. Der Hausierer stellte auf dem Jahrmarkt oder der Messe einer Stadt, oder an öffentlichen Plätzen, an den Kirchenthüren (den altherkömmlichen Verkaufsständen der Handschriftenhändler), in Universitätsstädten vor den Thüren der Kollegien und Bursen, oder im Wirtshaus seine Vorräte aus und kündigte zugleich deren Verkauf in Anschlagzetteln an, wie dies vor ihm schon die Handschriftenhändler gethan hatten. Während die Anzeigen in groß Folio als Mauerplakate dienten, waren andere in Oktav oder Quart gedruckte Ankündigungen wohl zur Verteilung aus der Hand, oder auch zum Einkleben in die gebundenen Bücher bestimmt. Die ältesten dieser Anzeigen stammen von Mentel her und dienten verschiedene von ihm gedruckte Werke zum Verkaufe an: so die 1469 erschienene „Summa Astexana“, die 1470 oder 1471 vollendeten „Epistolae Sancti Hieronymi“ und das 1473 herausgegebene „Speculum historiale“. Sie beginnen übereinstimmend mit dem Worte „Cupientes“ oder „Volentes emere“ und schließen mit dem Satze: „Veniant ad hospicium zu dem ....“ und versprechen dem Käufer einen billigen Verkäufer (habebunt largum venditorem). Im Anhang unter V sind die drei Mentelschen Prospekte und ein Bämlerscher wörtlich abgedruckt.

Die offen gelassene Stelle am Ende der Mentelschen Anzeigen beweist deutlich, daß seine Hausierer von einem Ort zum andern zogen und jedesmal bei ihrer Ankunft den Namen ihres Wirtshauses einschrieben; die lateinische Sprache aber läßt erkennen, daß er, wie auch die meisten der seinem Beispiel folgenden Verleger, vorzugsweise Gelehrte oder Klöster im Auge hatten. Das Geschäft in letztern kann nicht unbedeutend gewesen sein, da sie vielfach weit entfernt von der Heerstraße lagen und sich ihren litterarischen Bedarf durch diese Hausierer vermitteln lassen mußten. So findet sich am Schluß eines Exemplars der Postille des Nikolaus von Lyra folgende Bemerkung eingetragen[11]: „Dieses Buch gehört der Benediktinerabtei Sancta Maria von Montebourg in der Diöcese Constances, Provinz Rouen. Gekauft im Kloster der genannten Abtei von einem Hausierer (librario venales libros deportanti) am 8. August im Jahre des Herrn 1487. Es kostet dreißig tourainische Sous. Bescheinigt Janicart.“

[277] Die deutschen Prospekte bildeten dagegen damals anscheinend, wie überhaupt die deutsche Litteratur, die bedeutende Minderheit. Außer Günther Zainer, der etwa zwei Drittel lateinischer und ein Drittel deutscher Bücher anbot, brachten allein Johann Bämler und Anton Sorg nur deutsche Verlagsartikel auf den Markt. Es ist eine interessante Thatsache, daß die erste deutsche Volkslitteratur aus Augsburg kommt. Sorg kündigt unter anderm die Volksbücher „Griseldis“, „Die schöne Melusine“ u. s. w. an, Bämler aber populäre juristische und theologische Werke.

Aus dem Hausierer nun wurde der Buchführer in dem Augenblick, wo der Handel sich nicht mehr im Umherziehen bewältigen ließ, wo der Geschäftsverkehr der wandernden Händler auf Messen und Jahrmärkten untereinander begann und wo die Masse der neuen Erscheinungen auf die weitere Teilung der Arbeit drängte. Nicht daß der Wanderverkehr überhaupt in Wegfall gekommen wäre; er blieb vielmehr und wuchs sogar an Ausdehnung und Umfang. Aber es trat eine gleichsam aristokratische Scheidung ein: der Großbetrieb der Buchführer hielt an den Geschäftsreisen auf die großen Märkte und in fernere Gegenden fest, der Kleinverkehr dagegen, der eigentliche Hausierhandel, beschränkte sein Feld immer mehr auf die Kleinlitteratur, auf die Flugschriften und die Volkslitteratur, eine Umwandlung, welche sich schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu vollziehen begann.

Um aber den Absatz ihrer Artikel noch wirksamer zu betreiben, besuchten die Verleger selbst die Jahrmärkte und Messen der mittlern und größern Städte, boten dort im unmittelbaren Verkehr mit dem Publikum die Erzeugnisse ihrer Pressen aus. Es seien hier vor allem erwähnt Frankfurt a. M. und Leipzig, Nürnberg, Straßburg, Basel, Zurzach, St. Gallen, Augsburg, Nördlingen, Naumburg, Erfurt und Breslau. Wie die Kaufleute hier seit Jahrhunderten ihre Einkäufe gemacht und unter anderm auch Handschriften, ja Flugblätter politischen oder theologischen Inhalts, sei es auf eigene Gefahr, sei es im Auftrag Dritter, gekauft oder verkauft hatten, so dehnten sie sehr bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst ihre Kundschaft auch auf Bücher aus. Das Bedürfnis nach ihnen entsprang aus, und fußte natürlich auf dem bisherigen Handschriftenhandel. Wenn schon, wie bereits erwähnt, 1439 die siebenbürger Kaufleute den litterarischen Verkehr dieser deutschen Kolonie mit dem [278] Mutterlande vermittelt und Handschriften von Basel nach Hause gebracht hatten, so zählte auch die im ganzen 320 Bände umfassende Kapellenbibliothek in Hermannstadt im Jahre 1500 schon 167 deutsche Inkunabeln, darunter 11 aus Augsburg, 22 aus Basel, 23 aus Köln, 28 aus Straßburg und 51 aus Nürnberg, sowie außerdem 114 aus Venedig. Auch Riga und Reval bezogen im spätern Mittelalter ihren geringen litterarischen Bedarf, namentlich an kirchlichen Hilfsmitteln, über Lübeck. Seit den ersten Anfängen der Buchdruckerkunst standen, dem frühern Verhältnis entsprechend, die dortigen nicht unbedeutenden Kaufleute Konrad Hürlemann und Ambrosius Segeberg schon in unmittelbarer Geschäftsverbindung mit Frankfurt a. M., kauften bei Johann Fust ein und sandten 1467 an Kord Romer in Riga und Marquard von der Molen in Reval eine Anzahl gedruckter Bücher zum kommissionsweisen Verkauf, nämlich 2 Bibeln, 15 Psalter und 20 Kanon. Die Zahl dieser Bücher ist zu groß, als daß sie für den eigenen Bedarf hätte bestellt sein können. Aus ihr aber ergibt sich die Folgerung, daß, wie die übrigen Ausfuhrartikel, die lübecker Kaufleute auch die litterarischen Bedürfnisse oder Aufträge für ihre Geschäftsfreunde in den Ostseeprovinzen vermittelt haben. [12] Die spärlichen Reste der leipziger Gerichtsakten erweisen außerdem, daß diese Vermischung des Buchhandels mit dem Warenhandel in Leipzig und auf der leipziger Messe bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts angedauert hat. Die kleinern Meßplätze treten dabei allmählich immer mehr, und zuletzt ganz, vor der täglich wachsenden Bedeutung Frankfurts und später Leipzigs zurück. Die Einzelheiten über diesen Punkt müssen den Kapiteln über die Buchhändlermessen der beiden zuletzt genannten Städte vorbehalten bleiben.

Außerdem aber errichteten die Verleger Filialen, oder wenigstens Niederlagen, in den bedeutendsten Städten des In- und Auslandes. Auch hier sind wieder Fust und Schöffer die ersten, welche, schon ehe die Buchdruckerkunst eine heimische Stätte in Paris gefunden hatte, dort eine Zweigniederlassung gründeten. Gleich ihnen ist hier auch Anton Koberger in Nürnberg zu erwähnen, welcher in der Person des Johann von der Bruck aus Flandern bereits 1476 einen Faktor in Paris hatte. Nach des letztern bald erfolgtem Tode war er dort später durch Johannes Blumenstock, genannt Heidelberg, vertreten. „Mich hat mein Junckher uff Paris gesetzt“, berichtet der treue Mitarbeiter, „Bücher zu [279] verkauffen und zu Gelt zu machen. Ich hab zu versorgen zween laden buecher, die zu sortiren, collationiren und schön und süber und ordentlich zu halten und darum gute Rechenschaft zu geben, so best ich mag.“ Außerdem hielt Koberger an verschiedenen Orten „offen Cräm und Gewölbe“, wie z. B. in Ofen, Krakau und Breslau, in Frankfurt, Regensburg, Passau und namentlich in Lyon, wenn es ihrer auch nicht volle sechzehn gewesen sein mögen, wie sein Biograph Waldau behauptet[13]; speziell von Lyon aus vermittelte Kobergers Neffe Johann die Verbindungen mit Spanien und Oberitalien. Als seinen Bevollmächtigten in Passau hatte Koberger mit kluger Berechnung den Domprediger Menrath Zyndel (1504) angestellt, eine Persönlichkeit, die ganz anders auf den Absatz der Bücher wirken konnte, als ein gewöhnlicher „Diener“; wahrscheinlich hatte er die geschäftlichen Beziehungen zu dem Osten zu überwachen. Auch in Leipzig hielt er in der Person des Buchbinders und Buchführers Peter Clement seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts einen förmlichen Kommissionär, einen „Faktor“, wie gleichzeitig auch Johann Rynmann von Augsburg in der Person eben desselben Clement, später in der Blasius Salomons. Aldus wiederum hatte seine Kommissionsläger (?) in Wien, Basel, Augsburg, Nürnberg und Paris. Für die betreffenden deutschen Städte steht die Thatsache längst fest, für Paris beweist sie Erasmus in einem Briefe, welchen er am 27. April 1510 von dort an Andreas Ammonius richtete: „Meine Sprichwörter“, heißt es unter anderm, „werden hier von neuem gedruckt werden. Die Aldinischen Ausgaben sind käuflich und nicht teuer; sie kosten nämlich 1 ½ Scudi, während sie in Rom teuerer verkauft werden. Wer welche will, möge sie bei jenem Italiener holen, der allein die Aldinischen Bücher verkauft.“ Auch Gottfried Hittorp und Ludwig Horncken in Köln unterhielten bis zum Jahre 1512 eine Kommandite in Paris, nach deren Aufgabe aber nicht weniger als drei: in Leipzig, Wittenberg und Prag, welche bis zum Jahre 1524 verfolgt werden können. Vereinzelt findet sich dieser Geschäftsgebrauch noch bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Als Beispiel möge Hans Spierinck dienen, welcher die Offizin des Antwerpeners Christoph Plantin von 1577 bis 1583 in Hamburg vertrat.[14]

Die ältesten Buchdrucker waren anfangs immer auch Verleger, da sie die Herstellung und Ausgabe ihrer Unternehmungen auf eigene Rechnung [280] und Gefahr besorgten. Mit der Verbreitung der Pressen, auch an kleinern Orten, und mit dem steigenden Bedürfnis der sich täglich erweiternden Lesewelt löst sich jedoch auch der Verlagshandel bald vielfach vom Buchdruck ab und wird schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts ein selbständiges Geschäft, wenn auch noch jahrhundertelang, wie schon früher angedeutet, im Volksmunde, ja selbst in amtlichen Schriftstücken, der Verleger und Drucker gleichbedeutende Begriffe bleiben. Die Thätigkeit der Drucker überwog auch noch für lange Zeit derart, daß beide Berufe nur schwer bestimmt gegeneinander abgegrenzt werden konnten. So heißt es in einem leipziger Ratserlasse von 1526, den Kirchhoff mitteilt: „Buchdrucker und andere, so pflegen Bücher zu verkaufen.“ Also trotz bereits fünfzigjähriger Praxis werden hier die Buchhändler noch mit den Druckern zusammengeworfen. Ganz ebenso ließ der Rat von Nürnberg 1537 allen „Buchdruckern“ den Verkauf eines von der frankfurter Messe eingeführten Schmachbüchleins „Fama“ verbieten.[15] Nun ist es von Nürnberg bekannt, daß hier die Buchführer auf dem Markt, vor den Kirchen und auf offener Straße schon vor der Reformation die neuen litterarischen Erscheinungen feilhielten. Erst am 14. September 1569, als der frankfurter Rat die zur Messe anwesenden Buchhändler vor sich beschied, bemerkte er am Schluß des Protokolls, „daß oberzehlte Personen nit allein Buchtrucker, sondern mehreren Theils zum Theill Buchhändler, zum Theill Buchführer seint.“ „Weither seint auch vil vnder solchen Typographis, die für sich selbst nichts, sondern allein mercenarie anderen, zum Theill auch Buchtruckern, zum Theill aber Buchhändlern und Verlegern trucken und die getruckten Exemplare denselben zustellen.“ Auch der kölner Rat unterschied 1578 die Buchhändler von den Buchdruckern.[16]

Wie große Druckereien, um den Anforderungen des Markts zu genügen, Bestellungen bei andern machten, so nahmen auch die Verleger vielfach fremde Pressen in ihren Dienst. In Straßburg unterschied man schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts zwischen „redelichen“, d. h. großen Druckereien, welche ausschließlich ihren eigenen Verlag druckten, und „gemeinen“, d. h. kleinen Druckereien, deren Pressen für Dritte arbeiteten. Jene standen natürlich höher als diese.[17] Diesen durch die Geschäftsentwickelung bedingten Fortschritt förderten außerdem noch praktische Erwägungen. Die eine Druckerei war für einen bestimmten Zweck [281] besser geeignet, als die andere, hatte z. B. passendere Schriften, tüchtigere Setzer oder Korrektoren, oder eine günstigere Lage. Sodann kostete die Errichtung einer neuen gut ausgestatteten Druckerei viel Geld, weshalb kleine Kapitalisten gegenüber den ältern Offizinen nur schwer oder gar nicht aufkommen konnten und sich lieber auf den Verlag beschränkten. Was im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts zur stehenden Praxis wurde, das prägt sich schon gegen Ende des 15. in seinen ersten Ansätzen aus und verdient deshalb besonders hervorgehoben zu werden.

Natürlich kommen hier diejenigen Drucke nicht in Betracht, welche Privatpersonen für bestimmte Zwecke bei bedeutenden Druckern bestellten. Solche Aufträge kommen schon in den ersten Zeiten vor. Fust und Schöffer druckten ihr „Psalterium“ für zwei mainzer Klöster und außerdem Breviarien und Missale für Mainz, Meißen und Breslau. Erhard Ratdolt in Augsburg[18] druckte, von 1486 oder 1487 an, Breviarien und andere kirchliche Bücher für die Bischöfe von Augsburg, Konstanz und Passau, Johann Neumeister, wie schon im dritten Kapitel erwähnt, 1487 in Lyon ein Missale für den Kardinal Karl von Bourbon, 1488 für den Erzbischof von Vienne ein Breviarium.[19] Die Abtei Monserrate von der neuen Kongregation der Benediktiner von St. Benito von Valladolid nahm sogar einen Drucker förmlich in ihren Dienst. Sie ließ schon im Mai 1498 nicht weniger als 18000 Indulgenzbriefe bei Johann Luschner in Barcelona drucken. Ende Mai kam derselbe mit Udalrich Belch von Ulm selbst nach der Abtei, wo er zufolge eines Übereinkommens vom 7. Januar 1499 sich verpflichtete, so viele Breviarien und überhaupt Bücher zu drucken, als Prior und Konvent verlangen würden; letzterer hatte das Papier und die nötigen Materialien auf seine Kosten anzuschaffen, für Speise, Trank und Arbeitslöhne zu sorgen, die Druckerschwärze zu bezahlen und Luschner, sowie dessen Frau und Kind, freies Quartier in dem Kastell von Otea einzuräumen. Dagegen versprach Luschner, die nötigen Utensilien, Lettern, Presse u. s. w. herzustellen. Für seine Arbeit sollte er monatlich 4 ½ Dukaten erhalten. Nach Abschluß dieses Vertrags begann der Druck am 4. Februar 1499 und lieferte bis zum 30. April 1500, also in einem Zeitraum von 15 Monaten 1020 Breviarien auf Pergament, 398 auf Papier, 1012 Missale auf Pergament, 128 auf Papier, 800 „Regulae“, 600 „Vitae Christi“, 800 „De spiritualibus ascensionibus“, 800 „Instructio noviciorum“ und [282] 800 „Parvum bonum“.[20] Diese Beispiele reichen hin, um einen Geschäftszweig näher zu beleuchten, der zwar mit dem Buchhandel nichts zu thun hat, jedoch den Anfang der heutigen sogenannten Accidenzarbeit bildet.

Bedeutsamer für die Geschichte des Buchhandels ist dagegen der Nachweis, daß sich, wie oben schon angedeutet, bereits im 15. Jahrhundert ein selbständiger Verlegerstand neben den Buchdruckern zu bilden begann. So veranstaltete der ofener Bürger und Buchhändler Theobald Feger auf seine Kosten 1488 bei Erhard Ratdolt in Augsburg einen Abdruck der Ungarischen Chronik des Johann von Thwroz.[21] Man hat neuerdings zwar die Behauptung aufgestellt, daß Feger ein wohlhabender Privatmann und Bücherliebhaber gewesen sei, also auch nicht in diese Kategorie gehöre; indessen nennt ihn Denis in seiner Wiener Buchdruckergeschichte, S. XVII, ausdrücklich einen Buchhändler und führt zum Beweise dessen zwei 1494 in Wien für Feger gedruckte Schriften an, auf deren Titel es heißt: „Impressae cura et expensis Theob. Feger, librarii et concivis Budensis.“ Auch in der Abrechnung, welche die Interessenten an der Schedelschen Chronik am 22. Juni 1509 in Nürnberg aufstellten, wird Feger als ofener Buchhändler genannt. Der in der Sorbonne thätige G. Wolff aus Baden vollendete für die pariser Buchhändler Philipp Pigouchet und Engelbert von Marneff am 20. Oktober 1492 den Druck des „Terentius cum commentario Guidonis Juvenalis“.[22] Der seit 1489 in Paris selbständig arbeitende Drucker Wolfgang Hopyl druckte 1493 für den londoner Buchhändler Nikolaus Lecomte[23]; der pariser Buchhändler Jean Petit (Klein aus Ulm?), der übrigens 1496 auch selbst eine Druckerei errichtet hatte, beschäftigte die Pressen von nicht weniger als 15 Druckereien. Diese Angabe des sonst wenig zuverlässigen La Caille dürfte kaum übertrieben sein, da Petit in fast allen pariser Offizinen, zum Teil sogar Conto à meta drucken ließ. So viel steht unbedingt fest, daß Petit seiner Zeit der bedeutendste Verleger in Paris war und sogar einem Mann wie Johann Froben als Vorbild diente. Nikolaus Luppi (auf Deutsch N. Wolf) aus Lutter am Barenberge war von 1492 bis 1512 Schriftgießer und Drucker in Lyon. In letzterer Eigenschaft arbeitete er während des letzten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts und bis 1505 für den Buchhändler und frühern Buchbinder Stephan Gueynard.[24] Daß auch Anton Koberger vom Anfang seiner Thätigkeit an verschiedene andere Druckereien [283] beschäftigte, wurde bereits erwähnt. Nachdem der große Verleger mit dem Anfang des neuen Jahrhunderts seine eigene Druckerthätigkeit ganz eingestellt hatte, ging er allerdings nur noch auf wenig neue Verlagsunternehmungen ein. Nur drei Werke ließ er noch bei Johann Sacon in Lyon (1509, 1512 und 1513) und je eins bei Johann Clein daselbst (1513) und Johann Grüninger in Straßburg (1510) drucken. Auch seine Geschäftsnachfolger beschäftigten nur ausnahmsweise ihre eigenen Pressen, ließen ihren Verlag vielmehr in Basel bei Adam Petri (5), in Hagenau bei Theodor Anshelm (5), in Lyon bei Lescuyer (2), Sacon (11), Clein (2) und Marion (2), in Nürnberg bei Peypus (10) und Stuchs (4), in Paris bei Jod. Badius (1) und Berthold Rembold (1) und in Straßburg bei Johann Grüninger (1) herstellen.

Gleich zu Beginn des 16. Jahrhunderts mehren sich die Beweise für die Fortsetzung und Ausdehnung dieser Praxis. Vor allen andern Städten sind Straßburg, Basel und Köln, etwa wie heutzutage Leipzig, Berlin und Stuttgart, die eigentlichen Brennpunkte der damaligen Drucker- und buchhändlerischen Thätigkeit. Das interessanteste Beispiel eines Bestellungen ausführenden und selbst Bestellungen erteilenden Buchdruckers und Buchhändlers liefert der Straßburger Johann Knoblauch. In den Jahren 1505 und 1506 druckte er für Johann von Ravensberg in Köln, 1515 für Urban Kaym in Buda und 1516 für Johann Haselberg aus Reichenau. Da seine Pressen für die an ihn gelangenden Aufträge nicht immer genügten, so ließ er selbst bei Heinrich Gran in Hagenau, bei Johann Prüß, Johann Schott und Martin Flach dem Jüngern für sich drucken. Im Buchhandel war er nicht minder thätig. Sodann sei hier nur kurz an die Gebrüder Leonhard und Lukas Alantsee in Wien erinnert, welche, von 1505 bis 1522 blühend, für ihren umfänglichen Verlag die verschiedensten auswärtigen Pressen beschäftigten: die von Adam Petri in Basel, Lazarus Schurer in Schlettstadt, Mathias Schurer und Johann Schott in Straßburg, Thomas Anshelm in Hagenau, Ulrich Morhard in Tübingen, Friedrich Peypus in Nürnberg, sowie endlich die von Peter Lichtenstein, Jakob Pencio de Lucca, Lucantanio de Giunta und Alexander de Paganinis in Venedig.[25] An diese bedeutende wiener Firma schließt sich die noch bedeutendere des Buchhändlers Johann Rynmann 1498 bis 1522 in Augsburg an, welcher teils bei den dortigen Druckern Johann Ottmar, Sylvan Ottmar und Erhard Oeglin, teils [284] auswärts drucken ließ, wie bei Adam Petri und Jakob von Pforzheim in Basel, Renatus Beck in Straßburg, Georg Stuchs und Hieronymus Hölzel in Nürnberg, Peter Lichtenstein in Venedig und vor allen bei Heinrich Gran in Hagenau. Ganz ebenso ließ Gottfried Hittorp in Köln, außer in Gemeinschaft mit Ludwig Horncken, nachweisbar schon 1518 bei Adam Petri in Basel und später, in den zwanziger Jahren, bei Berthold Rembold, Johann Philipp und Desiderius Maheu in Paris, Adam Petri und Andreas Cratander in Basel, sowie bei Thomas Anshelm in Tübingen drucken. Adam Petri kann übrigens kein bemittelter Drucker, muß vielmehr oftmals in Verlegenheit gewesen sein, denn er versetzte 1519 die mit Hittorps und Hornckens Geld gedruckten Bücher an Dritte. Die beiden kölner Verleger sahen sich deshalb gezwungen, die Vermittelung ihrer Vaterstadt in Anspruch zu nehmen, durch deren Fürsprache sie auch die Auslieferung der an Dritte verpfändeten Bücher erreicht zu haben scheinen. (S. Anhang unter VI.[26]) Auch Franz Birckmann in Köln beschäftigte die auswärtigen Pressen ebenso sehr als seine eigenen, und zwar zwischen 1513 und 1529 die von Wolfgang Hopyl, Berthold Rembold und Nikolaus Prevost in Paris, Heinrich Gran in Hagenau, sowie die von Johann Sibaldäus, Christoph Endovicensis, Christoph von Roermonde, Johann Graphäus, Simon Cocus und Gerhard Nikolaus in Antwerpen.[27]

Es war eine natürliche Folge der räumlichen Ausdehnung des Buchhandels, daß die einzelnen Buchhändler durch Einhalten einer bestimmten Richtung ein möglichst sicheres Feld der Bethätigung zu gewinnen und auszubeuten suchten. Sie teilten die Arbeit, indem sie den Geschmack und die Bedürfnisse der Leser ermittelten. So bildeten sich die Spezialitäten verhältnismäßig schnell aus; so deckten sich die Interessen der Einzelnen mit den Forderungen des Ganzen, und namentlich trat die Konkurrenz der Ausgaben in der klassischen und theologischen Litteratur zurück. Äußerst lehrreich ist der Rückblick auf den ersten Gebrauch, welchen die verschiedenen Völker von der Buchdruckerkunst in ihren ersten Anfängen gemacht haben. Es spricht sich überhaupt der Charakter und der Bildungsstand eines Landes oder Gemeinwesens so klar in seinen ersten Druckwerken aus, daß die Bibliographie eines bestimmten Zeitalters zugleich die Geschichte und Ziele des nationalen Geistes mit photograpischer Treue widerspiegelt.

[285] In Deutschland verlangte der kindlich fromme Sinn des Volks zuerst Bibeln, Kirchenväter und Erbauungsbücher; es überwogen hier daher auch im ganzen 15. Jahrhundert Werke, welche der Theologie und Scholastik, der Erbauung und dem Unterricht gewidmet waren. Man ging auf das christliche Altertum zurück und zog besonders die Kirchenväter wieder hervor, einen Hieronymus, Augustinus, Gregor und Tertullian. Dann regte sich das Bedürfnis besserer Ausgaben der Vulgata und des Neuen Testaments. Wie die lateinische Bibel in drei verschiedenen Ausgaben die Hauptwerke des Erfinders und seiner Geschäftsnachfolger bildet, so druckten sie auch Mentel, Heinrich Eggesteyn in Straßburg, Günther Zainer und Anton Sorg in Augsburg, Bernhard Richel in Basel, Ulrich Zell und Nikolaus Götz in Köln, Sensenschmid und Koberger in Nürnberg. Dazu kamen deutsche Bibeln in Straßburg (1466), Augsburg (1469) und Nürnberg (1483) nebst zwei plattdeutschen in Köln (1480) und Lübeck (1484). „Wir Deutschen“, sagt Jakob Wimpheling in seinem Schriftchen über die Buchdruckerkunst, „beherrschen fast den ganzen geistigen Markt Europas. Was wir ihm aber zuführen, das sind meist edle Erzeugnisse, welche nur der Ehre Gottes, dem Heile der Seelen und der Bildung des Volks dienen.“

In Italien trat die neue Kunst sofort in den Dienst der wissenschaftlichen Arbeit und wurde sogar von Bischöfen und Kardinälen wesentlich in ihrer klassischen Richtung gefördert. Wie Rom zuerst die lateinischen Klassiker druckte, so stellte Venedig die griechischen in eleganten Ausgaben schon im 15. Jahrhundert her. Auch die deutschen Drucker, welche die Buchdruckerkunst in Italien einführten, bequemten sich, wie die Darstellung im dritten Kapitel bereits erkennen läßt, leicht dem dortigen Geschmack an. Gleich Schweinheim und Pannartz widmeten ihre Thätigkeit den Klassikern; Cicero war einer ihrer ersten Verlagsartikel. Wendelin von Speyer gab schon 1470 den Tacitus, Sallust, Livius, Virgil, Cicero, Martial und Curtius heraus. Auch für die Verbreitung der nationalen Dichter sorgten die deutsch-italienischen Drucker. Es ist bezeichnend für die Heimat der Renaissance, daß während Petrarca’s Sonette und Boccaccio’s „Decameron“ schon 1470, Dante’s „Göttliche Komödie“ aber 1472 (von einem Deutschen in Foligno) gedruckt wurden, der als besonders fromm gerühmte Römer Aldus Manutius von theologischen Werken überhaupt nur eine Bibel und ein Gebetbuch herstellte.

[286] In Frankreich kommen lediglich Paris und Lyon in Betracht. In der Hauptstadt hatten sich die ersten von der Sorbonne berufenen deutschen Drucker deren Aufsicht und Befehlen zu fügen, durften nur die von ihr vorgeschriebene Litteratur herausgeben. Die Richtung dieser Fakultät war, nachdem Fichet und Heynlein Paris verlassen, eine engherzig scholastische, weshalb die Pressen sich auf das Gebiet der theologischen und juristischen Litteratur beschränken mußten. Nur unter dem Einfluß jener beiden Männer hatten Kranz, Gering und Freiburger auch alte Klassiker gedruckt; dagegen verlegten sie kein französisches Buch. Das erste in dieser Sprache veröffentlichte – der burgundische Roman „Recueil des Histoires de Troie“ – erschien überhaupt nicht in Frankreich, sondern in Köln a. Rh.[28] Lyon dagegen und mit ihm der ganze Süden des Landes schlug eine der pariser – wenn man von vereinzelten Ausnahmen, wie z. B. Antoine Vérard, absieht – ganz entgegengesetzte Richtung ein, indem er die volkstümliche Litteratur vervielfältigte und mittelalterliche, romantische Erzählungen und scherzhafte Gedichte durch den Druck der Nachwelt erhielt. Es erschienen hier die ersten Ausgaben des „Roman de la Rose“, der „Farce de Pathelin“, der „Quinze Joïes de Mariage“, des „Champion des Dames“ und einiger Stücke von Main Chartier, die erste Übersetzung der „Facetiae“ von Poggio und eine Menge von kurzweiligen Schriftchen, welche ohne die lyoner Druckereien wahrscheinlich untergegangen wären.[29] Daneben aber ist für Lyon auch die Pflege der juristischen und medizinischen Litteratur beachtenswert.

Unter den 62 Werken, welche William Caxton seit 1477 in seiner Heimat druckte, zählt die Theologie nur mit 10; der Rest hingegen gehört den Ritterromanen, oder andern mehr oder minder romantischen Geschichten, sowie der Litteratur und den Sitten der Zeit an. Im ganzen 15. Jahrhundert erschien in England keine einzige Bibel; von 1526 bis 1600 aber wurden von ihr nicht weniger als 306 Ausgaben veranstaltet. Die Reformation hatte diesen so ungeheuern Umschwung der Anschauungen im Gefolge. – In Spanien endlich handelte das erste gedruckte Buch von der Empfängnis Mariä.

