Zum Inhalt springen

Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1/Zweites Kapitel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Erstes Kapitel Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1 Drittes Kapitel »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).

[65] Zweites Kapitel.

Die Ausbreitung der neuen Kunst in Deutschland.

Städte und Bürgertum. – Mainz. Johann Fust und Peter Schöffer. Die andern mainzer Firmen bis 1622. – Bamberg. – Straßburg. Johann Mentel. Heinrich Eggestein. Ihre Nachfolger. Adolf Rusch. Johann Grüninger. – Köln. Ulrich Zell. Drucker des 15. Jahrhunderts. Gottfried Hittorp. Franz Birckmann und seine Nachfolger. Johann Gymnicus und seine Nachfolger. – Basel. Bedeutung der Stadt. Beteiligung des Kapitals. Berthold Ruppel. Buchdruckerstrike. Michael Wenszler. Bernhard Richel. Johann Amerbach. Kleinere Buchdrucker. Johann Froben. Frobens Nachfolger. Die Familie Petri. Johann Oporin. – Zürich. Christoph Froschauer. – Augsburg. Günther Zainer und die ältesten Drucker. Johann Bämler und Anton Sorg. Hans Schönsperger. Erhard Ratdolt. Johann Rynmann. Heinrich Steiner. Ad insigne Pinus. – Ulm. – Nürnberg. Die ersten Drucker. Anton Koberger. Die kleinern Buchdrucker. – Die „Brüder vom gemeinsamen Leben“. – Leipzig. Kunz Kachelofen. Pantzschmanns Buchhandel. Nickel Wolrabe. Ernst Vögelin. Henning Große. – Wien. Hieronymus Vietor und Hans Singriner. – Magdeburg. Drucker der Reformationszeit. – Tübingen. Thomas Anshelm. Slawischer Bücherdruck. – Wittenberg. Melchior Lotter. Hans Lufft. Die kleinern Druckstätten.

Die Erfindung und Ausbreitung der Buchdruckerkunst trifft mit der Blüte und dem Reichtum der deutschen Städte zusammen. Seit diese von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft übergegangen waren, hatten sich ihre Gewerbthätigkeit und ihr Handel mit jedem Tage mehr gehoben. Fürsten und Ritter, welche ihre Kraft in Kriegszügen und Fehden nutzlos vergeudeten, verarmten und wurden finanziell täglich mehr von ihnen abhängig. Zugleich verlor der Adel durch die neue Kriegführung an militärischer Bedeutung und politischem Einfluß; das Bürgertum aber entwickelte sich desto mächtiger und stolzer. Die Folgen der portugiesischen und spanischen Entdeckungen, welche die völlige Umgestaltung [66] des Großhandels herbeiführen sollten, wurden erst im Laufe des 16. Jahrhunderts in Deutschland fühlbar; die städtische Politik aber, welche, großen staatlichen Gesichtspunkten unzugänglich, nicht über ihre eigenen Stadt- und Standesgrenzen hinausging, war noch nicht auf die Probe gestellt worden. Die von tüchtiger, sittlicher Gesinnung erfüllten freien Männer der Reichsstädte mit ihrer Welterfahrung und ihrem Weltverkehr, ihrem Kunstsinn und ihrer Bildung standen auch geistig über den kleinen Landesherren, den rohen Junkern und wenig gebildeten Geistlichen. Alles was damals in Kunst und Wissenschaft Schönes und Lebenskräftiges in Deutschland hervorgebracht wurde, hatte im Bürgertum seine Wiege und seinen Stützpunkt. Natürlich fand diesem Verhältnis entsprechend die neue Kunst auch den Boden für ihre Aufnahme in den Reichsstädten bereits günstig vorbereitet. Das wirtschaftliche, politische und geistige Leben des deutschen Volkes wurzelte damals in der ober- und niederrheinischen Tiefebene, namentlich im südwestlichen Winkel des Reiches zwischen Basel und Mainz, und zweigte sich von diesen Städten aus nach rechts und links ab, während die Elbe so ziemlich die östliche Landesgrenze bildete und Wien nebst Österreich nur in einem losen Zusammenhang mit dem eigentlichen Deutschland stand. Erst infolge der Reformation rückte die Entwickelung allmählich in nordöstlicher Richtung nach Sachsen und Brandenburg vor. Berlin war noch nach dem Dreißigjährigen Kriege ein elendes Landstädtchen, und der größte Teil des heutigen Ostens, das Königreich Preußen, vegetierte noch in ursprünglicher Roheit dahin. Südwestdeutschland lieferte eine der Hauptwaffen für den geistigen Kampf; allein Nordostdeutschland handhabte sie auf die Dauer einsichtiger und nachhaltiger.

Zunächst drang die Buchdruckerkunst auf der alten Handels- und Kulturstraße des Rheins in die verschiedensten Teile Deutschlands. Von Mainz aus erreichte sie, stromaufwärts ziehend, zuerst Straßburg, gelangte dann stromabwärts nach Köln und bürgerte sich wenige Jahre später in Basel, Augsburg, Ulm und Nürnberg ein. Ziemlich zu derselben Zeit trugen sie aber Schüler Gutenbergs auch in das Ausland.

Es ist weder möglich noch nötig, in der nun folgenden Darstellung die Namen und Leistungen sämtlicher Drucker und Verleger einer Stadt oder Landschaft aufzuzählen. Es genügt vielmehr, die bedeutendsten aus ihnen herauszugreifen und ihren Einfluß auf die Entwickelung des Geschäfts [67] und das Zeitalter überhaupt nachzuweisen. Dieser Nachweis aber kann nur da geführt werden, wo, wie bei den großen Firmen, bestimmte Thatsachen und Anhaltspunkte vorliegen, während die Namen der Kleinen so ziemlich alles sind, was von ihnen auf die Nachwelt gekommen ist. Nicht die bloße Quantität, die Zahl, sondern die Qualität, der Geist, ist es, welche den Charakter einer Epoche bestimmen. Zudem kommen hier nicht sowohl die Drucker überhaupt, als vielmehr nur diejenigen in Betracht, welche von Anfang an zugleich Buchhändler sind.

In erster Linie steht also:

1. Mainz,

die Stadt, in welcher der Buchdruck erfunden war und in welcher während des ganzen 15. Jahrhunderts Fust und Schöffer ihn geschäftsmäßig ausbeuteten.

Der reiche und unternehmende Fust würde seinen Prozeß gegen Gutenberg gar nicht angefangen haben, wenn er nicht gewußt hätte, daß Geld in dem praktischen Betriebe der neuen Kunst steckte. Nachdem er also durch Urteil vom 6. November 1455 in den Besitz der Pressen gelangt war, setzte er diese in Thätigkeit. Einen äußerst brauchbaren Gehilfen und Mitarbeiter fand er in Peter Schöffer, der zwischen 1420 und 1430 in Gernsheim a. Rh. geboren war und in Paris als Schönschreiber, Illuminator und Handschriftenhändler vorgebildet, kurz vor 1455 nach Mainz zurückgekehrt sein muß. Noch während der Verbindung Gutenbergs mit Fust scheint Schöffer als Setzer, Abschreiber oder Zeichner in deren Diensten gestanden zu haben.[1] Fust gab, als er selbständig zu arbeiten anfing, dem fähigen Gehilfen nicht allein seine Tochter zur Frau, sondern nahm ihn auch als Teilhaber in sein Geschäft auf, welches er in sein neuerworbenes Haus „Zum Humbrecht“ in der Quentinsgasse verlegte. Beide Männer waren natürlich Gutenberg als Geschäftsleute überlegen und paßten, von nicht zu großer Gewissenhaftigkeit, aber von um so regerm Erwerbsinn beseelt, ganz vortrefflich zueinander. Gleich das erste Verlagswerk, welches am 14. August 1457 aus ihrer Offizin hervorging, ist das prachtvolle, mit großen Missaltypen auf Pergament gedruckte „Psalterium“, eine typographische Wiedergabe der geschriebenen Chorbücher, und beweist sowohl ihren guten Geschmack, als auch ihren klugen Unternehmungsgeist, da es im Auftrage zweier mainzer Klöster, [68] also ohne Gefahr für die Drucker, hergestellt wurde. Der geschäftliche Erfolg dieses Werkes war ein so glänzender, daß bereits zwei Jahre später eine neue Auflage veranstaltet werden mußte. Während der Erfinder Gutenberg verarmt war, verstanden es die beiden Geschäftsleute Fust und Schöffer ganz vorzüglich, die Früchte des Baumes zu ernten, welchen ein anderer gepflanzt hatte. Das „Psalterium“ ist übrigens das erste Druckwerk, auf welchem Tag, Jahr und Namen des Druckers angegeben sind. Nach Fusts Tode wurde es von Schöffer noch zweimal in den Jahren 1490 und 1502 und später von dessen Sohn Johann ebenfalls noch zweimal in den Jahren 1515 und 1516 verlegt. Bis zum Eintritt der mainzer Katastrophe druckten Fust und Schöffer noch des Dominikanermönchs Guillielmus Durandus „Rationale Divinorum Officiorum“ (1459), den „Codex Constitutionum Clementis Papae“ (1460), die Bulle des Kaisers Friedrich III. gegen Diether von Isenburg (vom 10. August 1461) und das Manifest des letztern gegen Adolf von Nassau (1462). Daß sie als vorsichtige Geschäftsleute für beide Parteien arbeiteten, kann bei dem Charakter Fusts und Schöffers nicht weiter auffallen. Ihr schönstes und bedeutendstes Verlagswerk aus dieser Zeit bildet die 1462 vollendete lateinische sogenannte achtundvierzigzeilige Bibel in zwei Foliobänden.

Nach diesem Bibeldruck blieb die Firma fast zwei Jahre unthätig. Vom siegreichen neuen Kurfürsten aus der Stadt gewiesen, müssen Fust und Schöffer nach dem benachbarten Frankfurt gegangen und gegen Ende 1463 zurückberufen worden sein, denn schon 1464 lieferten sie den Ablaßbrief des Papstes Pius II. vom 11. November 1463 gegen die Türken. Am 17. December 1465 folgte das sechste Buch der Dekretalen Bonifacius’ VIII. in Folio, und in demselben Jahre zum ersten mal ein lateinischer Klassiker, „Cicero de Officiis“, in klein Folio, welcher bereits am 2. Februar 1466 zum zweiten mal aufgelegt wurde und der letzte Druck der Firma Fust und Schöffer war.

Schon nach Beendigung der zweiundvierzigzeiligen Bibel von 1455 soll Fust nach Paris gereist sein, um sie dort zu verkaufen. Diese Annahme ist nicht erwiesen, hat aber viel Wahrscheinlichkeit für sich. Schöffer war als ehemaliger Bücherabschreiber an der dortigen Universität thätig gewesen, mit den einschlägigen Verhältnissen, namentlich aber den hohen Preisen für geschriebene Bücher aus eigener Erfahrung [69] genau bekannt geworden und hatte höchst wahrscheinlich diese Reise angeraten. Paris, als damals bedeutendste Universität des Abendlandes, bestimmte auch die Richtung der Geister und den Bedarf an Büchern. Wer von fremden Klöstern, Gelehrten oder Liebhabern eben konnte, bezog von dort seine größern oder geringern litterarischen Bedürfnisse. Nun erhielt aber Paris, wie das dritte Kapitel näher ausführen wird, seine ersten Drucker nicht früher als im Jahre 1470. Die ihrer Ankunft unmittelbar voraufgehende Periode war aber eine Zeit hoher litterarischer Blüte und kam dem Bücherverkauf besonders zu statten: Grund genug für Fust, diesen so günstigen Markt im Interesse seiner Firma zu besuchen und dort so allgemein begehrte Artikel, wie die lateinische Bibel, zu verkaufen. Das Bedürfnis verband sich zugleich mit dem Reiz der Neuheit des ersten Druckes.

Es ist dagegen urkundlich nachgewiesen, daß Fust in der ersten Hälfte des Jahres 1466, bald nach dem Erscheinen der zweiten Auflage des „Cicero de Officiis“, mit diesem und verschiedenen andern Verlagsartikeln nach Paris reiste und sie dort verkaufte. Aus einem in der Stadtbibliothek von Genf befindlichen Exemplar dieser zweiten Auflage des „Cicero“ geht hervor, daß Ludwig de la Vernade es im Juli 1466 in Paris von Fust selbst erhalten hatte.[2]

Wie Paris, so zog die Firma schon frühe, wenn nicht früher, Deutschland in den Kreis ihrer Unternehmungen. Den Beweis für diese Thatsache liefert ein Beglaubigungsschreiben (s. Anhang unter I), welches der frankfurter Rat am 3. Juni 1469 an den lübecker richtete, worin er diesen bittet, dem Bevollmächtigten der Fustschen Erben, Konrad Henckis, zur Eintreibung einer Forderung behilflich zu sein, welche Fust und Schöffer an den lübecker Kaufmann Kurd Horlemann für verschiedene ihm gelieferte gedruckte Bücher hatten. Wenn diese Forderung 1469 gerichtlich geltend gemacht wurde, so mußte sie doch schon einige Zeit früher entstanden sein, und zwar in Frankfurt a. M., da nicht Mainz, die Vaterstadt Fusts, sondern Frankfurt a. M. für ihn eintrat.

Fust und Schöffer waren also nachweisbar die ersten Händler mit den von ihnen gedruckten Büchern und überhaupt die ersten Buchhändler. Ihre Preise waren trotz der Neuheit der Kunst niedrig im Verhältnis zu den Handschriften.[3] Madden führt an, daß ein auf Pergament gedrucktes Exemplar der zweiundvierzigzeiligen Bibel zu jener Zeit in Paris [70] für 2000 Franken verkauft wurde. Für die Beurteilung des Preisverhältnisses der gedruckten zu den geschriebenen Büchern gibt Bischof Johannes von Aleria in einem später mitzuteilenden Briefe an den Papst Paul II. einige zuverlässige Zahlen. Er sagt nämlich, daß man heute (1467) für 20 Goldgulden und weniger in Rom Werke kaufen könne, für welche man zu andern Zeiten 100 Goldgulden habe zahlen müssen, und daß Bücher, welche man bis vor kurzem kaum für 20 Goldgulden habe erwerben können, jetzt zu 4 Gulden und noch wohlfeiler verkauft würden. Demnach stellte sich damals der Preis eines gedruckten Buches fünfmal niedriger als der eines geschriebenen. Zu diesem ganz natürlichen Preisunterschied zwischen gedruckten und geschriebenen Büchern kam nun gleich mit dem ersten Auftreten der neuen Kunst der die Preise drückende Nachdruck, dessen Anfang auch auf Fust und Schöffer zurückzuführen ist. Sie waren es nämlich, welche, wie Panzer nachgewiesen, den „Cicero de Officiis“ schon im Jahre 1465 einer Ausgabe von Ulrich Zell in Köln nachdruckten. Fust ging sogar so weit, daß er außer dem Text auch noch die Vorrede zu der von Mentel kurz vorher in Straßburg gegebenen Schrift „De Arte Praedicatoria“ (welche bekanntlich nichts anderes als das vierte Buch von Augustinus’ „De Doctrina Christiana“ ist) etwa 1466 nachdruckte. Der Verfasser dieser Vorrede erzählt, daß er Handschriften dieser Abhandlung in Heidelberg, Speier, Worms und Straßburg gefunden und Johann Mentel, incolam Argentinensem, impressoriae artis magistrum, bewogen habe, sie durch den Druck den Klerikern zugänglich zu machen. Fust als praktischer Mann ersetzte einfach den Namen Mentel durch seinen eigenen[4] : einen schamlosern Schwindel hat es wohl kaum in den Blütezeiten selbst des spätern Nachdrucks gegeben. Schöffer war ein nicht minder gewissenloser Geschäftsmann und bediente sich gleichfalls aller Mittel, welche dazu dienen konnten, seine Unternehmungen möglichst allgemein anzupreisen. So druckte er mit unbedeutenden Abänderungen am Ende, namentlich seiner ersten Bücher, die Gutenbergschen Schlußschriften nach; so war er der erste Verleger, welcher eine von seinem Korrektor, Johann Brunnen, einem ungebildeten Mönch, geschriebene ruhmredige Ankündigung über ein künftig erscheinendes Werk veröffentlichte. Im Frühjahr 1470 machte er nämlich für die Herbstmesse desselben Jahres das Erscheinen der Briefe des heiligen Hieronymus bekannt, die dann auch wirklich pünktlich noch vor der bestimmten [71] Zeit, am 7. September 1470, von ihm herausgegeben wurden. Die lateinisch geschriebene Anzeige findet sich in deutscher Übersetzung im Anhang unter II und beweist, daß sich der erste deutsche Verleger schon ganz vortrefflich auf die „Reklame“ verstand.

Fust starb, wenn nicht in der letzten Hälfte des Jahres 1466, spätestens Anfang 1467, denn im März dieses Jahres erlosch die Firma Fust und Schöffer und es trat die neue Firma Peter Schöffer an ihre Stelle, welche bis 1503 bestand. Fust hatte zwei Söhne hinterlassen, von denen der jüngere, Konrad, auch Hancquis, Henlich oder Henchins genannt (verstümmelt aus „Johannes Sohn“), als Teilhaber, jedoch nicht mit Namen, in die neue Firma Peter Schöffer eintrat. Die von Fust in Paris gegründete Filiale hatte sich als höchst einträglich erwiesen. Schöffer beeilte sich daher 1470, in der Person des Hermann von Stadtlohn oder Stadtloe (nicht Stadthoe, wie fälschlich ein Autor dem andern nachschreibt), einer in der Diöcese Münster, an der nordwestlichen Grenze des gleichnamigen preußischen Regierungsbezirks gelegenen und durch eine Schlacht (1623) im Dreißigjährigen Kriege bekannter gewordenen kleinen Stadt, einen neuen Vertreter in Paris und zugleich auch in Angers anzustellen. Unter diesem nahm das pariser Geschäft einen noch bedeutendern Aufschwung. Schöffer und sein Gesellschafter Konrad brachten jetzt nicht bloß ihren eigenen Verlag, sondern auch die Werke anderer Verleger aus Mainz dahin. Diese Thatsache ergibt sich unter anderm aus einer Notiz, welche Schöffer in eine, der Bibliothek des pariser Arsenals gehörige und 1474 von Anton Koberger in Nürnberg gedruckte Ausgabe des Johannes Scotus eingetragen hat. „Ich, Peter Schöffer, Buchdrucker aus Mainz“, heißt es dort, „bekenne, von dem ehrwürdigen Magister Johannes Henrici, Sänger aus Pisa, drei Scuta für den Preis dieses Buches erhalten zu haben, was ich hiermit eigenhändig bescheinige.“

Hermann verkaufte diese Bücher sowohl in Paris als auch in Angers und andern Städten Frankreichs, in welchen er Zweigniederlassungen errichtet hatte. Dann trat er zugleich als Faktor bei dem geschworenen Universitätsbuchhändler Johann Guymier in Paris ein, offenbar, um auch an der Universität Geschäfte für Schöffer machen zu können. Am 5. April 1470 verkaufte er eine auf Pergament gedruckte mainzer Bibel an den Erzpriester Wilhelm von Tourneville zu Angers [72] für 40 Thaler. Die Bedeutung der Geschäfte, welche Hermann in Frankreich für Rechnung der Firma Peter Schöffer in Mainz gemacht hatte, stellte sich bei seinem Tode deutlich heraus. Da Hermann in Frankreich nicht naturalisiert war, so fiel nach dem Droit d’aubaine seine ganze Hinterlassenschaft dem Staate anheim. Sofort eilten Schöffer und Hancquis, mit wirksamen Empfehlungsbriefen vom Kaiser Friedrich III. und dem Kurfürsten von Mainz an Ludwig XI. versehen, nach Paris, um die noch vorhandenen Bücher ausgeliefert und für die von ihrem Lager bereits verkauften eine Entschädigung zu erhalten. Ihre Bemühungen hatten den günstigsten Erfolg, denn in einer Ordonnanz vom 21. April 1475 befahl Ludwig XI., „daß in Berücksichtigung der Sorgfalt, mit welcher die Bittsteller die Kunst des Buchdrucks gefördert, und des Nutzens, welcher dem gemeinen Wesen aus dieser Kunst durch Verbreitung der Wissenschaft erwachsen, Konrad Hancquis und Peter Schöffer (sie werden als marchands bourgeois de la cité de Mayence bezeichnet) vom 1. Oktober 1475 an in jährlichen Raten von 800 Livres die verlangte Summe von 2425 Thalern 3 Sols tournois (nach heutigem Gelde etwa 11000 Franken) ausbezahlt erhalten sollten.“[5]

Schöffer selbst führte in Mainz das Geschäft weiter. Sein Gesellschafter Hancquis blieb zur Betreibung des Buchhandels in Paris zurück und erscheint dauernd erst 1480 wieder in Deutschland. Wann die pariser Filiale liquidiert wurde, ist unbekannt; jedenfalls bestand sie noch bis 1477, wie das aus der Unterschrift unter einem Exemplar des Augustinus’ „De Civitate Dei“ hervorgeht. Da jedoch seit 1470 in Paris Druckereien bestanden und die neue Kunst sich auch in Frankreich rasch verbreitete, so zog Schöffer vor, sein pariser Geschäft nicht länger fortzusetzen, und beschränkte seine Thätigkeit auf die Heimat, wo die ebenfalls rasch zunehmende Konkurrenz auch höhere Ansprüche an seinen Unternehmungsgeist stellte.

Im Jahre 1476 kaufte er zu dem ihm bereits als Erbteil seiner Frau zugefallenen Hause „Zum Humbrecht“ ein größeres darangrenzendes Gebäude, den „Hof zum Korb“. Unter den Urkunden, die sich leider nur vereinzelt über Schöffer vorfinden, wirft ein Vertrag, den er am 24. Juli 1477 mit seinem Schwager Johann Fust abschloß, auch einiges Licht auf seine buchhändlerische Thätigkeit. Fust, welchem als Erbteil an der väterlichen Druckerei 180 auf Papier und 20 auf Pergament [73] gedruckte Exemplare der Dekretalen von 1473 zugefallen waren, ließ dieselben für seine Rechnung durch Schöffer verkaufen und einen gerichtlichen Akt über dieses nicht unbedeutende Geschäft aufnehmen. Auf eine buchhändlerische Verbindung zwischen Fust und Schöffer kann man jedoch aus dieser Thatsache nicht schließen. Johann Fust war Kanonikus am St. Stephans-Stift in Mainz und hoffte begreiflicherweise, die ihm gehörigen Werke am sichersten und vorteilhaftesten durch seinen sachverständigen Schwager verwerten zu können. Von diesem heißt es in dem Vertrage ausdrücklich, daß er Handel mit Bücher treibe und daß er die Dekretalen zugleich mit seinen eigenen Büchern vertreiben und verkaufen solle.

Wichtiger aber erscheint die am 6. September 1479 erfolgte Aufnahme Schöffers als Bürger von Frankfurt a. M. Da er Paris aufgegeben hatte, so bedurfte er notwendig zur Ausbreitung und Sicherung seines Geschäftes in Deutschland eines festern Stützpunktes, als Mainz ihn zu bieten vermochte. Kein Ort konnte diesem Zweck günstiger sein als die nahegelegene Reichsstadt, welche ihm durch ihre Messen die beste Gelegenheit zum Absatz seiner Verlagsartikel und zur Anknüpfung neuer Verbindungen bot. In Mainz hatte er seine Druckerei; dort führte er die Bestellungen aus, welche ihm oder seinem Teilhaber Hancquis in Mainz selbst, hauptsächlich aber auf der für den Buchhandel damals schon wichtigen frankfurter Messe erteilt wurden. Hancquis besorgte seit 1480 wieder die Geschäftsangelegenheiten der Firma in Deutschland. Diese müssen sehr ausgedehnt gewesen sein, denn um 1480 hatten Schöffer und Hancquis einen Prozeß mit einem gewissen Bernhard Inkus in Frankfurt, welcher sie bei dem Hofgericht von Rottweil auf Herausgabe einer Anzahl von Büchern verklagte, während Schöffer und Konrad Henki (so wird Fusts Sohn hier genannt) ihr Eigentumsrecht daran verteidigten. Es geht aus den Akten nicht hervor, ob diese Bücher von den Verklagten selbst gedruckt, ob sie Erzeugnisse anderer Pressen, oder ob sie teilweise eigenes, teilweise fremdes Eigentum waren. Die Regierung von Basel, welche diesen Prozeß in der Appellationsinstanz an sich gezogen hatte, belegte den Streitgegenstand mit Beschlag und forderte die Parteien zum gütlichen Vergleich auf. Mitte Mai 1481 war der Beschlag noch nicht aufgehoben. Welchen Ausgang aber die Sache genommen hat, darüber schweigen die Akten. Eine nicht unbedeutende [74] Forderung ferner, welche Schöffer und Hancquis an den lübecker Bürger Hans Bitz, beziehungsweise dessen Witwe hatten, veranlaßte den Rat der Stadt Frankfurt, am 1. April 1480 wieder, wie schon 1469, den Rat zu Lübeck um wirksamen Schutz für Schöffer zu ersuchen.[6] Außer diesem Schreiben, dessen Entwurf im frankfurter Stadtarchiv noch aufbewahrt wird und im Anhang unter III abgedruckt ist, hat sich keine Einzelheit über die ganze Angelegenheit mehr erhalten. Auch mit Ulm hatte die Firma Schöffer Geschäftsverbindungen, wie das ebenfalls aus einer Schuldforderung für gelieferte Bücher hervorgeht, welche sie gegen die dortigen Bürger Hans Harscher, Erhardt Rüwinger und Berchtold Ofener geltend zu machen suchte. Sie sandte sogar mit dem Schutzschreiben des Kurfürsten Diether von Mainz gleich einen Boten mit, der das Geld einkassieren sollte. Es wurde ihm aber nicht ausgezahlt, da er nach Ansicht der Schuldner nicht hinreichend bevollmächtigt gewesen sei[7]; „sobald er aber genugsame Gewalt vorweise, wolle man ihm nach dem ulmischen Stadtrechte zu dem Gelde verhelfen“.

Diese Prozesse und Klagen im äußersten Norden und Süden von Deutschland deuten auf eine hervorragende Meßthätigkeit und auf Verkäufe, die, in Frankfurt abgeschlossen, sich über ganz Deutschland erstreckten. Schöffer scheint sogar seine Geldgeschäfte nur von Frankfurt aus besorgt zu haben. Am Magdalenentag 1485 ersucht er den weltlichen Richter Gensfleisch in Mainz dringend, ihm seine Schuld in Frankfurt auf der nächsten Messe zu zahlen. Wäre Schöffer damals Bewohner von Mainz gewesen, so hätte er ja viel bequemer seine Forderungen dort einziehen können. Gegen Ende des Jahrzehnts erscheint er, in seiner geschäftlichen Thätigkeit verhältnismäßig nachlassend, wieder in Mainz, denn er wird hier 1489 zum weltlichen Richter ernannt. Den damals wie Pilze aus der Erde schießenden Druckereien, dem unverdrossenen Fleiß der Verleger in Deutschland, Italien und Frankreich, den neuen Verbesserungen in den Schriftgattungen, der kritischen Methode, mit welcher die alten Klassiker und Kirchenväter zum Druck vorbereitet wurden, kurz, dieser außerordentlichen Thätigkeit und Konkurrenz fühlte sich der alternde und inzwischen wohlhabend gewordene Buchhändler nicht mehr gewachsen, weshalb er sich denn auf Drucke beschränkte, für welche seine Schriften ausreichten.

Schöffer veröffentlichte während seiner sechsunddreißigjährigen Thätigkeit, [75] d. h. von Fusts Tode 1466 an bis zu seinem eigenen Ableben, im ganzen 59 datierte, bis jetzt bekannt gewordene Drucke. Die meisten derselben sind Folianten, enthalten 50 bis 60 Zeilen in gespaltenen Kolumnen und zählen jeder im Durchschnitt etwas über 150 Blätter. Darunter sind theilweise auch neue Auflagen von Werken, welche bereits früher bei Fust und Schöffer erschienen waren, und besonders zu nennen „Clemetis V. Constitutiones cum Apparatu Joannis Andreae“ aus den Jahren 1467, 1471 und 1476; „Justiniani Institutiones cum Glossa“ 1468, 1472 und 1476; „St. Thomae de Aquino Expositio Sententiarum“ 1470; „Hieronymi Epistolae“ 1470; „Bonifacii VIII. Liber sextus Decretalium“ 1470, 1473 und 1476; „Gregorii IX. Decretales“ 1473 und 1479; „Joannis Torquemada Expositio Psalterii“ 1474, 1476 und 1478, und „Justiniani Codex“ 1475; endlich aber, wie bereits oben erwähnt, wiederholt das Psalterium. Außerdem druckte Schöffer auf Bestellung verschiedene Breviarien und Missale, so für Mainz 1483 und 1485, für Meißen 1485 und Breslau 1499. Seine Hauptthätigkeit dauerte übrigens nur von 1467 bis 1480. In diesen 13 Jahren erschienen bei ihm 34 Werke, während er von 1480 bis 1502, also innerhalb 22 Jahren, nur 15 Bücher verlegte. Am 28. März 1485 veröffentlichte er sein erstes in deutscher Sprache gedrucktes und mit Holzschnitten geziertes Buch: „Ortus Sanitatis, auff teutsch: Ein Gart der Gesundheit“. Am 21. Dezember 1502 erschien sein letzter Druck: die vierte Auflage des „Psalteriums“.[8]

Schöffer starb in Mainz, und zwar gegen Ende 1502 oder zu Anfang 1503. Am 27. März 1503 erschien das erste von seinem Sohn gedruckte Buch: „Mercurius Trimegistus“. Peter’s Tod fällt also kurz vor dieses Datum. Peter Schöffer war ein kleinlicher Charakter. Lediglich seine technische Schreibfertigkeit brachte ihn erst in Berührung mit der Buchdruckerkunst und mit Männern, welche hoch über ihm standen. Auf seinem Gebiete war er groß und leistete auch Vortreffliches; allein dieses Gebiet war eng begrenzt, indem er nur die Technik eines genialen Erfinders ausbeutete und hier und da vielleicht in Nebenpunkten verbesserte. Er konnte kaum Lateinisch sprechen und Griechisch nicht einmal lesen. So fehlte es dem ungebildeten und für ein Verlagsgeschäft jener Zeit schlecht vorbereiteten Manne an jeder Kenntnis der Litteratur, deren Vervielfältigung ihm Tausende eingebracht haben würde, und natürlich [76] auch an der Einsicht, sich neue, reichen Gewinn bringende Bahnen zu eröffnen. Seine Richtung war deshalb auch eine rein handwerksmäßige, bei welcher der Vorteil im kleinen der einzig leitende Gesichtspunkt war. Wenn er trotzdem mit der Zeit wohlhabend wurde, so dankte er seine Erfolge der Vorsicht und der Beschränkung seiner Thätigkeit auf das, was ihm seine priesterlichen Berater als praktisch und deshalb besonders empfehlenswert bezeichneten. Damals kam das Volk als Käufer lateinischer Bücher so gut wie gar nicht in Betracht; in der gelehrten Welt von Mainz und Paris aber überwog die scholastisch-theologische Richtung, welche Schöffer, geschickt für sich ausnützte. Unter seine Verlagsartikel verirrte sich nur ein alter Klassiker, der obenerwähnte „Cicero de Officiis“, und auch diesen druckte er lieber nach, als daß er es sich Geld für die Durchsicht, Kritik und Korrektur der alten Texte hätte kosten lassen.

Im schroffen Gegensatz zu dieser Knauserei und Gewöhnlichkeit der Gesinnung steht nun seine Selbstgefälligkeit und Ruhmredigkeit. Er hielt sich zwei Korrektoren, Meister Franz und den oben bereits genannten Johann Brunnen, welche beide das sich und ihrem Herrn so reichlich gespendete Lob weder durch fehlerfreie Drucke noch durch tadellose Distichen rechtfertigten. Sie hatten eben bei jeder Gelegenheit Schöffer und seine Druckerei zu verherrlichen, Gutenberg als Erfinder der Kunst erst in den Hintergrund zu drängen, dann ganz zu Tode zu schweigen, und schließlich Fust und Schöffer als deren eigentliche Urheber auf den Schild zu heben. So sind denn persönliche Lobpreisungen mit halbverständlichen Andeutungen, sachliche Bemerkungen mit gleichgültigen Bücheranzeigen geschickt vermischt, wodurch zuletzt der Eindruck erzeugt wird, daß Fust der eigentliche Erfinder der Kunst und Schöffer ihr Verbesserer gewesen sei. Die Entstellungen, welche Peter Schöffer’s armseliger litterarischer Diener verbreiten mußte, wurden von seinem Nachfolger und Sohn Johann Schöffer planmäßig und erfolgreich fortgesetzt. Wenn der Vater wider besseres Wissen nur Johann Fust als den „ersten Erfinder und Urheber der Buchdruckerkunst“ bezeichnet hatte, so gesellte der Sohn mit dreister Stirn seinen Vater Peter als verdienten und ebenbürtigen Gehilfen dem angeblichen Erfinder Johann Fust zu, während er Gutenberg mit keiner Silbe erwähnte. Und doch hieß es noch 1505 in der Widmung an Kaiser Maximilian, welche Johann Schöffer selbst der [77] ersten deutschen Übersetzung des Livius vorgedruckt hatte, daß Gutenberg 1450 die Kunst erfunden habe, während sie Fust und Schöffer später teilweise verbessert hätten. In jener kritiklosen Zeit gewannen aber die Johann Schöfferschen größern Kurs und verdrängten bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, ja darüber hinaus, selbst den Namen Gutenbergs aus dem Gedächtnis der Nachkommen. Die mythenbildende Phantasie schuf sich sogar noch bis auf die neueste Zeit ein Dreigestirn von Erfindern, welches in Frankfurt a. M. zu sehen ist, Gutenberg, Fust und Schöffer auf einem Erzstandbilde vereinigte. Madden und nach ihm von der Linde[9] gebührt das große Verdienst, daß sie die allmählichen Übergänge und Fortschritte dieser verleumderischen Kriegführung litterarischer, im Interesse Schöffer’s gegen Gutenbergs Ruhm arbeitender Lohnschreiber aufgedeckt haben. Für den Zweck der Geschichte des Buchhandels genügt die Erwähnung der Thatsache, ihre Begründung würde hier zu weit führen.

Im übrigen zeigen sich in der geschäftlichen Thätigkeit Peter Schöffers bereits die Grundlinien, auf denen der deutsche Verlags- und Sortimentsbuchhandel sich in der Folge weiter entwickelte: Auswahl der zu veröffentlichenden Werke unter bestimmter Rücksichtnahme auf das Bedürfnis und die Bildung der Käufer; Besorgung von Druckaufträgen auf Kosten Dritter; Ausdehnung des Geschäfts durch Errichtung von Filialen, nicht bloß in Deutschland, sondern auch im Auslande; Verbindung des Sortimentsbuchhandels mit dem Verlag; Besuch der frankfurter Messe; öffentliche Ankündigung der Verlagsartikel mit einer vielfach an Marktschreierei grenzenden Reklame und endlich Schädigung der Konkurrenten durch Nachdruck.

Das Fust-Schöffersche Geschäft bestand gerade 100 Jahre. Seinem ersten Druck, dem 1457 erschienenen „Psalterium“, folgte als letzter 1557 die zweite Auflage des deutschen Livius. Johann Schöffer starb im Jahre 1531 und hatte seinen Neffen Ivo Schöffer, den Sohn seines jüngern Bruders, des zweiten Peter Schöffer, zum Nachfolger. Ivo erlangte ein kaiserliches Privilegium für den Druck der Reichstagsabschiede und starb 1556. Von diesem Jahre an bis 1558 führte ein Verwandter, Georg Wagner, unter der Firma „Ivo Schöffers selige Erben“ das Geschäft fort. Letzteres war gegenüber dem schnellen Aufblühen des Buchdrucks und Buchhandels der Nachbarstädte in der Entwickelung [78] entschieden zurückgeblieben und ließ deshalb auch bei seiner Auflösung keine fühlbare Lücke zurück. Überhaupt hatte Mainz bei und unmittelbar nach Erfindung der Kunst auf seiner Höhe gestanden. Mit seiner Einnahme (1462) war seine physische und geistige Kraft gebrochen und die goldene Moguntia von einer mächtigen und reichen Freien Stadt zur Residenz eines Erzbischofs herabgesunken. Die Intelligenz, der Wohlstand und der daraus hervorgehende Unabhängigkeitssinn flohen zugleich aus der Stadt, welche fortan eine, wenn auch vielfach gegen den Stachel leckende, doch gehorsame und dem Priestertum unterthänige Bürgerschaft bevölkerte. Das politische Unglück äußerte nur zu bald seine verderblichen Folgen auf dem Gebiete des Buchhandels. Der Geburtsort hatte 50 Jahre nach dessen Tode kaum Arbeit genug für mehrere Druckereien.

Als Schöffers erster Konkurrent in Mainz gilt der Utrechter Gerhard Renwich, welcher dort angeblich 1486 eine Druckerei errichtete, nachdem er den Domdechanten Breydenbach auf seiner Reise nach Jerusalem begleitet hatte. Er gab allerdings deren Beschreibung in den Jahren 1486 bis 1488 in deutscher, holländischer und lateinischer Sprache heraus, scheint indessen einer der Maler gewesen zu sein, welche die Bilder zu dem mit alten Gutenbergschen Schriften gedruckten Text lieferten, sodaß man mit ebenso großem, wenn nicht größerm Rechte Schöffer den wirklichen Druck zuschreibt, zumal sonst keine Renwichschen Arbeiten bekannt sind. Der Zeit nach würde hier ein bedeutender Schüler Gutenbergs folgen, der Wanderdrucker Johann Neumeister aus Mainz, der, nachdem er die Kunst in mehrern Städten Italiens ausgeübt hatte, 1478 in die Heimat zurückkehrte und am 3. September 1479 in Mainz die „Meditationes Johannis de Turrecremata“ vollendete. Neumeister ging aber nach Herstellung dieses prächtigen Druckes wieder in die Fremde und zeichnete sich später in seinem Fache besonders im südlichen Frankreich aus, wo von ihm noch ausführlicher die Rede sein wird.

Schöffers erster urkundlich nachweisbarer Konkurrent dagegen war Jakob Meydenbach oder Medenbach, ein angeblicher Schüler Gutenbergs, dessen Thätigkeit zwischen 1490 und 1495 fällt. Die meisten seiner Drucke tragen weder seinen Namen noch die Angabe des Jahres und Ortes, sodaß den Bibliographen nur drei Meydenbachsche Bücher bekannt sind, obgleich er deren mehrere herausgegeben hat. Seine Druckerei befand [79] sich in dem zum Stadtviertel Kirschgarten gehörigen Hofe, welcher „der Saulöffel“ hieß. Dieses im gotischen Stile erbaute Haus zeigt über seiner Eingangsthür ein in Stein gehauenes offen liegendes Buch; es diente auch im 17. Jahrhundert mehrern mainzer Druckern als Offizin. Auf Meydenbach folgte Peter Friedberg, der von 1493 bis 1498 druckte. Es sind etwa 24 Stücke von ihm erhalten, welche in demselben kleinen Quartformat und mit denselben gotischen Typen erschienen. Im Jahre 1508 ließ sich Friedrich Heumann in dem „Saulöffel“ nieder, war aber nur bis 1509 thätig. Es ist eine bis auf die neueste Zeit von einem „Gelehrten“ dem andern nachgeschriebene Fabel, daß er von den „Brüdern vom gemeinsamen Leben“ im Kloster Marienthal die Typen der zweiundvierzigzeiligen Bibel gekauft, also mit den ersten Gutenbergschen Schriften gedruckt habe. Dagegen ist er der Verleger des seltenen satirischen Werkchens „De Fide Meretricum in suos Amatores“ (1508). Es vergingen jetzt wieder mehr als 20 Jahre, bis Peter Jordan 1531 in Mainz eine neue Druckerei errichtete; allein auch er hielt nicht lange aus. In seinem Verlag erschien eine vortreffliche, auf Ickelsamerschen Grundsätzen fußende deutsche Grammatik: „Die Leyenschul“. Er wurde zwar auch, wie Johann Schöffer, zum Drucker des mainzer Domkapitels ernannt, fand jedoch in dieser Stellung seine Rechnung nicht. Als solcher druckte er 1534 die deutsche Bibel Johann Dietenbergers gegen die Luthersche Übersetzung, ein mit Holzschnitten und überhaupt schön ausgestattetes Werk. Die große Mehrzahl seiner Bücher ist deutsch; Lateinisches hat er dagegen nur wenig gedruckt. Außerdem übernahm er Aufträge für fremde Buchhändler, wie z. B. Peter Quentel in Köln. Das letzte von ihm 1535 in Mainz veröffentlichte Werk ist eine neue Ausgabe von Johann Stöfflers „Astronomie“, welche zuerst 1513 in Oppenheim erschienen war.

