RE:Iambographen
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Dichter und Reimer, die sich der iambischen Maße bedienen | |||
Band IX,1 (1914) S. 651–680 | |||
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Iambographen (ἰαμβοποιοί, iamborum scriptores), die Dichter (mit Ausschluß der eigentlich dramatischen) und Reimer, die sich der iambischen Maße des γένος διπλάσιον, d. h. genauer in der Regel des stichischen iambischen Trimeters und des stichischen trochäischen Tetrameters sowie deren ,hinkender‘ Spielarten, endlich auch der benachbarten epodischen Metra bedienen.
Literatur. Eine zusammenfassende entwicklungsgeschichtliche Skizzierung des gesamten griechisch-römischen genus, wie sie hier versucht wird, existiert bisher nirgends. Der Teuffelsche [652] Artikel Iambogrǎphi bei Pauly R. E. IV 6–17 hatte sich auf eine Darstellung der drei Größen des von Aristarch herrührenden Iambographen-Kanons (Crusius o. Bd. II S. 487, 59), dem anscheinend auch die Spezialschrift περὶ ἰαμβοοιῶν des frühen Alexandriners Lysanias von Kyrene (Crusius a. O. 487, 65) galt, d. h. des Archilochos, des Semonides und des Hipponax (+ Ananios) unter Hinzunahme des Solon beschränkt und von den ,späteren griechischen Iambographen‘ sowie von den ,1. unter den Römern‘ lediglich mit Verweisung auf die Einzelartikel einerseits starker Vermehrung, andrerseits mehrfacher Streichung bedürftige alphabetische Listen gegeben. Eine Spezialübersicht über die Choliambendichtung bei Gerhard Phoinix von Kolophon 202ff. Unter dem metrischen Gesichtspunkt, der für uns hier hinter dem literarhistorischen zurücktritt, sind als neueste mehr oder minder umfassende Sonderschriften (über das Frühere vgl. die metrischen Handbücher) zu nennen: Taccone Il trimetro giambico nella poesia greca, Accad. di Torino, Ser. 2, LIV 29ff. Pelckmann Vers. choliambi ap. Gr. et Rom. historia., Diss. Greifsw. 1908. Kanz De tetrametro trochaico, Gießen 1913. Der Bearbeiter des Gesamtgebietes steht einem schwer überseh- und erreichbaren Quellenmaterial gegenüber, das über die verschiedensten Fächer der antiken Literatur hin verstreut und oft nur in kleinem Prozentsatz in Werke oder Sammlungen eingesprengt ist. Einzelnachweise darüber können erst im Verlauf des Artikels erfolgen. Vorauszüzitieren ist für die griechischen Dichter bis ca. 300 v. Chr. der Bergkschen PLG Bd. II⁴ 1882, poetas elegiacos et iambographos continens, dessen Erneuerung wir von Crusius erwarten. Die hier und ebenso seit der dritten Auflage in der Anthologia Lyrica von Bergk-Hiller-Crusius fehlenden Alexandriner hat man noch immer nur in der ed. altera (1868) dieses nützlichen Büchleins. Aufgenommen waren sie auch von Hartung Babr. u. die ält. Iambendichter, Lpz. 1858. Die griechischen Choliambiker liegen nach dem damaligen Bestand vereinigt in der recensio von Meineke hinter Lachmanns Babrius (1845) vor; über ältere Fragmentsammlungen der nämlichen Gattung Gerhard Phoin. 202, 3. – Der Geschichte der Iambographie muß voraufgehen eine Klarstellung des Begriffes.
A. Iambos. Der Etymologie des Wortes wandte in seiner Art schon das Altertum viele Bemühungen zu, größtenteils verzeichnet von Leutsch Philol. XI 332f. Die neueren Ansichten stellt Boisacq Dict. étymol. 368f. mit dem auch bereits von philologischer Seite (v. Wilamowitz Eur. Her. I¹ 63) geäußerten Ergebnis non liquet sowie der Vermutung zusammen, es handle sich ebenso wie bei den verwandten Wörtern διθύραμβος Θρίαμβος ἴθυμβος um eine fremde (thrako-phrygische?) Entlehnung. Eine kurze Durchmusterung der antiken und modernen Versuche hat darum Interesse, weil beiderseits mit genau den gleichen Bedeutungsprinzipien gearbeitet wird. Absehen muß man natürlich zunächst von jenem kindischen Circulus, mit welchem die Alten ἴαμβος, ἰαμβεῖον auf ἰαμβίζειν [653] (Aristot. Poet. 4 p. 1448 b 31) oder auf eine in Wahrheit vielmehr als Eponyme des Iambos fingierte mythische Person Ἴαμβη (s. den Art. u. u. Abschn. B I), wo nicht gar einen Marssohn Iambus (Diomed. III, I 477, 4 K.) zurückführten. Sonst erscheinen als maßgebend die Ideen einmal der Bewegung, zweitens des Rufens oder Schreiens (beides als ἰέναι καὶ βοᾶν vereinigt Diomed. 477, 6) und drittens des Spottes. An die antike Herleitung vom ,Gehen im Schritt‘ (ἰέναι βάδην Mar. Victor. I, VI 44, 28 K.) erinnert es, wenn Froehde und Sommer den Iambos an der Hand von indogermanischen Wurzeln als ,frischen‘ oder ,kräftigen Schritt oder Gang‘ deuten und wenn v. Leutsch bezw. Christ (Metr.² 317) das gleich zu besprechende ἰάττειν ,entsenden‘ als Grundwort von der ,nach der Arsie strebenden Bewegung‘ bezw. von den ,raschen Bewegungen der Orchestik‘ verstanden. Dem naiven ἰὰν βάζειν (E. M. p. 463, 29) entspräche bei uns Zachers ἴαμβος = ἰάζων (ἰαί) oder Schulzes Gleichung -βος: skr. gāti ,singen‘. Auch die Zusammenrückung von ἴαμβος mit θρίαμβος (Dionysos und sein Festlied) bei Diomedes 477, 3 K. gehört wohl hierher. Den praktisch herrschenden Gedanken ,Spott‘ oder ,Schmähung‘ endlich begründete die Antike entweder durch ein ἰὸν βάζειν = ,Pfeil reden‘ (ὡς βέλη βάλλειν τὰ λεγόμενα E. M. p. 463, 27) bezw. ,Gift reden‘ (λόγους μεστοὺς πικρίας λέγειν Schol. Hephaest. S. 300, 5 Consbr.) oder aber durch ἰάττειν, das dann allerdings vom βλάπτειν der ὕβρις erklärt wird (Keil Analecta grammatica, Progr. Halle 1848, 5), während es die Neueren, ebenfalls vielfach von ἴάττειν ausgehend, teilweise, wohl besser, als ,Entsenden, Abschießen‘ des Spotts nahmen (Curtius; vgl. Quint. VI 3, 43 iaculatio dictorum).
Also die Etymologie des Iambos bleibt dunkel. Feststellen lassen sich aber die Hauptzüge seiner Bedeutungsentwicklung, wenngleich hier noch eine Spezialuntersuchung lohnend und erwünscht wäre. Das älteste Vorkommen bei Archilochos frg. 22 καί μ’ οὔτ’ ἰάμβων οὔτε τερπωλέων μέλει scheint noch den harmlos allgemeineren Sinn von lustiger Kurzweil, Scherz oder Spaß zu ergeben, dem auch das ἧθος der frühesten literarischen Verwendung im Ps.-Homerischen Margites (s. u.) entspricht (Aristot. Poet 4 p. 1448 b 37 οὐ ψόγον ἀλλὰ τὸ γελοῖον δραματοποιήσας). In der Folge kam offenbar, vielleicht eben mit durch Archilochos, dauernd die schärfere Nuance von Spott oder Schmähung zum Durchbruch. Dabei hielt sich der Gebrauch unabhängig von der genaueren Redeform, konnte also auch Prosa bezeichnen (Wachsmuth Corpusc. poes. ep. Gr. ludib. II 26, der u. a. Luc. bis acc. 33 τὸ σκῶμμα καὶ τὸν ἴαμβον anführt). Hauptbeleg: die vielbesprochenen καταλογάδην ἴαμβοι (Ath. X 445 B) des Asopodoros von Phlius (Schmid o. Bd. II S. 1704f.), unter denen man sich nicht mit Hauler Philol. Versamml. 1893, 258 rhythmische Prosa in der Art der Sophronischen Mimen vorstellen darf. Zeit und Inhalt des Werkes sind leider nicht bekannt. Aus seiner Zusammenstellung mit den φαλλικά des Antheas von Lindos (u. S. 658, 37) ließe sich wohl mindestens diesen analoger urtümlich skoptischer Charakter erschließen [654] (unwahrscheinlich also Rohde Gr. Rom.² 266 A. und Susemihl Al. Lit. II 577, 9). Bei der vorwiegenden Beziehung auf gebundene Rede beschränkte sich ἴαμβος wiederum nicht auf ein bestimmtes Versmaß. So mochte antikes Empfinden die hexametrischen Perses-Mahnlieder der Hesiodischen Erga als echten Iambos betrachten (Crusius o. Bd. II S. 503, 17), so steht Ähnliches für die ἔπη des Xenophanes in Frage (u. S. 657, 32), so figuriert bei Aristoteles (Poet. 22 p. 1458 b 7) der ,alte‘ Eukleides (nachzutragen o. Bd. VI S. 1000) mit Hexametern (oder Elegeia?) als ἰαμβοποιῶν, ohne daß man darum mit Bergk PLG II⁴ 376 direkt von einem Euclides iambographus zu reden befugt ist, so umfaßt ja der Archilochische Nachlaß unter dem Gesamttitel Ἴαμβοι auch Epodenformen aus teilweisen oder lauter Elementen des γένος ἴσον (Crusius o. Bd. II S. 496, 56), so wird bei Ath. VIII 355 A selbst ein anapästischer Vers ἰαμεῖον genannt, um von den direkt lyrischen dorischen μελίαμβοι (u. S. 667, 47) noch gar nicht zu reden. Nach dem Delier Semos bei Ath. XIV 622 B verbindet der I. mit dem Begriffe des Spottes überdies den des Improvisierens, und das nämliche Zeugnis lehrt uns gleichzeitig die wichtige Tatsache, daß ἴαμβοι nicht nur solche von αὐτοκάβδαλοι vorgetragenen ῥήσεις, sondern auch jene sprechenden Personen selbst hießen (was uns wiederum an eine analoge Doppelbedeutung von διθύραμβος θρίαμβος ἴθυμβος gemahnt; vgl. auch μῖμος); daher ein Dionysios mit dem Beinamen Iambos (u. S. 664, 39). der metrischen Terminologie konzentriert sich ἴαμβος auf das Spottmaß κατ’ ἐξοχήν, das dreizeitige steigende Schema des γένος διπλάσιον, beherbergt aber unter dem Obertitel des ἴαμβοςγένος ἰαμβικόν zugleich noch den komplementären fallenden Trochaios (Christ Metr.² 275). In jenem engsten und eigentlichsten Sinne bezeichnet ἴαμβος einerseits den einzelnen Versfuß (Hephaest. S. 10 Consbr.) und andrerseits das ganze iambische Gedicht. Ältestes Beispiel wohl der Ἴαμβος Φοίνικος im Heidelberger Papyrus, aus dem man gleichzeitig sieht, daß dabei der Sprachgebrauch zwischen geraden und ,hinkenden‘ Maßen keinen Unterschied macht. Der zwischen jenen beiden Polen in der Mitte stehende iambische Vers heißt ἰαμβεῖον (z. B. Ar. Ran. 1134). Seine genauere Benennung erfolgt nach der Zahl der μέτρα, wofür hier als Beispiel nur das am meisten verbreitete τρίμετρον angeführt sei (z. B. Aristot. Poet. 1 p. 1447 b 11).
B. Iambographen. I. Vorgeschichte. Wie hoch hinauf die Alten selbst die Entstehung des ἰαμβεῖον datierten, sieht man daraus, daß sie für seinen eigentlichen Erfinder den Homer hielten (Mar. Victor. III, VI 133, 30 K.). Zwar, daß diesem Aristoteles ganze ,in iambischen Trimetern abgefaßte kleinere komische Epen‘ zugetraut habe, darf man aus der Stelle der Poetik (4 p. 1448 b 30) schwerlich mit Welcker Rh. Mus. N. F. XI 508 erschließen. Sicher aber betrachtet auch er als Homerisch den Margites, jene ,realistische Schilderung des Dümmlings‘ (Bethe in Gercke-Nordens Einl. I 284), die mit den daktylischen Hexametern in noch ungeregelter Abwechslung ,als entsprechendes iambisches [655] Sechsmaß‘ (Mar. Victor. I, VI 68, 15 K.; II, VI 79, 12) Trimeter mischte. Die Zweifel an solch früher epodischer Komposition widerlegen sich durch die Tatsache, daß schon Archilochos frg. 118 (vgl. 153) gerade einen Trimeter des Margites benutzte (Crusius o. Bd. II S. 503, 34). Jener literarische Gebrauch setzt hinter sich eine noch viel weiter zurückreichende volkstümliche Übung des Metrums voraus. Wertvolle Blicke in diese Urschicht gestatten uns einzelne versprengte iambische Kultsprüche (Bergk PLG III⁴ 658f. v. Wilamowitz Comment. metr. II 32), besonders auch Sprichwortverse, wie sie Crusius (zuletzt S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 4. Abh., 64ff.) aus der bunten Masse proverbialer Trimeter (u. S. 670, 3) herausgestellt Wir stoßen da auf uralte, im Grunde sakrale Formeln attischen Volksbrauchs, wie denn ja auch das Ps.-Homerische ,Sommertagslied‘ der Εἰρεσιώνη seinen Daktylen und ebenso das Rhodische Chelidonisma Ath. VIII 360 CD seiner Volksweise am Schlusse iambische τρίμετρα zufügt, und zwar tritt neben dem heiteren Teil etwa der Dionysischen Anthesterien der ernste Anlaß chthonischen Totenkults auf. Ein vorsichtiges Urteil verlangt die iambische Aufreihung, in welcher nach Apollodor von Kerkyra (vgl. Kallimach. frg. 75, II 232 Schn.) bei Clem. Strom. V 8 p. 359 St. das milesische Volk den es von der Pest entsühnenden Branchos mit den zauberhaften Rätselworten βέδυ ζὰψ κτλ. (vgl. Beudel Qua rat. Graeci liberos docuerint usw., Diss. Münster 1911, 14, 2; anders Wessely Ephesia Grammata, Progr. Wien 1885/6; 38) begleitet haben sollte. Ionische Demeter- und Dionysosfeste sind es wieder, aus deren lustiger Seite, aus deren obszönen Neckliedern um die Mitte des 7. Jhdts. die wirkliche kunstmäßige Iambik des Archilochos (s. u.) aufwuchs (Crusius o. Bd. II S. 501, 60. 504, 5). Dazu paßt es aufs beste, daß als angebliche Begründerin des Iambos eine Iambe erdacht ward, welche bereits im Demeterhymnos 202ff. als Magd des Keleos und der Metaneira durch ihre neckischen Scherze die trauernde Göttin zum Lachen bewegt (v. Wilamowitz Eur. Her. I¹ 57. Crusiuso. Bd. V S. 2259, 51).