Und wie in ganzen Ländern, so gestattet auch in einzelnen Städten der bloße Titel der dort gedruckten Bücher einen unverfälschten Einblick in die jeweilige Bildungsstufe ihrer Bürger. Die Zahl der von Köln im 15. Jahrhundert ausgegangenen Drucke beläuft sich auf etwa 800.[30] [287] Dem Charakter der dortigen Universität entsprechend sind sie meist theologischen Inhalts; die Zahl der geschichtlichen Werke dagegen ist sehr gering, und von klassischen Schriften sind nur die Ausgaben einiger Bücher Cicero’s, von Sallust, Terenz, Seneca, Plutarch u. s. w. zu nennen. Während daher Köln, solange es eine hervorragende Druckerthätigkeit ausübte, die Hochburg der katholisch-litterarischen Anschauungen und Bestrebungen war, wurde Wittenberg, als Wiege der Reformation, der Hauptverlagsort für protestantische Theologie und namentlich für den Druck der Bibel und der lutherischen Schriften. In Straßburg bildeten anfangs auch die theologischen und juristischen lateinischen Werke, namentlich diejenigen über kanonisches Recht, die große Mehrzahl, während bis zum Ende des 15. Jahrhunderts von deutschen Drucken höchstens 40 erschienen waren; allein mit dem Aufleben der humanistischen Studien trat eine wesentliche Veränderung ein.[31] Vom Anfang des 16. Jahrhunderts an überwiegen deshalb auch die zur Verbesserung des Schulunterrichts bestimmten Schriften, sowie die Ausgaben alter Autoren, die Werke neuerer Geschichtschreiber und Dichter. Neben der Humanistenlitteratur blüht immer mehr die populäre. Es erscheinen in Menge deutsche erbauliche, geschichtliche, rechtliche, medizinische, poetische, belustigende Bücher, Flugschriften und fliegende Blätter, darunter auch ehrenrührige Satiren. Erfurt und Leipzig, teilweise auch Köln, sind Jahrzehnte hindurch die Hauptpflegestätten für die Rechtswissenschaft und den Druck der sich mit ihr beschäftigenden Bücher. In Basel kommen zuerst Rechtsbücher, Legenden und romanhafte Erzählungen, später erst theologische und kritisch-philosophische Werke heraus. So bleibt es zwei Jahrhunderte hindurch der Sitz des gelehrten Verlags. Nürnberg und Augsburg zeigen gleich vom ersten Augenblick ihrer Verlagsthätigkeit an eine encyklopädische und kosmopolitische Thätigkeit, indem sie als rege Handelsstädte jedem litterarischen Geschmack und Bedürfnis gerecht zu werden suchen, namentlich aber auch die Volkslitteratur pflegen.

Auch bei den einzelnen Verlegern läßt sich von ihrer Spezialität leicht auf ihre geistigen Ziele schließen. Johann Froben z. B. druckte, von seinem Schwiegervater und Geschäftsführer Lachner, sowie auch von Erasmus, mit beeinflußt, meist Kirchenväter und theologische Werke, von diesen aber am liebsten Folianten, und nur wenig Klassiker. Er sah mit Geringschätzung auf die kleinen Bücher herab und wollte nur „grandiosa [288] volumina“ drucken[32], aber nicht unter die Zahl derjenigen gerechnet werden, welche „vernaculas catiunculas imprimunt“, kümmerte sich auch nicht um die Flugschriften-Litteratur. Wie Froben gegen die Reformation wirkt, so widmet ihr die Familie Petri ihre Pressen. Dem bekannten hagenauer Drucker Heinrich Gran, der übrigens meist für Rynmann druckte, mußte sein Korrektor Wolfgang Angst 1514 geloben, sich nicht wie die übrigen Deutschen, die Baseler ausgenommen, mit „libellis semidoctorum“, sondern nur mit „autores principes et integra volumina“ zu befassen.[33] Thomas Anshelm dagegen, einer der bedeutendsten humanistischen Buchdrucker, verschmäht auch das kleinste Flugblatt nicht[34] und verlegt unter den von ihm gedruckten 56 Werken nur drei, welcher der Theologie angehören. Diese auf gut Glück herausgegriffenen Beispiele könnten natürlich leicht durch hundert andere vermehrt werden.

In den ersten Jahrzehnten der Ausübung der Kunst war die große Mehrzahl der deutschen Drucker mehr auf ihren Fleiß als auf ihre baren Mittel angewiesen. Mit ihrem geringen Vorrat von Typen konnten sie immer nur ein Buch drucken, mußten dies dann erst vertreiben und oft, nur von der Hand in den Mund lebend, ihre Preßerzeugnisse um jeden Preis losschlagen. Dazu kam, daß nicht selten in nächster Nachbarschaft dasselbe Werk gedruckt wurde, und daß diese Konkurrenz mit ihrem vielleicht einzigen Verlagsartikel sie vielfach zwang, sogar unter dem Selbstkostenpreise zu verkaufen. Was konnte da den kleinen Verlegern die sich ihnen bald genug aufdrängende Erkenntnis nützen, daß bei größerm Verlag sich die Vertriebskosten verhältnismäßig verminderten, die Einnahmen dagegen wuchsen, da ein neuer Artikel zugleich den Absatz des alten förderte? Dieser Not machte erst die Beteiligung des Großkapitals ein Ende. Die Kapitalisten stehen einer neuen Erfindung anfangs meist scheu, wenn nicht ablehnend, gegenüber. In Mailand und Venedig, den größten damaligen italienischen Handelsstädten, fingen sie zuerst an, die Bedeutung und Entwickelungsfähigkeit des Verlagshandels zu würdigen, und trugen, indem sie ihr Geld dem neuen Geschäftszweige zuwandten, mächtig zu dessen Aufblühen bei; Deutschland aber, mit Basel, Augsburg und Nürnberg an der Spitze, folgte bald dem von Oberitalien gegebenen Beispiel. So traten denn schon in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts große Druckereien und Verlagsgesellschaften ins Leben; schon damals begann eine Verlagsthätigkeit im modernen Sinne des [289] Wortes. Derselbe Verleger druckte nicht mehr ein Buch nach dem andern, sondern mehrere kleine und große zu gleicher Zeit. Es ist der auf den Buchhandel übertragene Großgeschäftsbetrieb, welcher in der schon während des spätern Mittelalters blühenden offenen Handelsgesellschaft sein Vorbild fand. Anfangs schoß der eine Gesellschafter das Geld, der andere seine Arbeit ein, oder es gaben beide oder mehrere zugleich Geld und Arbeit her. Später, als sich ein bestimmter Setzer- und Druckerstand auszubilden anfing, legten die Kapitalisten ausschließlich eine bestimmte Summe Geldes ein und nahmen die frühern Genossen oder Gehilfen als Lohnarbeiter an. Der Vertrag ging unter gleichem Anteil an Verlust und Gewinn auf ein besonderes Unternehmen, oder auf die Betreibung eines allgemeinen Verlagsgeschäfts, lief auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeitdauer, und engagierte entweder des Gesellschafters ganzes Vermögen oder nur einen Teil desselben.

Der älteste Gesellschaftsvertrag zwischen einem Kapitalisten und mehrern Druckern, vom Jahre 1470, abgeschlossen zwischen Emilio Orsini in Foligno einerseits und Johann Neumeister, Stephan, Johann Ambracht und Kraft andererseits, wurde schon im dritten Kapitel näher angeführt.[35] In einem andern ziemlich gleichzeitigen Gesellschaftsvertrage steht ein Drucker sechs Kapitalisten gegenüber. Am 20. Mai 1472 in Mailand geschlossen, zerfällt er in einen Haupt- und Nebenvertrag und faßt die Pflichten und Rechte der einzelnen Gesellschafter so bestimmt und klar ins Auge, daß mit einem Auszuge aus seinen Bestimmungen die Natur aller derartigen Verträge erschöpft werden dürfte. In dem Hauptvertrage sind die Gesellschafter: der Drucker Antonius Zarotus von Parma, Gabriele de li Orsinni, Priester, Colla Montana, Professor an einer öffentlichen Schule, Gabriel Pavero de Fontana, Professor, Pietro Antonio de Burgo de Castilliono, Rechtsgelehrter, und für den Zusatzvertrag noch Nicolao, der Bruder des letztern.[36]

Nach dem Hauptvertrag treten zunächst die zuerst genannten fünf Personen auf die Zeit von drei Jahren zu einer Gesellschaft zusammen. Zweck derselben ist die Errichtung einer Druckerei mit vier Pressen, den nötigen Schriften und anderm Zubehör. Das Geld hierzu schießen die vier Nicht-Buchdrucker vor, während der Buchdrucker die Anschaffung der Pressen und der andern Utensilien damit zu besorgen hat. Die Lokalmiete wird von allen fünf Mitgliedern gemeinschaftlich bestritten. [290] Von dem Gewinn fällt ein Drittel dem Buchdrucker zu, zwei Drittel gehören den andern Mitgliedern zu gleichen Teilen. Aus seinem ein Drittel-Gewinn hat der Buchdrucker die für die erste Einrichtung gemachten baren Auslagen der vier andern Mitglieder wieder zu erstatten. Die andern Unkosten werden aus dem gemeinschaftlichen Verkauf der gedruckten Bücher gedeckt. Der etwa nötige Korrektor erhält als Entschädigung für seine Arbeit ein bis zwei Freiexemplare von jedem Werke, welches er korrigiert hat. Über die Frage, ob ein Buch gedruckt und zu welchem Preis es später verkauft werden solle, entscheidet die Gesellschaft und zwar nur durch einstimmigen Beschluß. Über die Gesellschaft, und den Umständen nach über die im Druck befindlichen Bücher, ist Verschwiegenheit zu beobachten, zu der sich alle Anzustellenden eidlich verpflichten. Auch darf keines der fünf Mitglieder der Gesellschaft einer andern Buchdruckerei mit Rat oder That beistehen, noch etwas anderswo drucken lassen, es sei denn mit Genehmigung der vier andern Mitglieder. Nach Ablauf der drei Jahre hört die Gesellschaft auf und das Inventar an Pressen und Schriften verbleibt alsdann dem Buchdrucker, falls er die dafür gemachten Auslagen wiedererstattet hat.

Zu diesem Hauptvertrag wird noch an demselben Tage ein Zusatzvertrag abgeschlossen, und zwar zwischen dem einen der Kontrahenten, Pietro Antonio de Burgo und Nicolao, seinem Bruder, auf der einen und den vier übrigen Kontrahenten auf der andern Seite. Der erstgenannte war allem Anschein nach der Kapitalist der Gesellschaft, denn er schoß ihr gleich von Anfang an 100 Dukaten für die erste Einrichtung vor. Er suchte daher aus dem Geschäft noch einen besondern Vorteil zu ziehen und die Kunst des Buchdruckers Antonius Zarotus für sich und seinen Bruder neben der Gesellschaft weiter auszunutzen. Letzterer gehörte nicht mit zur Hauptgesellschaft. Es wurde also durch einen Zusatzvertrag noch Folgendes ausgemacht:

Pietro Antonio de Burgo und sein Bruder dürfen die neue Buchdruckerei noch zu ihren speziellen Zwecken, und zwar zum Druck von Werken aus den Gebieten des kanonischen und Civilrechts und der Medizin, benutzen und stellen hierfür noch drei, nach Befinden auch mehr Pressen bereit, schaffen Schriften, Farbe und andere Utensilien dazu an, bezahlen Papier, Löhne und sonstige für ihre Zwecke entstehende Unkosten und übernehmen die Hälfte der gemeinschaftlichen Lokalmiete auf ihre Rechnung. [291] Der Buchdrucker Antonius Zarotus soll auch diesem Teil des Geschäfts vorstehen. Für die Mitbenutzung des ganzen Etablissements zahlen die beiden Brüder alsbald 25 Dukaten an die vier andern Gesellschaftsmitglieder und versprechen ihnen außerdem als Tantième den vierten Teil des Reingewinns aus den drei von ihnen besonders aufgestellten Pressen. Dieser Reingewinn wird so berechnet, daß von dem Preise jedes verkauften Buchs die dabei gehabten Auslagen an Papier, Farbe, Löhnen und andern Spesen (mit Ausnahme der Auslagen für Pressen und Schriften) abgezogen werden und das Übrigbleibende als Gewinn angesehen wird. Von diesem ist der vierte Teil zu entrichten und zwar in barem Gelde. Außerdem erhält jeder der Kontrahenten ein Freiexemplar dieser Bücher. Den beiden Brüdern ist es nicht gestattet, ihren Teil der Druckerei anderswohin zu verlegen; auch müssen sie sich über den Verkaufspreis der für sie gedruckten Bücher mit den übrigen Gesellschaftsmitgliedern verständigen. Wie sie selbst nichts für sich drucken dürfen, außer was in das Gebiet des kanonischen und Civilrechts oder der Medizin gehört, so dürfen andererseits die vier andern Mitglieder ohne Genehmigung der beiden Brüder ihrerseits, bei Strafe von 200 Dukaten für jeden einzelnen Fall, nichts aus diesen Gebieten drucken. Sämtliche Kontrahenten versprechen, sich gegenseitig zu unterstützen und jede Hilfsleistung für andere zu unterlassen. Ihr gesamtes eigenes Druckereiinventar überlassen die beiden Brüder nach Ablauf von drei Jahren, bis wohin der Vertrag läuft, an Zarotus nach einer dann vorzunehmenden Taxe.

In Venedig war es Aldus, der nachweisbar teils auf eigene Kosten, teils in Gemeinschaft mit Gesellschaftern druckte, welche die Mittel zur Herstellung größerer Werke hergaben. Schon das zur Begründung seiner Druckerei erforderlich gewesene Kapital hatten ihm seine Freunde und Gönner, die Prinzen Carpi, vorgeschossen; doch ergeben die Quellen nicht, ob sie seine förmlichen Gesellschafter waren, Gewinn und Verlust mit ihm teilten. Auch die „Hypnerotomachia“ druckte er 1499 nicht auf seine eigenen Kosten, wie die Vorrede dieses Buchs besagt; möglicherweise war es aber nur ein Werkdruck für einen Dritten, sodaß hier kein Gesellschaftsvertrag vorlag. Dagegen schreibt Aldus selbst am 28. Oktober 1499 an Marcellus Virgilius Adriani, den frühern Lehrer des berühmten Machiavelli und spätern Sekretär der florentiner Republik, daß er [292] ihm die gewünschten Bücher nicht billiger verkaufen könne, da sie ihm, dem Aldus, nur in Gemeinschaft mit verschiedenen andern Personen gehörten, weshalb er ihn bitte, einige ihm allein gehörige Bücher als Geschenk anzunehmen.[37] Aldus bezeichnet übrigens einige seiner Verlagsartikel als Ex Aldi Neoacademia hervorgegangen, deren Mitglieder also an den Ausgaben und Einnahmen beteiligt gewesen sein dürften. Auch in seinem zweiten Briefe an Reuchlin vom 23. Dezember 1502 spricht er von „unserer Gesellschaft“, deren Verlag nicht billiger verkauft werden könne, als er, Aldus, angegeben, und in der Vorrede zum Origenes wird 1503 ausdrücklich bemerkt, daß Aldus zwar den Text besorgt und gedruckt habe, allein nicht der Verleger sei.[38] Aldus war eben nicht reich, auch würden die Mittel eines einzigen, selbst des reichsten Mannes nicht ausgereicht haben, eine solche stattliche Reihe umfangreicher und kostbar herzustellender klassischer Werke in verhältnismäßig so kurzer Zeit auf den Markt zu bringen.

Selbst Anton Koberger in Nürnberg verlegte einzelne teuere Werke nicht immer mit eigenen Mitteln, sondern druckte sie nur auf Kosten von privaten Bestellern. So gab er z. B. 1492 die berühmte Schedelsche Chronik „auf Anregen und Begern der ehrbarn und weysen Sebaldi Schreyer und Sebastian Camermaister“ heraus. Der Vertrag zwischen ihnen und Koberger hat sich zwar nicht erhalten, indessen ist der wesentliche Inhalt des Übereinkommens auf die Nachwelt gekommen und gestattet einen klaren Einblick in die Natur des Verhältnisses. Es vereinigten sich also am 29. Dezember 1491 in Nürnberg die Künstler Michael Wohlgemut und Wilhelm Pleydenwurf einerseits, welche Zeichnung und Ausführung der Holzschnitte innerhalb zweier Jahre, vom Tage des Vertragsabschlusses ab gerechnet, herstellen mußten, und die Kapitalisten Sebald Schreyer und Sebastian Camermaister andererseits, welche das Geld für sämtliche Herstellungskosten einzuschießen hatten, zur Herausgabe der Schedelschen „Weltchronik“ in lateinischer und deutscher Sprache, mit gemalten und ungemalten Holzschnitten. Schedel lieferte den lateinischen Text; der Schreiber Alt aber übersetzte ihn gegen Honorar ins Deutsche, Koberger endlich besorgte den Druck. Von Schedels und Kobergers Anteil am Gewinn wird im vorliegenden Vertrage nichts gesagt. Dieser Punkt wird wohl näher in einem Separatabkommen bestimmt worden sein, denn wie sich mit Recht annehmen läßt, daß Schedel [293] nicht umsonst gearbeitet hat, so liegt es auch in der Natur des Geschäfts, daß Koberger den buchhändlerischen Vertrieb nicht umsonst besorgte. Die Parteien und deren Erben machten am 22. Juni 1509 die Schlußabrechnung; auch in ihr ist von einer Abfindung Schedels und Kobergers nicht die Rede. Aktiva und Passiva wurden zu gleichen Raten unter ihnen geteilt, Verfasser und Drucker mußten also damals schon für ihre Mühewaltung befriedigt gewesen sein. Hätte diese lediglich in einem Honorar und nicht in einem Anteil am Gewinn bestanden, so wäre es durchaus überflüssig gewesen, Alts Verhältnis von dem ihrigen zu unterscheiden. Aus der betreffenden Urkunde ergibt sich zwar (s. Anhang unter VII), daß das rohe und ungemalte Exemplar zwei Gulden kostete; indessen fehlen leider die viel wichtigern Einzelheiten über Rabatt und Kommission, sowie über die Anzahl der Exemplare, für welche die verschiedenen Buchhändler in Paris, Lyon, Straßburg, Mailand, Como, Florenz, Venedig, Augsburg, Leipzig, Prag, Graz, Ofen u. a. O. noch schuldeten. Die bloße Angabe des Schuldbetrags kann für diese Lücke nicht entschädigen, obschon die einfache Aufzählung dieser weit zerstreuten Schuldner an sich die Bedeutung der in weite Ferne greifenden buchhändlerischen Verbindungen erkennen läßt.

In Basel vereinigten sich schon zu Ende des 15. Jahrhunderts die bedeutendern Verleger zur gemeinschaftlichen Herausgabe großer und kostbarer Werke. Der Vertrag bezweckte den Druck auf gemeinschaftlichen Gewinn und Verlust und endete mit der Fertigstellung des betreffenden Buchs, dessen Exemplare meistens im Verhältnis der Beteiligung an die Gesellschafter verabfolgt und dann von jedem für sich selbständig vertrieben wurden. So druckte Johann Froben in Gemeinschaft mit Johann Petri von Langendorf von 1494 bis 1509 sieben größere Folianten, Johann Amerbach in Gemeinschaft mit Johann Froben 1500 drei kleinere in Quart, und derselbe in Gemeinschaft mit Froben und Petri von 1502 bis 1512 13 Folianten, fast ausschließlich theologischen Inhalts. Diese Genossenschaften firmierten verschieden, wie z. B. Basileae per Johannem Amerbach, Johannem Petri et Johannem Frobenium oder Basilea per Magistros Johannem Amerbachium, Petri et Froben Collegas, oder Consummatum Basileae per Magistros Johannes Amerbachium, Petri et Froben, oder endlich Johannes Amerbachius, Johannes Petri et Johannes Frobenius Hamelburgensis, cives Basilienses, [294] communi impensa Basileae excuderunt. Von baseler Verlegern treten zu ihnen noch hinzu Cratander, Bebel, Isingriner, Brylinger, Westheimer, Herwagen, Episcopius, Schott, Furter, Platter und Lasius. Panzer, obwohl er seit Erscheinen seiner Annalen vielfach ergänzt und verbessert ist, führt von 1501 bis 1536 28 baseler Firmen an, welche während dieser Periode 1121 Werke gedruckt haben, und zwar 124 davon auf Kosten und Gefahr buchhändlerischer Gesellschaften, 862 auf Gefahr eines einzelnen Verlegers, 126 ohne Angabe des Jahres und des Druckers und nur 9 mit Namen des Druckers ohne Jahreszahl. Jedenfalls ergibt sich aus diesen Zahlen ein wenigstens annähernd richtiges Bild von der Ausdehnung dieses Gesellschaftsverhältnisses unter den damaligen Verlegern. Der Grund dafür liegt auf der Hand; denn die Ausgabe von sieben Folianten innerhalb eines einzigen Jahres würde selbst die Kräfte der größten damaligen Buchdruckerei überstiegen haben und in demselben Maße das Risiko für einen einzelnen Verleger zu groß gewesen sein. Daher die Teilung der Kosten und der Gefahr! Aber gerade diese gemeinschaftlichen Unternehmungen trugen nicht wenig dazu bei, den Ruhm Basels als Mittelpunkt der Drucker- und Verlagsthätigkeit zu befestigen und zu erhöhen.

„Es gibt“, schreibt Erasmus 1523 über Froben an Polidorus Vergilius, „eine dreifache Art der Herstellung des Drucks. Bisweilen unternimmt Froben das ganze Geschäft auf eigene Gefahr. Dies thut er zu zeiten bei kleinern Werken, bei welchen das Risiko weniger gefährlich ist. Bisweilen besorgt er das Geschäft auf fremde Gefahr und bedingt sich für seine Mühewaltung nur eine Vergütung aus. Bisweilen aber wird das Geschäft auf gemeinsame Gefahr der Gesellschaft unternommen. Schon bei dem Vertrag über die Mühewaltung bietet Franz Birckmann aus Köln eine überaus billige Bezahlung an. Jetzt wird in Frankfurt darüber verhandelt, ob das Geschäft auf die ausschließliche Gefahr von Franz oder auf die gemeinschaftliche Gefahr der Gesellschafter übernommen werden soll. Sobald Froben von der Messe zurückgekehrt sein wird, will ich Dir schreiben, was geschehen ist. Ich hoffe, daß sich die Sache nach Deinen Wünschen gestalten möge. Wenn Du einen Geschäftsfreund gewinnen kannst, welcher 50 Exemplare nähme, so würde ich das übrige leicht mit Froben abmachen können.“ „Aus dem Ambrosius“, schreibt Erasmus am 30. April 1524 weiter an den Bischof von Lincoln, „wird [295] in diesem Jahre nichts werden. Die Sache schwebt übrigens nicht bei uns, sondern bei Froben.“ Einige Jahre später, am 15. Oktober 1527, endlich meldet Erasmus dem Ludwig Vives: „Augustinus wird aufs stattlichste gedruckt. Die Gesellschafter erklären, daß Dein Buch zur Zeit nicht gedruckt werden kann, weil sie Alle Überfluß an Büchern (nämlich Vorräten von unverkauften) haben.“[39]

Ähnliche Verhältnisse entwickelten sich auch in Leipzig. Ludwig Horncken, der Gesellschafter Gottfried Hittorps in Köln, war nach Aufgabe der pariser Kommandite im Jahre 1512 nach Leipzig übergesiedelt. Hier begründeten beide in Gemeinschaft, wie schon im zweiten Kapitel unter Leipzig erwähnt wurde, mit dem Ratsherrn Augustin Pantzschmann und wahrscheinlich noch andern ungenannten Gesellschaftern eine Verlagsassociation, welche dann 1518 Niederlagen in Wittenberg und Prag errichtete. Nach Ludwig Hornckens im Jahre 1512 erfolgtem Tode übernahm bis zum Jahre 1528 Wolf Präunlein von Augsburg, „der Pantzschmannin Diener“, die Leitung der Firma. Er war oder wurde bald der Schwiegersohn Johann Rynmanns in Augsburg, sodaß, wie ebenfalls schon bei Augsburg mitgeteilt, die Vermutung sich aufdrängt, als möchte auch letzterer zu der Gesellschaft gehört haben, zumal diese einmal die bedeutende Forderung von 1000 Gulden gegen seinen Kommissionär Blasius Salomon geltend macht. In den leipziger Schöppen- und Gerichtsbüchern tritt diese Association unter der Firma „Pantzschmanns Buchhandel“ auf; aber die bibliographischen Annalen wissen nichts von ihr, obschon sie noch im Jahre 1524 mit einem Geschäftskapital von 7000 Gulden arbeitete. Möglicherweise sind die Hornckens und Hittorps Namen tragenden Folianten aus den Jahren 1512 bis 1520 als Verlagsartikel dieser Vereinigung zu betrachten. Leider ist der Gesellschaftsvertrag selbst nicht mitüberliefert; nur die Verträge vom Jahre 1519 und 1524 über den Verkauf der Sortiments- und Verlags-Lagervorräte in Wittenberg und Prag an den bisherigen Geschäftsführer Gregor Jordan in Leipzig sind noch vorhanden. Doch sind auch letztere von hohem Interesse, weil sie Einblicke in die Betriebsweise der Kommanditen und in die Geschäftsusancen gewähren. Die verkauften Sortimentsvorräte bestanden aus den Büchern „so obgedachte Gesellschaft im 18. Jahr vorgangen um Andere zu Wittenberg gehabt“. Ein näheres Eingehen auf das geschäftliche Detail aber ist erst später am Platz; hier sei nur angeführt, daß die [296] Verkäufer ihrem Abkäufer Gregor Jordan jeden direkten Verkehr mit den Verlegern untersagten, ihn völlig an ihre Vermittelung banden. Später, in den vierziger Jahren, arbeitete dann Nickel Wolrabe in Leipzig sogar gleichzeitig mit mehrern Associationen: mit Andreas Wollensäcker und seinen Mitverwandten – sie engagierten ein Kapital von 8000 Gulden – , mit Gregor Forster und Merten Richter und mit Sebastian Reusch. Diese verwickelten Beziehungen, deren Einzelheiten hier übergangen werden müssen, auch schon im zweiten Kapitel berührt sind, gestalten sich zu einer förmlichen Schwindelperiode im leipziger Verlagshandel, ins Leben gerufen durch die Anregungen, welche die Einführung der Reformation dem geistigen und geschäftlichen Leben der Stadt gebracht hatte. Auch später, in den fünfziger und sechziger Jahren, steht hinter der ausgedehnten Verlagsthätigkeit von Lorenz Finckelthaus und M. Ernst Vögelin der reiche Ratsherr Dr. Georg Roth[40], worauf ebenfalls schon im zweiten Kapitel hingewiesen worden ist.

In dieser selben Zeit berichtet der österreichische Jurist Tanner von einer Handelsgesellschaft, welche auf fünf Jahre zur Ausführung eines einzigen bestimmten Zwecks beabsichtigt war. „Mehrere florentiner Kaufleute“, schreibt er am 4. Februar 1554 an Bonifaz Amerbach, „wollen eine gewisse Summe Geldes auf fünf Jahre zusammenschießen, um fünf Pressen des dortigen Druckers Laurentius Torrentinus zu beschäftigen und das Corpus juris mit den Glossen des Accursius, des Laelius Taurelius und anderer neuerer Kommentatoren zu drucken.“ Es erschienen übrigens nur die Pandekten.[41]

Einen, diesem florentiner Unternehmen ähnlichen, auf einen bestimmten Kreis von Büchern beschränkten Gesellschaftsvertrag bildet das Übereinkommen von sieben pariser Buchhändlern, welche gegen das Ende der Regierung Heinrichs III. vor den bürgerlichen Unruhen von Paris nach Tours geflüchtet waren. Es waren Jamet Mettayer, königlicher Hofbuchdrucker, Claude de Montreoeil, George de Robet, Marc Orry, Sébastien Du Molin, Mathias Guillemot und Jehan Richer. Am 6. Oktober 1591 gingen sie vor dem Notar Charles Bertrand in Tours einen Vertrag auf zwei Jahre, nämlich vom 1. Oktober 1591 bis 1593, ein, um auf gemeinschaftliche Kosten und Gefahr folgende Werke: die „Imitations de Bonnefons“, die Schriften von Desportes, die Trauerspiele Garniers, die Briefe Seneca’s, „Diana“ von Georg Montemajor, „Leçons [297] de Panigarolle“, „Geschichte unserer Zeit“ und „Rede über den Staat“ zu drucken oder drucken zu lassen. Es stützte sich dieser Vertrag auf die Statuen einer dieser Vereinigung ziemlich ähnlichen, im Jahre 1586 in Paris gegründeten „Compagnie dite de la Grande Nave“, welche den Druck der Kirchenväter als ihren ausschließlichen Zweck ins Auge gefaßt und die Gebrüder Mettayer zu Druckern gehabt hatte. Die Verwaltung jener neuen Gesellschaft wechselte alle zwei Monate unter den Mitgliedern. Der jeweilige Verwalter hatte die Papiervorräte zu überwachen und den Druckern am Samstag für die folgende Woche einzuhändigen, die gedruckten Bogen an sich zu nehmen und zu zählen. Er mußte ferner zweimal in der Woche zwei Stunden lang im Bureau der Gesellschaft anwesend sein, dort die von den Sortimentern bestellten Bücher ausliefern und deren Quittungen in Empfang nehmen. Das Kapital der Gesellschaft war in sechs gleiche Teile geteilt; Du Molin und Guillemot aber hatten zusammen nur ein Sechstel, also jeder von ihnen nur ein Zwölftel Anteil. Die Einlage erfolgte seitens des einen in Papier, seitens der andern in barem Geld, oder auch in bereits gedruckten Büchern. Das ganze in dieser Weise eingeschossene Kapital belief sich auf 445 Frankenthaler in Gold, also etwa 9000 bis 10000 Franken heutigen Geldes. Die Geschäftsbücher der Gesellschaft durften unter keinem Vorwand aus dem Geschäftshause entfernt, sondern mußten mit den Wechseln und Wertpapieren sorgsam verschlossen gehalten werden. Die Gesellschafter machten übrigens gute Geschäfte und erwarben sich einen vorteilhaften Ruf.[42] Es ist (im Vorbeigehen bemerkt) eine interessante Thatsache, daß einer von ihnen, George de Robet, nicht schreiben konnte und sich bei Unterzeichnung des Aktes mit einem Kreuzeszeichen helfen mußte.