Längern Bestand hatte die Druckerei von Franz Behem oder Böhme, einem Meißener. Er errichtete sie 1539 zwischen den Häusern des St. Victorstifts vor Mainz diesseit Weißenau und druckte dort eine Reihe wertvoller, den Bücherliebhabern wohlbekannter Werke, meist theologischen Inhalts. Auch das berühmte lateinische Lobgedicht auf Gutenberg und seine Erfindung von Johann Arnold von Bergel (Bergellanus) ging im Jahre 1541 aus Behems Offizin hervor, in welcher der Dichter vermuthlich als Korrektor angestellt war. Nach der [80] Zerstörung des Victorstifts durch Markgraf Albrecht von Brandenburg (1552) verlegte Behem sein Geschäft in die Stadt Mainz, ins Haus „Zum Maulbaum“, in welchem es unter dem Gründer der Firma bis 1558 und später unter seinen Söhnen und deren Erben bis zum Vordringen der Schweden zum Rhein blühte. Zwischen 1631 und 1635 wurde das Haus zerstört und das Geschäft ruiniert, während die Familie des letzten Inhabers, Johann Albin, verscholl. Dieser Albin (1594 bis 1622) war ein ebenso thätiger Buchhändler als Buchdrucker. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts besaß er zwei offene Buchläden in Mainz und in Frankfurt. Franz Behem und seine Söhne standen in regem Verkehr mit den bedeutendsten Buchhändlern und Buchdruckern der Zeit. Gemeinsam trieb Franz Geschäfte mit den beiden mainzer Buchhändlern Theobald Spengel und Niklas Geyer, sowie mit den Kölnern Arnold Birckmann und Peter Quentel. Auch mit Sigismund Feyerabend, dem rührigen frankfurter Buchhändler, unterhielt er einen Briefwechsel. Überhaupt muß der Geschäftsbetrieb Behems ein sehr ausgedehnter gewesen sein. Ganz besonders scheint zur Hebung desselben das kaiserliche Druckprivilegium für die Reichstagsabschiede beigetragen zu haben, welches ihm nach Ivo Schöffers Tode erteilt wurde.[10]

Mit dem Untergange des Behemschen Geschäfts verliert Mainz auch den letzten Rest von Bedeutung für den deutschen Buchdruck und Buchhandel. Ob auch das eine oder andere Geschäft dort noch vegetiert und theologische Schriften, Lehr- und Gebetbücher oder auch ausnahmsweise einmal wissenschaftliche Werke veröffentlicht, die Stadt fällt für die Geschichte des Buchhandels gar nicht mehr ins Gewicht und muß sich mit dem Ruhm begnügen, für alle Zeiten als Geburtsort Gutenbergs und als Wiege der größten Erfindung der Neuzeit gepriesen zu werden.

2. Bamberg

steht der Zeit nach an der Spitze derjenigen deutschen Städte, in denen die neue Kunst zuerst Eingang fand und wo man sogar noch während der Thätigkeit des Erfinders zu drucken begann. Ohne der vielfach erörterten Frage nachzuspüren, wo und wie Albrecht Pfister, Bambergs Prototypograph, die Kunst, mit beweglichen Schriften zu drucken, sobald nach Gutenbergs Erfindung gelernt hat, möge hier nur die unumstößliche Thatsache aufgeführt werden, daß sich Pfister in der Bonerschen [81] Fabelsammlung von 1461, welche zu Bamberg als erste deutsche Schrift mit voller Bezeichnung des Ortes und Jahres herausgekommen ist, sowie in dem „Buch der vier Historien“ selbst als Drucker bezeichnet. Beim Mangel aller andern urkundlichen Nachrichten über die Lebensverhältnisse dieses Mannes, und namentlich über seinen typographischen Bildungsgang, läßt sich das Endergebnis aller über ihn verhandelten Streitfragen in die wenigen Worte zusammenfassen, daß damals eine Reihe von Werken mit einer und derselben Schriftgattung hergestellt und daß in den beiden obigen Fällen durch das unumstößliche gedruckte Zeugnis Pfisters diese Schriftgattung als die ihm gehörige erwiesen ist. Niemals konnte andererseits der Beweis dafür erbracht werden, daß bei den übrigen, mit denselben Typen gedruckten Werken ein anderer als Pfister der Drucker sei. Will man daher aus den Thatsachen selbst einen Schluß ziehen, so kann man die gedachten Werke nur als „Drucke mit Pfisterschen Typen“ bezeichnen; alles andere gehört in das Gebiet der bloßen Vermutung. Diese Erstlingswerke zerfallen in datierte und undatierte, und zwar sind zunächst die undatierten: 1) die sechsunddreißigzeilige Bibel; 2) der (sogenannte) „Donat“ von 1451, dessen Jahreszahl sich, wie die bekannte Seeschlange, durch alle ältern und neuern bibliographischen Werke hinzieht, während die pariser Originalblätter dieselbe gar nicht enthalten, vielmehr auf dem einen derselben nur das Wort „Heydersheym“, auf dem andern aber „Vffgerichter vertrag wegen der aigen guetter zu Heydersheim 1492“ steht; 3) Allegorie auf den Tod; 4) Rechtsstreit des Menschen mit dem Tode; 5) und 6) die Armenbibel in deutscher und lateinischer Ausgabe; 7) „Belial oder Trost der Sünder“ (mit dem Namen „Albrecht Pfister zu Bamberg“). – Sodann die datierten: 8) und 9) die in 31 Zeilen gedruckten Ablaßbriefe von 1454 und 1455; 10) „Eyn manung der christenheit widder die Durken“ von 1455; 11) Kalender mit der Jahreszahl 1457; 12) Boners „Edelstein oder Fabelbuch“ von 1461 und 13) „Buch der vier Historien“ von 1462.

Bamberg hat indessen eine große Bedeutung nur für die Geschichte der Erfindung und ihrer unmittelbaren Verbreitung; für die spätere wachsende litterarische Produktion dagegen und den Buchhandel überhaupt kommt es gar nicht in Betracht. Nach dem Tode Albrecht Pfisters verschwindet die Stadt beinahe 20 Jahre lang aus der Reihe der Druckstädte, [82] es sei denn, daß man einen legendenhaften Sohn Pfisters, Namens Sebastian, als dessen Nachfolger gelten läßt. Erst 1481 erscheinen hier Johann Sensenschmid von Nürnberg und Heinrich Petzensteiner; sie wirkten bis 1490 vereint und leisteten besonders Hervorragendes im Druck verschiedener Chorbücher, unter welchen das „Missale ordinis S. Benedicti“, 1481, und das von Johann Sensenschmid zu Regensburg hergestellte, „Missale Ratisbonense“, 1485, hervorzuheben sind. Als nächster bamberger Drucker ist Johann Pfeil, 1497 bis 1519, und nach ihm höchstens noch Georg Erlinger zu erwähnen.

Dieser kurze Blick nach Bamberg unerläßlich für den chronologischen Lauf der Darstellung, aber nicht weiter fördernd für die Entwickelungsgeschichte der Kunst, möge zum Übergang in die nächst Mainz größte und bedeutendste Buchdruckerpflanzstätte genügen, nach

3. Straßburg,

welches sich schon zu Gutenbergs Lebzeiten durch seine litterarische Thätigkeit und glänzenden Druckerzeugnisse auszeichnete. Während in Mainz die Schöffersche Offizin bis zum Ausgange des Jahrhunderts fast konkurrenzlos fortbesteht und im bequemen Schritt alljährlich ein paar neue Folianten veröffentlicht, ringt in Straßburg gleich im Anfang die rastlose Energie zweier großer Buchdrucker und Verleger um den Preis. Wie im Sturmlauf werfen ihre Pressen einen Bücherkoloß nach dem andern auf den Markt. Kaum ist ein Riesenwerk vollendet, so wächst ein neues heran; jedes einzelne repräsentiert aber ein Kapital, welches bei mangelndem Erfolge den Unternehmer zu Grunde richten mußte. Indessen fließen ihnen immer neue Mittel zu, der Absatz scheint fast unerschöpflich und hält sich mit der Produktion auf gleicher Höhe; ja immer neue Unternehmer finden sich, welche die neue Kunst mit großem Erfolg geschäftlich verwerten.

Wenn auch im 16. Jahrhundert an das mächtiger aufstrebende Basel nicht hinanreichend, so tritt doch Straßburg in der Wiegenzeit der Kunst allen andern deutschen Städten tonangebend gegenüber, weshalb denn auch seine Bedeutung für die Geschichte des Buchdrucks und Buchhandels gerade in dieser Erstlingsepoche ganz besonders gewürdigt zu werden verdient. Es steht hier der Name Johann Mentel oder Mentelin aus Schlettstadt obenan. Er kaufte 1447 als Goldschreiber [83] das straßburger Bürgerrecht; seines Kunstgewerbes wegen wurde er, wie später alle Buchdrucker, in die Zunft „Zur Stelz“ eingeschrieben. Er gehört zu den ersten, welche die Bedeutung ahnten, zu welcher die neue Kunst berufen war. Wo und wie er sie erlernt hat, weiß man nicht. Eine Verbindung mit Gutenberg oder mit einem der straßburger Gesellschafter desselben ist geschichtlich nicht nachzuweisen. Auch der Zeitpunkt für die Errichtung der Mentelschen Druckerei kann nur annähernd bestimmt werden. Die freiburger Bibliothek besitzt ein Exemplar der ersten der lateinischen Bibeln Mentels in zwei Foliobänden; sie gilt wenigstens seit Panzer als Mentels Werk. Am Ende des ersten Bandes steht von der Hand des Rubrikators geschrieben: „Explicit Psalterium 1460“, am Ende des zweiten aber: „Explicit Apocalypsis anno domini M°CCCC°lXI°“.[11] Demnach hatte Mentel den ersten Band 1460 vollendet, und man kann als gewiß annehmen, daß die Errichtung seiner Offizin mindestens ein oder zwei Jahre früher stattgefunden habe, zumal hiermit die gleichzeitige Chronik des Philipp de Lignamine (1474), eines römischen vornehmen Buchdruckers und Verlegers, übereinstimmt, welche in einer Notiz über die Buchdruckerkunst die Wirksamkeit Gutenbergs, Fusts und Mentels in das Jahr 1458 setzt. Die obige Bibel enthält 427 Blätter, welche zweispaltig mit 49 Zeilen auf jeder Seite gedruckt sind. Sie ist zugleich die erste Bibel, die mit kleinern gotischen Lettern nach Erscheinen der mit Missalschriften hergestellten zweiundvierzigzeiligen und sechsunddreißigzeiligen Bibeln herauskam, und scheint den Mainzern Fust und Schöffer erst den Anstoß zu ihrer achtundvierzigzeiligen Bibel von 1462 gegeben zu haben. Schon die Charaktere dieser schönen Mentelschen Bibel zeigen in ihrem flotten Zuge das Gepräge des beweglichen Geistes ihres Schöpfers. Für diesen rührigen Geschäftsgeist sprechen auch vor allem die von Mentel herrührenden ältesten gedruckten Verlagsverzeichnisse, deren er sich in der Art der heutigen Prospekte, ähnlich wie schon früher der Handschriftenhändler Diebold Lauber in Hagenau, zur Empfehlung seiner Bücher bediente und deren im fünften Kapitel ausführlicher gedacht werden muß. Von besonderer Wichtigkeit sind diese Verzeichnisse aber deshalb, weil es durch ihre Vermittelung erst möglich geworden ist, die Druckwerke Mentels zu erkennen; denn nur wenige derselben hat er unter seinem Namen erscheinen lassen. Derselbe findet sich nur in dem von ihm herausgegebenen vierten Buche von Augustinus’ „De Doctrina christiana“ [84] unter dem Titel „Ars praedicatoria“, in des Vincentius Bellovacensis „Speculum historiale“ aus dem Jahre 1473 und dem „Speculum morale“ von 1476; seine übrigen Verlagsartikel mußte man erst nach diesen Verzeichnissen oder durch Vergleichung der Schriftgattungen herausfinden. Erst seit 1466 treten einige Daten für die Bestimmung der Drucke Mentels auf, welche ebenso sicher sind, als ob er sie selbst angegeben hätte. So bemerkt ein Schönschreiber zu einer lateinischen Bibel Mentels, daß dieser sie 1466 gedruckt habe. Die Jahreszahl 1466, ohne den Namen des Druckers, findet sich ferner in einer „Summa“ des Thomas von Aquino, welche, wie anderweit nachgewiesen, von Mentel gedruckt ist.

Es ist eine erstaunliche Anzahl von Folianten, welche er herausgegeben hat, indessen läßt sich ihre genaue Ziffer nicht bestimmen. Madden nimmt 21 unzweifelhafte Drucke Mentels an, zusammen 41 Bände, darunter 37 in Großfolio. Nach dieser Rechnung hätte er durchschnittlich drei Bände jährlich innerhalb seiner, wie unzweifelhaft feststeht, fast vierzehnjährigen Druckerthätigkeit (1465 bis 1478) geliefert. Nimmt man aber mit Schmidt an, daß Mentel höchst wahrscheinlich schon vor 1465 angefangen zu drucken, so würde sich die Zahl seiner Ausgaben und die jährliche Durchschnittsleistung nach diesem Kenner etwas niedriger stellen.[12] Von seinen Hauptwerken muß hier in erster Linie seine deutsche Bibel (um 1466), die zweite in der Reihe der deutschen Bibeln, genannt werden. Sie zählt 405 Blätter in zweispaltigem Druck mit 61 Zeilen auf der Seite. Der Käufer eines in München bewahrten Exemplars hat das Datum, den 27. Juni 1466, seinen Namen, Hector Mulich, und glücklicherweise auch den stattlichen Preis, 12 Gulden für ein ungebundenes Exemplar, hineingeschrieben; sonst trägt sie weder Mentels Firma, noch Datierung. Seine Druckerei hatte er in einem „Zum Tiergarten“ genannten Hause in der Nähe des Fronhofs, bewohnte aber das Haus „Zum Dorn“ in der Dornengasse. Er gelangte zu großem Wohlstande und wurde einer der reichsten Bürger Straßburgs. Kaiser Friedrich III. gestattete ihm, als Wappen den Löwen des schlettstadter Wappenschildes anzunehmen, mit dem einzigen Unterschied, daß die Farben umgekehrt wurden. Der große Verleger starb am 12. Dezember 1478. Seine beiden Töchter aus erster Ehe wurden die Gattinnen zweier anderer namhafter straßburger Buchdrucker: des Adolf Rusch und Martin Schott. [85] Der zweite Typograph Straßburgs, ein würdiger Genosse Mentels, war Heinrich Eggestein, von Rosheim gebürtig. Er hatte auf einer Universität den Magistergrad erlangt. Nach Straßburg gekommen, bekleidet er nach 1427 bis 1463 das Amt eines Insiglers, kommt später nur noch als Schreiber vor und hat sich alsdann der Buchdruckerkunst zugewandt. Für seine anfängliche Verbindung mit Mentel spricht ein Zeugnis des Hieronymus von Gebwiler[13] , der ein Dokument gesehen haben will, nach welchem Eggestein sich gegen Mentel verpflichtete, ihr gemeinsames Verfahren geheim zu halten. Aus diesem Umstande könnte geschlossen werden, daß Mentel jenem die Kunst gelehrt habe. Wäre dieses der Fall, so würde die Genossenschaft von nicht langer Dauer gewesen sein, denn durch einen Schirmbrief vom 30. April 1466 nahm Kurfürst Friedrich von der Pfalz, als Landgraf vom Elsaß, Eggestein und dessen Arbeiter in seinen besondern Schutz, ein Beweis dafür, daß er in jenem Jahre[14] bereits für sich allein arbeitete. Eins seiner schönsten, uns heutzutage wertvollsten Werke ist die erste deutsche Bibel (ohne Druckerfirma und Jahreszahl erschienen), von welcher durch mehrere rubrizierte Exemplare erwiesen ist, daß sie mindestens 1466 gedruckt sein muß; sie enthält 404 Blätter in zwei Spalten zu je 60 Zeilen. Mentel stellte erst nach ihr die oben angeführte zweite deutsche Ausgabe her.

Seinen ersten datierten, und zugleich den ersten datierten straßburger Druck überhaupt, lieferte Eggestein in dem Riesenfolianten des „Decretum Gratiani“ von 1471, nachdem er bereits drei lateinische undatierte Bibeln hatte erscheinen lassen. Trotzdem, daß Schöffer in Mainz dieses „Decretum“ nachzudrucken sich beeilte, gab Eggestein doch schon 1472 eine neue Auflage heraus, ein Beweis für den reißenden Absatz des Werkes. In demselben Jahre veranstaltete Eggestein noch eine Ausgabe der „Clementinae“, in deren Explicit er seinen Namen nennt und hinzufügt, daß von ihm schon zahllose Werke über göttliches und menschliches Recht ausgegangen seien. Man war bisher geneigt, dieses Wort als starke Übertreibung aufzufassen oder den Ausdruck volumina im Sinne von Exemplaren zu deuten; indessen hat neuerdings der Klemmsche Katalog nachgewiesen[15] , daß demselben Typographen eine größere Zahl von Werken angehört, die bisher einem „unbekannten straßburger Drucker“ oder durch Irrtümer und Verwechselungen auch den Typographen Georg Reiser in Würzburg und Christoph Valdarfer in Mailand zugeschrieben wurden, [86] sodaß durch diesen Zuwachs das stolze Wort des Meisters Eggestein im eigentlichen Sinne wahr zu werden scheint. Sein letzter datierter Druck sind die Decretalen Innocenz’ IV. von 1478; seine Thätigkeit scheint also zu gleicher Zeit mit der Mentels erloschen zu sein. Sein Todesjahr ist unbekannt.

Der nächste Buchdrucker Straßburgs ist Georg Huszner, ursprünglich Goldschmied. Er wurde straßburger Bürger, als er 1470 die Tochter des Nikolaus von Honau heiratete, der als „aurifaber et pressor librorum“ mit seinem Schwiegersohn zusammen gearbeitet haben soll.[16] Teilhaber aber am ersten (1473) datierten Drucke Huszners, dem „Speculum judiciale“ des Bischofs Wilhelm Duranti, war der Mainzer Johann Beckenhub, der sich als Kleriker bezeichnet. Es ist ein Meisterwerk der Typographie: der Druck von wundervoller Reinheit, die Type ebenso originell als gefällig. Im Explicit sind die besonders erwähnten metallenen Typen – exculptae aere literae – bemerkenswert. Huszners spätere Drucke von 1476 bis 1498 führen nur noch seinen Namen allein an. Er starb erst 1505, wird aber, ungeachtet daß er bis an sein Ende die Goldschmiedezunft im Stadtrat vertrat, in Urkunden immer noch als Drucker bezeichnet. Beckenhub tritt später in Würzburg und Regensburg als Teilhaber anderer Buchdruckereien auf; bei Koberger in Nürnberger und Amerbach in Basel erscheint er auch als Korrektor.

Ein bedeutender Buchdrucker war Martin Flach, 1475 bis 1500, der fast überall mit dem Baseler Martin Flach verwechselt wird. Es ist jedoch erwiesen, daß beide zwei verschiedene Personen sind. Er wurde 1472 straßburger Bürger. Die Zahl seiner Drucke ist beträchtlich. Schmidt hat deren mit seinem Namen 70 gezählt; mit Einschluß der undatierten mögen auf ihn wohl gegen hundert kommen, welche ihm sogar das begeisterte Lob zeitgenössischer Poeten eintrugen. Seine Thätigkeit verdient übrigens nur nach ihrer technischen Seite Anerkennung; seine litterarischen Verdienste bleiben weit hinter denen seiner zeitgenössischen Nebenbuhler Johann Prüß und Johann Grüninger zurück, welch letztere mehr einen wissenschaftlichen Verlag pflegten. Man kennt von Martin Flach, Flaccus oder Simus, wie er sich auch nennt, kaum ein Werk, welches nicht dem starren theologischen Dogma huldigte. Er starb am 26. Oktober 1500.[17]

[87] Adolf Rusch von Ingweiler heiratete, wie bereits bemerkt, Mentels Tochter Salome und wurde Teilhaber des Mentelschen Geschäfts, nachdem er vorher Gehülfe in demselben gewesen war. Nach seines Schwiegervaters Tode übernahm er 1478 die Offizin selbständig. Seit nicht allzu langer Zeit kennt man erst die genauern Daten über Ruschs Thätigkeit als Buchdrucker. Einem lateinischen Lobgedicht seines gelehrten westfälischen Zeitgenossen Rudolf von Langen, welches 1486 zu Münster gedruckt erschien[18] , verdankt man die Kenntnis, daß die große vierbändige „Biblia latina cum glossa ordinaria Walafridi Strabonis et interlineari Anselmi Laudunensis“ von Rusch für Anton Koberger gedruckt worden ist. Dieses immensum opus – wie Langen selbst es nennt – ist ein bewundernswertes Denkmal der Ausdauer und Geschicklichkeit ihres kunstverständigen Schöpfers. Zum Druck dieser glossierten Bibel wurden viererlei Typen benutzt: 1) die Textschrift, 2) die kleinere Glossenschrift, 3) die noch kleinere Interlinear-Glossenschrift und 4) die Missaltype für einzelne Worte, Überschriften und die ersten Zeilen des Textes von jedem Kapitel. Diesen umgibt auf jeder Seite die Glosse, während zwischen seine Zeilen die Interlinearglosse des Anselm von Laon eingeschoben ist. Ruschs Persönlichkeit bietet für die Geschichte des Buchhandels jener Zeit ein mehr als gewöhnliches Interesse. Wie für Koberger, so übernahm er auch Aufträge von andern Verlegern. Wenn seine eigenen Pressen nicht ausreichten, so gab er den kleinen straßburger Druckern Arbeit; man kennt überhaupt bis jetzt nur wenig Drucke, welche man mit Bestimmtheit als die seinigen bezeichnen kann. In der baseler Bibliothek haben sich jüngst noch acht Briefe vorgefunden, welche Rusch an Johann Amerbach gerichtet und welche C. Schmidt zuerst veröffentlicht hat.[19] Wenn auch in möglichst schlechtem Latein geschrieben, so enthalten sie doch einen höchst interessanten Beitrag zur Kenntnis des Geschäftsverkehrs der damaligen Buchdrucker und Buchhändler, zumal sie einem so entlegenen Zeitraum, wie dem von 1480 bis 1485 angehören.

Rusch machte zugleich bedeutende Geschäfte in Papier und lieferte solches häufig an Amerbach und andere Drucker. Er war gewohnt, wenn er Bücher für seinen Handel kaufte, dieselben mit Papier zu bezahlen, derart, daß er zwei Ballen weißes für einen Ballen bedrucktes lieferte. Einstmals hatte er bei Jakob von Pforzheim eine ähnliche Bestellung gemacht. Dieser antwortete ihm aber, er habe sich mit Papier genügend [88] vorgesehen und würde ihm die verlangten Bücher auf Kredit schicken, wenn er sie mit Geld begleichen wolle. Aber Rusch erwiderte, „er kaufe keine Bücher, sondern sei Papierhändler, und wenn jener sein Papier für sein jetziges Werk nicht brauche, so solle er es auch später für die andern nicht erhalten“. Ein anderes mal, am 22. Oktober 1482, verwendet sich Rusch bei Amerbach für den straßburger Buchhändler Peter Attendorn, „Amerbach möge diesen mit Typen für eine Presse versorgen, wofür er gebührend bezahlen würde“, denn „da er (Attendorn) aufs eifrigste nach Arbeit trachtet, durch die er Frau und Kinder anständig ernähren und erziehen kann, so ersuche ich Euch, da Ihr an Typen Vorrat habt, ihm auf meine Bitte Hilfe zu leisten. Ihr würdet mir dadurch einen Dienst erweisen, den ich gern mit einem größern erwidern werde“. Rusch lieferte Amerbach zu wiederholten malen Handschriften, bewog ihn auch den Äsop, Augustins „De civitate Dei“, die „Sermones discipuli“ zu drucken, letztere in der Art, wie sie Flach gedruckt hätte, „denn es ist ein gutes Buch“, schreibt er, „und eines großen Absatzes fähig“. Über Nikolaus Keßler von Pforzheim beklagt er sich, daß sie es weniger eilig hätten, Bücher zu schicken, als Geld einzunehmen; ein andermal wieder, daß sie ihm den „Meffreth“ (die „Sermones“, welche Keßler 1487 druckte) nicht gesandt hätten. Zugleich bestellte er bei Amerbach 10–20 Exemplare der „Summa praedicantium“, wofür er sofort 1 ½ Gulden pro Exemplar nach Empfang einsenden werde. – Die vielseitige Thätigkeit eines Mannes wie Rusch als Buchdrucker, Verleger, Buch- und Papierhändler muß in der That Bewunderung erregen. Nach dem Tode seines Schwiegervaters scheint er noch einen oder mehrere Gesellschafter gehabt zu haben; wenigstens spricht er in dem ersten der genannten Briefe von „societas mea“. Er starb am 26. Mai 1489. In seiner Jugend schon hatte ihn enge Freundschaft mit dem jungen Humanisten Peter Schott verbunden, der in Straßburg die Pflege der klassischen Studien zu erweitern und zu vertiefen trachtete. Eine Folge dieser Verbindung war jedenfalls der von Rusch aufgenommene Plan der Herausgabe eines mit Holzschnitten verzierten Virgil, die leider infolge des Todes des tüchtigen Mannes unterblieb.

Ein Vetter Peter Schotts war der Buchdrucker Martin Schott, der jene obengenannte zweite Tochter Mentels geheiratet hatte. Er druckte von 1481 bis 1491. Sein Sohn, Johann Schott, wurde gleichfalls [89] Buchdrucker und veranlaßte durch die Umschrift des Mentelschen Wappens, das er als Enkel des großen Prototypographen auf den Titel einiger von ihm herausgegebenen Werke setzte, daß das Märchen von einer durch Mentel erfundenen Buchdruckerkunst sich weiter verbreitete und den Ruhm Gutenbergs eine Zeit lang verdunkeln half. Seine Thätigkeit als Drucker ist höchst bedeutend. Zu seiner Zeit schon erblühte der vom Besitz einer Druckerei unabhängige straßburger Verlagsbuchhandel. Im Jahre 1510 gab Johann Schott mehrere Werke auf Kosten seines Freundes Georg Übelin, genannt Maxillus, heraus; 1513 druckte er für den Straßburger Johann Knoblauch, 1515 für Paul Götz, 1517 und 1518 für beide zusammen, 1519 für Blasius Salomon in Leipzig, 1536 für Andrea Calvi zu Mailand. Er lebte noch 1545. – Sodann sind die schon genannten Johann Prüß, 1480 bis 1510, und dessen gleichnamiger Sohn (bis 1527) zu nennen. Jener war ein geborener Würtemberger (geb. 1447) und machte den Druck liturgischer Werke zu seiner Spezialität. Man hat von ihm Martyrologien mit Kalendern, Meßbücher, Graduale und Psalter mit den Musiknoten. Außerdem gab er Schriften aus fast allen Gebieten der Litteratur heraus. Als Buchhändler besaß er zwei Läden, einen im Hause „Zum Tiergarten“, da, wo Mentels Offizin gewesen war, und einen andern am Eingang zum Münster. Sein Sohn druckte für Knoblauch und Paul Götz. Die seinen Namen allein tragenden Bücher belaufen sich auf etwa 20 lateinische und 6 deutsche. Nach 1519 druckte er zahlreiche lutherische Schriften nach.

Einer der bedeutendsten straßburger Drucker war Johann Reinhart aus Grüningen in Würtemberg, gewöhnlich Johann Grüninger genannt, der zuerst 1480 in Basel als Drucker auftritt und 1482 in Straßburg das Bürgerrecht kaufte. Im Jahre 1483 gab er in Gemeinschaft mit Heinrich von Ingweiler die „Historia scholastica“ heraus, trennte sich aber bald von ihm und druckte später allein bis 1529. Seine Offizin war eine hochangesehene. Theologische Werke, hauptsächlich in deutscher Sprache, Volksbücher und poetische Litteratur gingen reichlich aus derselben hervor; sein Verlag erstreckte sich aber auf alle Teile der Wissenschaft. Er war nebenbei zugleich ein großer Nachdrucker und suchte, der ersten einer, sich selbst durch Privilegien gegen den Nachdruck zu schützen. Seine Drucke zeichnen sich vor allem durch zahlreiche Holzschnitte und Verzierungen, wie schöne Alphabete von Initialen und Titeleinfassungen [90] im Stil der deutschen Renaissance aus. Er ist der einzige straßburger Buchdrucker, der nach der Reformation fortgefahren hat, katholische Flugschriften und Traktate herauszugeben. Seine vortrefflichen Leistungen verschafften ihm einen bedeutenden Ruf und zahlreiche Bestellungen von auswärtigen Verlegern. So druckte er 1502 für Konrad Hist in Speier, und in demselben Jahre kaufte ihm Johann Schönsperger in Augsburg das in 1000 Exemplaren gedruckte „Heiligenleben“ (28. Februar 1502) unter der Bedingung ab, daß Grüninger nur 200 Exemplare davon für sich behalten, sie nicht außerhalb Straßburg und zu keinem andern Preise, als einem Gulden das Exemplar verkaufen, vor Ablauf von sechs Jahren das Buch nicht neu auflegen dürfe und die Holzstöcke der Bilder an Schönsperger abliefern müsse, als Beweis dafür, daß dieser der alleinige rechtmäßige Besitzer der Ausgabe sei.[20] Zu wiederholten malen, 1510, 1524, 1525, druckte Grüninger auch für Koberger in Nürnberg. So führte er 1525 den Druck einer von Wilibald Pirckheimer besorgten Übersetzung der Geographie des Ptolemäus aus, deren Verlag und Kosten Hans Koberger übernommen hatte. Über den Druck dieser Ausgabe sind mehrere Originalbriefe Grüningers, Pirckheimers und Kobergers erhalten. Neben mancher andern interessanten Einzelheit geht aus denselben hervor, daß die nürnberger Herren den straßburger Meister nicht gerade glimpflich behandelten. Um der Ausgabe ein recht schönes äußeres Gewand zu verleihen, ließ Grüninger kunstvolle Randleisten zu dem Werke schneiden und verzierte damit die Seiten des Textes. Allein bei Pirckheimer fanden Grüningers Bemühungen wenig Anklang. In einem höchst aufgebrachten Schreiben beklagt er sich bei diesem darüber, daß sein Text nicht in gehöriger Ordnung gedruckt sei, und nicht genug damit, habe Grüninger dazwischen seine „fabel und gauklerrey gedruckt und also die ordnung verkehrt“, sodaß Anmerkungen und Text nicht immer stimmten. „Wo ich mich dessen versehen hätte“, schreibt Pirckheimer weiter, „hätte ich eher mein Manuskript verbrennen mögen.“ Weiter beschwert er sich über zahlreiche Druckfehler und darüber, daß Grüninger bei dem letzten Teil es versäumt habe, den zur Korrektur bestellten gelehrten Johannes Huttichius zu Rate zu ziehen, worauf er fortfährt: „Aber ich sehe wohl, daß Ihr meint, wenn Ihr nur viel Gaukelei und alter Weiber Fabel mit Kartenmaler-Bildern in das Buch bringt, so habt Ihr es wohl geschafft“, „das mag wohl sein [91] unter Kindern und unverständigen Leuten, aber unter den Gelehrten würde ich mit samt Euch zu Spott und Schanden. Ich hätte gemeint, wo Ihr etwas nicht verstanden, hättet Ihr Meister Hansen Huttich um Rat gefragt; aber ich sehe wohl, Ihr folgt nur Euch selbst, es möge geraten, wie es wolle. Meine Mühe und Arbeit habe ich nicht wohl angelegt. Ihr hättet nur hören sollen, wie mich Albrecht Dürer Eurer Malerei halber, daran doch kein einziger guter Strich sei, verspottet hat; wir würden, meinte er, große Ehre einlegen, wenn wir damit in welschen Landen vor die verständigen Maler kämen; da würde eben meine Übersetzung ungelesen dem köstlichen Bildwerk gleich geachtet und ich und Ihr für «grob unverständige Leut» gehalten werden.“ Natürlich blieb Grüninger die entsprechende Antwort nicht schuldig. „Es hätten“, sagt er, „pariser und lyoner Buchhändler, die auf einer Messe die Bogen gesehen, sowie auch Spanier, denen er sie auf dem Reichstag zu Worms vorgelegt, dieselben sehr schön gefunden.“ Vielleicht spielen hier Künstler-Eifersüchteleien, eine Abneigung gegen die elsasser Schule mit hinein. Die italienischen Buchillustrationen jener Zeit waren ja auch nicht Kunstwerke ersten Ranges. Schließlich aber mußte Grüninger den Schmuck doch beiseite lassen und den Herren zu Nürnberg noch gute Worte geben, um von ihnen nicht Schaden zu erleiden. Er scheint zuletzt nur noch als Verleger thätig gewesen zu sein. Sein Todesjahr ist nicht bekannt.

Untergeordneter als die bisherigen waren: Heinrich Knoblochtzer, 1478 bis 1484, der sich durch sechs besonders sprachlich interessante deutsche Werke bekannt gemacht hat und später nach Heidelberg übersiedelte; Thomas Anshelm von Baden, 1488, später zu Pforzheim und Tübingen, der zuletzt in Hagenau seine hauptsächlichste Bedeutung gewann; Johann Eber, 1488; Peter Attendorn, der obengenannte Schützling Adolf Ruschs, 1489; Matthias Hupfuff, 1492 bis 1520, hervorragend durch die von ihm herausgegebenen populären und deutschen Schriften. Sein Umsatz muß bedeutend gewesen sein, denn Knoblauch schuldet ihm im Jahre 1516 für gelieferte Bücher eine Summe von 1984 Gulden. Ferner Bartholomäus Kistler von Speyer, ein Maler, der eine Zeit lang die Buchdruckerkunst ausübte und von 1497 bis 1509 eine ziemliche Anzahl meist deutscher populärer Schriften herausgab; Matthias Brant, 1500, ein Bruder des berühmten Sebastian. Dann Johann Knoblauch; er heiratete die Witwe Martin Flachs und tritt als dessen Nachfolger auf. [92] Bis 1527 gab er gegen 200 lateinische und 70 deutsche allen möglichen Gebieten angehörende Werke heraus. Er hatte sehr ausgebreitete Geschäftsverbindungen; seine Pressen arbeiteten sowohl für auswärtige Verleger, wie 1505 und 1506 für Johann von Ravensberg von Köln, 1515 für Urban Kaym von Ofen, 1516 für Johann Haselberg von Reichenau, als auch für andere Drucker, wie Heinrich Gran in Hagenau, Johann Prüß, Johann Schott, Martin Flach den Jüngern. Seine Nachfolger waren sein Sohn Johann und Georg Messerschmidt. – Auch der jüngere Martin Flach, der eigentlich durch seinen Stiefvater Knoblauch aus dem väterlichen Erbe verdrängt wurde, druckte bis zum Jahre 1525 selbständig in Straßburg. Ferner sind zu nennen: Johann Wehinger, 1502 bis 1504; Thomas Swop, 1504, dessen Drucke aber verschwunden sind, wenn er überhaupt selbständig gedruckt hat; Hieronymus Greff, 1502; Matthias Schürer, ein Vetter Martin Flachs des Jüngern. Er hatte gelehrten Studien obgelegen und zu Erfurt als Doctor artium promoviert; demnächst als Korrektor bei Flach, Prüß und Knoblauch thätig, gab er 1508 sein erstes selbständiges Werk heraus. Eifrig für die Hebung der klassischen Studien bemüht, wurde er von Beatus Rhenanus, Wimpheling und selbst Erasmus hochgeschätzt. Seine Thätigkeit war bedeutend; bis 1521 veröffentlichte er gegen 250 Werke. Die Brüder Leonhard und Lukas Alantsee in Wien ließen bei ihm mehrere schöne Ausgaben in den Jahren 1513, 1515 und 1517 drucken. Renatus Beck aus Köln, 1511 bis 1522, – zuerst des ältern Prüß Gehülfe, alsdann sein Schwiegersohn und endlich sein Nachfolger – druckte 1513 für Knoblauch und Johann Rynmann in Augsburg, während Konrad Kerner von Steinfeld 1517 von Johann Haselberg beschäftigt wurde. Ulrich Morhard, 1519 bis 1522, druckte später in Tübingen. Es folgen nun noch Johann Herwagen, später in Basel, 1522 bis 1528; Jörg Kunnast, um 1520; Wolf Köpfel, 1522 bis 1534; Johann Schwan, 1524; Peter Kornmann, 1526; Balthasar Beck, um 1528 bis 1531; Christian Egenolph, der spätere erste frankfurter Drucker, 1529 und 1530; Heinrich Sybold, um dieselbe Zeit; Georg Ulricher, 1529 bis 1536; Peter Schöffer, der zweite Sohn des alten Peter Schöffer aus Mainz, 1530 bis 1535; Matthias Apiarius oder Bienenvater, der sich später nach Bern begab, 1533 bis 1539; Johann Albrecht, 1533; Wendel, Theodosius und Josias Rihel, die Nachkommen des Bernhard Richel in Basel, von etwa 1535 bis [93] 1621; Jakob Kammerlander, 1535 bis 1542; Crato Mylius, 1537 bis 1545; Paul und Georg Messerschmidt, um 1560; Bernhard Jobin aus Basel und Erben, 1570 bis zum Ende des Jahrhunderts. Der letztere war ursprünglich Formschneider in Basel. Durch Herausgabe der geistvollen Satiren seines Schwagers Johann Fischart, welche in ganz Europa großes Aufsehen erregten, begründete er seinen Ruhm und Reichtum.

„Es war“, sagt A. F. Butsch in seiner „Bücherornamentik der Renaissance“, „Ausgang des 15. und Eingang des 16. Jahrhunderts überhaupt in Straßburg eine Elite von Druckern, wie sie keine andere Stadt Deutschlands aufweisen konnte. Die Zahl ihrer Druckwerke (bis zum Jahre 1500 etwa 750) war denn auch die größte aller deutschen Druckorte. Verstand es gleichwohl ihre Nebenbuhlerin Basel, sie eine Zeit lang zu überflügeln, so nahm in spätern Jahren des 16. Jahrhunderts doch wieder Straßburg die früher behauptete Stellung ein.“

4. Köln,

wohin die neue Kunst zunächst gelangte, hatte schon im 11. Jahrhundert nächst Mainz als das Haupt und die Fürstin von allen Städten des Reichs geglänzt und sich seitdem immer mehr gehoben. Seine günstige Lage machte es zum Stapelplatz zwischen Mittelmeer und Nordsee.[21] Hier trafen die großen Handelszüge zusammen, welche von Venedig und Genua über die Alpen und den Rhein hinab, dann vom fernen Nowgorod durch Vermittelung Lübecks und der westfälischen Städte dem Westen die Erzeugnisse des Ostens zuführten; hier lagerten die Waren, welche aus England, Frankreich und den Niederlanden für die Ostsee bestimmt waren; von hier wurden Wein und Korn, flämisches Tuch und westfälische Eisenwaren vertrieben. So entwickelte sich in Köln ein bedeutender Großhandel und in seinem Gefolge eine nicht unwichtige Industrie, sodaß die Zahl und der Wohlstand der Einwohner stetig wuchs. Die gegen Ende des 14. Jahrhunderts errichtete Universität war einer der nach pariser Muster gegründeten Hauptsitze der mittelalterlichen Scholastik und prägte später diesen ihren Charakter auch in den dortigen Druckwerken aus. Die Zahl der noch heute in der städtischen Bibliothek befindlichen kölner Wiegendrucke beläuft sich nach Ennens Schrift über diesen Gegenstand auf 406 Werke und enthält außer einigen juristischen und sonstigen Lehrbüchern fast nur theologische mittelalterliche Litteratur. [94] Die Universität zählte gegen Ende des 15. Jahrhunderts an 4000 Studenten und mußte, wenn sie nicht hinter andern gelehrten Schulen zurückbleiben wollte, den Bücherdruck möglichst zu fördern suchen. Die Buchdrucker und Buchhändler aber gingen aus den intelligenten kaufmännischen Kreisen der großen Handelsstadt hervor. Diese Hittorp, Horncken, Birckmann, und wie sie alle heißen, waren unternehmende, rührige und thätige Männer von weitem geistigen Gesichtskreise, große Kaufherren; sie legten den Grund zur buchhändlerischen Bedeutung Kölns. Ihr Geschäftsbetrieb war damals schon vielfach ein internationaler und ließ bereits die ungemessene Ausdehnung des geistigen Verkehrs ziemlich deutlich ahnen.

Ulrich Zell von Hanau, der sich, wie Peter Schöffer, clericus Moguntinensis nennt, brachte unmittelbar nach der Plünderung von Mainz die Erfindung Gutenbergs nach Köln. Er gilt als einer der ersten Schüler der mainzer Druckereien und gehörte, nach dem Duktus seiner Schriften zu schließen, speziell der Fust und Schöfferschen Schule an. Das Jahr 1466 bringt seinen ersten datierten Druck, den „Liber Joannis Chrysostomi super Psalmo quinquagesimo“; jedoch sind ihm höchst wahrscheinlich bereits andere undatierte Druckwerke vorangegangen. Dafür spricht seine Ausgabe der „Officia“ des Cicero[22] , deren mannichfache Fehler in die Fust und Schöffersche Ausgabe des Cicero von 1465 übergingen, sodaß jene noch älter sein muß, als diese. Leider geben die kölner Urkunden über den Zeitpunkt seiner Ankunft in Köln keinen nähern Nachweis; die Koelhoffsche Chronik, deren Verfasser nach eigenen Angaben Ulrichs über die Buchdruckerkunst berichtet, sagt darüber nur: „Item von Mainz ist die fragliche Kunst zu allererst nach Köln gekommen, darauf nach Straßburg und folgends nach Venedig. Über Ursprung und Fortschritt dieser Kunst hat mir mundlich erzählt Meister Ulrich Zell von Hanau, Buchdrucker zu Köln noch zur Zeit anno 1499, durch den die genannte Kunst nach Köln gekommen ist.“ Auf diese dürftige und unsichere Nachricht kann man um so weniger etwas bauen, als die Reihenfolge, in welcher die Städte hier angeführt werden, historisch durchaus unhaltbar ist, da ebensowenig wie Köln chronologisch vor Straßburg gestellt werden kann, Venedig den Rang vor Subiaco, Rom und Basel voraus hat.