II. Siebentes und sechstes Jhdt. Archilochos, der geniale halbadlige Abenteurer von Paros, für welchen auf den Art. von Crusius o. Bd. II S. 487ff. verwiesen werden muß, hat im Zeitalter des erwachenden Individualismus bahnbrechend das volkstümliche ionische Lied zum literarischen Range neben dem Epos erhoben und verdiente sich dadurch die Stelle neben Homer. Mit organischer Weiterführung gottesdienstlich populärer Ansätze hat er einmal die iambisch-trochäischen Maße als erster künstlerisch durchgebildet und normiert, sodann erstens aus den Elementen eben dieses γένος διπλάσιον, zweitens aus denen des daktylischen ἴσον (vorab vielleicht das elegische Distichon selbst: Crusius o. Bd. II S. 503, 61), drittens durch mannigfache Kombinierung aus beiden Geschlechtern eine überraschend reiche Fülle strophisch-epodischer Formen geschaffen. Sein untrüglicher Instinkt gibt jedem der vielen Metra inhaltlich das eigenste und passende ἦθος. Er [656] beschränkt sich keineswegs auf den Spott, obwohl der bei ihm entsprechend seiner Natur und seinen Schicksalen mächtig hervortritt, er spielt auf der ganzen Skala subjektiver Empfindung, von der höchsten Lust bis zum tiefsten Leid, vom losen Scherz bis zur ernsten Betrachtung. Während der letzteren mehr die trochäischen Tetrameter dienen, wirken skeptisch zumeist die Iamben, stichisch (Trimeter) und in epodischer Verbindung vor allem wieder mit Iamben (Dimeter). Bedeutsam erscheint bei der Schöpfung des Archilochos die musikalische Grundlage, die er ebenfalls zweckentsprechend abstuft. Neben den gesungenen und von der ἰαμβύκη begleiteten eigentlich lyrischen Versen führte er für Trimeter, Tetrameter und gewisse Asynarteten den rezitativ gehobenen Sprechvortrag der παρακαταλογή (mit dem κλεψίαμβος als Instrument) ein (Crusius o. Bd. II S. 502, 16) und bereitete damit schon die spätere reine Deklamation der ἴαμβοι vor.
Der eine Generation jüngere biedere Semonides von Amorgos zeigt seinem großen Vorgänger gegenüber starke Beschränktheit, wie er denn auch in der Elegie mit seiner Samischen Gründungsgeschichte (Crusius o. Bd. V S. 2266, 51) die durch Kallinos vorgezeichnete patriotische Richtung vertritt. Von persönlicher iambischer Schmähung eines Orodoikides haben wir nur indirekt Nachricht (Luc. Pseudolog. 2). Verhöhnung eines Sehers scheint in einem neuentdeckten Bruchstücke zu begegnen (Crusius S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 102ff.). Auf enge Fühlung mit dem Volksleben deutet das öftere Vorkommen der Tierfabel (frg. 8f. 11. 13) und vor allem der plumpe, vermutlich im kultischen τωθασμός wurzelnde (v. Wilamowitz Eur. Her. I¹ 57) Weiberspott des ,Frauenspiegels‘ frg. 7, dessen alte populäre Vorlage später auch von Phokylides (frg. 3) benutzt wird (über den Vortrag Crusius o. Bd. V S. 2269, 54). Dumpfe Resignation atmen die reflektierenden Iamben von frg. 1; gegen das von Reitzenstein Philol. LVII 42ff. statuierte ,Trostgedicht‘ Sitzler Jahresb. CXXXIII 120f.
Für Mimnermos von Kolophon, der um die Mitte unsres Zeitraums neben der heimatlich kriegerischen die weichlich erotische Elegie pflegt, wird die Frage nach Iamben immer wieder laut. Daß ihm die Überlieferung (bei Stobaios u. a.) ein paar Stücke gnomischer Trimeter irrtümlich zuschreibt, steht sicher (Bergk PLG II⁴ 33. Sitzler Jahresber. LIV 133f.). Auch ein neuer von Crusius beleuchteter Sprichwortvers (S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 76f.) muß zweifelhaft bleiben, und das gleiche gilt endlich von den ,kräftigen Iamben in Archilochischer Art‘, die Crusius (o. Bd. V S. 2267, 3, vgl. S.-Ber. a. O.) für Mimnermos durch eine verderbte Stelle aus dem Leontion des Alexandriners Hermesianax (Ath. XIII 598 A) bezeugt glaubt: wir hören da von bösen ἔπη, die Mimnermos gegen zwei Feinde Hermobios und Pherekles, vermutlich Mitbewerber um die Liebe der Nanno, entsandte‘, wissen aber nicht einmal, ob sie schriftlich literarisch gemeint sind: an eine Angriffselegie hatte Hartung Gr. Eleg. I 58 gedacht.
Verfolgen wir den Iambos in Ionien weiter, [657] so treffen wir am Schluß der Periode zwei ungleichartige Zeitgenossen, welche nebenbei als I. in Betracht kommen, Xenophanes von Kolophon und Anakreon von Teos. Xenophanes kleidete seine neue erhabene Gotteslehre und Weltweisheit mit ihrer scharfen Polemik gegen die herrschenden unwürdigen Anschauungen zunächst in epische und elegische Form, wobei wir für die erste das Lehrgedicht Περὶ φύσεως und die spottenden Σίλλοι oder Παρῳδίαι (deren Identität unnötig wieder bezweifelt von Diels Poet. philos. 41f.) unterscheiden. Wenn nun die schwierige Stelle Diog. Laert. IX 18 außerdem in zweifellos metrischem Sinne auch ἴαμβοι gegen Hesiod und Homer nennt, so war das früher unklar, zumal sich die vermeintlichen Iamben des frg. 45 D. als irrig erwiesen, und man glaubte u. a. eine Verwechslung mit einem von Diog. Laert. IX 20 erwähnten, sonst völlig unbekannten Iambendichter Xenophanes von Lesbos vermuten zu dürfen (Flach Gr. Lyr. 421, 9). Da fand aber U. v. Wilamowitz Comment. gramm. II 7, umsonst bekämpft von Wachsmuth Corpusc. II 57. 62f., bei Clemens von Alexandreia ein wirkliches Beispiel Xenophanischer Iamben genau des geforderten Inhalts, eigentlich einen ἐπῳδόςmit jener bereits im Margites verwendeten einfachsten Verbindung von daktylischem Hexameter und iambischem Trimeter. Gewiß gehörten diese Verse zu den Σίλλοι (frg. 14 D.). Ἴαμβοι als ihr Sondertitel (frg. 30 Crusius, vgl. o. Bd. V S. 2272, 14) oder als Nebenname der Σίλλοι (Sitzler Jahresber. CXXXIII 130f.) oder gar als Gesamtbezeichnung auch für die skoptischem ἐλεγεῖα (Wachsmuth a. O. 57f.) empfiehlt sich wohl nicht. – Anakreon (Crusius o. Bd. I S. 2035ff.), der leichtlebige höfische Sänger, beerbt mit eleganter Verflachung nicht nur die äolische Melik, sondern auch die heimische Elegik und Iambik des Archilochos. Das weitreichende Fortwirken seiner lyrischen Kunst will man außer im attischen Volkslied (Crusius S. 2045, 1; vgl. Bd. II S. 505, 60) und in den hellenistischen Anakreontea (vor allem katalekt. iamb. Dimeter = ἡμίαμβος) bereits in der Komödie (Crusius S. 2043, 6) wie auch der Tragödie (S. 2042, 43) des 5. Jhdts. erkennen. Daß die ἴαμβοι des Anakreon, stichische Trimeter (frg. 84), asynartetische (frg. 30. 82f.) und epodische Formen (frg. 88) neben ernsten Stoffen (frg. 84), zumal in der Jugend des Dichters, auch bitteren Spott, ja unflätige Schmähung enthielten, hat Crusius (S. 2036, 60. 2042, 50) gebührend betont. Das besterhaltene skoptische Lied auf Artemon (frg. 21, 3ff.) zeigt bezeichnenderweise den iambischen Dimeter mit äolisch choriambischen Reihen strophisch verbunden (Crusius S. 2043, 17; vgl. Bd. II S. 505, 30).
Inzwischen hatte die altionische Iambik schon um 545 ihren dritten und letzten Klassiker gefunden in Hipponax von Ephesos (Gerhard o. Bd. VIII S. 1890ff.), der mit seiner extrem realistischen, gröblich schimpfenden Proletarierpoesie von der Höhe wirklicher Kunst auf die Gasse hinabsteigt, aber gerade dadurch auf die ganze Folgezeit einen mächtig packenden Einfluß ausgeübt hat. In erneuter enger Fühlungnahme mit Volksleben (Gerhard S. 1900, 44) [658] und Kult (S. 1895, 25) führt er vom iambi-Trimeter wie vom trochäischen Tetrameter die tieferstehenden ,hinkenden‘ (χωλόν, σκάζων), d. h. schleppenden Bildungen ein, als deren Wesen man unrichtig immer wieder eine Knickung des Rhythmus betrachtet (Pelckmann a. O., der auch die Literatur gibt. Gerhard o. Bd. VIII S. 1895, 36). Neben ihnen, aber niemals mit ihnen untermischt (Gerhard 1894, 58), pflegt Hipponax weiter die ,geraden‘ Archilochischen Formen. – Ananios (Crusius o. Bd. I S, 2057), dessen Schatten in der Überlieferung mit Hipponax unlöslich verknüpft ist (über den Prioritätsstreit Gerhard o. Bd. VIII S. 1895, 8), teilt seine charakteristischen Maße. Die ironische Gastronomie seines größten trochäischen Fragments (frg. 5) nahm man irrtümlich ernst (Gerhard S. 1901f., vgl. 1894f.).
Auf ein frühes Vorkommen von Iamben bei den Dorern, wie es doch schon durch die Komödie Epicharms vorausgesetzt wird, hat man bisher gemeinhin wenig geachtet. [Doch s. v. Wilamowitz Comment. metr. II 301. Den mit dem Keer Simonides gleichzeitigen Meliker Timokreon von Rhodos, der in seinen Skolien (PLG III⁴ 536) gegen Themistokles bittere Angriffe richtet und von Suidas fälschlich ein alter Komödiendichter genannt wird, durfte Teuffel Pauly R. E. IV 17 deswegen noch nicht als I. im technischen Sinne bezeichnen. Höchstens ließe sich von μελίαμβοι reden, wenn dieser Name nicht erst viel später bei Kerkidas auftauchte (u. S. 667, 47). Sicher aber gehören hierher die von Ath. V 181C erwähnten Syrakusanischen Chöre der ἰαμβισταί, und wenn es von dem vielerörterten, nach Susemihls treffender Bemerkung (Al. Lit. II 578, 9) etwa ins 6. Jhdt. v. Chr. weisenden Antheas von Lindos (unergiebig der Art. von Kaibel o. Bd. I S. 2360) bei Ath. X 445 B heißt, daß er in dionysischem Gewand seinem Schwarm von φαλλοφόροι Komödien καὶ ἄλλα πολλὰ ἐν τούτῳ τῷ τρόπῳ τῶν ποιημάτων (sc. mit σύνθετα ὀνόματα) .vorsang‘ (ἐξῆρχε), so hat man da nicht nur mit Susemihl a. O. (gegen Rohde Gr. Rom.² 266 A.) an Poesie (nicht Prosa), sondern wahrscheinlich genauer mit Hartung Babr. 191 an Iamben zu denken (vgl. über Asopodor von Phlius o. S. 653, 60). Ein spottender Iambiker war endlich anscheinend auch der von Epicharm frg. 88 Kb. genannte Aristoxenos von Selinus (so auch Crusius N. Jahrb. XXV 83, 1; allzu skeptisch der Art. von Kaibel o. Bd. II S. 1056). Beruht auch an der verderbten Stelle die Einführung des ,alten Stils‘ (ἀρχαῖος τρόπος) der ἴαμβοι durch Aristoxenos nur auf Vermutung, so redet doch das einzige, von Kaibel Com. Gr. I 1,87 mit Unrecht verdächtigte (Crusius S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 59, 2) Bruchstück des Mannes, ein die ἀλαζονεία der Wahrsager verhöhnender anapästischer Tetrameter eine deutliche Sprache.