Im Anfang der Ausübung der Buchdruckerkunst war der Buchladen nur ein Mittel der Verleger, ausschließlich den Einzelverkauf ihrer eigenen Verlagsartikel zu fördern. Sie behandelten den Sortimentshandel als ein Anhängsel und hielten höchstens, nach Gelegenheit und Bedürfnis, außer ihrem eigenen Lager zugleich ein solches für gangbare, nicht selbst verlegte Werke, beziehungsweise solche, die sie – wie das Beispiel von „Pantzschmanns Buchhandel“ zeigt – im Interesse des Absatzes ihres eigenen Verlags „um Andere“ (nämlich ihre eigenen) hatten annehmen müssen. Am klarsten tritt dieses Verhältnis in Straßburg hervor. Hier werden bereits 1408 die zum Münster führenden Stufen (Greden) als [298] der Verkaufsstand der Handschriftenhändler erwähnt; der Schreiber, der ihn innehatte, handelte nicht nur mit seiner eigenen Ware, sondern auch als Antiquar mit ältern Werken. Seitdem man Bücher druckte, hatten hier die Drucker ihre eigenen Läden, teils in ihren Häusern, teils beim Münster oder bei der Pfalz.[43] Die Erzeugnisse der deutschen Offizinen aber bezogen sie von der frankfurter Messe; anderes kam aus Italien, noch anderes aus Paris. Schon 1492 besaß Peter Attendorn einen Buchladen; Wimpheling nennt ihn um diese Zeit bibliopola, obgleich er außerdem sich auch um Aufträge größerer Drucker bemühte. Hans Grüninger hatte im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts eine der Münsterbuden als Verkaufsstand gemietet, während Mathias Hupfuff zwei solcher Buchläden eignete, den einen unter der Treppe der Pfalz, den andern bei dem Münster, welchen er im Jahre 1509 dem bisherigen Inhaber, dem Drucker Barthold Kistler, abkaufte.[44] Sein Geschäftsumfang war bedeutend; oft verkaufte er für große Beträge an die Buchhändler. Im Jahre 1516 schuldete ihm z. B. Johann Knoblauch die Summe von 1984 Gulden für gelieferte Bücher.[45] Johann Schott dagegen bot in einer Bude bei der Pfalz seine eigenen Verlagsartikel, aber auch andere Bücher zum Verkauf aus.

Wie sich hier ein gewisses Konzentrieren des Buchhandels auf einzelne bestimmte Punkte der Stadt ausprägt, so ist dies für die Anfangszeiten desselben für manche Städte, namentlich für Universitätsstädte, förmlich charakteristisch. Auch hierin ist teilweise ein Nachwirken der Verhältnisse des Handschriftenhandels und der ihn in Universitätsstädten regelnden Statuten zu verspüren. In Paris war es ja auch die Rue St. Jacques, in der sich die bedeutendsten Buchhandlungen vorfanden, in London – allerdings keiner Universitätsstadt, aber hier doch im Anschluß an die Bedürfnisse der Kirche und den alten Brauch – Paternoster Row und daneben St. Pauls Churchyard. Auch in Leipzig waren es die nächsten Umgebungen des Nikolaikirchhofs, in denen die bedeutendsten Kollegien und Bursen lagen, welche die Buchdrucker und Buchführer besonders zur Niederlassung anlockten. Ganz besonders aber springt diese Konzentration des buchhändlerischen Verkehrs in Köln in die Augen. Hier bildete die „Zur Fettenhennen“ genannte Straße den Mittelpunkt desselben. In der Fettenhennen (sub Pingui gallina) befand sich fast Jahrhunderte hindurch, wie schon im zweiten Kapitel angeführt, das [299] große Birckmannsche Geschäft; das von dem Begründer desselben, Franz Birckmann, erwählte Signet, eine Henne, hatte der Straße geradezu den Namen gegeben. In Nr. 5 derselben Straße, dem Hause „Zum Halsbein“ genannt, hatte die Cholinische Buchhandlung und Druckerei von 1555 bis 1635 ihr Lager und ihre Offizin. Nr. 9, „Zum Hammerstein“, bildete bis 1609 zwei Häuser, deren anderes die „Brothalle“ hieß; von da ab wurde es unter dem gemeinschaftlichen Namen „Brothalle“ von den Buchhändlerfamilien Mylius und Hierat teils als Mietern, teils als Eigentümern benutzt. Nr. 11, „Zum Greifen“, war 1613 von Anton Hierat als Familiensitz angekauft worden und diente noch im vorigen Jahrhundert dem Buchhandel. Nr. 13 und 15 hießen „Zum Einhorn“; ursprünglich zusammengehörig und nur ein großes Haus bildend, trennten sie sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in zwei selbständige Wohnungen, von denen die nach der Hochstraße hin gelegene sich den Namen „Zum alten Einhorn“ (sub Monocerote veteri) beilegte. Diese Nr. 13 ist seit dem ältesten Gymnicus, von 1529 bis auf den heutigen Tag, unausgesetzt der Sitz von Buchhändlern und Buchdruckern geblieben. Nr. 17, „Zur Isenburg“, später „Im Rosenkranz“, war noch im vorigen Jahrhundert im Besitz der Buchhändler Putz und Gottschalk Langen, während das angesichts der Fettenhennenstraße liegende, jetzt zur Hochstraße Nr. 149 zählende „Haus Rom“ an der hohen Schmiede, auch lange Zeit Glieder der Familie Gymnicus als Bewohner hatte. Fettenhennen behauptete sich als Mittelpunkt des buchhändlerischen Verkehrs in Köln, solange dieser blühte, also bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts.

Naturgemäß traten zunächst die Buchdrucker mit ihren in die Augen fallenden Leistungen in den Vordergrund, die Buchhändler und ihre Beteiligung am Verlage dagegen sehr zurück; sie werden anfänglich sogar auf ihren eigenen Verlagsartikeln nur selten genannt. Das Druckereigeschäft galt eben als das vornehmere, weil es das schwierigere und anscheinend auch das gewinnbringendere war. So wird selbst Anton Koberger stets nur als Buchdrucker erwähnt, obschon er später dies Gewerbe ganz aufgab und von Anfang an auch in Nürnberg einen offenen Buchladen für eigene und fremde Verlagswerke hielt, die nicht auf Lager befindlichen Bücher, z. B. die Aldinischen Drucke, verschrieb. Ganz ähnlich verhielt es sich in Basel; auch Froben (durch Wolfgang Lachner) und [300] Oporin betrieben z. B. hier zugleich den Sortimentsbuchhandel; bezüglich des letztern schreibt 1543 Nikolaus Buffer an Beatus Rhenanus, daß er ein 1541 gedrucktes Buch („Pasquillus exstaticus“) bei keinem Buchhändler gefunden habe, selbst nicht bei Oporin, bei welchem er selbst gewesen sei. Der Grund dieser bevorzugtern Stellung der Druckereibesitzer war wohl der, daß sie damals vielfach aus den Gelehrtenkreisen hervorgingen, der Buchhandel dagegen, in der sich zunächst vorwiegend bemerklich machenden Betriebsform der kleinern Buchführer, in dem Hausierhandel, keine höhern Kenntnisse und keine größern Mittel erforderte, als andere untergeordnete kaufmännische Geschäfte, von denen er sogar noch nicht einmal streng geschieden war. Thomas Platter erzählt in seiner naiven Weise, daß er 1534 in Basel Drucker geworden sei, „da ich gsach, wie Herwagius und andere Truckerherren eine gütte sach hatten mit wenig Arbeit groß gut gewunnent“! Er fand auch einen Gesellschafter mit einer reichen Frau, welche wünschte eine Druckersfrau zu sein, da sie sehe, eine wie große Pracht die Druckerfrauen entfalteten. Bald genug wollte sie freilich Verlegerfrau sein und mit der „Sudlerei“, wie sie sagte, „nit mer umbgan“; die überhandnehmende zünftlerische Überhebung und Unverschämtheit der Gesellen mochte ihr wohl nicht anstehen. „Da hatt ich biecher auch feill, aber ich gewan daran nit vill.“[46] Diejenigen Handlungen aber, die ausschließlich Sortimenter waren, werden selten namhaft gemacht, in den baseler Quellen überhaupt gar keine. Und doch müssen in einer so gewerbreichen und wissenschaftlich so regen Stadt die Sortimentshandlungen sogar schon früher vorhanden gewesen sein, als in andern Mittelpunkten des Buchhandels.

Die Verpackung der Bücher, welche überwiegend nur roh versandt wurden, erfolgte von Anfang an fast ausschließlich in Fässern. Diese gaben zwar zu beständigen Klagen Veranlassung, weil sie, nicht wasserdicht angefertigt, bei nassem Wetter das Papier der Beschädigung ganz oder teilweise aussetzten; allein sie konnten andererseits leichter auf- und abgeladen und bequem gerollt werden. Offenbar hatten die ersten und bedeutendsten Druckerstädte, Mainz, Köln, Straßburg und Basel, weil sie am Rhein lagen, die nächste Veranlassung zu dieser Art der Verpackung gegeben; aber auch solche Städte, wie Augsburg, Nürnberg und Ulm, pflegten sich, wenn sie nur irgend konnten, lieber der Fässer für den billigern Wassertransport zu bedienen. Nur ausnahmsweise kommen [301] bis zur Reformationszeit Ballen vor, deren Hülle aus Häuten bestand, um den besonders wertvollen Inhalt besser zu schützen. Auch Kisten (Kasten) werden gelegentlich erwähnt.

Wie in Deutschland, so verband sich auch in andern Ländern zu Anfang des 16. Jahrhunderts der Vertrieb der eigenen Verlagsartikel zugleich mit dem Verkauf der von andern Druckern verlegten Bücher. So hatte Aldus in Venedig in seinem offenen Laden ein Lager griechischer Bücher, welche, wenn auch von andern gedruckt, von ihm angekündigt und verkauft wurden. Barthélemy Buyer und sein Gesellschafter Le Roy (Königs) in Lyon hielten schon 1484 ein Lager in Toulouse und zahlten hier Steuer für den Verkauf ihrer Bücher.[47] „Gestern hatte ich mir vorgenommen“, schreibt Budäus am 5. Februar 1516 aus Paris an Erasmus, „zu meinem Vergnügen einige Nachmittagsstunden mit dem Besuch der Buchläden zu verbringen. Im Laden des Johann Parvus traf ich den Wilhelm Parvus, einen Verwandten von jenem, wenn ich nicht irre, welcher jetzt einer der Beichtväter des Königs ist.“

Die selbständigen, sich auf Sortiment beschränkenden Buchhändler traten natürlich zuerst in den großen Handelsstädten auf, welche früher schon die Mittelpunkte des Handschriftenhandels gebildet hatten. Ihnen schlossen sich die Universitätsstädte an, wo das Kommen und Gehen zahlreicher Studierenden einen, wenn auch bescheidenen, buchhändlerischen Absatz bedingte. Es handelt sich hier nicht um den Drucker, der zugleich die Erzeugnisse seiner Presse im eigenen Laden oder auf Messen verkauft, sondern um den Sortimenter im heutigen Sinne des Worts, welcher kein Drucker (Verleger) ist und aus allen Wissenschaften einen kleinern oder größern Vorrat von Büchern auslegt und zum Verkauf anbietet.

Der älteste nachweisbare Sitz des Sortimentsbuchhandels als selbständigen Geschäfts ist Augsburg, in dessen Steuerbüchern von 1483 an bis 1500 nicht weniger als zwölf Namen von Buchführern angeführt werden. Es sind dies: Claus Rächlin, Peter Haag oder Hagen, Simon Oeglin, sämtlich zuerst 1483; Siegmund (ohne Hausnamen) 1490, Christoph Schappelmann 1491, Jakob (ohne Hausnamen) 1492, Hans Ruoff 1494, Wohlgemuth (ohne weitere Bezeichnung) 1494, Hans Rynmann und Hans Kaiser 1495, Johannes Hermann oder Harmann 1497 und Lenhard der Buchführer 1499. Auch die leipziger Bürgermatrikel erwähnt [302] zwischen den Jahren 1489 und 1530 die ansehnliche Zahl von 30 dort als Bürger aufgenommenen Buchführern, von welchen 3 auf das 15. und 27 auf das 16. Jahrhundert kommen. Jene stammten aus Mittweida (1489), Wasserburg (1492) und Brixen (1494); diese, soweit der Geburtsort angegeben ist, aus Karlstadt, Grüningen, Grimma, Bärwalde, Köln, Augsburg, Eger, Crottendorf und Großenhule. Bereits im Jahre 1492 wird die leipziger Messe von fremden Buchführern, wie Wilhelm Bel aus Köln, ja von nürnberger Briefdruckern und Kartenmachern besucht. Alle jene leipziger Buchführer aber erweisen sich als am Verlagshandel völlig unbeteiligt, ja verdanken (seit der Mitte der zwanziger Jahre) zum Teil sogar ihre Existenz der Abtrennung der Sortimentsgeschäfte verlegender Buchdrucker. In Hermannstadt in Siebenbürgen erscheint Johannes „Buchfyrer“ zuerst 1506 und zuletzt 1524. Einem „Buchfyrer“ desselben Namens begegnet man auch 1522 in Schäßburg.[48] Als Sortimentsbuchhändler nennt auch die Abrechnung der Interessenten an der Schedelschen Weltchronik vom 22. Juni 1509 unter andern: Martin Huß (zugleich großer Drucker und Verleger) in Lyon, Hans von Koblenz (Kerver), ebenfalls Drucker, in Paris, Paul Wagner in Straßburg, Hieronymus in Prag, Walter von Lebnitz in Graz, Diebold Feger in Ofen, Mathias Walker in Pforzheim, Georg Kesselmann in Augsburg u. a. In Nürnberg umfaßt schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Bezeichnung „Buchführer“ sowohl den Sortimentsbuchhandel als auch die Straßenkolportage. Es wird dem nürnberger Juristen Scheurl zum besondern Verdienst angerechnet, daß er während seiner akademischen Thätigkeit in Wittenberg (1507 bis 1512) die Errichtung des ersten Buchladens dort veranlaßt hatte. Auch in Erfurt war der buchhändlerische Verkehr um jene Zeit schon sehr bedeutend. In den Quellen werden Buchdrucker und Händler, da sich noch kein fester Sprachgebrauch in dieser Beziehung entwickelt hatte, leider nur zu oft durcheinander gewürfelt, sodaß man sie schlecht unterscheiden kann. Indessen schreibt Scheurl am 13. März 1518 an der erfurter Humanisten Trautvetter: „Euer Rektor Herebordus Margeritus ist mit seinen Kollegen, unter welchen auch dein Buchhändler, gegen mich sehr dienstwillig.“ Die Ausbreitung der mit der Reformation namentlich den Schulunterricht hebenden Buchdruckerkunst vermehrte aber nicht allein die Bildungsmittel, sondern erzeugte auch an bisher untergeordneten, kleinern [303] Orten das Bedürfnis nach litterarischen Hilfsmittel und förderte durch deren Massenvertrieb die Entwickelung des Sortimentsbuchhandels in ungewöhnlicher Weise. Außer Acht darf dabei allerdings nicht gelassen werden, daß für die charakteristischste Betriebsform desselben, für den Hausierhandel, der Wohnsitz des Buchführers so gut wie Nebensache war; andernfalls müßten z. B. Johann Nefe in Groß-Glogau mit seinem ausgedehnten Verkehr, Hans Bischof von Triptis und die beiden Buchführer Paul Ehrlich, zugleich Apotheker, und Johann in Jüterborg in den zwanziger Jahren einiges Befremden erregen.

Übrigens war schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts der deutsche Buchhandel in seinen Hauptzweigen fast ebenso entwickelt und gegliedert wie heutzutage. Es gab Verleger, welche Druckereien besaßen und nur bei sich und für sich druckten, andere, welche trotz ihrer eigenen Druckerei auch fremde Pressen beschäftigten, und endlich Verleger, welche keine Druckerei hatten und nur in fremden Druckereien ihre Verlagsartikel herstellen ließen. Sodann kannte man auch damals schon Verleger, welche nur an ihrem Wohnorte einen Buchladen hatten und hier ihre eigenen Verlagsartikel feilboten, oder auch solche, die einen allgemeinen Sortimentshandel mit ihrem Verlage verbanden, wofür schon Beispiele beigebracht wurden; endlich auch Sortimenter, die keinen Verlag besaßen und mit neuen oder mit alten, oder auch mit alten und neuen Büchern handelten. Das örtliche und persönliche Bedürfnis erzeugte die individuellen Formen des Verkehrs, die sich erst in späterer Zeit grundsätzlich schieden.

Namentlich im 17. Jahrhundert, und sogar bis in die zweite Hälfte des 18. hinein, war der Sortimenter – wie dies schon im voraus angedeutet werden mag – in größerer Ausdehnung zugleich Verleger als zu irgend einer frühern oder spätern Zeit. Es war diese Thätigkeit aber durchaus kein Beweis für die Blüte, sondern vielmehr für den Niedergang des Buchhandels, da sie durch die schlechten Münzverhältnisse, die Armut der Käufer und die Unsicherheit des Verkehrs bedingt war. Der Sortimentshändler verlegte vielfach nur deshalb, um ein Tauschobjekt mit den andern Buchhändlern zu besitzen und um bei dem Tausch ein verhältnismäßig besseres Geschäft machen zu können; er übernahm zu diesem Zweck zum Teil kommissionsweise oder zum Eigentum Partien, später oft genug sogar von Nachdrucken, um nur nicht bar bezahlen zu müssen. Dieser Kommissionsvertrieb [304] läßt sich in Leipzig schon in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts bei dem Buchführer Wolf Günther konstatieren.[49] Man nannte jenes Tauschen „verstechen“, gab Bogen für Bogen oder auch, je nach dem Wert oder Unwert des Buchs, mehrere für einen und beschaffte sich auch auf diesem Wege seinen Bedarf für die zwischen den Messen liegende Zeit. Natürlich leistete eine solche Praxis nur zu häufig dem Verlage der armseligsten Erzeugnisse Vorschub. Sie mußte hier schon Erwähnung finden, weil man allerdings auch oft der Ansicht begegnet, als sei das Verstechen schon im 15. und in der größern Hälfte des 16. Jahrhunderts die Regel gewesen. Der Tauschhandel mit Büchern dürfte vielmehr in eine spätere Periode fallen. Ob Koberger und Schöffer ihre Verlagswerke miteinander ausgetauscht und dann verkauft haben, ist möglich, aber nicht völlig bewiesen, übrigens auch gleichgültig. Es ist ferner für das 15. Jahrhundert nur ein vereinzelt dastehender Fall, wenn die Druckerei des Klosters zu St. Ulrich und Afra in Augsburg das von ihr herausgegebene „Speculum historiale“ des Vincenz von Beauvais und ihre sonstigen Preßerzeugnisse nach dem Bericht des Klosterchronisten Sigismund Meysterlin „per modum cambii“ (Tausch) vertreibt. Wenn endlich gegen Ende des Jahres 1500 Anton Koberger 300 Exemplare der „Glossa ordinaria“ nach Venedig schickt, um sie gegen dort gedruckte Bücher zu „verstechen“ (dieser Ausdruck wird hier wohl zum ersten mal gebraucht), so ist dies eben nur ein vereinzeltes Geschäft, welches durch Kobergers augenblickliche Verlegenheit veranlaßt wurde, immerhin nur eine Ausnahme von der Regel. Das Gleiche dürfte wohl auch von dem bezüglich Pantzschmanns Buchhandel angeführten Faktum, des Annehmens von Büchern „um Andere“, gesagt werden können.

Die Regeln und Usancen des ersten buchhändlerischen Verkehrs sind übrigens nur höchst lückenhaft zur Kenntnis der Gegenwart gekommen und können deshalb nur annähernd aus einzelnen Beispielen gefolgert werden. Dieser Satz gilt namentlich für die Verkaufspreise und die Bedingungen, unter welchen die Verleger an die Sortimentsbuchhändler abgaben.

Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als die Mentel u. a. durchs Land zogen oder ihre Buchführer und Diener zum Verkauf ihrer Verlagsartikel aussandten, wird in den Katalogen selbstredend kein Preis erwähnt. Das Buch war eben noch eine Ware, wie jede andere, welche [305] sich erst eine Stellung im Markte erobern mußte, und je nach Inhalt, Ausstattung und Leichtigkeit oder Schwierigkeit des Vertriebs hier billiger, dort teuerer zu stehen kam. Erst mit der mehr methodischen Ausbildung der Verlagsthätigkeit, der größern Zahl von Büchern und der Konkurrenz der verschiedenen Ausgaben desselben Schriftstellers wurde, wenigstens für den Verkehr mit den Geschäftsgenossen, ein fester Preis im Interesse des Verlegers notwendig; sein Geschäft bedingte ihn. Aldus Manutius ist der erste große Verlagsbuchhändler, welcher 1498 seinen ersten Katalog mit genauer Beisetzung des Preises für jeden einzelnen Artikel veröffentlichte. Er gibt als Grund dafür an, daß er die zahlreichen mündlich und schriftlich an ihn gerichteten Anfragen nach den Preisen, namentlich seiner griechischen Bücher, nicht habe genügend beantworten können.[50] Deutschlands größter damaliger Verleger, Anton Koberger, gibt in seinen Katalogen keine Preise an, und ebensowenig thun es die großen Verleger von Basel, Straßburg, Köln und andern Städten. Selbst die frankfurter Meßkataloge enthalten zwei Jahrhunderte hindurch keine Preisangaben. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich der eigentliche festgeltende Ladenpreis zur stehenden Regel. Bis dahin kaufte man am Verlagsort allerdings billiger als auf der Messe und unterschied auch zwischen dem Verkauf eines einzigen Exemplars oder einer größern Partie. Einzelne Verleger räumten dem Buchhändler günstigere Preise als dem Privatmann ein; andere, wie z. B. Sigmund Feyerabend in Frankfurt, machten keinen Unterschied zwischen ihnen. Feyerabend hielt sich eben an seinen einmal festgestellten Nettopreis; das nannte man später die „Frankfurter Tax“.

Auch über die Verkaufsbedingungen, welche der Verleger dem Sortimenter stellte, verlautet in der ersten Zeit nichts, oder nur wenig. Daß die Buchhändler nicht umsonst arbeiten konnten oder wollten, bedarf keiner Auseinandersetzung. Aber für die Quellen, aus denen die Darstellung dieser Verhältnisse meist zu schöpfen hat, waren dies Nebendinge; sie schweigen sich darüber aus und von Geschäftspapieren haben sich nur kümmerliche Reste erhalten. Es fehlt deshalb sehr an Material, um die Frage erschöpfend zu beantworten. Wenn aber noch irgend ein Zweifel darüber bestehen könnte, daß schon die ersten Verleger ihren buchhändlerischen Abnehmern Rabatt gewährten, so würde ihn eine Stelle aus Aldus’ Brief an Joh. Reuchlin vom 23. Dezember 1502 beseitigen, worin er sagt, [306] daß er und seine Gesellschaft den Wiederverkäufern im großen günstige Nettopreise bewilligten. Die erste zahlenmäßig belegte Angabe findet sich bei Anton Koberger, welcher in seinem Briefwechsel mit Johann Amerbach sagt, daß er die Bibel mit der Postille des Kardinals Hugo zu 10 Gulden brutto und 8 Gulden netto abgebe, weil das Werk bis dahin so schlecht gegangen sei. Er räumte also dem Sortimenter nur 20 Prozent Rabatt ein, ein verhältnismäßig sehr geringer Nutzen, wenn man namentlich die großen Spesen in Betracht zieht; allein sie beweist doch, daß, ganz abgesehen von der Höhe, auch in Deutschland schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts der buchhändlerische Rabatt sich ganz von selbst verstand. Im allgemeinen wurden aber unter Buchhändlern nur größere Werke zu Einzelpreisen und mit einem bestimmten Rabatt verhandelt, kleinere und geringwertige Bücher aber – die spätern sogenannten „Riessachen“ – nach der Bogenzahl zum Ries- oder Ballenpreise, d. h. für 500 oder 5000 Bogen. Hierbei war es gleichgültig, ob das erhandelte Bücherquantum aus Exemplaren eines und desselben Buchs, oder aus den verschiedenartigsten Werken bestand. Dieser Ballenpreis trat übrigens auch beim Bezuge größerer Werke ein, sobald es sich um größere Partien derselben handelte. Mit vollster Bestimmtheit spricht sich dieser generische Unterschied bei der Verrechnung in den Bestimmungen des Vertrags der Besitzer von Pantzschmanns Buchhandel in Leipzig mit ihrem bisherigen Geschäftsführer Gregor Jordan vom Jahre 1519 aus: „Was auch viel gedachte vorkäuffer von Quattern werg“ – darunter ist eben die Kleinlitteratur verstanden – „werden drucken lassen, daruon sollen sy Gregorio 250 quatern, duern oder drittern, wie sy dan gedruckt sein vor ein Gulden geben. Lassen sie aber große Bucher drucken, der eyns über ein gulden wert, so sollen sie ym dieselbigen an eynem gulden zwier groschen mehr lassen, dann einem frembden, uf daß er yren druck zuvertreiben dester mehr vleis hat.“ Diese zuletzt erwähnte Extraprovision von nicht ganz 10 Prozent – für den ältern Verlag erhielt er nur 5 Prozent – bezieht sich auf den Absatz an andere Buchhändler. Wie hoch der regelmäßige Rabatt war, wird nicht ausdrücklich gesagt. Daraus aber, daß Jordan für kommissionsweise zu vertreibende prager Breviere nur 17 Prozent erhielt, darf kein Schluß gezogen werden, denn diesen Artikel verhandelte die Gesellschaft selbst nur für Rechnung der Witwe Johann Schmiedehofers, wollte daran selbst noch verdienen. Das ergibt [307] sich auch aus der Bestimmung, daß Jordan verpflichtet war, das, was er über den festgestellten Verkaufspreis an das Publikum hinaus zu erzielen vermochte, mit den Gesellschaftern zu teilen.

Weiteres Material zur Aufklärung dieses Punktes bieten die Briefe des lyoner Buchhändlers Jean Vaugris, der die Messen von Genf, Paris, Straßburg, Frankfurt und Basel regelmäßig besuchte. Er schreibt am 29. August 1524 an Farel, damals in Mömpelgard: „Ich schicke Dir 200 „Pater“ (Erklärung des „Vater Unser“) und 50 Exemplare der „Epistolae“ (offenbar ein verloren gegangenes Werk von Farel); aber ich weiß nicht, wie Du sie verkaufen oder verkaufen lassen willst. Ich verkaufe das Exemplar des „Pater“ im kleinen für 4 baselsche Heller und im großen ihrer 300 zu 2 Gulden, von den „Epistolae“ aber das Stück zu 6 Heller, was einen Gulden für 50 Exemplare ausmacht; aber im großen gebe ich diese zu 13 Sous.“ Ein anderer Brief desselben Vaugris, den er zwischen 1510 und 1523 aus Lyon an Bonifaz Amerbach in Basel schrieb, wirft interessante Streiflichter auf die Willkür, mit welcher die damaligen Buchhändler die Preise der Verleger erhöhten. So forderte Aldus für jede seiner Oktavausgaben von Klassikern 3 Marcelli (à 68 Centimes nach heutigem Geld, wenn auch nicht Kaufwert); Vaugris dagegen verlangte nicht weniger als 5 Goldgulden (7 ½ Gulden) für das allerdings gebundene Exemplar. „Ich habe“, schreibt er nämlich, „Aldiner in Basel. Ich werde sie zur Allerheiligenmesse hierher kommen lassen. Wenn Du welche haben willst, so laß es mich beizeiten wissen. Sie kosten gebunden in Basel 5 Goldgulden.“[51] Christoph Froschauer in Zürich bewilligt bei dem Bezug größerer Partien günstigere Bedingungen. So schreibt er am 1. September 1540 an Joachim Vadian über eine kleinere Schrift des letztern, er gebe sie denen, welche sie wieder verkauften, zu 16 Batzen per Gulden, also mit 25 Prozent. Konrad König in Jena, der Kommissionär für den Vertrieb der jenaer Ausgabe von Luthers Werken, verkaufte jeden Band derselben in Jena selbst zu 18, auf der leipziger Messe zu 19 und auf der frankfurter zu 20 Groschen. Bei größern Bezügen fanden dann Partiepreise statt; bei ganz großen trat der schon erwähnte Ballenpreis ein, der hier 15 Gulden betrug.[52]

Der berühmte antwerpener Verleger Christoph Plantin, welcher von 1558 an die frankfurter Messe regelmäßig besuchte und seine Hauptgeschäftsbeziehungen nach Deutschland hatte, verkaufte die „Königs-Bibel“ [308] für 60 Gulden an die Buchhändler und für 70 an das Publikum. Ein vollständiger Topiarius steht für jene mit 24, für dieses mit 30 Sous notiert, eine flämische Bibel von 1566 kostete 26 oder 35 Sous, ein Missale in Folio 4 oder 4 ½ Gulden, ein Chorbuch mit Noten 15 oder 17 Gulden, je nachdem ein Buchhändler oder ein Privatmann sie kauften. Durchschnittlich bewilligte Plantin seinen Kollegen einen Rabatt von 15 Prozent. Als er daher im Jahre 1567 seinen für London bestellten Agenten, Jean Desserans, besonders bevorzugen wollte, versprach er ihm 16 2/3 Prozent. Ausnahmsweise bewilligte er (offenbar wegen der größern Geschäftsspesen und der Konkurrenz) seinem pariser Hauptagenten Michel Sonnius einen Rabatt von 40 Prozent. Es dauerte jedoch noch ein volles Jahrhundert, ehe man zu dem jetzt noch bestehenden Gebrauch des festen und gleichen Rabatts überging. Zu diesem Fortschritt wirkten unter andern namentlich auch die Elseviere mit.[53]

Die Form der buchhändlerischen Zahlung lehnte sich an die feststehenden Gewohnheiten des Großhandels an und ist fast ausschließlich die des Bar- und Zeitgeschäfts. Wenn nicht bar bezahlt wurde, so war ein sechsmonatlicher, auf der nächsten Messe fällig werdender Termin üblich und nur ausnahmsweise wurde ein längerer Kredit bis zur zweiten Messe gewährt. Diese Zahlungsweise ist aus verschiedenen im frankfurter Archiv befindlichen Aktenstücken jener Zeit ersichtlich, läßt sich aber auch durch andere Thatsachen nachweisen. So schreibt der bereites erwähnte Christoph Froschauer am 18. September 1526 aus Frankfurt an Ulrich Zwingli über sein damaliges Meßgeschäft: „Verkouffens halb hab ich nit ein bösse meßt gehapt, aber böse bezahlung.“ Später sind es die Abrechnungen großer Firmen unter einander, welche den Beweis für jene Praxis liefern, wie z. B. das Rechnungsbuch der Froben und Episcopius (von 1557 bis 1564) und die Meßregister des Sigmund Feyerabend, dessen geschäftliche Verbindungen Heinrich Pallmann in einer vortrefflichen Schrift näher dargelegt hat.