Im Jahre 1473 erwarb Zell das nahe der gleichnamigen Kirche gelegene [95] Haus „Bei Lyskirchen“ und verlegte seine Druckerei dahin, wie das seit 1484 der Zusatz apud Lyskirchen auf mehrern seiner Drucke beweist.[23] Seine Thätigkeit als Drucker scheint nur bis zum Jahre 1494 gedauert zu haben, denn in diesem Jahre erschien das letzte datierte Werk aus seiner Presse: „Gerardi Hardervici commentarii in quatuor libros novae logicae Alberti Magni.“ Indessen lebte Zell noch im Jahre 1507, wo er sein Haus „Alte Malzmühle“ auf dem Eigelstein an Hermann Scharwächter verkaufte. Im Jahre 1492[24] nannte sich Zell selbst nochmals „erster Drucker“ – protocharagmaticus – , was ihm Johann Koelhoff das Jahr darauf nachmachte. Im ganzen ist Zells Thätigkeit eine bedeutende und gewinnbringende gewesen. Man kennt von ihm ungefähr 120 Drucke, von denen jedoch nur sechs den Namen des Meisters selbst aufweisen. Die meisten seiner Werke waren kleinere Traktate in klein Quart. Im ganzen hat Zell nur 18 größere Folianten gedruckt, unter denen seine zweibändige undatierte lateinische Bibel die erste Stelle behauptet. Der Bibliograph Madden hat aus handschriftlichen Notizen, die sich in mehrern Zellschen, im Besitz des Klosters Weidenbach entdeckten Drucken finden, die Existenz einer großen Druckerei dieses Klosters herzuleiten sich bemüht und Ulrich Zell zu deren Leiter gemacht. Diese Vermutungen haben jedoch für die Geschichte keine Bedeutung.

Der zweite kölner Buchdrucker war Arnold ther Hörnen, über welchen leider alle persönlichen Daten fehlen. Die eigentümliche Schärfe und charakteristische Gestalt der Schriftgattungen dieses Typographen deuten auf seinen holländischen Ursprung. Ther Hörnen war, wie schon im ersten Kapitel erwähnt, der erste Buchdrucker, welcher Blattzahlen in Anwendung brachte und sie in arabischen Ziffern ausdrückte. Sie kommen bereits in seinem Druck „Sermo ad populum praedicabilis“ von 1470 vor. Seine Thätigkeit erlischt mit dem Jahre 1483; indessen kennt man doch gegen 60 verschiedene Druckwerke von ihm, und zwar allein 25, die seinen Namen oder sein Druckerzeichen tragen. In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis ein Peter ther Hörnen, der 1486 vorkommt, zu dem obengenannten Arnold stehen mag[25] , ist nicht ermittelt.

Peter von Olpe druckte von 1470 bis 1477; es sind indessen nur vier Werke von ihm bekannt. Einmal nennt er sich Petrus in altis de Olpe. Man glaubt daher, daß er Bergmann hieß und von Olpe (Provinz [96] Westfalen) gebürtig war, wie auch Johann Bergmann von Olpe zu Basel wohl ein Verwandter von ihm sein mag.

Einer der bedeutendsten Buchdrucker Kölns war Johann Koelhoff aus Lübeck, der ebenfalls von 1470 ab daselbst in Thätigkeit trat; er starb im Jahre 1493. Unter den 80 Druckwerken, die von ihm bekannt sind, befinden sich 7 Werke in deutscher Sprache, die für den Sprachforscher wegen des darin vorherrschenden niederdeutschen Dialekts ein hervorragendes Interesse bieten. Die Nachricht übrigens, daß Johann Koelhoff seine Typen aus Basel vom Schriftgießer Leonhart bezogen habe, beruht nur auf einer oberflächlichen Prüfung der Verse, die am Schlusse von Franciscus de Platea „Opus restitutionum“ von 1474 stehen. Die erste und zweite Ausgabe dieses Werkes druckte nämlich Bartholomäus von Cremona im Jahre 1472 (Hain, Nr. 13034, 13036). In der zweiten sind bereits dieselben Verse, wie sie die Koelhoffsche Ausgabe von 1474 aufweist, nur mit einer Namensänderung enthalten, derart, daß hier statt „Basileae“ und „Leonardus“, „Cremonae“ und „Bartholomaeus“ steht. Weiter gibt es jedoch eine 1473 zu Padua erschienene Ausgabe, die genau dieselben Verse und auch dieselben Namen, wie die Koelhoffsche enthält. Demnach war es denn zunächst Leonhard (Achates) aus Basel, der die cremoneser Ausgabe zu Padua nachdruckte und die betreffenden Verse auf sich passend umgestaltete. Ein Nachdruck dieses Nachdrucks ist dann die Koelhoffsche Ausgabe von 1474, in welcher dieselben Verse gedankenlos stehen gelassen wurden. Derartige Beispiele unverständigen Nachdrucks kennt die ältere Buchdruckergeschichte schon von Schöffer an nicht wenige. So enthalten z. B. ein Dutzend verschiedene Ausgabe von Bartholomäus de Chaymis’ „Confessionale“ alle dieselben Distichen am Schlusse, welche Christoph Valdarfer in Mailand als Drucker nennen, und doch stammt nur Eine Ausgabe von diesem her, während in allen andern die gedachten Verse mechanisch nachgedruckt worden sind.

Auf Johann Koelhoff folgte im Geschäft sein Sohn gleichen Namens. Man verwechselt fast allgemein beide Persönlichkeiten miteinander, da der Jüngere sich ebenfalls Johannes Koelhoff Lubecensis nannte; man muß sie jedoch trennen, da der ältere Koelhoff bereits 1493 starb, die von 1494 bis 1500 gedruckten Werke also unbedingt einem jüngern angehören. Unter diesen Werken befindet sich auch die berühmte „Cronica van [97] der hilliger stat Coellen“ von 1499, die mehr noch wegen der so oft angeführten Nachricht von Erfindung der Buchdruckerkunst, als wegen ihrer Seltenheit so berühmt geworden ist. Ein Teil der Typen und Holzschnitte Koelhoffs ging nach 1500 in den Besitz Heinrichs von Neuß auf dem Eigelstein über[26] , der bis 1521 daselbst als Buchdrucker erscheint.

Nikolaus Götz von Schlettstadt war nur in den Jahren 1474 bis 1478 zu Köln als Buchdrucker thätig; seine Drucke sind daher gering an Zahl. Fälschlich wird ihm die kölner Bibel in niederdeutscher Mundart zugeschrieben; ebenso behauptet man, Heinrich Quentel habe die Offizin des Nikolaus Götz fortgesetzt. Allein beide Annahmen entbehren der Begründung und sind auf eine falsche Vermutung von Heinrich Lempertz in seinen Beiträgen zurückzuführen. Als Drucker der kölner Bibel ist ferner auch Bartholomäus von Unkel (1475 bis 1485) angenommen worden, da in Drucken seiner Firma[27] Lettern von fast ganz gleicher Gestalt vorkommen, die indessen etwas fetter und auch schöner sind als diejenigen der Bibel. Heinrich Quentel dagegen stellte 1479 mit einer der Bibeltype genau entsprechenden Schriftgattung seinen ersten Druck, die „Summa Astexani“ her; die Schlußfolgerung ist deshalb auch wohl nicht zu gewagt, daß er der Drucker des großen Werkes war. Der einzige dagegen angeführte Grund, der in der Bibel auffallende Mangel an Signaturen nämlich, die sich in allen andern Druckwerken Quentels vorfinden, ist gegenüber der Thatsache nicht wohl stichhaltig, daß Typen und Holzschnitte der Bibel vielfach in andern Quentelschen Drucken vorkommen. Das wichtigste Werk des Bartholomäus von Unkel, von welchem im ganzen etwa 20 Drucke vorhanden sind, ist der „Sachsenspiegel“ von 1480 in niederdeutscher Sprache.

Ein Jahr nach ihm begann Konrad Winters von Homberg seine Thätigkeit. Die von ihm gebrauchten Schriftgattungen sind denjenigen Ulrich Zells so ähnlich, daß sie häufig damit verwechselt werden. Im Jahre 1479 erschien bei ihm eine schöne lateinische Bibel, worin es am Schlusse heißt: „impressum in civitate Coloniensi per Conradum de homborch: admissum et approbatum ab alma universitate Coloniensi“. Es ist dies der erste Censurvermerk, der sich auf einem kölner Druckwerke findet; von hier ab bis zur Mitte der achtziger Jahre kehren derartige Vermerke noch oftmals wieder. Die Wirksamkeit Konrads [98] von Homberg dauerte nur bis 1482; man kennt von ihm ungefähr 30 Druckwerke.

Der nächste kölner Buchdrucker ist Johann Guldenschaff von Mainz. Er stammte aus einem vornehmen Geschlecht, das seinen Namen von dem dort noch stehenden Hause „Zum goldenen Schaf“ führte. Die Bibliographen Clement, Van Praet und Ennen lassen ihn anfänglich in Mainz drucken; allein dies ist, wie jetzt aufgeklärt, ein Irrtum. Im Jahre 1477 kam er nach Köln und begann hier erst seine Druckerei, die er bis zum Jahre 1487 behielt. Dann verschwindet sein Name. Seine Drucke sind nicht sehr zahlreich, aber durch schöne Schriften ausgezeichnet. Letztere scheinen später an die Druckerei der Retro Minores (Hinter den Minoriten) und Martins von Werden gekommen zu sein, denn man bemerkt in Werken des letztern Guldenschaffsche Typen.[28]

Der Begründer der berühmtesten kölner Offizin, die volle anderthalb Jahrhunderte ihren bedeutenden Einfluß auf das wissenschaftliche Leben des niederrheinischen Gebietes ausgeübt hat, ist Heinrich Quentel. Er war von Straßburg gebürtig und nennt sich zuerst in der „Summa Astexani“ von 1479. Die kölner Bibel in niederdeutscher Mundart, die, wie oben ausgeführt, ebenfalls als sein Werk bezeichnet werden muß, hat er wahrscheinlich schon vor der „Summa“ fertig gestellt. Dieses Bibelwerk ist auch noch in künstlerischer Beziehung durch seine Holzschnitte besonders wichtig. Heinrich Quentel lebte bis 1503. Gegen 200 Druckwerke geben ein rühmliches Zeugnis von seiner Thätigkeit. Die Druckerei wurde nach seinem Tode zunächst für Rechnung der Kinder fortgesetzt (1503 bis 1520); darauf führte sie sein Sohn Peter Quentel selbständig weiter. Diesem folgte sein Sohn Johann, und bis in das 17. Jahrhundert hinein firmieren noch Johann Quentels Erben. Peter entfaltete in den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts eine nicht zu unterschätzende Verlagsthätigkeit. Seiner Beschäftigung der Pressen von Peter Jordan und Franz Behem in Mainz z. B. wurde schon gedacht.

Unter den hervorragenden Buchdruckern gegen Ende des 15. Jahrhunderts sind noch zu nennen: Ludwig von Renchen, aus dem Dorfe Renchen in Lothringen, der von 1484 bis 1489 thätig war und ein Haus an der Marspforte besaß. Er druckte einige Kirchenbücher und das sehr geschätzte und gesuchte „dytsche Passional“. Renchen lebte noch [99] 1501; er gehört zu den Buchdruckern und Buchhändlern, welche in diesem Jahre die Hilfe des Papstes gegen die Censurvorschriften des erzbischöflichen Offizials anriefen. Cornelius von Zyrichzee, aus der Stadt Zirikzee in Seeland, druckte von 1489 bis 1517 und wohnte in dem jetzt mit Nr. 2 bezeichneten Hause in der Stockgasse. Johann von Landen erscheint von 1496 bis 1521. Bis 1507 befand sich seine Druckerei in der Straße „Unter sechzehn Häusern“ (korrumpiert in die heutige Straße „Sachsenhausen“), im letztgenannten Jahre aber zog er in das der Artistenfakultät der Universität gehörige Haus „Zur rothen Pforte“ in der Gereonsstraße. Hermann Bongart aus Kettwig a. d. Ruhr druckte von 1493 bis 1521 religiöse, kirchliche und liturgische Bücher in dem Hause „Zum wilden Mann“ (jetzt Nr. 43) auf dem Altenmarkt.[29]

Martin von Werden scheint Schriften und Inventar der Druckerei „Bei den Predigern“ käuflich erworben und letztere erst hinter die Minoriten (Retro Minores), dann 1504 nach der Bürgerstraße (Platea civica) verlegt zu haben, wo er wenigstens von dieser Zeit an arbeitete, während die Thätigkeit jener ganz erlosch. Eine Druckerfirma Helisabet vidua lieferte 1518 bis 1519 zwei Werke. Panzer hält sie für die Witwe Heinrich Quentels; da aber dessen Geschäftsnachfolger seine Kinder waren, seine Druckerei sich auch „auf dem Domhofe“ (da, wo bis jetzt das Domhotel stand) befand, während als Wohnung der Witwe Elisabeth die Platea civica angegeben ist, so ist anzunehmen, daß sie die Witwe Martins von Werden war und dessen Druckerei nach seinem Tode noch kurze Zeit fortsetzte. Die Thätigkeit des auf dem Eigelstein wohnhaften Heinrich von Neuß, 1500 bis 1521, in dessen Besitz ein Teil der Typen und Holzschnitte von Johann Koelhoff jun. gelangte, zeichnete sich besonders durch seine zahlreichen deutschen Drucke aus; es erschienen bei ihm wohl ein Dutzend Heiligenlegenden und andere erzählende Gedichte, die für die Geschichte der deutschen Litteratur und Sprache ein noch nicht hinreichend gewürdigtes Interesse bieten. Heinrich von Neuß ist auch der Drucker der Pfefferkornschen, gegen Reuchlin gerichteten Schriften.

Mit dem zweiten Decennium des 16. Jahrhunderts beginnen auch in Köln, trotz der hier für die Entwickelung einer freiern geistigen Regsamkeit wenig günstigen Verhältnisse, die ersten größern Verlagsbuchhändler eine erfolgreiche Thätigkeit. Wie bereits erwähnt, war die von der Universität beeinflußte geistige Richtung Kölns von jeher eine streng [100] orthodoxe. Buchdruck und Buchhandel waren, wenn sie blühen wollten, von Anfang an auf sie hingewiesen; ihr Wesen und Inhalt waren nur ein Abbild des Willens einer hohen Geistlichkeit, deren Schutz jene nicht entraten konnten. Wie ängstlich vorsorgend aber der Klerus darauf bedacht war, sich diese dominirende Stellung der aufblühenden Kunst gegenüber zu bewahren, ersieht man aus der eben berichteten Einführung einer förmlichen Büchercensur, noch ehe er selbst durch das Aufleben der humanistischen Studien sich ernstlich sehen konnte. Bei diesem geistlichen Übergewicht erscheint die Thätigkeit eines Mannes um so auffälliger, der im Gegensatz zu allem Herkommen und zu seiner ganzen Umgebung Jahrzehnte hindurch von der Idee getragen wird, die Pflege der klassischen Studien auch in seinem engern Vaterlande zu verbreiten. Dieser Mann war der 1485 zu Köln geborene Gottfried Hittorp.[30] Vom Beginn seiner Thätigkeit als Verlagsbuchhändler an, im Jahre 1511 zu Paris, bis 1525 war er unausgesetzt der Pflege der klassischen Litteratur zugethan. Was ihn dann für die übrige Zeit seines Wirkens abgehalten, auf der betretenen Bahn weiter fortzuschreiten, ist nicht erwiesen, bezeichnend genug ist es aber, daß der einzige in Köln vorkommende humanistische Anlauf schließlich doch im Sande verlief. Gottfried Hittorp nun setzte eine große Zahl von Druckereien in Thätigkeit, über deren Mitwirkung im Zusammenhang mit der Praxis anderer großer Verleger das fünfte Kapitel ausführlicher berichten wird. Für den Vertrieb seines Verlags unterhielt er anfänglich eine von seinem Gesellschafter Ludwig Horncken (aus Grüningen gebürtig) geleitete Kommandite in Paris, dann von 1513 bis 1524 solche in Leipzig, Wittenberg und Prag, zu deren Errichtung er, neben Horncken, mit Augustin Pantzschmann in Leipzig in ein Gesellschaftsverhältnis getreten war.[31] Am intimsten aber war er mit seinem engern Landsmann Eucharius Hirtzhorn (Cervicornus) verbunden, mit welchem gemeinschaftlich er auch in einen von den baseler Buchhändlern Froben und Episcopius[WS 1] angestrengten Nachdruckprozeß verwickelt wurde. Es ergibt sich aber aus den einzelnen Daten dieses Prozesses kaum ein greifbares Resultat für die Geschichte des Buchhandels, da es an einer maßgebenden Entscheidung über seinen Inhalt mangelt. Nebenher gewinnt man aber aus der Darstellung der Einzelheiten manchen Aufschluß über den damals schon gesteigerten Verkehr, den die Buchhändler auf der Messe unter sich zu pflegen begannen. „Im [101] Jahre 1534“, heißt es z. B., „habe Hittorp den Hieronymus Froben auf der Messe gesprochen und gefragt, was er zur Messe wolle drucken und ausgehen lassen, worauf derselbe geantwortet, er gedenke den „Josephum“ zu drucken. Auf Hittorps Erwiderung: seine Exemplare seien auch verkauft und er sei gleichfalls gewillt, dieses Werk wieder zu drucken, habe jener, ohne eines Privilegiums zu gedenken, bemerkt: „In Gottes Namen, Ihr mögt drucken lassen, was Ihr wollt.“ An anderer Stelle versichert Hittorp, „Froben habe viele Nahrung von ihm gehabt und große Summen Geld erhalten“. Da Hittorp weder bei dem ältern, noch bei dem jüngern Froben, soweit es aus den vorhandenen Druckdenkmälern ersichtlich, irgend etwas hat drucken lassen, so deutet dies gleichzeitig auf einen regen Sortimentshandel mit andern Büchern hin, der aber bei jenen schon erwähnten Kommanditen nicht von vornherein beabsichtigt gewesen war. Geachtet und geehrt lebte Hittorp noch im Jahre 1565. Mit dem Schlusse des Jahres 1539 scheint er sich jedoch vom Buchhandel zurückgezogen zu haben; wenigstens findet sich nach dieser Zeit kein Verlagswerk mehr von ihm.

Eine zweite kölner Buchhändlergröße des 16. Jahrhunderts war Franz Birckmann, gebürtig aus Gimbeck bei Venlo: der Begründer einer Buchhändlerfamilie, welche nahezu an 200 Jahre mit dem rühmlichst bekannten Signet „in pingui gallina“ bestanden und der noch heute „Unter Fettenhennen“ genannten Straße den Namen gegeben hat. Diese Straße hatte bis Ende des 17. Jahrhunderts für die kölner Drucker und Verleger etwa dieselbe Bedeutung, welche die Buchgasse in Frankfurt für den dortigen buchhändlerischen Verkehr besaß.

Die älteste Abbildung dieses Signets erblickt man auf einem 1517 von Wolfgang Hopyl in Paris für Franz Birckmann gedruckten niedlichen Sedezbändchen, dem „Hortulus Animae“. Das Birckmannsche Geschäft befand sich in Nr. 7 der genannten Straße.

Der Kanonikus Ludwig von Büllingen von Cornely Münster, geboren 1771 auf dem Rittersitz Rath bei Kempen und gestorben 26. Juni 1848 in Köln, welchem diese Stadt eine äußerst wertvolle Druckergeschichte in vier handschriftlichen, im städtischen Archiv aufbewahrten Bänden: „Annales Typographici Civitatis Coloniensis“ verdankt, dieser sorgfältige, wenn auch wenig kritische Forscher, gibt in seinem Verzeichnis das Jahr 1507 als den Anfang der Thätigkeit Franz Birckmanns an; in diesem [102] habe er sein erstes Buch: „Missale Coloniense“, zu Paris auf seine Kosten drucken lassen. Allein die Bibliographen kennen eine Ausgabe dieses „Missale“ von 1507 gar nicht. Panzer citiert nach der „Bibliotheca Thottiana“ eine solche von 1506, ohne daß in dem kurz gegebenen Titel Birckmanns Adresse vorkommt. Gewiß ist jedoch, daß Birckmann bei demselben Drucker, Wolfgang Hopyl, im Jahre 1514 eine den meisten Bibliographen unbekannte Ausgabe desselben „Missale Coloniense“[32] in prachtvoller Ausstattung mit vielen Metallstichen hat herstellen lassen und daß sein erstes erwiesenes Verlagswerk im Jahre 1513 bei demselben Drucker zu Paris herauskam. Wenn je das Vorbild eines tüchtigen Mannes auf einen noch in der ersten Entwickelung begriffenen Geschäfts- und Ideenkreis belebend und stärkend einzuwirken vermocht hat, so muß die Beweglichkeit und Thätigkeit Franz Birckmanns einen geradezu bahnbrechenden Einfluß ausgeübt haben. „Geschäftstüchtig, unternehmend und beweglich“, wie A. Kirchhoff ihn charakterisiert, „Arbeit und Mühseligkeit nicht scheuend, bald in London und Canterbury, bald in Löwen, Brügge, Frankfurt a. M., Köln, Antwerpen, Paris, Tübingen oder Basel, überall durch seinen Unternehmungsgeist, durch seine Thätigkeit den einheimischen Buchhändlern, nicht ohne ihre Eifersucht zu erregen, zuvorkommend, den Austausch der litterarischen Produkte Deutschlands, Englands, Frankreichs und der Niederlande vermittelnd, bietet er die interessante Persönlichkeit eines thätigen und verständigen Buchhändlers jener Zeit und ein anziehendes Beispiel des Buchhandels durch Vermittelung weiterer Reisen.“[33] Die Größe seiner Geschäfte in England geht aus einem Briefe des Erasmus von Rotterdam aus Canterbury vom 21. Dezember 1520 an Andreas Ammonius hervor, worin er bei Erwähnung Birckmanns von diesem sagt: er pflege fast alle Bücher daselbst einzuführen.[34] In London scheint Birckmann sogar ein stehendes Geschäft gehabt zu haben, denn auf einem „Graduale ad usum Sarum“ von 1528, welches er zu Paris durch Nikolaus Prevost drucken ließ, heißt es, daß es zu London bei Franz Birckmann auf dem St. Pauls-Kirchhof zu haben sei.[35] Letzterer scheint übrigens ein Buchhändlerquartier, ähnlich wie zu Köln „Unter Fettenhennen“, gewesen zu sein, denn auch auf mehrern Werken, die der londoner Buchhändler Wilhelm Bretton drucken ließ, befindet sich dieselbe Adresse.[36] Erasmus bediente sich der Vermittelung Birckmanns nicht nur in seinen Geldgeschäften und [103] seinem Briefwechsel, sondern auch zu Unterhandlungen mit Druckern für die Herausgabe seiner Schriften. In dem oben schon angeführten Briefe an Peter Ammonius schreibt Erasmus, er habe Birckmann das Manuskript seiner „Proverbia“, des „Plutarch“ und „Lucian“ mitgegeben, um es an Jodocus Badius in Paris zum Druck zu übergeben. Birckmann zog es aber aus irgend einem Grunde vor, Badius zu übergehen und die Werke an Froben zu geben, wodurch die später so intime und dauernde Verbindung des berühmten Gelehrten mit dem großen baseler Buchdrucker eingeleitet wurde. Birckmanns Verkehr mit Basel blieb ununterbrochen fortbestehen und übte einen bedeutenden Einfluß auf die Verlagsthätigkeit Frobens aus. Als der Tod Wolfgang Lachners, des Schwiegervaters Frobens, diesem den eigentlichen Leiter seines Geschäfts raubte, mag Birckmanns Beteiligung an Frobens Unternehmungen noch mehr verstärkt worden sein. Der Briefwechsel des Erasmus zeigt sogar deutlich, daß Birckmanns Teilhaberschaft an Frobens Geschäft nicht nur bei einzelnen Unternehmungen, sondern ziemlich allgemein bestanden hat. Für die gemeinschaftlichen Verlagsunternehmungen behielt Froben den buchhändlerischen Vertrieb für Deutschland auf der frankfurter Messe, während Birckmann seinen Absatzkreis in den Niederlanden, England und Frankreich suchte. Daß dieser dabei oft größere Erfolge erzielte, als Froben selbst, ist aus dem Briefwechsel des Erasmus mit Ludwig Vives deutlich zu ersehen. Bezeichnend für den Unterschied der litterarischen Verhältnisse des Südens und Nordens ist ein Vorkommnis, das sich in den Niederlanden an diesem Vertrieb Frobenscher Druckwerke durch Franz Birckmann knüpfte und für diesen verhängnisvoll wurde. Er wurde nämlich im Jahre 1526 von den antwerpener Behörden wegen des Verkaufs der Ökolampadischen Übersetzung des Chrysostomus, wodurch er eine Übertretung der Censurvorschriften begangen haben sollte, verhaftet, und gelang es ihm erst nach vielen Weitläufigkeiten und Kosten, sich den übeln Folgen zu entziehen.[37] Ein so thätiger Verleger wie Birckmann beschäftigte natürlich viele auswärtige Drucker. Über diese seine Beziehungen wird das fünfte Kapitel sich ausführlicher verbreiten. Hier sei nur noch erwähnt, daß er selbst 1526 in Köln eine eigene Druckerei errichtete, die er jedoch nicht lange mehr leitete, da sein letztes Verlagswerk aus dem Jahre 1529 stammt. So epochemachend dieser große Buchhändler nun auch für die Entwickelung des Geschäfts geworden ist, [104] so wenig Rühmliches läßt sich über seinen Charakter sagen. Unzuverlässigkeit und Geldgier werden von seinen Zeitgenossen und darunter selbst von ihm günstig gesinnten Männern, wie Erasmus, als seine hervorragendsten häßlichen Eigenschaften getadelt, sodaß sogar seine Ehrenhaftigkeit nicht unangefochten dasteht.

Nach Franz Birckmann übernahm das Geschäft dessen Bruder Arnold Birckmann, den Kirchhoff irrtümlich für den Sohn des erstern hält. Vom Jahre 1532 bis 1540 existieren einige teils in Köln, teils in Antwerpen gedruckte Verlagswerke mit Arnolds Firma, dessen Thätigkeit indessen weder bedeutend noch von langer Dauer gewesen zu sein scheint. Nach Büllingen starb er 1542 und wurde zu St. Paul begraben. Im Jahre 1548 und 1549 kommt alsdann die Firma seiner Witwe vor; doch schon Anfang der fünfziger Jahre ändert sich dieselbe von neuem in „Arnold Birckmanns Erben“. Unter Leitung der nun herangewachsenen Söhne entwickelte das Geschäft jetzt wieder eine große, weit ausgreifende Thätigkeit; die Firma erschien z. B. auf der frankfurter Messe mit einer Mehrzahl von Gehülfen, wahrscheinlich Reisedienern, im Jahre 1565 mit acht derselben. Namentlich scheinen auch die geschäftlichen Beziehungen zu der Frobenschen Familie, förmlich traditionell, sehr enge gewesen zu sein. Unter der genannten Firma wurde das Geschäft bis zum Jahre 1585 fortgesetzt. Der „Codex nundinarius“ führt aus diesem Zeitraum 116 Werke auf, doch ist es wahrscheinlich, daß außer diesen noch manches Buch ohne Angabe des Verlags erschienen sein mag. Der eigentliche Leiter des Geschäfts war Johann Birckmann, während der Bruder Theodor sich dem ärztlichen Stande gewidmet hatte und nur den stillen Teilhaber abgab. Mit dem Jahre 1585 erlosch die alte Firma für den Buchhandel, indem Arnold Mylius, der Barbara, die Tochter Johann Birckmanns, heiratete, für die Buchhandlung seinen eigenen Namen gebrauchte, während für die Druckerei noch die alte Birckmannsche Firma bestehen blieb.

Arnold Mylius (eigentlich Müller) war geboren zu Meurs am 16. Oktober 1540 als Sohn einer angesehenen Familie. Büllingen erzählt von ihm, er habe vor seiner Thätigkeit in Köln zu Antorff (Antwerpen) gewohnt und daselbst den Buchhandel betrieben. Einstmals habe die Inquisition in seinem Hause ein Faß verbotener Bücher entdeckt, worauf Müller gefänglich eingezogen und gefoltert worden sei. Inzwischen [105] habe ein gewitzigter Knecht das durch die Herren versiegelte Faß umgekehrt, die Bücher herausgenommen und mit andern damals zufälligen angefüllt, worauf man Müller als unschuldig erkannt und freigelassen habe. Er sei nun nach Köln gegangen und habe seinen Namen in Mylius verändert. Hier entfaltete er nach Übernahme des Birckmannschen Geschäfts eine außerordentliche Thätigkeit, wobei er auch die alten Verbindungen aufrecht erhielt, die namentlich mit dem großen Verleger Christoph Plantin von Bedeutung wurden. Mylius starb im Jahre 1604 oder 1605 als wohlhabender und angesehener Mann, aus dessen Geschäft in den 20 Jahren seiner Thätigkeit über 200 Verlagswerke hervorgegangen waren. Seine Verdienste um das Wohl der Stadt hatten ihm die Ernennung zum Rathsherrn eingetragen. Ihm folgte sein Sohn Hermann im Geschäft; er zeichnete sich, wie sein Vater, durch lebhafte Beteiligung an den städtischen Angelegenheiten aus und soll nach Büllingen 1667 gestorben sein. Letzterer führt auch noch einen Enkel und einen angeblich 1699 verschiedenen Urenkel Hermann an und schließt mit Arnold Joseph, mit dessen Tode 1731 die letzte Spur des blühenden Geschäfts erlosch, das im ganzen über 200 Jahre bestanden hatte.

Von kürzerer Dauer, aber von großer Bedeutung für die Geschichte des kölner Buchdrucks und Buchhandels ist die Verlagsthätigkeit von Johann Heyl oder Soter, aus Bensheim an der Bergstraße. Er arbeitete von 1518 bis 1562 mit seinen beiden Söhnen Melchior und Jakob und errichtete, um sich der kirchlichen Censur möglichst zu entziehen, Filialen in Solingen und Dortmund. Wegen seiner gründlichen Kenntnis der lateinischen und orientalischen Sprachen sehr geschätzt, druckte er viel für große Firmen und besorgte mit seinem Verwandten Johann Pöllen aus Schwerte in Westfalen auch 1522 die Herausgabe eines in hebräischer, äthiopischer, chaldäischer und lateinischer Sprache gedruckten Psalteriums. Die Söhne setzten nach dem Tode des Vaters das Geschäft fort, bis dieses 1577 durch Erbschaft in andere Hände überging.

Eucharius Hirtzhorn oder Cervicornus begann 1516 und hörte 1543 auf. Er war ein wissenschaftlich gebildeter Mann, veröffentlichte lateinische und griechische Klassiker, die sich durch Schönheit der Typen, Sauberkeit des Drucks, Stärke des Papiers und besonders geschmackvolle Ausstattung der Titel auszeichneten. Zugleich war er in Köln als Humanist und Grammatiker wegen seiner religiösen Grundsätze verdächtigt. [106] Man schalt ihn den reformirten Buchhändler. Am 25. November 1535 ließ er sich in Marburg immatrikulieren, offenbar, um des Schutzes der Universität teilhaftig zu werden, denn er errichtete dort eine Druckerei, in welcher er die Schriften druckte, für welche er bei der damaligen strengen kölner Censur die Druckerlaubnis nicht erhalten konnte. „Coloniensis Typographus insignis et vir modestiae singularis“ nennt ihn die marburger Matrikel. Eine Zeit lang druckte Hirtzhorn gemeinschaftlich mit Hero Alopecius (Fuchs, vulpis, 1521 bis 1540), trennte sich aber bald wieder von ihm.

Außer Kaspar van Gennep oder Genipäus, Johann van Kempen oder Kempensis waren in Köln noch die Brüder Nikolaus und Konrad Cäsarius, 1518 bis 1524, thätig, aus deren Offizin zwar wenige, aber wegen ihrer Korrektheit sehr geschätzte Werke hervorgingen. Zu den berühmtesten kölnischen Handlungen gehört ferner die Cholinsche Offizin. Der Stifter derselben, Maternus Cholinus, 1555 bis 1587, ein Geschäftsfreund Chr. Plantins, ließ anfänglich auf seine Kosten bei andern drucken, legte aber später eine eigene Druckerei an und wurde Mitglied des kölnischen Rats. Sein Nachfolger war Goswin Cholinus, 1587 bis 1606; diesem folgte sein Sohn Peter, der kurfürstlicher Hofbuchdrucker wurde, bis zum Jahre 1636, zu welcher Zeit die Firma „Vidua P. Cholini“ lautet. Johann Arnold, ein Sohn Peters, zog später nach Frankfurt a. M., wodurch die Firma in Köln erlosch. Schon vorher war ein großer Teil des Geschäfts an Bernard Wolter (Gualterus), 1599 bis 1635, einen aus den Niederlanden gebürtigen Buchhändler, gekommen, der eine Tochter des Maternus Cholinus geheiratet hatte. Die Buchdrucker- und Buchhändlerfamilie Cholinus hat demnach das Verdienst, eine mehr als hundertjährige Thätigkeit entfaltet zu haben, in welcher sie die gebildete Welt in zahlreichen und würdigen Gaben aus allen Fächern der Litteratur beschenkt hat.

Das von allen kölner Handlungen aber durch die längste Dauer gekrönte Geschäft, welches noch bis auf den heutigen Tag, zwar unter häufig veränderter Firma, aber in demselben „Einhorn-Hause“, Unter Fettenhennen Nr. 13, als Rommerskirchens Buchhandlung und Buchdruckerei (J. Mellinghaus), blüht, ist die von Johann Gymnicus (Gymnich) 1516 begründete Druckerei und Buchhandlung, die von 1529 ab unter dem Signet des Einhorns geführt, im Jahre 1879 die Feier des [107] dreihundertundfünfzigjährigen Bestehens in jenem Hause beging. Der Stammhalter, Johann Gymnicus I., wirkte von 1516 bis 1544; ihm folgten seine Söhne Martin und Johann II., sowie des letztern Sohn Johann III. bis 1596. Diesen vier Gymnichs schlossen sich durch Verheiratung und Verschwägerung im 17. Jahrhundert die Familien Hierat und Knick an. Heinrich Rommerskirchen I., Christian und Johann Heinrich Simonis, Johann Wilhelm Krakamp und Heinrich Joseph Simonis besaßen die Firma im Laufe des 18. Jahrhunderts. Nachdem verschiedene Rommerskirchen (zuletzt Peter Heinrich) bis 1868 ihre Eigentümer gewesen waren, übertrug der letztgenannte das Geschäft auf den jetzigen Inhaber, Julius Mellinghaus. Von seinen Vorgängern seien hier namentlich hervorgehoben Anton Hierat (gestorben 1627), ein Verleger im großen Stil, welcher in verhältnismäßig kurzer Zeit zahlreiche und wertvolle Werke, darunter große Folianten – namentlich auf dem Gebiete der katholischen Theologie – herausgab. Büllingen verzeichnet 250 Verlagsartikel von ihm; sie zeichnen sich durch schöne Lettern und gutes Papier aus. Sein bedeutendstes Verlagswerk bildet jedenfalls der letzte Band von Georg Brauns großem Städtebuch, ein Werk, welches später von den Merianschen Topographien stark ausgebeutet und benutzt wurde. Seine beiden Söhne (bis 1641) wirkten im Geiste des Vaters fort und veröffentlichten binnen zwei Jahren das „Magnum Theatrum Vitae Humanae“ in acht großen Foliobänden. Johann Kinck besaß dann die Firma bis zu seinem 1656 erfolgten Tode. Die Zahl seiner (meist jesuitisch-theologischen) Verlagsartikel ist so groß, daß sie weder von einem frühern noch spätern kölner Verleger erreicht wird. Büllingen macht über 650 von ihm veröffentlichte Bücher namhaft. Überhaupt waren alle Besitzer der jetzt Rommerskirchenschen Buchhandlung tüchtige Männer, welche sich nicht weniger durch Leistungen in ihrem Berufe als durch eine geachtete Stellung im bürgerlichen Leben auszeichneten.[38]

In dieser Druckergeschichte Kölns ist der später berühmt gewordene englische erste Drucker William Caxton übergangen, nicht, weil er, wie neuerdings vielfach behauptet wird, seine Ausbildung als Drucker in den Niederlanden erhielt, sondern weil er durch seine Thätigkeit nach England gehört. Dort wird der Ort sein, den Nachweis dafür zu führen, daß Caxton die Kunst in Köln erlernt und auch hier wenigstens zwei Bücher gedruckt hat.

[108] Übrigens hielt sich Kölns Bedeutung als Druck- und Verlagsort nur bis zum Dreißigjährigen Kriege auf ihrer alten Höhe. Von da ab sinkt sie reißend schnell. Die Thätigkeit der kölner Pressen beschränkt sich fortan (einige Ausgaben von Kirchenvätern ausgenommen) auf den Druck rechtgläubiger katholischer Schriften und der entsprechenden Elementar- und Handbücher für die katholische Universität und die Schulen. Auf diesem Gebiete versorgen sie das ganze nordwestliche und nördliche Deutschland. Die geistliche Censur ist hier so streng wie in Bayern. Die alleinseligmachende Kirche herrscht in Köln unbedingt. Das Kurfürstentum ist überhaupt kein weltlicher Staat, und der Jesuitismus unterdrückt jeden Kampf, nachdem er den ihn durch den Protestantismus bedrohenden Gefahren mit knapper Not entgangen ist. Der Übergang zur völligen Bedeutungslosigkeit vollzieht sich aber nur in allmählichen Abstufungen. Die kölner Pressen wollten Beschäftigung und fanden sie zunächst im Nachdruck. Die günstige Lage trug mächtig zur Verbreitung, also auch zur Blüte dieses Geschäfts bei. Die Verhältnisse lagen hier so bequem, daß schon von 1587 bis 1594 der Italiener Johann Baptist Ciotti in Köln eine Druckerei errichtete, in welcher er die in seiner Heimat vergriffenen oder selten gewordenen Werke neu herstellte, um sie mit Vorteil diesseit, wie jenseit der Alpen zu verkaufen. Selbst in den geistig gesunkensten Zeiten war die äußere Ausstattung der Bücher, namentlich der Andachtsbücher, immer noch leidlich gut. Man versuchte wenigstens, sich an gefällige venetianische, Plantinsche und Elsevierische Muster anzulehnen und verwandte namentlich viel Aufmerksamkeit auf die Titelkupfer, deren einzelne selbst in spätern Zeiten noch in Venedig gestochen zu sein scheinen. Venetianische Kupferstich- und Bilderhändler treten vielfach im 17. Jahrhundert in Köln auf. Büllingen hat seiner Sammlung die Originaltitel der Hauptwerke der von ihm angeführten Verleger beigefügt. Die Stiche sind vielfach, wenn in der Auffassung auch zopfig, in ihrer Ausführung doch von vollendeter Sauberkeit, Reinheit und Eleganz.

Der chronologischen Folge entsprechend, wendet sich die Darstellung nunmehr nach.

5. Basel.

In der Inclyta Germaniae Basilea vereinigten sich alle Bedingungen, welche die naturgemäße Voraussetzung für das Aufblühen der [109] jungen Kunst und für einen bedeutenden Verlagshandel bildeten. An einer der vorteilhaftesten Stellen des größten schiffbaren Flusses im damals civilisierten Europa gelegen, nach Norden hin Deutschland, nach Südwesten hin Frankreich und nach Süden hin die Schweiz kaufmännisch beherrschend und ausbeutend, bildete Basel die natürliche Brücke für drei Kulturländer und behauptete zugleich eine hervorragende politische Stellung in den damaligen Welthändeln. Wenn nun einerseits der Großhandel Basels von einem ungewöhnlichen Unternehmungsgeist getragen wurde und reiche Schätze schuf, so äußerte sich andererseits in den wohlhabenden und unabhängigen Bürgern auch ein reger künstlerischer und wissenschaftlicher Sinn, welch letzterer 1460 in der Gründung der Universität seinen Ausdruck fand. Begrüßten nun Gelehrte und Studenten die neue Kunst als Förderin der Wissenschaft und als die von der Abhängigkeit von Handschriften und sonstigen Unzulänglichkeiten befreiende Macht, so erkannten die dortigen Großhändler mit dem ihnen eigenen Scharfblick die großen geschäftlichen Vorteile, welche ihnen eine im großen geübte Ausbeutung der Druckerkunst gewähren mußte. Diese zwei mächtigen, wenn nicht mächtigsten Klassen der Stadt verfolgten von Anfang an also gemeinschaftlich dasselbe Ziel, indem sie ihr Geld und ihr Wissen zusammenthaten, um den Bücherdruck und den Verlagshandel zu einem einträglichen Geschäft zu machen. Natürlich zog nun dieser wieder junge Gelehrte an, welche kaum in irgend welchem unmittelbaren Verhältnis zur Universität standen, allein in diesen Kreisen Vorschub fanden und zu Bedeutung gelangten. Während in andern Teilen Deutschlands anfänglich höchstens Einzelne schüchterne Versuche wagten und in der Regel erst die nur allmählich sich einstellende Konkurrenz an einem Orte mehrere, meist nur ärmliche Geschäfte entstehen ließ, arbeitete in Basel von vornherein das mit der Gelehrsamkeit vergesellschaftete große Kapital und verstand es durch diesen großhändlerischen Betrieb, die neue Kunst geschäftlich in ausgiebigster Weise zu verwerten. In keiner andern Stadt Deutschlands bot sich deshalb dem Buchdruck und Buchhandel ein so günstiger Boden als in Basel. Als es (1501) vom Reiche abfiel, wurde es ein kosmopolitischer Mittelpunkt, der über manche nationale Schranken und Vorurteile hinausragte. Um jene Zeit waren in Basel an 20 bedeutende Druckereien vollauf beschäftigt. In den drei Jahrzehnten von 1470 bis 1480, 1490 und 1500 werden in den baseler Steuerlisten je 26, 12 [110] und 20 neue, also im ganzen 58 Namen, resp. Firmen erwähnt, deren Träger aber wohl in ihrer Thätigkeit zum Teil nicht selbständig gewesen sind, zum Teil anonym gearbeitet haben.