Auf dem stammverwandten attischen Boden hatten Elegie und Iambos bereits zu Anfang des 6. Jhdts. ihren folgenreichen Einzug gehalten durch den herrlichen Solon von Athen, der seinem Land nicht nur die Verfassung, sondern auch die Dichtung begründet (Crusius o. Bd. II S. 505, 32. V S. 2271, 15). Wie in der Politik seinem [659] umstürzend fortschrittlichen Geist die gerechte σωφροσύνη des Weisenalters das Gleichgewicht hält, so übernimmt er zwar alle die subjektiven Archilochischen Verse, Elegeion, Trochados (Tetrameter), Iambos (Trimeter), Epode (nur durch Diog. Laert. I 61 bezeugt), benutzt sie aber in edler Harmonie von Inhalt und Form nicht sowohl zum Angriff als zu maßvoller Abwehr, Warnung, Belehrung. – Mit dem
III. Fünften Jhdt. reißt der freie ionische ἴαμβος nahezu ab, aber nur, um in die frisch erblühenden großen dramatischen Kunstwerke aufgenommen zu werden und vermittels dieses Durchgangsstadiums einer erweiterten, und verfeinerten Zukunftsentwicklung entgegenzugehen. Die Metrik hat von nun an neben dem eigentlichen ἰαμβικός die drei neuen Charaktere des σατυρικός, τραγικός und κωμικός zu notieren (Schol. Hephaest. S. 281, 25 Consbr. Christ Metr.² 321f.). Für den ersten von ihnen haben uns jetzt die Sophokleischen ,Spürhunde‘ die überraschende Erscheinung des akatalektischen iambischen Tetrameters ohne reguläre Diärese gebracht (XII 2ff. v. Wilamowitz N. Jahrb. XXIX 453). Wie sich die beiden letzten, zwischen denen jener vermittelt, später einander annähern und wie sie sich praktisch wieder vom Drama losmachen, das wird die Geschichte der Genera zeigen.
Den Anfang muß die Komödie machen, die an den Iambos geradlinig anknüpft und auch mit ihrer chorlosen dorischen Vorstufe, dem Drama des Epicharm von Syrakus (Kaibel o. Bd. VI S. 34ff.) bereits um die Wende des Jahrhunderts auf den Plan tritt. Inhaltlich herrscht hier, wiewohl z. B. Ananios zitiert wird (Gerhard Phoin. 202, 4), nicht die spottende Invektive, sondern jene zahmere teils parodische, teils mimisch-realistische Humoristik, wie sie bereits der Margites des ,Homer‘ zeigt (vgl. Aristot. Poet. 4 p. 1448 b 38), wie sie mit Krates in der altattischen Komödie hervortritt (Aristot. Poet. 5 p. 1449 b 7) und in der mittleren die Herrschaft ergreift. Metrisch wiegt neben (Anapäst und) iambischem Trimeter der trochäische Tetrameter vor, für den der Name Epicharm geradezu typisch werden sollte. Beachtung verdient es, daß hier die Bühnendichtung, und zwar im letztgenannten Maß, schon so früh jene sekundäre philosophisch lehrhafte Anwendung findet, wie sie in der Folge sämtlichen Arten des Dramas zuteil wird. Es handelt sich um die trochäischen Lehrgedichte, welche man dem angeblich pythagoreisierenden Epicharm bereits seit dem 5. Jhdt. unterzuschieben begann (Kaibel o. Bd. VI S. 39, 59 mit Wilamowitz Eur. Her. I¹ 29f., 54 gegen Rohde Psyche II² 259, 1 und Diels Sibyll. Bl. 34, 1. v. Wilamowitz Textgesch. d. griech. Lyr. 24ff.). Genannt seien hier außer dem carmen physicum (περὶ φύσεως) nur die auf den Flötenspieler Chrysogonos (Merkjahr 408: Kirchner o. Bd. III 2512) zurückgeführte Πολιτεία und der Grundstock der nachher immer weiter wuchernden paränetischen Spruchsammlung der Γνῶμαι. [Deren Echtheit verspricht zu erweisen Crönert Herm. XLVΙΙ 4028.] Die wirkliche κωμῳδία war nur in Attika [660] möglich. Sie erscheint als echt attisch-ionisches Produkt, wenngleich die Phlyakenfigur ihres Schauspielers aus dorischem Gebiet importiert ist. Das verrät sich rein äußerlich etwa darin, daß man dem apokryphen Susarion, der die Komödie von Megara nach Attika herübergebracht haben sollte, nichts andres als einen richtigen ionischen Iambos, eine dem Volk vorgetragene ῥῆσις mit dem in dieser Form altpopulären Thema der Misogynie beizulegen wußte (Kaibel Com. I 1, 77. Kock CAF I 3), ja daß eine Scholiastennotiz (Schol. Dionys. Thr., Crameri An. Ox. IV 316) diesen selben Susarion geradezu zum Erfinder des ἴαμβος macht. Das tritt auch bezeichnend hervor, wenn Hermippos (Körte o. Bd. VIII S. 844f.), ein Dichter mitten aus der altattischen Komödie, gleichzeitig noch Iambograph im Archilochischen Sinn ist und seine übrigens auch gerichtlich durchgeführten politischen Angriffe in iambischen und trochäischen Ἴαμβοι äußert. Die κωμῳδία ist in Wahrheit nur eine spontane, aber völlig parallele Neuauflage der alten ionischen Iambik. Genau wie diese erwächst sie aus den Neckliedern vom phallischen Umzug (vgl. die von Semos bei Ath. XIV 622 CD zitierten cantilenae phallophororum und ithyphallorum frg. 8. 7 Bgk., PLG III⁴ 657, auch den ἰθύφαλλος auf Demetrios Poliorketes ebd. 674ff. frg. 46) zu Ehren des Dionysos und vom Kult der Demeter (Crusius o. Bd. II S. 505, 37), doch war sie dabei in der glücklichen Lage, formell die durch Solon (und Anakreon 1|Anakreon) vermittelten Muster der älteren Schwester benutzen zu können. Dieser Zusammenhang, den schon die Alten ausdrücklich vermerkten (Aristot. Poet. 4 p. 1449 a 4), ist mit Händen zu greifen, wenn Kratinos einem Stück den Namen Ἀρχίλοχοι beilegt (frg. 1ff. K.), wenn ein Menschenalter später Eupolis und Aristophanes gern den Ananios bezw. Hipponax erwähnen (Gerhard o. Bd. VIII S. 1904, 22), wenn Aristophanes in den Fröschen (384ff. 416ff.) mit iambischen Kurzversen direkt eine Nachbildung der Demetermysterien gibt (Crusius o. Bd. II S. 504, 10).
Die komplizierte Frage nach der Entstehung der Tragödie, die ja mit der staatlichen Aufführung der Komödie um beinahe zwei Generationen voraufging, hat man an der Hand der antiken Notizen und der Funde der Neuzeit folgendermaßen zu lösen. Der chorische ursprünglich allein herrschende Bestandteil entstammt dem peloponnesischen Dithyrambus, dessen burleske Grundlage, die wirkliche τραγῳδία, rudimentär noch im Satyrspiel fortlebt, während er selber im Lauf der Entwicklung ,ernst ward‘ und dabei statt des ,tanzmäßigeren‘ trochäischen Tetrameters den ,sprechmäßigeren‘ iambischen Trimeter annahm (Aristot. Poet. 4 p. 1449 a 22; falsche Umkehrung bei Suid. s. Φρύνικος). Dazu trat als zweites, erst allmählich gleichberechtigtes Element der Dialog, indem Thespis (534) mit seinem ersten Schauspieler, wie wir jetzt annehmen dürfen, dem Silen (v. Wilamowitz N. Jahrb. XXIX 409), zum Satyrchor den Archilochischen ,recitator des ionischen iambos‘ hinzufügte (v. Wilamowitz Eur. Her. I¹ 86). [Auf einen iambischen Sprechvers bereits im Satyrdithyrambos des Peloponnes schließt aus [661] dem ,dorischen ᾶ im Trimeter und Tetrameter der attischen Tragödie‘, Hoffmann Rh. Mus. LXIX 244ff. Vgl. v. Wilamowitz N. Jahrb. XXIX 471.] Dabei iet nicht zu vergessen, daß auch die eigentliche lyrische Urtragödie sekundär an spezifisch attische Kultbräuche Anlehnung fand. Was im Anschluß an Crusius (zuletzt N. Jahrb. XXV 81f.) Dieterich Archiv f. Religionsw. XI 174ff. über die wichtige Aufnahme der einheimischen Totenklage dargelegt hat, das finden wir, auch wenn sich jene nicht an den Dienst des Dionysos anknüpfen läßt (Nilsson N. Jahrb. XXVII 617), vom formellen Standpunkt der Iambik bestätigt. Wir lernten oben (S. 655, 13) alte sprichwörtliche Trimeter mit ernst religiösem chthonischem Inhalte kennen, und auf die Iamben der älteren Aischyloschöre als das hergebrachte attische Maß der naenia wies v. Wilamowitz gelegentlich hin (Comment. metr. II 28f. 32f.; N. Jahrb. XXIX 473; 2 vgl. Bethe Proleg. z. Gesch. des Theaters 36. Nilsson N. Jahrb. XXVII 628). Aus volkstümlichen Wechselgesängen leitet man mit Wahrscheinlichkeit auch die Stichomythie ab (v. Wilamowitz N. Jahrb. a. O.). Siehe übrigens auch Schol. Hephaest. S. 116,10 Consbr. ἴαμβος δὲ οὐ πᾶς ἐστι λοίδορος, ἀλλ’ ἔστι καὶ εὐσεβής· ἐν κωμῳδίᾳ μὲν γὰρ στωμύλλεται καὶ λοιδορεῖ, ἐν δὲ τραγῳδίᾳ πενθεὶ, ἔσθ’ ὅτε δὲ καὶ ὕμνοι γράφονται τούτῳ, ὥστε καὶ εὐσεβής.
IV. Das vierte Jhdt. bildet naturgemäß auch in der Geschichte des Iambos eine Art Übergang von der klassischen zur hellenistischen Zeit.
Für die ἰαμβικὴ ἰδέα lassen sich bestimmte Vertreter noch nicht fassen. Über die ,attische Iambendichterin‘ Moschine (Ath. VII 297 B), deren Enkel Hedylos ebenso wie seine Mutter Hedyle elegische Epyllien, daneben aber auch akoptische Epigramme verfaßt (s. die Art. von Radinger o. Bd. VII S. 2592ff.), fehlt uns ein näherer Bericht, und choliambische Schmähverse des sophistischen Rhetors Theokrit von Chios (über Iamben in seinen Chreiai unten S. 670, 38) bleiben ganz problematisch (Gerhard Phoin. 150f. 210, 4. 289). Dennoch müssen wir bereits für diese Epoche ein beginnendes Wiederaufleben des alten spottenden Iambos, vor allem des Skazon vermuten. Den nächsten Anlaß gab jene starke Bewegung, welche der ganzen folgenden iambischen Entwicklung mit ihren Stempel aufdrücken wird, die von Sokrates angeregte praktische Lebensphilosophie, vor allem ihre radikalste und gleichzeitig volkstümlichste Seite, der Kynismos. Worin sich die Popularphilosophen niedrigen Schlages dem Archilochos und noch mehr dem Hipponax wahlverwandt fühlten, wurde schon o. Bd. VIII S. 1906, 18 gesagt: im proletarischen Bettelcharakter und in der rücksichtslosen Schärfe des Freimuts. Hier seien noch genauer einzelne gemeinsame Züge genannt: die obszöne αἰσχρολογία, die bei den I. kultisch fundiert war (Crusius o. Bd. II S. 504, 28), die Verhöhnung der eigenen Eltern (o. Bd. VIII S. 1902, 42; vgl. Geffcken Kynika 55f.; N. Jahrb. XXVII 405), die Polemik gegen gewisse Menschenklassen wie Wahrsager (Archil. frg. 104, vgl 101 Cr. Hippon. frg. 2), Parasiten (Archil. [662] frg. 78ff.), Kinäden (Archil. frg. 58. Crusius o. Bd. II S. 489, 33. Gerhard Phoin. 203, 6. – Semon. frg. 18. 16. Bergk PLG II⁴ 459. – Hippon. frg. 108. 114. Gerhard o. Bd. VIII S. 1902, 9. Vgl. Geffcken N. Jahrb. XXVII 410, 9), die typische generelle Beschimpfung des weiblichen Geschlechts (Gerhard Phoin. 203, 6. Hippon. frg. 29. Geffcken N. Jahrb.. XXVII 410).
Zum Drama übergehend dürfen wir zunächst eine weitere Pflege der Epicharmischen Gnomik erwarten. Auf unsem Zeitraum, wo Axiopistos (Kaibel o. Bd. II S. 2628) das Corpus der Γνῶμαι redigierte, gehen die entsprechenden Fragmente zurück, die uns zwei frühptolemäische Hibeh-Papyri (I 1. 2) gebracht haben (Gerhard Phoin. 254f.; Χάρητος Γνῶμαι 8), Von den gleichzeitigen und analogen paränetischen Tetrametern des Chares ist nachher zu reden. Ins nämliche Versmaß wurde anscheinend gegen Ende des Jahrhunderts durch Skythinos von Teos, einen Landsmann und vielleicht auch Verwandten des Anakreon (Crusius o. Bd. I S. 2035, 59. 2044, 66), die Herakitische Lehre gebracht (Diels Poet. philos. 169).
Die attische Tragödie war mit Euripides der inneren Zersetzung verfallen. Von der reflektierenden Aufklärung der Sophistik erfüllt, hatte er die Heroengestalten zu Alltagsmenschen gemacht und nur unter dem sakralen Zwang den letzten entscheidenden Schritt zum völlig profanen Schauspiel noch nicht gewagt.
Die Vollendung fiel der Komödie zu. Auch sie hatte seit dem Zusammenbruch des attischen Reiches durch die Entziehung der παρρησία und des kostspieligen Chors den Boden verloren und tastete sich fürs erste durch das Zwischenstadium der μέση), bereits mit Anlehnung an die dramaturgische Kunstform des Euripides, weiter, bis sie schließlich in der νέα), vor allem des Menander, zum richtigen bürgerlichen Drama gelangte. Fast mag man sich wundern, daß noch diese neue Komödie des Archilochos und des Hipponax gedachte, die ja Diphilos in seiner Sappho als deren rivalisierende Liebhaber auftreten ließ (Crusius o. Bd. II S. 506, 19. Gerhard Bd. VIII S. 1904, 49).
