Die Wolken (Aristophanes)
Die Wolken.
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Strepsiades, ein attischer Landmann.
Pheidippides, sein Sohn.
Ein Knecht des Strepsiades.
Schüler des Sokrates.
Sokrates.
Chor der Wolken.
Der Vertreter des Rechtes.
Der Vertreter des Unrechts.
Pasias.
Amynias.
Ein Zeuge.
Chärephon.
Stumme Personen.
Jahr der Aufführung: Olymp. 89, 1. 423 vor Chr. unter dem Archon Isarchos.
[4]
Morgendämmerung. Wohnung des Sokrates. In der Nähe derselben das Haus des Strepsiades, in dessen Schlafgemach man hineinsieht.
Strepsiades. Pheidippides. Einige Knechte im Hintergrunde.
Alle liegen schlafend auf ihrem Nachtlager.
Strepsiades.
(erwacht gähnend.)
Ju! Ju!
O König, o Zeus! Wie sind die Nächte doch so lang!
Maßlos, unendlich! Wird es niemals wieder Tag?
Und doch vernahm ich lange schon des Hahnes Ruf!
Krieg, fahre du zur Hölle, jezt und allezeit,
Nun ich sogar die Knechte nicht mehr prügeln darf!
Und auch der saub’re Junge hier wacht nimmer auf,
Die ganze Nacht nicht, sondern farzt unausgesezt,
Nun, wenn es sein soll, schnarch’ ich auch, wohl eingehüllt.
(nach einer Pause, in welcher er zu schlafen versucht.)
Nein, schlafen kann ich Armer nicht, so beißt es mich,
Das Zahlen, das Rossefüttern und die Schuldenlast
Um dieses Jungen willen. Er, in langem Haar,
Und träumt von Pferden. Aber ich verzweifele,
So oft der Zahltag mit dem Vollmond wiederkehrt;
Denn die Zinse wachsen! –
(er rüttelt einen Knecht auf.)
Knabe, zünd’ ein Licht mir an,
Und bringe das Hausbuch, – möchte seh’n, wie Vielen ich
(der Knecht bringt Licht und Buch.)
Laß sehen, was ich schuldig bin! An Pasias
Zwölf Minen! – Zwölf an Pasias? Wofür? Wozu? –
Ich Tropf, den Koppa kauft’ ich: ach! O hätt’ ein Stein
Vorher das Aug’ ihm aus dem Kopf herausgebohrt!
Pheidippides.
(im Schlafe.)
Strepsiades.
Das ist es, das bereitet mir den Untergang!
Vom Wagenlenken träumt er auch im Schlafe noch.
Pheidippides.
(wie oben.)
Wie viele Gänge machst du denn im Wagenspiel?
Strepsiades.
Mit mir, dem Vater, machst du wohl manch tollen Gang!
(er liest weiter in dem Hausbuch.)
„Für Stuhl und Rad drei Minen an Amynias.“
Pheidippides.
(wie oben.)
Nun fort zur Schwemme mit dem Roß, und dann nach Haus!
Strepsiades.
Mich, Schlingel, hast du fortgeschwemmt von Haus und Hof.
Der will die Hauptschuld heimbezahlt, und Andre droh’n
Pheidippides.
(erwachend.)
Mein Vater, ach!
Was stöhnst du, wirfst dich bang’ umher die ganze Nacht?
Strepsiades.
Mich beißt ein Schulze brummend aus dem Bett hinaus.
Pheidippides.
Ein wenig ausruh’n laß mich noch, mein Theuerster!
(er legt sich sich auf die andere Seite.)
Strepsiades.
So schlafe nur: doch diese Schulden fallen einst,
Weh, weh!
O hätte sie der Henker, jene Kupplerin,
Die mich beschwazte, daß ich deine Mutter nahm!
Mein Leben auf dem Lande war so wohlgemuth,
Ein wirres Durcheinander, recht in Speck und Koth,
Da nahm ich Bauer eine Städterin zum Weib,
Megakles’ Schwestertochter aus Megakles’ Haus,
Vornehm und flott, leibhaftig eine Kösyra.
Wie nach der Hochzeit ich in’s Brautbett stieg mit ihr,
Sie nach Safran, Pomade, Liebesschnäbelei,
Hoffahrt, Verschwendung, Buhlerei’n und lauter Lust.
Nicht daß sie faul war, sag’ ich, nein, sie zettelte,
Sie wob; ich zeigte dieses Wamms ihr oft zum Schein,
Der Knecht.
(einredend.)
O Herr, in unsrer Ampel ist kein Tropfen Oel.
Strepsiades.
Verdammt!
Was steckst du denn auch diese durstige Ampel an?
Komm her, du sollst mir heulen!
Der Knecht.
Aber, Herr, wofür?
Strepsiades.
(schlägt ihn.)
Da – weil du so ’nen dicken Docht hineingesteckt! –
(der Knecht läuft hinaus.)
Ich sage, mir und meinem wackern Eheweib,
Entspann um seinen Namen sich alsbald ein Zank.
Sie wollt’ ein „Hippos“ angehängt, und hieß ihn bald
Xanthippos, bald Charippos, bald Kallippides;
Wir zankten noch ein Weilchen; endlich wurden wir
Mit einander eins und nannten ihn Pheidippides.
Dies Söhnchen nahm die Mutter oft, und hätschelt’ ihn:
„Kind, wenn du groß bist und im Purpurrock zur Stadt
„Nein, wenn du, wie dein Vater, einst von Phelleus’ Höh’n
Die Ziegen treibst, in einen Schafpelz eingehüllt“ – –
Doch half es nichts, er folgte meinen Worten nicht,
Und schleppte mir die Pferdesucht in’s Haus herein.
Und Einen Weg noch fand ich, einzig, göttlich schön.
Bered’ ich ihn zu diesem, dann bin ich gedeckt.
Nun, aus dem Schlafe wecken laß mich ihn zuerst! –
Wie kann ich ihn ganz leise, leise wecken? Wie? –
(er geht an sein Lager und weckt ihn behutsam.)
Pheidippides.
Vater, was?
Strepsiades.
Kind, küsse mich und gib mir deine Hand einmal.
Pheidippides.
Hier hast du sie! Was weiter?
Strepsiades.
Sage: liebst du mich?
Pheidippides.
So wahr der Rosse großer Gott, Poseidon, herrscht!
Strepsiades.
O still von diesem Rossegott, ich bitte dich!
Doch wenn du mich wahrhaft von Herzensgrunde liebst,
So folge mir, mein Söhnchen.
Pheidippides.
Und was soll ich denn?
Strepsiades.
Wend’ um so schnell als möglich, werd’ ein andrer Mensch,
Und gehe lernen, was ich dir empfehlen will.
Pheidippides.
Strepsiades.
Wirst du folgen?
Pheidippides.
Ja,
Das werd’ ich, bei’m Dionysos.
Strepsiades.
Hieher schaue denn!
(sie treten aus dem Hause.)
Du siehst doch hier das Pförtchen und das kleine Haus?
Pheidippides.
Ich seh’ es; aber, Vater, sprich, was soll’s damit?
Strepsiades.
Da haben weise Geister ihr Studirgemach.
Der Himmel sei nichts Andres, als ein Stülpkamin,
Der rings um uns sich wölbe, wir die Kohlen drin.
Die lehren dich, mit Worten Unrecht oder Recht
Siegreich verfechten, wenn du sie dafür bezahlst.
Pheidippides.
Strepsiades.
Den Namen weiß ich nicht genau:
Ideengrübler, edle feine Leute sind’s
Pheidippides.
Ahah! Die Schufte kenn’ ich wohl. Die windigen
Barfüße meinst du, meinst die Bleigesichter doch,
Mitsamt dem Unhold Sokrates und Chärephon?
Strepsiades.
Nein, liegt dir Etwas an des Vaters liebem Brod,
So werde dieser Einer, laß die Pferde sein.
Pheidippides.
Nein wahrlich, bei’m Dionysos, nein, und gäbst du mir
Die Goldfasanen aus dem Park des Leogoras.
Strepsiades.
Geh hin und lerne!
Pheidippides.
Vater, und was lern’ ich denn?
Strepsiades.
Zwei Reden haben jene Herrn, behauptet man,
Die stärk’re, wie sie’s nennen, und die schwächere.
Von diesen beiden, heißt es, kann die schwächere
Erlernst du nun die ungerechte Rede mir,
So zahl’ ich Niemand einen Obolos zurück
Von all dem Gelde, das ich deinethalb geborgt.
Pheidippides.
Das lass’ ich bleiben: denn so bleich und abgezehrt,
Strepsiades.
Dann, bei Demeter, kostest du nicht mehr mein Brod,
Du nicht, und nicht dein Renner, nicht dein Sattelroß:
Ich jage dich zum Geier aus dem Hause fort.
Pheidippides.
So läßt der Ohm Megakles mich nicht ohne Roß;
(geht ab)
Strepsiades allein.
Strepsiades.
Nun, bin ich auch gefallen, steh’ ich wieder auf.
Und alle Götter fleh’ ich an und wandere
In die Denkerklause, nehme selbst noch Unterricht.
(nach einer Pause, vor der Thüre des Sokrates.)
Doch – bring’ ich Alter, stumpf, vergeßlich, wie ich bin,
Frisch zu! Warum auch drucks’ ich da noch lang herum,
Und poltre nicht an die Thüre?
(er pocht an.)
Junge! Jüngelchen!
Strepsiades. Ein Schüler des Sokrates.
Der Schüler.
Zum Geier du! Wer ist es, der an die Thüre pocht?
Strepsiades.
Des Pheidon Sohn, Strepsiades, von Kikynna her.
Der Schüler.
Unwissenschaftlich an die Thüre strampft und mir
Abtrieb die Frucht des Gedankens, der im Werden war!
Strepsiades.
Verzeihe mir: ich wohne weitweg – auf dem Land.
Doch sage mir: was ist das abgetriebne Ding?
Der Schüler.
Strepsiades.
Dann sage mir’s getrost: ein Schüler komm’ ich ja,
So wie ich bin, in eure Denkerklause hier.
Der Schüler.
So höre; doch verehr’ es als Mysterion!
Nur eben fragte Sokrates den Chärephon,
Den Chärephon stach einer in die Brau’n und sprang
Von dort in Eile nach dem Kopf des Sokrates.
Strepsiades.
Wie hat er das gemessen?
Der Schüler.
Auf’s geschickteste.
Erst läßt er Wachs zergehen, nimmt darauf den Floh,
Das Ding erkaltet, hat der Floh Pantoffeln an.