Ob in der heutigen Schweiz vor Basel schon in Beromünster gedruckt wurde, ist eine ziemlich müßige Streitfrage, die höchstens für Antiquare einige, für die Entwickelung des dortigen Buchhandels und Buchdrucks indessen gar keine Bedeutung hat; nach Siebers Forschungen ist Basel in der That der Zeit nach der erste Druckort der Schweiz. Denn wenn auch ein unbedeutender beromünsterer Druck (der „Mammotrectus“) die Jahreszahl 1470 trägt, so beweist diese Thatsache doch höchstens, daß man dort früher begonnen hat, Ort und Jahreszahl zu nennen. Es liegt deshalb auch für die Anfänge des schweizer Buchdrucks das Hauptgewicht auf Basel, und fast ein volles Jahrhundert steht diese alte Reichsstadt für ganz Deutschland im Vordergrunde der buchhändlerischen Thätigkeit und Bedeutung.

Das älteste bis jetzt entdeckte Datum für den Anfang der Buchdruckerkunst in der Stadt Basel bildet der Eintrag der Jahreszahl 1468, welchen ein Käufer in ein Exemplar von „Gregorii Magni Moralia in Jobum“ (Hain 7926) machte. Das betreffende Exemplar befindet sich noch heute in der Nationalbibliothek zu Paris. Indessen setzt die Fertigstellung der Schriften und der Druck des beträchtlichen Folianten[39] notwendig schon einen Zeitraum von ein paar Jahren voraus, wenn man selbst die Möglichkeit außer Betracht lassen will, daß das Werk nicht gleich seinem Erscheinen gekauft wurde. Es steht nicht einmal unbedingt fest, daß der umfangreiche Druck in der That der allererste Bote war, den die junge baseler Presse entsandte, und es fragt sich, ob nicht früher schon kleinere Vorläufer die Werkstätte des mainzer Gehilfen verließen, der hier in Basel als erster Pionier die Kunst Gutenbergs ausübte.

Berthold Ruppel (Bertolff von Hanowe, auch Röpel und Rippler genannt) ist nämlich der Mann, welcher die neue Erfindung nach Basel brachte. Im Jahre 1455 wird er zuerst im Prozeß Fusts gegen Gutenberg als des letztern Diener und „Druckerknecht“ genannt und mit dem später nach Nürnberg ausgewanderten Heinrich Kefer als Zeuge vorgeladen. Wann und wie er nach Basel kam, läßt sich nicht bestimmen. Sei es, daß er schon im Jahre 1455, bald nach der Auflösung der [111] Gutenbergschen Geschäftsverbindung mit Fust nach Basel zog, sei es, daß ihn die Gründung der Universität 1460 dahin lockte, oder sei es endlich, daß er nach der Plünderung von Mainz 1462, dem Beispiel vieler andern folgend, seine Schritte in die Fremde lenkte und in Basel blieb: genug, Ruppel tritt schon gegen Ende der sechziger Jahre hier auf, wenn er auch das Bürgerrecht erst am 14. Februar 1477 nach einem mehrjährigen Aufenthalt erwarb. Bereits im „Repertorium Vocabulorum exquisitorum“ des Conradus de Mure (etwa 1466 veröffentlicht) wird der ehrenwerte „Bertoldus in Basilea“ als Drucker bezeichnet. Einen andern Berthold, der Drucker war, gab es aber damals dort nicht (Bertoldus nitide hunc impresserat in Basilea). Dieses Werk, das einzige, welches Bertholds Namen aufweist, bildet einen kleinen Folianten von 147 Blättern zu 36 Zeilen und ist ohne jede Blattbezeichnung gedruckt. Mit gleichen Typen hergestellt, und deshalb als Berthold Ruppels Druck zu betrachten, sind Gregors des Großen schon erwähnte „Moralia seu Expositio in Jobum“. Sie enthalten 421 zweispaltige Großfolioblätter zu 48 Zeilen; Blattbezeichnungen fehlen ebenfalls. Die unvollkommene Technik des Drucks läßt dieses Werk als älter erscheinen, als das „Vocabularium“. Die Klemmsche Sammlung enthält (Nr. 423) ein Exemplar dieser Ausgabe, welcher ein Verzeichnis der Druckfehler, das erste bekannte Sündenbekenntnis dieser Art, aufweist. Darf man schon Zweifel hegen, daß ein so umfangreiches Werk, wie das eben beschriebene, als erstes Druckwerk eines Typographen erschienen sein soll, so muß sich ein solcher Zweifel durch das Vorhandensein dieses Druckfehlerverzeichnisses noch verstärken; es zeigt sich in dieser Beigabe das Streben nach technischer Vervollkommnung. Um so mehr hat man Grund zu der Annahme, daß noch frühere Drucke Berthold Ruppels existiert haben und entweder verschwunden sind oder unerkannt in den Bibliotheken ruhen. Ohnehin führen die Bibliographen, wenn auch in sehr unsichern Angaben, noch fünf andere Druckwerke ohne Firma und Jahreszahl an, welche den Typen nach ebenfalls Ruppelsche Erzeugnisse sein sollen. Aber auch diese Werke würden bei weitem noch nicht hinreichen, Ruppels langjährige Thätigkeit auszufüllen, welcher, wie aus dem baseler Fertigungsbuch zu ersehen ist, mit seiner Frau Magdalena, geb. Meyger, im Mai 1482 sein Testament machte und im Jahre 1490 erneuerte. Nimmt man auch an, daß Ruppel seinen Lebensabend als vermögender Mann in Muße verbracht [112] habe, so mußte solchen Erfolgen doch jedenfalls eine ausgedehntere Thätigkeit vorangegangen sein, als sie die wenigen bekannten Drucke erkennen lassen.

Übrigens wird der frühe Anfang des baseler Buchdrucks durch keine Thatsache in ein helleres Licht gestellt, als durch jenen ältesten aller Druckerstrikes, welchen die dortigen „Buchdruckerknechte“ im Jahre 1471 gegen „die Meister, so die Bücher drucken“ durchsetzten.[40] Die Gesellen verbanden sich nämlich untereinander gegen ihre Meister und verließen, da sie sich in ihren Rechten beeinträchtigt glaubten, die Arbeit. So entleerten sich denn die Offizinen, und es kam zu langwierigen Streitigkeiten, die schließlich in Güte beigelegt wurden. Die am Ende des Jahres 1471 zu Stande gebrachte Vereinbarung lautet, ins Hochdeutsche übersetzt, im Gerichtsprotokoll also: „Demnach ist zwischen den Meistern, welche Bücher drucken, einerseits, sowie den Gesellen andernteils durch die Herren Urteilsprecher folgende gütliche Vereinbarung und nachstehender Vertrag beschlossen worden: Die Gesellen sollen heute wieder an ihre Arbeit gehen, dieselbe zur Zufriedenheit ihrer Meister und zur eigenen Ehre verrichten, sich auch sonst im Dienste gebührlich betragen und sich namentlich davor hüten, Bündnisse unter sich einzugehen. Desgleichen sollen auch die Meister die Gesellen halten und ihnen zukommen ( wörtlich: sehen), lassen, was billig ist, mit Essen, Trinken u. s. w. Sollte es sich ereignen, daß einer, zwei oder mehrere unter den Gesellen sich aufrührerisch zeigten und Widerstand leisteten (etwas unwilles fürnemen), so sollen die Meister den Betreffenden, je nach Verhältnis des jährlichen Lohnes, auszahlen und verabschieden. Ebenso sollen die Gesellen, wenn ihnen von den Meistern etwas überbunden (zugemutet) wird, das über Gebühr ist, den Abschied nehmen und jene haben ihnen den Dienstlohn (lidlon) ebenfalls nach Verhältnis (des bedungenen) auszurichten. Bei diesem Entschied hat es zu bleiben, alles ehrbar und redlich („ohne Gefährde“).“

Abgesehen davon, daß aus dieser Urkunde das Bestehen einer größern Anzahl von Druckwerkstätten zu Basel schon im Jahre 1471 hervorgeht, liegt es auch auf der Hand, daß, bevor die Verhältnisse eines Gewerbes zu so großer Bedeutung heranwachsen konnten, wie sie ein in allen Phasen ausgebildeter Arbeiterstrike bekundet, ihre Entwickelung von den ersten Anfängen bis zu den Lebensäußerungen eines groß gewordenen Standes schon einen größern Zeitraum in Anspruch nehmen mußte. [113] Zu den dort genannten Meistern wird auch der zweite bekannte Buchdrucker Basels, Michael Wenszler, gehört haben, obgleich seine typographische Thätigkeit urkundlich erst vom Jahre 1472 an festgestellt ist. In eins der drei Exemplare der von Michael Wenszler in Gemeinschaft mit Friedrich Biel herausgegebenen Briefe Gasparini’s von Bergamo, welche sich auf der baseler Bibliothek befinden, hat der Käufer Magister Jakob Lauber die Notiz eingetragen, daß er das Buch am 1. Dezember 1472 gekauft habe, sodaß also dessen Druck spätestens in dieses Jahr fallen kann. Michael Wenszler ist eine interessante Persönlichkeit, unternehmend und geistig hervorragend, vom Glück aber wohl durch eigene Schuld wenig begünstigt. Er wurde in Straßburg geboren (wann aber, ist nicht bekannt). In Basel befand er sich schon 1463, denn in der „Matricula studiosorum Universitatis Basileensis“ liest man unter dem Monat Mai dieses Jahres „Michahel Wensenler de Argentina dedit totum“ (die ganzen Immatrikulationsgebühren). Die Ausübung der Buchdruckerkunst verlangte damals noch einen Bildungsgrad, welchen man vorerst nur auf Universitäten erreichen konnte, welcher aber auch von vornherein den Buchdruckern Anspruch auf eine bevorzugte Stellung gab. Die Buchdruckerkunst wurde daher auch zu den freien Künsten gerechnet und die Buchdrucker waren (wenn in Basel überhaupt schon zünftig) bei allen Zünften. So zählt denn auch Wenszler zu einer ganzen Reihe von Männern, die in den sechziger Jahren als akademische Bürger zu Basel immatrikuliert waren und später einen großen Ruf als Buchdrucker erlangten. Nach Ludwig Siebers Mitteilungen gehören zu ihnen außer Wenszler unter andern folgende: Hans Wurster aus Kempten (1460), der 1472 in Mantua druckte und 1482 baseler Bürger wurde; Ulrich Gering aus Konstanz, der bekannte erste pariser Drucker (1461); Peter Metlinger aus Augsburg, später in Dijon in seinem Fache thätig; Eberhard Fromolt von Basel, in der Folge Drucker daselbst; Heinrich Turner von Basel, später in Tolosa, sämtlich in demselben Jahre (1461); Leonhard Achates (Eckardt) von Basel (1466), Drucker in Vicenza; Johannes von Besigheim (1469), seit 1478 baseler Bürger und Buchdrucker; Peter Kölliker von Bern (1470) und Nikolaus Keßler von Bottwar (1471).

Als erster Druck Wenszlers gilt der schon angeführte „Liber Epistolarum Gasparini Barzizii Pergamensis“. Er ist der erste baseler Verleger, der sich zeitweise und für die Herstellung einzelner Werke mit [114] andern associierte, bald wieder allein druckte, bald wieder eine neue Verbindung einging. In den Distichen, welche jenes Erstlingswerk einleiten, nennen sich Michael Wenszler und Friedrich Biel als Drucker desselben. Ob die nächsten von Wenszler gedruckten Werke ebenfalls noch aus der Gemeinschaft mit Biel hervorgegangen sind, ist nicht erweislich, da kein zweites Werk den Namen des letztern trägt. Gewiß ist nur, daß Fridericus de Basilea um 1485 in Burgos wiedergefunden wird, und selbst von dort noch mit Michael Wenszler in Basel in Korrespondenz gestanden haben soll.[41] Im Jahre 1475 druckte Wenszler mit Bernhard Richel zusammen das „Quadragesimale“ des Robertus (Caracciolus) de Licio, 1488 gemeinschaftlich mit Jakob Kilchen ein „Graduale“. Im ganzen kennt man von Wenszlers Thätigkeit in Basel 28 Druckwerke, die seinen Namen tragen, und 21, die wegen der Gestalt ihrer Charaktere für Wenszlersche Drucke gehalten werden. Hierzu kommt noch der Druck eines Missale in 600 Exemplaren[42] , welche von zwei Straßburgern, Veit Farwenbürner und Arbogast Mor bestellt und von Wenszler von Ende 1489 bis Anfang 1490 hergestellt wurden. Die baseler Urkunden liefern über ihn noch mehrfache interessante Daten. So hat er z. B. schon 1478 mit Johann Amerbach die frankfurter Büchermesse besucht, und sich hier wohl neben dem Vertrieb der von ihm gedruckten Bücher auch mit dem Buchhandel überhaupt befaßt. Daneben spekulierte er, statt sich auf sein Geschäft zu beschränken, in Bergwerksaktien. Auf einer seiner Geschäftsreisen hatte er von Hermann Nadler (aus Frankfurt oder Aschaffenburg) „drei Gugkugs“ (Kuxe), d. h. drei Bergwerksanteile des 1471 bei Schneeberg in Sachsen erschlossenen Silberbergwerks für 350 Gulden gekauft, kam aber durch diesen Ankauf in allerlei Ungelegenheiten, da er Nadler zwar 100 Gulden geliehen, die ihm dieser nicht zurückzahlte, er selbst aber vollständige Deckung für den Rest nicht beschaffen konnte. Indessen ging die Sache für Wenszler noch gut genug ab.[43] Im Jahre 1489 machte Wenszler mit zwei andern Baselern Namens Hans Wiler und Jakob von Kirchen (wohl identisch mit dem schon genannten Kilchen) eine Buchhändlerreise den Rhein hinab nach Flandern und England.[44] Sie führten eine Menge Bücher, in vier Fässer und ein kleines Fäßchen verpackt, zum Verkaufe mit sich. Um sich als rechtmäßige und einzige Eigentümer ausweisen und ihre Bücher überall ungehindert zum Verkauf bringen zu können, erklärten sie vor [115] ihrer Abreise vor dem Rat von Basel auf ihren Bürgereid, daß sie mit ihrer Geschäftsmarke versehenen Fässer und deren Inhalt ihr alleiniges Eigentum seien und niemand sonst Anteil daran habe. Der Rat stellte ihnen einen offenen Geleitsbrief aus und empfahl seine Bürger und ihre Habe jedermann aufs freundlichste zur besten Förderung. Solche Umständlichkeiten bedingten die unruhigen, fast rechtlosen Zustände der Zeit! Wenszler hatte persönlich unter ihnen zu leiden; im Jahre 1490 wurde er auf einer Geschäftsreise zu Rosheim im Elsaß durch einige St. Gallener angehalten und stark geschädigt. Basel verlangte im Namen seines Mitbürgers Schadenersatz und sandte sogar seinen Staatsschreiber Nikolaus Rüsch persönlich nach St. Gallen, um Wenszlers Forderung zu betreiben.[45] Der letzte baseler Druck Wenszlers ist vom Jahre 1491 datiert. Um jene Zeit kam er in allerlei finanzielle Ungelegenheiten, die ihn schließlich nötigten, Gerät und Haus zu verkaufen und Basel zu verlassen. Er begab sich zunächst nach Clugny in Frankreich, wo der Abt Jakob von Ambois ihm den Druck eines 1493 beendeten „Missale Cluniacense“ übertrug, wanderte aber dann nach Macon und beschloß seine thätige, aber dornenvolle Laufbahn endlich zu Lyon.

Der vierte baseler Drucker ist der schon erwähnte Bernhard Richel, welcher mit Michael Wenszler 1475 associiert war. Nach Fechters Untersuchungen aus Ehewiler, einem Dorf in der Rheinpfalz, nach andern aus Würtemberg stammend, erwarb er 1474 das Bürgerrecht. Aus diesem Jahre stammen auch seine ersten datierten Drucke; wahrscheinlich aber hat er schon früher zu arbeiten begonnen. Bis zum Jahre 1478 vollendete er vier lateinische Bibeln, wovon die erste ohne Firma und Datierung erschienen und in ihrem ersten Teile mit Charakteren Berthold Ruppels gedruckt ist, während der zweite Teil seine eigenen Typen aufweist, ein Kuriosum, welches in seinen Ursachen zwar nicht aufgeklärt, aber ein Beweis dafür ist, daß auch die genannten beiden Typographen in Verbindung miteinander gestanden haben müssen. Richel ist außerdem besonders deswegen hervorzuheben, weil er der erste baseler Drucker war, welcher Druckwerke in deutscher Sprache brachte. Von ihnen ist vor allen die erste Ausgabe des „Sachsenspiegels“ von 1474 zu erwähnen, zugleich das erste Buch, welches in Basel mit Angabe des Jahres und des Druckers erschien. Sie umfaßt 255 Blätter, zweispaltig zu je 46 Zeilen, und ist von solcher Seltenheit, daß sie selbst in [116] der baseler Bibliothek fehlt. Richels Thätigkeit reicht nach den bekannten datierten Drucken bis zum Jahre 1482, in welchem er die lateinische Ausgabe des „Fasciculus temporum“ von Werner Rolewinck herausgab. Seine Nachkommen Wendel, Theodosius und Josias Richel (Rihel) waren in Straßburg thätig.

Nächst Martin Flach, dem spätern straßburger Drucker, von dessen Thätigkeit in Basel kein Werk auf die Nachwelt gekommen, und Leonhard Achates, der wohl kaum selbständig in Basel gearbeitet hat und als Wanderdrucker zu Venedig, Vicenza, St. Urso und Padua wiedergefunden wird, ist Eberhard Fromolt der folgende Typograph, von dem jedoch auch nur zwei Drucke aus dem Jahre 1481 bekannt geworden sind.

Ihm folgte der berühmte Johann Amerbach 1478 bis 1514. Er war 1444 in Reutlingen geboren, nicht 1434, wie Stockmeyer und Reber angeben.[46] Nicht bloß vorübergehend, wie Wenszler, Keßler u. a., hatte er auf Universitäten einige Vorlesungen gehört, er widmete sich der neuen Kunst vielmehr erst, nachdem er seine Studien beendet und unter dem Rektorat seines Lehrers und Freundes Johannes Heynlin de Lapide in Paris den Grad eines Magisters erlangt hatte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er eine Zeit lang Korrektor (Textesrevisor) bei Anton Koberger in Nürnberg. Von hier begab er sich nach Basel, wo er wahrscheinlich schon vor 1478 eine Druckerei errichtete, da er, wie erwähnt, bereits 1478 mit Wenszler die frankfurter Buchhändlermesse besuchte. Amerbach war im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts der größte gelehrte Drucker und Verleger in Basel und überhaupt einer der bedeutendsten seiner Zeit. Die Erzeugnisse seiner Pressen, für welche er sich zuerst der Antiqua statt der gotischen Schrift bediente, zeichnen sich besonders durch die Korrektheit ihres Textes aus, auf welche er als Gelehrter das Hauptgewicht legte. Namentlich verglich er die verschiedenen Handschriften, deren Herbeischaffung oft mit den größten Schwierigkeiten verbunden war, und lieferte jene kritisch verbesserten Ausgaben, vor allen der hervorragendsten Kirchenväter, welche seinen Ruf begründeten. In Basel trat Amerbach in einen Kreis ausgezeichneter Gelehrten ein, eines Beatus Rhenanus, Augustinus Dodo, Johann Conon, Franciscus Wyler und Konrad Pellikan, welche ihn bei seinen Arbeiten wirksam unterstützten. Den festesten Halt aber gewährte ihm sein früherer Lehrer, Johann Heynlin, der sich 1484 für immer nach Basel zurückgezogen [117] hatte, 1487 in das dortige Kartäuserkloster in St. Margaretenthal eingetreten war und hier 1496 starb. Er trat Amerbach in derselben Weise helfend zur Seite, wie später in noch höherm Grade Erasmus seinem Freunde Froben. Pellikan nennt Amerbach einen sehr gelehrten und bewunderungswürdig fleißigen Mann, welcher ebenso große Kosten, als persönliche Mühe und Arbeit auf die Herstellung seiner Drucke verwandte. Es halfen ihm dabei zwei oder drei Textesrevisoren, er selbst aber verabsäumte nichts, was seinen Ausgaben nützen konnte. Er opferte lieber die ganze Arbeit eines Tages und Geld dazu, als daß er eine falsche Lesart auf einem kaum gedruckten Bogen stehen gelassen hätte.

In besonders lebhaftem Verkehr stand Amerbach mit Straßburg. Wie er Adolf Rusch daselbst für die von diesem im Auftrage Anton Kobergers gedruckte „Biblia Latina cum glossa ordinaria Walafridi Strabonis“ die Typen geliehen hatte, so lieferte Rusch ihm dagegen große Quantitäten Druckpapier, gab ihm wiederholt den Druck verschiedener Werke in Auftrag, arbeitete auch selbst für ihn, erhielt von ihm Bücher zum Verkauf, besorgte ihm Manuskripte und pflegte überhaupt rege und zugleich freundschaftliche Beziehungen zu ihm. Auf Grund der Typen sind Amerbach noch neun Bibelausgaben zuzuschreiben, welche er in den Jahren 1479 bis 1489 vollendet hat. Der letzte mit seinem Namen versehene Druck ist das „Decretum Gratiani“ von 1512. Die von ihm vorbereitete Herausgabe der Werke des heiligen Hieronymus unterbrach sein Tod (1514); sie wurde von seinem Schüler Johann Froben 1516 im Druck vollendet. Es sind im ganzen 42 große Folianten mit Amerbachs Namen und 28 ohne denselben, aber nachweisbar von ihm gedruckte erhalten, welche ein rühmliches Zeugnis für die fruchtbare Thätigkeit dieses bedeutenden, im Geschäftsverkehr aber nicht ganz gewissenhaften Typographen und Verlegers ablegen. Von 1500 an druckte Amerbach meistens gemeinschaftlich mit Johann Petri von Langendorf dem Stammvater einer hervorragenden Druckerfamilie, und mit seinem nachmals so berühmt gewordenen Schüler, Johann Froben.

Auch Amerbachs drei Söhne waren bedeutende Männer, kommen aber, da sie das Geschäft eingehen ließen, für die Geschichte des Buchhandels nicht in Betracht. Der älteste, Bruno (1485 bis 1519), lebte den Wissenschaften, ohne je in die Öffentlichkeit zu treten, und half nur [118] gelegentlich als Gelehrter in der Offizin seines Vaters; der zweite, Basilius (1488 bis 1535), hatte sich den Magistergrad erworben und setzte einige Jahre das väterliche Geschäft fort; der dritte endlich, Bonifacius (1495 bis 1562), war ein Freund von Erasmus und Hans Holbein und Professor der Rechtswissenschaften an der baseler Universität. Auch als Politiker hat er seiner Vaterstadt große Dienste geleistet und sich hohes Ansehen erworben.

Bevor die glänzenden Leistungen der Petri und der Froben gewürdigt werden, sind zur Vervollständigung der chronologischen Reihenfolge noch einige andere Namen kurz zu erwähnen. Zunächst Johannes de Besickem oder Besicken, aus dem würtembergischen Städtchen Besigheim, von dem jedoch nur Ein Druck bekannt ist, den er 1483 zu Basel lieferte, nachdem er dort schon 1478 Bürger geworden war. Er siedelte 1492 nach Rom über, wo er zuerst mit Sigmund Mayr, dann mit Martin von Amsterdam gemeinschaftlich druckte. Nikolaus Keßler von Bottwar in Würtemberg wurde 1480 Bürger von Basel, 1496 Meister vom Schlüssel, 1500 Deputierter. Er war ein bedeutender Drucker, der von 1486 bis 1509 nicht weniger als 62 Drucke mit seinem Namen lieferte; von noch sieben andern gehören ihm ebenfalls die Typen an. Von mehrern Bibliographen[47] werden einige Werke citiert, welche Keßler in Antwerpen gedruckt haben soll. Diese Angaben wurden gewöhnlich für falsch gehalten; man fand aber den Namen Nikolaus Keßlers um 1488 in der Mitgliederliste der Brüderschaft der St. Lucas-Gilde zu Antwerpen erwähnt, auch konstatierte der Bibliothekar Abbé Flament in einer handschriftlichen Note zu einer bezüglichen Stelle des Jansenschen Werkes, daß im Jahre 1812 im Haag sich in der That ein Exemplar der „Opera Gersonis“ von Nikolaus Keßler 1489 mit der Ortsbezeichnung Antwerpen befunden habe, von dort aber nach Paris transportiert und nicht mehr zurückgekehrt sei. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß Keßler einen Teil der Exemplare seiner Publikationen, den er in Antwerpen verkaufen wollte, mit dem Namen dieser Stadt als Druckort versehen ließ. Johann Meister und Peter Köllicker druckten gemeinschaftlich in den Jahren 1484 und 1485 zwei Werke, außer welchen nichts weiter von ihnen bekannt geworden ist. Jakob von Pforzheim, aus Kempten gebürtig, erwarb 1482 das baseler Bürgerrecht und druckte 1488 bis 1518 die stattliche Reihe von 49 Werken. Auf ihn folgt Michael Furter von [119] 1490 bis 1517, der besonders wegen mehrerer mit Holzschnitten ausgestatteten Werke hervorzuheben ist und auch einige deutsche Bücher gedruckt hat. Von Leonhard Ysenhut sind zwei deutsche Werke vom Jahre 1489 bekannt geworden.

Johann Froben, um 1460 in Hammelburg, einem Städtchen in Franken, geboren, studierte in Basel, wo er sich zum gelehrten Lateiner, Griechen und Hebräer ausbildete. Er lernte durch seiner Landsleute Johann und Adam Petri Vermittelung Johann Amerbach kennen, bei welchem er eine Zeit lang als Korrektor eintrat. Im Jahre 1490 erwarb er das baseler Bürgerrecht und begann 1491 seine selbständige Wirksamkeit als Drucker und Verleger. In ihm vereinigten sich praktischer Sinn, guter Geschmack und gelehrte Bildung in wunderbarer Harmonie. Sein erster Verlagsartikel ist eine lateinische Bibel in handlichem Oktavformat. Mit äußerst zierlicher und feiner gotischer Schrift gedruckt, war sie darauf berechnet die allgemeinste Verbreitung zu suchen und zu finden. Er war der erste baseler Buchhändler, welcher die Bedeutung Hans Holbeins erkannte und ihn unausgesetzt für die künstlerische Ausschmückung seiner Bücher beschäftigte.[48] Zugleich sorgte er mit unermüdlichem Eifer für korrekte Ausgaben der Klassiker und Kirchenväter. Mächtig diente Froben mit dieser seiner Thätigkeit dem geistigen Leben Deutschlands und er war es besonders, der Basel zur Metropole deutschen Buchdrucks und Buchhandels erhob. Seine langjährige Freundschaft mit Erasmus endlich zeitigte Früchte, welche der ganzen damaligen gebildeten Welt zugute kamen. So ist Froben einer der größten Buchhändler aller Zeiten.

Er hatte 1500 Gertrud, die Tochter des gelehrten und wohlhabenden baseler Buchhändlers Wolfgang Lachner (aus Neuburg an der Donau), geheiratet. Fortan arbeiteten beide gemeinschaftlich; Lachner aber war die Seele des Verlagsgeschäfts. Er wird von Erasmus nicht allein Officinae Frobenianae princeps genannt, sondern auch als derjenige bezeichnet[49] , auf dessen Kosten das Frobensche Geschäft betrieben wurde. Das Verhältnis zwischen Erasmus und Froben wird im sechsten Kapitel noch näher beleuchtet werden. Dieser starb im Oktober 1527. Er hat in den 36 Jahren seiner Thätigkeit nie ein deutsches Buch gedruckt und zuerst mit vier, dann mit sechs und schließlich mit sieben Pressen 257 meist sehr bedeutende und umfangreiche Werke teils selbständig, teils in [120] Gemeinschaft mit andern hergestellt. Von ihm verlegt zu werden galt als eine Ehre, nach welcher eifrig gestrebt wurde. Seine sämtlichen Korrektoren waren wissenschaftlich gebildete Männer und selbst hervorragende Gelehrte, wie außer Erasmus, Markus Heiland, Wolfgang Musculus, Sigismund Gelenius und Johann Ökolampadius. Von seinem Verlag sind, außer den Erasmusschen Schriften, das erste im Druck erschienene griechische „Neue Testament“ (welche Ausgabe Luther später als Unterlage für seine Übersetzung diente) zu nennen, sowie die Werke des Hieronymus in neun Folianten 1516 erschienen und die des Augustinus 1529 in zehn Bänden, von welchen bei seinem Tode allerdings erst zwei Bände fertig gestellt waren.

Lachner, welcher Froben zehn Jahre im Tode vorangegangen war, hatte neben der Geschäftsführung für den gemeinschaftlichen Verlag noch Gelegenheit zu mehrern andern Unternehmungen gefunden, indem er 1495 bei Michael Furter, 1504 bei Jakob von Pforzheim und 1509 bei Gregorius Bartholomäus drucken ließ. Nach Lachners Tode trat Froben, wie dies Kirchhoff erwiesen hat, zu Franz Birckmann in Köln in engere Beziehungen.

Nach Johann Frobens Ableben büßte die Druckerei ihre hervorragende Bedeutung teilweise ein. Der älteste Sohn Hieronymus (1501 bis 1563) hatte schon 1520 einige Werke selbständig gedruckt; auf der „Rhetorica“ des Aristoteles von diesem Jahre erscheint sein Name sogar zusammen mit dem des Johann Herwagen. Letzterer begab sich jedoch bald darauf nach Straßburg, druckte hier von 1523 bis 1528, kehrte aber dann nach Basel zurück und heiratete nach Johann Frobens Tode dessen Witwe Gertrud. Mit seinem nunmehrigen Stiefsohn Hieronymus ging er von 1528 ab eine Association ein, welcher 1529 noch Nikolaus Episcopius, oder vielmehr Nikolaus Bischoff aus Rittershofen bei Weißenburg (1501 bis 1554), infolge seiner Heirat mit der Schwester des Hieronymus beitrat. Aber schon 1531 schied Herwagen wieder aus der Firma aus, um bis 1555 für sich allein weiter zu arbeiten, während Hieronymus Froben, resp. dessen Erben, und Nikolaus Episcopius, bis 1564 vereint blieben. Über den Umfang und die Bedeutung ihres Geschäfts gibt das von R. Wackernagel 1881 in Basel veröffentlichte Rechnungsbuch der Froben und Episcopius nähern Aufschluß. Es umfaßt, wenn auch lückenhaft, die Jahre 1557 bis 1564 und gewährt einen belehrenden Blick [121] in die Thätigkeit einer großen Firma jener Zeit. Die Einzelheiten daraus gehören in das fünfte Kapitel. Des Hieronymus Froben Söhne, Ambrosius und Aurelius, setzten darauf bis zum Jahre 1603 gemeinschaftlich das Geschäft fort, während der älteste Sohn des Episcopius, der ebenfalls Nikolaus hieß, schon von 1553 an selbständig als Buchdrucker thätig war und sich 1565 mit seinem jüngern Bruder Eusebius associierte. Im Jahre 1566 raffte aber auch ihn der Tod hinweg, sodaß Eusebius bis 1591 das Geschäft allein fortführte. Auch Herwagen hinterließ einen Sohn, der ebenfalls Johann hieß. Dieser hatte die väterliche Offizin übernommen, starb aber schon 1564 an der Pest. Seine Witwe heiratete den berühmten Buchdrucker Johann Oporin und starb gleichfalls nach wenigen Monaten, worauf die Offizin Herwagens von Eusebius Episcopius angekauft wurde.[50]

Neben dem schon erwähnten Johann Petri von Langendorf (1494 bis 1517), der seine meisten Verlagsartikel mit Johann Amerbach und Johann Froben gemeinschaftlich oder auch nur mit letzterm druckte, vielfach auch gewissenlosen Nachdruck trieb, begann um dieselbe Zeit (1494 bis 1499) auch Johann Bergmann von Olpe in Basel seine Thätigkeit, welche besondere Bedeutung durch die erste Ausgabe von Sebastian Brants „Narrenschiff“ vom Jahre 1494 erlangte. Neben Nikolaus Lamparter, von 1505 bis 1519, druckte auch zwischen 1509 und 1522 Pamphilus Gengenbach, der Dichter und erste Dramatiker des 16. Jahrhunderts, in eigener Druckerei. Der bekannteste Typograph der folgenden Periode ist jedoch Adam Petri von Langendorf, ein Neffe des vorerwähnten Johann Petri. Er war der unermüdliche Nachdrucker Luthers, wie Froben der Verleger des Erasmus. Der reißende Abgang seiner Nachdrucke Lutherscher Schriften erwarb ihm Reichtum und zugleich einen bedeutenden Ruf als tüchtiger Drucker; von nah und fern wandten sich rührige Verleger an ihn, um bedeutende Unternehmungen durch seine Pressen herstellen zu lassen, sodaß letztere Tag und Nacht nicht stillstanden.

Von Adam Petris Nachkommen wurde ebenso berühmt Heinrich Petri (1508 bis 1579), der 1556 von Kaiser Karl V. in Anerkennung seiner Verdienste in den Ritterstand erhoben wurde[51] und sich zum Unterschiede von den andern Petris fortan Henric-Petri nannte. Er war ebenso thätig und unternehmend, wie sein Vater und setzte auch das Geschäft in [122] dessen Geiste fort. Nach seiner Grabschrift hat er 108 Buchhändlermessen in Frankfurt besucht. Unter seinen Verlagswerken finden sich vorzugsweise alte Klassiker, über vierzig an der Zahl, eine von Sebastian Münster besorgte hebräisch-lateinische Bibel, Werke von Petrarca, Poggio und Kopernikus. Auch in der Politik seiner Vaterstadt nahm Heinrich Petri eine hochangesehene und bedeutende Stellung ein. Seine Söhne Sixtus und Sebastian Henricpetri führten noch bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts die väterliche Druckerei fort.

Außer den Genannten druckten in Basel von 1518 bis 1536 Andreas Cratander, der als Verleger namentlich im Dienste des Humanismus und der Reformation wirkte; 1519 bis 1535 Thomas Wolf; 1521 bis 1535 Valentin Curio; ferner Johann Bebel von 1523 ab (auch zusammen mit Cratander und Michael Isengrin von 1531 ab); Johannes Faber Emmeus, der später seiner katholischen Sympathien halber aus Basel hinausgemaßregelt wurde und nach Freiburg übersiedelte, von 1526 bis 1529; Johannes Walder und Bartholomäus Westhemer, beide von 1536 ab; Nikolaus Brylinger, auch vereint mit Bartholomäus Calybäus, von 1537 ab.

Seit Johann Froben hatte die baseler Buchdruckerkunst keine solchen Erfolge gezeitigt, als mit dem Auftreten des Johannes Oporinus, zu deutsch Herbster, der von 1540 bis 1568 eine großartige Thätigkeit entwickelte. Oporin, 1507 in Basel geboren, war der Sohn eines verdienten Malers, dessen Werke jedoch verloren gegangen oder heute nicht als die seinigen erkannt sind. Johann widmete sich dem Studium der Medizin und Physik und wurde Famulus des berühmten Paracelsus; später erhielt er eine Professur der griechischen Sprache und verband sich um 1539 mit seinem Schwager Robert Winter, mit Thomas Platter und Balthasar Ruch zu einem Buchdruckergeschäft; sie brachten gemeinschaftlich Cratanders Offizin gegen allmähliche Abzahlung des Kaufpreises von 800 Gulden an sich.[52] Thomas Platter hat in seiner Selbstbiographie den traurigen Ausgang dieses Unternehmens mit rührender Naivität geschildert. Es endete damit, daß die Gesellschaft sich nach ein paar Jahren wieder trennte und Schriften und Werkzeuge teilte. Oporin blieb einstweilen mit seinem leichtsinnigen Schwager Winter noch zusammen, aber auch dieses Verhältnis hatte keinen Bestand. Als bald danach Winter starb, nachdem er alles durchgebracht, übernahm [123] Oporin für 700 Gulden die Offizin desselben, wodurch er seine schon bestehende Schuldenlast noch beträchtlich vermehrte. Seine Arbeitskraft war eine wahrhaft staunenerregende. Außer seiner Thätigkeit als Leiter einer großen Druckerei, die in den 28 Jahren ihres Bestehens 750 Werke brachte, und einer Buchhandlung mit ausgedehnten, bis nach Italien reichenden Verbindungen, ist er Verfasser von mehrern gelehrten Schriften, darunter „Onomasticon propriorum nominum“ und „Annotationes in questiones“, von Übersetzungen des Xenophon und Theokrit, sowie großartiger Register zu Plato, Aristoteles, Plinius und vielen andern griechischen und lateinischen Klassikern, deren Ausgaben wegen ihrer guten Ausstattung und der Sorgfalt in der Textesberichtigung und bei der Korrektur zu dem Besten zählen, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist. Dennoch starb er 1568 in zerrütteten Vermögensumständen, wozu die Verschwendung seiner vier Frauen, von denen eine des jüngern Herwagen Witwe, eine geborene Froben, war, sowie eigene schlechte Wirtschaft viel beigetragen haben sollen. Seine Ziele waren für einen Verleger jener Zeit vielleicht zu sehr dem Idealen zugewandt, und seine großartigen Unternehmungen, die er fast immer auf eigene Rechnung begann, mögen oftmals in ihren Erträgen hinter seinen Erwartungen zurückgeblieben sein. Ging es doch seinem Lehrmeister Johann Froben nicht viel besser. Gleichwohl aber bildet dessen und Oporins Thätigkeit den Glanzpunkt und die bedeutendste Stütze der Großmachtstellung Basels in der Geschichte des deutschen Buchdrucks und Buchhandels.

Wie in Basel die Blüte der jungen Universität (1460 bis 1500) mit den vielversprechenden Anfängen der Buchdruckerkunst zusammenfiel, so standen auch in keiner andern deutschen Stadt den Verlegern eine solche Fülle von hervorragenden Gelehrten und Künstlern zur Seite, so haben sich nirgends anderswo so freudig die höchste geistige Bildung (Erasmus) und darstellende Kunst (Hans Holbein) mit dem Buchdruck zur Herstellung von Druckwerken vereinigt, deren Korrektheit und äußere Ausstattung noch heute als mustergültig dastehen. Wer schöne und korrekte Bücher haben wollte, wandte sich aus ganz Europa nach Basel. Wie Thomas Morus zu Anfang der 16. Jahrhunderts eine dortige Offizin zur Herstellung seiner Schriften wählte, so beabsichtigte gegen dessen Ende die römische Kurie dort drucken zu lassen, weil die italienischen [124] Pressen nur noch liederliche Arbeit lieferten. Nach Oporins Tode erschlaffte Basel in seiner schöpferischen Thätigkeit; allein nie sank es zur Bedeutungslosigkeit herab, wenn es auch mit Ausnahme eines kurzen Aufschwungs im 18. Jahrhundert seinen alten Glanz nie wieder erreichte. Obgleich politisch nicht mehr deutsch, teilte Basel doch das Schicksal aller übrigen in sich absterbenden und verknöchernden deutschen Reichsstädte. Seine Künstler und Drucker suchten im Ausland Arbeit und Ruhm, seine Gelehrten kamen kaum mehr in Betracht. Die frühere inclyta Basilea versuchte gegenüber der Zersetzung der alten Ordnungen deshalb auch vergebens durch kleinlichen Zunftgeist zu retten, was von großen freien Gesichtspunkten aus einst so glanzvoll geschaffen und so gediegen ausgebildet worden war.

6. Zürich

fällt zwar nicht mehr in die sogenannte Inkunabelnzeit, da sich hier der erste Druck nicht vor 1504 nachweisen läßt; indessen ist die Bedeutung der Stadt für den deutschen Buchhandel von Anfang an bis auf die Gegenwart eine so hervorragende gewesen, daß sie unbedingt gleich hinter Basel eine Stelle verdient.