Der inneren Zersetzung der Euripideischen Tragödie mußte die äußere folgen. Ihre glänzenden gnomischen Stellen forderten das dafür begeisterte Publikum zur exzerpierenden Sammlung in Blumenlesen auf, wie wir sie jetzt nach den Funden der Papyri mit Sicherheit fürs 4. Jhdt. annehmen dürfen. Zwei jüngere von diesen Texten (2. Jhdt. v. Chr.), die Berliner Papyri 9772f. (Berl. Klassikertexte V 2, 123. 129), beide bezeichnenderweise περὶ γυναικῶν handelnd, bieten bereits einen weiteren Kreis. Im ältesten Paar aus dem 3. Jhdt. dagegen (P. Petr. I 3, 1. Hib. I 7, dazu Körte Arch. f. Papyrusf. VI 233) beschränkt sich das iambische Element, charakteristisch genug, auf Euripides neben Epicharm.
Und das Schicksal Epicharms hat sich auch insofern noch im 4. Jhdt. bei Euripides wiederholt, als hier im Anschluß an diesen, entsprechend jenen Γνῶμαι in trochäischen Tetrametern, ein analoges paränetisches Spruchgedicht in iambischen Trimetern verfaßt ward. Es stammt von [663] einem Chares (von dem wir auch trochäische Tetrameter kennen) und hat sich in einem Heidelberger Papyrus gefunden (Gerhard Χάρητος Γνῶμαι S.-Ber. Akad. Heidelb. 1912, 13. Abh.). Wenn sich da ein früher als Tragiker betrachteter Mann als armseliger Schulreimer herausgestellt hat, so wird man einen ähnlichen Tausch künftig auch für verwandte Fälle wie etwa jenen Hippothoon (Maass o. Bd. VIII S. 1924f., vgl. Gerhard S. 1893, 26) mit seinen ,Trimetern trivial-sentenziösen Inhalts‘ (FTG 827) in Aussicht nehmen müssen.
Bisher war nur von der allgemeinen volkstümlich lehrhaften Ausbeutung der Tragödie die Rede. Doch es kommen auch die Philosophen selbst in Betracht. Wie gern sie in ihren prosaischen Vorträgen und Schriften Verse, zumal tragische, und hier wieder vorwiegend Euripideische, sei es wörtlich, sei es ernst oder scherzhaft verändert oder wohl auch selbständig erweitert, zitierten, ist bekannt (Gerhard Ph. 231ff. Geffcken Kyn. 50; N. Jahrb. XXVII 402f.).
Und Philosophen übernehmen sogar eigens die Rolle dramatischer Richter. Die hergehörigen Namen und Werke, auch komische, bei Gerhard Ph. 234, 5. Selbst ein Satyrspiel (Lykophrons) nimmt sich später einen Philosophen (Menedemos) wenigstens zum Vorwurf. Das wichtigste für unsern Zweck ist es, daß die Überlieferung (Diog. Laert. VI 80) keinem Geringeren als dem Diogenes von Sinope (über scheinbare Iamben bei Antisthenes Gerhard Ph. 232, 5) sieben τραγῳδάρια anscheinend in iambischen Trimetern und mit lustig ernster Entwicklung krasser kynischer Paradoxa vindiziert, daneben freilich als wahren Verfasser den Diogenesschüler Philiskos von Aigina anführt (Gerhard Phoin. 234ff.). Die nähere Anlage dieser eigenartigen Stücke kennen wir nicht; aber sicher waren sie nicht zur Aufführung, sondern nur zum Vortragen oder Lesen bestimmt, geben uns also das früheste Beispiel der nachher wiederkehrenden Schein- oder Pseudo-Tragödie.
Noch andre bemerkenswerte iambische Auszweigungen der Tragödie bietet unser Zeitraum, zunächst in der Richtung des Epos, dessen Fortsetzung durch die τραγῳδοδιδάσκαλοι bereits Aristoteles (Poet. 4 p. 1449 a 5) hervorhebt. Der διηγηματικὴ μίμησις, der Erzählung, die uns im nächsten Abschnitt weiter beschäftigen wird, machte der Tragiker und Komiker Chairemon (Art. von Dieterich o. Bd. III S. 2025) in seiner ,sämtliche Metra mischenden‘ Rhapsodie Κένταυρος (Aristot. Poet. 1 p. 1447 b 21. 24 p. 1460 a 2) zweifellos mit auch den Trimeter dienstbar.
Einen Hymnos (o. S. 661, 30) auf Pan im nämlichen Maß dichtet (Ath. X 455 A) Kastorion von Soloi (PLG III⁴ 635f.) und zwar mit Wortende am Schluß jeder Dipodie (Susemihl II 518) so daß diese, die überdies regelmäßig elf Buchstaben zählen, beliebig umgestellt werden können. Solche metrisch grammatische Spielerei, wie sie übrigens schon im 5. Jhdt. in der ,Buchstabentragödie‘ des (Komikers?) Kallias (Christ-Schmid I 392, 2) eine Art von Vorgänger hatte, veranlaßte Bergk, dem gleichen Kastorion [664] auch eine von Ath. X 455 B weiter mitgeteilte inhaltlose Probe jener ,anakyklischen‘ Trimeter aufs Konto zu setzen.
Anreihen können wir endlich ein andres, auch gern künstelndes Genus, das aber im iambischen Maße jedenfalls altpopulär war (s. Carm. pop. 35ff., III⁴ 669 Bergk) und in der Tragödie wie in der Komödie wetteifernde Pflege erfuhr (s. Ath. X 448ff.), das Rätsel. Spätestens ins 4. Jhdt. muß, weil vom Peripatetiker Klearch von Soloi zitiert (Ath. X 452 C), der aus vier Trimetern bestehende griphus popularis eines sonst nicht bekannten Panarkes (Pantarkes? Crusius Anth. Lyr. XXXVII; vgl. v. Wilamowitz Textgesch. d. griech. Lyr. 40, 3) gehören, den Hiller (Anth. Lyr.⁴ 131 Cr., vgl. Bergk PLG III⁴ 668) zwischen Euripidee und Hermippos gesetzt hat. – In der Alexandriner-zeit, von der wir zunächst
V. Das dritte und zweite Jhdt. betrachten, wirkt zur Erneuerung des altionischen Iambos und vornehmlich Skazon mit dem schön gewürdigten popularphilosphischen Antrieb die neue gelehrte Richtung zusammen. Von iambisch-trochäischen Epoden in dorischem Dialekt weist hierher ein nicht näher erkennbares Papyrusfragment (P. Oxy. IV 661). Die alexandrinische Neigung zur Kleinkunst reduziert jetzt wie die Elegie so auch den Iambos gern auf die epigrammatische Kurzform.
Politische Invektive ist um 200 durch die λοίδοροι ἴαμβοι (καὶ ἐπιγράμματα Euseb. praep. ev. X 3, 23) des Alkaios von Messene (Reitzenstein o. Bd. I S. 1506) vertreten. Den gleichzeitigen Samos oder Samios (Susemihl II 546f.), Epigrammatiker und Freund des makedonischen Philipp, darf man wegen des einzigen parodischen Euripideszitats (Polyb. V 9, 5) noch nicht mit Teuffel als I. behandeln. Wie Dionysios, der Lehrer des Aristophanes von Byzanz, Philologe und Dichter (Knaack o. Bd. V S. 915 Nr. 93) zum Beinamen Ἴαμβος kam, wissen wir nicht. Die angebliche ἰαμβικὴ Μοῦσα eines der Zeit des Mithradates Eupator vindizierten Charinos (Crusius o. Bd. III S. 2144), als dessen Stoßseufzer nach seinem Sturz vom Leukämischen Felsen vier bittere Hinkverse an- feführt werden, stellt sich als Fälschung des Ptolemaios Chennos heraus. Sonst liegt die ἰαμβικὴ ἰδέα fast ausschließlich in der Hand der Philosophen, zwischen deren verschiedenen Sekten prinzipielle und persönliche Reibereien bekanntlich an der Tagesordnung waren (Gerhard Phoin. 214f. Rohde Gr. Rom.² 268 A. Geffcken Kyn. 57; N. Jahrb. XXVII 403f.). Die vorderste Stelle verdient da der Skeptiker Timon von Phlius (vgl. Geffcken N. Jahrb. XXVII 409f.). Neben der Philosophenverhöhnung seiner hexametrischen Σίλλοι nennt die Überlieferung (Diog. Laert. IX 110) ausdrücklich eigentliche ἴαμβοι, die man mit Unrecht wegkonjizieren oder umdeuten wollte (Gerhard Phoin. 243, 5). Drei spottende Trimeter auf Herakleides vom Pontes hatte Dionysios der Überläufer (v. Arnim o. Bd. V S. 973f.) in der Akrosticha seines dem Sophokles untergeschobenen Parthenopaios versteckt (Diog. Laert. V 93. Diels Sibyll. Bl. 34). In Hipponakteen gibt [665] es einen groben Angriff auf scheinheilige Stoiker von einem frühestens ins 3. Jhdt. fallenden Hermeias von Kurion (Maas o. Bd. VIII S. 732 Nr. 10). Der nämlichen Zeit weist Gerhard Phoin. 2188. (vgl. Christ-Schmid I 126, 4. n 35, 4. 121, 4. Crusius S.-Ber. Akad. Mttnch. 1910, 83f.) jenen Diphilos (Crusius o. Bd. V S. 1152f.) zu, von dem man ein (wohl ebenso wie das erhaltene Distichon choliambisches) Hohngedicht auf einen Philosophen Boidas kannte. Bisher hatte man ihn ins 5. Jhdt. vor den Komiker Eupolis gesetzt. Ob sich endlich ein von Diog. Laert. V 85 als ἰάμβους γεγραφώς und πικρὸς ἀνήρ erwähnter Demetrios (Crusius o. Bd. IV S. 2805 Nr. 71) vielleicht als der strenge Kyniker (Gerhard Phoin. 170) Demetrios von Alexandreia, Enkelschüler des Metrokles (v. Arnim o. Bd. IV S. 2842 Nr. 88) ansehen ließe, mag hier wenigstens zu fragen erlaubt sein.
Als direkter Hipponax redivivus trat der tonangebende Stimmführer Kallimachos im hinkenden Teil seiner Ἴαμβοι auf, von denen man früher sonst nur noch gerade Trimeter hatte, unter denen aber jetzt der wertvolle, nur leider zu stark zerstörte Oxyrhynchos-Papyrus (VII 1011) auch trochäische Tetrameter (v. 369ff.) und zwar ,ohne die legitime Diärese‘ aufweist. Der Fund bestätigt, was man vorher schon ahnte (Gerhard Phoin. 221f.), daß der dem persönlichen Angriff abholde Autor (Christ-Schmid II 97) lediglich literarische Kritik und Polemik geübt und dabei altpopuläre Mittel des Iambos wie Fabel (v. 160ff. 211ff.) und Weisenchreia (v. 103ff.) verwandt hat.
Diese literarische führt uns zur moralischen Satire hinüber. Was wir Satire nennen, ist bekanntlich erst bei den Römern eine eigene Gattung geworden, und zwar seit Lucilius im Hexameter, wobei aber hier schon bemerkt sei, daß auch die älteste Satura des Ennius und selbst noch die des Lucilius in ihren frühesten Büchern unter anderen Metren Iamben und Trochäen benutzte (Skutsch o. Bd. V S. 2597, 43). Bei den Griechen ist die Satire über die verschiedensten formellen und sachlichen Kategorien verstreut, unter denen nun eben auch der Iambos seinen Platz hat (Geffcken N. Jahrb. XXVII 493). Im Hinblick auf die (zunächst prosaische) Darstellungsart handelt es sich um die neuerdings so vielgenannte, vorwiegend kynisch-stoische ,Diatribe‘, für die man als bezeichnend die Mischung von Scherz und Ernst, das σπουδαιογέλοιον betrachtet.
Das Großzügigste und Originellste leistet in dem Genus, das man ja nach ihm benennt, Menippos von Gadara. Inhalt und Anlage seiner Stücke sind neuerdings durch Helm (Lucian und Menipp) und Geffcken N. Jahrb. XXVII 469ff. erforscht. Daß unter den zahlreichen Maßen, die er mit der Prosa abwechseln ließ, auch Trochäen und Iamben, gerade und hinkende waren, darf man aus der römischen Nachahmung des Varro von Reate erschließen (Gerhard Phoin. 241). Dabei nur an fremde, nicht eigene Verse zu denken (Geffcken N. Jahrb. XXVII 489, 2), liegt kein genügender Grund vor. Über den wahren Anteil von Menipps angeblichen Hintermännern (Diog. Laert.VI 100)), den beiden Kolophoniern [666] Dionysios (nachzutragen o. Bd. V S. 927) und Zopyros (zugleich Freund des Phliasiers Timon? Gerhard Phoin. 178, 3), wissen wir nichts. Menippeische Satiren sieht man jetzt meist auch in den σπουδαιογέλοια des zeitlich nicht sicher fixierbaren (Gerhard Phoin. 242, 1) Italikers Blaisos von Capreae (Kaibel o. Bd. III S. 556). Von Komödie spricht wieder Crusius S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 61, der dafür einen sprichwörtlichen dorischen Tetrameter in Betracht zieht. Noch vor Menipp steht der Schwager von dessen kynischem Lehrer Metrokles, der gebildete und humane Krates von Theben. Seine die kynische Lehre humorvoll empfehlenden παίγνια, die u. a. auf Solons Vorbild zurückgriffen, haben anscheinend Schule gemacht. Seine ἴαμβοι, mit Unrecht meist zu den Tragödien (u. S. 668, 50) gezogen (Gerhard Phoin. 237, 8), nähern sich zuweilen dem Typ des Epigramms (s. besonders frg. 14 Diels; anders Geffcken Kyn. 18). Von den bei ihm sehr wohl denkbaren Skazonten (Gerhard Phoin. 210) hören wir nichts. Ein trochäischer Tetrameter (des Chares, o. S. 663, 1) wurde ihm fälschlich zugewiesen von Bergk PLG II⁴ 372, der auch auf ihn (oder Zenon) zwei vom Stoiker Chrysippos (frg. 709a Arn.) zitierte Trimeter mit Gnomen bezog (ebd. 368 A.). An Krates reiht sich als weiterer Diogenesschüler Monimos, der ehemalige Sklave mit seinen jedenfalls poetischen παίγνια σπουδῇ λεληθυίᾳ μεμιγμένα (Diog. Laert. VI 83. Gerhard Phoin. 237). Ihn meinte wohl Teuffel a. O. 17, wenn er in seinem Verzeichnis griechischer Iambographen einen Monius (sic!) aufführt. In der Tat spricht wohl mit für Iambendichtung des Mannes der Umstand, daß er in dem Totentanz des Bechers von Boscoreale mit Archilochos, Euripides und Menander vereint ist (Winter Arch. Anz. 1896, 82. Michaelis Preuß. Jahrb. 1896 LXXXV 44f.).