Das buchhändlerische Honorar kommt im ganzen 15. Jahrhundert nicht vor und tritt erst im zweiten Viertel des 16. auf. Es ist ein Kind der selbständigen geistigen Produktion, wird also erst im Gefolge der Reformation möglich. Bis dahin hatte es kaum Originalwerke zu veröffentlichen gegeben. Das damalige Lesebedürfnis fand so ziemlich in dem Druck von Kirchenvätern und Bibeln, Klassikern und Schulbüchern [309] seine volle Befriedigung. Diese großen und kleinen Bücher bildeten das Manuskript (Exemplaria) für die Pressen und die Drucker hatten genug zu thun, es zu vervielfältigen. Die Gewissenhaften gingen es entweder selbst kritisch durch, oder ließen es von ihren gelehrten Kastigatoren (heutzutage Korrektoren) oft mit großen Kosten und noch größerm Zeitaufwand recensieren, d. h. einer philologischen Redaktion unterwerfen. In solchen Fällen also trat der Aufwand für diese Hülfe an die Stelle des Honorars. Die gewissenlosen Drucker dagegen vervielfältigten das Manuskript, wie es ihnen unter die Hände kam, und bezahlten natürlich nichts, oder sie druckten, oft in derselben Stadt, die gründlich durchgesehenen Ausgaben anderer Verleger nach.

Die ersten veröffentlichten lateinischen Werke wurden in der Regel von Geistlichen durchgesehen; mit dem Ende des 15. Jahrhunderts traten vielfach junge Humanisten an ihre Stelle. Sie schrieben zugleich zur Empfehlung der unter ihrer Aufsicht gedruckten Bücher Vorreden oder lobpreisende Verse, oder verfertigten auch Schlußnoten, in welchen sie nicht verfehlten, sich als Kastigatoren einzuführen. Schon Fust und Schöffer hatten, trotzdem daß sie von ihrem engen Handwerksstandpunkte aus lieber nachdruckten, als selbst zahlten, in der Person des Johann Brunnen einen solchen, wenn auch liederlichen Kastigator. Die großen Drucker dagegen in Nürnberg, Straßburg und namentlich in Basel wandten der Auswahl ihrer Textkritiker und Kastigatoren eine unermüdliche Aufmerksamkeit zu. Ganz besonders war Johann Froben berühmt durch die äußere und innere Verläßlichkeit seiner Verlagsartikel.[54] Er suchte in der Begeisterung für seine Kunst stets die vollendetsten Druckwerke zu liefern. Bei keinem derselben fehlte es, außer zierlicher Schrift und gutem Papier, an den tüchtigsten Korrektoren. Erasmus sagt von ihm: „Froben wandte ungeheuere Geldsummen auf die Texteskritiker und oft noch auf die Manuskripte“ (aus denen er den Text endgültig feststellte). Beatus Rhenanus (1485 bis 1547) ließ sich, nachdem er in Paris Philosophie studiert und sich kurze Zeit in Straßburg aufgehalten hatte, in Basel nieder und widmete seine ganze Thätigkeit der Frobenschen Druckerei. Er war hier nicht nur Kastigator und Texteskritiker, sondern auch Frobens Berater bei neuen Verlagsunternehmungen. Erasmus würdigte ihn als selbständigen Schriftsteller und schätzte seinen Einfluß auf Froben, sowie dessen Schwiegervater Lachner, sehr hoch. [310] Welche Mühen und Kosten Johann Amerbach für denselben Zweck aufwandte, wurde schon im zweiten Kapitel angedeutet und wird am besten durch den interessanten Briefwechsel nachgewiesen, welchen er während des Drucks der Bibel und der Postille des Kardinals Hugo mit Anton Koberger führte; den Text der Werke des heiligen Augustinus stellte der gelehrte Friese Augustus Dodo, Kanonikus an St. Leonhard, für ihn wieder her. Als Amerbach 1509 eine Ausgabe der Werke des heiligen Hieronymus plante (welche übrigens erst 1516 erschien) und eines Mannes bedurfte, der alte griechische Handschriften entziffern konnte, wandte er sich an Reuchlin und begründete seine Bitte um Unterstützung mit den Worten: „Wenn Du mich verlässest, weiß ich keinen andern in Deutschland, der mir helfen könnte.“[55] Auch Sebastian Brant besorgte während seines Aufenthaltes in Basel Korrekturen für Amerbach, war indessen in dieser Eigenschaft auch bei andern Verlegern thätig. Der spätere Reformator Philipp Melanchthon trat, ein kaum siebenzehnjähriger Jüngling, 1514 bei Thomas Anshelm in Tübingen gleichfalls als Kastigator und Korrektor ein und war bis 1516 anhaltend für dessen Pressen thätig. So hat er acht lateinische Werke für ihn durchgesehen und korrigiert, darunter Nauclers Chronik und eine Ausgabe der Komödien des Terenz von 1516. Auch später noch stand Melanchthon mit Anshelm in regem Verkehr, besuchte ihn in seinem Laden auf der frankfurter Messe, gab seine Adresse dort an und setzte auch seine Beziehungen zu ihm fort, als Anshelm 1518 nach Hagenau verzogen war. Melanchthons unmittelbarer Vorgänger bei diesem war Johannes Hiltebrand, Professor Artium an der tübinger Universität, welcher sich mit Stolz Castigator Chalcographiae Anshelmitanae nannte und nennen ließ. Er sah namentlich zwischen 1511 und 1514 lateinische und griechische Grammatiken, sowie auch die „Epistolae virorum clarorum“ durch.[56]Konrad Pellican (1478 bis 1556) erzählt mit rührender Bescheidenheit in seinem „Chronikon“, wie der baseler Drucker Adam Petri und Frau ihm im Frühjahr 1523 umsonst Speise und Trank gegeben hätte. Dafür aber bezahlte Petri die wertvollen Dienste nicht, welche ihm Pellican als Korrektor bei drei verschiedenen Nachdrucken von Luthers Bibel leistete. Auch Christoph Froschauer in Zürich verstand es, wie die baseler Druckerherren, ganz vortrefflich, Pellican gegen gar kein oder nur geringes Honorar für Textesdurchsichten, Korrekturen oder Inhaltsverzeichnisse auszubeuten.[57]

[311] Die Namen dieser hervorragenden Männer werden genügen, um die hohe Bedeutung ihrer Aufgabe zu würdigen. Es ließen sich ihnen leicht noch Hunderte anreihen, welche in derselben Weise thätig waren, und namentlich gute Klassikerausgaben herstellten. Im Auslande machte sich ganz dasselbe Verhältnis geltend; die lyoneser und pariser Kastigatoren standen in keiner Weise hinter den deutschen zurück. Daß Aldus in Venedig Gelehrte ersten Ranges als Texteskritiker beschäftigte, bedarf keiner weitern Ausführung. Es genüge hier, einige seiner ältesten Mitarbeiter zu nennen, wie den spätern Kardinal Hieronymus Aleander (1480 bis 1542), denselben, der 1521 in Worms die Reichsacht gegen Luther mit wenig wählerischen Mitteln durchsetzte, Pietro Bembo, sowie die Griechen Markus Musuros, Demetrius Ducas, Johann von Kreta und vor allen Erasmus.[58] Wie vornehm übrigens bedeutende Kastigatoren ihre Stellung auffaßten, beweist das Beispiel des Prager Sigismund Gelenius (1497 bis 1554). Dieser war bei Froben schon lange Jahre für die Herausgabe klassischer und hebräischer Werke thätig, als ihn Melanchthon 1525 als Lehrer der griechischen und lateinischen Sprache für die in Nürnberg neu zu errichtende gelehrte Schule vorschlug. Gelenius nahm aber trotzdem, daß ihm ein Gehalt von 100 Goldgulden geboten wurde, den Ruf nicht an. Erasmus sagt 1529 von ihm: „Sigismund Gelenius ist ohne alle Prahlerei ein ausgezeichneter gelehrter Mann, und, was bei Gelehrten selten ist, ein feiner Kopf von scharfem Urteil, der vieles glücklich erfaßt hat, was andern entgangen ist“ Die Höhe des Honorars, welches die Kastigatoren von den Verlegern für ihre Mühewaltung erhielten, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. Man wird sich so billig als möglich mit ihnen abgefunden und je nach Stellung und berechtigten Ansprüchen dem einen mehr, dem andern weniger bezahlt haben. So schreibt Beatus Rhenanus am 10. Mai 1517 an Erasmus: „Lachner verspricht, sich Dir für Deine Arbeiten dankbar zu erweisen. Du wirst für Deine Textesrevision der Werke des göttlichen Augustinus im nächsten September etwas erhalten, denn er berät sich jetzt in Frankfurt mit Koberger über diese Angelegenheit.“

Mit den Fortschritten der Reformation hörte aber die bisher auf den korrekten Text der Bücher verwandte größere Sorgfalt auf. Empört über die täglich mehr einreißende Liederlichkeit, schreibt Erasmus 1528: „daß ein solcher Autor mit solchen Kosten so fehlerhaft herausgegeben [312] ist, kommt nur dem gleich, was uns jetzt aus Italien geboten wird. Da siehst Du, was die verfluchte Geldgier bewirkt. Welche Entweihung wird um wenige Goldstücke begangen, für welche man einen gelehrten Texteskritiker haben könnte!“ In Italien wurde das Übel sogar mit jedem Tage schlimmer. Etwa ein Vierteljahrhundert später, am 4. Februar 1554, schreibt der Jurist Tanner an Bonifaz Amerbach, „der Preis der italienischen Bücher ist so hoch, daß viele dadurch vom Kaufen abgeschreckt werden. Man druckt in Italien und namentlich in Venedig äußerst fehlerhaft. Die dortigen Drucker wollen nichts mehr an gelehrte Korrektoren wenden. Der päpstliche Legat will die ältesten Denkmäler der marcianischen, florentinischen und vatikanischen Bibliothek den baseler Druckern liefern, damit sie in Basel sobald als möglich gedruckt werden.[59] Die Auflage ließe sich dann in Deutschland und Frankreich, wo man diese Werke am eifrigsten studiert, leicht verbreiten.“ Dieser Unfug des fehlerhaften Drucks, mit welchem gewöhnlich eine möglichst schlechte Ausstattung Hand in Hand ging, beschränkte sich aber nicht allein auf Italien; Deutschland lief ihm und allen übrigen Ländern leider bald den Rang darin ab. Der Dreißigjährige Krieg drängte es auf diesem Felde auf die letzte Stufe herab. Man fing eben am unrechten Ende an zu sparen und schämte sich nicht, seitenlange Druckfehlerverzeichnisse als Anhang zu selbst wenig umfangreichen Büchern zu bringen.

Wenn nun auch die Gelehrten sich ihrer Dienste als Kastigatoren, Textesrevisoren und Korrektoren hatten bezahlen lassen und bezahlen ließen, so galt es unter ihnen doch lange für sehr schimpflich oder wenigstens – es sei hier ein fremder, aber äußerst bezeichnender Ausdruck gestattet – für ungentlemanlike, für ihre eigenen Schriften Honorar zu nehmen. Natürlich wollten und konnten sie aber auch nicht ganz umsonst arbeiten. So wurden sie denn einerseits von den Verlegern mit Bewilligung einer bestimmten Anzahl von Freiexemplaren oder mit Geschenken von andern Büchern oder auch mit sonstigen nützlichen Dingen abgefunden; andererseits aber rechneten sie auf Geschenke in barem Gelde oder Gnadengehalte, welche sie von Fürsten oder sonstigen vornehmen Personen, oder reichen Gönnern gegen Dedikation ihrer Werke zu erhalten pflegten. Erasmus rühmte sich wiederholt in dieser Weise honoriert worden zu sein, während er sich ängstlich von dem Verdacht [313] einer Barbezahlung durch seine Verleger zu reinigen suchte. Wie der große Gelehrte sich Scaliger und Carpi gegenüber, welche ihn wegen eines ihm angeblich von Aldus gezahlten Honorars hart angegriffen hatten, energisch gegen einen solchen angeblichen Schimpf verwahrt hatte, so erwiderte er auch auf die Anklage Huttens, daß die Zueignungen seiner, der Erasmischen Schriften, nichts als Geldjägereien seien: er habe von Privatpersonen nicht einmal einen Dank dafür angenommen und von den Fürsten kaum etwas dafür erhalten, gebettelt aber habe er bei keinem. Und doch sei es in Betracht der Bedürftigkeit des menschlichen Lebens verzeihlicher, durch ehrlichen Fleiß auf die Freigebigkeit der Fürsten Jagd zu machen, als von den Freunden zu leihen, was man ihnen nicht wiederzugeben gedenke. Hutten sei vom Ritter zum sitzenden Arbeiter geworden und fertige Schriften, wie die gegen ihn (Erasmus) gerichtete, auf Erwerb an, und zwar auf einen doppelten, indem er sich erst von dem Besteller für die Schrift, dann von denen, gegen welche sie verfaßt, dafür bezahlen lasse, daß sie nicht gedruckt werde. Bereits habe ihm auch, wie verlaute, der Buchdrucker für seine „Expostulatio“ etwas bezahlt. Es ist zugleich charakteristisch, mit welchem Eifer Otto Braunfels, Huttens Verteidiger gegen die Erasmische, „Spongia“ (Schwamm), den letzten Punkt zu widerlegen sucht. Hutten, sagt er, habe den Drucker seiner Streitschrift gar nicht gekannt, und dieser könne beschwören, ihm nichts dafür geschenkt zu haben. Doch meint er, wenn dies auch der Fall gewesen, so liege darin immer noch nichts Unrechtes. Ob man sich denn für seine Arbeit nicht belohnen lassen dürfe, und ob nicht Erasmus selbst zumeist von solchem Erwerb lebe? Bekannt sei doch, daß sein Verleger Froben ihn für mehr als 200 Gulden jährlich zu Basel unterhalte. Ebenso eifrig widersprach nun aber sofort Erasmus dieser Angabe, durch welche er seine Ehre für beeinträchtigt hielt.[60] Glücklicherweise haben sich seitdem die Anschauungen geändert.

Luther hat für seine Arbeiten nie ein Honorar erhalten und nahm höchstens von seinen Verlegern einige Freiexemplare in Anspruch. Er fand es sogar unerhört, daß sich ein Übersetzer einen Goldgulden für die Quaterne zahlen ließ.[61] Dagegen verkaufte Thomas Murner 1514 an den Buchhändler Mathias Hupfuff in Straßburg seine „Geuchmatt“ für 4 Gulden (nach heutigem Geldwert etwa 40 Gulden).[62] Die Summe ist nicht so unbedeutend, wenn man bedenkt, daß 1526 Pellican, allerdings [314] ein anspruchsloser Mann, mit 16 Gulden per Jahr leben konnte[63] und daß Scheurl um 1506 den jährlichen Unterhalt eines wittenberger Studenten auf 8 Gulden schätzte.[64] Der berühmte Humanist und Jurist Ulrich Zasius (1461 bis 1535) verlangte für seine 1526 erschienenen „Intellectus juris singulares“ von seinem Verleger in Basel 50 Gulden Honorar und erhielt diese damals bedeutende Summe.[65] Ökolampadius schreibt am 31. Juli 1531 an Zwingli, daß er für 3 Bogen seiner Kommentare zur Bibel einen Gulden Honorar erhalten habe.[66]

Konrad Gesner hat schon um dieselbe Zeit im Auftrage der Buchhändler geschrieben und von dem ihm gezahlten Honorar gelebt. Seine erste Arbeit (ein griechisch-lateinisches Lexikon unter Zugrundelegung des Wörterbuchs Guarino’s von Favera, welches 1525 bei Zacharias Kaliergi in Rom erschienen war) hatte er im Auftrag von Heinrich Petri in Basel unternommen, weil er mit seinem Stipendium nicht auskam. Sodann schrieb er 1539 von Lausanne aus, wo er Professor war, daß kaum eine seiner Schriften so ausgearbeitet sei, wie es der Gegenstand erfordere und wie es hätte geschehen können, wenn er mehr Muße gehabt und mit seinen Studien länger zurückgehalten hätte. Das sei ihm aber bei seiner bedrängten häuslichen Lage nicht vergönnt gewesen, „denn ich und meinesgleichen“, fährt er wörtlich fort, „sind genötigt, für das tägliche Brot zu schreiben“. In einem seiner spätern Briefe an Bullinger vom Jahre 1558 sagt Gesner unter anderm: „Warum lässest Du denn das Bücherschreiben nicht beiseite, möchte mir jemand einwenden, und begnügst Dich nicht mit Deiner Besoldung?“ worauf er mit der Gegenfrage antwortete: „Wer hätte mich und die Meinigen erhalten, da Ihr mir ziemlich lange nicht mehr als 30 Gulden jährlich zukommen ließet? Woher hätte ich mir ein Haus gekauft, wie hätte ich meine Verwandten, wie meine Neffen und Nichten, von denen die meisten sehr arm sind, wie meine teuere geliebte Mutter unterstützen können?“ Konrad Gesner war allerdings ein für seine Zeit bedeutender und fruchtbarer Schriftsteller, deshalb auch sehr geschätzt, sodaß man von ihm nicht auf andere schließen darf. Umfangreiche Werke von Autoren ersten Ranges wurden damals zwar sehr gesucht, allein auch ebenso schlecht bezahlt. Diese Thatsache erhellt aus einer Stelle desselben Briefs, worin es heißt: „Buchdrucker verlangen nur große Bücher, kleine wollen sie gar nicht verlegen, auch wenn man nichts dafür fordert.“

[315] Der Jurist Tanner schreibt am 26. Oktober 1554 an Bonifazius Amerbach[67], „daß Herwagen nur dann den Druck der »Justinianeischen Novellen« in Angriff nehmen wolle, wenn er (Tanner) sich mit einigen Freiexemplaren als Honorar begnügen werde. Für sich persönlich sei er zwar damit einverstanden, indessen werde es voraussichtlich der päpstliche Legat nicht sein, der ihm die Handschriften mitgeteilt habe. Er ersuchte deshalb Herwagen, daß er nach dem in ganz Frankreich unter den Druckern geltenden Gebrauch wenigstens 12 Exemplare bewilligen möge.“

Bare Honorarzahlungen bilden bis zum 18. Jahrhundert die Ausnahme und sind immer gering, ja demütigend.[68] Der Verleger und Drucker Cyriacus Jacob in Frankfurt a. M. zahlte laut Vertrag vom 27. November 1540 dem Johann Schwentzer für eine Auflage von 1200 Exemplaren der von diesem herausgegebenen deutschen „Evangelien-Harmonie“ ein Honorar von einem Kreuzer per Exemplar. In einem Prozeß, welcher sich zwischen Peter Kopff in Frankfurt a. M. und Vögelin’s Erben in Leipzig wegen eines angeblichen Nachdrucks entspann, schreibt der Verfasser des betreffenden Buchs, ein Dr. Gregorius, 1594 über die Verlagsbedingungen: „Ich habe schon vorhin erklärt, daß viel Mühe und Arbeit darauf gegangen, denn über 40 Jahre daran colligiert und gearbeitet habe, deswegen mir eine ehrliche Ergetzlichkeit dafür gebührt, weil das Werk nützlich und groß ist. Und ob ich wohl mehr denn 100 Thaler dafür bekommen kann, will ichs Euch doch dafür zukommen lassen, wovon mir die Hälfte schon in der Messe gewiß übersandt, auch nach dem Druck die andere Hälfte und 5 Exemplare auf Eure Kosten überschickt werden möchten.“ In einem zweiten Briefe wundert er sich, daß diese Forderung dem Peter Kopff zu viel sei, und begnügt sich mit 50 Thalern und 10 Freiexemplaren. Und dabei sollte das Werk über 100 Bogen in Folio stark werden!

Für die meisten Gelehrten jener Zeit war eben die Schriftstellerei ein Nebengeschäft, bei welchem der Geldgewinn erst in zweiter Linie stand. Nur hieraus erklärt sich die geradezu jämmerliche Honorierung ihrer Arbeiten. Natürlich hatten die Verleger ein sehr naheliegendes Interesse daran, die von ihnen gezahlten Honorare möglichst niedrig zu halten; das gelegentlich hervortretende Faktum einer wirklich anständigen Honorierung erregte unter Umständen, ja eine komische sittliche [316] Entrüstung unter ihnen: sie machten sich dann des Erasmus Anschauungen zu eigen. Ein wahrhaft drastisches Beispiel hierfür bieten die leipziger Buchhändler in einem Gutachten vom 20. Januar 1600, welches sie über das Gesuch Georg Gruppenbachs in Tübingen um ein kursächsisches Privilegium gegen den Nachdruck abzugeben hatten. Gruppenbach hatte zur Begründung seines Gesuchs mit angeführt, daß er dem Dr. Moses Pflacher für größeres theologisches Werk ein Honorar von 500 Gulden – allerdings eine sehr bedeutende Summe – gezahlt habe. Darauf hin bemerkten die sich wahrscheinlich schwer getroffen Fühlenden, „das Gruppenbach solches nicht mit geringem schimpf bemeltes fhurnemen Theologj anzeugt, als wurde mit des H. Geistes gaben Simonj getrieben, dessen Christliche Theologen ihnen nicht gerne wurden nachsagen lassen“![69]

Bei der großen Konkurrenz gelang den Verlegern denn auch das Herabdrücken der Honorare nur zu gut. Die Periode, welche die Zeit von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zum Dreißigjährigen Kriege umfaßt, ist eine verhältnismäßig glückliche und reiche für das Erwerbsleben des deutschen Volks; Künste, Gewerbe und Wissenschaft hatten sogar in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht. Indessen blieben von dieser günstigen Wendung der Dinge die Gelehrten so gut wie ausgeschlossen. Der bekannte Polyhistor Melchior Goldast (von Haiminsfeld) liefert in seinen und in den an ihn gerichteten Briefen viele Beispiele dafür. So bot der schon erwähnte bedeutende Verleger Peter Kopff dem Quirinus Reuter einen halben Thaler Honorar für den Bogen, während dieser letztere von einem andern frankfurter Buchhändler, Egenolph Emmel, für ein anderes Werk einen halben Gulden per Bogen forderte, da er einen ganzen nicht zu erlangen vermöchte. Der Historiker Marquard Freher bat am 27. Juni 1606 Goldast, bei dem Verleger Börner anzufragen, ob dieser für ihn ein Buch in Mittelschrift gegen 100 Freiexemplare verlegen wolle, die er, der Verfasser, seinen Freunden zu schenken beabsichtige. „Wenn unser Verleger Lust hat“, schreibt derselbe Freher nochmals am 7. Februar 1607, „die vermischten Schriften von Wilibald Pirckheimer zu drucken, deren Herausgabe mir anvertraut ist, so werde ich selbst zu bessern Bedingungen mit keinem andern unterhandeln, da ich mit centum exemplaribus uff Schreibpapier contentus bin.“ „Si quid insuper [317] extorquere poteris, tibi cedat sinam“ lautet der Köder für Goldast. Quirinus Reuter, derselbe heidelberger Professor, welcher seine Werke zu einem halben Gulden per Bogen verkaufte, ruft am 22. November 1609 in einem Briefe an Goldast wehmütig aus: „Männer unsers Standes pflegen den Buchhändlern zu dienen; diese haben den Gewinn, was aber haben wir?“ „Von meinem Verleger“, klagt Freher endlich 1610 wieder, „habe ich bloß einen halben Reichsthaler für den Bogen erhalten können und auch dies Honorar nur äußerst widerwillig.“ Mit und nach dem Dreißigjährigen Kriege wurden diese Verhältnisse nur noch schlimmer, denn fortan war die Lage des Buchhandels eine äußerst gedrückte, und wenn früher unter allen möglichen Vorwänden nicht gezahlt wurde, so war es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beim besten Willen meistens fast unmöglich.

Aus diesen jämmerlichen Honorarbezügen entwickelte sich ein anderes, noch größeres Übel, der oben bereits angedeutete Dedikationsunfug, den natürlich die Verleger begünstigten, weil er einen Teil der eigentlich ihnen obliegenden Last auf andere Schultern wälzte. Wenn die Dedikation ursprünglich lediglich die Bedeutung einer Ehrenbezeigung oder der Huldigung und der Verehrung gegen die Person des Bewidmeten hatte und diesen Charakter in neuerer Zeit auch wieder erlangt hat, so war sie in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts in der Regel nur ein anfangs verschämtes, später aber unverschämtes Mittel, sich einen kleinern oder größern Nebenverdienst zu schaffen. Natürlich wurde mit diesen unterthänigsten und allerunterthänigsten Dedikationen auf die Eitelkeit der Gönner spekuliert und besonders gern reichen Mäcenaten, vornehmen Herren und dem Rate der großen Reichsstädte gehuldigt. Der Humanist Konrad Goclenius (Gockeln aus Mengeringhausen im Stifte Paderborn, 1485 bis 1535) widmete dem englischen Kanzler Thomas Morus seine lateinische Übersetzung des Lukianischen Dialogs „Hermotinios“ und erhielt dafür einen vergoldeten, mit Goldstücken gefüllten Becher. Als Kaspar Stüblin 1558 dem Kaiser Ferdinand seine Übersetzung des Euripides ins Lateinische widmete, erfolgte die Verfügung, daß er „mit einer ziemlichen Besoldung zu Freiburg angestellt werden solle, die Rudimenta graecae linguae in universitate publice zu lehren“. Jener Widmung an Thomas Morus liegt offenbar keine gewinnsüchtige Absicht zu Grunde. Eine solche läßt sich selbstredend auch [318] nicht bei Calvin voraussetzen, als er 1555 dem Rate der Stadt Frankfurt seine „Harmonia Evangelistarum“ dedizierte und dafür eine „Verehrung“ von 40 Goldgulden empfing. Ganz klar liegt aber die Absicht, einen Gewinn zu erzielen, vor bei Sigmund Feyerabend in Frankfurt a. M., einem der bedeutendsten, aber auch zugleich geriebensten Buchhändler seiner Zeit. Er hatte dem dortigen Rate am 2. April 1566 Rüxners soeben bei ihm erschienenes „Turnierbuch“ verehrt. Als er mehrere Wochen lang von der Annahme des Geschenks nichts hörte, ließ er am 25. April anfragen, „ob man Ime dagegen etwas ergetzlichkeit thun wolle?“ Der Rat beschloß jedoch, „man solle es damit verbleiben lassen“.[70]

Allmählich bildete sich eine feststehende Praxis für Behandlung dieser Bettelei aus, die mit dem Jahre 1570 besonders stark wurde. Verleger oder Verfasser behielten sich sogar vertragsmäßig die Dedikation vor. Ein im königlich sächsischen Geheimen Hauptstaats-Archiv befindlicher Band (Loc. 7208) zählt von 1571 bis 1670 nicht weniger als 192 „von unterschiedenen Autoribus beschehene Dedikationes an die Kurfürsten von Sachsen“. Fast jedes deutsche Archiv enthält derartige Verzeichnisse. In der Stadt Zürich sind von 1670 bis 1685 nicht weniger als 38 solcher Dedikationen erledigt. Adelige Schriftsteller erhielten eine größere Verehrung als bürgerliche, Gelehrte von Ruf mehr als sonstige Schriftsteller, Glaubensgenossen wurden besser behandelt als die Angehörigen anderer Konfessionen. Unbedeutende Autoren wurden häufig mit höchstens ein paar Thalern oder Gulden abgespeist, oder auch bedeutet, es nie wieder zu wagen, „sich mit ähnlichen Anerbietungen unangenehm zu machen“. Die Fürsten wurden bald so gleichgültig gegen solche Geschenke, daß sie nicht mehr darauf antworteten, im günstigsten Falle sich nach langer Verzögerung eines Bescheids von ihren Ministern dazu drängen ließen, oder auch kurzer Hand ablehnten. Die Kurfürsten von der Pfalz waren im 16. Jahrhundert wohl die freigebigsten unter ihren Standesgenossen, die von Sachsen als Landesherren von Leipzig dagegen öfter heimgesucht und die Hohenzollern auf diesem Ohr ziemlich taub. In den Reichsstädten behandelte man die Dedikanten je nach Laune und zahlte je nach dem Inhalt der Stadtkasse. Beispiele sind beinahe überflüssig, wo Tausende von Büchern mit solchen Widmungen versehen sind; indessen mögen doch einige charakteristische Fälle aus Dresden und Zürich hier ihren Platz finden.

[319] Eine der ältesten, dem Kurfürsten August überreichten Widmungen scheint die der „Astronomie“ des Joh. Emmenius zu sein (sie ist ohne Datum). Am 24. Juni 1571 bat der Kurfürst Kasimir von der Pfalz August, eine Dedikation des Dr. Veit Poland: „De bello Partico“ anzunehmen. Die Witwe des Dr. Lorenz Span von Spans schreibt 1575, „ihr Mann habe drei Büchlein „de peste“ dem Kurfürsten unterthänigst präsentieren lassen, darauf sei ihm zum Bescheid geworden, daß er in zwei Monaten wiederum ansuchen solle, in welcher Zeit er aber verstorben. Weil sie sich dann mit Franz Schönaichs Weib hierher begeben, so bitte sie demütigst, Kurfürstliche Gnaden wolle sie nochmals gnädigst beantworten.“ Im Jahre 1597 fragten die Räte an, was für die Dedikation der ehemals von Johann Pomarius in das Hochdeutsche übersetzten und von Matthäus Dresser vermehrten „Altsächsischen Chronik“ gezahlt werden solle, und fahren fort: „So übersenden wir E. F. Gnaden hiermit solch Buch unterthänigst, und weil der Autor ein vornehmer gelehrter Mann zu Leipzig ist und E. F. Gnaden gelehrten Leuten gnädigst wohlgewogen, so stellen zu E. F. Gnaden wir hiermit in Unterthänigkeit, was Sie Dr. Dressero für solche Dedikation zu geben in Gnaden anordnen und befehlen wollen.“ Die Akten sagen nicht, wie der Kurfürst diese Eingabe beschied.