Der älteste in Zürich ohne den Namen des Druckers erschienene Druck ist ein „Brief“, das Einladungsschreiben des dortigen Rats vom 6. Januar 1504 zu einem Freischießen. Es folgt dann vier Jahre später ein mit trefflichen Holzschnitten ausgestatteter Kalender, auf dessen letzter Seite sich die Worte befinden: „Getruckt in der kaiserlichen | statt Zürich durch Hansen | am Wasen am samzstag nach sant Luxtag des iares | da man zalt taussent fünff | hundert und acht iar.“ Ein dritter Druck (aber ohne Angabe des Druckers und Jahres): „Diß ist der Psalter | oder Rosenkranz von unser lyeben | frowen, und ist in der wiß als man | syngt der Herzog Ernst“, scheint derselben Zeit anzugehören. Er wird vielfach Hans von Wasen zugeschrieben, da er mit den Typen des Kalenders und der Einladung gedruckt ist.

Es dauerte jetzt etwa zehn Jahre, bis Christoph Froschauer der Buchdruckerkunst und dem Buchhandel in Zürich eine bleibende Stätte schaffte und beide zugleich zu hoher Blüte entwickelte. Über seine persönlichen Beziehungen ist wenig bekannt. Er stammte aus Neuburg bei Ötting in Bayern; wann er geboren ist, weiß man jedoch nicht, vermutlich [125] zwischen den Jahren 1480 und 1490. Der Buchdrucker Johann Froschauer, welcher in den Jahren 1494 bis 1507 in Augsburg druckte, soll sein Vater gewesen sein. Ebenso wenig läßt sich die Veranlassung und das Jahr ermitteln, warum und wann er nach Zürich kam; auch fehlen die Nachrichten über seine anfängliche Thätigkeit. Sie muß ihm aber sofort Anerkennung erworben haben, da er schon 1519 laut Bürgerbuch „seiner Kunst wegen“ das Bürgerrecht geschenkt erhielt. Nur so viel steht fest, daß er verheiratet war, aber kinderlos am 1. April 1564 starb. Das erste Wirken Froschauers im größern Kreise fällt ganz in dieselbe Zeit, in welcher Zwingli mit der Rede, der Feder und dem Schwerte der neuen reformatorischen Richtung Bahn brach. Nicht leicht hätten die Zeiten der raschen Entfaltung der jungen Kunst auch in der Schweiz günstiger sein können, und in der That diente diese der Reformation als wirksamste Waffe. Froschauer als Mann von gediegener Bildung, praktischem Blick und rastloser Energie begriff den Geist seiner Zeit und gewann durch seinen rückhaltlosen Anschluß an die Reformation als Drucker und Buchhändler einen so außerordentlichen Erfolg, daß er ein einflußreicher und wohlhabender Mann wurde. Er druckte und vertrieb nicht weniger als 75 größere oder kleinere Schriften seines Freundes Zwingli und verlegte außerdem noch die Werke eines Bibliander, Heinr. Bullinger, Leo Jud, Rudolf Gualterus, Konrad Pellikan, Peter Martyr, Ludwig Lavater, Konrad Geßner, Hans Stumpf u. a. Auf seine Drucke verwandte er die größte Sorgfalt und stattete sie äußerlich nicht allein sauber und schön, sondern im Texte auch fehlerfrei aus. Was aber vor allem seinen Ruf begründete und sein Geschäft hob, das waren seine Bibeldrucke, bei welchen er keine Mühen und Kosten scheute. Anfangs verwandte er Antiqualettern, die er bald mit neuen, in seinem Auftrag gegossenen deutschen vertauschte, und stattete seine Ausgaben nicht bloß mit hübschen Vignetten, sondern auch mit trefflichen Holzschnitte aus, welche selbst heutigentags noch als vorzügliche Leistungen dastehen. So sagt er selbst in einem Briefe, welchen er am 18. Januar 1545 an Vadian, wenn auch über ein anderes Werk (Joh. Stumpfs Schweizer-Chronik) schrieb: „Ich hab yetz sider Martini den besten Maler, so yetz ist, bey mir im Huß, gib ihm alle Wochen 2 gr. vnd essen vnd trinken, dut nündt anderst als figuren rissen in Chronika, mag sy der figuren halb uff den herbst kum anfahen, daran wirt gar kein costen gespart.“ [126] In den Jahren 1524 und 1529 ging aus Froschauers Pressen die erste Schweizerausgabe der ganzen Bibel in groß Folio hervor, nachdem schon 1521 die von Leo Jud verdeutschten Paulinischen Briefe im Quart und 1522 dieselben noch einmal, sowie 1524 das ganze Neue Testament in deutscher Sprache bei ihm erschienen waren. Von 1524 bis 1564 wurden nun fast jedes Jahr, wenn nicht die ganze Bibel, so doch Teile derselben in vier verschiedenen Sprachen von ihm herausgegeben. Innerhalb desselben Zeitraums veranstaltete Froschauer nach der Berechnung seines Biographen S. Vögelin 27 verschiedene Ausgaben der ganzen Bibel, davon 20 in deutscher, 6 in lateinischer und 1 in englischer Sprache, sowie 15 Ausgaben des Neuen Testaments, von denen 6 in deutscher, 5 in lateinischer, 1 in griechischer und 3 in zwei Sprachen (auch 1 in englischer) erschienen. Nach E. C. Rudolphi’s Verzeichnis stellen sich Froschauers Bibeldrucke noch zahlreicher heraus, sodaß er 63 Ausgaben in verschiedenen Sprachen geliefert hätte, nämlich 25 deutsche (11 davon in Folio), 7 lateinische (1 in Folio) und 1 englische (in Quart), während die Zahl der Ausgaben des Neuen Testaments, wie von Vögelin, auf 15 berechnet wird. Diese Bibeln waren allgemein gesucht und fanden zu Hunderttausenden Absatz; vor allen hochgeschätzt aber wurden die Prachtausgaben der deutschen aus den Jahren 1531 und 1545. Ein Exemplar der erstern kostete, in zwei Teile gebunden, 3 ½ Gulden. Im ganzen führt Rudolphi 865 Nummern an, welche im Froschauerschen Geschäft bis zu seinem 1595 erfolgten Ende erschienen sind. Davon fallen 616 auf Christoph Froschauer, während der Rest auf seinen Neffen Christoph den Jüngern (gestorben 1585) und dessen Erben kommt. Von letztern erwarb der Buchdrucker Johannes Wolf das Geschäft. Im Jahre 1626 gelangte es in den Besitz der Familie Bodmer, 1723 an Heidegger und Rahn und 1765 wurde es mit der Orellischen Druckerei, jetzt Orell Füßli u. Comp., einer noch heute bestehenden bedeutenden Druckerei und Verlagsanstalt, vereinigt.[53]

7. Augsburg.

Die alte Augusta, das Haupt des Schwabenlandes, zählt zu denjenigen Städten, in welchen die Buchdruckerkunst unter den günstigsten Vorbedingungen eine der ersten und sich rasch zur höchsten Blüte entwickelnden Stätten fand. Der Rangstreit der ältesten Druckersitze um [127] die Priorität der Einführung der Kunst sucht deren Einzug auch in Augsburg noch weiter zurück zu datieren, als die Jahreszahl des ersten dort gedruckten Buches rechtfertigt. Das erste bis jetzt bekannte zu Augsburg mit Jahreszahl gedruckte Werk stammt nun aus dem Jahre 1468 und gehört Günther Zainer von Reutlingen an; es sind die „Meditationes vitae domini nostri Jesu Christi“. Günther Zainer wird daher auch als erster Typograph Augsburgs gelten müssen, obgleich er 1472 in den Steuerbüchern als „Schreiber“ vorkommt und in diesem Jahre auch erst Bürger der Stadt wurde, während er sich vorher selbst als „Commanens oder Beisäß von Augsburg“ bezeichnet. Seine bis zum Jahre 1477 dauernde Thätigkeit war eine höchst bedeutende. Obwohl man nur etwa 30 Werke aus seiner Presse kennt, so ist doch deren technische Ausführung eine derartige, daß man ihm ein hervorragendes Verdienst um die Kunst zugestehen muß. Besonders erwähnenswert sind seine beiden deutschen Bibelausgaben, von denen die mit der Jahreszahl 1477 erschienene zugleich die erste datierte deutsche Bibel ist. Beide Ausgaben sind in ihrem schönen Druck mit großen fetten Typen, dem vortrefflichen Papier, prächtigen Initialen und Bilderschmuck wahre Monumentalwerke der Buchdruckerkunst, welche alle andern Bibelausgaben durch die Größe ihres Formats überragen. Zainer gilt auch als derjenige Typograph, der zuerst in Deutschland mit römischen Schriften (Antiqua) gedruckt hat, obwohl mit Unrecht, denn älter als seine Ausgabe der „Etymologiarum libri XX“ des Isidorus Hispalensis von 1472, worin er diese Schriftgattung zuerst brachte, sind unstreitig die Drucke mit dem bizarren R, welche höchstwahrscheinlich von Mentel in Straßburg herrühren.[54]

Nach der Chronologie der datierten Drucke ist der zweite Buchdrucker Augsburgs Johann Schüßler, von 1470 bis 1472. Nach einer ältern Überlieferung soll er die frühesten Typen Günther Zainers an sich gebracht haben. In der That stimmen die Schriften der wenigen von ihm bekannten Drucke mit Zainers ältesten, den Catholicon-Lettern, vollkommen überein; auch kommt dieselbe Schriftgattung in keinem datierten Druckwerke Zainers nach 1470 vor, in welchem Jahre der erste datierte Druck Schüßlers, die erste lateinische Ausgabe des Flavius Josephus erschien.[55] Im Jahre darauf brachte er auch die Editio princeps des Orosius. Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1472 erwarb das [128] Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg von Johann Schüßler fünf Druckerpressen mit allem Zubehör für den Preis von 73 Gulden. Der gelehrte Abt Melchior de Stainheim, Stamphain oder Stanham legte damit eine die Interessen der Wissenschaft und des Klosters zugleich fördernde Druckerei an.[56] Das interessanteste Moment aus der Geschichte dieser Klosteroffizin ist eine von Denis aufgefundene Bücheranzeige, die zum Ankauf des im Kloster gedruckten vierbändigen „Speculum historiale“ von 1474 auffordert. Nach dem schon im Jahre 1474 erfolgten Tode des Abtes Melchior scheint übrigens diese Druckerei nicht lange mehr bestanden zu haben, wie man denn überhaupt nur etwa sechs aus ihr hervorgegangene Werke kennt. Aber selbst von diesen sind einige mit Schriftcharakteren anderer augsburger Drucker, z. B. Bämlers, Sorgs, gedruckt, sodaß die Leistungen des Klosters weniger beträchtlich sind, als man oft anzunehmen geneigt ist. Ebenso unbedeutend ist die Thätigkeit des Buchdruckers Christmann Heyny von 1471 bis 1481, von dem man nur ein paar, mit Günther Zainers fetter Typengattung gedruckte Werke kennt. Die Schrift muß also offenbar von diesem nur entliehen gewesen sein; denn von einem Kauf kann nicht die Rede sein, da Zainer gleichzeitig und nachher dieselben Typen weiter benutzte.

Ein viel bedeutenderer Drucker war dagegen der schon mehrfach erwähnte Johann Bämler, 1472 bis 1495. Eine in der Bibliothek zu Wolfenbüttel bewahrte deutsche Bibel trägt am Ende des Psalteriums die Notiz: „explicit Psalterium. Bamler 1466“. Man hat infolge dessen früher Bämler für den ersten Drucker Augsburgs gehalten; allein schon Panzer hat nachgewiesen[57] , das die betreffende Bibel keine andere als die erste deutsche Eggesteinsche sei. Die Notiz stammt also einfach aus der Zeit her, in welcher Bämler noch seinem frühern Beruf als Schreiber und Rubrikator nachging. Sein erster Druck gehört erst dem Jahre 1472, sein letzter 1492 an. Bämlers Hauptverdienst ist seine Pflege der deutschen Sprache und Litteratur; wenige seiner Zeitgenossen sind ihm darin gleichgekommen. Von seinen Leistungen geben etwa 60 größere und kleinere Werke der Nachwelt Kenntnis.

Ihm folgt zunächst Anton Sorg 1475 bis 1493, einer der produktivsten Drucker Augsburgs, von dem das erste gedruckte Wappenbuch (1483): „Conciliumbuch geschehen zu Constanz“ herrührt; es veranschaulicht in seinen 1200 Holzschnitten bildlich 1156 Wappen aller im Jahre 1414 [129] auf dem Konzil versammelten vornehmen Männer der ganzen Christenheit, während 44 weitere Holzschnitte die Aufzüge, Feste und Begebnisse des Konzils nach Zeichnungen eines Augenzeugen darstellen. Neben dem Verdienst, in seinen Erzeugnissen besonders den Formschnitt gepflegt zu haben, hat Anton Sorg auch das, 1477 und 1480 zwei deutsche Bibeln, die siebente und achte in der Reihe aller überhaupt veröffentlichen, gedruckt zu haben. Auch ist von ihm ein Verlagsverzeichnis in deutscher Sprache bekannt, das in Form und Ausdruck ganz den früher erwähnten Mentels in Straßburg und des Klosters St. Ulrich und Afra in Augsburg gleichkommt; durch die Zahl der darin verzeichneten Werke (35) übertrifft es jedoch alle andern. Das interessante Druckdenkmal befindet sich in der öffentlichen Bibliothek zu Augsburg.[58]

Es folgte nun eine Anzahl Buchdrucker, welche nur eine geringere Thätigkeit entfalteten: Jodocus Pflanzmann, von dem die dritte deutsche Bibel herrührt; Johann Wiener von Wien, 1475 bis 1479, von dem es nicht gewiß ist, ob er mit Johannes de Vienna, der 1476 in Vicenza eine Offizin hatte, identisch ist; ferner Johann Keller, 1478; Ambrosius Keller, 1479; Johann Blaubirer, 1481; Hermann Kästlin, 1481 bis 1488. Diese alle überragte jedoch Hans Schönsperger der Ältere, von 1481 bis 1524, der sich während seiner vierundvierzigjährigen Thätigkeit ein unvergängliches Denkmal gesichert hat durch Druckerzeugnisse, welche mit vortrefflicher Ausstattung den reichsten vielleicht je aus einer Presse hervorgegangenen Holzschnittschmuck verbinden. Besonders ragen darunter hervor zwei deutsche Bibeln von 1487 und 1490 (die elfte und zwölfte in der Reihe aller) mit schönen Holzschnitten, das Neue Testament von 1523 nach Luthers Übersetzung, mit Holzschnitten von Johann Schäufelein und mit den Charakteren des „Theuerdank“ gedruckt, besonders aber dieses berühmte Werk selbst, ein in seiner typographischen Ausführung unübertroffenes Meisterwerk, das nicht weniger durch seine prachtvollen Holzschnitte von Schäufelein, Burgkmair und Dienecker berühmt ist. Die erste Ausgabe dieses Prachtwerks, das die Brautfahrt und Abenteuer Maximilians zum Gegenstand hat und nach Aufzeichnungen des Kaisers von Melchior Pfinzing dichterisch bearbeitet wurde, ist von Johann Schönsperger im Jahre 1517 zu Nürnberg gedruckt worden. Er wurde nämlich vom Kaiser zur Herstellung des Werks dahin beschieden, um es unter den Augen des Dichters und der betreffenden [130] Künstler um so vollkommener erstehen zu lassen. Die zweite Ausgabe gab Schönsperger dann bereits 1519 zu Augsburg heraus. Sein Sohn, Hans Schönsperger der Jüngere, widmete sich später fast ausschließlich dem Verlagsbuchhandel und ließ meistenteils bei Johann Othmar in Augsburg drucken.

Ebenso bedeutend wie Schönsperger, aber ihn an Geist und Reichtum der Phantasie noch überragend, war Augsburgs berühmtester Drucker, Erhard Ratdolt. Er entstammte einer Künstlerfamilie, welche sich durch Anfertigung plastischer Figuren aus Gips auszeichnete, und soll ursprünglich Kistler (Armbrustschnitzer) gewesen sein. Ratdolt ging 1475, wahrscheinlich in der Absicht sich künstlerisch auszubilden, nach Italien. Da er in der Heimat auch die Kunst des Bücherdrucks kennen gelernt hatte, so wandte er sich ihr in Venedig ausschließlich zu und verband sich dort anfangs mit dem augsburger Maler Bernhard und mit Peter Loslein von Langenzenn. Er lieferte hier von 1476 an eine Menge von Prachtwerken, wie man sie bis dahin weder in Italien noch in Deutschland gesehen hatte. Seine schon im Renaissancegeschmack ausgeführten Initialen und Titelblätter waren sowohl durch ihre Verzierungen als ihre Anordnung Kunstwerke ersten Ranges. Selbst unter den ersten Künstlern der stolzen Lagunenstadt nahm Ratdolt eine hervorragende Stellung ein und sein unerhörter Erfolg spricht zugleich für seine außerordentliche Bedeutung. Die Bischöfe Augsburgs drängten ihn lange vergebens zur Rückkehr in die Heimat. Endlich gab er 1486 den wiederholten Aufforderungen des Grafen Friedrich von Hohenzollern nach und zog wieder in die Vaterstadt, wo er noch 30 Jahre mit gleichem Ruhme wie in der Fremde arbeitete. Als Drucker der schwierigsten mathematischen Werke erwarb er sich den Namen eines Beschützers und Vaters der Mathematiker. In der berühmten Ausgabe des Euclid von 1482 druckte er die Zueignung an den Dogen Mocenigo von Venedig sogar in Gold. Ebenso widmete sich Ratdolt auch dem Druck musikalischer Werke, wie er denn auch der Erfinder des Notendrucks mit beweglichen Typen ist. In Augsburg wurde er durch den Druck seiner unvergleichlich schönen Chorbücher so berühmt, daß ihm von weit und breit Aufträge aus Stiftern und Klöstern zur Herstellung von Kirchenbüchern zuteil wurden, die er in brillantem Rot- und Schwarzdruck die 40 Jahre seiner Thätigkeit hindurch gleich ausgezeichnet ausführte. Er starb um 1528, in welchem [131] Jahre er zuletzt Steuern zahlte, als sehr vermögender und angesehener Mann und soll ein Alter von 85 Jahren erreicht haben.[59]

Ein fast ebenso bedeutender Buchhändler ist Johann Rynmann aus Öhringen, ursprünglich Leibeigener der Grafen von Hohenlohe, von welchen er 1498 für 800 Gulden seine Freiheit erkaufte. Er muß um die Mitte des 15. Jahrhunderts geboren sein. Zum ersten mal wird er 1475 in den augsburger Steuerbüchern als Goldschmied erwähnt. Als solcher hat er in der Folge auch Stempelschneiderei und Schriftgießerei betrieben und nennt sich selbst noch 1502: „Characterum venetorum opifex“ (Kursivschrift). In seinem Loskaufbrief heißt es, daß er etliche Jahre einen Handel und Gewerbe mit gedruckten Büchern und andern Waren, in auswärtigen Königreichen und bei fremden Nationen, in Ober- und Niederdeutschland geführt und alle Jahre große und weite Reisen gemacht habe. Es ergibt sich aus dieser Bemerkung, daß Rynmann in den neunziger Jahren, wenn nicht schon früher, mit seinen Goldschmiedewaren zugleich einen Sortimentshandel verband, welcher ihm bedeutenden Gewinn abgeworfen haben muß, denn 800 Gulden bares Geld, welche er, ohne seine liegenden Gründe zu veräußern, für seine Freiheit zahlte, waren für jene Zeit eine sehr bedeutende Summe. Trotz ihrer Zahlung war er gleichzeitig noch im Stande, ein großes Verlagsgeschäft zu begründen und bis zum Jahre 1522 immer mehr auszudehnen. Rynmann beschränkte sich auf die theologische Litteratur, namentlich homiletische und ascetische Werke, deren Absatz lange ein glänzender war, bis die Reformation sie plötzlich unverkäuflich machte. Von den 146 Verlagswerken, welche Kirchhoff einzeln angibt, hat Rynmann kein einziges selbst gedruckt; die meisten derselben (112) sind aus der Presse von Heinrich Gran in Hagenau hervorgegangen, sodaß die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß Rynmann die Gransche Buchdruckerei gehört habe. Seine geschäftliche Tüchtigkeit und Thätigkeit erregte mit Recht die Bewunderung seiner Zeitgenossen, wie z. B. des Konrad Celtis. Er selbst nannte sich mit Stolz: „der teutschen Nation nahmhafftigsten oder fürtreffenden Buchführer und Archibibliopola.“ Von 1522 an verschwindet der Name Rynmanns aus der Reihe der Verleger; er muß in diesem Jahre gestorben sein.[60] Das Geschäft ging an seinen Schwiegersohn, Wolf Präunlein, über, welcher seit 1524 auch die in Leipzig unter der Firma „Pantzschmanns Buchhandel“ arbeitende Verlagsassociation bis zum Jahre [132] 1528 leitete. Inwieweit Rynmann oder Präunlein bei der Firma beteiligt waren und ob ersterer die Spekulationen in Zinn einleitete, welche den letztern in schwere Verlegenheiten brachten, bleibt unklar. Es darf aber nicht vergessen werden, daß ja Rynmann den Schriftguß betrieb und bei diesem damals Zinn Verwendung fand. Präunlein siedelte um das Jahr 1550 nach Öhringen über und muß hier vor 1558 gestorben sein.

An den Ruhm dieser hervorragenden Buchdrucker und Buchhändler reicht der der folgenden, hier wenigstens mit Namen anzuführenden Drucker nicht heran, obgleich sie zum Teil manche ganz tüchtige Leistungen aufzuweisen haben. Da scheint zunächst Hans Schobser, 1488 bis 1493, mit Anton Sorg in Verbindung gestanden zu haben, da in seinen Druckwerken die Charaktere dieses Druckers vorkommen; Peter Berger, 1489; Johann Froschauer oder Schauer, 1494 bis 1519; Christoph Schaitter, 1493; Lukas Zaissenmayer, 1495 bis 1502, und Georg Nadler, 1508 bis 1521, der auch mit Erhard Öglin zusammen druckte, sind mehr oder weniger unbedeutend. Von Jakob Wacker, 1503; Hans Pirlin, 1506; Johann Sittich, 1511; Johannes Erphordianus, 1519; R. Chaim ben David, 1534 bis 1536; Matthäus Elchinger, Philipp Uhlhard, Kaspar Tatz, um 1536, gibt es nur noch einige wenige Drucke als Zeugen ihrer Thätigkeit, dagegen ist bedeutend als erster Drucker hebräischer Schriften Erhard Öglin von 1505 bis 1518. Auch Johann Othmar, der wandernde Typograph, welcher zuerst in Reutlingen, sodann in Tübingen und schließlich in Augsburg arbeitete, entfaltete hier eine bemerkenswerte Thätigkeit, wobei er sich besonders durch den Druck deutscher Schriften auszeichnete. Ein Sohn desselben war wahrscheinlich Sylvan Othmar, der die Kunst von 1514 bis 1530 ebenfalls erfolgreich ausübte. Johannes Miller, 1514 bis 1519, ist durch seine Freundschaft mit dem gelehrten Konrad Peutinger bekannt, dessen geistiger Anregung man zum guten Teil die verdienstliche humanistische Richtung des Millerschen Verlags zu danken hat.

Von größerer Bedeutung, als die bisher genannten sind dagegen zwei andere Buchdrucker oder wenigstens Besitzer von Pressen, Siegmund Grimm und Marx Wirsung. Jener war aus Zwickau gebürtig und Doktor der Medizin. Er kam gegen 1512 nach Augsburg, wurde in das städtische medizinische Kollegium aufgenommen und trat im folgenden [133] Jahre durch seine Verheiratung mit Magdalena Welser zu einer der angesehensten Familien in verwandtschaftliche Beziehungen. Bald darauf errichtete er in seinem Hause eine Apotheke und gegen 1517 eine Buchdruckerei, an welch letzterer sich im folgenden Jahre der reiche Kaufmann Marx Wirsung beteiligte. Beide druckten bis 1522 gemeinschaftlich. Von diesem Jahre an verschwindet Wirsungs Name und Grimm setzt noch zwei Jahre lang allein das Geschäft fort. Ob er 1524 gestorben ist oder ob er aus Mangel an Kapital hat aufhören müssen, ist nicht bekannt; doch weiß man, daß er durch Unglücksfälle sein Vermögen verlor. Die Druckerei scheint an Simprecht Ruf übergangen zu sein; sie hat übrigens auch noch besonders dadurch Bedeutung, daß sie in der Reformationszeit lebhaft Partei nahm und einen großen Teil der Schriften Ulrichs von Hutten veröffentlichte, wie denn auch Sylvan Othmar die Werke Luthers vielfältig nachdruckte.[61]

Als letzte hervorragende typographische Größe Augsburgs in der Reformationszeit ist endlich Heinrich Steiner zu nennen. Vermutlich aus der Schweiz ums Jahr 1522 eingewandert, fing er im darauf folgenden Jahre an, den Buchdruck auszuüben. Durch Fleiß und Unternehmungsgeist und wohl auch vom Glück begünstigt, wurde er im Laufe der Jahre der größte Buchdrucker Augsburgs und blieb bis 1545 thätig. Die Werke, welche er herausgab, meist Übersetzungen griechischer und lateinischer Schriftsteller neuerer und älterer Zeit, wie Vegetius, Cicero „Von den Pflichten“, Petrarca, „Vom Glück“, Plutarch, Polydor Vergil „Von Erfindung der Dinge“, Xenophon, Johann Stobäus, Thucydides, Demosthenes, Boccacio „Von berühmten Weibern“ u. s. w. oder Gedichte der schwäbischen Zeit sind meist mit Holzschnitten von den bekannten Meistern Hans Burgkmair, Urs Graf, Schäufelein u. a. verziert und oft mit einer für jene Zeit außerordentlichen Pracht ausgestattet, wie die Beschreibung des Konzils von Konstanz vom Jahre 1536 und namentlich eine Bibel vom Jahre 1535, von welcher Pergamentexemplare in vier Foliobänden existieren. Das gleiche Los wie Grimm traf aber auch Steiner. Nachdem er bis 1545 mit Glück gearbeitet hatte, geriet er in finanzielle Schwierigkeiten, von denen er sich nicht wieder erholte. Er scheint im Jahre 1548 gänzlich verarmt gestorben zu sein.[62] Das Druckergeschäft hatte zu jener Zeit keinen goldenen Boden in Augsburg; nur Ratdolt starb reich.

[134] Augsburg erlangte später noch einen bedeutenden Einfluß auf die Entwickelung des deutschen Buchhandels dadurch, daß einer seiner bedeutendsten Buchhändler, Georg Willer, bedeutend namentlich als Sortimentsbuchhändler, 1564 den Grundstein zu dem „Meßkatalog“ legte. Ursprünglich von Willer nur als Publikationsmittel für seinen ausgedehnten Sortimentsbetrieb gedacht, deshalb auch bald von andern Firmen, z. B. Portenbach und Lutz in Augsburg, kopiert, fand derselbe einen solchen Beifall in der bücherliebenden Welt, daß sich aus Willers Unternehmen das offizielle Organ des deutschen Verlagsbuchhandels entwickelte; die Geschichte desselben wird das achte Kapitel bringen. Hier möge nur noch die große Gesellschaftsdruckerei angeführt werden, welche unter der Firma „Ad insigne Pinus“ von dem gelehrten Stadtpfleger Markus Welser im Verein mit den angesehensten Männern der Stadt ins Leben gerufen wurde. Die Veranlassung dazu bot, daß seit der Zeit des Schmalkaldischen Kriegs Buchdruck und Verlagshandel in Augsburg derart daniederlagen, daß Welser sich wiederholt zu beklagen Veranlassung hatte: kein Buchdrucker daselbst könne auf eigene Kosten ein größeres Werk in Angriff nehmen. Alles, was erschien, waren polemische und ascetische Schriften und eine Menge von Traktaten über den Kalenderstreit, der damals die Gemüter erhitzte. Welser selbst hatte zum Druck seiner eigenen Werke wiederholt die Aldinischen Pressen in Anspruch nehmen müssen. Deshalb reifte in ihm der Plan, selbst eine Druckerei zu begründen, durch welche umfassendere wissenschaftliche Werke gedruckt werden könnten. Die Kosten übernahm die sich bildende Gesellschaft gemeinsam; über die Auswahl der zu verlegenden Werke entschied ein Ausschuß von Gelehrten, unter welchen sich außer Welser auch der berühmte Philologe David Höschel, ferner Konrad Rittershausen, Andreas Schott, Henisch, Occo, Stengel, Albicius, Pinicianus, Jakob Pontanus u. a. befanden. Das Welsersche Institut, welches als Signet einen Fichtenbaum führte, wurde durch ein kaiserliches Privilegium vom 29. November 1594 und auch durch ein königlich französisches geschützt. Seine Thätigkeit ist bis zum Jahre 1619 nachweisbar, in welchem Jahre der „Catalogus bibliothecae Antonii Welseri“ herauskam. Zahlreiche Werke, zum Teil von bleibendem wissenschaftlichen Werte, sind teils aus der eigenen Presse der Gesellschaft hervorgegangen, teils auf ihre Kosten in andern augsburger Druckereien, wie z. B. Johannes Prätorius, David [135] Frank, Christoph Mang, Michael Manger, Andreas Aperger, Chrysostomus Daberzhofer, Dominicus Custos gedruckt worden. Noch von einer zweiten litterarischen Gesellschaft, der „Sodalitas litteraria Danubiana“, sind einige Bücher bekannt, welche von ihrem Bestehen Zeugnis ablegen, obgleich sonst sehr wenig über dieselbe verlautet.

8. UIlm.

Die beiden alten Schwesterstädte Augsburg und Ulm, Haupt und Herz des Schwabenlandes, wie sie Haßler nennt, thun in schöner Eintracht fast gleichzeitig den Schritt in die neue Kulturepoche. Günther Zainer in Augsburg, Johann Zainer in Ulm, beide aus Reutlingen gebürtig, beide mit gleichem Streben ihrer edeln Kunst zugethan, traten, der eine hier, der andere dort, fast gleichen Fußes ihre ehrenvolle Laufbahn an; den einen führte sie zum frühen Ende, den andern in ein spätes, aber dornenvolles Alter.

Nach Haßler[63] galt bis auf die neueste Zeit ein anderer Typograph, Ludwig Hohenwang, als der erste Buchdrucker der Stadt Ulm, allein neuerdings ist von Ilgenstein dargethan, daß Hohenwang weder eine so frühe Thätigkeit zukommt, noch daß er überhaupt zu den ulmer Buchdruckern gehört, vielmehr nach Augsburg um 1477 zu verweisen ist.[64] Demnach gebührt also Johann Zainer die Ehre, in Ulm die Buchdruckerkunst eingeführt zu haben und zwar nicht erst um 1473, in welches Jahr man nach seinem ersten datierten Drucke bisher seine Anfänge setzte, sondern schon vor 1469, denn unter den in der Auktion Bearzi verkauften Büchern trug ein Exemplar der von Johann Zainer ohne Datierung gedruckten „Legenda Sanctorum“ des Jacobus de Voragine (Nr. 476) die durchaus gleichzeitige Notiz des Rubrikators „Frater Erasmus, 1469. Pictor Philocalus“.

Johann Zainers Thätigkeit dauerte bis gegen 1520. Man kennt von ihm gegen 80 Drucke, meistens mit Holzschnitten und prächtigen Randverzierungen in Holzschnitt ausgestattet; er verwandte erstere schon 1470[65] , also früher als Johann Veldener in Utrecht, welchem wegen seines „Fasciculus temporum“ von 1480 bisher die Übertragung dieser Art des Bücherschmucks auf gedruckte Bücher zugeschrieben wurde. Trotz seiner Verdienste um die Kunst war Zainers Laufbahn eine mühevolle und sorgenreiche. Bereits vom Jahre 1487 an erscheint sein Name im [136] ulmer „Einigungsbuch“, einer Art von Schuldhändelprotokoll, mit dem Vermerk, daß er einem Diepolt Hutter 10 Gulden schulde und jedes Quartal davon 1 Gulden abzuzahlen habe. Das Jahr darauf steht er mit 70 Gulden bei zwei andern Gläubigern in der Schuld; er verspricht jedes Quartal 2 Gulden abzuzahlen. Und so geht es fort, bis er 1493 sogar mit Konrad Dinckmuth, einem andern ulmer Drucker, ohne Zweifel dieser vielen Schulden halber, aus der Stadt verwiesen wird. Seine Abwesenheit kann aber nicht lange gedauert haben, da in den Jahren 1496 und 1497 bereits wieder Drucke von ihm vorliegen. Interessant für den engen Zunftgeist jener Zeit ist es, daß Johann Zainer im Jahre 1515 den Rektor der Lateinischen Schule zu Ulm, Hans Grüner, wegen seines Handels mit Schulbüchern vor dem Rat verklagt. In der darauf bezüglichen Urkunde heißt es: Meister Hans, der lateinische Schulmeister, habe Bücher feil und verbiete seinen Knaben, sie anders als bei ihm zu kaufen. Dies bringe ihm Nachteil; er bittet ihn als Bürger zu bedenken. Der Rat vergönnt hierauf jedem, Bücher feil zu haben, aber Hausieren soll verboten sein. Der Schulmeister soll niemand drängen, seine Bücher und sonst keine zu kaufen, und des Bücherverkaufens müßig stehen; wenn ihn aber ein Biedermann bitte, seinem Sohne ein Buch zu kaufen, so möge er es wohl thun.

Der zweite Buchdrucker Ulms ist Leonhard Holl, 1482 bis 1484, der dort vorher schon eine Spielkartenfabrik gehabt und auf seinen Bildern mit beweglichen Typen gedruckte Inschriften angebracht hatte. Sein erstes Werk war die Geographie des Ptolemäus mit Landkarten, welche in Holz geschnitten waren. Das sämtliche Werkzeug zu dieser Ausgabe war er später genötigt, an den Venetianer Justus de Albano zu versetzen, in dessen Verlag damit 1486 durch seinen Werkführer Johann Reger eine neue Ausgabe gedruckt wurde. Holl aber wurde, wie Zainer und Dinckmuth, Schulden halber schon 1484 aus der Stadt verwiesen; er bat, wieder eingelassen zu werden, weil er sonst seine Gläubiger nicht befriedigen könne, da ihm seine Habe vertragen, verstoßen, verpfändet, versetzt sei. Das Jahr 1492 bringt dann im Einigungsbuch eine neue Entscheidung, wonach Leonhard Holl außer der Stadt sein soll, bis daß er von Nürnberg aus seine Schuld bezahlt habe. Ob dies aber jemals geschehen, darüber fehlen, wie überhaupt von ihm, alle fernern Nachrichten. [137] Auch der dritte Typograph Ulms hatte, wie schon oben mit erwähnt, ein gleich trauriges Schicksal. Konrad Dinckmuth war, ehe er Buchdrucker wurde, Buchbinder und muß auch noch als Typograph als solcher weiter gearbeitet haben, denn er wird in den Urkunden 1481 und 1484 als Buchbinder aufgeführt, und noch 1486 muß Lienhart Welschwirt geloben, ihm in Zeit von einem Jahre in drei Terminen 150 rote Egrische Felle zu liefern. Sein erster datierter Druck stammt aus dem Jahre 1482. Nachdem er schon früher als Schuldner in dem fatalen Einigungsbuche vorkam, führt ihn das Jahr 1487 wieder in drei verschiedenen Einträgen als solchen auf. Im Jahre 1488 verpfändet er dem Papierfabrikanten Martin von Reutlingen wegen einer Schuld das Buch, das er gerade druckte, und 1489 ist er genötigt, sein Haus an der Ecke der Ulmergasse verganten zu lassen. Im nächsten Jahre muß er geloben, dem Bürgermeister Hansen Nythart, welcher im Jahre 1486 den Terentius übersetzt und ihm in Verlag gegeben hatte, 28 gebundene Exemplare des Werkes sowie 39 (in demselben Jahre gedruckte Lirersche) Chroniken zu geben, oder aus der Stadt und dem Zehenten zu gehen und nicht zurückzukommen, bis er die Schuld entrichtet. Nachdem er 1494 und 1495 noch wiederholt als Schuldner aufgeführt worden ist, zieht er endlich 1499 von Ulm fort, denn er zahlt die Nachsteuer, und fortan fehlen die Nachrichten von ihm. Von Drucken kennt man aus seinen Pressen etwa 20, in welchen, wie bei allen ulmer Drucken, die Pflege der deutschen Sprache zu rühmen ist.

Der schon genannte Gehülfe des Justus von Albano, Johann Reger, kommt von 1486 bis 1489 als Drucker vor und veröffentlichte in diesem Zeitraum etwa ein Dutzend Werke. Von 1493 bis 1499 ist noch Johann Schäffler zu nennen, der auch in Freisingen und später in Konstanz als Drucker auftritt.

Bei dem traurigen Schicksal, das beinahe alle bisher genannten ulmer Buchdrucker hatten, ist es nicht zu verwundern, daß mit dem Ausgang des Jahrhunderts die Kunst daselbst allmählich ausstarb, um nie wieder zu ihrer anfänglichen Bedeutung zu erstehen. Außer dem Schulmeister Johann Grüner, der übrigens ein merkwürdig vielseitiger Mann gewesen sein muß, da ihn zeitgenössische Zeugnisse auch als Ökonom, Fürkäufler, Geldschauer und Wirt aufführen – und der später selbst eine Offizin (1522 bis 1532) errichtete, nachdem er vorher schon bei Marx Wirsung [138] und Grimm in Augsburg verlegt hatte, wären im 16. Jahrhundert nur noch wenige unbedeutende Vertreter der Kunst dort zu nennen.

9. Nürnberg,

die alte, reiche Stadt, noch heute der Schrein ungezählter Denkmäler der Kunst und Kultur des Mittelalters, die Geburtsstadt eines Albrecht Dürer und Hans Sachs, ist von den ersten und bedeutungsvollsten Pflanzstätten der Buchdruckerkunst und des Buchhandels eine der wichtigsten und für deren Entwickelung von epochemachendem Einfluß. Einem glücklichen Zufall ist es zu danken, daß gerade von derjenigen Persönlichkeit, die unbestritten der größte Buchdrucker und Buchhändler seiner Zeit genannt werden muß, von Anton Koberger, der Nachwelt sehr ausführliche Nachrichten erhalten worden sind und daß die Gestalt dieses Mannes das Bild des ganzen Standes in seinem Gesamtwirken neu beleuchtet. Mit voller Berücksichtigung der geschäftlichen Bedeutung Anton Kobergers wird daher weiterhin im fünften Kapitel eine ausführlichere Darstellung seines Wirkens gegeben werden, soweit es sich aus den neuesten Funden seiner Briefe ausführen läßt. Seiner Bedeutung nach gebührt ihm der erst Rang in diesem Abschnitt, obschon der Zeit nach ihm andere seiner Berufsgenossen vorangehen.

Von einem Gehilfen Gutenbergs, dem Mainzer Heinrich Kefer oder Keffer, welcher in dem Prozeß Fusts gegen Gutenberg als Zeuge mit Berthold von Hanau aufgeführt ist, wurde die Kunst nach Nürnberg überführt. Kefer begründete hier in Gemeinschaft mit dem Deutsch-Böhmen Johann Sensenschmid von Eger die erste Buchdruckerei. Der erste nürnberger Druck von 1470 entbehrt zwar der Firma der Drucker, ist aber durch die Schriftcharaktere als Erzeugnis von Sensenschmid und Kefer erkannt: es ist entweder das große „Comestorium vitiorum“ des Franciscus de Retza von 289 Blättern, oder noch wahrscheinlicher ein in demselben Jahre gedruckter kleinerer Traktat des Kanzlers Gerson über „Cantica canticorum“ von nur 39 Blättern. Die Genossenschaft der beiden Drucker dauerte bis zum Jahre 1473, in welchem auch das einzige Werk herauskam, das ihre gemeinschaftliche Firma trägt; es ist dies die große „Pantheologia“ des Reynerus de Pisis, ein Riesenwerk in zwei großen Foliobänden von 439 und 421 Blättern, zugleich ein musterhaft schönes Druckdenkmal, dessen zierliche und geschmackvolle Charaktere [139] die höchste Bewunderung verdienen. Nach 1473 verschwindet Heinrich Kefer vom Schauplatze, und Johann Sensenschmid gewann einen neuen Gesellschafter in der Person des Andreas Frisner aus Wunsiedel, der von 1465 ab an der leipziger Universität immatrikuliert gewesen war und es zum Magister artium gebracht hatte. Als Sensenschmids Teilhaber übernahm er zunächst die gelehrten Geschäfte bei Herstellung der Bücher, wie er auch auf dem ersten Druck der neuen Gesellschaft, „Thomae Aquinatis Quodlibeta duodecim 1474“, „Corrector“ genannt wird. Bis 1478 waren beide vereint thätig und gaben eine beträchtliche Anzahl bedeutender Werke heraus, unter welchen die undatierte (vierte) deutsche Bibel eine hervorragende Stelle einnimmt. Alsdann aber verließen sie beide den bisherigen Ort ihrer Wirksamkeit, Sensenschmid, um nach Bamberg überzusiedeln, Frisner, um nach Leipzig zurückzukehren, wo er Professor der Theologie und 1482 Rektor der Universität wurde. Daß er übrigens dort 1481 den Buchdruck eingeführt haben soll, ist eine durchaus nicht erwiesene Annahme, die in neuerer Zeit auf das richtige Maß ihres Wertes zurückgeführt worden ist.[66]

Fast gleichzeitig mit den ersten Druckern Nürnbergs begann Anton Koberger seine rasch aufstrebende Thätigkeit. Er stammte aus einer alten nürnberger Familie, deren Mitglieder bis dahin meist Bäcker gewesen waren, und muß um 1440 geboren sein, da er 1470 zum ersten mal heiratete. Von Hause aus wohlhabend, „eroberte“ er sich, wie sein Landsmann Johann Neudörffer sagt, durch Umsicht und Thätigkeit ein großes Vermögen. Was er vor seiner Niederlassung als Buchhändler getrieben hat, ist nicht bekannt. Möglicherweise war er Juwelier, in welcher Eigenschaft er sogar in seinen letzten Lebensjahren gelegentlich noch thätig ist. Er begann zunächst in nur maßvoller Weise zu arbeiten, denn fast abgemessen bringt von 1472 an jedes Jahr bis 1476 nur zwei Werke; aber schon 1477 verlassen deren sechs seine Pressen, 1478 sogar zehn. Bis dahin hatte er aber schon vier lateinische Bibeln gedruckt. Da mochten Sensenschmid und Frisner allerdings einen schweren Stand haben und es vorziehen, ihr Geschäft in Nürnberg aufzugeben und ihr Heil anderwärts zu versuchen.