In den choliambischen Zweig der populären Moralistik gewährte uns Einblick das durch einen Doppeltext aus London und Oxford ergänzte Florilegium eines Heidelberger Papyrus (310), in welchem mit Namen der früher nur ungenügend bekannte Phoinix von Kolophon auftritt (ed. Gerhard 1907. 1909). Seine vom Herausgeber (103f.) vermutete, aber meist abgelehnte Bekanntschaft mit dem in seiner Jugend stoischen Epigrammatiker Poseidippos von Alexandreia wird jetzt wieder von Körte Arch. f. Papyrus f. V 556 für ,immerhin sehr möglich‘ erklärt. Als charakteristisch ist mehr, denn bisher geschehen, die starke Volkstümlichkeit des Dichters zu betonen. Sein Krähenlied (frg. 1) stellt sich nach Inhalt und Form direkt neben die Εἰρεσιώνη und das Chelidonisma von Rhodos (o. S. 655, 20), und eine Parallele bietet zudem Hipponax (o. Bd. VIII S. 1900, 51), dem er auch im kleinen vieles verdankt (Gerhard Phoin. 201). Schon hiernach scheint es nicht rätlich, für Phoinix mit Bergk PLG III⁴ 695 an eine choliambische Behandlung der Leukippos-Leukophrye-Sage zu denken (vgl. o. Bd. VIII S. 1900, 64). Ob übrigens der Autor eines andern κορώνισμα, ein gewisser Hagnokles von Rhodos (nachzutragen o. Bd. VII S. 2208), entsprechend der Bergkschen Vermutung gleichfalls Iambograph [667] war, muß dahinstehen (Gerhard Phoin. 209, 6). Die übrigen Stücke des Phoinix verraten moralisierende Richtung: eine Weisenchreia von Thales (frg. 4, vgl. Kallimachos), eine Erzählung (frg. 2) und ein kurzes Paignion (frg. 3) von Ninos, dem Doppelgänger jenes durch sein Epigramm berüchtigten Sardanapal, die drastische Zeichnung eines Geizhalses (frg. 5). Hinzu kommt nun im Papyrus (v. 748.) der ἴαμβος auf die ungebildeten Reichen, während von den neuen anonymen Nummern die eine (v. 98ff.) ein wahrscheinlich päderastisches Sujet hat, die andre (v. 7ff.) gegen die αἰσχροκέρδεια ankämpft und dem nämlichen Ziel mit schärfer misanthropem Ton der London-Oxforder Text gilt. Man hat es bemängelt, daß darnach Phoinix auf Grund sicherer kynischer Topoi (Hense Berl. philol. Wochenschr. 1910, 1065) selber ,unter die Hunde versetzt‘ worden ist. Aber es bleibt im Grund eine Wortfrage, ob man ihn bloß als einen trivialen Allerweltsräsonnierer oder als einen Kyniker mildester Sorte ansehen will. So kommt jetzt Serruys Rev. phil. XXXVII 183ff. von neuem auf die letztere Formulierung zurück, die unmittelbar vor ihm (1628.) Vallette aufs eifrigste anfocht. Als mindestens allgemein moralisierend müssen auch die realistisch derb einen Säufer schildernden Skazonten des nicht genau datierbaren Parmenon von Byzantion (Gerhard Phoin. 211f.) anerkannt werden, von dem es im selben Metrum ein Schiffahrtsepigramm gibt (frg. 2 Mein. Gerhard 102).
Ein sicherer gemäßigter Kyniker begegnet uns endlich in Kerkidas von Megalopolis, der nun durch den wichtigen Papyrus von Oxyrhynchos (VIII 1082) endgültig festgelegt ist. Wir haben in ihm nicht mehr (wie noch Gerhard Phoin. 2058.) den mit Diogenes gleichzeitigen Älteren, sondern den als Arats Verbündeter und Freund 221 bei Sellasia mitkämpfenden Jüngeren seines Namens zu sehen. In Hinkiamben existiert von ihm nur der Anfangsvers (frg. 1 Bgk.) einer verschieden gedeuteten (vgl. Geffcken N. Jahrb. XXVII 410, 9) Erzählung von den syrakusanischen Kallipygoi. Alles übrige, das Alte wie das Neue, zeigt einen bisher nicht dagewesenen (vgl. o. S. 658, 31) Typus, betitelt μελίαμβοι, d. h. Satiren oder Moralpredigten in dorisch-lyrischen Formen (rein metrisch versteht den Namen Maas Berliner philol. Wochenschrift 1911, 1214f.). Als bezeichnende Themen erscheinen neben der Verherrlichung des Sinopensers (frg. 2. 3 Bgk.) der Kampf gegen die materielle Lebensauffassung und -führung (frg. 4ff. Bgk. frg. 3 des Pap.), die götterfeindliche Klage über Glück und Reichtum der Schlechten (frg. 1 Kol. IIff. Parallelen bei Gerhard Phoin. im Index), die sexuelle Frage der Liebe (frg. 1 Kol. IVf.).
Bisher haben wir die Iambik der Hellenisten unter dem Gesichtspunkt des altionischen Spottgeiste betrachtet. Dabei ist nun aber auch schon in dieser Reihe vielfach die Wirkung der dramatischen Muster in Rechnung zu stellen. Das gilt im höheren Sinn von der ἀρχαῖα κωμῳδία, welche, selbst eine Erbin der Ionier, mit ihrer lustig kühnen Phantastik das kynische σπουδαιογέλοιον, vorab die Menippeische Satire beeinflußt, das gilt formell von den beiden einander [668] so nahe gerückten Arten der Tragödie und der netten Komödie, deren Linien sich oft schon schwer unterscheidbar vereinen und kreuzen.
Näher erweisen soll das ein Blick auf die Weiterentwicklung des Dramas während dieses Zeitraums, wo jetzt auch die Römer die Bühnenwerke der Griechen mit wohlbegreiflicher größerer metrischer Freiheit in ihre Sprache übertragen. Um mit der dorischen Kunst zu beginnen, (so trifft man das unablässig fortarbeitende trochäische Lehrgedicht im Epicharmus des Ennius wieder (Skutsch o. Bd. V S. 2599, 36). Dem gleichen Los wie zuerst Epicharm und nach ihm die Tragödie des Euripides (o. S. 662, 62) beginnt nun auch Menander als Hauptvertreter des Lustspiels zu verfallen, der Auflösung vor allem nach der lehrhaften Seite. Die eigentlich dramatische Rolle übernimmt dann an seiner Stelle als niederste Gattung für die breiten Schichten des Volkes der Mimos, mit dem übrigens die Satire von Anfang an eine starke Ader gemein hat (Gerhard Phoin. 245. Reich Mim. 546, 4 u. ö.; DLZ 1903, 2687, der besondere Kapitel über ,Kynismos und Mimologie‘ sowie über ,Mimos und Satire‘ in Aussicht gestellt hat).
Eine Abart des Mimos, die Hilarotragodia des Rhinthon von Tarent, benutzt bereits um 300 den iambischen Trimeter, spielt wohl auch gelegentlich mit dem Skazon (Gerhard Phoin. 223, 11). Die vermeintliche choliambische Komödie eines Kritias von Chios hat sich längst als bedauerlicher Irrtum erwiesen (o. Bd. VIII S. 1892, 56). Aber wirklich dramatischem Zwecke dienstbar wurde das μέτρον χωλόν durch Herondas von Kos (Art. von Gerhard o. Bd. VIII S. 1080ff.), der für seine realistischen Varieteszenen im Anschluß an Hipponax, aber natürlich auch die Komödie mit gutem Erfolg die neue Form des μιμίαμβος einführte. Auch die echte prosaische Hypothesis, wie sie uns aus späterer Zeit in dem Doppelfund eines Oxyrhynchos-Papyrus begegnet (Crusius Herond.⁵ 101ff.), streut wenigstens iambische Trimeter und trochäische Tetrameter ein (Χαρίτιον v. 96ff., s. auch Reich Mim. 571).
Die philosophische Tragödie, wie wir sie vorhin (S. 663, 82) durch Diogenes bezw. Philiskos gepflegt fanden, erscheint, um von der Sophokles-Imitation des Dionysios Metathemenos, o. S. 664, 66, nicht mehr zu reden, wieder in den τραγῳδίαι ὑψηλότατον ἔχουσαι φιλοσοφίας χαρακτῆρα (Diog. Laert. VI 98) des Krates sowie in den Tragödien bezw. δράματα τραγικά des Timon (Diog. Laert. IX 110), der außer diesen und ,komischen Dramen‘ (s. u.) auch nicht zu bestreitende Satyroi schrieb (Gerhard Phoin. 243, 4). Gerade dieses Nebeneinander von Tragödie und Satyrspiel könnte zu dem Gedanken verleiten, ob nicht irgendwie hierher auch jene improvisierende ,Tarsische‘ Dichtung gehörte (Strab. XIV 674f.), von der uns neben zwei ,Tragikern‘ Diogenes (Dieterich o. Bd. V S. 737 Nr. 37: epikureischer Philosoph?) und Bion (Dieterich o. Bd. III S. 481 Nr. 5) ein σατυρογράφος Demetrios (Dieterich o. Bd. ΙΙ S. 2805 Nr. 73) angeführt wird.
Eine tragische Ausstrahlung großen Stils, freilich mit formellem Zurückgreifen auf den altionischen Iambos (v. Wilamowitz Eur. Her. [669] I¹ 136) ist es zu nennen, wenn der auch περὶ κωμῳδίας arbeitende alexandrinische Tragiker Lykophron die große schwergelehrte und rätselreiche Weissagungs-ῥῆσις der Alexandra verfaßt.
Vornehmlich an die Tragödie, aber daneben doch auch wieder ans komische Vorbild (Studemund Men. et Phil. Comp. 10. Geffcken N. Jahrb. XXVII 409) halten sich die kleineren trimetrischen Stücke, welche ernste Philosophen wie der Akademiker Krantor (mit Unrecht noch skeptisch Bergk PLG II⁴ 372) und dann die Stoiker Zenon, Kleanthes, Ariston von Chios ihren Prosaschriften einlegen (Übersicht bei Gerhard Phoin. 239f; s. auch Jahn Pers. Proleg. LXV 2. Jacoby Philol. Unters. XVI 62, 4).
Was die Komödie angeht, so hatten wir schon vorhin neben den τραγικά die leider unklaren κωμικὰ δράματα des Timon von Phlius zu erwähnen. Mit ihnen verglichen, erscheinen vielleicht doch auch die angeblichen analogen Produkte Menipps (Suid. Gerhard Phoin. 241, 6) glaubhafter, als man bisher gemeint hat. Daß auch Krates komische Iamben nicht unbenutzt ließ, dafür mag ein Hinweis auf Gerhard Phoin. 142, 3 genügen.
Wir deuteten an, daß genau wie einst aus Epicharm und dann aus Euripides, so jetzt auch aus der νέα des Menander Sentenzen ausgehoben und zu Spruehgedichten zusammengestellt wurden. Herrschend ist der Einzelvers in der typischen Form der Γνῶμαι μονόστιχοι Μενάνδρου. Sie enthalten neben wirklichen Zitaten aus Menander und anderen Komikern, auch Tragikern, auch z. B. dem planmäßig geplünderten Gnomiker Chares (Gerhard Χαρ. 9f.) eine immerzu wachsende Fülle junger Neu- und Nachdichtungen oder besser -Versifizierungen, welche sich allmählich systematisch auf das ganze vorhandene ,Weisen‘-Spruchgut erstreckten. Die Ordnung der Gnomen erfolgt alphabetisch. Man hat diese Art von Akrostichis bisher auf den semitischen Orient zurückführen wollen, von dem sie zuerst die christliche Kirchenpoesie übernehme (Graf o. Bd. I S. 1202, 13), und tatsächlich stammten die früher bekannten gnomischen Alphabete erst etwa aus dem 4. Jhdt. n. Chr. (Gerhard Phoin. 275). Indessen die neueren Funde, u. a. der nachher zu besprechende frühptolemäische 2. Komödienprolog von Ghorân (Demiańczuk Suppl. Com. 108f.), zwingen uns, den Ursprung des auch von den ,Sotades‘-Sprüchen (Gerhard Phoin. 244, 5) befolgten Prinzips bei den Griechen selber zu suchen (so schon Gerhard Phoin. 275, 3), und zwar in der Schule. Schultexte, Schülerübungen, besonders ägyptische, auf Papyri, Holz- und Wachstafeln, Ostraka, selbst Ziegeln, behandelt in der Diss. von Beudel, Münster 1911, und von Ziebarth Lietzmanns Kleine Texte 1913, Heft 65² praktisch gesammelt, sind es, in denen sich diese triviale, z. T. gewiß von den Schülern selber geübte (Beudel 54, 3) Pseudo-Menandrische Iambendichtung breit macht. Neben der Sentenz steht da die Mahnung (nr. 11. 18. 36. 42 a Zb.), neben dem Monostichon (nr. 10. 42 a. 48 S. 8) die Gruppe zu zweien und dreien (nr. 14f.). Daß auch Euripides mitspricht, in dem mit Prometheus anhebenden Thema von den Weibern [670] (nr. 39), wird uns nicht wundern. – Im Boden solcher spät anonymen Populardichtung wurzeln auch manche von den iambischen Sprichwörtern (Bergk PLG III⁴ 738. Crusius Gött. gel. Anz. 1889, 173ff.; S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 63f.), welche daneben uralte Perlen enthalten (o. S. 655, 13). Trochäische Entsprechung z. B. Bergk PLG III⁴ 679. Über choliambische Proverbien Gerhard Phoin. 95. 216, 2.