Die löst er ab und mißt damit den Zwischenraum.
Strepsiades.
O König, o Zeus! Das nenn’ ich einen feinen Kopf!
Der Schüler.
Was wirst du erst zu einem andern Geistesfund
Strepsiades.
Welchem? Sprich, ich bitte dich.
Der Schüler.
Ihn fragte neulich Chärephon, der Sphettier,
Was seine Meinung wäre, ob die Schnacken wohl
Mit dem Munde geigen oder durch das Hintertheil.
Strepsiades.
Was sagt’ er über die Schnacke dann, der weise Mann?
Der Schüler.
Da muß die Luft wohl, eingepreßt in kleinem Raum,
Die Bahn sich brechen mit Gewalt, dem Steiße zu;
Wenn dann die Mündung an dem engen Schlunde sich
Erweitert, fährt mit hellem Ton der Wind heraus.
Strepsiades.
O selig dreimal, wer in Darmes Tiefen blickt!
Wie leicht entgeht er vor Gericht den Gläubigern,
Wer so der Schnacke Darmkanal ergründet hat!
Der Schüler.
Jüngst freilich ward ihm eine große Kraftidee
Strepsiades.
Erzähle: wie?
Der Schüler.
Da stand er Nachts und spähte nach des Mondes Bahn
Und seinem Umlauf; wie er so mit offnem Mund
Aufsah, beschmiß das Thierchen ihn vom Dach herab.
Strepsiades.
Spaßhaft! Die Eidex überschmeißt den Sokrates!
Der Schüler.
Strepsiades.
Gut: und das Brod zu schaffen, was ersann er dann?
Der Schüler.
Er streute feine Asche dort auf seinen Tisch,
Nahm einen Bratspieß, bog ihn krumm, und zirkelte,
Und aus der Ringbahn führt’ er ab ein Opferstück.
Strepsiades.
Flugs öffne, Lieber, öffne flugs die Denkerei,
Und ohne Säumen zeige mir den Sokrates!
Mich schülert recht. Wohlan denn, öffne mir die Thür!
(Die Thüre öffnet sich: man erblickt einen Haufen Schüler in wunderlichen Stellungen, auch allerlei Lehrgeräthschaft.)
Strepsiades.
Herakles! Was für Wunderthiere seh’ ich da?
Der Schüler.
Strepsiades.
Ganz wie die Sparter, die man jüngst in Pylos fing. –
Was aber seh’n denn jene so zur Erde hin?
Der Schüler.
Sie suchen, was die Erde birgt.
Strepsiades.
Sie suchen wohl
Nach Trüffeln? Hierum grübelt euch nicht weiter ab!
Was thun denn diese, die da steh’n so tief gebückt?
Der Schüler.
Die späh’n im Abgrund tief hinab zum Tartaros.
Strepsiades.
Was aber guckt ihr Hintertheil zum Himmel auf?
Der Schüler.
Das treibt für sich Sternkunde ganz auf eigne Hand.
(zu einigen Schülern, die sich neugierig herbeigedrängt haben.)
Strepsiades.
O laß sie noch, ich bitte, laß sie bleiben, bis
Ich sie mit meinem Handel erst bekannt gemacht.
Der Schüler.
Es ist den Schülern nicht erlaubt, an freier Luft
Sich außen aufzuhalten gar zu lange Zeit.
(Die Schüler ziehen sich in das Haus zurück; Strepsiades folgt ihnen bis an die Schwelle.)
Strepsiades.
(eine Himmelskugel erblickend.)
Der Schüler.
Gehört zur Sternenkunde, Freund.
Strepsiades.
(auf Meßgeräthe zeigend.)
Und dieses da?
Der Schüler.
Zur Geometrie gehört es.
Strepsiades.
Wozu nüzt denn das?
Der Schüler.
Um Feld und Land zu messen.
Strepsiades.
Wohl verloostes Land?
Der Schüler.
Nein, nein, die ganze Erde.
Strepsiades.
Das ist allerliebst!
Der Schüler.
(auf eine Erdkarte zeigend.)
Hier ist ein Abriß von der ganzen Erde. Sieh!
Da liegt Athen.
Strepsiades.
Wie redest du? Das glaub’ ich nicht;
Denn, wie ich sehe, sizen keine Richter hier.
Der Schüler.
Du darfst mir kecklich glauben: dies ist attisch Land.
Strepsiades.
Der Schüler.
Da steckt’s mit innen. Hier Euböa, wie du siehst;
Da neben liegt es lang und weit dahingestreckt.
Strepsiades.
Ich weiß; von uns ward’s hingestreckt und Perikles.
Wo liegt denn nur Lakedämon?
Der Schüler.
Wo? Gerade hier.
Strepsiades.
Daß ihr das Nest da möglichst weit wegschafft von uns!
Der Schüler.
Das ist, bei Gott, unmöglich!
Strepsiades.
Dann steht’s schlimm für euch!
(Er sieht in die Höhe und erblickt den Sokrates in einer Hängematte, in Beschauung des Himmels vertieft.)
Ha!
Wer ist denn der da droben, dort in dem Hängekorb?
Der Schüler.
(feierlich andächtig.)
Er!
Strepsiades.
Welcher Er denn?
Der Schüler.
Sokrates!
Strepsiades.
O Sokrates!
(zu dem Schüler.)
Der Schüler.
(macht sich zu thun.)
Ei, rufe du ihn selber: mir gebricht die Zeit.
(geht in’s Haus.)
Strepsiades. Sokrates.
Strepsiades.
O Sokrates!
O Sokrateschen!
Sokrates.
(langsam und feierlich.)
Tagessohn, was rufst du mich?
Strepsiades.
Vor Allem, bitt’ ich, sage mir, was schaffst du da?
Sokrates.
Strepsiades.
So, so? Vom Korb aus siehst du über die Götter weg,
Und nicht von eb’ner Erde?
Sokrates.
Traun, ich hätte nie
Der himmlischen Dinge Wesenheit wahrhaft erforscht,
Wenn nicht Gedanken hohen Schwungs, feinsinnige
Denn wenn, am Grunde haftend, ich von unten her
Das Droben spähte, fänd’ ich’s nie: die Erde zieht
Die Feuchtigkeit des Denkens mit Gewalt an sich.
Genau dasselbe, wie sich’s bei der Kresse macht.
Strepsiades.
(tief nachsinnend.)
Das Denken sollte Feuchtigkeit in die Kresse zieh’n'? –
Nun komm, o Sokrateschen, steig’ herab zu mir,
Und gieb in dem mir Unterricht, weßhalb ich kam.
Sokrates.
(steigt herab.)
Mein Freund, warum denn kamst du?
Strepsiades.
Reden lernt’ ich gern.
Die reißen mich, zerren mich, pfänden Hab’ und Gut[1] mir aus.
Sokrates.
Wie kamst du denn in Schulden, unbemerkt dir selbst?
Strepsiades.
Mich rieb ein fressend Uebel auf, die Pferdesucht.
Drum lehre mich von deinen beiden Reden die,
Verlangst, erhältst du, bei den Göttern schwör’ ich es.
Sokrates.
Bei was für Göttern? Denn die Götter sind bei uns
Nicht gangbare Münze.
Strepsiades.
Nun, worauf denn schwöret ihr?
Auf Eisenmünzen etwa, wie die Byzantier?
Sokrates.
Wie’s wirklich ist?
Strepsiades.
Ja wahrlich, wenn es möglich ist.
Sokrates.
Und mit den Wolken, die für uns Gottheiten sind,
Im Zwiegespräch verkehren?
Strepsiades.
Ja, von Herzen gern.
Sokrates.
So seze dich auf dieses heilige Lotterbett.
Strepsiades.
Sokrates.
Diesen Kranz nimm jezt von mir.
Strepsiades.
Wozu den Kranz? Ach! Sokrates, ihr werdet doch
Nicht gar mich opfern wollen, wie den Athamas?
Sokrates.
Das nicht; wir nehmen alles dies mit Jedem vor,
Der eingeweiht wird.
Strepsiades.
Was gewinn’ ich denn damit?
Sokrates.
Wie Mehl so fein.
(er zerreibt Steine über seinem Kopfe, so daß er mit Steinmehl bedeckt wird; Strepsiades beugt aus und schüttelt sich ab.)
Nur halte still!
Strepsiades.
Das lügst du nicht,
Bei Zeus: zu Mehlstaub werd’ ich, so bestreut bin ich.
Strepsiades. Sokrates. Später der Chor der Wolken.
Sokrates.
(betet in höchster Feierlichkeit.)
Voll Andacht ziemt es zu schweigen dem Greis, und fromm dem Gebete zu lauschen.
Allherrschender Gott, unermeßliche Luft, die den Erdball schwebend emporhält,
Steigt auf und dem sinnenden Forscher erscheint, ehrwürdige Frau’n, in den Lüften!
Strepsiades.
(zieht den Mantel über den Kopf.)
Noch nicht, noch nicht, bis den Mantel ich erst umschlug, um dem Regen zu wehren! –
Unseliger ich, daß ohne den Hut ich heute von Haus mich entfernte!
Sokrates.
Auf, auf, o gefeierte Wolken, erscheint und enthüllt ihm eure Gestalten,
Ob festliche Reih’n mit den Nymphen ihr schlingt in Vater Okeanos’ Gärten,
Ob ihr eben die Flut an den Borden des Nil einschöpft in die goldenen Eimer,
Ob ihr weilet am See der Mäoten, ob fern auf schneeiger Kuppe des Mimas, –
O hört mich, empfangt mein Opfer mit Huld, und der heiligen Weihen erfreut euch!
Der Chor der Wolken.
(Man hört den Gesang aus der Ferne, von Bliz und Donnerschlägen begleitet.)
Strophe.
Hebt euch, leuchtend in ewig beweglichen Thauesgestalten,
Her von dem tosenden Vater Okeanos.
Auf die bewaldeten Häupter erhabener
Berge, von wannen wir
Lande, von Früchten geschwängert, und göttliche
Ströme mit rauschenden Wellen und wogende,
Tiefaufbrausende Meere hinabschau’n!
Denn unermüdet ja leuchtet das Auge des Aethers,
Auf, von dem thauigen Schleier enthüllen wir
Uns den unsterblichen Leib und betrachten mit
Fernspähendem Auge das Erdreich!
Sokrates.
Ihr hoch ehrwürdigen Wolken erschient und hörtet mich, als ich emporrief!
(zu Strepsiades.)
Strepsiades.