In den züricher Akten steht als die erste eine Widmung Konrad Gesners verzeichnet, welcher dem Rate („Meinen Gnädigen Herren“) im September 1551 sein Buch von den vierfüßigen Tieren „verehrt“ hatte. Er erhielt dafür als Gegengabe 10 Malter Kernen (Roggen oder Weizen) und 10 Eimer Wein jährlich. Im Februar 1589 nahm der Rat ein ihm vom baseler Antisten Grynäus dediziertes Buch an und schenkte ihm dafür ein mit dem Stadtwappen geschmücktes Silbergeschirr von 60 Lot. Im April 1625 dagegen erhielt Nikolaus Saxer in Aarau „seinen in einem offenen «Dedikations» Zedull präsentierten Weltglobus nebst 4 Gulden Zehrpfennig wieder zugesandt, weil man mit dergleichen Sachen genug versehen ist“. Am 20. Januar 1641 wurden dem N. Obrecht von Straßburg für seine dem Rate verehrten „Consilia politica“ 6 Reichsthaler aus dem Säckelamte zugesprochen, am 10 April 1643 dem Advokaten Rudolf Faber aus Grenoble für Dedikation seines „Operis juridici tripartiti“ 30 Kronen geschenkt und die Dr. Ziegler, Pannerträger Hirzel und Professor Weiß angewiesen, ihm Gesellschaft [320] zu leisten und ihn gastfrei zu halten. Dagegen befand man am 1. November 1645 „für thunlich, daß das Tractätli, so der zu Genf sich aufhaltende Herr Brios unter dem Titel: „L’homme hardy à la France“ M. G. Herren präsentiert und ihres Rats begehrt, supprimiert werde, Ihme aber 10 Kronen zuzusprechen und ein Schreiben an den französischen Ambassadeur zu bewilligen“. Im Juni 1652 nahm der Rat zwar von Friedrich Reiff in Tübingen dessen Verdeutschung der vielgedruckten „Wundarznei“ des Fabricius Hildanus an und dankte ihm privatim dafür, beschloß aber, „die Gegenverehrung mit Bern und Schaffhausen zu beratschlagen“. Dem Andreas Costa wurden am 15. Januar 1659 für seine „Oratio de religione et gratitudine“ nebst Zahlung der Exemplare zugleich zu einer Haussteuer „semel pro semper“ 3 Malter Kernen, 3 Eimer Wein und 25 Pfund Geld zugesprochen. Dagegen erhielt Dr. Jakob Vollmar, auf der hohen Schule zu Marburg, für seine dem Rate überreichten und gnädig angenommenen „Theses de luxationibus“ am 5. Januar 1663 den Bescheid, „daß man ihme dessen ins künftige werde genießen lassen“. So geht es Jahr für Jahr fort. Am 23. April 1670 aber heißt es im Ratsprotokoll: „Weilen das Dedizieren als eine Species mendicandi zu gemeyn werden will, so wurde Herr N. N. von Hessen – Kassel (Name im Original nicht genannt) für sein präsentiertes Büchli: „Das Fried und Liebesbandli“ mit 2 Reichsthaler abgespisen (abgespeist) und ihm die Exemplare nicht abgenommen.“ Dieser Zorn hielt aber nicht lange an, wenigstens den vornehmen Schriftstellern gegenüber nicht, denn schon am 4. März 1672 wurde die Widmung der „Historie“ des Professor Ott mit Dank angenommen, welchem man auch die verehrten Exemplare bezahlte; der „obrigkeitlichen Verwahrung halber“ solle er aber gleich den andern hiesigen Autoribus gehalten werden. Am 16 März 1674 erhielt der Pfarrer Bartholomäus Anhorn in Bischoffszell für seinen, M. G. H. dedizierten Traktat: „Von dem Aberglauben und der Zauberey“, wovon er 218 wohlgebundene Exemplare verehrte, für seine Unkosten und als Gegenverehrung 300 Franken zugesprochen. (Im Original undeutlich, ob es Fr. oder Fl. heißt.) Dem obenerwähnten Professor Ott wurden am 21. März 1681 für seine Widerlegung des Anti-Barovius die Druckkosten für 1000 Exemplare bezahlt, wovon ihm 600 überlassen blieben, während der Rat 400 für sich behielt. Professor Schwizer (Suicerus) konnte sich laut Beschluß [321] vom 7. Juni 1682 für seinen „Thesaurus ecclesiasticus“, an welchem er 20 Jahre lang gearbeitet hatte, entweder Geld oder zwei vergoldete Schalen wählen. Dagegen bekam der Bibliothekar Georg Schielen in Ulm, welcher dem Rate 40 Exemplare seiner politischen und philosophischen Kriegs- und Friedensgespräche eingesandt hatte, am 17. Februar 1683 den Bescheid, „daß dieselben zu seiner Verfügung gehalten würden und daß er künftig M. G. H. mit dergleichen Ungnad verschonen möge“. In einigen Ausnahmefällen beliefen sich übrigens die Verehrungen auch auf viel höhere Summen, als ein Verleger sie damals selbst dem bedeutendsten Schriftsteller zahlte. So bewilligte nicht allein Zürich am 30. Juli 1690 dem Ratsherrn Rahn für seine, den evangelischen Städten dedizierte „Eidgenössische Historie“ 200 Reichsthalter, sondern Bern erkannte ihm „ohne jedes Bedenken“ die gleiche Summe zu, Basel ein Goldstück von 20 Dukaten, Schaffhausen 40 Reichsthaler und St. Gallen 40 Reichsthaler, also im ganzen 480 Thaler und 20 Dukaten.

Diesen Beispielen mögen sich noch einige charakteristische Angaben aus der reichen Sammlung der an Goldast gerichteten Briefe anschließen. Unterm 7. Februar 1606 meldet Johann Kraft in Ulm dem Goldast, daß er den ihm gesandten „Codex“ dem Senat der Freien Stadt überreicht und von diesem für den Verfasser ein Geldgeschenk von 10 ungarischen Dukaten bewilligt erhalten habe. David Lange in Memmingen berichtet am 18. März 1606, daß die dortigen Ratsherren große Ausgaben für den Türkenkrieg zu machen hätten, daß sie fast täglich mit Dedikationen heimgesucht würden, selbst auch gar nichts von litterarischen Dingen verständen, weshalb sich Goldast für die Übersendung seines Kommentars mit einem Dukaten begnügen müsse. „Du wirst“, schreibt Freher am 23. Januar 1608 aus Heidelberg an Goldast „die im Auftrage beider Fürsten in der Kanzlei für Dich in Empfang genommenen 80 Gulden und zwar 50 Gulden in 20 Dukaten im Namen des Kurfürsten und 30 Gulden in 20 Thalern im Namen des Prinzen demnächst erhalten. Man muß nie, ich rate Dir’s“, meinte Freher am Schluß, „Gnadenpfennige desperare.“ Diese reiche Spende schmeckte erklärlicherweise besser als der übrigens nicht zurückgewiesene memminger Bettelpfennig. Goldast versuchte bald darauf noch einmal sein Glück beim pfälzer Kurfürsten und zugleich auch beim Herzog von Würtemberg. Und wirklich, am 3. November 1609 gratulierte ihm der kurfürstliche [322] Rat Lingelsheimer zu der Freigebigkeit des Würtembergers und schickte ihm zugleich wieder 80 Gulden pro honorario im Auftrag des Kurfürsten. Am 4. Juli 1610 meldete der Theologe Rafael Eglinus in Marburg, daß ihm der Herzog Johann Adolf von Holstein für seinen „Kommentar zur Apokalypse“ ein Honorar von 100 Dukaten geschenkt habe.[71]

Übrigens benutzten schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts Gauner in betrügerischer Weise die Gewohnheit, für die Überreichung von Büchern Geschenke zu geben, wie dies aus Samuel Dilbaums „Quadripartita Historia Anni 1594“ hervorgeht. In der Widmung an Bürgermeister und Rat von Kempten und Kaufbeuren sagt nämlich Dilbaum, er richte dieselbe unter anderm deshalb an jene, „daß ich mich bei E. E. und H. purgiere und entschuldige, da ich glaubwürdig berichtet worden, daß dem ehrenhaften und wohlweisen Herrn Bürgermeister der Stadt Kaufbeuren ungefähr vor einem Jahre ein Traktätlein von dem hohen Ritterstand in meinem Namen, jedoch außer meines Wissens und Bewilligung auch ohne einigen Gewinnst zugeschrieben, übergeben und präsentiert worden ist. Wahr ist, daß ich selbiges Büchlein in Reimen gestellt, aber keinem Menschen zugeschrieben noch verehrt habe. Weil dann solches noch wohlvermeldeter Stadt Kaufbeuren geschehen, will ich nicht zweifeln, es werde die benachbarte und berühmte Stadt Kempten (nach Art und Gewohnheit solcher fahrenden Gesellen, die ihre Namen, weil sie zu oft kamen, nicht brauchen dürfen) gleichfalls nicht überschritten, sondern ihr ebnermaßen unter meinem Namen ernanntes Traktätlein fälschlicherweise zugeschrieben und präsentiert worden sein.“[72]

Der Unfug dauerte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, wo er zuletzt zum offenen Bettel ausartete, unter welchem allerdings die kleinen und großen Reichsstädte mehr litten als die Fürsten, welche die Zurückweisung der Bettler energischer und folgerichtiger durchzusetzen wußten. Er möge auch hier mit den wenigen, aber verständigen Worten abgethan sein, in welchen der Senat der Freien Stadt Hamburg am 6. Juni 1798 fortan das unliebsame Geschäft von sich wies. „Der Senat der Reichsstadt“, heißt es in der betreffenden Bekanntmachung, „sieht sich durch die Menge der Einsendungen und Dedikationen litterarischer Produkte von sehr ungleichem Wert, womit er seither überhäuft worden, veranlaßt, hiermit öffentlich bekannt zu machen, daß er künftig jede dergleichen ohne [323] vorherige Anfrage an Ihn gelangende Mitteilung oder Dedikation unbeantwortet lassen werde.“[73]

Auch über die Höhe der Auflagen und die Preise der Bücher läßt sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts keine Regel aufstellen, da die Angaben zu unvollständig sind. Es ist bei Darstellung dieser Frage vielfach der Fehler begangen worden, daß man einzelne Daten zu sehr verallgemeinert und aus ihnen Schlüsse gezogen hat, welche bei näherer Prüfung aller in Betracht kommenden Verhältnisse nicht stichhaltig sind. Jedenfalls aber sind Thatsachen genug vorhanden, um den Schluß zu rechtfertigen, daß es damals so wenig wie heutzutage allgemein feste Regeln gab, sondern daß die Auflage durch den Charakter des Buchs, den Unternehmungsgeist des Verlegers und den Stand des Markts bedingt war. Wenn, wie zum Teil schon im dritten Kapitel angeführt wurde, 1468 bis 1472 Schweinheim und Pannartz im Durchschnitt nur eine Auflage von 275 Exemplaren druckten, wenn Johann von Speyer die erste Ausgabe des Plinius 1470 in nur 100 Exemplaren herausgab, wenn ferner Johann Neumeister 1471 oder 1472 nur 200 Exemplare von Cicero’s „Epistolae ad familiares“ abzog, und wenn endlich Kranz, Gering und Freiburger 1472 die von ihnen in der Sorbonne gedruckten Bücher, wie z. B. Cicero’s Schriften, auch nur in 200 Exemplaren auf den Markt brachten, so mußten dem doch wohl ziemlich dieselben Ursachen zu Grunde liegen. Offenbar war die Zahl der Käufer dieser gelehrten Litteratur noch zu klein, denn die reichen Büchersammler zogen ja zunächst vielfach noch das geschriebene Buch dem gedruckten vor. Dagegen bereiteten die plötzlich auftauchenden vielen Bücher sich gegenseitig Konkurrenz, das Papier aber und die Herstellung waren teuer, sodaß die wenigsten Drucker das Risiko einer großen Auflage laufen konnten.

So spärlich aber auch die gelegentlichen Angaben über die Größe der einzelnen Auflagen sind, einen so sichern und untrüglichen Schluß gestatten andererseits die bibliographischen Verzeichnisse auf die außerordentliche Rührigkeit der ersten Verleger und auf die Größe des litterarischen Bedürfnisses der Bücherkäufer; schwerlich wird das letztere von dem irgend einer andern Periode übertroffen. Mit dem 16. Jahrhundert fangen die Quellen an reichlicher zu fließen, wie sich das bei der Darstellung der Thätigkeit der Presse auf dem Gebiete der allgemeinen, theologischen und juristischen Litteratur zeigen wird.

[324] Aldus druckte im Durchschnitt je 1000 Exemplare von seinen Verlagsartikeln. Ein Heiligenleben (1502), die „Bucolica“ des Baptista Mantuanus (1503), die lateinische Grammatik des Cochläus (1512) erschienen in Straßburg in je 1000 Exemplaren; 1515 ließ Heinrich Gran in Hagenau 1500 Abzüge von einem dicken Folioband lateinischer Predigten machen. Johann Amerbach veranstaltete 1502 von den Werken des Augustinus eine Ausgabe in 11 Foliobänden zu 2200 Exemplaren. Die später noch näher zu erwähnenden 7 Folianten der Bibel mit der Postille des Kardinals Hugo wurden ebenfalls 1502 von Anton Koberger in 1600 Exemplaren ausgegeben und nach Verlauf von nur zwei Jahren in einer zweiten Ausgabe von ziemlich derselben Höhe hergestellt, allerdings nur widerwillig und unter sehr eigentümlichen Umständen. In Kobergers Verlag erschienen ferner 10 Auflagen der „Sermones Discipuli“, 5 Auflagen von Gritschs „Quadragesimale“ und 6 Auflagen von Jakobs de Voragine „Historia Lombardica“. Von Heinrich Bebels Kommentarien (Sammlung von einzelnen Abhandlungen grammatischen, politischen und lexikographischen Inhalts) veröffentlichte Thomas Anshelm in Tübingen von 1503 bis 1516 13 stets vermehrte Auflagen. Daß dieses Werk, sowie die andern Schriften Bebels, für Anshelm vortreffliche Verlagsartikel gewesen sein müssen, geht aus einem Briefe des erstern an den Humanisten Hummelsberger hervor, worin er sagt, daß er durch seine Arbeiten Anshelm aus der Armut herausgerissen und sogar bereichert habe. Von Reuchlins „Augenspiegel“ wurde auf die frankfurter Herbstmesse des Jahres 1511 eine Auflage von 1000 Exemplaren gebracht. Die Gebrüder Alantsee in Wien ließen 1511 den Sallust in 1000 Exemplaren drucken. In Basel erschien 1518 das „Lexicon graeco-latinum“ des Craston in ebenfalls 1000 Exemplaren. Heinrich Gran in Hagenau veröffentlichte 1515 das „Opus concinnatorium Sanctii de Porta“ in 1500 Exemplaren; mehrere Predigtsammlungen erschienen sogar mehreremal bei ihm in einem Zeitraum von wenigen Jahren. Der Absatz der Lutherschen Schriften übertraf, wie im siebenten Kapitel angeführt werden wird, alles, was der Büchermarkt bisher erlebt hatte. Diesem bis dahin unerhörten Erfolg gegenüber trat selbst der früher so gefeierte Erasmus ganz in den Hintergrund. Noch am 17. April 1515 hatte ihm Beatus Rhenanus geschrieben, daß von den im März gedruckten 1800 Exemplaren des [325] „Lob der Narrheit“ nur 60 noch nicht verkauft seien, und daß sofort eine neue Auflage gedruckt werden müsse. Das Werk wurde bald ein allgemein beliebtes Volksbuch, ins Deutsche und Französische übersetzt, von Gerhard Lystrius mit einem Kommentar, und von Hans Holbein mit Holzschnitten versehen und erlebte zu Erasmus’ Lebzeiten im ganzen 27 Auflagen. Einen noch größern Erfolg hatte seine Sprichwörtersammlung („Adagia“). Es verlegten sie der Deutsche Johann Philippi und Jodocus Badius in Paris 1500 und 1502 zweimal, Aldus Manutius seit 1508 achtmal, Froben 1513 bis 1539 zehnmal, Mathias Schurer in Straßburg 1509 bis 1520 elfmal und andere Pressen achtmal, sodaß davon schon im ganzen 34 Auflagen zu je 1000 Exemplaren veranstaltet wurden. Die „Colloquia“ fanden einen Absatz von 24000 Exemplaren; er erfolgte doppelt schnell, weil sich das Gerücht von einem Verbote derselben verbreitet hatte.

Der „Vocabularius breviloquus“ (ein lateinisches Wörterbuch), welches Reuchlin im Auftrag von Johann Amerbach bearbeitet hatte und welches dieser wahrscheinlich 1475 oder 1476 zuerst herausgab, erlebte bis 1504 nicht weniger als 25 Auflagen. Wenn auch das Muster aller spätern Wörterbücher, so wurde es von da ab doch nicht mehr gedruckt, weil Nachahmungen und bessere Werke an seine Stelle traten. Der Erfolg der von Reuchlin 1506 geschriebenen Anfangsgründe der hebräischen Sprache war dagegen äußerst gering, ein Beweis dafür, wie wenig verbreitet damals das Studium des Hebräischen war. Reuchlin hatte die „Rudimenta“ in wahrscheinlich 1000 Exemplaren bei Anshelm in Pforzheim auf seine eigenen Kosten drucken lassen. Im Jahre 1510 befanden sich davon noch 750 Exemplare auf Lager; Anshelm aber drang auf Bezahlung. Da wandte sich Reuchlin an Amerbach und bot ihm je drei Exemplare für einen Gulden zum Kauf an. Dieser entschloß sich endlich zur Übernahme, klagte aber bald über schlechten Absatz und bot Reuchlin den Rest für den dritten Teil seiner Barauslagen wieder an. Der Gelehrte aber hatte kein Geld und vertröstete den Verleger auf die Zukunft. Erst im Jahre 1537 wurde eine zweite Auflage des Buchs nötig. Adam Petri in Basel druckte 1525 von Bugenhagens Psalmenauslegung 3000 Exemplare. Die Auflage war aber zu stark; man hatte auch von Wittenberg aus von Anfang an nur 1600 verlangt.[74]

Viel günstiger gestaltete sich das Verhältnis für die Verleger der [326] Andachtsschriften und der für den Jugendunterricht unentbehrlichen Bücher. So erschien das „Resolutorium dubiorum circa celebrationem missarum occurrentium“ des Johannes de Lapide von 1488 bis 1500 in 20 verschiedenen Auflagen in Rom, Paris, Basel, Köln, Deventer, Leipzig, Straßburg und Antwerpen[75], während Thomas a Kempis’ „Nachfolge Christi“ bis 1500 99 Auflagen erlebte.[76] Von Wimphelings pädagogischen Schriften brachte es im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts die „Elegantiarum Medulla“ zu rasch aufeinander folgenden fünf Auflagen, „Idoneus Germanicus“ zu vier und „Oratio quaerulosa“ wieder zu fünf Auflagen.[77] An zwei Stellen von Wimphelings Schriften wird die Höhe der Auflagen auf 1000 angegeben. Die „Postillen“ (auch Plenarien genannt, weil sie die Evangelien und Episteln für das ganze Jahr enthielten) wurden von 1470 bis 1520 in 99 verschiedenen Ausgaben gedruckt, meistens in Folio oder groß Quart und vielfach mit Holzschnitten geschmückt. Sie konnten aus diesem Grunde auch nicht billig sein, bildeten aber trotzdem einen geistlichen Hausschatz in der Familie. Von dem „Beichtbüchlein“ (Belehrung über die Beichte und Ermahnung zum würdigen Empfang der Sakramente) erschienen bis 1520 ohne Angabe des Druckorts 11 und mit Angabe desselben 34 Ausgaben.[78]

Kranz, Gering und Freiburger in Paris brachten zuerst die gegen Ende des 13. Jahrhunderts vom Bischof von Genua, Jakob de Voragine, verfaßte und von Voltaire die Contes bleues du Christianisme genannte Sammlung von Lebensbeschreibungen der Heiligen, die „Legenda aurea“; sie hatte einen selbst für die Gegenwart ungewöhnlichen Erfolg. Die Höhe der einzelnen Auflagen ist allerdings nicht angegeben, man geht aber wohl nicht fehl, wenn man jede derselben, da das Buch so vortrefflich zog, auf wenigstens 1000 Exemplare schätzt. In den letzten 30 Jahren des 15. Jahrhunderts erschienen von derselben (dem „Passional“) mehr als 100 Auflagen, darunter 1485 eine deutsche Übersetzung von Ludwig Renchen in kölnischem Dialekt[79] („Gulde Legende off dat Passional“), 3 englische, 5 französische, 8 italienische, 3 böhmische und 14 holländische (plattdeutsche) Übersetzungen. Ebenso druckten Kranz, Gering und Freiburger 1473 den 1330 von Gui de Mont Rocher geschriebenen „Manipulus Curatorum“ oder „Enchiridion sacerdotum“, welcher noch im 15. Jahrhundert 60 Auflagen erlebte.[80] Des Dominikaners Johann Nider „Praeceptorium divinae Legis“ wurde in [327] demselben Jahrhundert fünfzehnmal aufgelegt. Vom „Speculum Vitae humanae“ des spanischen Bischofs Roderich von Arevalo wurden von 1468 bis 1500 15 Auflagen, und zwar 6 in Frankreich, 5 in Deutschland und 4 in Italien, gedruckt. Außerdem erschienen 7 Übersetzungen ins Italienische, Französische und Spanische. Hain zählt 43 Auflagen der „Sermones aurei de Sanctis“ auf, welche von verschiedenen Firmen gedruckt wurden. Anton Koberger verlegte von 1475 bis 1497 13 Folioausgaben der lateinischen Bibel, daneben noch eine deutsche. Außer ihm aber gab es gleichzeitig kaum einen großen deutschen Verleger, welcher nicht auch seine Bibel gebracht hätte. Man schätzt die Zahl der bis 1500 von ihr veranstalteten Ausgaben in runder Summe auf 100. Allerdings muß man formell die Auflage wohl von der Ausgabe unterscheiden; indessen kommt für den hier versuchten Nachweis, daß populäre Bücher stark gekauft wurden, dieser Unterschied kaum in Betracht. Es drängt sich von selbst die Annahme auf, daß auch die Auflagen so leicht verkäuflicher Artikel nicht klein gewesen sein mögen.

Einen, wenn auch nicht so großen, doch immerhin reichen Gewinn bringenden Absatz fanden manche weltliche Bücher, wie z. B. die den Wallfahrtsorten der Christenheit gewidmeten Pilgerschriften und Reisebeschreibungen. So das Werk des mainzer Domdechanten Bernhard von Breidenbach über seinen Besuch des Heiligen Landes, welches ursprünglich lateinisch geschrieben war. Ins Deutsche, Italienische, Französische und Spanische übersetzt, wurde es von 1486 bis 1500 in 12 Auflagen gedruckt, bis 1520 noch in 3 und bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts noch in 19 italienischen Auflagen. Die Palästina-Reise des Hans Tucher aus Nürnberg erschien von 1479 bis 1488 in 11 Auflagen. Das 1481 in Nürnberg gedruckte „Rom-Fahrt-Büchlein“ (ein Führer für Rom) kam in 2 Auflagen ohne Ortsangabe und in je einer in München und Nürnberg und fortan in Rom heraus. Im Jahre 1500 erlebte es sogar 8 verschiedene, im ganzen aber bis 1500 nicht weniger als 14 Auflagen und außerdem 1512 bis 1518 noch 2 in Rom.

Des größten Absatzes aber erfreute sich namentlich schon im 15. Jahrhundert die juristische populäre Litteratur. Das römische Recht war ziemlich zu derselben Zeit in Deutschland eingedrungen, als sich die Buchdruckerkunst in Europa ausbreitete. Die Unbekanntschaft der deutschen Juristen mit der Theorie und Praxis des fremden Rechts rief in [328] erster Linie in ihren, in zweiter aber auch in den gebildeten Laienkreisen das Bedürfnis hervor, sich an der klassischen Quelle desselben zu unterrichten, und veranlaßte eine rege Nachfrage nach theoretischen und prozessualischen Schriften, Summen, Regeln und Kommentaren, welche seit Jahrhunderten in Italien und Paris handschriftlich verbreitet waren und als Grundlage für den akademischen Unterricht gedient hatten. Selbst die Wissenschaft des Rechts ging dabei nicht leer aus. Von Justinians Institutionen wurden noch vor 1500 über 50 Auflagen in Deutschland, Frankreich und Italien gedruckt, darunter 3 von Schöffer in Mainz und 4 von Wenszler in Basel. Die Digesten verlegte Baptista de Tortis 1494 und 1501 in je 1500 Exemplaren, außerdem auch die übrigen Teile des „Corpus juris“. Hauptsächlich handelte es sich aber um die Beschaffung des für die Praktiker unentbehrilchen sogenannten juristischen Handwerkszeugs, auf dessen Vervielfältigung sich nunmehr die buchhändlerische Spekulation naturgemäß mit besonderm Eifer warf. Es ist dieser Gegenstand neuerdings von einem ausgezeichneten Gelehrten, dem leider viel zu früh verstorbenen Professor der Rechte Dr. Roderich von Stintzing in Bonn behandelt, der in seiner „Geschichte der populären Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland am Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrhunderts“ (Leipzig, S. Hirzel, 1867) der Geschichte der Jurisprudenz und des sie betreffenden Buchhandels sozusagen eine neue Provinz erobert und auch für die nachfolgende Darstellung die Zahlen und Thatsachen geliefert hat.

„Der durchschlagende Charakter der populären Litteratur liegt“, wie Stintzing S. XXXVIII sagt, „darin, daß sie sich nicht auf wissenschaftliches Verständnis, sondern auf Erfassung des Positiven mit dem Gedächtnis; nicht auf das Begreifen des innern Zusammenhangs, sondern auf die Einprägung der äußerlichen Unterscheidungen; nicht auf die Erkenntnis des Wesens der Rechtsinstitute, sondern auf die Erlernung ihrer fremden Erscheinung hinarbeitet.“ Sie erstreckt sich auf das gesamte Gebiet des bürgerlichen Rechts und des Prozesses, berücksichtigt aber das heimische Recht nur in geringem Umfange, und hat fast ausschließlich das fremde, römisch-kanonische Recht im Auge. Die Schriften zerfallen in 1) einleitende und mehr theoretische; 2) alphabetische Sammlungen; 3) die Bücher über die Stammbäume und Verwandtschaftverhältnisse; 4) prozessualische und Notariatsschriften. Es folgen sodann der „Klagspiegel“ [329] und der „Layenspiegel“ in Verbindung mit den übrigen Arbeiten von Sebastian Brant, Thomas Murner und Ulrich Molitoris. Endlich finden sich zahlreiche Sammelwerke und die Schriften der geistlichen Jurisprudenz.

Soweit in Deutschland und seinen Nachbarländern in der zweiten Hälfte des 15. und den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts überhaupt gedruckt wurde, beschäftigten sich die Druckereien auch mit Herstellung dieser juristischen Werke. Die angesehensten Druckereien in Basel, Straßburg, Augsburg, Nürnberg, in Köln und Leipzig, die in Rom und Venedig, in Löwen, Paris und Lyon (vorzugsweise deutsche) haben die hauptsächlichsten Schriften in zahlreichen Auflagen herausgegeben und einem ausgebreiteten Leserkreise zugänglich gemacht.

In Basel sind nachweislich vom Jahre 1473 bis gegen 1520 fast alle Hauptdruckereien auf dem gesamten Gebiete der populären Jurisprudenz beschäftigt. Das erste Werk ist das weitverbreitete „Vocabularium juris utriusque“, welches jedenfalls vor 1475, wahrscheinlich 1473 bei Michael Wenszler und Fr. Biel gedruckt, und in den Jahren 1481, 1482, 1483 und 1488 in Basel wiederholt aufgelegt wurde. Das „Repertorium juris“ wird 1474 bei Wenszler gedruckt; 1479 erscheint in Basel eine Ausgabe der „Casus summarii Decretalium“, 1484 eine solche des „Modus legendi abbreuiaturas“, 1487 bei Keßler die einzige vorhandene Ausgabe der „Tituli juris civilis et canonici“. Bei demselben Drucker sind auch die einzigen vorhandenen, von Sebastian Brant besorgten Ausgaben der „Annotationes sive reportationes margaritarum omnium Decretalium“ (ohne Jahreszahl) erschienen. Im Jahre 1488 kommen das „Repertorium Milis alias Absenti“, 1489 und 1493 zwei Ausgaben des „Formularium procuratorum et advocatorum curiae romanae“, 1490 der „Processus judiciarius Panormitani“ in Basel heraus. Die „Expositiones omnium titulorum legalium“, welche Sebastian Brant bearbeitet hat, sind bei Furter in fünf Ausgaben (1490, 1500, 1502, 1504, 1505), in je einer Ausgabe bei Jakob von Pforzheim (1508) und Adam Petri (1514) und in zwei Ausgaben (1514, 1515) bei Gregor Bartholomaei de novo Angermundio gedruckt. Furter ist auch der Drucker der einzigen Ausgabe der bedeutenden „Pannormia Ivonis“ (1499), bei ihm sind drei von Sebastian Brant besorgte Ausgaben des „Caccialupis de modo studendi“ (1500, 1505, [330] 1514) erschienen. Letzteres Werk kam auch 1514 bei Adam Petri heraus, welcher außerdem zwei Ausgaben des baseler Sammelwerks: „In utriusque juris libros introductorium“ (1513 und 1517), eine Ausgabe der „Summa Johannis“ von Bruder Berthold (1518), und die einzigen bekannten Ausgaben der „Utriusque juris tituli et regulae“ (1518, 1520) und der (ersten) deutschen Übersetzung der „Institutionen“ („Instituten, ein wahrer Ursprung und Fundament des kaiserlichen Rechtens“) 1519 und 1520 veröffentlicht hat. Eine Ausgabe des „Caccialupi“ erschien auch 1514 bei Bartholomaei. Die Druckereien von Froben und Amerbach und Froben haben die von Sebastian Brant besorgten Ausgaben kanonischer Rechtsquellen, des „Decretum“, der „Dekretalien“ und des „Liber sextus“ in den Jahren 1493, 1494 und 1500 in zusammen sechs Ausgaben geliefert. Von der „Summa Antonina“ ist eine Ausgabe (1511), von der „Lectura Johannis Andreae super arboribus“ sind (in Basel) zwei Ausgaben (1513 und 1517), in demselben Jahr zwei Ausgaben des „Tractatus judiciorum Bartoli“ und von der „Summa Astexana“ ist eine der vorhandenen Ausgaben ohne Ort und Jahreszahl vermutlich bei Bernhard Richel in Basel herausgekommen.