Ein weiterer iambischer Ableger der Komödie bietet erzählenden Charakter. Voranstehen mag die uns erst durch den 2. Ghorân-Papyrus nahegetretene Spezies des freien, nachträglich fabrizierten, gern in schulmeisterliche Künstelei verfallenden Pseudokomödienprologs, aus dem Michel De fabularum Gr. argum. metr., Gießen 1908, 46 mit Recht die noch mechanischere Form der Dramen-Hypothesis ableitet.
Wohltuend kontrastiert damit der gleichfalls durch die Komödie angeregte Typus der iambischen Chreia, der bald nur witzigen, bald nur lehrhaften, bald in mannigfacher Abstufung beide Elemente verbindenden Anekdote (Gerhard Phoin. 248ff.). Bahnweisend scheinen hier die obszönen Parasiten- und Hetären-Χρεῖαι des alexandrinischen Komikers Machon in Trimetern gewesen zu sein (Gerhard 250, 2). Auch von choliambischen Fassungen haben wir Spuren (Gerhard 283f.). Die ernste Sorte, wie sie (einem lebhaften Bedürfnis der populären Philosophie und der Schule entsprach, hat gleichfalls gern die Form des Iambos benutzt. Proben geben uns wiederum die Schülertexte der Papyri, z. B. eine mythologische von Ikaros (nr. 45, 9f. Ziebarth) oder die vom Weisen Anacharsis (nr. 44). Auch sonst lassen eich mehrfach Ansätze zur Iambisierung von Chrien erkennen, u. a. beim Chier Theokrit (Crusius Philol. Anz. XV 636, vgl. Gött. gel. Anz. 1889, 173), vor allem aber bei Philosophen wie Krates (s. noch Bergk PLG II⁴ 371 zu frg. 21) und Diogenes (Gerhard Phoin. 279f. Packmohr De Diogenis Sinop. apophthegmatis qu. sel., Münster 1913, 34). Über die ja bereits bei Phoinix vertretene hinkende Spielart Gerhard 2808. Packmohr 60. – An die eigentliche Chreia reihen sich größere allgemeine moralische Geschichtchen, wie das in der Prosaauflösung eines Schulpapyrus erhaltene von des Vatermörders Bestrafung (nr. ) 38 Zieb.). Vgl. auch die ionische Prosaerzählung von der Strafe des Meineids, Stob. XXVIII 18, in welcher Haupt Trimeter suchte (Bergk PLG III⁴ 740f.). – Dagegen scheint in dieser Zeit noch die selbständige iambische Tierfabel zu fehlen, und keinesfalls wäre hier die früher wohl beliebte Ansetzung eines Babrios denkbar (doch s. Gerhard Phoin. 269). In Iamben belegen läßt sich wenigstens das naturhistorische Paradoxon (Crusius S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 63f., vgl. nr. 13. 17 a Ziebarth).
Öfter gebrauchten wir für die pointierte Kurzform des Iambos nach dem maßgebenden Beispiel der Elegie (Reitzenstein o. Bd. VI S. 90, 5, vgl. 79, 89) den Namen Epigramm. Wir dürfen erwarten, daß uns nunmehr, seit etwa 300 v. Chr., solche Kurziamben geradezu in Sammlungen von Epigrammendichteren begegnen. In der Tat finden sie sich bei Leonidas von Tarent (A. [671] P. VI 211. VII 455. XVI 182. 307. Stob. 120, 9), und zwar zeigt er für die gleichzeitig mit denselben Mitteln wirkende populare Philosophie mindestens Interesse, wenn er sich etwa, nach Geffcken (Leonid. 125f.; Kyn. 5f. 151) bereits von Menippos beeeinflußt, mit dem Kyniker Diogenes beschäftigt (A. P. VII 67) oder ein prosaisch vom Borystheniten Bion (Diog. Laert. IV 49) erhaltenes Bonmot in Trimeter faßt (Stob. 120, 9). So statuiert für ihn Geffcken, nach Pohlenz Χάριτες f. Leo 81 zu weitgehend, eigenen kynischen Anhauch. Eine choliambische Grabschrift für Hipponax, wie sie in Distichen auch Leonidas dichtet (A. P. VII 408), schreibt die Überlieferung (A. P. XIII 3; über die Echtheit o. Bd. VIII S. 1906, 1) dem Theokrit von Syrakus zu, von welchem auch das Schriftenverzeichnis bei Suidas Ἴαμβοι nennt.
Ein weiterer begreiflicher Schritt der gelehrten Poesie benutzt jetzt Iamben und Hinkiamben zur Erzählung, von der wir das leichtere moralische Genus oben verfolgten, auch im großen episch-mythologischen Stil (über verwandte Einzelstellen bei Archilochos Crusius o. Bd. II S. 500, 68, bei Hipponax Gerhard Bd. VIII S. 1900, 55). Hierher gehören von einem Aischrion aus Samos oder Mitylene (Knaack o. Bd. I S. 1063f.), den die Tradition, wohl zu früh, noch ins 4. Jhdt. verlegt, ein Glaukos-Epyllion in hinkenden Trochäen oder Iamben, ferner im letzteren Maß Ἔφεσίδες und vielleicht eine Verherrlichung Alexanders d. Gr. (Zeugnisse bei Gerhard Phoin. 217ff.). Vom gleichen gibt es in Skazonten ein apologetisches Grabepigramm für die Hetäre Philainis (Ath. VIII 835 C D). Passen würde auf ihn auch eine freilich den Byzantier Aischrion nennende Parömiographennotiz von der Wanderung der Λιμοδωριεῖς (anders Crusius S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 99). Denn gerade solche Gründungsgeschichten (κτίσεις) u. ä. sind uns von mehreren Alexandrinern in Choliamben bezeugt: von Asklepiades (Reitzenstein o. Bd. II S. 1625ff.) von Samos (Crusius bei Gerhard Phoin. 290), von Apollonios von Rhodos (Κάνωβος, Knaack o. Bd. II S. 126ff.), von Archelaos (Reitzenstein o. Bd. II S. 453f.), dem Cherronesiten (Material bei Gerhard Phoin. 221f.). – Trochäische Tetrameter, mit daktylischen Hexametern seltsam gemischt, verwenden fürs zeitgeschichtliche Epos auch bereits bei den Römern der Scipio und die Ambracia des Ennius (Skutsch o. Bd. V S. 2598f.).
Von solchem epischen Gebrauch der Iamben war es nicht mehr weit zur direkten, das Gedächtnis unterstützenden Versifizierung des Geschichtswerks, also zu dem, was Aristoteles (Poet. 9 p. 1451 b 2) als unpoetischen ,Herodot in Reimen‘ erwähnt. Das erfolgreiche Vorbild gab hier der Athener Apollodor (Schwartz o. Bd. I S. 2855ff.) mit seinen in komischen Trimetern verfaßten Χρονκά (Schwartz S. 2857, 10): wenn Suidas von τραγίαμβοι spricht, so erklärt sich dieser Irrtum nach Wilamowitz bei Jacoby Philol. Unters. XVI 70 aus der Tatsache, daß das didaktische τρίμετρον in der späteren Zeit zur Strenge des tragischen Verses zurückgekehrt ist.
[672] Als Memorierverse sind bereits die besprochenen iambischen Gnomen für Schüler zu bezeichnen. Dem nämlichen Zweck dienten die falschen Komödienprologe (o. S. 670, 15) und die aus ihnen erwachsenen eigentlichen iambischen Argumente zu den Dramen. Die zu Aristophanes, die man früher für spät hielt, hat die zitierte- Gießener Diss. von Michel zwingend in frühptolemäische Ära verwiesen, wenn auch nicht geradezu mit Wagner Die metr. Hypotheseis zu Ar., Progr. Berlin 1908 (vgl. denselben Wochenschr. f. kl. Philol. 1909, 817ff.) an Autorschaft des Aristophanes von Byzanz gedacht werden darf.
In den Händen der Pedanten stellt sich da wieder jene bereits vom vorigen Abschnitt bekannte Formspielerei ein. So bietet der erste ,Prolog‘ von Ghorân (Demiańczuk Suppl. Com. 108) ,anakyklische‘ Trimeter, so sehen wir im zweiten (ebd. 108f.) Aphrodite eine alphabetische Akrostichis versprechen. Titel-Akrostichis haben ja dann auch die Argumente der Plautinischen Stücke (Graf o. Bd. I S. 1205, 62). Titel-Akrostichis verbunden mit einer kunstreichen Symbolik in der Buchstabenzahl der einzelnen Verse (11 ✕ 30 + 35 = 365) erscheint in dem ,Epigramm‘, das der Pariser Papyrus seiner Εὐδόξου (Hultsch ο. Bd. VI S. 930ff.) τέχνη vorausschickte (Hultsch S. 949f. Graf o. Bd. I S. 1200f. Bergk PLG III⁴ 636).
VI. Das erste Jhdt. v. Chr., das wir auf die Regierung des Augustus erstrecken, ist insofern wieder eine Übergangszeit, als jetzt neben den Griechen relativ gleichberechtigt und selbständig die Römer erscheinen.
Bei ihnen hat im goldenen Alter ihrer Literatur gleich die griechische ἰαμβικὴ ἰδέα eine neue kräftig frische Belebung erfahren. Deren erster Absatz am Ende der Republik geht, im Anschluß an die Alexandriner, von der Dichterschule der νεώτεροι aus, die mit der politischen Opposition speziell in der Iambik eine Wendung zur metrischen Strenge und eine Durchführung der epigrammatischen Kurzform verbindet. Von den Spottversen eines Furius (Skutsch o. Bd. VII S. 320ff.), eines Cinna (Skutsch o. Bd. VIII S. 226ff.), eines Calvus (bei den beiden letzten auch in Choliamben, Gerhard Phoin. 226) gibt uns die mangelnde Überlieferung leider kein wirkliches Bild. Wohl aber steht greifbar vor uns der reichst begabte Catull, der sich u. a. in Iamben und besonders Skazonten scharfe Instrumente seiner Invektive und seiner lyrisch subjektiven Empfindung überhaupt schafft. Erwähnt seien auch die archilochisch bittern, aber ,nicht zügellosen und kindischen‘ Iamben, die der jüngere Cato gegen Metellus Scipio, den Entführer seiner Braut, schrieb (Plut. Cat. min. 7). – Zur zweiten augusteischen Generation leiten in ausgesprochener Anlehnung an Catull die Trimeter und Hipponakteen im Catalepton Vergils über, und von innen wieder laufen Fäden in den mit die gleichen Maße verwerfenden lasziven Epigrammen der Priapea. Horaz (Stemplinger o. Bd. VIII S. 2336ff.) endlich ist mit seinem stolzen Anspruch auf Einführung der Parii iambi (ep. I 19, 23. Crusius o. Bd. II S. 506, 45) insoweit im Recht, als er in dem Jugendbuch seiner fälschlich Epoden genannten Iambi [673] (Stemplinger S. 2352ff.) auf Archilochos selber zurückgriff und außer dem stichischen Trimeter (17. Crusius Herond.⁵ 98) dessen Epoden, zunächst die rein iambischen (1–10), sodann aber auch jetzt schon die feineren Bildungen mit daktylischen Elementen benutzte. Als Zeitgenosse Ovids war clarus iambo ein Bassus (Marx o. Bd. III S. 107 Nr. 3), dem amaritudo und Hang zu res sordidae nachgesagt wird (Teuffel-Kroll II 118, 2).
Das philosophische Scheindrama wird durch die sechs Bücher pseudotragoediae des Varro von Reate weitergeführt (Schanz I 2³ 429. Wachsmuth Corpusc. I 221). Der gleiche bekennt sich in den Prosa mit Versen, darunter Iamben, Skazonten, Trochäen (o. S. 665, 60) mischenden Saturae Menippeae (libri 150) selbst zu seinem griechischen Vorbild. Das Metrum der ,Lucilischen‘ Satirae (libri 4), die er vermutlich daneben verfaßte (Schanz I 2³ 99f.), kennen wir2' nicht. Mit Varros Menippeischer Satire berühren sich, mindestens im Reichtum an Rhythmen, wenn auch nicht in der Frivolität und der Formspielerei (Polymetri!) die ungenügend kenntlichen Erotopaegnia des Laevius, bei dem wir meist Hemiamben, aber auch Hinkiamben finden.
Die iambische Gnomik der Menandrischen Moralpoesie wird bei den Römern durch den Mimos ersetzt. Das lebhafte Interesse der Zeit für diese Gattung verrät sich schon darin, daß Cn. Mattius die Mimiamben des Herondas lateinisch nachahmt, keineswegs wörtlich übersetzt (Gerhard o. Bd. VIII S. 1101, 55. 1089, 29. Crusius Herond.⁵ 97. Über die Terentianus Maurus-Stelle v. 2416ff. irrig Welcker Hippon. 21f.). Sodann aber erhält jetzt nach dem Vorgang der oskischen Atellana (Pomponius, Novius) mit ihren angeblichen iambischen Septenaren (Schanz I 23 7) auch der große Theater-Mimos im Trimeter (Crusius N. Jahrb. XXV 96, 2) seine literarische Form durch den nur dichtenden Ritter D. Laberius und den selbst spielenden Freigelassenen Publilius Syrus.