Das erste datierte Druckwerk Kobergers ist „Boetii liber de consolatione philosophiae cum commentario Thomae de Aquino“ vom 24. Juli 1473; sein letztes eigenes erschien im Jahre 1503. Von da ab [140] ist Koberger bis 1513 nur noch als Verleger thätig[67] , beschäftigte nur noch die Pressen anderer Drucker. „Dieser Koberger“, sagt sein Zeitgenosse Johann Neudörffer, „hatte täglich mit 24 Pressen zu drucken; dazu hielt er über 100 Gesellen, die waren einesteils Setzer, Correctores, Drucker, Posselierer, Illuministen, Componisten, Buchbinder.“ Interessant für die Kenntnis der Kobergerschen, dem modernen Fabrikwesen ähnelnden Betriebsweise seines Geschäfts, die ganz im Gegensatz zu den sonstigen Gebräuchen der Gewerbe jener Zeit stand, ist auch die Angabe Neudörffers: „Diese alle“ – nämlich seine Arbeiter – „verkostet er an andern Orten, sie hatten eine gewisse Stunde von und zu der Arbeit zu gehen, ließ keinen ohne den andern ins Haus, so auf dem S. Gülgenhof war, sondern mußten einer des andern vor der Hausthür warten.“

Von mehrern der großen Buchdrucker des 15. und 16. Jahrhunderts wird die Zahl der Kobergerschen Verlagswerke (etwa 220) wohl erreicht, von einigen sogar noch bedeutend überholt, wie z. B. von Johann Oporin zu Basel; von niemand aber wird Koberger in der Form und in der Ausdehnung seines gesamten Geschäftsbetriebs übertroffen. Das Geheimnis seines großen Erfolgs lag in der allmählichen, planmäßigen Erweiterung seines Absatzgebiets, in dem möglichst schnellen Umschlag seines Kapitals, in der Verteilung des Risiko. Seine Filialen in Frankfurt a. M., Paris und Lyon, seine Verbindungen mit den Niederlanden, Italien, Österreich, Ungarn und Polen, seine ganz Deutschland und die Nachbarländer besuchenden Reisediener oder Hausierer, sie alle bildeten die Grundlage seines großartigen Buchhandels, dessen Geschäfte von dem Mittelpunkte Nürnberg aus geleitet wurden. Auch die damals besonders schwierige Kontrolle führte Koberger durch ein großes Lagerbuch, in welchem nach Neudörffers Zeugnis die einzelnen Faktoren oder Agenten besondere Conti hatten, denen bei neuen Sendungen und bei Nachricht von erfolgtem Absatz zu- und abgeschrieben wurde.

So spiegelt sich denn in seiner Thätigkeit bereits die ganze spätere Entwickelung des Buchhandels und des Buchdrucks in ihrem Verhältnis zu einander ab: der überwiegende Einfluß nämlich des Handels gegenüber der produktiven Kunst. Koberger ist nicht nur der erste und größte Buchhändler seiner Zeit, sondern seine Gesamtthätigkeit erinnert bereits an die spätere Großmachtstellung des Buchhandels. Die Richtung des Kobergerschen Verlags ist dabei eine völlig konservative, von dem aufstrebenden [141] Humanismus oder gar reformatorischen Ideen wenig beeinflußt. Neben der von ihm selbst fünfzehnmal gedruckten und außerdem noch viermal auswärts verlegten Bibel sind es das Recht, die Theologie sowie die Scholastiker und großen Summisten, eine kolossale Foliantenlitteratur, welche den Bestand seines Verlags ausmachten und mit dem Auftreten Luthers sehr bald veralteten. Allgemein bekannt sind seine mit Holzschnitten verzierten Ausgaben der deutschen Bibel 1483, des „Schatzbehalters“ von 1491 und vor allem der (übrigens lediglich von ihm gedruckten) Schedelschen Chronik von 1493, zu deren Illustrierung gegen 200 Holzstöcke der nürnberger Künstler Wohlgemut und Pleydenwurf gedient haben. Das Verlagsgeschäft wurde nach seinem Tode (1513) von seinem Neffen Johann und seinem Sohne Anton noch bis 1525 rüstig fortgesetzt.

Ein jüngerer Bruder Antons, Namens Melchior, verlegte noch 1540 eine böhmische Bibel. Von hier ab aber verschwindet der Name Koberger aus dem Buchhandel. Die Reformation bereitete dem Welthause ein unerwartet schnelles Ende. Fortan scheint die Familie sich ausschließlich dem Juweliergeschäft zugewandt zu haben; im Jahre 1629 stirbt ihr letzter Sproß.

Die auf Koberger folgenden oder gleichzeitig mit ihm wirkenden nürnberger Buchdrucker sind zunächst der ausgezeichnete Mathematiker Johann Regiomontanus, eigentlich Johann Müller aus Königsberg in Franken, auch Molitor, Kunsperg, Johannes Germanus oder Francus genannt. Er errichtete 1471, also früher als jener, mit Unterstützung eines reichen nürnberger Bürgers, Bernhard Walther, eine Druckerei, welche ausschließlich die Hebung der mathematischen Wissenschaften ins Auge faßte. Die ersten Erzeugnisse derselben waren ein deutscher und ein lateinischer Kalender, die in Holztafeldruck ausgeführt, dann mit Typen gedruckt wurden, und mehrere mathematische Werke, unter welchen die „Ephemeriden“ für 1474 bis 1506 die bedeutendste Stelle einnehmen. Müllers wegen der seitens Papst Sixtus’ IV. beabsichtigten Kalenderreform erfolgte Berufung nach Rom machte schon 1474 seiner Thätigkeit in Nürnberg ein Ende. Zu erwähnen sind ferner noch Friedrich Creußner, 1472 bis 1497; die „Brüder des gemeinsamen Lebens“, die sich hier aber „Brüder des Ordens vom heiligen Augustin“ nennen, 1479 bis 1491; Konrad Zeninger von Mainz, 1480 bis 1482; Peter Wagner oder Currifex, der Nachfolger [142] Zeningers, 1483 bis 1499[68], und der durch den Druck seiner prachtvollen Meßbücher ausgezeichnete Georg Stuchs von Sulzbach, 1484 bis 1515. Kaspar Hochfeder, 1491 bis 1498, druckte später in Krakau und Metz, während sich Hieronymus Höltzel von Traunstein, 1496 bis 1525, ebenfalls durch den Druck prachtvoller Chorbücher auszeichnete. Ein aus dem geistlichen Stande hervorgegangener Buchdrucker ist Johann Weissenburger, 1502 bis 1513, der sich selbst in verschiedenen Schlußschriften „sacerdos“ oder „presbyter“ nennt und von 1513 ab in Landshut thätig war.

Friedrich Peypus (er nennt sich auch Artemisius, Beifuß), 1509 bis 1535, druckte nicht nur für eigene Rechnung, sondern wurde auch von mehrern Verlegern beschäftigt, so von Johann Koberger, von Lukas Alantsee in Wien und von Leonhard von Aich. Sein erster Nachdruck des Lutherschen Neuen Testaments (von 1524) gilt als die schönste von allen Ausgaben; sie ist mit den Charakteren der Schedelschen Chronik Anton Kobergers gedruckt. Da die Koberger zu jener Zeit ihre Druckerei schon aufgegeben hatten, so ist es wohl möglich, daß Peypus jene Schrift von ihnen erworben hatte. Vor allen andern Typographen seiner Zeit aber verdient Johann Petrejus, 1524 bis 1530, genannt zu werden, dessen korrekte und schöne Arbeiten sich ungeteiltes Lob erwarben. Seine selbstgegossenen Schriften scheinen deshalb auch eine weite Verbreitung gefunden zu haben. Die Sammlungen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler bewahren ein Blatt Schriftproben seiner Gießerei von 1525; solche scheinen also schon damals behufs Erlangung von Aufträgen versandt worden zu sein.

Bei dem durch die reformatorische Bewegung geweckten und lebhaft angefachten Interesse für die Tageslitteratur ist ganz besonders in Nürnberg, wo geistiger und geschäftlicher Verkehr in höchster Blüte standen, die Zahl solcher kleinerer Buchdrucker bedeutend, welche in Flugschriften die brennenden Fragen des Tages ausnutzten. Aus kaum einer andern deutschen Stadt sind so zahlreiche Beispiele für den Druck der den Machthabern anstößigen Flugblätter und Schriften gesammelt und teilweise auch veröffentlicht. Die Thätigkeit der Winkeldruckereien wurde bald eine so ausgedehnte, daß der Rat sich ihrer kaum mehr erwehren konnte. Vergebens erließ er strenge Verordnungen und noch strengere Strafen dagegen. So ward Nürnberg bald der Mittelpunkt der volkstümlichen Bewegung. Erst wurde den Buchdruckern verboten, die Lutherschen [143] Schriften zu drucken, und den Buchführern eingeschärft, sie ja nicht zu verkaufen, dann erging das gleiche Verbot gegen die Verbreitung der Büchlein Karlstadts, Ökolampadius’, Zwingli’s und ihrer Anhänger; allein die strengen Drohungen schürten nur das Feuer. Von allen Seiten, aus Böhmen, Thüringen, Franken und Schwaben, kamen Sektierer und Wiedertäufer nach Nürnberg und ließen hier ihre Flugschriften drucken, denn sie fanden hier stets willige Drucker und Buchführer, die selbst unter persönlicher Gefahr die mißliebigen Blätter oder Werkchen herstellten und feilboten. Es half auch nichts, daß der eine Missethäter ausgewiesen, der andere in den Bock gespannt, oder der dritte in den Turm gesperrt und der vierte enthauptet wurde, wie dies im Jahre 1527 Johann Herrgott auf einem seiner geschäftlichen Streifzüge in Leipzig widerfuhr.[69] Die geheimen Druckereien gewannen im Gegenteil täglich mehr an Einfluß. Schriften, wie die Dichtungen von Hans Sachs, steigerten natürlich die Bewegung, denn sie drangen in alle Klassen der Bevölkerung und ließen sich trotz der anfänglichen Verfolgung bald auf die Dauer gar nicht mehr unterdrücken.

Nürnberg blieb zwar in der Folge auch eine bedeutende Druck- und Verlagsstadt, und namentlich entwickelten sich hier die dem Druck verwandten Gewerbe, die Kupferstecherei und Illuminierung zu einer hervorragenden, wenn auch vielfach fabrikmäßigen Ausdehnung; allein so schöne Leistungen es auch noch oft aufzuweisen hatte, die stolze Stellung, welche es bis in das Reformationszeitalter eingenommen hatte, hat es später nie wieder erreicht. –

In der bisher verfolgten chronologischen Reihe der Druckstädte ist wegen des intimen Zusammenhangs der drei schwäbischen Reichsstädte die dazwischenfallende Thätigkeit der Presse zu Marienthal in Rheingau ausgelassen worden. Im ersten Kapitel sind bereits die Wirksamkeit und die Verdienste der „Brüder des gemeinsamen Lebens“ und ihr Einfluß auf Jugenderziehung und Volksbildung erwähnt worden. Besonders in neuerer Zeit hat man auch die Buchdruckerthätigkeit dieser Brüderschaft an den verschiedenen Stätten ihrer Niederlassung vielleicht über Verdienst hervorgehoben. Madden hat unter andern den Brüdern im Kloster Weidenbach zu Köln eine Untersuchung gewidmet, durch welche er ihnen eine bis dahin nicht bekannte typographische Wirksamkeit im größten Stil anerschuf; nach ihm sollten fast alle bedeutendsten Buchdrucker [144] der ältesten Zeit der Pflanzstätte des Klosters am Weidenbach entsprossen sein: Ulrich Zell, Nikolaus Jenson, Colard Mansion, William Caxton, Mentel, die Zainer u. a. – eine Auffassung, die, wenn auch nicht unbedingt anerkannt, so doch beachtet und erwogen wird. Aber sie steht auf keiner urkundlichen Grundlage und ist ein Ritt ins Blaue hinein, auf welchem Madden niemand ernstlich zu folgen wagen kann.

Wenn indessen auch die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ an verschiedenen ihrer Sitze, Marienthal (1468), Brüssel, Rostock (1476), Nürnberg (1479), selbständige Druckereien errichteten, so entwickelten sie in ihnen doch keine so bedeutende und folgenreiche Thätigkeit, daß man ihr eine besondere Wichtigkeit für die Entwickelung der Buchdruckerkunst und des Buchhandels einräumen dürfte. Ein so interessantes Moment in der Kulturgeschichte die Aufnahme darstellt, welche die Brüder der Buchdruckerkunst angedeihen ließen, so kann bei der Gesamtthätigkeit des Ordens auf diesem Gebiete, die sich auf etwa 60 Druckwerke beschränkt, eine nähere Würdigung ihrer Verdienste füglich unterbleiben.

10. Leipzig

hat, wie man neuerdings annimmt, schon 1479 die erste Druckerei gehabt; indessen ruht der Beweis für diese Annahme auf nicht ganz sicherer Grundlage. In einem Zettel der leipziger Stadtkassenrechnungen von 1480 wird nämlich unter den im Dezember 1479 säumigen Steuerzahlern ein Buchdrucker Langnickel angeführt. Wenn nun – so folgert man weiter – dieser Mann auch nicht im Besitze einer Presse gewesen sein kann, so muß er doch in einer leipziger Druckerei in Arbeit gestanden haben. Das ist allerdings möglich, ja sogar wahrscheinlich, aber nicht erwiesen, und namentlich wird um jene Zeit und selbst einige Jahre später nirgendwo einer leipziger Druckerei gedacht. Nun kehrte allerdings im genannten Jahre Andreas Frisner, wie unter Nürnberg schon erwähnt, zurück, um hier an der Universität zu wirken. Er ging dann 1491 nach Rom, wo ihn Papst Alexander VI. zum Primarius Sedis apostolicae ordinarius ernannte. In seinem 1504 errichteten Testament vermachte er unter anderm „seine Presse nebst 20 rheinischen Gulden“ dem Dominikanerkloster zu Leipzig. Dies ist der Grund, warum man Frisner für den ersten Drucker Leipzigs hielt; er ist jedoch nicht stichhaltig, weil hier eine gewerbsmäßige Druckerthätigkeit seinerseits nicht [145] nachgewiesen werden kann. Ebenso ist nirgendwo gesagt, daß er die Presse, welche den Gegenstand seines Legats bildet, bereits in Leipzig besessen, nirgends, daß er 1479 sie mit nach Leipzig gebracht habe. Auch ist aus der ganzen Zeit von 1479 bis 1491 nicht ein einziger Druck erhalten, der den Namen Frisners trägt, obwohl dieser sich schon während seiner nürnberger Thätigkeit in den Schlußschriften zu nennen pflegte. Hatte Frisner aber wirklich in Leipzig eine Presse, so gehörte er zu denjenigen Gelehrten seiner Zeit, welche wohl eine Druckerei zu ihrem Vergnügen besaßen, aber nimmermehr fremde Druckwerke ausführten. Darf man ihn nun nicht als gewerbsmäßigen Drucker bezeichnen, so kann auch der oben erwähnte Langnickel in keine Beziehung zu ihm gebracht werden. Die Sache ist jedenfalls nicht klar, was sollte einen Buchdruckergesellen – ein solcher war Langnickel nach der Geringfügigkeit des von ihm schuldig gebliebenen Steuerbetrags – veranlaßt haben, an einem Orte zu wohnen, wo er keine Gelegenheit zu Verdienst hatte?

Der früheste bisher sicher nachgewiesene Druck Leipzigs ist eine im Jahre 1481 am 5. Oktober daselbst vollendete Schrift des italienischen Dominikaners Annius von Viterbo von 48 Quartblättern: „Glosa super Apocalipsim.“ Diese auf die Unterwerfung der Türken bezogene Auslegung der Offenbarung Johannis ist der wörtliche Nachdruck eines italienischen Drucks von 1480. Der leipziger Drucker nennt sich nicht, ist auch an seinen Typen nicht zu erkennen, da diese von allen Charakteren der leipziger Drucker abweichen. Panzer nennt ebenfalls ohne Druckernamen noch einen leipziger Druck, welcher dem Jahre 1482 angehört, „Propositiones astrologicae XV“ von Martin Polich. Der erste nachweisbare leipziger Druck, der einen Druckernamen trägt, wurde am 26. August 1484 vollendet und ist aus der Presse von Markus Brandis hervorgegangen. Es ist eine der zahlreichen unter dem Namen „Regimen Sanitatis“ uns ähnlichen Titeln erschienenen hygieinischen Schriften jener Zeit und enthält 38 Blatt in Quart, deren Verfasser der Erzbischof von Prag, Albicius (gestorben 1427), war. Die Überschrift lautet: „Tractatus de regimine hominis compositus per magistrum dnm. dnm. Albicum, archiepiscopum Pragensem“, das Impressum aber : „Impressum in Lipczk per Marcum brand. Anno dni. MCCCCLXXXIIIj, XXVI; die Mensis Augusti.“

Des Namens Brandis (häufig Brandiß, auch Brandisz) lassen sich [146] in den Jahren 1484 bis 1489 zwei leipziger Drucker nachweisen: Markus Brandis und Moritz Brandis. Sie scheinen Brüder oder wenigstens Verwandte gewesen zu sein und einer aus der Nähe von Leipzig stammenden, auch sonst weit verbreiteten Buchdruckerfamilie angehört zu haben. Ein Lukas Brandis aus Delitzsch druckte von 1473 bis 1475 in Merseburg, ein Lukas Brandis von Schaß (?), mit jenem vielleicht identisch, von 1475 bis 1499 in Lübeck, ein Matthäus Brandis 1486 ebenfalls in Lübeck. Von den beiden in Leipzig thätigen Brandis ist über Markus sonst nicht das mindeste bekannt. Er scheint Gewerbe im Umherziehen betrieben zu haben, denn er taucht 1498 und 1501 in Leipzig wieder mit einigen Drucken auf, und Panzer nennt aus den Jahren 1484 bis 1487 außer dem oben erwähnten Buche noch drei Drucke von ihm. Moritz Brandis ist jedenfalls der erste, welcher urkundlich als gewerbsmäßiger Drucker in Leipzig vorkommt. Nur sechs weitere Drucke sind noch von ihm bekannt; der letzte ist ein „Sachsenspiegel“, den er in Gemeinschaft mit dem magdeburger Buchführer Johann Lorr und einem M. Christophorus Kupper herstellte. Aber er war mit Schulden überlastet; sein ganzes Hab und Gut wurde „mit rechtlichem Kummer besetzt“ (d. h. mit Beschlag belegt), und nur mit richterlicher Hilfe vermochten Lorr und Kupper zu ihren Sachsenspiegeln zu kommen. Diese Überschuldung, wie es scheint auch eine Einladung des Erzbischofs Ernst von Magdeburg, veranlaßten Brandis nach Magdeburg überzusiedeln, wo er von 1491 bis 1504 druckte.[70]

Konrad (Kunz) Kachelofen aus Wartberg, leipziger Bürger seit 1476, ist während des 15. Jahrhunderts Leipzigs bedeutendster und erster seßhafter Drucker. Man kennt von ihm etwa 50 Drucke, welche größtenteils seinen Namen tragen. Sein erster datierter Druck ist von 1485. Er muß sich langsam in die Höhe gearbeitet haben. Während der achtziger Jahre läßt sich nur eine einzige unbedeutende kleine Type bei ihm nachweisen; in den Jahren 1490 und 1491 braucht er bereits eine etwas bessere daneben, 1495 aber war seine Druckerei nach allen Seiten hin gut assortiert. Er druckte namentlich theologische und liturgische Bücher, einzelne mathematische und medizinische Schriften, daneben auch Lehr- und Unterrichtslitteratur. Den Höhepunkt seiner Thätigkeit bezeichnet das Jahr 1494, in welchem er allein zehn mit seiner Firma versehene Werke lieferte. Im Jahre 1495 war er mit Herstellung eines Missale [147] für das meißener Bistum beschäftigt, als die Pest in Leipzig ausbrach, die ihn mit seiner Druckerei nach Freiberg trieb, wo er den Druck vollendete. Die beiden hervorragendsten und merkwürdigsten Erzeugnisse der Kachelofenschen Presse sind dieses Missale, die Glanzleistung unter sämtlichen leipziger Inkunabeln, welche durch ihre Initialen und Noten, sowie die Schönheit und Sauberkeit des Drucks den Vergleich mit den besten süddeutschen derartigen Werken aushält, und ferner das kaufmännische Rechenbuch von Johann Widmann („Behende vnd hübsche Rechnung auf allen kauffmanschafft“) aus dem Jahre 1489, welches zum ersten mal im deutschen Buchdruck nicht allein die arabischen Ziffern verwendet, sondern auch im Druck überhaupt die bekannten Rechenzeichen für plus und minus (+ und -) gebraucht.

Kachelofen war ein angesehener Bürger, welcher allgemeines Vertrauen genoß, verschiedene städtische Ehrenämter bekleidete und sich auch des Wohlwollens des Kurfürsten von Sachsen erfreute. Er hatte sich nämlich bei diesem beschwert, daß der Bischof von Cammin einen mit ihm für den Druck von 100 Missalen abgeschlossenen Vertrag nicht gehalten und ihm (Kachelofen) durch seine Kontraktbrüchigkeit viel unnütze Kosten für Papier, Pergament und sonstige Anschaffungen verursacht habe. Der Kurfürst bat infolge dieser Klage den Herzog von Pommern, den Bischof zu veranlassen, daß er seinen Teil des Vertrags gutwillig erfüllte, „damit der arm man nit zu weiterm schaden geführet werde“. Kachelofens Thätigkeit in Leipzig ist noch bis zum Jahre 1516 nachweisbar, obgleich er schon um 1500 den größten Teil seines Geschäfts seinem Schwiegersohn Melchior Lotter übergeben hatte. Die offene Kramkammer, welche er unter dem Rathause besaß, scheint er noch länger beibehalten zu haben. Von Hause aus vermutlich Kaufmann, trieb er sein Warengeschäft neben seiner buchhändlerischen Thätigkeit immer noch fort, eine Erscheinung, die nicht vereinzelt dasteht. Mancher Kaufmann verkaufte nebenher auch Bücher – das Buch war eine Handelsware, wie jede andere – und mancher Buchhändler befaßte sich nebenher mit Handels- und andern Geschäften. Kachelofens Schwiegersohn Melchior Lotter betrieb neben seinem Druckereigeschäft zugleich Weinschank und Gastwirtschaft. Von leipziger Kaufleuten handelten beispielsweise auch mit Büchern 1514 Hans Binder, 1523 Andreas Hornung, 1544 Matthes Klein, in den dreißiger und vierziger Jahren Sebastian Reusch. Dagegen betrieb z. B. wiederum [148] der Buchführer Peter Clement auch Warenhandel: er handelte mit Wolle und wird 1527 sogar Tuchmacher genannt. Ganz allgemein aber scheinen die Buchhändler Papierhandel betrieben zu haben.[71] Kachelofen starb im Jahre 1529, aber in etwas zurückgekommenen Verhältnissen.

Melchior Lotter, der Nachfolger Kachelofens, wird schon 1491 als vielbeschäftigter leipziger Drucker angeführt. Er war gebürtig aus Aue im Erzgebirge und erwarb 1498 das leipziger Bürgerrecht. Wann und wie lange er mit seinem Schwiegervater gemeinschaftlich und wie lange er allein gearbeitet hat, ist aus den Quellen bis jetzt nicht zu ermitteln gewesen. Genug, er übernahm jedenfalls im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts das Geschäft Kachelofens und brachte es durch Fleiß und Geschicklichkeit zu einer noch höhern Blüte. Einen Namen machte er sich zunächst durch eine große Anzahl von Missalen, Breviarien und Psalterien, deren Typen und Holzschnitt-Initialen zu dem Besten gehören, was der Missaldruck überhaupt geschaffen. Wegen der Schönheit seiner Ausstattung erhielt Lotter bis in die zwanziger Jahre unter andern alle Druckaufträge, welche das Bistum Meißen zu vergeben hatte, dessen Vertrauen ihm weit und breit großen Ruf verschaffte. So druckte er im Jahre 1513 das Breviarium des Erzbischofs Ernst von Halle, 1517 ein Missale für die Diöcese Brandenburg, 1518 ein havelberger Breviarium und 1527 ein Psalterium für das neue Stift in Halle. In Leipzig scheint sich der Rat damals mit seinen Druckaufträgen ausschließlich an Lotter gewandt zu haben; alle städtischen Verordnungen, Mandate und Patente gingen ausschließlich aus seinen Pressen hervor. Großartig aber war vor allem Lotters eigene Verlagsthätigkeit. Außer zahlreichen philosophischen und theologischen, auch einzelnen juristischen und mathematischen Schriften, Grammatiken, Poetiken und Wörterbüchern ließ er sich namentlich den Druck der alten Klassiker mit korrektem Text und sauberer Ausstattung angelegen sein, zu welchem Ende er vielfach die Hilfe der leipziger Professoren in Anspruch nahm. Seinen offenen Laden hatte Lotter in Leipzig unterm Rathause, der bis 1524 von Lorenz Fischer verwaltet wurde und in welchem er außer seinen Büchern auch Pergament und Papier verkaufte. Den auswärtigen Vertrieb seiner Verlagsartikel und seines Sortiments, bis auf die Märkte von Posen und Breslau, besorgten ständige Buchführer: Urban Port, Achatius Glov. Nachweislich war Lotter auch der Kommissionär Ulrichs von Hutten. Dieser [149] schickte nämlich im November 1518 aus Augsburg 200 Exemplare seiner soeben gedruckten „Epistel an Wilibald Pirckheimer“, 60 Exemplare seines „Gesprächs vom Hofleben“ und 50 von seiner „Ermahnung an die Fürsten“ an Pirckheimer nach Nürnberg mit dem Auftrage, sie teils an die Koberger zum Verkauf zu übergeben, teils sie an Lotter nach Leipzig zum Vertrieb zu senden. Ziemlich um dieselbe Zeit trat dieser auch in Verbindung mit Luther und errichtete bald darauf eine Druckerei in Wittenberg, welcher er seine beiden Söhne Melchior und Michael vorsetzte. Die Einzelheiten über deren Schicksale werden im siebenten Kapitel ausführlicher berichtet werden. Melchior Lotter der Ältere ging später in seinem Geschäft ebenfalls etwas zurück, behauptete aber bis zu seinem wahrscheinlich 1542 erfolgten Tode sein großes persönliches Ansehen, welches ihn 1539 in den Rat der Stadt geführt hatte; zwei Jahre hindurch war er Stadtrichter. Er war der erste leipziger Buchdrucker und Buchhändler, welchem eine solche Ehre widerfuhr.

Von weitern Druckern Leipzigs sind zu nennen. Gregor Werman, der 1492 ein „Sacrarum historiarum opus“ druckte.[72] Im gleichen Jahre und bis 1497 druckte Gregor Bötticher; von ihm sind neun Drucke bekannt: theologische und juristische Lehrbücher und Virgils „Bucolica“. Bedeutender war Martin Landsberg aus Würzburg, 1492 bis 1522. Er starb 1523; seine Buchdruckerei, 1525 von M. Erasmus Bachelbel übernommen, verschwindet spurlos. Bachelbel wird 1528 nur noch als Buchführer genannt. Wolfgang Stöckel (Molitor) aus München wirkte in Leipzig 1495 bis 1524. Außer Klassikerausgaben druckte er bis 1520 Luthersche und andere Reformationsschriften, wurde dann aber, wenigstens dem äußern Scheine nach, ein heftiger Gegner der Reformation und trat nun besonders als Drucker der Emserschen Schriften hervor. Wohl aus dieser Veranlassung wurde er, als er 1524 oder 1525 wegen Schulden nach Dresden gezogen war, von Herzog Georg zum katholischen Hofbuchdrucker ernannt. Während eines Aufenthalts in Wittenberg hatte er dort 1504 im Auftrage der Universität „Petri Ravennati Compendium juris canonici“ gedruckt. Ein anderer Würzburger, Jakob Thanner (Abiegnus), druckte von 1495 an in Leipzig und lieferte besonders gute Schulausgaben der Klassiker. Seine Druckerei wird noch 1528 erwähnt, dann verschwindet sie, ein Opfer des damaligen allgemeinen Vermögensverfalls im leipziger Buchhandel. Valentin Schumann, 1501 bis in die [150] vierziger Jahre, druckte treffliche Klassikerausgaben; aus seiner Offizin ging 1516 das erste in Leipzig gedruckte griechische Buch, Theodor Gaza’s griechische Grammatik, hervor.

Von Anfang des 16. Jahrhunderts an nahm, aus dem Vorhergehenden hervorgeht, die Verlagsthätigkeit Leipzigs einen bedeutendern Aufschwung, begünstigt durch die größere Verbreitung der Papierfabrikation in Sachsen und Thüringen. Aber auch die meist aus Buchbindern, dann auch aus Kaufleuten sich rekrutierenden Buchführer zeigen eine erhöhte Thätigkeit. Schon 1489 kommt Andreas Hindenumb aus Mittweida vor, 1492 Albrecht Hofer aus Wasserburg. Schon in den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts zeigen sich weitreichende buchhändlerische Verbindungen, nach Magdeburg, Prag u. s. w. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts besuchen die Leipziger die Messen und Märkte zu Breslau und Posen, haben geschäftliche Beziehungen zu Danzig, über Breslau nach Polen, Ungarn, Siebenbürgen. Nun hebt sich auch der Besuch der Messen durch die fremden Buchhändler in Leipzig selbst. Seit 1493 als Büchermessen nachweisbar, zeigen sie bereits einen starken Verkehr, schon früher sogar seitens der nürnberger Briefmaler und Kartenmacher.

Es ist erklärlich, daß so günstige Umstände spekulativ ausgebeutet wurden. So erscheint im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine großartige Buchhandelsassociation, von deren Existenz die bibliographischen Annalen bisher absolut keine Kunde gaben; erst die leipziger Akten haben Licht über diese merkwürdige Erscheinung verbreitet. Im Jahre 1512 war Ludwig Horncken, wie schon bei Köln angedeutet, von da oder von Paris nach Leipzig übergesiedelt. Hier heiratete er eine Tochter des Ratsherrn Augustin Pantzschmann, welcher Warenhandel, Weinschank und Gastwirtschaft betrieb, und verschwägerte sich dadurch mit angesehenen leipziger Familien. Plötzlich taucht nun in Leipzig eine große Verlagsgesellschaft auf, später immer unter der Firma „Pantzschmanns Buchhandel“ erwähnt, zu der Gottfried Hittorp in Köln, Ludwig Horncken und Augustin Pantzschmann, wahrscheinlich auch noch andere gehörten; die Gesellschaft arbeitete mit sehr bedeutenden Kapitalien. Der Hittorp-Hornckensche Verlag trägt zwar einen ausgeprägt katholischen, überwiegend aber humanistischen Charakter, er besteht auch fast nur aus schweren Folianten; doch scheint die Verbindung der Handlung mit Wittenberg sie darauf geführt zu haben, sich energisch an der jetzt üppig emporwuchernden [151] Kleinlitteratur des Beginns der Reformationszeit zu beteiligen. Die Handlung hatte Verlagslager in Wittenberg und Prag. Die Ausdehnung des Verlagsgeschäfts wurde ihr Veranlassung, den Sortimentsbetrieb aufzugeben; das Sortiment wurde 1518 an Gregor Jordan verkauft, der auch der Agent von Pantzschmanns Buchhandel blieb; der eigentliche Geschäftsleiter scheint aber Ludwig Horncken gewesen zu sein. Nach seinem Tode trat bis zum Jahre 1528, anscheinend aber mit längerer zeitweiser Unterbrechung, Wolf Präunlein von Augsburg an seine Stelle. Geschäftliche Mißhelligkeiten, wohl veranlaßt durch Spekulationen des letztern in Zinn, waren Veranlassung, daß die Association, der Gottfried Hittorp noch angehörte, sich 1524 ihrer Verlagsniederlagen in Wittenberg und Prag entledigte. Gregor Jordan übernahm die daselbst liegenden Vorräte für 1300 Gulden auf Terminzahlungen. Die Firma selbst kann noch bis den Anfang der dreißiger Jahre verfolgt werden.

Verhängnisvoll für die Entwickelung des leipziger Buchhandels wurde die Regierung Herzog Georgs. Unter dem Druck dieses strengkatholischen Fürsten ging die Verlagsthätigkeit Leipzigs unabwendbar zurück. Reformatorische Schriften wurden verfolgt, katholische fanden keine Käufer. Um den unausbleiblichen Ungelegenheiten auszuweichen, druckten die Leipziger der reformatorischen Richtung angehörende Schriften auswärts: Melchior Lotter in seiner neuerrichteten Druckerei in Wittenberg, Wolfgang Stöckel in Eilenburg, dieser 1524 unter dem Namen Niclas Albrechts, seines Sohnes Jakob Stöckel und Nickel Widemars. Anfangs suchte der Rat den Buchhändlern möglichst Schutz zu gewähren; später mußte er aber auf die Intentionen Herzog Georgs eingehen und ließ Revisionen der Buchläden vornehmen, die Vorräte durch zwei Geistliche, durch Richter und Schöppen prüfen und Verzeichnisse der anstößig befundenen Bücher nach Dresden gelangen. Die Gewölbe von Bartel Vogel, Moritz Goltz und Christoph Schramm von Wittenberg wurden 1528 bis auf weitere Befehle von Dresden aus geschlossen, der Transport ihrer Vorräte auf die frankfurter Messe wurde ihnen bis dahin untersagt.

Die Folge dieser vom Beginn der antireformatorischen Bestrebungen Herzog Georgs, 1522 bis zu dessen Tode 1539, dauernden Zustände war ein allgemeiner Vermögensverfall der leipziger Buchhändler. Selbst katholische Verleger, wie Valentin Schumann, gingen zurück. Das Entstehen neuer Handlungen stockt und vermindert sich schnell; dagegen wenden [152] sich manche von Leipzig weg. Simon Eckstein geht nach Annaberg, Georg Pfennig nach Posen, Peter Hofer und Jakob Stöckel siedeln nach Eisleben über, Hans Bergmann wird 1533 der Religion wegen mit ausgetrieben. Gleichzeitig verschwindet Pantzschmanns Buchhandel spurlos. Die Zahl der Druckereien mindert sich auf die Hälfte. Erwähnt sind schon Wolfgang Stöckel, Martin Landsberg und M. Erasmus Bachelbel, Jakob Thanner. Melchior Lotter übersiedelte seine Druckerei mit seinem Sohn Michael nach Magdeburg und übergab allem Anschein nach 1537 seine Buchhandlung an Henning Sosadt. Die Einführung der Reformation in Leipzig überdauern von den schon bestehenden ältern Druckereien nur die von Nickel Schmidt, Michael Blum und Valentin Schumann; eine einzige neue Druckerei war daneben seit den zwanziger Jahren entstanden: 1533 die Nickel Wolrabe’s vielleicht eine Abzweigung der Lotterschen.

Aus jener Zeit sind noch zu erwähnen: Georg Kellner (fraglich), der 1511 mit einem bei Wolfgang Stöckel gedruckten Werke vorkommt. Blasius Salomon ließ ein Werk bei Joh. Schott in Straßburg drucken; ein Brief Frobens an Luther erwähnt ihn als thätigen Buchhändler. Er besuchte die Frankfurter Messe und existierte, oder vegetierte schließlich noch bis gegen 1539. Von den nicht verlegenden Buchführern prosperierte nur die Familie Clement. Von Sebastian Reusch (1540 bis 1556) wird sogleich die Rede sein.

Wenn so die Regierungszeit Herzog Georgs dem soliden Geschäft schweren Abbruch that, so zeitigte sie dagegen ein Schwindelgeschäft, welches sich nach Einführung der Reformation 1539 zu fast unglaublicher Ausdehnung entwickelte: das des schon genannten Nickel Wolrabe. So bedeutend derselbe in den Erzeugnissen seiner Druckerei erscheint, so unsolid zeigt er sich in geschäftlicher Hinsicht. Sein böser Genius war Sebastian Reusch, ein bedeutender Handelsherr, der den unbemittelten und doch unternehmenden Mann durch Darlehne unterstützte, nicht ohne seinen eigenen Vorteil dabei im Auge zu haben, der sich auch stets zum Schaden anderer Gläubiger herauszuziehen wußte. Noch zur Zeit der Regierung Herzog Georgs hatte Wolrabe den Druck von Georg Wizels „Postille“ übernommen. Nach Georgs Tode erfolgte auf Andrängen des Kurfürsten Johann Friedrich ein Verbot, weil nichts Antilutherisches mehr in Leipzig gedruckt werden sollte! Trotz dieses Verbots ließ der [153] in kirchlichen Dingen innerlich noch zwiespaltige Rat der Stadt Leipzig es zu, daß der Druck, wenn auch heimlich, fortgesetzt wurde. Als die Gefahr wuchs, wurden die Exemplare schleunigst nach Berlin geschafft. Wolrabe wurde gefangen gesetzt, aber bald infolge der Protektion der Herzogin Katharina und des herzoglichen Rats Anton von Schönberg der Haft wieder entlassen, gegen Bürgschaft, daß er nichts ohne vorherige Censur drucken lassen wolle. Es wurde ihm sogar auf Veranlassung derselben allmächtigen Beschützer der Druck und Verlag der neuen Kirchenordnung, der Apologie, des Psalters und einer Bibelausgabe übertragen, welche Werke alle Pfarrer und Kirchenärare anzuschaffen und nur direkt von Wolrabe zu beziehen hatten. Die wittenberger Verleger der Bibel, Bartel Vogel, Moritz Goltz und Christoph Schramm, konnten nicht hindern, daß dieser Nachdruck ins Werk gesetzt wurde. Denn wenn auch der Verkauf auf ein Jahr inhibiert wurde, erging doch insgeheim ein Befehl an die Pfarrer u. s. w., bis nach Ablauf dieser Frist mit dem Ankauf der Bibel zu warten.

Trotz dieser anscheinend günstigen Umstände kam Wolrabe aus den Schulden nicht heraus. Sein schlimmster Gläubiger, Sebastian Reusch, drängte und Wolrabe wurde nur dadurch gerettet, daß ihn der Rat auf einen Befehl von Dresden aus durch ein Darlehn von 800 Gulden unterstützen mußte.

Außerdem stand Wolrabe mit zwei andern Kapitalistengruppen in Verbindung; die eine wurde gebildet durch Andreas Wollensäcker und andere, die zweite durch Merten Richter und Gregor Forster. Die Gesellschaft Wollensäcker hatte 1541 schon die bedeutende Summe von 8000 Gulden (etwa 160000 Mark) von Wolrabe zu fordern; dieser mußte nun seine ganze Habe verpfänden und die für die schuldige Summe gedruckten Werke der Gesellschaft als Eigentum überweisen, welche ihm einen Faktor (Sequester) ins Haus setzte. Was Wolrabe noch verblieben war, zog 1542 die andere Gruppe, Richter und Forster, an sich; auch sie bestellte ihm in seinem eigenen Diener Hans Mauser einen zweiten Sequester. Die Gruppe Wollensäcker verkaufte im Januar 1544 den Buchhandel an Hans Löffler in Wittenberg, Ambrosius Kirchner in Magdeburg und Peter Schürer für 4787 Gulden Trotz dieser mißlichen Umstände gelang es Wolrabe, ein neues Opfer zu finden. Es war der reiche Kürschner Damian Lunckewitz, der gar nichts vom Buchhandel [154] verstand. Auch Reusch scheint wieder dahinter gesteckt zu haben: er verkauft an Mauser eine Partie Bücher für 1845 Gulden, welch letzterer nun ein neues Sortimentsgeschäft errichtete. Dann verkaufen Wolrabe und Reusch weitere Partien an die Buchführer Andreas Heil und Konrad König, ohne alles liefern zu können. So schlecht war der Ruf Wolrabe’s und Reuschs, daß sogar der Rat sich veranlaßt fand, Heil und König vor dem Geschäft zu warnen, allerdings ohne Erfolg. Lunckewitz, der natürlich zu nichts kommen konnte, veräußerte seinen Buchhandel wieder an Wolrabe’s Diener Wolf Günther. Endlich konnte sich Wolrabe nicht mehr in Leipzig halten. Er ging nach Frankfurt a. O., wo er es anfangs sogar zu Ansehen gebracht zu haben scheint; die Herrlichkeit hatte aber bald ein Ende. Er erscheint von neuem in Leipzig, beginnt hier wieder zu drucken, ohne jedoch seine Unternehmungen zum Abschluß bringen zu können. Er mußte seine Habe an Reusch abtreten, der alles weiter verkaufte. Im Jahre 1552 ging es mit Wolrabe zu Ende. Er ist verschollen; seine Frau erhielt Almosen von der Stadt. Die Ausführlichkeit dieser Schilderung rechtfertigt sich damit, daß sich selten Gelegenheit bietet, einen Blick in das innere geschäftliche Getriebe jener Zeit zu thun. Nicht die äußerlich wahrnehmbaren Produkte der Verlagsthätigkeit für sich allein geben ein treues Bild des gedeihlichen oder krankenden Geschäftsganges. Es ist nicht eben alles Gold, was glänzt!