Ja, ich beuge mich tief, ihr Erhab’nen, vor euch, und des rollenden Donners Geprassel
Entgegenzuknallen, gelüstet mich wohl, ich erbebe vor euch und erzitt’re:
Und ob es erlaubt ist oder auch nicht – ich verhalt’ es nicht länger, ich kacke!
Sokrates.
O laß mir die Possen und mache mir’s nicht, wie des Lustspiels Hefengespenster!
Der Chor der Wolken.
(Der Gesang kommt allmählig näher.)
Gegenstrophe.
Mädchen mit thauendem Haar!
Wallen wir hin zu der Pallas gesegnetem Lande, des Kekrops
Heldengebiet zu begrüßen, das liebliche,
Wo zu der unnennbaren Geheimnisse
Haus an den Festen der Weihe sich aufschließt,
Dort, wo heilige Gaben die Himmlischen,
Bilder und ragende Tempel, verherrlichen,
Festzüg’ auch zu den Sizen der Seligen
Wechseln im Tanze der Horen:
Heut im Beginne des Lenzes die bacchische
Lust und singender Chöre Bezauberung
Bei schmetterndem Klange der Flöten!
Strepsiades.
Die da den Gesang anstimmten so hehr? Sind’s doch nicht gar Heroinen?
Sokrates.
Das nicht; nein, Wolken in himmlischem Raum, für die Müssigen schirmende Götter,
Die Scharfsinn uns, dialektische Kraft und Erkenntniß gnädig verleihen,
Und die rührende Kunst, die beschwazende Kunst und den blendenden Zauber des Wortes.
Strepsiades.
Und es drängt sie bereits, spizfindelnd den Dunst haarfein zu zerlegen mit Worten,
Und Spruch mit Sprüchelchen stechend, ein Wort auf jegliches Wort zu versezen,
Daß (ist es erlaubt) mich sehnlich verlangt, sie jezt mit den Augen zu schauen.
Sokrates.
So wende den Blick zu dem Parnes hin. Schon wandeln sie, seh’ ich, hernieder
Strepsiades.
Wo? Zeige mir: wo?
Sokrates.
Hier kommen sie, schreitend in Haufen,
Thalschluchten hindurch und Dickichte durch, dorthin an der Seite.
Strepsiades.
Was ist das?
Ich sehe sie nicht.
Sokrates.
An dem Eingang dort.
Strepsiades.
Jezt endlich, ein wenig, zur Noth noch.
Sokrates.
Jezt siehst du sie doch wohl endlich, wo’s nicht vor dem Auge dir hängt, wie ein Kürbis.
Strepsiades.
Ja, ja, bei’m Zeus! O verehrteste Frau’n!
Sokrates.
Schon füllen sie sämmtliche Räume.
(Der Chor der Wolken hat sich um die Thymele in der Orchestra gelagert.)
Strepsiades.
Nein, wahrlich, bei Zeus, sie kamen mir stets wie Dunst und Nebel und Thau vor.
Sokrates.
Nicht also, bei Zeus! Nein, wisse vielmehr, die füttern ein Heer von Sophisten,
Heilkünstler die Meng’ und Prophetengezücht, Ringfingerignägelberingte,
Meteorwindbeutel, und Sänger dazu, dithyrambischer Chöre Verschnörkler;
Strepsiades.
Drum sangen sie wohl von des nassen Gewölks blizleuchtendem grimmigem Sturmdrang,
Von den Locken des wirbelnden Hunderthaupts und der wildauftosenden Windsbraut,
Von den luftigen, duftigen Vögeln sodann, krummklauigen Schwimmern im Luftmeer,
Und von strömender Flut aus Regengewölk. Dafür zum Lohne verschlangen
Sokrates.
Und verdienten sie das um die Göttinnen nicht?
Strepsiades.
Wohl; aber erkläre mir Eines:
Wenn Wolken es sind, leibhaft, in der That, was gleichen sie sterblichen Weibern?
Die droben ja sind ganz andrer Gestalt.
Sokrates.
Nun, wie sind diese gestaltet?
Strepsiades.
Ich weiß nicht recht; doch scheinen sie mir wie flatternde Flocken von Wolle,
Sokrates.
Gib denn auf unsere Frage Bescheid.
Strepsiades.
Schnell frage denn, was dich gelüstet.
Sokrates.
Sprich, sahst du, zur Höh’ aufblickend, einmal ein Gewölk, gleich einem Kentauren,
Wohl auch, wie Wolf, wie Pardel und Stier?
Strepsiades.
O warum nicht? Aber wozu das?
Sokrates.
Sie gestalten sich so, wie’s ihnen beliebt. Und sehen sie einen gelockten
Dann äffen sie spottend die Tollheit nach und verwandeln sich schnell in Kentauren.
Strepsiades.
Und – seh’n sie den Simon, welcher den Raub am Gemeinschatz übte – was thun sie?
Sokrates.
Ihn stellen sie dar nach seiner Natur und verwandeln sich plözlich in Wölfe.
Strepsiades.
Drum auch, drum! Als sie den Mann ohne Schild, den Kleonymos, gestern erblickten,
Sokrates.
So jezt auch, weil sie den Kleisthenes sah’n, drum (siehst du ihn?) wurden sie Weiber.
Strepsiades.
(zu dem Chore der Wolken)
Willkommen mir denn, ihr Erhabenen, hier! Und nun, wenn einem der Menschen,
Laßt schmettern die hochhinschallende Stimm’ auch mir, allwaltende Jungfrau’n!
Die Chorführerin.
(zu Strepsiades:)
Willkommen, o Greis, vieljähriges Haupt, du Waidmann hoher Gedanken!
(zu Sokrates:)
Denn keinem der Anderen leih’n wir Gehör von den heutigen Forschern im Luftraum,
Wie dem Prodikos, den wir um seinen Verstand, als sinnigen Grübler bewundern,
Und dir, da du stolz in den Gassen dich blähst und die trozigen Augen umherwirfst,
Und, barfuß stets, viel Noth ausstehst, und zu uns so gewichtig emporschaust.
Strepsiades.
Sokrates.
Ja, sie, nur sie sind Göttinnen uns, und das Andere alles ein Schnickschnack.
Strepsiades.
Und Zeus – bei der Erde beschwör’ ich dich, Herr – ist Zeus, der Olympier, kein Gott?
Sokrates.
Ah, was für ein Zeus? Wie faselst du da! Kein Zeus lebt!
Strepsiades.
Was du behauptest!
Wer regnete denn? Dies mußt du mir doch vorerst und vor Allem erklären.
Sokrates.
(auf die Wolken deutend)
Wo hast du den Zeus denn ohne Gewölk nur Einmal regnen gesehen?
Das müßt’ er ja thun bei heiterer Luft, und die da wären auf Reisen.
Strepsiades.
Bei’m großen Apoll, das hast du mir nun mit dem bündigsten Worte bewiesen!
Sonst meint’ ich im Ernst, daß der regnende Zeus durch ein Sieb abschlage das Wasser.
Sokrates.
Sie donnern, sie selbst, hoch rollend, daher.
Strepsiades.
Wie so, „du Verwegner in Allem“?
Sokrates.
Wenn sie, mächtig geschwellt von den Massen der Flut, aus innerem Drang sich bewegen,
Voll Regen darauf sich senken herab, dann prallen die wogenden Wasser
Mit gewaltiger Wucht an einander im Sturz und bersten entzwei mit Getose.
Strepsiades.
Sokrates.
Nicht doch; der ätherische Umschwung ist’s.
Strepsiades.
Umschwung? Ich hörte noch niemals,
Daß Zeus nichts ist, und für Zeus nunmehr als König gebietet der Umschwung.
Doch hast du noch nicht mir das Donnergeroll und den Grund des Getoses erläutert.
Sokrates.
So verhörtest du, was ich dir eben gesagt von den regengeschwängerten Wolken,
Strepsiades.
Wie soll ich mir das vorstellen?
Sokrates.
Ich will’s an deiner Person dir erläutern.
Wohl fülltest du schon an den Panathenä’n mit Brüh’n dir den Magen: erhob sich
Da nicht alsbald im Gedärm ein Tumult mit entsezlichem Knurren und Prasseln?
Strepsiades.
Ja wohl, da wurmt es dem Magen sogleich, er geräth in gewaltigen Aufruhr,
Im Anfang thut’s ganz leise Papax, Papapax, dann stärker Papappax;
Und bin ich im Stuhl, dann donnert es laut Papapappax, völlig wie die da.
Sokrates.
Nun denke dir nur, wie gewaltig du schon mit dem winzigen Bäuchelchen Lärm machst,
So begreifst du’s leicht, wie der Luftkreis dort, der unendliche, fürchterlich donnert.
Strepsiades.
Doch erkläre mir noch, wo der schmetternde Keil her fährt mit der leuchtenden Flamme,
Der, wen er erschlägt, zur Asche verbrennt, und versengt, die lebend davongehn.
Den sendet ja Zeus ganz sichtbar herab, meineidige Frevler zu strafen.
Sokrates.
Wie kommt’s denn, du Narr aus kronischer Zeit, altgläubiger Mährchenerzähler,
Der Theoros nicht, der Kleonymos nicht, solch erzmeineidige Sünder?
Er schlägt in den eigenen Tempel sogar und in Sunion, „Attika’s Berghaupt“,
In die stämmigen Eichen: warum denn das? Gibt’s auch meineidige Bäume?
Strepsiades.
Weiß nicht; doch glaub’ ich, du hast wohl Recht. Was ist denn also der Blizstrahl?
Sokrates.
(auf die Wolken zeigend)
hier in die Wolken sich einfängt,
Dann schwellt er von innen wie Blasen sie auf, und von eigenem Drange getrieben,
Durchbricht er sie flugs, drängt dann sich heraus voll Heftigkeit wegen der Spannung,
Und entzündet sich selbst und verzehrt sich sogleich von dem zischenden Stoß und der Reibung.
Strepsiades.
Bei’m Zeus, das ist mir ja selber einmal am Diasienfeste begegnet.
Nun blies es sich auf, und mit Einmal sofort auseinandergeplazt in der Mitten,
Schoß Alles heraus, mir gerad’ in’s Gesicht, und verbrannte mir’s oben und unten.
Die Chorführerin.
(zu Strepsiades.)
Mann, der du der Weisheit heiliges Gut von uns zu gewinnen verlangtest,
Wie glücklich wirst du dereinst in Athen und in Hellas’ Landen erscheinen,
In der Seele dir wohnt, und du nimmer im Steh’n und nimmer im Geh’n dich ermüdest,
Auch Frost ausstehst und darob nicht klagst, auch nie dich sehnst nach dem Frühstück,
Und den Wein dir versagst, die Gymnasien fliehst und die anderen Werke der Thorheit,
Und wie’s dem verständigen Manne geziemt, allzeit es erkennst für das Beste,
Strepsiades.