Am letzteren wiederholte sich das Schicksal Menanders, indem nun bald auch aus seinen Stücken die Gnomen exzerpiert und als ,Publilii Syri mimi sententiae‘ in der Form des Spruchalphabets unter fortwährender Zudichtung jahrhundertelang als beliebtes Schulbuch weitertradiert wurden. Bezeichnenderweise hat diese Syrus-Sammlung neben dem überwiegenden Senar auch dem trochäischen Tetrameter, dem ,Epicharm‘-Vers der Griechen Einlaß gewährt.
Als eine Kuriosität fürs Grab-Epigramm oder genauer fürs ἐπικήδειον mag es erwähnt werden, daß der für Rom so wichtige Elegiker Parthenios von Nikaia einmal aus Verszwang im letzten Distichon dem Hexameter statt des Pentameters einen iambischen Trimeter beifügte, also damit auf die älteste Form des Epodos zurückkam (frg. 2 Martini).
Iambische Epik ist in den an Laevius erinnernden mythologischen Hemiamben des Promathidas (Ath. VII 296 B) und römisch in dem trochäischen Glaucus des jungen Cicero zu treffen (Plut. Cic 2).
Auch das wissenschaftliche Lehrgedicht in Iamben wurde eifrig weiter gepflegt. Das Beispiel [674] Apollodors ahmten verschiedene Verfasser geographischer Handbücher nach (Jacoby Philol. Unters. XVI 70). Hierher gehört eine jenem geradezu untergeschobene Γῆς περίοδος (Schwartz o. Bd. I S. 2862, 60), hierher die noch frühere (ca. 100 v. Chr.) Περιήγησις, die man mit Unrecht dem Skymnos vindiziert (Schwartz S. 2857, 53) und das etwa unter Augustus zu setzende verlorene griechische Vorbild von Aviens (Marx o. Bd. II S. 2386ff.) Ora maritima.
Hinzu tritt bereits die Medizin (vgl. Aristot. Poet. 1 p. 1447 b 16), indem Diodotos, der Schüler des Asklepiades, über Arzneipflanzen in Trimetern handelt (Wellmann o. Bd. V S. 715 Nr. 14). Die einst dem voralexandrinischen Arzte Mnesitheos von Kyzikos oder Athen zugeschriebenen Komikerverse frg. 106f. K. (III 423) braucht man heute nicht einmal mehr zu erwähnen (Jacoby a. O. 73, 25).
Mit etwas wie Poetik befaßt sich in griechischen Trimetern das von Meineke Hist. crit. XIIIff. in augusteische Zeit gewiesene ,didaktische Gedicht‘ eines Simylos, der früher als Komiker galt (ungenau Christ-Schmid II 254. S. auch Crusius o. Bd. V S. 2287, 43), und literarhistorischem Stoff dienen römisch schon spätestens zu Anfang unsrer Periode die Senare des Volcacius Sedigitus (Teuffel-Schwabe⁵ 243f.. Jacoby a. O. 72) und die trochäischen Langverse des Porcius Licinus (Teuffel-Schwabe⁵ 242, 4).
VII. Die Kaiserzeit. Auch hier gruppieren wir den griechisch-römischen Stoff nach den Arten der Iambik und führen sie einzeln gleich bis zum Ende des Altertums durch. Die Richtungen, die wir schon oben als weiterwirkend erkannten, werden nicht mehr besonders genannt und statt dessen charakteristisches Neues beleuchtet.
Die iambische Spott- und Gefühlspoesie des Catull und Horaz findet im 1. Jhdt. einen virtuosen Meister im Epigrammatiker Martial. Neben kleinem und allerkleinstem Umfang beginnt schon wieder größere Länge. Gegenüber dem einfachen Senar herrscht jetzt zusammen mit Elegeion und Elfsilbler durchaus der Skazon, der gerade auch ernster persönlicher Äußerung dient (Crusius o. Bd. V S. 2306, 18). Der stichische Trimeter findet sich nur zweimal (VI 12. XI 77), fünfmal die iambische Epode (Trim. + Dim.), und sogar sie nimmt in einem Fall (I 61) in der ersten Zeile den Hinkiambos auf. – Diese Maße Martials werden drei Jahrhunderte später im Nordwesten des Reichs mit von Auson (Marx o. Bd. II S. 2562ff.), auch zu skoptischem Zweck, vor allem in seinen Epigrammata benutzt (Epode epigr. 26. 50 ed. Bip.; Skazon epigr. 128. Marx a. O. 2566, 7. 2580, 13). – Griechisch kommt iambische Schmähung selten und zwar z. B. da, wo man sie am wenigsten sucht, in der Menandrisch-Philistionischen Streitrede vor (Gerhard Phoin. 266).
Für den Choliamb als Träger philosophischer Satire (als protreptisch gnomische Einlage erscheint er noch bei Petron und viel später bei Boethius: Gerhard Phoin. 224), wo er griechisch nach Ausweis der ägyptischen Papyrusfunde [675] sehr lange fortlebt (Gerhard Phoin. 216), haben wir aus der Jugend des Persius in dessen sogenanntem Prolog ein wertvolles Bruchstück (Gerhard Philol. LXXII 484ff., unrichtig Christ-Schmid II 791, 1). Die gleiche typische Verwendung schwebt wohl auch vor, wenn der Fälscher der Satire auf den Namen der Sulpicia Caleni (5f.) neben dem von ihm gebrauchten Hexameter u. a. den Vers nennt qui pede fractus eodem (sc. wie der trimeter iambus) | fortiter irasci discit duce Clazomenio (anders Teuffel-Schwabe⁵ 794, 6). Ob sich auf Ähnliches die artis poeticae gloria eines Stoikers Palfurius Sura (Schol. Iuv. I 4, 53) erstreckte, wissen wir nicht. Apuleius (Schwabe o. Bd. II S. 246ff.) führt in der bekannten Floridastelle (20 S. 41, 7 Helm) unter den von ihm gepflegten Weisen der Dichtung nach Rohdes allgemein gebilligter Vermutung Satiren des Krates (statt Xenokrates) auf, und man ist versucht, dabei an seine Ludicra (Schwabe a. O. 248f.) zu denken, zu denen Trimeter (Zahnpulverbillet!), trochäische Septenare und vielleicht elegische Liebesepigramme gehören (Schanz III² 133). – Die Form der Menippeischen Satire erlebt im 5. Jhdt. einen bezeichnend geschmacklosen Mißbrauch in der u. a. Iamben und Trochäen einmischenden trockenen Schul-Enzyklopädie des Martianus Capella.
Die philosophische Tragödie erfährt, um vom jüngeren Seneca, der Jugend-Praetexta des Persius (Vita 66, 5 Leo) und gar dem unrichtig hierher gezogenen Cornutus (ebd. 65, 1. v. Arnim o. Bd. I S. 2225f.) zu schweigen, erneute eifrige Pflege im 2. Jhdt. Dahin fallen die von Iulian or. VII 210f. als Ausbund von αἰσχρότης erwähnten τραγῳδίαι des Kynikers Oinomaos von Gadara, der im Suidasartikel Διογένης· Ἀθηναῖος τραγικός (Dieterich o. Bd. V S. 737 Nr. 36) mit dem Kyniker Diogenes vermengt scheint. Als lehrreiche Proben rückt man in diesen Zusammenhang (Christ-Schmid II 527) mit Recht auch die beiden erhaltenen dramatischen Scherze (Ὠκύπους und Τραγῳδοποδάγρα) des Lukian. Den vermeintlichen ,Tragiker‘ Demonax (Dieterich o. Bd. V S. 144) wagt man nicht als den kynischen Philosophen (v. Arnim a. O. 143f.) zu betrachten. Man täte es vielleicht eher, wenn man bedächte, daß jene zwei angeblich tragischen Fragmente (FTG 826f.) in Wahrheit lediglich paränetische Gnomen in der Art des Chares und Hippothoon (o. S. 663, 1) sind (vgl. auch o. Bd. VIII S. 1893, 28).
Die Masse der eigentlichen iambischen Gnomik lehnt man wohl, wie schon früher, am besten an ,Menander‘, bezw. an dessen Rivalen im Mimos.
Den letzteren betreffend, seien zunächst als weitere Nachahmer des Herondaeischen Mimiambos zwei Zeitgenossen des jüngeren Plinius, Vergilius Romanus (lateinisch) und Arrius Antoninus (griechisch, v. Rohden o. Bd. II S. 1254 Nr. 9), auch der von Crusius vermutungsweise aus einer Grabschrift herangezogene Nikias, Vater eines Herodianos, genannt (die Zeugnisse bei Gerhard o. Bd. VIII S. 1102, 7). Daß den Namen Herodianos (nachzutragen o. Bd. VIII S. 973) in der Überlieferung ein als Hipponax frg. 55 B geführter Choliamb trägt [676] (o. Bd. VIII S. 1088, 67. 1893, 55), hat in dieser Verbindung anscheinend niemand beachtet. – Dem Publilius Syrus als dem mimischen Vertreter der lateinischen Spruchiambik ersteht seit dem Anfang der christlichen Zeit in dem Mimographen Philistion ein griechischer Genosse, und ihn bringen nun die späteren Jahrhunderte, vielleicht schon das zweite (Gerhard Phoin. 276; Χαρ. 9) in der Σύγκρισις Μενάνδρου καὶ Φιλιστίωνος in eine merkwürdige Konkurrenz mit Menander. Bald wird hier beiden Sprechern Raum zu längeren moralischen ἴαμβοι gegeben, bald auch müssen sie sich auf je zwei Trimeter beschränken, so in Studemunds Disticha Parisina, so in den aus einem Straßburger Papyrus (Plasberg Arch. f. Papyrusf. II 185ff.) aufgetauchten Disticha Argentinensia mit dem altgeläufigen misogynen Thema περὶ γυναικῶν. Daß man die jungen, nur wenig Altes enthaltenden Produkte dieser ,Streitrede‘ als Fragmente des Menander oder gar des Philenion (Gerhard Χαρ. 11) annahm (vgl. z. B. wieder mit Gerhard Phoin. 265 Geffcken N. Jahrb. XXVH 401; ähnlich übrigens, wenn auch früher, das Bruchstück bei Plut. Consol. ad Apoll. 15, Bergk PLG ΙΙΙ⁴ 793f.), ist schwer zu begreifen.
Wie die Comparatio begreiflicherweise mit von der älteren Schwestergattung der Menander-Monosticha zehrte, so hat sie umgekehrt ihrerseits wieder vereinzelt auf diese gewirkt (Gerhard Χαρ. 11f.), und noch mehr darf man sich wundern, in ihr selbst gar noch Rückübertragungen aus einem letzten ganz späten, kurz vor 900 verfaßten iambischen Spruchgedicht, der von Wölfflin S.-Ber. Akad. Münch. 1886, 287ff. edierten griechischen ,Siebenweisen-Apophthegmen‘ zu treffen (Gerhard Χαρ. 13).
In denselben Geleisen war schon im 4. Jhdt. der wohlbelesene Kirchenvater Gregor von Nazianz (Jülicher o. Bd. VII S. 1859ff.) gewandelt, von dem wir hier außer seinen großen zitatenreichen iambischen carmina moralia (Geffcken Kyn. 7 u. ö.) nur das monostichische Spruchalphabet (Bd. 37, 908ff. Migne) anführen wollen. Um zu Auson zu kommen, der als westlicher Zeitgenosse Gregors mit ähnlichen Mitteln lateinisch operierte, müssen wir erst noch auf die frühere römische Entwicklung zurückgehn.
Wenn im 1. Jhdt. Statius [Silv. V 3) zur Feier seines Vaters all die verschiedenen Dichtungsarten aufbietet und dabei zwischen Epikern und Lyrikern einer- (92ff.), Tragikern, Komikern, Elegikern andrerseits (96ff.) die Sieben Weisen (94f.) aufziehen läßt, so hat man die letzteren wohl weniger als lyrische, denn als gnomische Dichter zu deuten. Von Spruchiamben in der Art des Publilius Syrus (nicht Mimen) des jüngeren Lucilius gibt uns vermutlich dessen Freund Seneca (ep. 8, 10) Proben (Gerhard Phoin. 275, 5). Den den Römern seit alters vertrauten, aber nun lange verstummten trochäischen Tetrameter (Septenar) bringen im 2. Jhdt., zur Zeit Hadrians, die poetae neoterici, voran Florus (Marx o. Bd. I S. 2266ff.), weiter Annianus Faliscus (Seeck o. Bd. I S. 2258), Septimius Serenos u. a. für Naturbetrachtung und Gnomik (vgl. auch das Pervigilium Veneria)neben dem iambischen Dimeter aufs neue zu Ehren. Dem nämlichen Maß begegnen [677] wir gleichzeitig bei Appuleius. Wenn in der schon erwähnten Liste seiner Florida auch Epicharmi modi erscheinen, so darf man das wohl als ,Regeln‘ verstehen und braucht nicht geradezu mit Rohde gnomae, noch weniger mit Reich (und schon Teuffel) mimi zu schreiben. Das (hexametrische!) Sprichwörterwerk des Autors (Schanz III² 133) ist dabei gewiß nicht gemeint. Hierher gehören ferner die ,derb-sinnlichen Senare mit dem Titel L. Apulei ἀνεχόμενος ex Metumdro‘ (Schwabe o. Bd. II S. 249, 7. Riese Anthol. 712). Ex Menandro überschreibt dann auch wieder Auson (Epigr. 140) ein iambisches Stück, und im gleichen Maß gibt es von ihm, der übrigens für seine kleineren Gedichte auch die Metra der neoterici mit übernahm (Marx o. Bd. II S. 2566, 10. 2580, 2), das ,Spiel der Sieben Weisen‘ (Marx 2574, 3).
Beim selben Auson begegnet im iambischen Epigramm (17.25. Gerhard Phoin. 283. 281) die Chreia, und sie spielt wiederum, griechisch als moralisches Zitat bei Gregor von Nazianz ihre Rolle (Beispiele bei Geffcken Kyn. 23f. 26. 33).