Auch auf den durch Wolrabe und Reusch neugeschaffenen Geschäften ruhte kein Segen. Peter Schürer starb 1548 verschuldet. Das Geschäft übernahm Wolf Günther, der Schürers Witwe geheiratet hatte, ohne Mittel. Hans Mauser geriet gleichfalls in üble Umstände; sein Geschäft ging an Lorenz Finckelthaus über, der in seiner spätern, bedeutenden Verlagsthätigkeit in Beziehungen zu dem gleich zu erwähnenden M. Ernst Vögelin kam. Der Buchdrucker Jakob Bärwald ferner, der Wolrabe’s Haus und wohl auch einen Teil seiner Druckerei übernommen hatte, entging ebenfalls nicht argen Verlegenheiten und zu Wolf Günthers Geschäft wurde nach dessen Tode (1557) der Konkurs eröffnet. Bald darauf brach Gregor Jordans Sortimentsgeschäft zusammen. Die einzigen, die vorwärts kamen, waren Heil und König; sie hatten es dem Umstande zu verdanken, daß sie neben dem Sortiment gleichzeitig das Verlagsgeschäft kultivierten und so in der Lage waren, gewinnreicher zu operieren.

In erfreulichem Gegensatz zu Wolrabe steht Valentin Bapst. Schon [155] 1530 hatte er Handelsgeschäfte (mit Garn) betrieben; 1541 wurde er als Buchdrucker Bürger. Obgleich ebenfalls sein Leben lang auf die Unterstützung fremder Kapitalisten angewiesen, blieb er doch stets in geordneten Verhältnissen und erfreute sich allgemeiner Achtung. Aus seinem Geschäft entstand das seines Schwiegersohnes, des M. Ernst Vögelin, eines der hervorragendsten und bedeutendsten Buchhändler Leipzigs, von dessen Wirken erst die eigentliche und dauernde Bedeutung Leipzigs als Verlagsstätte datiert.

Vögelin war aus Konstanz gebürtig; geboren 1528 oder 1529, studierte er in Leipzig und erlangte daselbst die Magisterwürde. Im Jahre 1557 heiratete er Anna, eine Tochter Valentin Bapsts, und wurde 1559 Bürger. Die Druckerei seines Schwiegervaters wurde nach dessen Tode unter die Erben verteilt, während die Buchhandlung zunächst von Vögelin für gemeinschaftliche Rechnung verwaltet worden zu sein scheint. Einen Teil der Schriften erhielt die Witwe oder deren andere Tochter, die Frau des leipziger Stadtschreibers Johann Krauß. Seinen Schwägern, M. Melchior und Georg Bapst, kaufte Vögelin erst 1574 und 1576 ihren Anteil an dem Geschäft ab und ließ nun diejenigen Bapstschen Schriften, welche er nicht mehr gebrauchen wollte, durch den in seiner Druckerei beschäftigten ausgezeichneten Schriftgießer Thomas Wilhelm umgießen. Er brachte seine Druckerei auf eine solche Höhe, daß er später als der sächsische Aldus bezeichnet wurde. Korrektheit, Schönheit der Schrift und des Drucks, Güte des Papiers, das er von Messe zu Messe von Frankfurt a. M. bezog, zeichnen seine Drucke aus. Seine Verlagsthätigkeit war sehr bedeutend und unter seinen Autoren steht obenan Joachim Camerarius. Ihm reihen sich an: der Philolog Greg. Bersmann, Matthäus Dresser, Basilius Faber (mit dem „Thesaurus eruditionis scholasticae“ und andern Werken), Georg Fabricius, Nikol. Reusner, Victorin Strigel u. a. Vögelins Verlag umfaßte größtenteils theologische und philosophische Werke und gangbarere Schulbücher. Nach Falkenstein soll er von 1559 bis 1578 gedruckt haben. In Schwetschke’s „Codex nundinarius“ findet sich sein Name von 1568 bis 1576 und dann noch einmal, mit einem Werke, 1582. (Es ist zu bemerken, daß der erste Meßkatalog nach der Herbstmesse 1564 erschien und daß die Namen der Verleger allgemein erst von 1568 an genannt werden.) Neben seiner bedeutenden Druckerei besaß er Grundstücke in und bei [156] Leipzig und eine Buchhandlung, für deren Umfang spricht, daß er von der frankfurter Fastenmesse 1576 für 1550 Gulden Bücher schickte. Um diese Zeit aber brach Unheil über ihn herein. Die kursächsische innere Politik schwankte damals in dem Streit der vermittelnden Melanchthonschen und der orthodox-lutherischen Richtung bedenklich hin und her, der Haß gegen alles, was mit dem reformierten Bekenntnis zusammenhing, bestimmte sie fast ausschließlich. Wer des Kryptocalvinismus verdächtig war, mußte für Leib und Leben fürchten. Vögelin war seiner Überzeugung nach reformiert, sein Freundes- und Autorenkreis zählte vorwiegend zu den Philippisten. Beschuldigt, in einem Werke Stellen im reformierten Sinne interpoliert zu haben, wurde er in Untersuchungshaft genommen und mußte, um nach seiner vorläufigen Freilassung nicht von neuem eingekerkert zu werden, in der ersten Hälfte des Jahres 1576 aus Leipzig flüchten, um nie wieder dahin zurückzukehren. Möglicherweise war er während des Besuchs der frankfurter Messe gewarnt worden; jedenfalls hatte er die Katastrophe geahnt und durch einen, allem Anschein nach so gut wie fiktiven Gesellschaftsvertrag mit seinem Hauptgläubiger Dr. Georg Roth sein Hab und Gut zu sichern gesucht. Er wandte sich nach Heidelberg und stellte sich, um wenigstens die frankfurter Messen ungefährdet besuchen zu können, unter kurpfälzischen Schutz, der ihm auch wenigstens die äußere Existenz sicherte. Schnell erfolgte nun der Zusammenbruch seiner Verhältnisse. Schon am 28. Juni 1576 wurde Vögelins Buchhandlungsdiener Nickel Bock, dem Faktor seiner Buchdruckerei Hans Steinmann, und seinem Schriftgießer Thomas Wilhelm durch den Bürgermeister Hieronymus Rauscher auf dem Rathause ein kurfürstliches Mandat eröffnet, nach welchem, weil Vögelin sich nicht wieder im Lande einstellen wollte und man nicht wüßte, ob er wiederzukommen gedächte, nun auch seine Kinder innerhalb 14 Tagen das Land verlassen sollten. Dieser Ratssitzung wohnten auch Vögelins zwei bedeutendste Gläubiger bei: der schon genannte Dr. Georg Roth und der Buchführer Lorenz Finckelthaus, der an Vögelin eine Forderung von 2000 Gulden hatte, die aber erst im Ostermarkt 1578 fällig war. Beide ließen sofort gemeinschaftlich Vögelins sämtliches Besitztum mit Arrest belegen und die drei genannten Diener desselben durch Handschlag an Eidesstatt verpflichten, nichts davon zu „verrücken“. Um Finckelthaus sicherzustellen bestimmte nun Vögelin, daß Nickel Bock [157] diesem wöchentlich die bare Losung und die eingehenden Außenstände der Buchhandlung auszahlen und über die nötigen Ausgaben Rechnung ablegen sollte. Trotz dieser Deckung, und obgleich Roth auch an Vögelin zu zahlen hatte, erklärten beide Gläubiger, die mit Vögelin geschlossenen Kontrakte nicht halten zu wollen; sie suchten vielmehr die Buchhandlung zu verkaufen. Sehr richtig schreibt hierüber Bock, 1. November 1576, an Vögelin: „Es wundert mich aber gar sehr das B(aumeister) Roth vnd Finckelthauß sehr gewillet, vnd dareyn gewilliget das die Druckerey vom handell kompt, das nun der handel gantz bloß, vnd nichts forthin verlegen noch etwas von gutten Büchern haben soll.“ Denn mit Wegfall der Möglichkeit, gegen guten Verlag zu changieren, war der Buchhandlung an sich der Lebensnerv unterbunden. Das war wohl auch der Grund, daß Finckelthaus von der ihm durch Rauscher, der seinen Privatvorteil suchte, angebotenen Übernahme der Handlung allein nichts wissen wollte.

Inzwischen hatte der Kurfürst auf Vermittelung des Bürgermeisters das Ausweisungsdekret zurückgenommen. Die Kinder sollten vorläufig in Leipzig bleiben dürfen. Im Herbst 1576 starben die beiden Töchter Vögelins an einer in Leipzig grassierenden Seuche; die überlebenden vier Söhne wollte niemand aufnehmen. Ein Unterkommen, das für sie in der Familie eines Handwerkers ausgemacht war, verbot der Bürgermeister „seiner eigenen Kinder wegen“. Da nahm sich Nickel Bock ihrer an; er brachte sie in seine eigene Wohnung, versorgte sie mit allem Nötigen und bestellte ihnen einen Lehrer.

Bei all diesem Elend ruhten die Feindseligkeiten gegen Vögelin nicht. Jetzt trat der Bürgermeister Rauscher, der gern die wertvolle Druckerei für sich billig erwerben wollte, in den Vordergrund. Er hatte den Kurfürsten dafür zu interessieren gewußt, der geäußert haben sollte, er wolle die Druckerei nicht aus seinem Lande lassen und sie eher selbst kaufen. Rauscher hatte ihm zugesagt, seine Druckerthätigkeit mit einem Werke „In odium Calvinistarum“ zu beginnen. Auf Befehl des Kurfürsten ließ er im Oktober 1576 die Druckerei schätzen (auf 4000 Gulden) und Abdrucke aller Schriften, Leisten und Stöcke machen, damit nichts davon entfernt werden könnte. Diese Abdrucke sollten dem Kurfürsten als angeblichem Käufer zugeschickt werden. Zugleich verbot Rauscher, an Vögelin das Geringste zu schicken, bis die Sache mit der Druckerei entschieden [158] sei, und befahl im November Hans Steinmann, dem bisherigen Leiter der Druckerei, die ganze Druckerei samt allen Schriften und Matrizen, nichts ausgenommen, aufs förderlichste an Simon Hutter, den frühern Associé Sigmund Feyerabends in Frankfurt a. M., jetzt in Zwickau etabliert, den er als obersten Inspektor eingesetzt hatte, auszuliefern. Er wollte nun ein Haus bauen, um mit sechs Pressen drucken zu können. Vögelin wurde natürlich gar nicht gefragt und er wäre wohl auch sicherlich förmlich beraubt worden, wenn nicht Finckelthaus und Roth als Gläubiger dagegen Einspruch erhoben hätten, da die Duckerei wenigstens 5000 Gulden wert wäre. Nur der plötzliche Tod des allmächtigen Bürgermeisters gegen Ende des Jahres 1576 rettete für Vögelin diesen Teil seines Vermögens. Vom Kurfürsten von der Pfalz erhielt er die Stelle eines Landschreibers in Neustadt a. d. Hardt und starb 1590 in Heidelberg. Seine Söhne, Gotthard, Philipp und Valentin, setzten das Verlagsgeschäft anfänglich unter Leitung von Hans Steinmann, der später nach Jena ging, fort. Die Firma „Vögelins Erben“ kommt bis 1599 vor, Valentin Vögelin allein 1591 bis 1604; er siedelte dann ebenfalls nach Heidelberg über.

Die Thätigkeit der kleinern Drucker dieser und der spätern Zeit zu verfolgen wäre zwecklos, ihre Leistungen sanken schnell auf ein sehr tiefes Niveau herab. Dagegen verdient der letzte hervorragende leipziger Verleger des 16. Jahrhunderts, Henning Große (auch Große oder Gros), geboren 14. August 1553 in Halberstadt, noch einer besondern Berücksichtigung. Er kaufte 1575 die von Konrad König in Leipzig hinterlassene Buchhandlung und heiratete dessen Witwe. Schon mit Beginn seiner Verlagsthätigkeit, 1581, erhielt er ein kursächsisches Generalprivilegium über alle von ihm zu druckenden Werke. Bald gelangte er zu Bedeutung und Ansehen. Bereits 1590 wurde er Ratsmitglied, ein Umstand, der ihm sehr zu statten kam, als auch er sich in die kryptocalvinistischen Wirren verwickelt sah; er hatte sich nämlich 1592 geweigert, die Visitationsartikel zu unterschreiben. Als nun am 19. Mai 1593 ein gegen die Reformierten und deren Anhänger gerichteter Aufruhr ausbrach und durch eine Rotte von Studenten, Handwerksgesellen und anderm Volke das Haus des Kaufmanns Adolf Weinhaus gestürmt und geplündert wurde, wurden mit andern auch Henning Große die Fenster seines Hauses eingeworfen. So groß war der grimmige Haß [159] gegen die angeblichen Calvinisten, daß die zur Unterdrückung des Tumults aufgebotene Bürgerschaft auf dem Rathause erklärte, sie wollte wohl Hand anlegen, wenn die Calvinisten aus der Stadt geschafft würden, sonst aber nicht. Mit andern mußte nun auch Henning Große die Stadt verlassen; doch scheint man ihm die Rückkehr bald ermöglicht zu haben. Zwar blieb er aus dem Rate ausgeschlossen, scheint aber doch fernerhin mehrfach begünstigt worden zu sein.

Henning Große’s Geschäft war eins der größten der damals bestehenden, er selbst gleichsam der Führer und Vormann der leipziger Buchhändler in allen gemeinsamen Angelegenheiten. Zur Förderung der buchhändlerischen Bedeutung Leipzigs trug er unwillkürlich dadurch bei, daß er behufs Erleichterung seiner auswärtigen Beziehungen von 1595 an, teils allein, teils in Gemeinschaft mit seinem Sohne Friedrich, einen Meßkatalog nach dem Muster des in Frankfurt erscheinenden herausgab. Anfänglich vielleicht Censurschwierigkeiten seitens der leipziger Universität, dann aber Nachdrucksstreitigkeiten mit Abraham Lamberg, deren später Erwähnung geschehen wird, nötigten ihn, die Fortsetzungen 1596 und 1597 in Halle drucken zu lassen, später aber in Eisleben eine eigene Druckerei anzulegen. In Leipzig selbst errichtete er eine solche 1604, noch kurz vor dem Zeitpunkt, wo die Bildung der leipziger Buchdruckerinnung (1606) dies unmöglich gemacht hätte.

Henning Große starb im November 1621. Er erscheint im Meßkatalog von 1581 bis 1621, seine Erben 1622 bis 1627. Mehrfach kommen Associationen vor: Henning Große und Vögelin, 1594 und 1596; Henning Große und Bartholomäus Vogt, 1600 bis 1610; Henning Große und Birnstiel, 1604; Henning Große sen. und Schürer, 1607 und 1610. Die Firma seines Sohnes Friedrich erscheint selbständig 1600 und 1620, Friedrich Große’s Erben 1603 (er muß demnach schon vorher gestorben sein). Ein Sohn von Henning Große war jedenfalls auch Henning Große jun., 1605 bis 1622 (1615 in Gemeinschaft mit Bartholomäus Voigt oder Vogt); seine Erben kommen 1623 bis 1633 vor. Ob das Geschäft mit dem von 1634 an auftretenden Henning Große, neben dem gleichzeitig Großens Erben vorkommen, identisch ist, läßt sich nicht feststellen. Daneben findet sich 1634 Henning und A. M. Groß, 1638 Henning Groß, 1638 bis 1656 dessen Erben. Ein anderer Sohn, Gottfried, geboren 1591, wurde 1623 ebenfalls Ratsherr. Nach seinem Tode, [160] 1637, ging seine Buchdruckerei im Erbgang auf seinen Schwager Friedrich Lanckisch über, den Verfasser der bekannten und früher stark verbreiteten Bibel-Konkordanz. Gottfried Große druckte und verlegte von 1618 bis 1636, seine Erben und seine Witwe finden sich im Meßkatalog mit Verlagsartikeln noch eine Reihe von Jahren von 1637 an. Von Associationen treten auf: Gottfried Große und Kaspar Klosemann, 1620; derselbe und Barthol. Voigt, 1626; Gottfried und Henning Groß’ (jun.) Erben, 1629 bis 1663; Gottfried Groß’ Erben und Jerem. Mamphraß, 1650; Gottfried Groß’ und Barthol. Voigts Erben, 1654. Von 1665 an erscheint Johann Groß, zum Teil in Gemeinschaft mit Henning Groß’ jun. Erben, mit Friedr. Lanckisch und dessen Erben, mit Konsorten u. s. w.; es ist wohl anzunehmen, daß auch er zu den Nachkommen Henning Große’s des Ältern gehört.

11. Wien.

Deutschland zählte schon 25, Italien 40 und Frankreich 7 Druckerstädte, als im Jahre 1482 die ersten fünf Preßerzeugnisse in Wien erschienen. Sie gehören einem bis auf den heutigen Tag unbekannt gebliebenen Wanderdrucker an. Das umfangreichste von ihnen, der „Manipulus curatorum“, enthält 172, das kleinste, „Aegidii Errores philosophorum“, zählt nur 10 unpaginierte Seiten. Vier von ihnen behandeln praktische Fragen, wie Gersons „Lehre von der Beichte“ und die für das Volk bestimmte „St. Rochus-Legende“, welche gerade damals, zur Zeit des Wütens der Pest, viel und gern gelesen wurde; aber nur eins, der „Tractatus distinctionum Joannis Meyger“, nach M. Denis Wiens erster Druck, bewegt sich auf wissenschaftlichem Gebiete. Sämtliche fünf Schriften scheinen aus derselben Presse hervorgegangen zu sein und verraten den unbeholfenen und unbemittelten Anfänger, der nur eine Schriftart besitzt und vergebens gegen die untergeordnetsten Schwierigkeiten kämpft. Politisch und geistig war die Hauptstadt der Habsburgischen Erblande in den letzten zehn Regierungsjahren Friedrichs III. erschlafft, und auch die dem beschränktesten Scholastizismus huldigende Universität vermochte den Geistern keine Anregung zu geben. Noch blühte in Wien eine mächtige Schreiberzunft, welche die Schüler Gutenbergs nicht aufkommen ließ. Die einheimischen Gelehrten, wie Reger, Peuerbach, Nider u. a., mußten ihre Werke auswärtigen Pressen übergeben. [161] Ein Bedürfnis für Druckereien war überhaupt in Wien kaum vorhanden. Noch in den Jahren 1474 bis 1476 sandte die Juristenfakultät der Universität Magister an den Rhein, nach Mitteldeutschland und Italien, um außer verschiedenen Handschriften auch neue gedruckte Bücher für die Bibliothek zu kaufen.

Aus den Jahren 1483 bis 1491 ist kein wiener Druck bekannt. Erst 1492 läßt sich ein ständiger Drucker nieder, also ziemlich um dieselbe Zeit, in welcher dort der Humanismus seinen Einzug hielt. Johann Winterburger, so heißt er, war gebürtig aus Winterburg in der Grafschaft Sponheim bei Kreuznach. Auch die Drucker der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit Ausnahme von einem Wiener und zwei Polen, sind Deutsche aus dem Reich. Winterburgers Thätigkeit reicht von 1492 bis 1519, also bis zum Todesjahr Maximilians, unter dessen Schutz Wien eine bedeutende Stätte und Pflanzschule des Humanismus geworden war. Konrad Celtis, Cuspinian und Johann Vitez waren seine Gönner. Seine Leistungen erhoben sich bedeutend über die gewöhnliche Gattung von Drucken. Im ganzen sind 106 Druckwerke von ihm bekannt, darunter allerdings einblättrige Verordnungen und Mandate; bezeichnend genug sind Persius’ „Satiren“, sein erster Verlagsartikel. Vorwiegend beschäftigte ihn die Universität, aber auch im Druck schöner Chorbücher schuf er Vorzügliches. Seine Druckerei war gut eingerichtet, der Satz korrekt, da ihn bei wissenschaftlichen Werken gelehrte Setzer und Korrektoren unterstützten; aber griechische Typen besaß er nicht, mußte vielmehr für etwa einzelne vorkommende Citate freien Raum lassen. Trotzdem stehen seine besten Werke den Erzeugnissen der Druckerpressen von Basel, Nürnberg, Augsburg und Straßburg kaum nach.

Siebenzehn Jahre hindurch hatte Winterburger als alleiniger Drucker Wiens dagestanden, als endlich 1510 Hieronymus Vietor oder Büttner aus Liebenthal im schlesischen Fürstentum Jauer eine zweite Druckerei gründete. Er hatte in Krakau, der alten polnischen Königsstadt, studiert und dort 1499 die Baccalaureatswürde erhalten, sich aber dann dem Buchdruck und dem Buchhandel zugewandt. Noch im Jahre seiner Übersiedelung nach Wien associierte er sich mit Johann Singriner aus Ötting in Bayern und war mit diesem – sie nennen sich sodales laborum et lucri socii – bis zum Dezember 1514 gemeinschaftlich thätig[73] ; 84 Werke sind das Resultat dieses gemeinsamen Schaffens. Ihr Buchladen [162] befand sich auf dem alten Fleischmarkt gegenüber dem Nonnenkloster St. Lorenz. Sie besaßen schon griechische Typen und zeichneten sich überhaupt durch guten Druck aus. Das erste Erzeugnis ihrer Presse war ein Claudianus; im Jahre 1512 druckten sie unter anderm Ulrich von Huttens „Ermahnung an den Kaiser Maximilian“ (als er in den Venetianischen Krieg zog). Doch schon zu Anfang 1515 trennten sich beide, blieben aber gute Freunde. Vietor übersiedelte 1517 wieder nach Krakau und widmete sich persönlich, bis zu seinem 1546 erfolgten Tode, ausschließlich seiner dortigen Offizin, führte jedoch sein wiener Geschäft unter Leitung seines Bruders Benedikt und nach dessen Tode durch andere Faktoren bis 1531 fort. Vietor hat wenig in deutscher, das meiste in lateinischer, einiges auch in griechischer und polnischer Sprache gedruckt; seine griechischen Typen verdienen ganz besonderes Lob. Sein Druck war korrekt, sein Papier gut und seine Holzschnitte waren zierlich. Sein schönstes und seltenstes Werk ist wohl das „Odeporicon“ des Kardinals Lang. Seine Drucke gehören fast alle der profanen, nur wenige der theologischen Litteratur an; Schulbücher, Klassikerausgaben, medizinische und astronomische Schriften, Lehrgedichte und Reden bilden den Hauptteil des Verlags.

Singriner entwickelte nach seiner Trennung von Vietor bis zu seinem Todesjahre (1545) eine außerordentliche Rührigkeit. Mit Collimitius, Camers und Vadian befreundet, war er von der Bedeutung seiner Aufgabe für die Wissenschaft völlig durchdrungen, lieferte korrekte Klassikerausgaben und arbeitete nicht allein eifrig in seiner Offizin, sondern beschäftigte sich auch mit dem Schriftguß und der Lieferung von Holzschnitten für andere; besonders schön und geschätzt war seine Antiqua. Er ist zugleich der erste wiener Drucker, welcher hebräische Typen besaß. Seine staunenswerteste Leistung ist der Druck des Verböczschen „Tripartitum Opus juris hungarici“ (1517), dessen 71 Bogen er mit einer sehr großen Antiqua und mit gotischen Rubriken in 40 Tagen herstellte. Nach der Zahl, Mannigfaltigkeit und Ausstattung seiner Drucke gehört er zu den hervorragendsten und thätigsten Meistern seiner Zeit. Sein erster Druck ist des Albertus Magnus „Philosophia naturalis“ und sein letzter das Gebetbuch des Bischofs Nausea für die Königin Anna, die Gemahlin Ferdinands. Im übrigen gehören seine Verlagsartikel der Theologie, Medizin, Jurisprudenz, polemischen Litteratur, Philologie, [163] Poetik und Rhetorik an; viele von ihnen zeichnen sich durch ihren Holzschnittschmuck aus. Die Gesamtzahl seiner Drucke – darunter allerdings auch viele einblättrige Verordnungen, Patente, Erlasse – betrug nach Denis 253, eine Zahl, welche der neueste Forscher, Anton Mayer, noch um 160 vermehrt hat. Singriners Erben, welche bis 1561 weiter arbeiteten, fügten ihnen noch 92 hinzu; aber auch hier liefert das dem Vater 1540 erteilte Privilegium, alle landesherrlichen Verordnungen für Niederösterreich zu drucken, die bedeutendere Zahl.

Von dem Bayer Johann Carbo (Hans Khol), 1548 bis 1552, ist wenig bekannt, mehr dagegen von Egidius Aquila (Adler) aus den Niederlanden, welcher auch von 1548 bis 1552 in Wien thätig war. Von seinen tüchtigen Arbeiten sind besonders Plancks „Institutiones Grammatices Ebreae“ hervorzuheben. Aquila’s Witwe heiratete Michael Zimmermann (aus Augsburg?), einen der bedeutendsten Drucker seiner Zeit, welcher in den Jahren 1553 bis 1565 wirkte, die Offizin auch für den Druck orientalischer Werke einrichtete und z. B. 1561 eine syrische Bibel herausgab. Sein Zeitgenosse Rafael Skrzeluski, der seines protestantischen Bekenntnisses halber aus Polen geflohen war, in Wien den Namen Hofhalter annahm und sich hier für einen Katholiken ausgab, druckte von 1556 bis 1563. Er beschäftigte für seine illustrirten Werke Künstler ersten Ranges, wie Lautensack, Hübschmann und Hirschvogel, ging später aber nach Debreczin, wo er mit seltener Pracht die erste ungarische Übersetzung der Bibel druckte; er starb 1568. Um ziemlich dieselbe Zeit suchten sich die Jesuiten der Druckerpresse zu bemächtigen und die weltlichen Drucker durch eine geistliche Offizin unschädlich zu machen. Der Kaiser selbst gab zu dem Zwecke eine jährliche Unterstützung von 300 Gulden her und auch der Adel beteiligte sich selbstredend an den Unterschriften für das von einem Spanier geleitete Unternehmen. Die Offizin, deren ersten Verlagsartikel Peter Canisius’ kleiner Katechismus bildete, dauerte jedoch nur so lange, als die milden Gaben reichten (1559 bis 1565).

Die Mitte des Jahrhunderts trug bereits die ausgeprägte Signatur des Jesuitenstaates. Eigentlich geblüht hat die Buchdruckerkunst mit den ihr verwandten Zweigen nur unter Maximilian. Mit dem Augenblick, daß König Ferdinand 1523 die Verbreitung der Lutherschen Schriften verbot, wurde der Rückgang des geistigen Lebens in ganz Österreich [164] immer sichtbarer und verhängnisvoller. Die geistliche Censur arbeitete methodisch auf die wissenschaftliche Verödung des Landes hin. Mit den sechziger Jahren des Jahrhunderts hörte der Druck der alten Klassiker ganz auf. Die überall eingeschränkte, gleichsam nur aus kirchlicher und obrigkeitlicher Gnade geduldete Litteratur sank zur willenlosen Magd des Jesuitenstaats herab. Die alten Gelehrten starben aus oder zogen in die Fremde, neue aber kamen nicht aus dem Reich. Technisch macht die Kunst zwar Fortschritte, aber geistig wird sie täglich einflußloser. Kaspar Stainhofer (1566 bis 1576), welcher die Witwe Zimmermanns geheiratet hatte, druckte vortrefflich und war ein tüchtiger Geschäftsmann, aber ein desto armseligerer Verleger. Geistlose Gelegenheitsschriften bildeten seinen Verlag. Stephan Creutzer (1572 bis 1594), der erste Universitätsdrucker, zeichnete sich als gelehrter Drucker und als Schriftgießer aus, stand jedoch im Verdacht protestantischer Gesinnung; er wurde deshalb zur Untersuchung gezogen und seine Druckerei eine Zeit lang gesperrt. Der Hofbuchdrucker Michael Apfel (1576 bis 1588) stellte vorzugsweise Festschriften für die Jesuiten, Weihrauch-Carmina an hochgestellte Personen, Kalender-, Wunder- und dergleichen Geschichten und neue Zeitungen, also fast nur sogenannte Riessachen, auf seinen Pressen her. Dennoch mußte er, wie auch Creutzer, einen Eid leisten, nichts gegen die katholische Kirche und ihre Lehre zu drucken. David de Necker oder Dannecker (1576 bis 1585), einer berühmten augsburger Künstlerfamilie entstammend, war zugleich Formschneider und zog von Augsburg über Leipzig nach Wien. Hercules de Necker, wahrscheinlich sein Bruder, setzte das Geschäft bis 1587 fort. Bei jenem erschien unter anderm Sebastian Münsters Erklärung der neuen Landtafeln und des Instruments der Sonne, ein prächtiges Gesellenbüchlein und der dritte Nachdruck der Jostschen Ausgabe des „Todtentanzes“. Seine Holzschnitte sind ganz vortrefflich, seine Drucke sauber und schön; da er aber im Verdacht protestantischer Gesinnung stand, wurden viele seiner Bilder und Drucke konfisziert. Bischof Kaspar von Wien ließ sie teilweise im Bischofshofe verbrennen, woraus sich zur Genüge ihre Seltenheit erklärt.

Bis zum Ende des Jahrhunderts, in dessen Laufe nach Mayers Berechnung etwa 1600 Drucke in Wien erschienen sind, folgt den hier namhaft gemachten Druckern etwa noch ein Dutzend. Indessen wird an und mit ihnen der Rückgang des litterarischen Schaffens immer auffallender [165] und die Jesuitenlitteratur übermächtiger; sie kommen daher persönlich gar nicht in Betracht. Die Arbeiten der wiener Drucker sind fortan nur noch auf das enge Absatzgebiet des wiener Marktes berechnet. Wien zählt deshalb auch in der Geschichte der Entwickelung des deutschen Geistes in jenen Zeiten nicht mit. So hart das Wort auch klingen mag: Wien bedeutet in der frühesten Geschichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels weniger, als die kleine Reichsstadt Hagenau im Elsaß!

In der chronologischen Folge der Druckstädte schließt sich nun

12. Magdeburg[74]

an, wo der Buchdruck durch den Einfluß des Erzbischofs Ernst (aus dem Hause Sachsen) eingeführt wurde. Die erste Anlage einer Druckerei wird den „Brüdern vom gemeinsamen Leben“ zugeschrieben; die ersten wirklich nachweisbaren Drucker aber sind Albert Ravenstein und Joachim Westfal, 1483 und 1484. Über den ersten ist Näheres nicht bekannt; Westfal stammte aus Stendal, wohin er sich auch 1486 oder 1487 wieder wandte und wo er unter anderm einen niederdeutschen und lateinischen „Sachsenspiegel“ in Folio druckte. Das Hauptwerk der genannten Drucker ist das mit zwei ziemlich mittelmäßigen Holzschnitten versehene niederdeutsche Evangelienbuch von 1484 in Folio, zugleich die erste niederdeutsche Ausgabe dieses Werks. Der nächste Drucker war Simon Koch aus Weilburg, 1486, und wahrscheinlich noch 1488. Sein erwähnenswertester Druck ist ein Missale von 1486 in Folio. Ihm folgte Simon Mentzer, 1490 bis 1503, der nur belehrende, unterhaltende und erbauliche Volksschriften gedruckt zu haben scheint; alle von ihm bekannten Drucke sind mit Holzschnitten ausgestattet. Der bedeutendste magdeburger Drucker war jedoch Moritz Brandis, 1491 bis 1504. Früher in Leipzig thätig, wo seiner bereits gedacht wurde, hatte er schon von hier aus mit dem Erzbischof Ernst und mit Magdeburg überhaupt in Geschäftsverbindung gestanden. Von seinem geschäftlichen Schiffbruch in Leipzig scheint er sich in Magdeburg vollkommen erholt zu haben, denn er besaß hier eine reiche Auswahl von Schriften und Initialen. Nur niederdeutsche und lateinische Drucke sind von ihm bekannt, sieben davon mit Holzschnitten ausgestattet. Sein Hauptwerk ist die erste Ausgabe des „Missale“ von 1493 in Folio. Hervorzuheben ist ferner der „Vocabularius optimus Gemmula vocabulorum dictus“, ein lateinisch-niederdeutsches [166] Wörterbuch, von dem er wenigstens zwei Ausgaben, 1495 und 1497, gedruckt hat. Seine Druckerei ist möglicherweise an Jakob Winter übergegangen, der 1506 bis 1513 druckte.

Mit dem Tode des Erzbischofs Ernst und unter seinem Nachfolger, dem streng katholischen Albrecht von Brandenburg (seit 1514 auch Erzbischof von Mainz), erreichte der Buchdruck in Magdeburg vorläufig sein Ende. Das der Reformation abholde Domkapital und die derselben günstige Bürgerschaft standen sich feindlich gegenüber. Mit Beginn der Reformationszeit tritt eine zahlreiche Flug- und Streitschriftenlitteratur auf, die aber vorläufig nur von auswärts eingeführt werden konnte und von 1520 bis 1523 meist durch Nickel Widemar, den Strohmann des Mantelträgers Wolfgang Stöckel in Leipzig, in Eilenburg gedruckt wurde. Der Hauptkämpe der Katholischgesinnten war ein Paulinermönch aus Magdeburg, der dessauer Hofprediger. Dr. Joh. Mensing, Vertreter der reformatorischen Richtung vor allem der einer adeligen Familie Kursachsens entstammende Nikolaus Amsdorff, dann Johannes Fritzhans, Eberhard Weidensee und Dr. med. Wolf Cyclops. Die in Magdeburg gedruckten Schriften polemischen Inhalts sind bis 1530 mit nur einer Ausnahme, offenbar unter dem Einfluß Luthers, hochdeutsch geschrieben. Erst vom Ende der zwanziger Jahre an erscheint auch eine ganze Reihe kleinerer, auf das gewöhnliche Volk berechneter Schriften in niederdeutscher Sprache. Das dauert bis zum Anfang der vierziger Jahre; es waren besonders Übertragungen Lutherscher Schriften. Nur der Druck niederdeutscher Bibeln und Gesangbücher hielt das ganze Jahrhundert hindurch und bis zum Jahre 1631 an.

Auf Veranlassung des Dr. Wolf Cyclops herbeigerufen, war Hans Knappe der Jüngere 1524 nach Magdeburg gekommen, wo er in diesem und dem folgenden Jahre druckte. Ihm folgte Heinrich Öttinger, 1525 bis 1531 – er war der erste, der in Magdeburg einen Teil der Bibel (den Pentateuch, 1528) in niederdeutscher Sprache druckte – und Hans Bart, vorher in Wittenberg, 1527 und 1528. Bedeutender war Michael Lotter, ebenfalls vorher in Wittenberg, der 1528 oder 1529 nach Magdeburg kam; er ist der erste, der in Magdeburg die Antiqua verwandte. In seinem Verlage erschienen, neben einer sehr großen Menge von Flugschriften, viele theologische Sachen und die Schulbücher Georg Majors. Sein Zeitgenosse war Hans Walther (niederdeutsch Wolther), [167] geboren 1500. Er übernahm die Druckerei Heinrich Öttingers und druckte, 1530 bis 1560, reformatorische, meist niederdeutsche Litteratur. Christian Rödinger (Rodius) dagegen druckte nur wenige theologische Schriften; sein erster datierter Druck ist von 1545. Auf Veranlassung Albert Rolevinks zog er 1553 oder 1554 nach Jena.

Bemerkenswert ist noch, daß von 1529 bis 1562 aus Magdeburg eine ganze Reihe dänischer Drucke hervorging, teilweise hergestellt auf Bestellung von Buchbindern oder Buchführern in Rostock und Lübeck. Daneben nahm der magdeburger Verlag dadurch eine charakteristische Richtung an, daß eine Anzahl von Gegnern des Augsburger Interims, Anhänger der strengsten lutherischen Orthodoxie, sich in Magdeburg sammelte; neben dem schon genannten Nikol. Amsdorff: Matthias Flacius Illyricus, Nikolaus Gallus aus Regensburg u. a.

Die Buchführer in Magdeburg waren kleine, arme Leute, die sich durch Hausieren und Feilhalten von Flugschriften ihr Brot, nicht selten unter Gefahr und Verfolgungen, zu verdienen suchten. Der einzige hervorragende war der schon im 15. Jahrhundert vorkommende Hans Lor, Lorr oder Lorer, der sich bereits 1490 als an dem Verlage des Moritz Brandisschen „Sachsenspiegels“ beteiligt erweist und 1517 bei Melchior Lotter in Leipzig ein „Missale“ der Brandenburgischen Diöcese drucken ließ.[75]

13. Tübingens[76]

erster Buchdrucker war Johannes Otmar (Othmar, Ottmar) aus Reutlingen, in welcher Stadt er auch seit 1482 als erster gedruckt hat. Auf Veranlassung des Lektors des Franziskanerklosters, Paul Scriptoris, in Tübingen siedelte er gegen Ende des Jahres 1497 dahin über. Zu den gelehrten Druckern zählend, war er auch meist sein eigener Korrektor. Außer für sich selbst – meist theologische Werke – druckte er auch für den ersten tübinger reinen Verleger, Friedrich Meyenberger. Otmar blieb bis 1501 in Tübingen, siedelte aber dann nach Augsburg über, wo er noch von 1502 bis 1514 thätig war. Ihm folgte der bedeutendste unter den tübinger Buchdruckern: Thomas Anshelm aus Baden-Baden. Einen vereinzelten Druck hatte er aller Wahrscheinlichkeit nach schon 1488 in Straßburg geliefert, war dann von 1500 bis zum März 1511 Buchdrucker und Buchhändler in Pforzheim, von wo er – vermutlich durch Johann Reuchlin veranlaßt – nach Tübingen ging. Gefördert durch den [168] letztern, befreundet mit Philipp Melanchthon, Michael Hummelberger und den übrigen tübinger Humanisten, in deren Kreise er fast als Ebenbürtiger erschien, stellte er auch seine Presse fast ausschließlich in den Dienst des Humanismus. Tüchtige Korrektoren, erst der Professor artium Johannes Hiltebrant, nach dessen 1514 erfolgtem Tode Melanchthon, verschafften seinen Drucken den wohlverdienten Ruf der Korrektheit. Diese und die Sauberkeit seiner Drucke, denn er durch gut geschnittene Randleisten auch sonst ein gefälliges Äußere zu geben wußte, verbreiteten seinen Ruhm weithin. Er besaß sogar, was damals eine Seltenheit war, hebräische Typen. Bis zum Juli 1516 wirkte er in Tübingen, dann wandte er sich nach Hagenau, woselbst er aber dennoch im Ganzen genommen der Drucker der ihm befreundeten tübinger Gelehrten blieb.