Eine ähnlich bedeutende Stellung nimmt Straßburg ein. Das erste der hier verlegten Werke ist die, wahrscheinlich bei Mentel (1469 und 1472) gedruckte vorerwähnte „Summa Astexana“. Bei demselben Drucker erschien im Jahre 1477 eine der ältesten Ausgaben des „Liber plurimorum tractatuum“, welche auch 1488 (bei Flach), 1490, 1494 und 1499 gedruckt wurde. Bei Flach ist außerdem wahrscheinlich eine der ältesten Ausgaben des „Processus Luciferi contra Jesum“ ohne Zeitangabe und 1521 der „Klagspiegel“ gedruckt. Der „Processus Luciferi“ erschien in Straßburg außerdem im Jahre 1478 und 1488 (ohne Bezeichnung des Druckers), in den Jahren 1477, 1478, 1481 und 1483, viermal bei Knoblochzer, und 1508 oder 1507 in einer Ausgabe mit Holzschnitten bei Prüß. Diese beiden Firmen haben weiterhin auch andere Werke der populären Jurisprudenz gedruckt: Knoblochzer 1482 eine deutsche Bearbeitung der „Summa Joannis Andreae“, 1483 die „Straßburger Formulare und Tutsch-Rhetorika“, welche in demselben Jahre auch bei Prüß erschienen, und von letzterm noch in den Jahren 1493 und 1502 wiederholt gedruckt wurden, wie derselbe auch den [331] „Spiegel der wahren Rhetorik“ (1505 und 1509) zweimal druckte, und 1518 die einzige noch vorhandene Ausgabe des „Chartiludium Institutionum“ veranstaltete. Die „Straßburger Formulare“ wurden in den Jahren 1511 und 1519 auch von Johann Knobloch, im Jahre 1514 von Paul Götz, der „Spiegel der wahren Rhetorik“ von beiden gemeinschaftlich (1517) gedruckt. Die außerdem von Knobloch gedruckten Werke sind das „Formularium instrumentorum sive ars notariatus“ (zwei Ausgaben, 1504 und 1516) und eine Ausgabe des „Klagspiegels“ (1521). Letzterer ist eins der in Straßburg am häufigsten (seit 1516 unter Leitung von Sebastian Brant) gedruckten Werke. Die früheste bekannte Ausgabe erschien wahrscheinlich bei Grüninger im Jahre 1500, auch Hupfuff druckte eine Ausgabe; dagegen sind die in den Jahren 1516 und 1518, 1529, 1530, 1532, 1533, 1538, 1550, 1553 und 1560 erschienenen Ausgaben ohne Angabe des Druckers. Hupfuff tritt auch als Drucker einer der deutschen Bearbeitungen der „Summa Johannis Andreae“ (1507) auf; zahlreiche Ausgaben des „Layenspiegels“ von Ulrich Tengler sind aus seiner Offizin hervorgegangen in den Jahren 1510, 1511, 1514, 1518, 1527, 1530, 1532, 1536, 1538, 1544, 1550, 1560.

In den Jahren 1485 und 1493 erschienen in Straßburg zwei Ausgaben der „Casus summarii Decretalium, Sexti et Clementinarum“, in den Jahren 1486, 1489, 1493, 1494 und 1499 fünf Ausgaben der „Margarita Decreti seu tabula Martiniana“, in den Jahren 1486, 1490, 1494, 1499 und 1500 ebenfalls fünf Ausgaben des „Vocabularium juris utriusque“, im Jahre 1487 eine Ausgabe des „Modus legendi abbreuiaturas“, in den Jahren 1489, 1491, 1495, 1498, 1502, 1513, 1515 und 1520 acht Ausgaben der „Summa Angelica“; zwei Ausgaben der „Casus longi super Institutis“ (1490 und 1494) sind vermutlich, eine Ausgabe der „Flores legum“ aus dem Jahre 1496, zwei Ausgaben der „Summula Raymundi“ aus den Jahren 1504 und 1518, eine Ausgabe der „Summa Antonina“ (1508) und eine Ausgabe der „Summa Baptistiniana sive Rosella“ aus dem Jahre 1516 jedenfalls in Straßburg gedruckt. Der Drucker Johann Schott hat im Jahre 1500 die einzige Ausgabe der „Exceptiones Petri“ und im Jahre 1511 (wahrscheinlich) ebenfalls die einzige Ausgabe – opus raritate carum – des „Speculator abbreuiatus“ des Joannes de Stynna veranstaltet.

[332] In Hagenau sind die Drucker gleichfalls mit der Ausgabe von Werken dieser populären Litteratur beschäftigt. Heinrich Gran brachte 1497 und 1500 das „Opus septipartitum de contractibus pro foro conscientiae“ zweimal und 1505 und 1506 das „Liber plurimorum tractatuum juris“ ebenfalls zweimal. Das „Formularium aduocatorum et procuratorum“ ist gleichfalls 1505 bei ihm gedruckt. Vom „Modus legendi abbreuiaturas“ erschienen 1505 eine Ausgabe, von der „Summa Angelica“ 1505 und 1509 zwei Ausgaben, von der „Summa Antonina“ 1508 eine Ausgabe, von dem „Vocabularium juris utriusque“ 1508 und 1513 zwei Ausgaben daselbst.

Friedrich Riedrer, Stadtbuchdrucker in Freiburg i. Br., hat daselbst den von ihm verfaßten „Spiegel der wahren Rhetorik“ im Jahre 1493 zuerst selbst gedruckt. Die spätern Ausgaben dieses Werks erschienen aber, wie bereits bemerkt, in Straßburg.

In Augsburg haben sich die zahlreichen Druckereien ebenfalls mit der Herausgabe der hier in Frage stehenden Werke beschäftigt. Der „Processus Luciferi contra Jesum“ des Jacobus de Theramo in seinem ursprünglichen lateinischen Text und in seiner deutschen Übersetzung ist das älteste Werk der populären Jurisprudenz, welches in fast allen augsburger Druckereien in zahlreichen Auflagen gedruckt wurde. Im Jahre 1472 veranstaltet Johann Schüßler die älteste bekannte lateinische, in demselben Jahre Günther Zainer die älteste dortige deutsche Ausgabe, diese mit Holzschnitten, und zwar zweimal. Es folgt 1473 eine deutsche Ausgabe, gleichfalls mit Holzschnitten, bei Bämler; ferner erschienen deutsche Ausgaben, meist mit Holzschnitten, in den Jahren 1478, 1482, 1484, 1487, 1488, 1490, 1493, 1497 und 1500 bei Schönsperger, 1479 und 1481 bei Anton Sorg, und lateinische Ausgaben (ohne Bezeichnung des Druckers) in den Jahren 1477, 1479 und 1482. Die drei letztgedachten Drucker haben fernerhin die „Summa Johannis“ des Bruder Berthold herausgegeben, Bämler in den Jahren 1472 und 1478, Anton Sorg 1480 und 1482, Schönsperger 1489 und 1495. Von den deutschen Bearbeitungen der „Summa Johannis Andreae de processu judicis“ erschienen eine Ausgabe 1473 nachweisbar, zwei weitere ohne Jahreszahl wahrscheinlich gleichfalls bei Bämler, 1498 eine bei Schobßer, während bei einer im Jahre 1483 erschienenen der Drucker nicht angegeben ist. Bämler druckte 1474 eine der deutschen Bearbeitungen der [333] „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis“, während einer der ältesten deutschen Drucke der lateinischen Ausgabe dieses Werks wahrscheinlich bei Günther Zainer vor 1477, ein späterer Druck der lateinischen Ausgabe bei Froschauer 1486 erschienen ist. Eine Ausgabe der „Summa Pisana“ aus dem Jahre 1475 entstammt gleichfalls wahrscheinlich der Offizin von Zainer. Die „Augsburger Formulari“ sind 1482, 1483, 1484 und 1491 bei Anton Sorg gedruckt und bei Schönsperger 1497 und 1500 zwei Ausgaben des „Klagspiegels“ unter dem Titel: „Klagantwurt und außgesprochen urteyl“, bei Froschauer aber 1516 die einzige nachweisbare Ausgabe des „Cantzeleibuchlein“. Von den übrigen Druckern sind an der Herausgabe dieser juristischen Werke beteiligt Erhard Öglin, welcher die „Formulari und tutsch rhetorika“ 1507 brachte, und Hans Otmar, welcher die einzigen rechtmäßigen, von Johann Rynmann verlegten Ausgaben des Tenglerschen „Layenspiegels“ in den Jahren 1509, 1511 und 1512 gedruckt hat. Die Ausgabe aus dem Jahre 1511 enthält eins der ersten Nachdrucksprivilegien. Otmar druckte noch im Jahre 1508 das Buch „Von den Unholden oder Hexen“, und 1491 erschien in Augsburg eine Ausgabe des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“, deren Drucker nicht angegeben wird.

Außerordentlich stark sind auch die Druckereien Nürnbergs an der Herausgabe von Werken aus diesem Gebiete beteiligt. Die ältesten Ausgaben des „Vocabularium utriusque juris“ sind dort (1475, und die eine ohne Jahreszahl vermutlich bei Koberger) gedruckt; weitere folgten dann 1478, 1481 und 1496. Ebenso erschienen dort 1475, 1478 und 1488 Drucke des „Supplementum“ der „Summa Pisana“, 1476 eine Ausgabe des „Repertorium juris Petri de Monte“, 1476, 1482 und 1492 Ausgaben des „Modus legendi abbreuiaturas“, 1477 eine Ausgabe des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“. Besonders stark sind aber die nürnberger Druckereien bei der Herstellung der „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis“ vertreten gewesen. Bei Creußner wurde eine der ältesten Ausgaben (vor 1477) der ersten Klasse, von der zweiten Klasse drei Ausgaben 1477 und je eine 1478, 1481, 1483 und 1488, von der dritten Klasse (vermutlich) eine Ausgabe 1498 gedruckt, bei Hölzel eine Ausgabe der siebenten Klasse 1505 und in zweiter Auflage 1506; letzterer hat auch 1507 [334] die „Summa Johannis Andreae de sponsalibus et matrimoniis“ gedruckt. Koberger veröffentlichte: 1482 die „Summa Astexana“, 1483 die einzige vorhandene Ausgabe der „Flos decretorum“ des Johannes Diaconus, 1488 die „Summa Baptistiniana“, 1494 den „Liber plurimorum tractatuum juris“, 1498 die „Summa Johannis“. – Das „Repertorium utriusque juris“ des Joannes Bertachini erschien 1483 in Nürnberg, die „Summa Angelica“ 1488, 1492 und 1498, die „Margarita Decreti seu tabula Martiniana“ 1496, die einzige Ausgabe von Ulrich Molitors „Lantfrids auch etlicher cammergerichtlicher Artikel disputirung“ 1501, die „Summa Johannis Andreae de processu judicis“ 1510 und 1512, der „Processus juris defensorium“ in den Jahren 1510 und 1512 bei Weißenburger, und eine Ausgabe des „Klagspiegels“ im Jahre 1536.

Vermutlich in Eichstädt von Michael Reyser ist eine Ausgabe der „Summa Astexana“ (ohne Zeitangabe) gedruckt, während in Bamberg Albrecht Pfister die erste der deutschen Ausgaben des „Processus Luciferi contra Jesum“ (ohne Angabe des Druckjahrs) veröffentlichte, in Ingolstadt im Jahre 1497 die Drucker Georg Wyrffel und Markus Ayrer die einzige nachweisbare Ausgabe der „Utriusque juris rubricae in ordinem alphabeti redactae“ brachten. In demselben Jahre wurden dort auch die „Flores legum secundum ordinem alphabeti“ gedruckt. In Memmingen erschien 1483 das „Confessionale Bartholomaei de Chaimis“ (ohne Jahresangabe) und 1500 der „Modus legendi abbreuiaturas“, bei Albert Kunne daselbst (ohne Jahreszahl) die „Differentiae legum et casuum“, eine Ausgabe der „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis“, und das „Formularium instrumentorum“. Von der vorgedachten „Lectura Johannis Andreae“ hat auch Johann Zainer in Ulm 1483 eine Ausgabe gedruckt. In demselben Jahre erschien daselbst bei Konrad Dinkmut der „Processus Luciferi contra Jesum“ und 1484 die „Summa Johannis“ des Bruder Berthold. In Reutlingen kam (ohne Jahreszahl) eine Ausgabe des Buchs „Von Unholden und Hexen“, im Jahre 1487 die „Summa Rudium“ bei Johann Otmar, und zwar merkwürdigerweise in einem und demselben Jahr dreimal heraus, während 1482 daselbst das „Supplementum Summae Pisanae“ erschien. Eine deutsche Bearbeitung der „Summa Johannis Andreae de processu judicis“ ohne Ort und Jahreszeit ist [335] vermutlich bei Konrad Fyner in Eßlingen gedruckt, auch 1505 in Pforzheim, und 1490 in Heidelberg bei Knoblochzer erschienen. In Speyer veröffentlichte Peter Drach 1477 und 1478 Ausgaben des „Vocabularium juris utriusque“, ohne Jahreszahl das „Formularium instrumentorum“, drei Ausgaben ohne Jahresangabe (eine davon vermutlich 1475) und eine vierte Ausgabe im Jahre 1486 von dem „Liber plurimorum tractatuum juris“, und – wie Stintzing annimmt – eine Ausgabe der „Summa Pisana“. In Speyer erschienen auch 1488 die „Summa Baptistiniana“ und die „Summa Angelica“. In Oppenheim wurde 1503 eine Duodezausgabe der „Summa Johannis Andreae de processu judicis“, eine Ausgabe des „Processus juris defensorium“ in demselben Format, und 1515 eine Ausgabe der „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis“ gedruckt. In Mainz ist 1478 das „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“ herausgekommen.

Wie Köln von Anfang an einer der ältesten und bedeutendsten Sitze der Druckerei und des Verlagshandels war, so beschäftigten sich auch seine Pressen im weitesten Umfange mit der Herausgabe der Werke der populären Jurisprudenz. Peter von Olpe veranstaltete daselbst im Jahre 1476 die älteste der noch vorhandenen Ausgaben der „Casus summarii Decretalium“, von welchen eine weitere Ausgabe 1485 ebenfalls in Köln erschien. Der Druckerei Peter von Olpe’s entstammt außerdem die einzige bekannte Ausgabe der „Flores juris utriusque“ von 1477 und im Jahre 1479 wurden gar zwei Ausgaben der „Summa Astexana“ in Köln gedruckt. Eine andere hochangesehene Druckerei daselbst, die Johann Kölhoffsche, druckte 1482 die einzige vorhandene Ausgabe des „Summarium Institutionum“, 1491, 1494 und 1500 die noch erhaltenen drei Ausgaben der „Expositiones titulorum utriusque juris“ des Sinnama und 1497 eine Ausgabe der „Casus longi super Institutis“. In den Jahren 1483 und 1484 erschienen die Werke Gersons, welche die ältesten zu diesem Zweige der Litteratur gehörigen Traktate enthalten; von dem „Modus legendi“ sind ohne Zeitangabe, sowie 1487 und 1493 drei Ausgaben in Köln gedruckt. In der Heinrich Quentelschen Druckerei erschienen 1495 und 1500 das „Formulare instrumentorum“, 1495 auch das „Repertorium aureum mirabili artificio contextum“, 1505 und 1506 zwei Ausgaben der „Lectura Johannis Andreae super arboribus“ (von welcher auch eine weitere Ausgabe [336] derselben Klasse 1499 in Köln gedruckt wurde) und ohne Zeitangabe die einzige bekannte Ausgabe der „Rubricae siue tituli juris canonici et civilis secundum ordinem librorum redacti“. Von den zahlreichen Ausgaben der „Summula Raymundi“ sind sechs in den Jahren 1495, 1498, 1500, 1502, 1506 und 1507 in Köln gedruckt. Im Jahre 1497 kam daselbst heraus der „Libellus docens modum studendi“ (einzige Ausgabe), 1504 die „Ars notariatus“, 1507 die „Flores legum secundum ordinem alphabeti“, 1508 das „Alphabetum aureum Petri Ravennatis“, 1576 eine der spätesten Ausgaben des „Viatorium utriusque juris“ des Johannes Berberii. Ohne Zeitangabe wurden gedruckt: bei Cornelius de Zürichsee eine Ausgabe des Werks „De lamiis et phitonicis mulieribus“, ferner (ohne Bezeichnung des Druckers) der „Methodus utriusque juris“, die „Casus breves super totum corpus legum“, eine Quart- und wahrscheinlich auch eine Oktavausgabe der „Summa Johannis Andreae de processu judicis“, eine Ausgabe des „Tractatus judiciorum domini Bartoli“ und der „Liber plurimorum tractatuum juris“.

Auch in andern Städten Norddeutschlands erschienen vereinzelte Werke aus diesem lohnenden Zweige der Litteratur. So in Erfurt 1499 die von Bernardus Brunsvicensis veranstaltete Ausgabe der „Tituli de uerborum significatione et de regulis juris“ und 1500 bei Wolfgang Schenk ein Titularbüchlein. In Magdeburg wurde 1491 und 1498 die „Summa Johannis“ von Bruder Berthold gedruckt, von welcher auch schon 1487 eine Ausgabe in Lübeck veröffentlicht worden war; 1492 folgt eine deutsche Bearbeitung des Satansprocesses.

In Leipzig erschienen 1489 und 1512 Ausgaben des „Processus judiciarius“. Besonders oft wurde daselbst aber die „Lectura Johannis Andreae“, und zwar die von Stintzing als fünfte Klasse bezeichnete Bearbeitung derselben, gedruckt. Von den acht Ausgaben dieser Klasse erschienen sieben in Leipzig, und zwar je zwei in den Jahren 1492 und 1498, eine 1500 bei Melchior Lotter, und je eine 1502 und 1508 bei Wolfgang Stöckel. Die achte Ausgabe ist vermutlich 1498 gedruckt; der Druckort ist nicht genannt. Diese vielen leipziger Ausgaben verdanken ihre Herstellung der Sitte, an der dortigen Universität in den Ferien Repetitionen vorzunehmen, welchen dann derartige Werke als Unterlage dienten. Weiter erschien im Jahre 1494 in Leipzig des [337] „Johannis Andreae summa de sponsalibus et matrimoniis“, während die Druckerei des Arnold (Neumarkt) von Köln 1495 das Werk „De lamiis et phitonicis mulieribus“ herausgab. Dann wurde 1497 der „Modus legendi“ gedruckt, 1499 bei Markus Brandis die einzige bekannte Ausgabe der „Declaratio titulorum legalium“ und bei Martin Landsberg (ohne Zeitangabe) die von Georg Alt unter dem Titel „Ein nützlicher Gerichtshandel vor got dem almechtigen u. s. w. “ bearbeitete Übersetzung des „Processus Satanae“.

In Wien druckte Johann Winterburger 1500 und 1505, Hier. Vietor 1513 die „Lectura Johannis Andreae super arboribus consanguinitatis“ (zweiter Klasse bei Stintzing) und in Brünn erschien 1488 das Werk des Professor J. J. Canis: „De modo in jure studendi“, und die „Expositio omnium titulorum juris ciuilis et canonici“.

Unter den italienischen Städten nimmt die erste Stelle Venedig ein. Von dem „Supplementum Summae Pisanae“ erschienen daselbst in der Zeit von 1471 (das Jahr dieser ältesten Ausgabe steht nicht sicher fest) bis 1499 nicht weniger als 14 Ausgaben, und zwar in den Jahren 1471, 1473, 1474, 1476, 1477, 1479, 1481, 1482, 1483, 1484, 1485, 1489, 1494 und 1499. Von dem „Tractatus judiciorum“ des Bartolus ist die Ausgabe von 1472 vermutlich, außerdem eine Ausgabe von 1487 in Venedig gedruckt, von der „Summa Angelica“ aber erschienen daselbst von 1476 bis 1511 wiederum 12 Ausgaben, nämlich 1476, 1487 (zwei Ausgaben), 1489, 1490, 1491, 1492 (zwei Ausgaben), 1495, 1499, 1504 und 1511, und von der „Summa Astexana“ je eine Ausgabe 1478 und 1480. Gerardus de Flandria druckte 1478 den „Processus Satanae“, 1481 erschien die „Summa Pisana“ und der „Vocabularius juris utriusque“ in fünf Ausgaben 1483, 1485, 1487, 1491 und 1517, die „Margarita Decreti seu tabula Martiniana“ im Jahre 1486, in demselben Jahre auch das „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“. Von dem „Repertorium juris utriusque“ des Johannes Bertachinus sind vier Ausgaben aus den Jahren 1488, 1494, 1518 und 1519 bekannt, von dem „Processus judiciarius Panormitani“ drei, von 1488, 1492 und 1499, von der „Summa Baptistiniana siue Rosella“ eine Ausgabe 1499, während auch eine im Jahre 1495 bei Arrivabene ohne Ortsangabe gedruckte vermutlich schon Venedig zukommt. Andrea Torresano druckte 1499 den „Liber sextus“; in demselben Jahre [338] erschien auch das „Repertorium Milis alias Absenti“, und ohne Zeitangabe eine Oktavausgabe der „Flores legum secundum ordinem alphabeti“.

Padua lieferte 1480 das „Repertorium juris utriusque“ Petri de Monte’s, 1483 und 1485 Ausgaben des Werks von J. J. Canis, „De modo in jure studendi“, Vicenza 1482 den „Vocabularius juris utriusque“, 1506 den „Processus Luciferi contra Jesum“.

Eine stärkere Thätigkeit der Buchdruckereien zeigt sich in Mailand. Es kamen daselbst heraus: 1474 und 1478 das „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“, 1479 und 1494 das „Supplementum Summae Pisanae“, 1479 noch der „Tractatus judiciorum“ des Bartolus, 1485, 1486, 1499 und 1500 das „Repertorium juris utriusque“ des Johannes Bertachini, 1493 ein „Dictionarium“ und die „Margarita Decreti seu tabula Martiniana“.

In Pavia erschien 1477 der „Tractatus judiciorum Bartoli“, 1489 bei Joh. Ant. de Birretis und Franciscus de Gyrardeghis die „Summa Baptistiniana siue Rosella“, 1489 und 1500 das „Dictionarium“ und 1511 die „Tractatus plurimorum doctorum“. Das „Decretum abreuiatum“ des Johann de Deo, von welchem eine Ausgabe ohne Orts- und Zeitangabe bekannt ist, wurde, wie Stintzing annimmt, 1474 in Turin in der Offizin von Johann Faber aus Langres gedruckt.

In Vercelli erschien 1485 das „Supplementum Summae Pisanae“, in Bologna 1481 das „Dictionarium“, 1493 des Caccialupi Buch „De modo studendi“, 1499 des Petrus Jacobus „Tractatus de arbitris“ und ein „Formularium diversorum generum“. Von letzterm Werke sind auch, zum Teil mit etwas abweichendem Titel, drei Ausgaben, eine ohne Zeitangabe, je eine 1483 und 1488 in Florenz gedruckt, woselbst außerdem 1482 das „Supplementum Summae Pisanae“ herausgekommen ist.

Die am Ende des 15. Jahrhunderts in Rom bestehenden deutschen Druckereien waren ebenfalls für den hier behandelten Zweig der Litteratur thätig. Eine der angesehensten derselben ist die des Eucharius Silber al. Franck, in welcher das „Formulare instrumentorum“ 1481, 1482 und 1494 und das „Formularium procuratorum et aduocatorum curiae Romanae“ 1481, 1482, 1489 und 1491 gedruckt wurde. Beide vorgedachte Werke druckte auch, und zwar ersteres ohne Zeitangabe [339] und 1482, 1484, 1487, 1490 und 1495, letzteres 1484 und 1491 Stephan Planck, welcher außerdem noch 1486 den „Processus Satanae“ veröffentlichte. Dieser war bereits 1475 bei Barth. Goldinbeck de Sultz erschienen, das „Formularium procuratorum“ im Jahre 1478 auch bei Johann Bremer al. Bulle. Die Firma Hanheymer von Oppenheim und Schurener von Boppard lieferte 1474 das obengedachte „Formulare instrumentorum“. Außerdem erschienen in Rom folgende Werke: 1475 das „Repertorium Milis“, 1481 (vermutlich) das „Repertorium juris utriusque Johannis Bertachini“, ohne Zeitangabe (vermutlich) des Johann Andreae „Summa de sponsalibus et matrimoniis“ und der „Tractatus de arte notariatus“, und 1495 ein „Formularium uniuersale et modernum diuersorum contractuum“.

Auch in den Niederlanden und in Frankreich wiederholt sich die Erscheinung, daß die populäre Jurisprudenz einen hauptsächlichen Stapelartikel der Druckereien bildet. In Löwen begegnet man mehrern der hierher gehörigen Werke. Der „Processus judiciarius“ wurde daselbst dreimal, einmal ohne Zeitangabe, dann 1475 und 1481 gedruckt, das „Repertorium Milis“ 1475, die „Casus summarii Decretalium“ 1480, in demselben Jahre bei Johann de Westfalia eine Ausgabe der „Lectura Johannis Andreae super arboribus“ und die „Summa Raymundi“, ohne Zeitangabe und 1488 der „Modus legendi abbreuiaturas“. Die 1488 gedruckte Ausgabe des „Utriusque juris methodus“ entstammt wahrscheinlich auch einer Offizin in Löwen, und als Drucker einer der undatierten drei Ausgaben der „Casus breues super totum corpus legum“ wird ebenfalls Johann de Westfalia vermutet. Vereinzelt begegnet man einer Ausgabe des „Processus Luciferi contra Jesum“ aus Gouda vom Jahre 1481, einer der „Summula Raymundi“ aus Delft vom Jahre 1497, und zweien der „Summa Angelica“ 1490 und 1496 in Aelst (Alost).

Auch in Frankreich, in Paris und Lyon, beschäftigten sich die dortigen deutschen Drucker mit der Herausgabe der in Deutschland absatzfähigen Werke. In Paris erschienen 1489 die „Summa Johannis Andreae de sponsalibus“, 1496, 1513 und 1517 die „Flores legum secundum ordinem alphabeti“, 1499 die „Summa Baptistiniana“, 1500 die „Summa“ und 1511 und 1516 die „Summula Raymundi“, ohne Zeitangabe, 1500 und 1513 die „Margarita Decreti seu tabula [340] Martiniana“, 1500 bei Thomas de Campanis und 1516 bei Jean Petit und Romanus Morin das „Viatorium seu directorium iuris ex uisceribus excerptum“, 1501, 1507 und 1514 der „Vocabularius juris utriusque“, 1509 die „Tractatus plurimorum doctorum“, 1514 und 1518 die „Expositiones omnium titulorum legalium“, 1515 bei Joh. und Aeg. Gourmont das baseler Sammelwerk: „In utrisque juris libros introductorium“, ohne Zeitangabe, wahrscheinlich bei Jean Petit, die einzige Ausgabe der „Rubricae totius juris ciuilis et canonici“, und ferner eine Ausgabe der „Summa Pisana“.

In Lyon druckten 1493 Johann Battenschnee und Mathias Hus das „Breviarium Decretorum et Decretalium“, welches nur in dieser Ausgabe erhalten ist. Im Jahre 1510 erschien daselbst das „Repertorium Milis“, in demselben Jahre, sowie 1515 der „Tractatus judiciorum Bartoli“, 1511 und 1517 das „Alphabetum aureum Petri Ravennatis“, 1518 bei Jakob Sacon (im Verlage Johann Kobergers) die „Summa Johannis“, 1519 die „Tractatus plurimorum doctorum“ und die „Summa Astexana“, 1521 das „Repertorium juris utriusque Joannis Bertachini“, 1523 eine Ausgabe des „Vocabularius juris utriusque“, 1595 das „Viatorium utriusque juris“ und ohne Jahreszahl bei Petrus Baleti die „Summa Monaldina“. Vereinzelte Erscheinungen sind wiederum die Ausgabe des „Alphabetum aureum Petri Ravennatis“ vom Jahre 1508 in Rouen und die einzige bekannte von des Dinus „Tractatus de praescriptionibus“ in Caen (ohne Zeitangabe).

Es erübrigt noch eine summarische Aufzählung derjenigen Ausgaben der im Vorstehenden besprochenen Werke, welche ohne Druckort, und zum größern Teil ohne Zeitangabe erschienen sind. Unter Annahme der bei Stintzing aufgestellten Reihenfolge sind derartige Ausgaben von folgenden Werken vorhanden: zwei Ausgaben der „Rubricae totius juris ciuilis et canonici“, deren eine sehr alt ist, möglicherweise schon aus dem Jahre 1460 stammt; zwei Ausgaben des „Modus legendi“ (deren eine aus dem Jahre 1512); zwei Ausgaben von 1476 und 1484 des „Canis de modo in jure studendi“; zwei Ausgaben des „Caccialupi de modo studendi“, davon eine vermutlich schon von 1467; die einzige bekannte Ausgabe des „Commentarius Institutionum“; zwei Ausgaben der „Casus longi super Institutis“; drei der „Casus breves“; die einzige, im Jahre 1472 gedruckte Ausgabe der „Differentiae inter jus canonicum [341] et ciuile“; neun Ausgaben der „Margarita Decreti“, darunter zwei von 1481 und 1492; zwei Ausgaben des „Vocabularius juris utriusque“, davon eine von 1483; zwei Ausgaben des „Dictionarium“, darunter eine von 1506; eine Ausgabe des „Repertorium Petri de Monte“ von 1480; eine des „Repertorium Milis“ von 1475; eine des „Repertorium Joannis Bertachini“; acht Ausgaben der „Lectura Johannis Andreae super arboribus“, darunter eine von 1482; sechs Ausgaben der „Summa de sponsalibus“ desselben Verfassers, darunter eine von 1492; drei Ausgaben der deutschen Bearbeitung des „Processus juris defensorium“; eine Ausgabe des „Viatorium“; eine des „Processus juris“ des Panormitanus; eine des „Formularium procuratorum“; die einzige Ausgabe des „Stilus et practica curiarum spiritualium“; drei Ausgaben des „Processus Satanae“, darunter eine von 1473; sieben Ausgaben des „Processus Luciferi contra Jesum“, darunter eine von 1482 und eine von 1484; die einzige Ausgabe des „Tractatus praesumtionum“ von 1472; drei Ausgaben der „Ars notariatus“; zwei des „Tractatus notariatus“; zwei des „Formularium universale“; zwei des „Formularium instrumentorum“; eine Ausgabe der „Augsburger Formulari“; drei Ausgaben der „Straßburger Formulare“ von 1486, 1488 und 1492; eine Ausgabe des „Titulaturbüchleins“; zwei Ausgaben des „Klagspiegels“; eine Ausgabe der „Decreta concilii Basiliensis“; drei Ausgaben der Werke über die Hexen, davon zwei von 1489 und 1493; eine Ausgabe der „Summula Raymundi“; eine der „Summa Joannis“ von 1476; eine der „Summa Astexana“, eine der „Summa Pisana“; von 1473; zwei Ausgaben, deren eine von 1474, des „Supplementum Summae Pisanae“; acht Ausgaben des „Confessionale Bartolomaei de Chaimis“, zwei derselben von 1480 und 1482; eine Ausgabe der „Summa Angelica“ vom Jahre 1492.