Nun, wenn du verlangst ein beharrlich Gemüth und ein schlaflos nächtliches Grübeln,
Und genügsamen Sinn bei bellendem Bauch und Salat von dem magersten Isop:
So vertraue getrost; ich erbiete mich gern, mir Erz auf dem Magen zu schmieden.
Sokrates.
So gilt fortan dir Keiner als Gott, kein Einziger außer den unsern:
Strepsiades.
Nie red’ ich hinfort mit den andern ein Wort, und träf’ ich sie selbst auf der Straße;
Nie bring’ ich für sie Brandopfer und Trank; nie spend’ ich ein Körnchen des Weihrauchs.
Die Chorführerin.
Nun sage getrost: was willst du von uns? Nicht fruchtlos bittest du wahrlich,
Weihst Ehre du nur und Bewunderung uns, und bemühst du dich, wacker zu werden.
Strepsiades.
Laßt hundert Meilen voran mich geb’n dem gewandtesten Redner in Hellas!
Die Chorführerin.
Nun, das wird gerne von uns dir gewährt: forthin soll Keiner von heut an,
Wie du, vor versammeltem Volke das Feld in den mehresten Händeln behaupten!
Strepsiades.
O rede mir nicht von den Händeln im Staat; denn nicht nach Solchem verlangt mich,
Die Chorführerin.
So werde dir denn, wonach du dich sehnst; denn nicht nach Großem verlangt dich:
Nur gib dich mit Leib und mit Seele getrost in die Obhut unserer Priester!
Strepsiades.
Das will ich thun im Vertrauen auf euch; denn hiezu treibt mich die Nothdurft
Um das Pferdegespann, dies Koppagezücht, und die Heirat, welche mich aufrieb.
(für sich.)
Vornehmen mit mir!
Ich gebe den Leib hier ihnen dahin,
Ihn zu schlagen, zu plagen mit Hunger und Durst,
Mit Hize, mit Frost, ihn zu gerben zum Schlauch.
Dann möge die Welt mich immer verschrei’n
Als mundfrech, dummdreist, schamlos, grob,
Unflätigen Wicht, Lug schmiedend und Trug,
Als Klauber am Wort, als Schrauber am Recht,
Als Prahlhans, Tückbold, Heuchler und Strick,
Schelm, Griesgram, Neidhard, Widerwart
Und Schmarozergesicht!
Ja, nennen mich dann die Begegnenden so,
Und wollen sie gar,
Dann, bei der Demeter, tische man mich
Als Blutwurst auf den Sophisten!
Die Chorführerin.
(zu Sokrates)
Kühnen Sinn zeigt dieser Jünger,
Stets gefaßten.
(zu Strepsiades)
Wisse nun,
Lernst du die Dinge von uns, so beglückt dich auf Erden
Himmelhoher Nachruhm!
Strepsiades.
Was wird mir dann?
Die Chorführerin.
Die seligsten Tage, wie sonst
Mit uns durchleben.
Strepsiades.
Soll ich in Wahrheit dieses erleben noch?
Die Chorführerin.
Freilich; noch mehr! Stets werden sich
Schaaren an deiner Thüre lagern,
Klagen um viele Talent’ und Gegenklagen
Deinem erprobten Geschicke,
Wie sich’s gebührt, zu vertrau’n.
(zu Sokrates,)
Auf, nun greif’ an, laß kosten den Greis von der künftigen Lehre den Vorschmack,
Sokrates.
Wohlan, beschreibe du mir deines Geistes Art,
Um, wenn ich Einmal über ihn im Klaren bin,
Mit neuem Zeuge demgemäß dich anzugehn.
Strepsiades.
Wie, was? Belagern willst du mich? O Götter, helft!
Sokrates.
Hast du Gedächtniß?
Strepsiades.
Allerdings, und zweierlei:
Ist Einer mir was schuldig, da behalt’ ich leicht;
Bin ich der Schuldner, (wehe mir!) vergess’ ich leicht.
Sokrates.
Bist du zum Vortrag etwa von Natur geschickt?
Strepsiades.
Sokrates.
Wie kannst du nun noch lernen?
Strepsiades.
Gut; da sorge nicht.
Sokrates.
So gib denn Achtung: werf’ ich etwas Weises dir
Von überirdischen Dingen vor, gleich schnapp’ es weg.
Strepsiades.
Wie? Was? Die Weisheit schnappt’ ich auf nach Hundesart?
Sokrates.
Ich fürchte, Graukopf, wohl bedarfst du Schläge noch.
Was thust du, wenn dich Einer klopft?
Strepsiades.
Ich lasse mich
Erst klopfen, wart’ ein Weilchen, rufe Zeugen an,
Und harre wieder ein Weilchen, und dann flugs vor Amt.
Sokrates.
Strepsiades.
Was verbrach ich denn?
Sokrates.
Nichts; doch Gesez ist’s, ohne Kleid hineinzugehn.
Strepsiades.
Haussuchung hier zu halten, geh’ ich nicht hinein.
Sokrates.
Leg’ ab! Wozu das Schwazen?
Strepsiades.
(Oberkleid und Schuhe werden ihm abgenommen.)
Nur dies Eine noch:
Wenn ich mit Eifer lerne, wenn ich fleißig bin,
Sokrates.
Dann stehst du meinem Chärephon nicht nach an Geist.
Strepsiades.
O weh mir Armen! Zum Gespenste werd’ ich dann!
Sokrates.
Nun plapperst du nicht weiter, sondern folgst mir nach,
Und eilends – hierher – eilig!
Strepsiades.
In die Hände gib
Da steig’ ich wohl hinunter – zum Trophonios!
Sokrates.
Fort!
Was hast du noch zu schnüffeln an der Thüre da?
(Beide gehen ab in das Innere des Hauses.)
Der Chor.
Zieh’ hin im Glück, da du männlichen Muths
Dich solches erkühnst!
Daß er, obwohl des Lebens
Ziele bereits nahe gerückt, doch seinen Geist
Noch an des neuen Wissens Born
Erfrischt und sich
Der Dichter an die Zuschauer.
(Für die zweite Vorstellung der Wolken.)
Ihr Athener, laßt mich einmal euch die Wahrheit frei heraus
Sagen, ja bei Semele’s Sohn, der mich großgezogen hat!
So gewiß ich wünsche den Sieg und den Ruhm der Meisterschaft,
So gewiß verehr’ ich in euch feine Kenner meiner Kunst;
Sezt’ es euch auch darum zuerst wiederum zu kosten vor,
Weil mir’s gar viel Mühe gemacht. Doch ich trat gleichwohl zurück,
Unverdient von Tölpeln verdrängt. Deßhalb klag’ ich nun vor euch
Feinen Kennern, denen zu Lieb’ ich mir all die Mühe gab.
Denn seit hier von Männern, die schon anzureden Freude macht,
„Tugendsam und Liederlich“ einst großen Beifall sich gewann,
Das ich – Jungfrau war ich ja noch, durfte noch nicht Mutter sein –
Aussezt’ und ein anderes Weib freundlich auf die Arme nahm,
Ja, seitdem hat treu sich und fest eure Huld an mir bewährt.
Gleich Elektra kommt sie denn hier heute, die Komödia,
Spähend, ob sie feinen Geschmack finde so, wie ehedem;
Denn Orestes’ Locken erkennt sie gleich auf den ersten Blick.
Angenäht ein ledernes Ding, das, am Schnabel roth und dick,
Niederbaumelt, daß sich darob lachend alle Kinder freu’n;
Auch des Kahlkopfs spottet sie nicht, dreht sich nicht im Wirbeltanz;
Auch kein alter verselnder Geck schwingt auf Jeden, der ihm naht,
Nicht mit Fackeln stürmt sie herein, heult auch nicht „weh, wehe mir!“
Nein, auf sich und ihren Gehalt kühn vertrauend, tritt sie auf.
Und obwohl ein solcher Poet, prunk’ ich nicht mit hohem Busch,
Lege niemals, euch zum Betrug, Eines zwei- und dreimal auf,
Die in Nichts einander verwandt, alle fein und treffend sind.
Schlug ich doch, wie mächtig er war, einst den Kleon auf den Bauch,
Aber trat nicht weiter auf ihn, als er todt im Staube lag.
Doch die dort, nachdem sich einmal Blößen gab Hyperbolos,
So zuerst schleppt’ Eupolis uns seinen Marikas herbei;
– Meine Ritter waren es nur – schmählich! Ein gewendet Kleid!
Nur ein altes trunkenes Weib schob er für den Kordax ein,
Das er keck dem Phrynichos stahl, wie das Ungethüm es fraß.
Kommen all die Anderen schon, hämmern auf Hyperbolos,
Aeffen mir die Gleichnisse nach, „wie man Aal’ im Trüben fischt.“
Wer von euch dergleichen belacht, freue sich des Meinen nicht;
Doch wenn mich, und was ich erfand, euch zu hören Freude macht,
Erster Halbchor.
Strophe.
Der in den Höhen waltet, dich,
Mächtiger Fürst der Götter, Zeus,
Ruf’ ich zuerst zum Festreih’n!
Auch des Tridentes Schwinger, Dich, groß an Gewalt,
Gräßlich erschütternd aufwühlst!
Unseren Vater sodann, den gefeierten
Aether in heiligem Glanz, den Beleber des Weltalls,
Und ihn, den roßlenkenden Gott,
Einhüllt, unter den Göttern groß,
Und groß unter den Menschen!
Die Chorführerin.
(an die Zuschauer.)
Ihr, der Kunst hochweise Kenner, richtet hierher euren Sinn!
Euch verklagen wir vor euch hier, weil ihr Unrecht übt an uns.
Bringt ihr doch von allen Göttern weder Trank noch Speise dar,
Uns allein, die euch behüten. Denn so oft ihr unbedacht
Euch entschließt in’s Feld zu rücken, donnern oder regnen wir.
Als den gottverhaßten Gerber, jenen Paphlagonier,
Thaten grimmig, und „der Donner fuhr herab aus hellem Bliz;“
Auch Selene trat aus ihren Bahnen, und der Sonnengott
Zog den Docht der Lampe schleunig in sich selbst zurück und schwur,
Euch hinfort nicht mehr zu leuchten, führe Kleon euch in’s Feld.
Sei in dieser Stadt zu Hause, doch die Gottheit wende das,
Was ihr etwa schlimm gemacht habt, allezeit zum Besseren.