Erst nach einer mehrjährigen Pause, zu Anfang des Jahres 1523, kam wieder ein Drucker nach Tübingen: Ulrich Morhart aus Augsburg, der von 1519 bis 1522 in Straßburg gedruckt hatte. Er war im Besitz einer gut eingerichteten Druckerei, mit charakteristischen Randleisten und vielen Initialen, darunter ein Kinderalphabet. Die Richtung seiner Thätigkeit war eine ganz andere, als die Anshelms. Der Humanismus tritt zurück, an seine Stelle der polemisierende Katholizismus. Die bekanntesten Gegner Luthers und Zwingli’s, Eck, Cochläus, Schatzger, Dietenberger, Tuberinus, Neudorffer, ließen ihre Streitschriften bei ihm erscheinen. Tübingen war eben damals, wie Steiff sagt, ein Hauptwaffenplatz der Reaktion gegen die von Nord und Süd eindringende neue Lehre. Kaum mag jedoch Morhart aus Überzeugung so gehandelt haben. Er betrieb sein Geschäft mehr handwerksmäßig und folgte der herrschenden Zeitströmung, sobald sie ihm Vorteil zu bieten versprach. So nahm er auch thätigen Anteil an dem der reformatorischen Richtung entstammenden slawischen Bücherdruck.[77] Ein für die neue Lehre begeisterter südslawischer Prediger, Primus Truber, kam, durch die Verfolgungen der katholischen höhern Geistlichkeit aus seinem Vaterlande Krain vertrieben, um 1540 nach Würtemberg, wo er durch den Herzog Christoph zum Pfarrer in Urach berufen, später nach Laufen am Neckar und dann nach Darendingen versetzt wurde. Um auch aus der Ferne unter seinen Landsleuten für die Sache der Reformation zu wirken, fing er um 1550 an, das in den südslawischen Ländern weitverbreitete [169] slowenische Idiom nach deutscher Aussprache mit lateinischen (später auch mit deutschen) Lettern zu fixieren und wurde damit der Gründer einer bis dahin nicht bestehenden slowenischen Nationallitteratur. Nun verfaßte er ein slowenisches Abecedarium und übersetzte Brenz’ und Luthers Katechismen. Nach vergeblichen Versuchen, die Schriften in Nürnberg oder in Schwäbisch-Hall drucken zu lassen, gelang es endlich, Ulrich Morhart zur Herstellung, wenn auch heimlich und unter falscher Firma, zu bewegen. Im Einverständnis mit Peter Paul Vergerius übertrug dann Truber von 1555 an das Neue Testament meist nach Luthers Übersetzung ins „Windische“. Dasselbe wurde (Morhart war 1554 gestorben) in der Offizin von Morharts Erben gedruckt. Aber diese Arbeiten hatten die Mittel Trubers und die teils von Herzog Christoph, teils durch die Stände von Krain gewährten Unterstützungen erschöpft. Da trat Hans Freiherr von Ungnad, ein angesehener kaiserlicher Beamter, der ebenfalls seiner religiösen Überzeugung wegen seine Heimat hatte verlassen müssen, mit seinen reichern Mitteln für die Sache ein. Seit 1557 in Urach lebend, trat er 1560 mit Truber in Verbindung und verwandte von da an einen großen Teil seiner Einkünfte auf die Förderung der von Truber begonnenen Unternehmung. Man fing nun auch an ins Kroatische zu übersetzen. Ungnad errichtete in seiner Behausung in Urach eine eigene Druckerei, welche neben der Morhartschen von nun an die slawischen Drucke lieferte. Durch nürnberger Stempelschneider ließ man auch glagolitische und cyrillische Schrift herstellen und druckte neue kroatische Bücher bisweilen in drei verschiedenen Ausgaben: mit lateinischen, mit glagolitischen und mit cyrillischen Lettern; ja Ungnad fing selbst an, italienische Übersetzungen von Schriften reformatorischer Richtung zu drucken. Aber auch seine Mittel reichten nicht aus, die bedeutenden Kosten zu decken. Da gab neben der fortlaufenden Unterstützung des Herzogs von Würtemberg der König von Böhmen, Erzherzog Maximilian (der spätere Kaiser), eine ansehnliche Summe her; andere Beiträge wurden von verschiedenen Seiten gewährt: von den Landschaften von Krain, von Steyer, von Österreich, von verschiedenen deutschen Fürsten und Reichsstädten und von Privaten. Aber am 27. Dezember 1564 starb Ungnad und von da an war Truber auf sich selbst angewiesen, und wenn er auch unablässig weiter arbeitete, so ließ sich doch der bisherige großartige Geschäftsbetrieb nicht mehr fortführen. [170] Der Vertrieb der so hergestellten Bücher erfolgte nicht auf dem gewöhnlichen Wege des Buchhandels. Privatleute, die für die Sache begeistert waren, nahmen denselben in die Hand und beförderten unter Mühen und Gefahren die Drucke nach den südslawischen Ländern und weit über dieselben hinaus, wie sie auch die Vermittler mit den Buchführern abgaben. Die italienischen Drucke suchte man über Basel zu verbreiten. Nach Trubers im Juni 1586 erfolgtem Tode schlief das Unternehmen ganz ein. Wohin die Vorräte an Drucken gekommen sind, ist unbekannt. Die glagolitischen und cyrillischen Typen fielen im Dreißigjährigen Kriege den Kaiserlichen als Beute in die Hände und kamen durch Kaiser Ferdinand III. in die Druckerei der Propaganda zu Rom.

Unter den spätern Druck- und Verlagsfirmen Tübingens zeichnet sich durch geschmackvollen Druck Georg Gruppenbach und durch Intelligenz und Rührigkeit Eberhard Wild (Wildt, Wilde) aus. Bald nach Beginn seiner Geschäftsthätigkeit (er erscheint im Meßkatalog von 1620 an) wurde er wegen seines mystisch-theosophischen Verlags, den er in großen Mengen nach allen Richtungen, insbesondere auch nach Ungarn verbreitete, der Schwenckfeldschen Sektiererei verdächtigt und verfiel 1622 in eine Untersuchung. Bei einer Haussuchung fand man große Massen von Schriften von Johann Arndt, Valentin Weigel und andern Schriftstellern, deren Richtung der damals herrschenden orthodoxen Partei ein Dorn im Auge war, ferner die Schriften Schwenckfelds, diese unter falschem Namen. Außerdem stellte sich heraus, daß in Wilds Hause Konventikel der Sektierer abgehalten wurden. Er floh direkt aus seiner Vernehmung vor dem akademischen Senat nach Rottenburg, mußte sich aber, von allem entblößt, wieder in Tübingen stellen. Neben Auferlegung einer Geld- und Gefängnisstrafe wurden ihm Druckerei und Buchhandel gesperrt, seine ganzen Vorräte weggenommen. Auf Verwendung eines Grafen von Löwenstein wurde ihm jedoch ein Teil der Strafe erlassen und er durfte sein Geschäft wieder eröffnen. Es spricht für seine ungebeugte Energie, daß er sich in seinem Geschäftsbetriebe nicht stören ließ: sein Name findet sich mit einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Verlagsartikeln im Meßkatalog bis zum Jahre 1631.

Die noch jetzt bestehende große Firma Johann Georg Cotta erhob sich erst seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einer größern Bedeutung. [171] Die Thätigkeit der Buchdrucker und Buchhändler in

14. Wittenberg[78]

ist so fest mit den durch die Reformation hervorgerufenen Bewegungen verknüpft, daß in diesem Kapitel ein kurzer Überblick genügt. Als erster Buchdrucker erscheint, 1509 bis 1522, Johann Grunenberg. Seine Druckerei befand sich in dem Augustinerkloster, in welchem ja auch Luther lebte. Es ist daher leicht erklärlich, daß er dessen erste Schriften und die seiner Freunde druckte. Ihm folgte Melchior Lotter, 1519 bis 1524, von dem im siebenten Kapitel ausführlicher die Rede sein wird. Daß auch Nickel Schirlentz, 1521 bis 1546, der reformatorischen Sache diente, ist selbstverständlich. Eine interessante Erscheinung ist Georg Rhaw, der ebenfalls 1521 in Wittenberg zu drucken begann. Geboren 1488, war er zuerst Kantor an der Thomasschule zu Leipzig, ein vortrefflicher Musiker und Mathematiker. Für seine Tüchtigkeit zeugt, daß er viele Jahre hindurch und bis 1547 Mitglied des Rats zu Wittenberg war. Aus seiner Offizin gingen die ersten Ausgaben von Luthers großem und kleinem Katechismus, 1529, hervor. Ebenso lieferte er, 1531, die beste Ausgabe der Augsburgischen Konfession. Außer Schriften Luthers druckte er viel von Melanchthon, dann aber auch von andern Genossen der Reformatoren. Seine eigenen Schriften waren theologischen, mathematischen und musikalischen Inhalts. Nach seinem am 6. August 1548 erfolgten Tode setzten die Erben das Geschäft in gleichem Sinne bis 1566 fort.

Hans Lufft, geboren 1495, begann seine Thätigkeit nicht, wie meist angenommen, 1524, sondern schon 1523 mit dem Druck einer Schrift des Johann Fritzhans, der seiner Gesinnung wegen sein Kloster hatte verlassen müssen und nach Wittenberg gekommen war: „Johan: Fritzschans an ein Erbarn: Ersamen, weyßen radt vnnd ganntze Christliche gemeyne der stadt Magdeburg, Gottis wort vnn sein abschiet belangende, mit eyner sermon, wie man Gottis wortt predigen soll.“[79] Von 1524 an war er als Drucker Lutherscher Schriften, besonders der Bibelübersetzung, sehr thätig. Sein Name ist neben dem Melchior Lotters unzertrennlich mit der Geschichte der Reformation verbunden. Er starb am 2. September 1584.

Von andern wittenbergischen Druckern sind, abgesehen von ganz unbedeutenden, zu nennen: Hans Weyß, 1525 bis 1539; Jos. Kluge, 1525 [172] bis 1552; die beiden Peter Seitz, 1536 bis 1578; Hans, Zacharias und Johann Krafft (Crato), 1549 bis 1615, deren erster auch Melanchthons Werke druckte.

Der Verlagsbuchhandel Wittenbergs blieb fast zwei Jahrhunderte hindurch ein sehr bedeutender und überragte bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts den leipziger wesentlich. Er fand in der stark besuchten Universität, der Vormauer des Luthertums, und anfänglich in dem Bibeldruck eine kräftige Stütze. Zu Lebzeiten Luthers waren der Goldschmied Christian Döring, der berühmte Maler Lukas Cranach, die Buchführer Bartel Vogel, Christoph Schramm und Moritz Goltz seine Koryphäen, am Schlusse des 16. Jahrhunderts Samuel Seelfisch und die Familie Schürer.

Es würde zu weit führen, wenn die Ausbreitung der Kunst in der gleichen eingehenden Weise geschildert werden sollte; es genügt, wenn die

kleinern Druckstätten

in chronologischer Reihenfolge kursorisch behandelt werden. Schon im Jahre 1471 fand die Buchdruckerkunst in Speyer[80] Eingang. Es ist nicht festgestellt, aus welcher Presse der erste Druck, die „Postilla Scholastica super Apocalypsim et super Cantica Canticorum“, hervorgegangen ist: ob aus der des 1477 mit seiner Firma auftretenden Peter Drach, ob aus der des erst später genannten Konrad Hist, oder gar aus der eines dritten Typographen. Peter Drachs des Ältern Thätigkeit scheint nur bis zum Jahre 1480 gereicht zu haben; in den folgenden Jahren wenigstens zeigt sich wiederholt Peter Drach der Jüngere auf Druckwerken an, der bis zum Jahre 1517 eine beachtenswerte Wirksamkeit entfaltete und seine geschäftlichen Verbindungen bis auf die leipziger Messe erstreckte. Diese buchhändlerische Thätigkeit dokumentiert sich auch darin, daß die Drachsche Offizin, welche von verschiedenen Diöcesen mit dem Druck von Breviarien und Meßbüchern betraut wurde, das schönste derselben, das prachtvolle „Missale Olomucense“ von 1488, bei Johann Sensenschmied in Bamberg herstellen ließ und auch 1516 Johann Grüninger in Straßburg beschäftigte.

Der zweite Typograph zu Speyer, Konrad Hist, erscheint schon im Jahre 1483 gemeinschaftlich mit seinem Bruder Johann als Drucker [173] des „Philobiblon“ von Richard de Bury; seine Thätigkeit läßt sich bis 1515 verfolgen. Weniger bedeutend zwar als Peter Drach, war doch auch er als Verleger thätig und beschäftigte wiederholt Heinrich Gran in Hagenau. Vermutlich ist er auch identisch mit jenem Konrad Hysch, der 1519 bei Adam Petri zu Basel drucken ließ.

In Eßlingen arbeitete seit 1472 Konrad Fyner, der erste, der hebräische Typen besaß. Er ging schon 1481 nach Urach.

Mit dem Jahre 1473 fand die Buchdruckerkunst ihren Weg nun auch nach Norddeutschland. Die erste norddeutsche Druckstadt ist die sonst unbedeutende Bischofsstadt Merseburg, wo der später nach Lübeck wandernde Lukas Brandis von Delitzsch bis 1475 thätig war.

Das kleine würtembergische Städtchen Blaubeuern hat 1475 ebenfalls ein typographisches Erzeugnis aufzuweisen und in demselben Jahre tritt auch Trient mit einem Druckwerke auf.

In demselben Jahre folgte auch Breslau. Zwar hat das 15. Jahrhundert nur Einen Drucker aufzuweisen, Kaspar Elyan, dessen richtiger Name erst durch K. Dziatzko festgestellt worden ist.[81] Elyan war eigentlich Sukkantor, d. i. Assistent eines Kantors, und wurde 1477 durch Verzicht seines Vorgängers zu seinen Gunsten Kanonikus und Präbendar der breslauer Kathedralkirche. Nur wenige Drucke legen von seiner Thätigkeit Zeugnis ab.

Erst 1503 bis 1504 findet sich die Spur eines zweiten Buchdruckers: Konrad Baumgarten, der einige Jahre vorher bereits in Olmütz thätig gewesen war und später nach Frankfurt a. O. übersiedelte. Er druckte 1503 Laur. Corvins „Carmen elegiacum de Apolline et novem Musis“. Außerdem sind im 16. Jahrhundert noch zu nennen: Adam Dyon, 1518 bis 1531, der schon 1512 seine Thätigkeit in Nürnberg begonnen hatte; Kaspar Lybisch, 1520 bis 1540, und Andreas Winckler, 1538 bis 1555. Letzterer hatte auf der Universität Krakau studiert, war zu Wittenberg Magister geworden und bekleidete in Breslau das Amt eines Rektors zu St. Elisabeth. Er ist bis dahin der bedeutendste Drucker Breslau’s und zugleich Gründer der noch blühenden „Stadtbuchdruckerei“. Im Anfange des folgenden Jahrhunderts errichtete der gelehrte Professor und Arzt Peter Kirsten zu Breslau eine arabische Druckerei, aus welcher eine ziemliche Anzahl von Bänden hervorging; er nahm später seinen Druckapparat mit nach Upsala, wo er 1640 starb. [174] Wenn auch nicht die erste überhaupt, so doch die erste bedeutendere ständige Druckerstadt Norddeutschlands wurde Lübeck, wo die Thätigkeit von Lukas Brandis, 1475 bis 1499, von Bartholomäus Gothan, 1480 bis 1492 und besonders von Stephan Arndes von Hamburg, 1487 bis 1519, eine beträchtliche Anzahl von Druckwerken schuf. Letzterer, ein früherer Gehilfe Johann Neumeisters, der im nächsten Kapitel eine Rolle zu spielen haben wird, war von Foligno nach Perugia, dann nach Schleswig und zuletzt nach Lübeck gekommen. Hier zeichnet ihn besonders der Druck der zweiten niedersächsischen Bibel von 1494 aus. Weitere Drucker Lübecks sind noch Georg Richolff und der, wenn auch mit Unrecht, sprichwörtlich gewordene Johann Ballhorn, 1531 bis 1599. Auch Ludwig Dietz von Rostock kam 1533 zum Behuf des Drucks seiner ersten niedersächsischen Übertragung von Luthers Bibelübersetzung nach Lübeck, begab sich aber nach Vollendung dieses Prachtwerks 1534 wieder nach Rostock zurück, wo er 1559 starb.

Von lübischen Buchführern sind aus jener Zeit zu nennen Paul Knufflock[82] und Lorenz Albrecht. Ersterer, eigentlich Buchbinder, war nebenbei auch Schriftsteller und Übersetzer. Er verlegte unter anderm 1569 zuerst ein oft wieder gedrucktes Gebetbuch (Bedebok) und stand in lebhafter Geschäftsverbindung mit den dänischen Gebieten. Ebenso ausgedehnt waren die buchhändlerischen Beziehungen Lübecks zu den Ostseeprovinzen; sie datieren bereits aus dem 15. Jahrhundert.

Der Zeit nach folgen Rostock, 1476, wo die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ eine fruchtbare Thätigkeit entwickelten, und Prag, wo 1478 die „Articuli Statuum Utraquisticorum in comitiis Nimburgensibus conclusi“ lateinisch und czechisch gedruckt wurden; dann Eichstadt und Würzburg, wo 1478 und 1479 die Kunst durch Michael und Georg Reyser eingeführt wurde.

In Erfurt fand die Buchdruckerkunst 1482 eine Stätte. Der erste Drucker ist Paul Wider von Hornbach, bis 1485. Weiterhin druckten Hederich und Marx Ayrer, welch letzterer vorher in Nürnberg und später in Ingolstadt gearbeitet hatte; ferner Wolfgang Schenk (Lumpabulus Ganymedes). Der sonstigen Drucker und Verleger Erfurts in der Zeit des Humanismus wird im sechsten Kapitel gedacht werden. Nach Ablauf dieser Periode sinkt der Buchdruck Erfurts zur Unbedeutendheit herab und liefert, außer populärer Litteratur, meist nur Lohnarbeit für auswärtige Verleger; erst im 18. Jahrhundert blüht er wieder auf.

[175] Für Passau findet sich zwar bereits 1481 ein Druck: ein „Missale Pataviense“; jedoch kennt man nur ein Fragment, den Sommerteil, welcher den Namen des Druckers nicht nennt. Erst 1482 treten die Namen zweier Druckergenossen auf: Konrad Stahel und Benedikt Mair, von denen ersterer jedoch schon 1484 nach Venedig wanderte und dann 1491 wieder in Brünn thätig war. Mair verband sich dann mit Johann Alkrow, der zwar auch schon 1484 nach Winterberg in Böhmen zog, bald darauf aber nach Passau zurückkehrte und hier noch bis 1492 arbeitete.

Memmingen erhielt im Jahre 1482 die Buchdruckerkunst durch Albert Kunne aus Duderstadt, der von Trient aus dorthin übersiedelte. Während seiner vierzigjährigen Thätigkeit (bis 1519) gingen 60 Werke aus seinen Pressen hervor, welche meistenteils seine Druckerfirma tragen.

München spielt in der Geschichte der Buchdruckerkunst keine bedeutende Rolle. Der erste dortige Druck ist 1482 eine deutsche Ausgabe der „Mirabilia urbis Romae“; Johann Schauer soll sie angeblich mit Günther Zainerschen Typen gedruckt haben. Ihm folgten Johann Schobser, der bereits seit 1488 in Augsburg thätig gewesen war und als bayrischer Hofbuchdrucker nach München berufen wurde (1497 bis 1520) und sein Sohn Andreas (bis 1531); sie druckten vornehmlich deutsche Werke.

Reutlingen ist der Ausgangspunkt einer Reihe berühmter Buchdrucker, wie der Zainer, Othmar, Gryphius u. a. Johann Othmar begann hier seine Laufbahn 1482 und zog, wie schon erwähnt, 1497 nach Tübingen. Ein zweiter Drucker Reutlingens, Michael Greiff, wirkte von 1486 bis 1509. Aus ihren beiderseitigen Pressen sind zusammen etwa 60 Werke philosophischen und theologischen Inhalts hervorgegangen.

Die nächste Stelle nimmt Heidelberg[83] ein. Der erste unzweifelhaft sichere heidelberger Druck sind die „Sermones Hugonis de Prato florido“ von 1485. Derselbe trägt keinen Druckernamen und ist es bis jetzt noch nicht festgestellt, ob das Werk einem der beiden namentlich bekannten Erstlingsdrucker der Stadt, Heinrich Knoblochtzer und Friedrich Misch, zugeschrieben werden darf, denn ersterer war 1485 bis 1488 in Straßburg thätig und kam dann erst nach Heidelberg, letzterer aber nennt sich erst 1488 auf einem Druckwerk. Der von Aloys Schreiber[84] citierten Grabschrift eines angeblichen ersten heidelberger Druckers im Augustinerkloster oder Collegium Sapientiae zu Heidelberg: „Hans [176] von Laudebach ist mein nam, Die ersten Bücher truckt ich zu Rom, Bitt vor mein Seel, Gott gibt dir lon, Starb 1514 auf Sankt Stephan“, kann bei dem Mangel sonstiger Nachrichten über diese Persönlichkeit vollends kein Gewicht beigelegt werden. Im Jahre 1513 erscheint dann zum ersten mal ein förmlich angenommener Universitätsbuchdrucker, Jakob Stadelberger, von dem man jedoch auch nur ein einziges Druckwerk kennt.

Die Universitätsstadt Heidelberg scheint kein für den Buchdruck und Buchhandel günstiges Terrain gewesen zu sein, denn erst 1561 zeigen sich wieder Spuren eines Druckers; in diesem Jahre druckte Ludwig Luck: „Plutarchi vitae parallelae“. Dann folgen Johann Majer, der von 1563 bis 1577 den heidelberger Katechismus, und Michael Schirat, der 1567 eine Schrift des unglücklichen Superintendenten Johannes Sylvanus (1572 wegen kirchlicher Streitigkeiten enthauptet) druckte. Gleichzeitig erscheint Martin Agricola, der aber ebenso wie Jakob Müller, 1576 bis 1583; Johann Spieß, 1582 bis 1584; Abraham Smesmann, 1589 bis 1593, nur eine geringe Thätigkeit entwickelte. Erst mit dem Jahre 1587 bis 1598 tritt die Zierde der Buchdrucker Heidelbergs in dem gelehrten Hieronymus Commelin, geboren 1560 zu Douay, auf. Seine Klassikerausgaben stehen den Estienneschen an kritischem Werte nicht nach; der größte Teil derselben trägt gar nicht den Ortsnamen, sondern einzig die Unterschrift „Apud Commelinum“ oder „Ex officina Sanctandreana“. Die letztere Bezeichnung ist aus dem Namen des Faktors der Druckerei gebildet. Mit Übergehung anderer Drucker, die zum Teil zugleich Buchführer waren, seien noch die Gebrüder Philipp und Gotthard Vögelin aus Leipzig (1599 bis 1629) genannt. Sie erhielten Druckprivilegien auf Schulbücher. Neben ihrer Druckerei in Heidelberg errichteten sie noch eine zweite in Ladenburg; aus beiden ging eine große Zahl bedeutender Schriften hervor, darunter die von Marquard Freher verfaßten. Gotthard Vögelin (sein Bruder war wohl inzwischen gestorben) erhielt 1612 die Bewilligung zum unbeschränkten Verlags- und Sortimentsbuchhandel. Aber wie seinen Vater, verfolgte auch ihn das Unglück. Bei der Erstürmung Heidelbergs durch Tilly und bei der Verheerung der Umgegend kam er um seine ganze Habe; verarmt lebte er noch 1629 mit drei Kindern zu Worms.

Die alte Reichsstadt Regensburg ist im Jahre 1485 nur mit [177] Einem Drucke aufzuführen; es ist dies ein Missale, welches Johann Sensenschmid in Gemeinschaft mit Johann Beckenhub aus Mainz im Auftrage des Bischofs Heinrich vollendete.

Münster, die Hauptstadt Westfalens, verdankt die Einführung des Buchdrucks dem gelehrten Domherrn Rudolf von Langen, dessen lateinische Gedichte als erstes daselbst erschienenes Buch von Johann Limburg im Jahre 1486 gedruckt wurden. Zu einer größern Bedeutung hat sich jedoch die Presse Münsters nie erhoben. In das gleiche Jahr (1486) wird der Erstlingsdruck von Stuttgart gesetzt.

Als erste Drucker in Ingolstadt sind Johann Kachelofen, 1490, Marx Ayrer und Georg Wyrffel, 1497, zu nennen, während für das 16. Jahrhundert daselbst namentlich die Thätigkeit der Familien Weißenhorn und Sartorius hervortritt; sie entwickelten eine ganz bedeutende Verlagsthätigkeit.

Nach dem oben schon erwähnten Stendal (1488) verdient Hagenau, die kleine Reichsstadt im Elsaß und frühere Stätte eines ausgebreiteten Handschriftenhandels, wegen der überraschenden Rührigkeit seines ersten Druckers Heinrich Gran, 1489 bis 1527, ganz besonders hervorgehoben zu werden; über 200 Drucke gingen aus seinen Pressen hervor. Gran war jedoch nur Lohndrucker; die intellektuelle und materielle Triebfeder seiner großartigen Thätigkeit war der Buchführer Johann Rynmann in Augsburg, für welchen die meisten Werke gedruckt wurden. Neben ihm wurde Gran auch noch von andern Verlegern mit Aufträgen versehen, so von Johann Knoblauch in Straßburg und von Konrad Hist in Speyer. Daß Thomas Anshelm im Jahre 1516 von Tübingen nach Hagenau übersiedelte, wurde bereits erwähnt. Sein Nachfolger Johannes Secerius aus Laucha, 1519 bis 1535, trat ebenbürtig in seine Fußstapfen.

Im Jahre 1491 folgt Hamburg. „Für Hamburgs Geschichte“, sagt Lappenberg[85] , „ist neben dem 13. Jahrhundert, in welchem es seine bürgerliche Freiheit und eine politische Bedeutung erhielt, das 16. das wichtigste, und durch die manchen aus demselben zu uns gelangten Kunden das anziehendste. – Die Buchdruckergeschichte Hamburgs, über dessen Ringmauern hinausschreitend, führt uns ein anschauliches Bild seines damaligen Horizonts vor. Der krasseste katholische Aberglaube, Boccazens Zauberrede bis zu den Ohren der niedersächsischen Bürger gedrungen, [178] die Reformatoren und der intriguierende König von England, alle die Könige von Dänemark, ihre Krönungen, Vermählungen und andere Feste bis zur letzten Feier, die Adiaphora und die Sakramentierer, die geistlichen Lieder, die Pestilenz und der Kirchenbrand, die Kalenderweisheit und Astrologie, die dürftige Naturkunde und Medizin, die Rechtsbücher, besser redigiert, deren Druck das Recht dem mystischen Dunkel und der Vergessenheit entreißend, es vor jedes Bürgers Schwelle brachte, die aufkeimende gründliche Philologie, die Kunde des längst entschwundenen häuslichen Lebens und ersten Unterrichts, – dieses und so manches andere, was die der Gegenwart frohen Enkel nicht ganz vergessen sollen, sieht das Auge in den Büchertiteln vor sich vorüberziehen.“ Dem gegenüber sind die Anfänge der Buchdruckerei Hamburgs im 15. Jahrhundert nur dürftiger Natur. Es waren die Brüder Hans und Thomas Vorchardes, welche daselbst 1491 mit einem lateinischen Gebetbüchlein, den „Laudes b. Marie virginis“, als ihrem Erstlingsdruck hervortraten; Hans druckte bis 1510, in welchem Jahre noch einige Bücher in niedersächsischer Sprache bei ihm erschienen. Hamburg trat gleich in der ersten Zeit eifrig für die Sache der Reformation ein, weshalb die dortige Flugschriftenlitteratur (meist ohne Namensangabe der Drucker) eine ausgedehnte ist. Bedeutender war der Buchdruck Hamburgs im 16. Jahrhundert aber ganz besonders für die Verbreitung der niedersächsischen Litteratur. Es wirkten 1523 bis 1531 der schon seit Ende des 15. Jahrhunderts in Lübeck thätige Jürgen Richolff, 1536 und 1537 Franz Rohde, der aus Marburg gekommen war. Der bedeutendste Drucker der Stadt wurde aber Joachim Louwe, Lewe oder Löw, dessen Thätigkeit von 1549 bis 1569 reicht. Ihm folgte sein Sohn gleichen Namens bis zum Jahre 1589. Bis zum Ende des Jahrhunderts finden sich noch ein Dutzend andere Drucker, deren spezielle Aufzählung aber zu weit führen würde. Nennenswert ist aus späterer Zeit nur noch der gelehrte Georg Ludwig Frobenius (von 1602 an), ein Nachkomme des berühmten baseler Druckers. Von Buchführern ist eine ziemliche Reihe bekannt, ohne daß etwas besonderes über sie zu berichten wäre.

Der Schluß des 15. Jahrhunderts bringt nun noch das Auftreten der Buchdruckerkunst in einigen kleinern deutschen Städten, die aber des Bemerkenswerten so gut wie nichts bieten. In Freiburg im Br. ist es Kilian Fischer oder Piscator, der 1493 das erste Buch druckte, [179] während neben ihm gleichzeitig auch Friedrich Riederer thätig war; letzterer gab 1493 das von ihm selbst kompilierte populäre Rechtsbuch „Spiegel der wahren Rhetorik“ heraus. In dem gleichen Jahre, 1493, trat endlich Lüneburg, 1494 Oppenheim, 1495 Freisingen und 1496 Offenburg in die Reihe der Druckstädte.

So war der Boden befruchtet, das Haus bereitet, auf welchem sich im 16. Jahrhundert der deutsche Buchhandel kräftig entwickelte, in welchem er sich in geschäftlicher Eigenart einrichten konnte. Bevor aber die Schilderung dieser Entwickelung gegeben wird, ist es erforderlich, erst noch einen Blick auf die Verbreitung der Kunst außerhalb Deutschlands, als Grundlage der Beziehungen des deutschen Buchhandels zum Auslande, und auf das Objekt, mit welchem er arbeitete, auf das „Buch“ selbst in seiner geschichtlich gewordenen Form, zu werfen.

Fußnoten

[Bearbeiten]
  1. Lange, Ad., Peter Schöffer von Gernsheim, der Buchdrucker und Buchhändler. Leipzig 1864. 20 S.
  2. Wetter, J., Kritische Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst. Mainz 1836. S. 483. Die Stelle lautet: Hic liber mihi Ludovico de la Vernade, Militi Cancellario Domini mei Ducis Bourbonii et Alvernie, ac Praesidenti Parlamenti lingue Occitanie, quem dedit mihi Jo Fust supradictus Parisiis, in mense Julii MCCCCLXVI, me tunc existente Parisiis pro generali totius Francorum regni.
  3. Madden, J. P. A. Lettres d’un Bibliographe. III, 60.
  4. Schmidt, C., Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken in Straßburg. 1881. S. 92.
  5. Catalogue de la Bibliothèque de la Vallière, Addit. p. 26, und Lambinet, Origines de l’Imprimerie, p. 228.
  6. Lange a. a. O. S. 18.
  7. Haßler, K. D., Die Buchdruckergeschichte Ulms. Ulm 1840. S. 139.
  8. Linde, A. v. d., Gutenberg. S. LVI.
  9. Madden a. a. O. III, 88 fg. und v. d. Linde a. a. O. S. 285–287.
  10. Metz, Fr., Geschichte des Buchhandels und der Buchdruckerkunst. Darmstadt 1834. S. 241–245.
  11. Linde, v. d., a. a. O. S. 65.
  12. Madden a. a. O. IV, 40–122. Schmidt, C., a. a. O. S. 90–94.
  13. Panegyris Carolina. Straßburg 1521. S. 19.
  14. Linde, v. d., a. a. O. S. 65.
  15. Katalog der Klemmschen Sammlung. S. 104–106.
  16. Schmidt, C., a. a. O. S. 105; ferner für die nächsten Seiten 99 Anm. 2 und 106 u. 107.
  17. Schmidt, C., a. a. O. S. 108.
  18. Serapeum. Jahrgang 1852, S. 137, und Jahrgang 1853. S. 236 in den Aufsätzen von Strampff, der auch das Gedicht mitteilt, welches später C. Schmidt in seinem bereits vielfach angeführten Werke S. 160 abdruckt.
  19. Schmidt, C., a. a. O. S. 100–105; 152–159.
  20. Archiv für die Geschichte des deutschen Buchhandels. V, 83.
  21. Varrentrapp, C., Hermann v. Wied und sein Reformationsversuch in Köln. Leipzig 1878. S. 14 u. 15.
  22. Panzer, Annales. IV, 492. Nr. 396
  23. Ennen, L., Katalog der Inkunabeln der Stadtbibliothek zu Köln. S. III.
  24. Panzer, a. a. O. I, 304 Nr. 199. I, 306 Nr. 212.
  25. Ennen a. a. O. S. VII.
  26. Daselbst S. XI.
  27. Hain a. a. O. Sachsenspiegel 1480 (Nr. 14081) und Cordiale (Nr. 5703).
  28. Klemms Katalog. S. 181 u. 183.
  29. Ennen, L., Geschichte der Stadt Köln. Köln und Neuß 1869. III, 1041–1043.
  30. Kirchhoff, A., Beiträge zur Geschichte des deutschen Buchhandels. Leipzig 1851. I, 41 fg.
  31. Nach einem erst während des Drucks veröffentlichten Vortrag von A. Kirchhoff.
  32. Klemms Katalog. Nr. 809.
  33. Kirchhoff a. a. O. S. 90.
  34. Erasmi Opera. Lugduni Bat. 1703. Vol. III, 105.
  35. Panzer a. a. O. VIII, S. 118. Nr. 1742.
  36. Daselbst VII, S. 518. Nr. 155; S. 543. Nr. 374.
  37. Kirchhoff a. a. O. I, 103–110 u. 112.
  38. Merlo, J. J., Die Buchhandlungen und Buchdruckereien „Zum Einhorn“ vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Köln 1879, ein Büchlein, welches an innerm Wert die gewöhnlichen Jubiläumsschriften hoch überragt und bei der obigen Darstellung besonders für die Bezeichung der betreffenden Örtlichkeiten gedient hat.
  39. Sieber, L., „Ein Basler Druck von 1468“ im Feuilleton der Basler Nachrichten vom 2. März 1879 (Bericht über einen Vortrag, den der gelehrte Bibliothekar am 20. Februar 1879 in der Historischen Gesellschaft in Basel gehalten hatte.) Der Eintrag lautet: „Hunc solvi anno MCCCCLXVIII Joseph de Virgers praesbiter ecclesiae St. Hylarii Moguntini“ und zeigt nach Sieber eine dem 15. Jahrhundert angehörige Handschrift.
  40. Basler Taschenbuch auf das Jahr 1863, S. 250 in dem Aufsatz des Herausgebers D. A. Fechter: „Beiträge zur ältesten Geschichte der Buchdruckerkunst in Basel“, S. 245–258.
  41. Née de la Rochelle, Recherches sur l’établissement de l’art typographique en Espagne et en Portugal. Paris 1830. S. 43.
  42. Staatsarchiv Basel Stadt, Missivenbuch 1488–1491. S. 328.
  43. Daselbst 1481–1483. S. 131.
  44. Daselbst 1488–1491. S. 228. Obige Auszüge sind zuerst von J. J. Amiet in Solothurn mitgeteilt.
  45. Daselbst Missivenbuch 1488–1491. S. 281. Urkunde vom 23. April 1490.
  46. Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Basel 1845. II, 169.
  47. Maittaire, M., Annales typographici. Hagae 1729. I, 200; Le Long, Bibliotheca Sacra. I, 253. Jansen, Notice des Livres imprimés avant l’année 1501 dans les Pays Bas. Paris 1809. S. 304; Campbell, Annales de la Typographie néerlandaise. S. 222.
  48. Butsch, A. F., Bücherornamentik der Renaissance. Leipzig 1878. S. 39.
  49. Erasmi Opera. III, 1673 u. 1674.
  50. Stockmeyer, J., und B. Reber, Beiträge zur Basler Buchdruckergeschichte. Basel 1841. S. 89. In dieser äußerst wertvollen Festschrift zum Jubiläum des Jahres 1840 findet sich die beste Zusammenstellung der Basler Drucker und ihrer Werke.
  51. Daselbst S. 147.
  52. Platter, Thomas, Selbstbiographie, bearbeitet von Heinrich Boos. Leipzig 1878. S. 89–92.
  53. Rudolphi, E. C., Die Buchdruckerfamilie Froschauer in Zürich. Zürich 1869. S. XI.
  54. Katalog der Klemmschen Sammlung. S. 94 u. 95.
  55. Ilgenstein, M., Die älteste Buchdruckergeschichte Ulms im: Centralblatt für Bibliothekwesen. 1884.
  56. Zapf, G. W., Augsburgs Buchdruckergeschichte. Augsburg 1786. I, S. XII; II, S. VII.
  57. Panzer, G. W., Beschreibung der ältesten Augsburger Ausgaben der Bibel. S. 1–11.
  58. Mezger, G. C., Augsburgs älteste Druckdenkmale. Augsburg 1840. S. 7.
  59. Herberger, Th., Zur Geschichte der Einführung der Buchdruckerkunst in Augsburg. Daselbst 1865. S. 14, und Augsburger Steuerbücher, vom Verfasser im Januar 1882 eingesehen.
  60. Kirchhoff, A., Beiträge. I, 8–40; das Weitere nach einem inzwischen erst gedruckten Vortrag desselben.
  61. Meyer, L. E., Die Buchdruckerkunst in Augsburg bei ihrem Entstehen. Augsburg 1840. S. 25.
  62. Daselbst S. 26 und Butsch, A. F., Die Bücher-Ornamentik der Renaissance. Leipzig 1878. S. 24.
  63. Haßler, K. D., Die Buchdruckergeschichte Ulms. Ulm 1840. S. 10–87.
  64. Centralblatt für Bibliothekswesen. Leipzig 1884. Heft 6. S. 231 fg. und Heft 8. S. 313. Es steht nach Ilgensteins Ausführungen fest, daß von Hohenwang nur ein einziges Druckwerk existiert, welchem er seinen Namen als Drucker beisetzte; es ist dies die „Summa Hostiensis“ von 1447 (Hain Nr. 8961). Da in diesem Werke die Angabe des Ortes fehlt, dagegen in einem zweiten, mit denselben Typen hergestellten Werke, der Guldin Bibel (Hain Nr. 13690), die gedruckte Schlußschrift besagt: „Hie endet die guldin Bibel gedruckt zu Augsburg“, so ist es klar, daß der Druck beider Werke in der letztern Stadt vor sich gegangen ist. Während ferner Haßler auch den deutschen Vegetius, als dessen Übersetzer sich Hohenwang in der Vorrede kund gibt, dem letztern als Drucker zuschreibt, zeigt Ilgenstein, daß dieses Werk die gleichen Typen aufweist, wie sie Johann Wiener in Augsburg angewandt hatte, daß mithin auch hier ein augsburger Druck vorliegt. Schließlich aber stellt sich auch noch heraus, daß ebenso noch ein anderes Hauptwerk, das nach Haßler von Hohenwang gedruckt sein soll, von ihm nur herausgegeben ist, während der Druck selbst in Basel bei Michael Furter stattgefunden hat. Aus einer andern Ausgabe dieses letztern Werkes, Wimphelings „De fide concubinarum“, sind die interessanten Holzschnitte in Rich. Muthers Werke: „Die deutsche Bücherillustration der Gothik und Frührenaissance“ (Taf. 94–103) reproduziert worden. Man hat ohne Kritik auch diese Ausgabe Ludwig Hohenwang zugeschrieben, der jedoch auch hier nur der Verfasser der darin enthaltenen deutschen Verse und Motti ist, während als Drucker vielleicht Johann Grüninger in Straßburg angesehen werden darf. Das Ergebnis dieser Untersuchungen, die von dem genannten Verfasser am Schlusse seiner Abhandlung tabellarisch zusammengetragen sind, ist, daß Ludwig Hohenwang nur als Drucker der beiden obengenannten Werke und zwar zu Augsburg gelten darf, während es mehr als zweifelhaft bleiben muß, ob er auch identisch mit dem Verfertiger der Holzschnitte ist, welcher sich in einer Ausgabe der „Ars moriendi“ daselbst „Ludwig ze vlm“ genannt hat.
  65. Klemms Katalog. S. 328–330.
  66. Wustmann, G., Die Anfänge des leipziger Bücherwesens. Leipzig 1879. S. 11.
  67. Hase, O., Die Koburger Buchhändlerfamilie zu Nürnberg. Leipzig 1869. Eine vortreffliche Arbeit, unentbehrlich für die Kenntnis und Würdigung A. Kobergers, leider zur Zeit vergriffen. Vom Verfasser vielfach benutzt. (Eine neue, vollständig umgearbeitete Auflage ist während des Druckes erschienen.)
  68. Klemms Katalog. S. 353.
  69. Kirchhoff, A., Johann Herrgott, Buchführer von Nürnberg, und sein tragisches Ende, im Archiv f. Gesch. d. Deutschen Buchhandels. I, 15–56.
  70. Wustmann, G., Die Anfänge des leipziger Bücherwesens. Leipzig 1879, wonach auch das Zunächstfolgende.
  71. Der Stoff zu den meisten hier von Herrn F. Herm. Meyer gemachten Zusätzen und zu einem großen Teil des Abschlusses des Abschnittes Leipzig ist dem Manuskript des schon erwähnten Vortrags von A. Kirchhoff entnommen.
  72. Hain, Repertorium. Nr. 15923; fehlt aber im Index.
  73. Mayer, A., Wiens Buchdruckergeschichte. Wien 1883. I, 32.
  74. Götze, L., Ältere Geschichte der Buchdruckerkunst in Magdeburg. 1. Abteil.: Die Drucker des 15. Jahrhunderts. Magdeburg 1872. – Hülße, F., Beiträge zur Geschichte der Buchdruckerkunst in Magdeburg. I. Die Drucker von 1500–1552. (In: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg. 15. 16. Jahrgang. 1880. 1881.)
  75. Kirchhoff, Beiträge. I, 143.
  76. Roth, R., Das Büchergewerbe in Tübingen vom Jahr 1500 bis 1800. Tübingen 1880. – Steiff, K., Der erste Buchdruck in Tübingen (1498–1534). Tübingen 1881.
  77. Meyer, F. H., Primus Truber, Hans Freiherr von Ungnad und Genossen. (In: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels VII.)
  78. Eichsfeld, E. G., Relation vom Wittenbergischen Buchdrucker-Jubiläo 1740, nebst einer historischen Nachricht, von allen Wittenbergischen Buchdruckern, welche seit Erfindung der Buchdrucker-Kunst, sonderlich zur Zeit der Reformation Lutheri, allhier Druckereyn gehabt haben. Wittenberg 1740.
  79. Hülße a. a. O. S. 277.
  80. Vergl. G. Reichhart, Die Druckorte des 15. Jahrhunderts. Augsburg 1853.
  81. Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens. XV, 1.
  82. Wiechmann-Kadow, Paul Knufflock, Buchhändler zu Lübeck. (In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. II, 2. 1865.)
  83. Zum Gedächtniß der vierten Säcularfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst zu Heidelberg. Heidelberg 1840. 4. Abschnitt.
  84. Schreiber, A., Heidelberg und seine Umgebungen. Heidelberg 1811.
  85. Lappenberg, J. M., Zur Geschichte der Buchdruckerkunst in Hamburg. Hamburg 1840.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Episcopins