Für keinen Zweig der Litteratur drängt sich eine solche Fülle von belehrenden Thatsachen auf einen doch nur kurzen Zeitraum zusammen, als auf dem dieser Spezialität der ersten juristischen Verlagsthätigkeit. So dürr und abschreckend nun auch die hier mitgeteilten Zahlen und Titel manchem Leser erscheinen mögen, so konnten sie ihm doch nicht wohl erspart bleiben, weil nur die Kenntnis auch der unscheinbarsten Einzelheiten eine neue geschichtliche Erscheinung in ihrer ganzen Tragweite erkennen läßt.

[342] Dagegen wirkt die Hervorhebung des persönlichen Moments und die liebevolle Vertiefung in das frisch pulsierende Leben des einzelnen Menschen allgemein desto erfrischender und anregender, wenn sich in ihm die fortschreitende Entwickelung unverfälscht widerspiegelt. Ein solcher Mann ist der bereits im zweiten Kapitel in seinem Gesamtwirken geschilderte Anton Koberger, der erste deutsche, ja europäische Buchhändler im großen Stil, ein schöpferischer Geist, ein unternehmender Kaufmann von reicher Erfahrung und weitem Gesichtskreis. Die dort gegebene Charakteristik möge hier ergänzt werden durch den Inhalt des Briefwechsels, welchen er jahrelang mit Johann Amerbach und Johann Petri über den Druck der Hugo’schen Bibel samt Postille führte; derselbe wirft ein hochinteressantes Licht auf den damaligen Handel und Wandel, wie es in gleicher Unmittelbarkeit auf buchhändlerischem Gebiet kaum irgend anderswo geboten wird.[81]

Die Verhandlungen zwischen den Geschäftsfreunden begannen schon im Jahre 1493. Johann Petri, der baseler Drucker, welcher vielfach in Gemeinschaft mit Amerbach arbeitete, befand sich damals in Nürnberg und schrieb diesem am 24. Oktober 1493, daß Koberger, wie mit Amerbach „des Hugo’s halben“ auch mit ihm gesprochen und daß er, Petri, ihm seine Bedenken über die Schwierigkeit eines so großen und umfangreichen Unternehmens nicht verhehlt habe, weshalb man sich wohl vorsehen müsse. Es scheint, daß Petri Arbeit haben wollte und deshalb den Kosten vorschießenden Verleger in Nürnberg besuchte. Die Verhandlungen führten aber damals zu keinem Ergebnis; Koberger schwankte noch. Er wollte Petri nicht abreisen lassen, zugleich aber auch mit Amerbach die Sache besprechen und bat diesen, nach Nürnberg zu kommen. Aus diesem Grunde, meinte Petri, solle sich Amerbach ein Pferd kaufen und gen Nürnberg reiten, damit sie dort gemeinschaftlich mit Koberger das Weitere über den Druck des Hugo verabreden könnten. Ob diese Zusammenkunft wirklich stattgefunden hat, ist aus der Korrespondenz nicht ersichtlich, da der zweite in der Sammlung erhaltene Brief erst am 27. April 1495 geschrieben wurde. Jedenfalls war der Vertrag schon vor dem letztern Datum abgeschlossen, denn an diesem Tage schreibt Koberger an Amerbach, daß er ihm 18 Handschriften zur kritischen Durchsicht des Textes übersandt habe.

Amerbach nahm erst in Jahre 1498 den Druck in Angriff. Er [343] vergeudete die Zwischenzeit übrigens nicht mit unnützem Warten, sondern benutzte sie zu den nötigen Vorbereitungen, namentlich zur kritischen Textesrevision, während Koberger die verschiedenen Handschriften beschaffte und das für die Herstellung erforderliche Papier in Basel und Straßburg besorgte. Die Vollendung des siebenbändigen Werks nahm nicht ganz fünf Jahre, 1498 bis 1502, in Anspruch, sodaß auf jedes Jahr etwa 1 ½ Bände fielen. Der erste derselben wurde fertig im Herbst 1498, der zweite und dritte in derselben Jahreszeit 1499 und 1500, der vierte im Frühling 1501 und der siebente um Martini 1502. Die sieben Folianten enthalten durchschnittlich je 1200 zweispaltige Seiten von 70 Zeilen und sind auf starkem, schönem Papier gedruckt, welches noch heute wie neu aussieht. Gedruckt wurden 1600 Exemplare, welche Koberger übrigens aus Furcht vor Nachdruck und der größern Sicherheit wegen erst nach Vollendung des Ganzen ausgab, wie er denn auch während des Drucks jeden Band ängstlich gehütet hatte. Jene Furcht war nur zu sehr begründet. Originalwerke gab es damals nur wenige. Wenn nun die Herstellung der damals vorwiegend gedruckten Bibelausgaben, scholastischen Kommentare, Kirchenväter, Klassiker und Schuldbücher nicht als Nachdruck bezeichnet werden konnte, solange nur die Wiedergabe einer wörtlich abgedruckten Originalhandschrift in Frage kam, so stellte sich das Verhältnis doch anders, wenn die Verleger, vielfach in derselben Stadt, wie z. B. in Basel, die von ihren Kollegen kritisch gesichteten und bearbeiteten Ausgaben nachdruckten. Um nun diesem Unfug vorzubeugen, trafen schon damals – wie noch heutigentags in Ländern, welche unter Umständen das Verlags- oder Autorenrecht nicht schützen – die größern Buchhändler in ihrem eigensten Interesse Verabredungen untereinander, wonach der eine kein Werk drucken sollte, welches der andere bereits zu drucken angefangen hatte. So traf unter anderm auch Koberger durch Vermittelung Amerbachs schon auf der frankfurter Herbstmesse des Jahres 1495 mit Nikolaus Keßler in Basel ein Übereinkommen dahin, daß keiner von ihnen etwas drucken solle, was der andere bereits in Angriff genommen oder fertig gestellt habe. Er ließ ihm deshalb am 17. Mai 1496 durch Amerbach sagen, daß er vor einem Monat den „Meffreth“ („Sermones Meffreth alias ortulus reginae“), welchen Keßler schon 1487 und 1488 verlegt hatte, zu drucken angefangen habe, daß er aber sofort einhalten werde, falls Keßler ihn lieber selbst drucken wolle. Keßler trat [344] jedoch Koberger nicht entgegen, wenigstens ist nach 1488 keine weitere Keßler’sche Ausgabe bekannt.

Ungünstiger gestaltete sich natürlich das Verhältnis den Druckern gegenüber, welche keine derartige „Richtung“ (Vereinbarung) eingingen. Kobergers Ausgabe des Hugo war überhaupt die erste, zugleich eine sorgfältig von Amerbach kritisch bearbeitete. Hier hätte es sich also eventuell nicht um den kritiklosen Abdruck eines vielleicht schlechten Originals, wie ihn jeder beliebige Drucker herstellen konnte, gehandelt, sondern um den Raub geistiger Arbeit und des Ergebnisses von Forschungen, deren Quellen mit großen Kosten und Mühen aus den verschiedensten Klöstern und Städten zusammengebracht waren. Koberger hatte sich in seinen Befürchtungen nicht getäuscht; indessen sollten ihm diesmal Schaden und Verlust von einer Seite kommen, gegen welche er sich nicht vorgesehen hatte: von seinen eigenen Druckern nämlich, wie dies die Folge ergeben wird.

Überhaupt kann man sich von den Schwierigkeiten, mit welchen er von Anfang an fortwährend zu kämpfen hatte, heutzutage schwerlich einen nur annähernd richtigen Begriff machen. Es seien hier wenigstens die bedeutendsten kurz hervorgehoben. Da verhinderten zunächst die schlechten und unsichern Wege den regelmäßigen Verkehr zwischen Nürnberg und Basel, die Zahlungen gingen wegen der verschiedenen kleinen Kriege und Fehden nur unregelmäßig und meistens in schlechten Geldsorten ein, ja stockten zu Zeiten vollständig und machten es Koberger oft beim besten Willen unmöglich, seinen Verbindlichkeiten gegen Amerbach pünktlich nachzukommen. Das Papier entsprach vielfach nicht den gesandten Proben, oder wurde in ungenügenden Quantitäten geliefert, sodaß manchmal monatelange Stockungen im Druck eintraten. Amerbach und Petri sorgten nur ungenügend für gute Verpackung; schlechte Fässer, die sie verwandten, veranlaßten bei ungünstigem Wetter die Durchnässung ganzer Sendungen, ja, ließen diese zu Makulatur werden.

In erster Linie aber handelte es sich bei der Herstellung einer möglichst korrekten Ausgabe um die Beschaffung guter Handschriften (Exemplaria), welche meistens mit größter Mühe aus Städten, wie Köln und Lübeck, oder aus Klöstern, wie Heilsbronn (bei Ansbach), Maulbronn u. a., entliehen werden mußten. So zeigt Koberger am 27. April 1495 Amerbach an, daß er ihm durch Ruprecht aus Basel in einem „Fäßlein“ [345] 18 Volumina sende, mit welchen er sich einstweilen behelfen möge. In der nächsten Zeit hoffe er mehr zusammenzubringen; indessen möge auch Amerbach in seiner Gegend sich nach „Exemplarien“ umthun. Er, Koberger, habe den ganzen Hugo schon beisammen gehabt, ihn aber wieder an das Kloster zurückgeben müssen, da man ihn dort nicht entbehren könne und namentlich nicht erlauben wolle, daß man durch Hineinkorrigieren der Handschrift schade und nach derselben setze. Am 14. Dezember 1495 versichert Koberger ferner, daß er seit der letzten frankfurter Messe fortwährend nach „Exemplarien“ gesucht, die er früher schon in Händen gehabt habe. Es sei ihm die Zusage gemacht, daß er sie bald erhalten werde; er wolle sie dann sofort abschreiben lassen und an Amerbach senden, damit es mit der Textrecension um so rascher vorwärts gehe. Endlich, am 17. Mai 1496, ist Koberger in der Lage, die weitern Quinternen zu schicken, sodaß er jetzt den ersten Teil des Hugo in Abschrift zusammen habe. Auch sende er das Original, von welchem abgeschrieben worden sei, und bitte Amerbach nun, mit der Korrektur anzufangen. An den andern Teilen würde täglich abgeschrieben; er habe drei gute Schreiber, welche jede Woche sechs Quaternen abschrieben. Es werde flott gehen, nur befürchte er, daß Amerbach nicht so viel korrigieren könne, als sie täglich abschrieben.

Wie bei diesem ersten, so wiederholten sich auch bei den folgenden Bänden die Schwierigkeiten für die Beschaffung einer korrekten Unterlage. Hier nur noch einige Beispiele. Als sich der Druck dem Ende näherte, verlangte Amerbach neue „Exemplaria“; Koberger antwortete am 13. August 1501, daß Amerbach nach Meldung der Mönche von Heilsbronn die andern Teile bereits erhalten habe. Auch sei nach Lyon geschrieben; somit hoffe er, daß man ihm die Bände bis zur Augustmesse senden werde. Wenn man sie aber nicht verleihe, so werde er, Koberger, sie auch abschreiben lassen. Am 22. November 1501 zeigte letzterer Amerbach an, daß er ihm „Hugonem super Danielem“ und „Librum Machabeorum“ in vier gebundenen Büchern gesandt habe, sodaß er jetzt im Besitz des ganzen Hugo von Heilsbronn aus sein müsse. Einige Monate später, am 14. Februar 1502, bedauert dann aber Koberger, daß die von ihm in Lübeck geliehenen „Exemplaria“ Amerbach nicht dienlich seien, und teilt ihm mit, daß er, wegen der ihm in Eßlingen als tauglich bezeichneten, sofort seinen Neffen Hans Koberger dahin gesandt habe [346] und deren leihweise Verabfolgung erwarte. In diesem Falle solle der genannte Neffe sie selbst nach Basel bringen. Am 21. März 1502 endlich bemerkt Koberger, daß Amerbach nach des jungen Koberger Mitteilungen noch das Exemplar „Super Apostolum“ fehle. Er habe dasselbe hier in der „Librerey in Nürnberg“ gefunden; es sei schön und richtig geschrieben und es werde für Amerbach hoffentlich brauchbar sein. Er, Koberger, habe auch allenthalben in den großen und „namhaftigen“ Klöstern im Schwabenland nachforschen lassen, aber nichts bekommen; doch solle Amerbach keinen Mangel mehr an Exemplarien haben, damit das Werk endlich zum Abschluß komme.

Kaum geringer als diese Schwierigkeiten der Drucklegung waren die, die Fertigstellung der Arbeit verzögernden Hindernisse. Wegen des Papiers entstanden gleich von Anfang an unliebsame Stockungen, welche selbstredend auf den gesamten Fortgang der Arbeit störend einwirkten. So waren die ersten 25 Ballen, welche Koberger Anfang des Jahres 1497 durch Konrad Meyer aus Straßburg nach Basel senden ließ, dem Muster zuwider im Format zu klein, kurz nicht zur Zufriedenheit beider Geschäftsfreunde ausgefallen. Koberger bat deshalb Amerbach, Meyer die ganze Sendung gegen Erstattung aller Auslagen, einschließlich des Zolls, zurückzugeben. Auch Ende 1498 kam das bei Anton Bruder in Epinal bestellte Papier nicht rechtzeitig in Basel an, da in jenem Orte die Pest wütete und infolge dessen alle Arbeit stockte. Um nun nicht eine zu lange Verzögerung des Drucks eintreten lassen zu müssen, kaufte Amerbach zu Basel auf Kobergers Rechnung Papier und war im Herbst 1499 mit dem Betrage für 143 Ballen im Vorschuß. Von da an schickte Koberger wieder regelmäßig, verwies aber Amerbach, falls seine Sendungen, meist 13 bis 14 Ballen, nicht rechtzeitig ankommen sollten, auf Friedrich Brechter in Straßburg, der stets für seinen Bedarf sorgen werde. Nunmehr kam das Papier zwar regelmäßiger an, fiel aber wiederum nicht immer nach Wunsch aus. So bittet z. B. Brechter, als er eine neue Sendung nach Basel machte, in einem Briefe vom 17. Dezember 1501 Amerbach, er möge doch „eyn mytliden haben des bapiers halber“. Dieser aber beschwerte sich bei Hans Koberger über die schlechte Ware. Anton Koberger entschuldigte sich am 21. März 1502, zugleich aber meldete er Amerbach, daß er dem Brechter gehörig die Meinung gesagt habe und daß dieser fortan sicher nur gutes Papier schicken werde. Der Rüffel [347] scheint jedoch nicht gefruchtet zu haben, denn am 19. August 1502 beauftragte Koberger seinen Geschäftsfreund, in Basel gutes Papier zu kaufen, falls es dort, wie sein Neffe Hans ihm schreibe, zu sechs Gulden für den Ballen zu haben sei. Anfang 1502 lieferte jedoch Brechter wieder 25 Ballen Median an Amerbach, die diesmal als gut befunden wurden.

Ebenso wenig waren Abgang und Ankunft der verladenen Sendungen mit Gewißheit vorher zu bestimmen und noch weniger der Zustand, in welchem sie eintreffen würden. Da Handschriften und Bücher, wie gesagt, in Fässern befördert wurden, so hing der unbeschädigte Eingang der Ladung stets von der Sorgfalt des Fuhrmanns und der Gewissenhaftigkeit des Faßbinders, von der Gunst des Wetters und den politischen Verhältnissen ab. Fast bei jeder Sendung beklagte sich Koberger über die schlechte Beschaffenheit der Fässer. Waren diese nicht fest oder stark genug oder regnete es viel, so gingen die kostbarsten Bücher zu Grunde und die einzelnen Werke mußten um einen viel geringern Preis verkauft werden, wenn auch die durchnäßten Lagen auseinander genommen, getrocknet und dann wieder zusammengetragen und von neuem kollationiert wurden. Die Reise der Fuhrleute von Nürnberg über Straßburg nach Basel und wieder zurück dauerte damals volle fünf Wochen. Dabei fuhren sie immer erst vom jeweiligen Ausgangsplatze ab, sobald sie volle Ladung hatten, weshalb denn Koberger auch stets mahnte, Amerbach möge für volle Ladung sorgen, damit der Fuhrmann nicht aufgehalten werde. „Er hoffe“, schreibt Koberger z. B. am 22. Oktober 1498 an Amerbach, „daß er für den Fuhrmann Hans von Dorlach so viel geladen habe, als er laden könne; er, Koberger, eile und treibe so stark, weil er die Bücher gern bei gutem Wetter nach Nürnberg gebracht zu sehen wünsche.“ Einige Tage später, am 26. Oktober, meldet er die glückliche Ankunft einer Sendung in Nürnberg, erneuert aber seine Bitte, daß Amerbach ja für recht gute, starke Fässer sorgen möge. „Wenn jetzt schlechtes Wetter gewesen wäre, so hätte ich einen großen Schaden gehabt, denn die gesandten Fässer sind zu dünn von Holz, die Dauben gingen auseinander und es drang das Wasser ein.“ Am 1. Februar 1503 schreibt Koberger an Amerbach, daß er noch kein Faß von ihm erhalten habe; er wisse nicht, wo die Fuhrleute steckten, und höre von großem Wasser. Wenn sie noch lange ausblieben, so würde er großen [348] Schaden leiden. Bei Schluß des Briefs erhielt Koberger endlich fünf Fässer, aber fast ganz durchnäßt und „etliche ganz erdrunken“. Er bittet deshalb dringend, daß Amerbach nur gute Fässer nehme, namentlich aber für die „Exemplaria“. Auch am 17. Juni 1501, wie fast bei jeder spätern Sendung, klagte Koberger wieder wegen der zu leichten Fässer. Schließlich forderte er Amerbach auf, in Basel Leder zu kaufen und die Bücher darin zu verpacken, da sie in Ballen sicherer als in solchen schwachen Fässern versandt werden könnten. Amerbach aber entzog sich diesem Ansinnen dadurch, daß er von Koberger verlangte, er möge ihm Leute senden, welche solche Ballen zu packen verständen. So blieb es denn doch bei der gefährlichen Versendung in Fässern.

Gab es aber erst Krieg oder Fehde, so wurde ein verheißungsvoll aussehendes Faß einfach zerschlagen, in den Büchern nach Geld gesucht und dabei der Inhalt so zugerichtet, daß er unbrauchbar wurde. An derartigen Überraschungen fehlte es namentlich zu jener Zeit und auch später nicht. „Die drei Faß mit Augustinus“, schreibt Koberger am 9. Mai 1506 an Amerbach, „die mein Neffe zu Basel hat aufgegeben, sind am heutigen Datum angekommen. Es ist mir kümmerlich damit ergangen. Als der Fuhrmann in die Nähe von Wimpfen gelangte, wurde er gefangen und samt dem Wagen von der Straße weg in einen Wald geschleppt. Da haben sie die Fässer aufgeschlagen und darin nach Geld gesucht. Nachher ist Regenwetter eingefallen und sind die Bücher wohl halb schadbar geworden und erdrunken. Das ist mein Gewinn, der geht also weg. Ich muß Patienz haben.“ Wenn aber Fehden oder ansteckende Krankheiten selbst nur in einem kleinen Gebiet wüteten, so lag der Verkehr so gut wie ganz danieder, und es fand dann gar keine Warenbeförderung statt. Zu all diesen Fährnissen gesellten sich dann noch die steten Schwierigkeiten der geschäftlichen Korrespondenz. Bei wichtigen Besprechungen besuchten zwar Verleger und Drucker einander oder verabredeten eine Zusammenkunft auf der frankfurter Messe; in gewöhnlichen Zeiten aber wechselten sie Briefe und Aufträge durch den Fuhrmann oder sandten sich auch einen besondern Boten, sicherheitshalber sogar doppelte Boten, nach Basel oder Nürnberg, die freilich Wochen zur Besorgung ihres Geschäfts brauchten.

Natürlich bereiteten derartige trostlose öffentliche Zustände Koberger auch große Schwierigkeiten in der rechtzeitigen Einziehung seiner Forderungen [349] und in der Beschaffung der Mittel zur Bezahlung seiner Verbindlichkeiten. Trotz aller Bemühungen, Amerbach pünktlich zu befriedigen, war es ihm mehrmals unmöglich, bares Geld zu beschaffen oder Wechsel auf Basel aufzutreiben. Bis zum Ende des Jahrhunderts ging alles glatt ab; ja, Koberger zahlte Amerbach im Frühjahr 1499 sogar die nicht unbedeutende Summe von 300 Gulden eine Messe früher, als ursprünglich verabredet worden war, und in der Herbstmesse 1499 hatte er sogar 600 Gulden mehr bezahlt, als er damals schuldete. Im Anfang ihrer Verbindung deckte er seine Rechnungen bei Amerbach durch lyoner Wechsel auf Basel, mit deren Ankauf bei der lebhaften und verhältnismäßig sichern Verbindung zwischen beiden Städten geringer Gefahr und deshalb auch ein wohlfeileres Agio verbunden war. Außerdem aber hatte Koberger in Lyon auch ein großes, damals stets bares Geld einbringendes Lager, dessen Verwaltung nach einem Briefe vom 22. Oktober 1498 sein Faktor Siriacus Hochwerck (bei Hanssen von Michelstadt zu Herberg) und später sein Neffe Hans, Sohn des Bäckers Sebald Koberger, des ältern Bruders Antons, besorgte.

Im Frühjahr 1500 schrieb Koberger an Amerbach, daß er wegen der in Frankfurt und in seiner Nachbarschaft drohenden Fährlichkeiten die dortige Messe nicht besuchen und auf ihr auch keine Zahlung leisten, wohl aber zur Ostermesse nach Lyon gehen und ihm von hier aus 1000 Gulden auszahlen werde. Es war damals sicherer, das Geld von Lyon nach Basel, als von Frankfurt nach Basel zu schaffen, namentlich konnte man es zuverlässigen Kaufleuten in Lyon einhändigen, welche es in Basel wieder auszahlten. Den Verlust an Agio mußte freilich Amerbach tragen, denn Koberger schrieb ihm: „Ich kann Euch nicht Gulden in Gold zu Lyon geben, sondern soviel für einen Gulden, als ziemlich und wie der gemeine Laufft in der Zahlung ist. Ich bitte Euch, lieber Meister Hans, wollet zu diesem mal für gutnehmen und Patienz mit mir haben, denn es wird mir wahrlich jetzund schwer. Demnächst kommt die nördlinger und straßburger Messe, so will ich aber thun, so viel mir möglich ist. Es geht wahrlich allenthalben kümmerlich, auf dem Lande Bücher zu verkaufen. Ich habe meine Werkstatt ganz abgestellt und drucke gar nicht.“

Bald darauf reiste Koberger wirklich nach Lyon und zahlte laut Brief vom 19. Mai 1500 bei Konrad David 600 Gulden bar unter der Bedingung [350] für Amerbach ein, daß sie diesem ohne Abzug in Gold bezahlt werden sollten. Er hatte seit der frankfurter Messe Mons (Bergen), Antwerpen und Paris besucht, ohne indessen Gelder aufzutreiben, denn es war, wie er schreibt, ein jämmerlich Ding mit dem Buchhandel; er konnte für seine Bücher kein Geld bekommen und hatte dagegen nur „große Czerung und Kostung“. Wie er am 26. und 29. Mai 1501 schrieb, hoffte Koberger von Lyon nach Basel bald 1200 Gulden schicken zu können; indessen schlug auch diese Berechnung fehl. Er hatte nämlich seinen Neffen Hans mit 300 Exemplaren der „Glossa“ nach Venedig geschickt, um sie dort gegen andere Bücher zu „verstechen“ (vertauschen) und die eingetauschten in Lyon zu verkaufen. Da er aber noch 300 Gulden bar in das Unternehmen gesteckt und Hans Koberger keine Geschäfte in Venedig gemacht hatte, so mußte dieser noch 300 Gulden auf Lyon ziehen, von denen Anton Koberger die Hälfte in der Ostermesse zu decken hatte. Zudem gingen von Lyon nach Venedig und zurück allein 400 Gulden für Fuhrlohn drauf, sodaß Anton Koberger nach deren Bezahlung kein Geld mehr hatte. Der Neffe kam mit den 50 Ballen venezianischer Bücher zu spät nach Lyon, weshalb er nur einen kleinen Teil davon absetze. So fehlte es überall an barem Gelde. Schließlich half sich Koberger damit, daß er am 28. Mai 1501 zu Gunsten Amerbachs einen Wechsel von 900 Gulden auf Straßburg ausstellte und damit seine baseler Drucker wenigstens auf einige Monate befriedigte. Bald kehren jedoch dieselben alten Klagen über Geldmangel in fast jedem Briefe wieder. Trotz seines guten Willens konnte Koberger nicht rechtzeitig genug Deckung nach Basel senden, zumal auch seine Außenstände aus Ofen, Wien, Breslau, Leipzig und andern Städten nicht eingingen. Im Mai 1502 beauftragte er seinen Neffen Hans, alles Geld, welches er aus der lyoner Ostermesse übrig habe, nach Basel zu bringen. Für den Fall, daß dies zur Deckung der Amerbach und Petri schuldigen 900 Gulden nicht genügen sollte, versprach Koberger, selbst nach Lyon zu gehen und auf der dortigen Augustmesse mehr Geld aufzutreiben, eventuell aber auf der nächsten frankfurter Herbstmesse den Rest aus den dortigen Eingängen zu beschaffen. Hans Koberger schrieb aus Lyon am 30. August 1502 an Amerbach, er sei zwar bereit ihm das Geld zu schicken, allein er finde niemand, der es annehmen wolle; er selbst aber habe keine Zeit, nach Basel zu kommen, da er nach Mailand und Venedig müsse, weshalb [351] die Zahlung nicht auf der frankfurter Herbstmesse, sondern erst auf der lyoner Allerheiligenmesse erfolgen könne. Schließlich aber ergab sich, daß in Lyon kein Geld zu beschaffen war, da auch in Frankreich alles Geschäft stockte und „niemand nichtz schaffte“. Endlich wies Koberger Amerbach an, sich einigen nürnberger Kaufleuten, welche die Simons- und Judämesse (24. Oktober) in Basel besuchten, 200 Gulden gegen Quittung zahlen zu lassen. Den Rest seiner Schuld aber vertraute er laut Brief vom 24. Oktober 1502 „einem frommen, ehrbaren nürnberger Kaufmann“ mit 1000 Gulden in gutem Gelde an, die er bei dem Fuhrman Stephan Clein in Straßburg für Rechnung Amerbachs einzahlen sollte.

Die Veranlassung übrigens, welche Koberger bestimmte, seinen Neffen Hans mit 300 Exemplaren der „Glossa ordinaria“ nach Venedig zu senden, war eigentlich von der baseler Gesellschaft selbst hervorgerufen worden. Adolf Rusch in Straßburg hatte nämlich die erste Ausgabe der Bibel mit der „Glossa ordinaria“ und zwar, wie im zweiten Kapitel unter Straßburg schon angeführt, zum größten Teil für Anton Koberger in Nürnberg gedruckt. Schon damals (in den achtziger Jahren) ging Amerbach mit dem Plane um, die „Glossa ordinaria“ nachzudrucken, stand aber auf die Bitten Adolf Ruschs, dem er sehr verpflichtet war, davon ab. Diesen Plan nun nahm die baseler Gesellschaft unmittelbar nach Beginn der Bibel des Hugo wieder auf. Als Amerbach eine Mitteilung hiervon an Koberger gelangen ließ, worin er indessen wohlweislich seinen Partner Johann Petri als Unternehmer vorschob, beklagte sich Koberger bitter über das Unrecht, welches ihm dadurch zugefügt werde. „Es dünkt mir dieses“, sagt er „ein unziemlich und unerbares Vornehmen“. „Ich habe Euch und ihm oft geschrieben, wie ich davon noch eine große Summe unverkauft liegen haben, denn ein so großes Werk läßt sich nicht so schnell vertreiben“. „Ich hab freundlich und erbarlich mit ihm gehandelt und er will mir solchen Schaden zufügen, wie es ein Jude dem andern nicht thun sollt“. Und später, da Amerbach dem Petri das Wort redet, spricht sich Koberger noch entrüsteter über jenen Anschlag aus: Sein Werk (das von Rusch gedruckte) bleibe ihm liegen; denn da er es immer hoch im Preise gehalten habe, so habe er davon nicht so viel verkauft, als wenn er es um ein Spottgeld hingegeben hätte. Einer solchen That habe er sich von Meister Hansen nicht versehen, [352] denn wenn jener schon die Absicht gehabt hätte, das Werk neu zu drucken, so sei es jedenfalls seine Pflicht gewesen, es ihm eine Zeit lang vorher anzuzeigen, damit auch er, Koberger, das Seine hätte zu Geld machen können. „Aber diese Treue“, schreibt er weiter, „hat er mir nicht bewiesen“. „Ich habe es längst von andern gehört, auch meine Diener hatten mir davon geschrieben, aber ich habe es nicht glauben wollen, bis ich Euern Brief erhalten habe. Ich habe auch längst gemerkt, daß er (Petri) mir den Nutzen und Gewinn an dem Werk nicht gegönnt hat, obwohl ihm dies auch zugute kommt; denn hätte ich das Werk nicht so teuer gehalten und wäre es gleich im Anfang in der Leute Hände gekommen, so hätte Meister Hans es nimmermehr mit Nutzen drucken mögen“. Koberger verschmäht es, sich an Petri zu rächen, was er durch Abbruch seiner Geschäftsverbindung mit ihm oder durch Vorenthaltung von Geldern sehr leicht gekonnt hätte. „Das wäre“, sagt Koberger, „ein rechtes Salz zu dem Wildpret, das ich um Gottes willen nicht thun, sondern ihm erbar freundlich gute Zahlung leisten will, als ein frommer Mann, der es Gott anbefiehlt, was er mir für Schaden zugefügt hat.“

Infolge dieses Neudrucks nun entschloß sich Koberger schnell, für die vorrätigen Exemplare seiner Ausgabe Absatz im Auslande zu suchen, ehe er dort eine Konkurrenz zu fürchten hatte. Das war ein weiterer und wohl der Hauptgrund, seinen Neffen Hans mit jenen 300 Exemplaren, wie schon erwähnt, nach Venedig abzuschicken.