Und wie dies auch wieder frommen müsse, leicht erklär’ ichs euch.
Wenn ihr Kleon erst, den Häscher nach Geschenk und Raub, ergreift,
Wird nach alter Weise wieder, wenn ihr Etwas schlimm gemacht,
Alles sich in’s Bess’re kehren zum Gedeih’n für eure Stadt.
Zweiter Halbchor.
Gegenstrophe.
Nahe mir, Herrscher Phöbos, auch,
Delier, der auf Khythos’ Höh’n
Ephesos’ Göttin, die im goldstrahlenden Haus
Waltet mit Macht, wo Lydia’s
Töchter dich hoch verehren;
Heimische Göttin, auch du, die Beschirmerin
Auch nahe du, der, des Parnaß
Höh’n umschwärmend, von Fackeln umstrahlt,
Reigen delischer Frauen führt,
Freudengott Dionysos!
Die Chorführerin.
(an die Zuschauer.)
Traf die Mondgöttin am Weg uns, und befahl uns dies an euch:
Einen Gruß zuerst Athenä’s Bürgern und Verbündeten;
Dann, sie sei euch bitterböse; denn man spiel’ ihr übel mit,
Da sie doch euch allen nüze, nicht mit Worten, durch die That:
Daß ein Jeder, der am Abend auszugeh’n sich rüstet, spricht:
„Junge, kauf’ heut keine Fackel; denn das Mondlicht ist so schön.“
Noch von andern Diensten sprach sie; dennoch (meint sie) schenket ihr
Nicht den Tagen Acht, und mengt sie durch einander kreuz und quer.
Wenn sie wieder um ein Opfermahl getäuscht nach Hause geh’n,
Nicht erfreut durch eine Feier nach der alten Tage Zahl.
Denn an Tagen, wann ihr opfern solltet, richtet, foltert ihr;
Oft dagegen, wann wir Götter einen Fasttag haben, sei’s,
Sprengt ihr Wein und schäkert. Darum rissen wir dem Hyperbolos,
Als er heuer Bote war am Bundesgericht, den Kranz vom Haupt,
Wir, die Götter: so gewizigt, lernt er’s besser wohl hinfort,
Daß man seine Lebenstage nach dem Mondlauf ordnen soll.
Sokrates. Strepsiades. Der Chor.
Sokrates.
(mit Heftigkeit aus dem Hause tretend.)
Nein, solchen Bauer sah ich nie mein Lebenlang,
So linkisch und vergeßlich und so tölpelhaft,
Der, nun er ganz armselige Düfteleien lernt,
Bevor er lernte, schon vergißt! Indeß – noch Eins!
(er ruft hinein.)
Strepsiades, heda! Komm heraus mit deinem Stuhl.
Strepsiades.
(innen.)
Vor lauter Wanzen bring’ ich ihn nicht fort von hier.
Sokrates.
Auf, hurtig!
(Strepsiades kommt heraus.)
Sez’ ihn nieder und merk’ auf!
Strepsiades.
Zu Dienst!
Sokrates.
Nun, sage, was vor Allem du jezt lernen willst,
Von den Maßen oder Rhythmen oder vom Gedicht?
Strepsiades.
Ach ja, die Maße, bitt’ ich.; denn vor kurzem erst
hat mich der Mehlverkäufer um zwei Maß geprellt.
Sokrates.
Nicht dieses frag’ ich, sondern ob Dreimesser, ob
Strepsiades.
Mir dünken, traun, vier Mäßchen über Alles werth.
Sokrates.
Mensch, wie verkehrt du redest!
Strepsiades.
Wette nur mit mir,
Ob, was du nennst Viermesser, nicht vier Mäßchen hält.
Sokrates.
Zum Geier, wie beschränkt du bist, wie tölpelhaft! –
Strepsiades.
Was helfen mir die Rhythmen für mein täglich Brod?
Sokrates.
Erst, daß du dich in Cirkeln hübsch und fein benimmst,
Zugleich genau dir merkest, welcher Art der Takt
Des Waffentanzes, welcher Art der gerade sei.
Strepsiades.
Sokrates.
Rede denn.
Strepsiades.
Was anders ist gerader als der Finger hier?
(indem er unanständige Geberden macht)
Als kleiner Knabe streckt’ ich so den andern aus.
Sokrates.
Wie bäurisch, Mensch, wie linkisch!
Strepsiades.
Nein, Armseliger!
Davon zu lernen wünsch’ ich nichts.
Sokrates.
Und was denn sonst?
Strepsiades.
Sokrates.
Noch Andres mußt du lernen, ehe dieses kommt:
Vierfüßige Thiere nenne mir, die männlich sind.
Strepsiades.
Ich wäre rasend, wüßt’ ich nicht, was männlich ist:
Der Bock, der Widder, dann der Stier, der Hund, der Spaz.
Sokrates.
Und Ihn, das Männchen, nennst du völlig ebenso.
Strepsiades.
Wie meinst du?
Sokrates.
Wie? Wie? Hier ein Spaz, und dort ein Spaz.
Strepsiades.
Ja, bei’m Poseidon! Aber nun – wie nenn’ ich’s recht?
Sokrates.
Du nennst das Weibchen Späzin und das Männchen Spaz.
Strepsiades.
So daß ich dir für diesen Unterricht allein
Mit Mehl den Backtrog bis zum Rande füllen muß.
Sokrates.
Sieh doch, ein neuer Schnizer! Backtrog sagst du da,
Als ob es männlich wäre, da’s doch weiblich ist.
Strepsiades.
Sokrates.
Wie Kleonymos
Auch weiblich enden sollte.
Strepsiades.
Wie verstehst du das?
Sokrates.
Dir geht der Backtrog also wie Kleonymos.
Strepsiades.
Ach, Freund, ein Backtrog fehlte dem Kleonymos,
Weßhalb er Mehl im runden Mörser knetete.
Sokrates.
Wie?
Backtrögin sagst du, wie du sagst die Sostratin.
Strepsiades.
Backtrögin also weiblich?
Sokrates.
Richtig sagst du so.
Strepsiades.
Dann hätten wir Backtrögin und Kleonymin.
Sokrates.
Nun mußt du mir von den Eigennamen lernen noch,
Strepsiades.
Was weiblich ist, das weiß ich recht gut.
Sokrates.
Sage denn.
Strepsiades.
Lysilla, Philinna, Kleitagora, Demetria.
Sokrates.
Und welche dann sind männlich?
Strepsiades.
Viele tausende:
Philoxenos, Melesias, Amynias.
Sokrates.
Strepsiades.
Sie gelten euch nicht männlich?
Sokrates.
Nimmermehr; denn sprich:
Wie rufst du wohl, begegnet dir Amynias?
Strepsiades.
Wie? Komm doch, ruf’ ich, komm doch her, Amynia!
Sokrates.
Sieh: einem Weibe rufst du, der Amynia.
Strepsiades.
Doch was erlern’ ich Dinge da, die Jeder weiß?
Sokrates.
Nein, wahrlich! Aber seze dich jezt hier –
(auf den Stuhl zeigend)
Strepsiades.
Und dann?
Sokrates.
Und denke dir von deinen Sachen Etwas aus.
Strepsiades.
Hier nicht, um alle Götter nicht! Nein muß es sein,
Sokrates.
Hieher! Es geht nicht anders!
(Strepsiades sezt sich. Sokrates geht in das Haus.)
Strepsiades. Der Chor.
Strepsiades.
Ach, wie werd' ich heut
Den Wanzen büßen müssen, ich Unseliger!
Der Chor.
Strophe.
Nun sinne nach, grüble mit Fleiß!
Wende nach allen Seiten
Doch wenn du zu tief dich verwickelt hast,
Schnell spring’ in andre
Gedanken ab; der süße Schlaf
Bleibe dem wachen Auge fern!
Strepsiades.
(fährt vom Stuhle auf.)
Der Chor.
Was hast du? Was plagt dich?
Strepsiades.
Ich Armer bin verloren! So zerbeißen mich
Die Wanzenauer, kriechend aus dem Polster hier,
Und hacken das Fleisch an den Ribben mir ab,
Und zwicken und zerren die Hoden mit ab,
Und wühlen mir tief in den Steiß, und hinab
(Ach!) muß ich in’s Grab!
Der Chor.
O quäle dich nicht so jämmerlich ab!
Strepsiades.
Mein Gut ist hin, und die Farbe dahin,
Und das Herzblut hin, und die Schuhe dahin,
Und zu alle dem Elend muß ich mich noch
Wach singen, bis auch
(er schläft ein.)
Sokrates. Strepsiades. Der Chor.
Sokrates.
(kommt aus dem Hause.)
Was thust du, Freundchen? Grübelst du recht eifrig?
Strepsiades.
(sich ermunternd)
Ich?
Ja, bei’m Poseidon!
Sokrates.
Und worüber grübelst du?
Strepsiades.
Ob vor den Wanzen mir ein Stück am Leibe bleibt.
Sokrates.
Fahr’ hin zur Hölle!
Strepsiades.
Guter Herr, da bin ich schon.
Sokrates.
Denn finden muß sich endlich eine Wolfsidee,
Ein kühner Handgriff.
Strepsiades.
Wehe mir! Wer schüttelt doch
Mir aus dem Lämmerpelze Wolfsidee’n heraus?
(er hat sich den Kittel über die Ohren gezogen und sizt vertieft, während Sokrates gravitätisch auf und ab geht.)
Sokrates.
(nach einer Weile.)
Wohlan, ich muß doch sehen, was er treibt, der Mensch!
(er rüttelt ihn.)
Strepsiades.
Bei’m Apoll, ich schlafe nicht.
Sokrates.
Nun, hast du was?
Strepsiades.
Zeus weiß es, nichts!
Sokrates.
Wie, völlig nichts
Strepsiades.
Nichts, als in meiner rechten Hand das Ding an sich.
Sokrates.
Jezt wickle dich ohne Säumen ein und denke nach!
Strepsiades.
Worüber? Das erkläre mir, mein Sokrates.
Sokrates.
[52]
Strepsiades.
Nun, was ich will, das hörtest du schon tausendmal:
Der Zinse wegen, daß ich Niemand zahlen will.
Sokrates.
Auf, wickle dich ein, die Grundbegriffe fasse scharf
In’s Auge, haarklein grüble dann die Sachen durch,
Strepsiades.
Ich Armer, weh!
Sokrates.
Nur still! Und kommst du mit den Idee’n nicht weiter fort,
So laß sie fahren! Später lenkst du wiederum
Den Sinn darauf und wägst es grübelnd hin und her.