Die Selbständigkeit als iambische Gattung, wie sie der Chreia bereits in der Alexandrinerzeit zukam (vgl. Machon o. S. 670, 26), hat, gewiß mit nach ihrem Muster, der verwandte Typus der Fabel erst in der gegenwärtigen Periode erhalten. Um von vermeintlichen Trimeterspuren bei Livius (Brodribb Class. Rev. XXIV 15) und der undeutlichen Quintilianstelle (I 9, 2; vgl. dagegen Sen. ad Polyb. de consol. 8, 8) abzusehen, so sind für uns hier die maßgebende Erscheinung die bei der Nachwelt unverdient erfolgreichen Fabelbücher des halbgriechischen kaiserlichen Freigelassenen Phaedrus aus der ersten Hälfte des 1. Jhdts. Sein Senar kehrt bei aller sonstigen metrischen Korrektheit zu den Freiheiten (Spondeus im 2. und 4. Fuß) des früheren ,italischen‘ Verses zurück, wobei er aber (nach mündlicher Mitteilung Hilbergs) zwischen diesem und der Norm der νεώτεροι immerhin etwas wie eine Mittelstellung einnimmt. Seine besondere Berührung mit Publilius Syrus (L. Müller Phaedr. ed. mai. IX) rührt jedenfalls daher, daß ihm dieser für seine populäre Gnomik die bequemste Vorlage darbot (ähnlich Teuffel-Kroll II 211 f.). Den Zusammenhang mit der alten Weise des ἴαμβος, der ja die Fabel nur als Einlage kannte (vgl. außer den ältesten Ioniern Κallimachos o. S. 665, 33), bewahrt Phaedrus insofern, als er sich sein ganzes Werk hindurch als individueller, lehrhafter und gleichzeitig unterhaltender Iambensprecher fühlt, wobei man nicht notwendig mit Thiele Herm. XLVI 381 gerade Kallimachos als Muster vorauszusetzen braucht. So drängt er sein armseliges Ich mit seinen jämmerlichen Klagen auf der einen und seinem hochgeschraubten Dichterstolz auf der andern Seite außer den öfter ungebührlich breiten ,Vor-‘ und ,Nachreden‘ der Bücher sogar in einzelnen Binnenstücken (IV 7. 22) vor, so verknüpft er mitunter die Prologe (II. V) direkt mit den Fabeln und hängt gern auch diesen selber persönliche Ergüsse (III 10. IV 2 vgl. App. 31) und Anspielungen (III 1. 12. V 10 vgl. III pr. 36) an. Die wichtige Frage, inwieweit Phaedrus für [678] seine Fabeln schon iambische Vorbilder hatte, läßt sich nur an der Hand einer Quellenuntersuchung beantworten. Diese ist durch Thiele Herm. XLI 562ff. XLIII 387ff. XLVI 376ff. verdienstlich in Angriff genommen, aber zum Teil auf falsche Fährte geraten. Darum seien hier unter Vorbehalt anderweitiger Begründung einige Andeutungen gestattet. Thiele gelangt zunächst, u. a. mit Hilfe stilistischer Merkmale mit Recht zu folgendem Ergebnis: der Grundstock der eigentlichen Äsopischen Tierfabeln, neben denen sich aber natürlich auch schon naturhistorische Paradoxa (vgl. o. S. 670, 58) und andrerseits menschlich-göttliche Erzählungen wie Schwänke, Märchen, Novellen befanden, lag dem Phaedrus in einer Prosasammlung vor; für den zum Teil ,kynisierenden‘ Rest dagegen ist mit der Möglichkeit von bereits poetischen Mustern zu rechnen (Herm. XLVI 383). Diesen Rest gilt es nun genauer zu bestimmen. Thiele Fabeln des Lat. Aesop III wäre geneigt, neben jenem alten Äsopischen Volksbuch an eine jüngere philosophierende Gesamtfassung der Fabeln zu denken. In Wahrheit stellen sich wohl nach Abzug einiger erbärmlichen von Phaedrus selber ,erfundenen‘ Stücke (IV 11, vgl. I 16f. 27), nach Abzug ferner der mündlich aufgefangenen Anekdoten aus den aktuellen Hof-, Theater- und Gerichtsleben (II 5; V 5. 7; III 10), zu denen sich die etwas zurückliegende Pompeiusgeschichte (App. 8) gesellt, zwei Hauptkategorien heraus, für die wir in der Tat weitgehend iambische Vorlagen ansetzen müssen. Erstens Chrien und zwar, abgesehen von der einen in Machonische Sphäre weisenden nr. V 1, durchweg griechisch popularphilosophische Chrien, Chrien von Simonides, Thales, Anacharsis, Sokrates und vor allem Diogenes, wie sie Phaedrus entweder schon vereinigt oder noch wahrscheinlicher in getrennten Separatsammlungen vorfand. Nur selten hat er ihnen ihre, strenggenommen mit der Äsopfabel gar nicht verträgliche, nichtäsopisch spezielle Einkleidung gelassen (Simonides IV 23. 26. Sokrates App. 25. III 9, mit ersichtlichem Grund). In der Regel nimmt er eine Umformung vor, die sich meist durch ihr Ungeschick sogleich als Phaedrianisch verrät: weder macht er die Chreia zur Tierfabel (I 10, vgl. Diog. Laert. VI 54) bezw. zur unpersönlich allgemeinen Erzählung (III 8 Sokrates. I 14?), oder aber er schiebt sie, wie er ja V pr. selber bekennt, dem Äsop zu: das geschieht mit ursprünglichen Chrien des Anacharsis (vgl. III pr. 52) III 14, vgl. App. 10; des Thales III 3; des Diogenes III 19 (falsch Packmohr a. O. 74) und App, 11 (= Ps.-Diog. ep. 31 S. 246 Hercher). Von dieser sicheren Grundlage aus wird nun auch für die meisten der übrigen Äsop-Chrien im Phaedrus, die Thiele als Bestandteile der Äsop-Vita ansah, für die sich aber, genau betrachtet, ihre schlagenden Parallelen im hellenistischen Chrienkreis vor allem des Diogenes finden, analoge Entstehung wahrscheinlich: vgl. III 5. IV 18. App. 7. 15. 18. Als die zweite Kategorie ergeben sich wiederum großenteils metrische, Stücke oder Einlagen, die sich Phaedrus selbst erst aus popularphilosophischen Diatriben zusammengesucht hat. Den Anhalt bietet hier App. 27, eine verblaßte Skeletierung des nämlichen Menander- bezw. Terenz-Beispiels, [679] das wir aus der Satire des Horaz (II 3, 259ff.) und Persius (V 161ff.) kennen. App. 10 hat schon Thiele selber (Romul. XXXVIIf.) ähnlich beurteilt. Weiter werden hierher freigeistige Vota (App. 2. 6) und die ,Allegorien‘ V 8. App. 5 gehören. – Ganz andere als Phaedrus mit bescheidenem Zurücktreten seiner Person und im echten Fabelton schrieb kaum ein Jahrhundert später im Orient der (gräzisierte Römer Babrios (Crusius o. Bd. II S. 2655ff.) 1 die Sammlung seiner μῦθοι. Als Maß wählte er mit glücklichem Griff den Skazon, den er, bereits von römischen Betonungsgesetzen beeinflußt, nach dem Vorbild des μιμίαμβος (s. o. Bd. VIII S. 1102, 82. Crusius Herond.⁵ 5 Anm.) als eigenen μυθίαμβος zweckbewußt ausbaut. Unter den weiteren griechischen Fabeln in Iamben (die Reste hinter Crusius’ Babr. gesammelt), die sich später im byzantinischen Zwölfsilber fortsetzen, sind mit Namen noch im 9. Jhdt. die tetrasticha iambica (von choliambischen Tetrametern spricht irrtümlich Christ-Schmid I 183) des Ignatius (Diaconus) Magister zu fassen.
Das Epigramm hat nicht bloß als Sinngedicht (über die Spätzeit des 5. und 6. Jhdts. Christ-Schmid II 793), sondern auch im engeren Sinne als fingierte oder wirkliche Grabschrift den Iambos (wie seit ca. 100 n. Chr. auch den trochäischen Tetrameter: Marx o. Bd. I S. 2268, 16) unablässig weiter verwandt. Die griechischen! Beispiele sind in Kaibels Epigrammata, die römischen in Buechelers Anthologia zu suchen. Für die choliambische Spezies, wie sie im 2. Jhdt. literarisch etwa die beiden Griechen Ptolemaios Chennos (mit seinem falschen Charinos, o. S. 664, 45) und Laertios Diogenes vertreten, verzeichnet die griechischen und römischen Belege der Kaiserzeit, mit dem Schiffbrüchigen-Epigramm (A. P. VII 693) des (unter Tiberius schreibenden?) Apollonides (Wentzel o. Bd. II S. 120f.) beginnend, Gerhard Phoin. 226f. In den gleichfalls hierher fallenden griechischen Inschriften der Memnonsäule macht sich als Zeichen beginnender Verwilderung (2. Jhdt.) die Einmischung von geraden unter die hinkenden Verse bemerkbar.
Dieselbe Erscheinung kehrt wieder in den epischen Choliamben, wie sie (ca. 200) Pseudo-Kallisthenes seinem Alexanderroman einstreut (behandelt von Kuhlmann De Ps.-Call. carminibus choliamb., Münster 1912). Seinem Vorgang ist auch der römische Bearbeiter Iulius Valerius gefolgt (Gerhard Phoin. 225).
Die historische Iambik erscheint lateinisch schon im 2. Jhdt. in den Dimetern der römischen Geschichte des Alfius Avitus (v. Rohden o. Bd. I S. 1475 Nr. 4) sowie im 4. Jhdt. im totus Livius iambis scriptus und den analog behandelten Vergilii fabulae des Avien (Marx o. Bd. II S. 2390, 25). Aber auch griechisch dringt, zumal seit etwa 500, statt des erzählenden Hexameters allmählich der Trimeter durch, vgl. z. B. die iambischen Πάτρθα des Hermeias von Hermupolis (Maass o. Bd. VIII S. 732 Nr. 11. Christ-Schmid II 787). Und andre vielgepflegte hexametrische Gattungen wie Ekphrasis und Enkomion (Paulus Silentiarius, Johannes von Gaza u. a.) lassen ihn wenigstens schon für ihre [680] Einleitungen und Einlagen zu (Christ-Schmid II 790f.). Ein besonders bezeichnendes und betrübendes Symptom liegt in der Tatsache, daß um 500 ein gewisser Marianos (Christ-Schmid II 787) die alexandrinischen Dichtungen eines Theokrit, Kallimachos, Apollonios, Aratos, Nikandros in iambische Trimeter ,umschreibt‘. Für das technisch-grammatische Lehrgedicht im nämlichen Metrum können wir etwa den Attizisten Philemon (ca. 200. Christ-Schmid II 521. 694, 2. Jacoby Philol. Unters. XVI 73) oder den Helladios von Antinoeia (4. Jhdt. Gudeman o. Bd. VIII S. 98ff.) mit seiner Chrestomathie anführen. Von allerhand Spielereien seien die Terenz-Argumente des Sulpicius Apollinaris (2. Jhdt. Teuffel-Schwabe 897f.), das gleichzeitige, u. a. auch Choliamben bietende (Gerhard Phoin. 224) metrische Werk des Terentianus Maurus und dann die Rolle erwähnt, die der Trimeter in den griechisch liturgischen Büchern der Christen als eine häufige Form der Akrostichis spielt (Graf o. Bd. I S. 1203, 64 u. ö.).
Die geographische Didaktik (o. S. 674, 2) wird in Hadrianischer Zeit (Jacoby a. O. 70; anders o. Bd. I S. 1201, 16) fortgesetzt durch die dem Dikaiarch (Martini o. Bd. V S. 546ff. S. bes. 562f.) zugeschriebene, in Wahrheit von Dionysios, dem Sohne des Kalliphon (Berger o. Bd. V S. 971f.) stammende Ἀναγραφὴ τῆς Ἑλλάδος. Aviens Ora maritima erwähnten wir schon. Als astronomisches Lehrbuch in Trimetern schließt sich die keinesfalls frühe sog. Σφαῖρα Ἐμπεδοκλέους an (s. Diels Vorsokr. I² 218).
In der Medizin erscheinen nach dem Beispiel des Diodotos (o. S. 674, 13) im 1. Jhdt. die iambischen Rezepte des Servilius Damocrates (Wellmann o. Bd. IV S. 2069f.). Entsprechend formuliert man die Darstellung von Zaubermitteln (s. z. B. P. Oxy. III 433, 2./3. Jhdt.), und damit kommen wir auf das mystische Gebiet von Magie und Orakeln (über der letzteren iambische Fassung Christ-Schmid I 127, 10. II 787, 7). Den Zauberpapyri ist neben dem Trimeter (z. B. P. Lond. I 123, 4./5. Jhdt.; vgl. auch Bergk PLG III⁴ 665) der iambische Tetrameter besonders geläufig (Crusius S.-Ber. Akad. Münch. 1910, 113, 1). Gerade diese beiden Verse sollten nachher mit der durch die neue rhythmische Weise geforderten Wandlung die byzantinischen Lieblingsmaße werden. Vom Tetrameter (ob statt des iambischen oder neben ihm der trochäische wirkte, darüber Krumbacher Byz. Lit.² 650f.) geht der fünfzehnsilbige στίχος πολιτικός und vom Trimeter (gegen die von Ritschl Opusc. I 297 und unabhängig wieder von Crusius o. Bd. ΙΙ S. 2666, 64 versuchte Zurückführung auf den Skazon Sauppe Rh. Mus. N. F. II 449 und aus andern Gründen Hilberg Princip der Silbenwägung 272) der Zwölfsilbler aus (Christ Metr.² 375f.). Seltsam mutet es an, daß wir den Iambos zum Schuß wieder da finden, wo er einst seinen Anfang genommen, in der religiösen oder wenigstens quasi-religiösen Sphäre, im Aberglauben der sterbenden Antike.