Die Handlungsweise der baseler Gesellschaft war gegenüber dem ihr vertrauenden und ihre Pressen gewinnbringend beschäftigenden Geschäftsfreunde geradezu eine schmachvolle; sie wurde aber noch verächtlicher durch den Umstand, daß Amerbach that, als ob er dem ganzen Plane fern stehe. Nun aber druckten Amerbach und Petri gemeinschaftlich und entwarfen selbstredend auch gemeinschaftlich ihre Pläne. Jenem lag die Leitung des Ganzen und besonders des wissenschaftlichen Teils des Geschäfts ob, während dieser der eigentliche Drucker war und den technischen Teil leitete. Diese schnöde Schädigung Kobergers wurde später in ähnlicher, ja in noch heimtückischerer und schlimmerer Weise wiederholt.

Amerbach gilt allgemein als ein vollendeter Ehrenmann, dessen edeln Charakter, Uneigennützigkeit und Frömmigkeit Zeitgenossen und Nachwelt nicht müde werden in allen Tonarten zu preisen. Er selbst nennt sich einen frommen Katholiken, der nur die wahren, keuschen und göttlichen, [353] nicht aber die verlogenen obscönen und weltlichen Bücher liebe und durch den Druck verbreite. Wenn er nun in demselben Briefe vom 28. September 1498 den ihm vertrauenden Koberger als einen edeln und gerechten, vortrefflichen und wahren Mann feiert, so finden, soweit man nach seinem heimtückischen Verrat am Geschäftsfreunde urteilen kann, diese anerkennenden Worte auf ihn selbst keine Anwendung. Im Lichte der quellenmäßigen Thatsachen betrachtet ist vielmehr Amerbachs Charakter durchaus nicht rein. Man kann auch die damaligen Anschauungen über den Nachdruck nicht zu seiner Entschuldigung anführen, denn Amerbach brach seinem Freunde die Treue.

Koberger seinerseits trat diesem schimpflichen Gebaren vornehm, ja vielleicht zu harmlos entgegen. Als Petri ihm schließlich seinen Nachdruck der „Glossa ordinaria“ zum Kauf angeboten hatte, schrieb Koberger an Amerbach: „Es ist mir schwer, mit ihm (Petri) zu handeln, Ihr wißt, wie es mir mit ihm ergangen ist und wie mir sein Nachdruck großen Schaden bereitet hat; trotzdem aber, da der Handel in deutschen Landen fast auf Euch, Ihm und mir ruht und steht, so wäre ich wohl geneigt, weiter mit Euch zu handeln, aber es müßte so zugehen, daß keiner von dem andern Schaden zu besorgen hätte. Dann hoffe ich, die Werke in solchem Wert zu halten, daß wir uns des Handels unser Lebtag mit gutem Nutzen erfreuen und unsere Nachkommen ihre Nahrung vielleicht auch besser davon haben möchten“. So wurde denn bestehende Geschäftsverbindung nicht abgebrochen, obwohl Koberger wahrlich guten Grund dazu gehabt hätte.

Der letzte (siebente) Band des Hugo wurde, wie schon gesagt, gegen Martini 1502 beendigt. Von der Auflage von 1600 Exemplaren gingen in der Folge 300 nach Lyon, wo sie übrigens nur langsam Absatz fanden – in Frankreich „stec (stockt) es allenthalben sere und schafft niemand nichtz“, schreibt Koberger –, 300 nach Spanien und 400 nach Italien, aus welch letzterm Lande jedoch der größte Teil zurückgesandt wurde. Die übrigen Exemplare ließ Koberger nach Nürnberg, Straßburg, Frankfurt und Paris kommen. In Basel blieb von der ganzen Auflage nichts. Am 26. Juli 1503 schickte er acht vollständige Exemplare an Amerbach zurück, da dieser geschrieben hatte, er könne sie verkaufen.

Kobergers Freude an dem endlich vollendeten Werke sollte indessen [354] nicht lange währen. Der Druck war nämlich noch nicht einmal beendet, geschweige denn das Buch ausgegeben, als Amerbach in mehrern Briefen an Koberger schrieb, daß man den Hugo nachzudrucken gedroht habe. Seine erste desfallsige Nachricht stammt aus dem Februar 1502. Von wem und von wo diese Drohungen ausgingen, verschweigt er, trotz Kobergers wiederholter besorgter Anfragen; vor der Hand wollte es Amerbach wohl mit diesem nicht verderben und begnügte sich mit dunkeln Andeutungen. Man braucht aber nicht weit zu suchen, um die Urheber zu finden. Es waren Amerbach und Petri selbst, welche Arbeit für ihre Pressen brauchten und sich einen neuen Auftrag von Koberger erpressen wollten. Abgesehen davon, daß sie nach dem oben geschilderten Komplot wohl die Männer waren, zu denen man sich der That versehen konnte, so deckten sie auch ihre Karten bald ganz offen auf. Zunächst teilten sie schon Kobergers Neffen Hans zu Anfang 1502 mit kluger Berechnung mit, daß sie den Hugo, die „Glossa ordinaria“ und die Werke des heiligen Augustin, wenn Anton Koberger damit einverstanden sei, auf gemeinschaftliche Rechnung herstellen und vertreiben wollten; zugleich aber erklärten sie sich bereit, mit ihm die Einzelheiten des Plans zu vereinbaren. Natürlich war diese Mitteilung nur darauf berechnet, den Verleger zu ködern, welcher, von seinem Neffen benachrichtigt, durch ein derartiges Conto-à-meta-Geschäft eher dem unbefugten Nachdruck des Hugo vorbeugen zu können hoffte und umgehend von den Baselern genaue Mitteilung ihrer Bedingungen verlangte. Die Verhandlungen schwebten während des ganzen Jahres 1502. Amerbach spielte jetzt, nachdem Koberger seine Bereitwilligkeit erklärt hatte, den Zögernden und that, als ob er zu alt und gebrechlich sei, um solch weitaussehende Unternehmungen in Angriff zu nehmen. Je länger er hinhielt, desto hitziger wurde Koberger. Dieser suchte am 24. Oktober 1502 die angeblichen Bedenken Amerbachs mit dem Vorschlage zu beseitigen, daß man ja vorläufig nur mit einer Presse anzufangen und erst dann energisch im Druck fortzufahren brauche, wenn Amerbach sich zu dem Werke wieder geschickt fühlen werde. Jetzt hatten die beiden baseler Druckerherren Koberger da, wo sie ihn haben wollten. Sie meldeten ihm, daß sie zur mündlichen Verabredung über die gemeinschaftlichen Pläne und den Neudruck des Hugo demnächst in Nürnberg eintreffen würden. „Das jr mit sampt meister Hanssen peter (Petri) her uff Nurmberg kommen wollt“, schreibt Koberger an Amerbach am 20. November 1502, „das [355] hab ich gern vernommen und wil ewer beyder also warten und hoffend sein. Doch so es euch woll füglich ist und ewer sach wol zw end gericht hand, do mit das jr mitt guter rwe (Ruhe) mogtt hie sein, So wollen wir ob gott wil mit ein ander frölich sein vnd all vnser rechenschafft mitt gutter muß schlecht vnd eben machen. Und bitt euch beyd, So euch gott herhilfft, Das jr an kein ander end wollet einreitten, den jn mein Hauß vnd wollet bey mir für gut nehmen“. Diese Zusammenkunft fand dann auch im Dezember 1502 oder im Januar 1503 statt, denn schon in einem Briefe vom 9. Februar 1503 spricht Koberger von Amerbachs Abschied von Nürnberg. Sie hat offenbar nur zu einer Vereinbarung über einen Neudruck des Hugo, und zwar auf Kobergers ausschließliche Kosten, geführt; von gemeinsamen Unternehmungen schweigen wenigstens die Briefe für nächste Zeit, nachdem der gelehrte Amerbach und Petri ihrem Geschäftsfreunde (?) Koberger das Messer an die Kehle gesetzt hatten. Es wurde beschlossen für den Satz neue Schrift und für den Druck gutes Papier anfertigen zu lassen.

Dieser unmittelbar nach Ausgabe der ersten Auflage des Hugo begonnene Neudruck erwies sich, wie von vornherein fast zu erwarten, sehr bald als ein äußerst schlechtes Geschäft. Er brauchte zu seiner Vollendung nur zwei Jahre und erschien bereit im Herbst 1504. Die erste Auflage war kaum halb vergriffen, als die ersten Bände der neuen ans Licht traten. Um das Werk verkäuflicher zu machen, ließ Koberger ein ausführliches Inhaltsverzeichnis zur ersten Auflage anfertigen; indessen wurde es wenig verlangt, weil die Käufer gleich die zweite haben wollten. Diese war übrigens viel weniger sorgfältig gedruckt. Koberger fand in seinem Briefe vom 14. Oktober 1505 die Arbeit „caduc und unfleißig, .... so wirt das werck noch vnkewfflicher werden“. Der verzweifelnde Verleger, der gleichzeitig infolge des Daniederliegens des Geschäftsgangs mit schweren Geldbedrängnissen zu kämpfen hatte, tadelte jetzt Amerbach, daß er ihm den Hugo zu sehr angepriesen und ihn dadurch zu diesem Unternehmen bestimmt habe. Überall im Lande herrschte „Sterb, Tewerung und Krieg“, sodaß es auch ganz vergeblich war, wenn Koberger seine Faktoren anwies, den „Hugonem flux hinzugeben“. Erst im Sommer 1504 fing das Werk an allgemeiner bekannt zu werden und größere Verbreitung zu finden. Koberger überzeugte sich jetzt, daß er besser gethan haben würde, wenn er mit dem zweiten Druck noch ein paar Jahre [356] länger gewartet hätte. Seine ständige Bitte aber an Amerbach ging dahin, er möge mit dem Neudruck langsam vorgehen, lieber die Werke Augustinus in der Zwischenzeit vollenden und ihn zu Kräften kommen lassen. Diese Bitte fruchtete aber bei den baseler Herren nichts. In der schweren Kriegszeit, die auch ihr Geschäft drückte, war es ihnen natürlich doppelt bequem, in Koberger den Mann zu haben, der ihre Pressen in ununterbrochener Thätigkeit erhalten mußte und ihnen selbst dadurch zugleich indirekt die Mittel für ihre sonstigen Unternehmungen lieferte. Ununterbrochen ging der Neudruck von statten, ununterbrochen gelangten Mahnungen über Mahnungen an Koberger, welche ihn die ganze Bitterkeit der eingegangenen Verbindlichkeiten fühlen ließen.

Wahrhaft rührend sind die Briefe Kobergers vom 12. August, 9. Oktober und 20. Dezember 1504; sie lassen seine verlegenheitsvolle geschäftliche Lage klar hervortreten und sind bezeichnend für die damalige politische Lage. Amerbach hatte sich wieder einmal wegen der ausbleibenden Geldsendungen beklagt. Koberger antwortete darauf: „Ich habe Euch vor acht Tagen geschrieben, daß Ihr jemand nach der frankfurter Messe schicken sollt, und habe mich zu derselbigen Zeit versehen, es sollte Messe zu Frankfurt worden sein. So sind die Kriegslewfft seit der Zeit noch heftiger worden, also daß ich mich versieh, daß ganz keine Messe zu Frankfurt werd und sonderlich niemand von hier aus dieser Stadt Nürnberg dahinkommen wird. Denn die Fürsten wollen nicht geleiten und ist ein jämmerlich Wesen in diesen Landen. Gott der Allmächtige wolle uns verleihen seinen göttlichen Frieden. Also daß Ihr niemand von mein wegen nach Frankfurt schicken dürft, wenn ich kann nicht dahin kommen, noch keinen Diener dahin senden. Auch kann ich keine Bücher dahinbringen, Geld Euch auszurichten in dieser frankfurter Messe ist mir wahrlich nicht möglich. Ich versieh mich nicht 1 Gulden aus dieser Messe. Ich bitte Euch, die Fässer bei Euch zu behalten, bis die Zeiten besser werden und sie nur gegen meine Anweisung abzusenden. Ich besorge aber, daß das Ding noch lang kein Ende nehmen wird. Etliche, so davon reden, sind der Meinung, es hab noch nicht recht angefangen. Der allmächtige Gott verleihe uns seinen göttlichen Frieden. Amen!“

Amerbach beschwerte sich kurz nach Empfang dieses Schreibens darüber, daß ihm der Diener Kobergers nur 300 Franken als Ertrag der lyoner Augustmesse gesandt habe, während letzterer ihm 600 Gulden anzuweisen [357] Auftrag gegeben hatte. „Ich weiß wohl“, schreibt der Verleger an den Drucker, „was unsers Vertrags Inhalt ist, und bedenke das wohl so oft, als Ihr das mögt bedenken, und ist mir eine besondere Pein, daß ich Euch nicht halten kann und mag, als ich Euch verschrieben bin, aber es ist ohne meine Schuld, sondern der schweren Kriegslewfft, die in mittlerer Zeit vorgefallen sind, also daß der Handel allenthalben niederliegt. Ich kann meinen Dienern nichts zuschicken, was sie von Büchern notdürftig sind. So können sie nicht Geld lösen und ist ein weitlewfftiger Krieg, was niemand so gut weiß als die, die im Handel sind. Man schafft allenthalben nichts, und darum, lieber Meister Hans, wollet Mitleiden mit mir haben. Alles das, so ich kann und mag zu Geld bringen, will ich Euch schicken und Euch wissen lassen, was Ihr von Geld auf mich nehmen mögt. So wißt, daß ich einen Diener zu Frankfurt gehabt habe. Der hat 300 Gulden aus Schuld bracht, aber nicht über 10 Gulden aus Büchern gelöst, denn es ist eine arme Messe gewesen. Hab ich die 300 Gulden nicht heraus mögen bringen, sondern ich habe sie müssen auf Wechsel geben bis auf Weihnachten. Was mir denn jetzund zu leybczig (Leipzig) gelöst wird, muß ich ein ganz Jahr Zeit dazu geben, will ich Gold haben. Denn da zahlt man jedermann mit Münze 21 Groschen für 1 Gulden. Will ich Gulden in Gold haben, so muß ich geben 23 ½ oder 24. Das mag der Handel nicht ertragen. Auch ist es also worden in dem Land zu Polen und in Ungarn, daß man 4 oder 5 Groschen auf ein Gulden verlieren muß, wer Gold will haben. Aber ich will Schaden leiden und thun, was ich mag, damit, daß ich Euch zufrieden stelle. Item schrieb meinem Diener auff Frankfurt, ob jemand von Euretwegen wäre zu Frankfurt, dem sollt er solch 300 Gulden überantworten. Also ist niemand dagewesen, aber auf Weihnachten mögt Ihr 300 Gulden auf mich zu Wechsel nehmen, die will ich ausrichten. Aber mein Rat ist, daß Ihr solch Geld bar einnehmt, nicht, daß die Kaufleute hier das Geld nehmen und Kaufmannschaft kaufen und Euch erst darnach wollen Ausrichtung thun, so sie die Güter auf Basel bringen. Denn es ist hier herum viel zu sorglich (gefährlich). Die Wagen werden genommen und wenn die Güter genommen werden, so wollte man Euch vielleicht darnach nichts ausrichten. Das wäre nicht für Euch noch für mich, und darum ist nichts besseres, denn das Gewissespielen (das Sichere zu wählen).“

[358] „Item lieber Meister Hans, wisst, daß ein arm jämmerlich Wesen hier ist Unfriedshalber und zu besorgen, daß es täglich böser werde, und darum bitte ich Euch freundlich, wollet Patienz mit mir haben. Ich will thun Alles, das so mir möglich ist zu thun. Ich habe wohl Geld zu Wien, auch zu Ofen in Ungarn, zu Breslau, zu Cracau, aber es ist mir nicht möglich, in diesen Kriegslewfften einen Gulden auf Nürnberg zu machen oder zu bringen. So kann ich auch meinen Dienern kein Buch an die End schicken.“

Überhaupt waren die Zeiten wenig dazu angethan, einen größern Absatz zu erzielen. Die neu erscheinenden Bücher überstürzten sich, die Bücherkäufer aber vermehrten sich nicht, zumal die Haupterscheinungen der Litteratur vorzugsweise dem theologischen Gebiete angehörten. „Man hat“, schrieb Koberger 11. April 1503, „die pfaffen So gannz außgeleret, mit den buchern so vil gelcz (Geld) von jn czogen, das nit mer dar an wollen.“ Dann aber zogen sich die Kriegsstürme immer heftiger zusammen, sodaß von den Fürsten kein Geleit mehr zu den Messen zu erlangen war. Wenn später auch die äußern Konjunkturen besser wurden und infolge dessen der Hugo für einige hundert Exemplare mehr Käufer fand, so blieb sein Absatz doch weit hinter den Erwartungen zurück; namentlich aber stockte derselbe ganz, als erst die Reformation sich der Geister bemächtigte und die alte theologische Litteratur so gut wie ganz verdrängte.

Koberger machte im Laufe der Jahre noch manches große Geschäft mit Amerbach und Petri. Namentlich kaufte er ihnen einige ihrer gangbarsten Verlagsartikel ab, wie z. B. 1000 Exemplare der Werke des heiligen Augustin im Frühjahr 1506, um die Lager seiner Filialen in Paris, Lyon und andern Städten zu vervollständigen; indessen ließ er bei Amerbach und Petri kein einziges Buch mehr drucken. Fortan bediente er sich ausschließlich der lyoner und straßburger Pressen; er war gewitzigt worden. Was Koberger übrigens als Drucker und Verleger geleistet hat, ist noch nicht überholt. Die Nachteile, unter welchen er vielfach leiden mußte, wurden andererseits eine Zeit lang durch schwerwiegende Vorteile wieder ausgeglichen. So druckte er, mit wenigen Ausnahmen, in einer einzigen gelehrten Sprache und hatte einen und denselben Kundenkreis, deshalb auch ein und dasselbe national nicht geschiedene Absatzgebiet, kurz, einen großen internationalen Markt. Aber [359] damit verknüpfte er auch sein gesamtes Geschäftsinteresse zu eng mit einer alternden, sich ausgelebt habenden Zeit. In Kobergers letzten Lebensjahren trat der junge Humanismus wühlend und umwälzend auf den Kampfplatz; er, und noch weit mehr seine unmittelbare Nachfolgerin, die Reformation, wollten nicht viel von Kirchenvätern, Glossen und Postillen wissen. Sie legten den Absatz der mittelalterlichen theologischen Litteratur vollends lahm.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Didot, Firm., Histoire de la Typographie. Paris 1882. S. 713, und van der Linde, Gutenberg. S. 94.
  2. Falk, F., Die Druckerkunst im Dienste der Kirche. Köln 1879. S. 8. u. 9, wo diese Stelle von Essenwein angeführt ist.
  3. Didot, Firm., Alde Manuce. S. 51, und Typographie S. 633, Anm. 2.
  4. Schmidt, C., Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken in Straßburg. S. 77, 89 u. 105. – Mayer, Ant., Wiens Buchdruckergeschichte. I, 144.
  5. Didot, F., Alde Manuce. S. 163, und Kirchhoff a. a. O. I, 18.
  6. Faulmann, K., Illustrirte Geschichte der Buchdruckerkunst. Wien 1882. S. 90.
  7. Schmidt, C., a. a. O. S. 79 u. 80.
  8. Zarncke, F., Die deutschen Universitäten im Mittelalter. Leipzig 1857. S. 60.
  9. Madden, I. P. A., Lettres d’un Bibliographe. V, 204 u. 205. 214 u. 215.
  10. Herberger, Th., Zur Geschichte der Einführung der Buchdruckerkunst in Augsburg. Augsburg 1865. S. 7–10.
  11. Madden a. a. O. V. 240; Kirchhoff a. a. O. II, 32.
  12. Archiv für die Geschichte des Buchhandels. IV. Leipzig 1881. S. 114. (Aufsatz von W. Stieda, Zur Geschichte des Buchhandels in Riga.) Zeitschrift des Vereins für Lübecksche Geschichte. III, 254. 600.
  13. Hase, O., Die Koburger. Kapitel: Geschäftsbetrieb und Verlag. S. 21 bis 57 und 65.
  14. Rooses, M., Christophe Plantin, le Typographe Anversois. Anvers 1882. S. 223.
  15. Archiv. I, 51, und Soden, Fr. von, Beiträge zur Geschichte der Reformation. Nürnberg 1855. S. 447.
  16. Frankfurter Stadtarchiv. Schreiben und Handlungen der Bücherinspektion zu Frankfurt a. M. Neun Bände Mskpt. Folio. I: 1569 bis 1617, 65 und 92–93. Ennen, L., Geschichte der Stadt Köln. V, 376.
  17. Schmidt, C., a. a. O. S. 78 u. 79.
  18. Meyer, C., Die Buchdruckerkunst in Augsburg. Augsburg 1840. S. 20.
  19. Claudin, A., Origines de l’Imprimerie à Albe. S. 72 fg.
  20. van der Linde a. a. O. S. 94, dem Mendez’ „Typographia Española“, S. 348–368, als Quelle gedient hat.
  21. Archiv, B. IV, Aufsatz von Fr. Teutsch: „Deutscher Buchhandel in Siebenbürgen“. S. 12–25.
  22. Madden a. a. O. V, 244.
  23. Daselbst S. 252.
  24. Claudin a. a. O. S. 67.
  25. Kirchhoff, Beiträge. I, 70, und Didot, Alde Manuce. S. 180.
  26. Stadtarchiv Köln, Kopierbuch 50. Fol. 154. Das Schreiben ist datiert: Der stat Basell, 1519 Nr. 25. Der Verfasser verdankt dieses interessante Aktenstück der Güte des kölner Stadtarchivars, Herrn Dr. V. Höhlbauer.
  27. Kirchhoff a. a. O. I, 118.
  28. Madden a. a. O. IV, 19 und V, 226.
  29. Claudin a. a. O. S. 80.
  30. Ennen, L., Katalog der Inkunabeln in der Stadtbibliothek zu Köln. Köln v. J. S. XXI.
  31. Schmidt, C., a. a. O. S. 85.
  32. Derselbe a. a. O. S. 79.
  33. Derselbe S. 140 u. 141.
  34. Steiff, K., Der erste Buchdruck in Tübingen (1498–1534). Tübingen 1881. S. 44.
  35. Claudin a. a. O. S. 45–53. Vermiglioli, G. B., Principj della Stampa in Perugia e suoi Progressi. Perugia 1820. S. 65 fg.
  36. Frommann, Ed., Aufsätze zur Geschichte des Buchhandels im 16. Jahrhundert. Jena 1881. II, 99 fg., bearbeitet nach Publicae Tabulae foederis initi inter primos Typographos Mediolani anno 1472 die 4 Junii in: Argelati, Bibliotheca scriptorum Mediolanensium. Mediolani 1745. I, 447 fg.
  37. Didot, F., Alde Manuce. S. 233 u. 238.
  38. Daselbst S. 258.
  39. Stockmeyer und Reber, Beiträge zur Basler Buchdruckergeschichte. Basel 1840. S. 48 u. 49.
  40. Leipziger Rats-, Schöppen- und Gerichtsbücher. Nach einem erst neuerdings gedruckten Vortrag von A. Kirchhoff.
  41. Stintzing, H., Georg Tanners Briefe an Bonifacius und Basilius Amerbach. Bonn 1879. S. 22 u. 23.
  42. Giraudet, E., Une Association d’Imprimeurs et de Libraires à Tours. Tours 1877. S. 20 u. 50.
  43. Schmidt, C., S. 45.
  44. Daselbst S. 117.
  45. Daselbst S. 44. 124.
  46. Boos, H., Thomas und Felix Platter. Leipzig 1878. S. 88 u. 89; Kirchhoff, Beiträge. II, 20.
  47. Claudin a. a. O. S. 53.
  48. Augsburger Stadtarchiv (Steuerlisten). Archiv für die Geschichte des deutschen Buchhandels: Aufsatz von Kirchhoff I, 23; Aufsatz von Fr. Teutsch IV, 22.
  49. Nach dem citierten erst jetzt gedruckten Vortrag von A. Kirchhoff.
  50. Didot, F., Alde Manuce. S. 114. Die betreffende Stelle lautet im Original: „Haec sunt graecorum voluminum nomina quae in Thermis Aldi Romani Venetiis impressa sunt ad hunc usque diem seu primum octobris MIID Nam cum quotidie aliquis peteret quinam graeci libri formis excusi sint, ac quanti veneant ad minimum quod vel ipse scire cuperet, vel ad amicos id cupide efflagitantes mitteret, pertaedebat toties idem scribere occupatissimum hominem.“
  51. Une Visite à la Bibliothèque de l’Université de Bâle par un Bibliophile Lyonnais. Lyon 1880. S. 41 u. 42.
  52. Kirchhoff im Archiv für die Geschichte des deutschen Buchhandels. II, S. 41 u. 60.
  53. Rooses, Max, Christoph Plantin. S. 254–256.
  54. Stockmeyer und Reber a. a. O. S. 91 u. 92.
  55. Geiger, L., Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland. Berlin 1882. S. 482.
  56. Roth, R., Das Büchergewerbe in Tübingen von 1500–1800. Tübingen 1880. S. 63, und Steiff, K., Der erste Buchdruck in Tübingen. S. 21 u. 22 fg.
  57. Das Chronikon des Konrad Pellikan, herausgegeben von Bernh. Riggenbach. Basel 1877. S. 96.
  58. Didot, F., Alde Manuce. S. 414.
  59. Stintzing a. a. O. S. 20.
  60. Strauß, D. F., Ulrich von Hutten. Leipzig 1885. II, 295 u. 296.
  61. Zeltner, G. G. Kurzgefaßte Historie der gedruckten Bibelversion und anderer Schriften D. Mart. Lutheri. Nürnberg und Altdorf 1727. S. 37, Anm. k.
  62. Schmidt, C., a. a. O. S. 118.
  63. Chronikon Pellikans. S. 107.
  64. Soden a. a. O. S. 14.
  65. Kirchhoff a. a. O. II, 111.
  66. Herzog, J. J., Leben des Ökolampadius. Basel 1843. Anm. S. 256.
  67. Stintzing a. a. O. S. 29.
  68. Kirchhoff, Beiträge. II, 110–112.
  69. Ders. im Archiv f. Geschichte d. deutschen Buchhandels. IX, 33.
  70. Pallmann, Heinrich, Sigmund Feyerabend. Frankfurt a. M. 1881. S. 2, 3, 31.
  71. Meyers Promptuarium im Archiv der Stadt Zürich, und: Virorum clarorum et doctorum ad Melch. Goldastum Epistolae. Francof. et Spirae 1688. S. 137. 147. 162. 216. 362. 374. 406. u. 407.
  72. Stieve, F., Über die ältesten halbjährigen Zeitungen oder Meßrelationen und insbesondere über deren Begründer Freiherrn Michael von Aitzing. München 1881. S. 24.
  73. Jubiläumszeitung des Hamburgischen Korrespondenten. 1880.
  74. Die hier angeführten Fälle finden sich in : C. Schmidt a. a. O. S. 81 u. 140; Pellikan a. a. O. S. 27 u. 75; Hase a. a. O. S. 40; Steiff a. a. O. S. 76; Kirchhoff a. a. O. S. 70; Glarean an Zwingli unterm 1. November 1520; Kirchhoff im Archiv. I, 49; Stockmeyer und Reber a. a. O. S. 39; Hagen, K., Deutschlands litterarische und religiöse Verhältnisse. Erlangen 1841. S. 417; Didot, Alde Manuce. S. 303 u. 331; sowie Geiger, L., Johann Reuchlin. Sein Leben und seine Werke. Leipzig 1871. S. 68–74. 132.
  75. Hain, L., Repertorium Bibliographicum. Stuttgart 1831–1837. III, 237–240.
  76. Daselbst III, 119–124.
  77. Daselbst IV, 507–511.
  78. Falk, F., Die Druckkunst im Dienste der Kirche. S. 30. 80–85. 99. 104–107.
  79. Madden a. a. O. V, 205.
  80. Daselbst V, 210.
  81. Kobergers Bedeutung als Buchhändler ist durch Oskar Hases vortreffliche Schrift: „Die Koburger, Buchhändlerfamilie zu Nürnberg“ der Mitwelt wieder vor die Augen geführt worden. Der Verfasser des vorliegenden Werkes verdankte der Güte des Dr. L. Sieber, Oberbibliothekars in Basel, die erste Einsicht in die im Archiv dieser Stadt aufbewahrte Sammlung von 123 Briefen, welche die Herstellung des erwähnten großen, auf Kobergers Kosten von Amerbach und Petri gedruckten Werkes besprechen und, wenn auch unvollständig erhalten, doch einen selten reichen Schatz von authentischen Thatsachen über die damalige Buchdrucker- und Verlagsthätigkeit in sich bergen. Dr. Hase, vom Verfasser darauf aufmerksam gemacht, hatte diplomatisch genaue Abschriften dieser Briefe von Dr. Sieber erhalten und dieselben – als Anhang zur zweiten, während des Drucks dieses Bandes erschienenen zweiten Auflage seines Werkes bestimmt – bereits 1881 setzen lassen. Dieser Abdruck bildet auch die Grundlage für die Darstellung im Texte.