Strepsiades.
(in höchster Freude.)
Mein allerliebster Sokrates!
Sokrates.
Nun, Alter, was?
Strepsiades.
Sokrates.
So laß sie hören!
Strepsiades.
Sage mit einmal –
Sokrates.
Und was?
Strepsiades.
Wie? Kauft’ ich eine Zauberin Thessalia’s,
Und zöge Nachts den Mond herab, verschlösse dann
In eine runde Kapsel ihn, dem Spiegel gleich,
Sokrates.
Was aber könnte solches dir denn nüzen?
Strepsiades.
Was?
Ich brauchte, käme nirgend mehr der Mond herauf,
Die Zinse nicht zu zahlen.
Sokrates.
Wie? Warum denn das?
Strepsiades.
Nun, weil das Geld um jeden Neumond Zinse trägt.
Sokrates.
Wenn eine Klag’ auf fünf Talente wider dich
Erhoben wird, wie schaffst du die zur Seite? Sprich!
Strepsiades.
Wie? Wie? Ich weiß nicht. Aber finden muß ich’s doch.
(er sinnt nach mit ungeberdiger Anstrengung.)
Sokrates.
Nicht um dich selber drehe dich so eingeschrumpft;
Frei, wie den Grüngoldkäfer mit dem Zwirn am Fuß.
Strepsiades.
Ich fand das schlauste Mittel zur Beseitigung
Der Klage, wie du selber mir bezeugen wirst.
Sokrates.
Und was?
Strepsiades.
Du hast in Balsambuden wohl einmal
Womit sie Feuer machen?
[54]
Sokrates.
Meinst du Brennkrystall?
Strepsiades.
Den eben.
Sokrates.
Und was weiter nun?
Strepsiades.
Ich nehme den,
Indeß der Schreiber jene Klage niederschreibt,
Entferne mich ein wenig nach der Sonne hin,
Sokrates.
Schlau, bei den Huldgöttinnen!
Strepsiades.
Ei, wie freut es mich,
Daß ich die Fünftalentenklage weggeschafft!
Sokrates.
Auf, greife schnell jezt etwas Andres an!
Strepsiades.
Und was?
Sokrates.
Wie wehrtest du des Gegners Klage vor Gericht,
Strepsiades.
Leicht! Eine Kleinigkeit!
Sokrates.
So sprich.
Strepsiades.
Ich rede schon.
Ich liefe weg, stünd’ Eine Sache noch zum Spruch,
Bevor’s an meinen Handel kommt, und hängte mich.
[55]
Sokrates.
Du redest albern.
Strepsiades.
Nein, bei Gott, ich habe Recht!
Sokrates.
Unsinnig! Fort du! Solchen Schüler hab’ ich satt.
Strepsiades.
Warum? Um alle Götter, ach, mein Sokrates!
Sokrates.
Sogleich vergissest du wieder, was du kaum gelernt.
Denn sage: was war’s, das ich dich zuerst gelehrt?
Strepsiades.
Wie hieß das Ding gleich, wo der Teig geknetet wird?
Mein Gott, wie hieß es?
Sokrates.
Auf den Rabenstein mit dir,
Du vergeßliches, unbeholf’nes altes Ungethüm!
Strepsiades.
O weh! Wie wird mir’s endlich gehn, mir armen Tropf!
(zu dem Chore:)
Doch nein, ihr Wolken, gebet ihr mir guten Rath!
Die Chorführerin.
Wir, lieber Alter, geben dir den guten Rath:
Hast du daheim noch einen großgewachs’nen Sohn,
So schicke den her, daß er lernt an deiner Statt.
Strepsiades.
Nur will er mir nicht lernen. Ach, was fang’ ich an?
[56]
Die Chorführerin.
Du duldest das?
Strepsiades.
Der Junge strozt von Kraft und Mark,
Von Kösyra’s hochfliegend stolzer Art entstammt.
Doch will ich gleich ihn holen. Weigert er sich dann,
(zu Sokrates)
Du geh’ hinein und wart’ ein wenig noch auf mich.
(geht ab.)
Der Chor.
Gegenstrophe.
Wohl merkst du nun, welchen Gewinn
Uns du verdankst, allein uns
Von allen Göttern?
Was du gebietest.
Du siehst, wie ganz verduzt er ist,
Wie er sich hoch hinaufgeschraubt:
Flugs denn, und saug’ Alles ihm aus, was du vermagst!
Solch ein Genuß, und du hast das Nachseh’n!
(Sokrates geht ab in’s Haus.)
Strepsiades. Pheidippides. Der Chor.
Strepsiades.
Nicht länger mehr, bei’m Nebel, bleibst du hier im Haus!
Geh hin und iß dich an Megakles’ Säulen satt!
Pheidippides.
O Wunderlicher! Vater, was ist dir geschehn?
Strepsiades.
(lachend.)
Da seht mir, seht! Olympischer Zeus! O Geckerei!
Der glaubt, der alte große Mensch, noch an den Zeus!
Pheidippides.
Was lachst du denn darüber?
Strepsiades.
Weil ich denke, du
Seist kindisch, daß du solch verlegne Mährchen glaubst.
Ich will dir Etwas lehren, das zum Mann dich macht.
Doch – hörst du? – sage Keinem sonst ein Wort davon.
Pheidippides.
Fang’ an! Was ist es?
Strepsiades.
Eben schwurst du doch bei Zeus?
[58]
Pheidippides.
Gewiß.
Strepsiades.
Du siehst nun, welch ein Gut das Lernen ist.
Ein König Umschwung, der den Zeus vom Throne stieß.
Pheidippides.
Pah! Welcher Unsinn!
Strepsiades.
Glaube mir, es ist an dem.
Pheidippides.
Wer sagte dieses?
Strepsiades.
Sokrates, der Melier,
Und Chärephon, der aller Flöhe Schritt erforscht.
Pheidippides.
Und glaubst dem hirnverbrannten Volk?
Strepsiades.
Zieh’ ein den Mund,
Und rede nicht so Schlechtes von den trefflichen,
Geistvollen Männern, welche, rein aus Sparsamkeit,
Sich nie die Haare schoren, nie sich salbten, nie
Verbadest alle Habe mir, als wär’ ich todt.
Flugs eile denn zu diesen, lern’ an meiner Statt.
Pheidippides.
Was wird von ihnen Rechtes denn zu lernen sein?
Strepsiades.
Wie kannst du fragen? Alle Weisheit auf der Welt.
Doch warte hier nur einen Augenblick auf mich.
(er eilt in das Haus.)
Pheidippides.
Weh mir!
Was thu’ ich, da mein Vater nicht bei Sinnen ist?
Soll ich des Wahnsinns etwa vor Gericht ihn zeih’n?
Meld’ ich’s dem Sargbesteller, daß er irre spricht?
Strepsiades.
(mit zwei Spazen zurückkommend.)
Pheidippides.
Für einen Spazen.
Strepsiades.
Richtig! Und das Weibchen hier?
Pheidippides.
Deßgleichen.
Strepsiades.
Beide nennst du gleich? Wie lächerlich!
So sage nicht mehr, sondern nenne fürderhin
Das Weibchen Späzin, wie du Spaz das Männchen nennst.
Pheidippides.
Zur Schule gehend bei den Himmelstürmern dort?
Strepsiades.
Und Vieles sonst noch; aber was ich kaum gelernt,
Vergaß ich alsbald wieder, ich betagtes Haupt.
Pheidippides.
Um solches wohl verlorst du deinen Mantel auch?
Strepsiades.
Pheidippides.
Und deine Schuhe thatest du wohin, du Thor?
Strepsiades.
Zu Nöthigem hab’ ich sie – verthan, wie Perikles.
Auf, eile! Geh’n wir! Thue mir die Liebe nur;
Dann magst du Streiche machen. Ich that Liebes einst
Vom ersten Obol, den ich als Heliast empfing,
Kauft’ ich zu Zeus’ Festtage dir ein Wägelchen.
Pheidippides.
Sieh zu! Du wirst es sicher einst noch schwer bereun.
Strepsiades.
Schön, daß du mitgehst.
(Beide gehen nach der anderen Seite der Bühne, zu dem Hause des Sokrates.)
Strepsiades. Pheidippides. Sokrates. Der Chor.
Strepsiades.
Komm heraus, komm, Sokrates!
(Sokrates tritt aus dem Hause.)
Sich sträubend nur bereden.
Sokrates.
Freilich scheint er noch
Recht kindlich und
(nach der Hängematte zeigend)
des Schwunges hier noch ungewohnt.
Pheidippides.
Wenn du dich aufhängst, wirst du wohl des Schwungs gewohnt.
Strepsiades.
Fahr’ hin zum Geier! Fluchst du deinem Lehrer schon?
Sokrates.
Und frazzenhaft die Lippen auseinander zerrt!
Der lernt es niemals, wie man schlau Prozesse webt,
Und hohl beschwazt die Richter und dem Spruch entschlüpft!
Und dies zu lernen, gab Hyperbolos ein Talent.
Strepsiades.
Er war ein kleiner Knabe noch, vier Spannen kaum,
Da baut’ er Häuschen, schnizte Schiffchen schon daheim,
Und machte sich aus Leder hübsche Wägelchen,
Aus Apfelschalen Frösche: wie! du glaubst es kaum.
Die stärk’re, wie sie’s nennen, und die schwächere,
Die, nur das Unrecht redend, stets die erste stürzt;
Wenn beide nicht, die ungerechte jedenfalls!
Sokrates.
Die soll er lernen, von den Meistern selbst belehrt.
Strepsiades.
Und tapfer allem Rechte widersprechen lernt.
(Sokrates und Strepsiades gehen jeder nach seinem Hause ab.)
Chorgesang.
(Lücke.)
Der Vertreter des Rechtes. Der Vertreter des Unrechts. Pheidippides. Der Chor.
Der Vertreter des Rechtes.
Auf, tritt nur her und zeige dich selbst
Den Versammelten hier, so trozig du bist!
Der Vertreter des Unrechts.
„Tritt hin, wo du willst!“ Dir bringt mein Wort
Der Vertreter des Rechtes.
Mir Tod? Wer bist du?
Der Vertreter des Unrechts.
Der Sprecher –
Der Vertreter des Rechtes.
Und schwach!
Der Vertreter des Unrechts.
Der leicht dich bezwingt, dich, der du so gern
Dich den Stärkeren nennst.
Der Vertreter des Rechtes.
Wie könntest du das?
Der Vertreter des Unrechts.
Stets neue Gedanken ersinn’ ich im Geist.
Der Vertreter des Rechtes.
(auf die Zuschauer deutend)
Bei dem albernen Troß.
Der Vertreter des Unrechts.
Dem gebildeten Volk.
Der Vertreter des Rechtes.
Ich vernichte dich schmachvoll.
Der Vertreter des Unrechts.
Sage, wodurch?
Der Vertreter des Rechtes.
Ich beschirme das Recht.
Der Vertreter des Unrechts.
Und ich stürze dir’s um mit entgegnendem Wort;
Der Vertreter des Rechtes.
Wie? Gibt’s kein Recht?
Der Vertreter des Unrechts.
So sage mir, wo?
Der Vertreter des Rechtes.
Bei den Ewigen dort!
Der Vertreter des Unrechts.
Gibt’s wirklich ein Recht, was ist es mit Zeus
Nicht längst schon aus, der den Vater sogar
Der Vertreter des Rechtes.
Auch das noch? O pfui!
Das wird mir zu arg! Mir den Speinapf her!
Der Vertreter des Unrechts.
Graubärtiger Thor! Erzbäurischer Mensch!
Der Vertreter des Rechtes.
Unflätiger Wicht! Schamloser Gesell –
Der Vertreter des Unrechts.
Wie du Rosen mir streust –
Der Vertreter des Rechtes.
Der Altäre benascht –
Der Vertreter des Unrechts.
Der Vertreter des Rechtes.
Der den Vater erschlägt!
Der Vertreter des Unrechts.
Und mit Gold mich bedeckst, und nicht es bemerkst!
Der Vertreter des Rechtes.
Und du nennst das Gold? Sonst galt es für Blei.
Der Vertreter des Unrechts.
Jezt ist es für mich ein köstlicher Schmuck.
Der Vertreter des Rechtes.
Frech bist du genug.
Der Vertreter des Unrechts.
Altfränkischer Geck!
Der Vertreter des Rechtes.
Bist du nur schuld.
Ja, seh’n wird bald das athenische Volk,
Was du die betrogenen Thoren gelehrt.
Der Vertreter des Unrechts.
Wie starrst du von Schmuz!
Der Vertreter des Rechtes.
Wie bist du so schmuck!
Und führtest dich gern als Telephos ein,
Und kautest uns frisch
Pandeletos’ Sprüch’ aus dem Brodsack vor.
Der Vertreter des Unrechts.
O Tiefsinn, den du mir da vorführst!
Der Vertreter des Rechtes.
Die so lang dich ernährt,
Dich, der du verführst das junge Geschlecht!
Der Vertreter des Unrechts.
(auf Pheidippides zeigend)
Den lehrst du nicht, altvät’rischer Thor!
Der Vertreter des Rechtes.
Wohl, wohl, wenn’s gilt ihn zu retten und nicht
Der Vertreter des Unrechts.
(zu Pheidippides.)
Komm her: ihn dort laß toben für sich!
Der Vertreter des Rechtes.
Weh, weh dir, berührst du mir ihn mit der Hand!
Die Chorführerin.
Laßt endlich einmal dies Hadern und Schmäh’n;
Nein, zeigt vielmehr,
Du, was man die heutige Bildung nennt,
Daß der sich den Meister erwähle, nachdem
Er Beide gehört.
Der Vertreter des Rechtes.
Gern will ich es thun.
Der Vertreter des Unrechts.
Auch ich will’s gern.
Die Chorführerin.
Der Vertreter des Unrechts.
Gern lass’ ich es ihm;
Dann wird er aus dem, was er selbst vorbringt,
Mit den neusten Idee’n und Sprüchen von mir,
Wie mit giftigem Pfeil, an die Erde gebohrt.
Durchstech’ ich ihm Augen und Antliz rings,
Wie ein Hornissenschwarm, daß, schmählich zerkrazt,
Vor meinen Idee’n er erliege.
Erster Halbchor.
Strophe.
Nun zeigen Die bald im Vertrau’n
Versuchend scharftreffenden Wiz,
Künstlichgespizten Tiefsinn,
Wer von den Zwei’n als Meister des Worts
Im Wettkampf den Sieg erringt.
Wider die Weltweisheit heran,
Hier, wo den größten Kampf um sie
Unsere Freunde kämpfen.
Die Chorführerin.
(zu dem Vertreter des Rechtes.)
Auf, du, der die Ahnen so reich mit dem Kranz untadlicher Sitte geschmückt hat,
Der Vertreter des Rechtes.
So verkünd’ ich euch denn von der älteren Zeit, wie da mit der Zucht es bestellt war,
Als ich, der Vertreter des Rechtes, im Flor, und die Sittsamkeit erstes Gesez war.
Erst durfte man nie von den Knaben Geschrei, nie troziges Muxen vernehmen;
Dann zog aus jeglicher Gasse der Schwarm in die Kitharaschule mit Anstand
Dort lernten sie dann von dem Meister ein Lied, – sittsam, nicht kreuzend die Beine –
Bald „Pallas, der Städte Bewältigerin“, bald, „fernhinschallende Lyra“,
In gemessener Tonart älterer Zeit, wie’s unsere Väter gesungen.
Wenn Einer einmal sich in Sprüngen vermaß, in gekünstelten Trillern und Schnörkeln,
Dem lohnte der Stock im üppigsten Maß, weil Musengesang er entheiligt.
In dem Ringhof dann, wenn sie saßen im Sand, da mußten sie züchtig und ehrbar
Vorstrecken das Bein, um Fremdlingen nichts Unziemliches offen zu zeigen;
Und standen sie auf, so bedachten sie gleich im Sand zu verwischen die Spuren,
Da hätte sich über den Nabel hinab kein Knabe gesalbt; wie die Wolle
Auf reifenden Quitten, umblühte den Schooß zartflockiger Haare Gekräusel.
Sie drängten sich nicht an die Männer heran mit süßem Gegirr und Geflüster,
Mit begehrlichem Blick sehnsüchtiger Lust an den Liebenden selbst sich verkuppelnd.
Noch Aelteren gar vor dem Munde hinweg vom Dill sich nehmen und Eppich,
Noch Backwerk schmausen, Geflügel und Fisch, noch kreuzweis’ halten die Beine.
Der Vertreter des Unrechts.
Altväterisch Zeug nach Dipolienart! Das riecht nach Cikaden im Haare,
Nach Kekeidasgesang und Buphonienfest!
Der Vertreter des Rechtes.
Ganz wohl! Das waren die Sitten,
Doch du lehrst unsere Jugend sogleich in weites Gewand sich vermummen;
Und ich möchte mich hängen an Pallas’ Fest, wenn Einer, im Tanze der Waffen
Herschreitend, die Scham mit dem Schilde bedeckt, zur Schmach für die Tritogebor’ne!
Drum wähle getrost dir zum Führer, o Sohn, mich stärkeren Sprecher des Rechtes;
Und erröthen in Scham bei schändlichem Thun, und erglüh’n, höhnt Einer dich deßhalb,
Voll Ehrfurcht auch dich erheben vom Siz, wenn ältere Männer herannahn.
Nie wirst du die eigenen Eltern hinfort durch Unart kränken und alles
Unziemliche flieh’n, um der Keuschheit Bild, das erhabene, nicht zu beflecken,
Nachjagst, dich die Dirne mit Aepfeln bewirft, und der ehrliche Name verscherzt ist:
Nie wirst du dem Vater bestreiten ein Wort, nie „dämischer Alter“ ihn schelten,
Noch schnöd ihm vergelten die Mühe der Zeit, aus der du dem Nest dich entwandest.
Der Vertreter des Unrechts.
O Jüngling, wenn du dich diesem vertraust, dann wirst du Hippokrates’ Kindern,
Der Vertreter des Rechtes.
In dem Glanz der Gesundheit blühst du vielmehr, und tummelst dich dort in der Kampfbahn,
Kein Schwäzer des Markts mit verschrobenem Spaß, wie die heutige Jugend, und niemals
Vor den Richter gezerrt, kazbalgend um Recht in dem Bettelhalunkenprozesse.
Nein, schreitend hinab zu der Akademie, lustwandelst du friedlich im Oelhain,
In des Epheus Duft, in der Muße Genuß, umlaubt von der silbernen Pappel,
In des Frühlinges Luft, wann traulich und hold mit dem Platanos flüstert die Ulme.
Wenn also du thust, was ich dir empfahl,
Und hierauf nur hinwendest den Sinn;
Und ein blühend Gesicht und die Schultern gewölbt,
Und das Zünglein kurz, hübsch großes Gesäß,
Hübsch kleines Geschöß.
Doch wenn du’s treibst, wie die heutige Welt,
Und die Schultern gedrückt, und schmächtig die Brust,
Und die Zunge gedehnt, und klein das Gesäß,
Und groß das Geschöß, und der Vortrag breit.
Und er redet dir ein,
Dir häßlich erscheint.
Dann wirst du zulezt, dem Antimachos gleich,
In viehische Lust dich versenken.
Zweiter Halbchor.
Gegenstrophe.
(zu dem Vertreter des Rechtes.)
Du, der du treu schirmest die Burg
Wie duftig blüh’n sittlicher Kraft
Blumen in deinen Worten!
Ja, hochbeglückt waren sie, traun,
Die vormals mit dir gelebt!
(zu dem Vertreter des Unrechts.)
Zierlichen Worts, rüste dich nun,
Neues zu sagen; denn der Mann
Hat sich erprobt mit Ehren!
Die Chorführerin.
Ja, Gründe, stark und triftig, mußt du wider ihn ersinnen,
Der Vertreter des Unrechts.
Schon lange wahrlich preßte mir’s das Eingeweide, sehnlichst
Verlangte mich’s, durch Gegenspruch ihm Alles umzurütteln.
Ich ward der schwäch’re Sprecher ja deßwegen nur geheißen
Von unsern Denkern, weil die Kunst ich allererst ersonnen,
Und dieses hat doch größern Werth, als viele tausend Stater,
Dem Dienst der schwächern Sache sich zu weih’n und doch zu siegen.
(zu Pheidippides.)
Nun sieh, wie leicht die Kinderzucht, worauf er pocht, dahinsinkt:
Er werde, sagt er allererst, nicht warm dich baden lassen.
(zu dem Vertreter des Rechtes.)
Der Vertreter der Rechtes.
Weil sie, verderblich durch und durch, den Mann zur Memme machen.
Der Vertreter des Unrechts.
Halt! Schon erfaßt’ ich mitten dich, du kannst mir nicht entfliehen:
Erkläre mir, wer, meinst du, daß von Zeus’ erhab’nen Söhnen
Bewährt den höchsten Mannesmuth, durchkämpft die meisten Kämpfe?
Der Vertreter des Rechtes.
Der Vertreter des Unrechts.
Nun, sahst du kalte Bäder je, die herakleïsch heißen?
Und doch, wo war ein stärk’rer Held'?
Der Vertreter der Rechtes.
Das ist es, eben das ist’s,
Was, weil es jezt den ganzen Tag im Munde führt die Jugend,
Die Badehäuser überfüllt, den Ringerplaz entvölkert.
Der Vertreter des Unrechts.
Denn wär’ es schlimm, so stellte wohl Homeros nie den Nestor
Als Redner auf dem Markte dar, wie seine Weisen alle.
Und nun die Zungenfertigkeit, die nach des Gegners Meinung
Die Jugend gar nicht üben soll; – ich rath’ es ihr im Ernste.
Denn sah’st du, daß jemals ein Mensch durch Sittsamkeit ein Glück schon
Errungen hätte? Sage mir’s und zeige, daß ich irrte.
Der Vertreter des Rechtes.
Schon oft: hat Peleus doch das Schwert durch solchen Sinn gewonnen!
Der Vertreter des Unrechts.
Ein Schwert? Fürwahr ein hübscher Lohn, den da gewann der Arme!
Durch seine Schelmerei verdient, doch freilich keine Schwerter!
Der Vertreter des Rechtes.
Durch Sittsamkeit allein gewann Peleus die Hand der Thetis.
Der Vertreter des Unrechts.
Die dann entweichend ihn verließ, weil ihr der Mann zu sittsam
Und nicht so artig war, im Bett die ganze Nacht zu wachen.
(zu Pheidippides.)
Jezt siehe nur, mein trautes Kind, was solch ein sittsam Wesen
Einbringt, und welcher Freuden du dich dann entschlagen müßtest
Mit Knaben, Weibern, Becherspiel, mit Wein, Gelagen, Spässen:
Was hast du denn am Leben noch, wenn solches dir versagt ist? –
Du liebtest, du vergingest dich, du wardst ertappt im Ehbruch:
Du bist verloren; denn du bist kein Redner! Folgst du mir nach,
So hüpfe, lache, freue dich der Kraft, und achte niemals
Etwas für schändlich. Und ertappt bei’m Weibe, sprich zum Manne,
Da dieser auch dem Liebesgott und schönen Frau’n gehuldigt.
Und du, der Mensch, wie solltest du mehr als der Gott vermögen?
Der Vertreter der Rechtes.
Wie? Wenn er nun durchrettigt wird und abgelaugt mit Asche,
Mit welchen Gründen will er dann darthun, er sei kein Weitloch?
Der Vertreter des Unrechts.
Der Vertreter der Rechtes.
Wie kann für ihn jemals ein Unglück größer sein?
Der Vertreter des Unrechts.
Was wirst du sagen, zeig’ ich dir das Gegentheil?
Der Vertreter der Rechtes.
Ich schweige: denn was soll ich sonst?
Der Vertreter des Unrechts.
So sage mir:
Anwälte, was für Leute sind’s?
Der Vertreter der Rechtes.
Der Vertreter des Unrechts.
Also mein’ ich auch.
Was sind die Schauspieldichter dann?
Der Vertreter der Rechtes.
Weitlöcher alle.
Der Vertreter des Unrechts.
Wohl bemerkt!
Volksredner, war für Leute sind’s?
Der Vertreter der Rechtes.
Weitlöcher alle.
Der Vertreter des Unrechts.
Nun, erkennst
Und im Theater, welcher Art
Sind mehr –? O sieh!
Der Vertreter der Rechtes.
Ich sehe schon.
Der Vertreter des Unrechts.
Was siehst du denn?
Der Vertreter der Rechtes.
Weitaus die mehrsten – großer Zeus!
(auf einzelne Zuschauer deutend)
Von diesem da
Weiß ich’s gewiß, von jenem dort,
Und diesem hier, dem Lockenkopf!
Der Vertreter des Unrechts.
Was sagst du nun?
Der Vertreter der Rechtes.
Ich bin besiegt!
(zu den Zuschauern)
O fangt mir doch den Mantel auf:
Ich flüchte zu euch hinüber!
(er wirft den Mantel in die Orchestra hinunter; der Sieger geht stolz ab.)
Sokrates. Pheidippides. Strepsiades. Der Chor.
Sokrates.
Was ist es? Willst du deinen Sohn jezt wiederum
Heimnehmen, oder lehr’ ich ihm die Redekunst?
Strepsiades.
Ihm recht den Mund zu wezen: Einen Backen nur
Für kleine Händel, aber scharf den andern hier,
Auf daß er größ’re Sachen auch mit Ruhm besteht.
Sokrates.
Getrost: du führst ihn als gewandten Denker heim!
Pheidippides.
Sokrates.
Nun gehet hin!
Pheidippides.
(zu Strepsiades.)
Ich fürchte, du
Wirst es noch bereuen.
(er geht mit Sokrates in die Wohnung des Lezteren, Strepsiades ab in sein Haus.)
Die Chorführerin.
(an die Zuschauer.)
Was ihr einst gewinnen werdet, Richter, wenn ihr unserm Chor
Gütlich thut, so wie’s gerecht ist, sei von uns euch kundgethan.
Soll zuerst euch Regen werden, und den Andern hintennach.
Eure Feldfrucht, eure Reben, wenn sie blüh’n, behüten wir,
Daß sie nicht durch Dürre leiden noch zu lange Feuchtigkeit.
Aber wenn uns Einer Hohn beut, uns, den Götterfrau’n, ein Mensch,
Weder Wein noch andre Früchte blühen ihm aus seinem Gut.
Denn sobald an Reb’ und Oelbaum junges Laub hervor sich drängt,
Schlagen wir’s mit wilden Schlossen; solche Schleudern schwingen wir.
Sehen wir ihn Ziegel streichen, regnen wir; des Hauses Dach,
Wenn er selbst, ein Anverwandter oder Freund, heimführt die Braut,
Regnen wir die ganze Nacht durch, daß er sicher wünschen wird:
Wär’ ich doch am Nil gewesen, statt so schlecht zu richten hier!
Strepsiades. Der Chor.
Strepsiades.
(mit einem Sack voll Mehl auf dem Rücken.)
Der fünfte, vierte, dritte, dann der zweite noch;
Am meisten bangt und schaudert, der ein Gräuel mir,
Gleich hinter diesem, mein verwünschter Altundneu.
Da schwört ein Jeder, dem ich Etwas schuldig bin,
Das Pfand zu hinterlegen, droht vom Hause mich
Und Schonung: „Bester, fordre jezt das Sümmchen nicht,
Dies borge länger, dies erlaß!“ Nein, sagt er, nein,
So komm’ ich nie zu meinem Geld, und schmäht und schimpft
Mich Lump, Betrüger, und mit Klagen droht er mir.
Wenn Er das Reden brav gelernt, Pheidippides.
Will’s bald erfahren, klopfe hier an die Denkerei.
(er pocht an.)
Bursch, Bürschchen, heda!
(Der Pförtner öffnet.)
Sokrates. Strepsiades. Der Chor.
Sokrates.
(tritt aus dem Hause.)
Meinen Gruß, Strepsiades!
Strepsiades.
(seinen Mehlsack abstellend.)
Willkommen! Doch vor Allem nimm den Sack mir ab;
Von meinem Sohne sage mir, hat er die Kunst
Gelernt, die neue, die du jüngst hier eingeführt?
Sokrates.
Er kennt sie –
Strepsiades.
Dank dir, Prellerei, Allherrscherin!
Sokrates.
So, daß du jeden Handel, den du willst, gewinnst.
Strepsiades.
Sokrates.
Nur um so besser, und bezeugten’s Tausende!
Strepsiades.
„So ruf’ ich jezt laut im hellsten Jubellaut!
Juchhei!“ Und ihr – heult, ihr Pfennigwucherer,
Weh euch mit eurem Kapital und Zinseszins!
Wächst ein so trefflicher Sohn
Doch in dem Hause mir auf;
Zweischneidig erblizt ihm die Zunge!
Mein Schuz, des Hauses Retter, unsrer Feinde Schreck,
(zu Sokrates)
Eile hinein, geschwind ruf ihn heraus zu mir!
(Sokrates geht hinein.)
O Söhnchen, o Kind, komm vor, komm schnell!
Höre, der Vater ruft!
Sokrates.
(mit Pheidippides herauskommend.)
Da kommt er, der Mann!
Strepsiades.
(den Pheidippides umarmend)
Sokrates.
Nimm den Sohn und gehe!
(geht in sein Haus zurück.)
Strepsiades. Pheidippides. Der Chor.
Strepsiades.
Juchhe, juchhe, mein Kind!
(nachdem er ihn mit Entzücken angestaunt.)
Ju! Ju!
Wie freut mich’s, endlich deine Farbe so zu seh’n!
Jezt ist in deinen Augen erst der Widerspruch
„Was sagst du?“ spielt um deinen Mund, samt jenem Ernst,
Der sich gekränkt stellt, während er den Andern kränkt.
Aus deinem Angesichte blickt der Attiker.
Nun sei mir Retter, wie du mein Verderben warst!
Pheidippides.
Strepsiades.
Vor dem alt- und neuen Tag –
Pheidippides.
Was ist denn das, ein alter und ein neuer Tag?
Strepsiades.
Auf den sie mir mit hinterlegtem Pfande drohn.
Pheidippides.
Und auch das Pfand verlieren; denn unmöglich kann
Der Eine Tag doch auch zugleich zwei Tage sein.
Strepsiades.
Pheidippides.
Allerdings, wenn nicht zugleich
Ein Dirnchen und ein altes Weib dasselbe sind.
Strepsiades.
Doch steht es im Geseze.
Pheidippides.
Sie versteh’n es falsch,
Sie wissen nicht recht, was es meint.
Strepsiades.
Was meint es denn?
Pheidippides.
Der alte Solon war gewiß ein Bürgerfreund –
Strepsiades.
Pheidippides.
Der hat die Vorladungen angesezt auf zwei
Verschiedne Tage, den alten und den neuen Tag,
Damit die Hinterlagen am Neumond geschehn.
Strepsiades.
Warum den alten noch dazu?
Pheidippides.
Mein Freund, damit
Gutwillig sich zu lösen, und, vermag er’s nicht,
Frühmorgens ihn der strenge Neumond ängstiget.
Strepsiades.
Was zieh’n die Richter schon am alt- und neuen Tag,
Warum am Neumondstage nicht die Pfänder ein?
Pheidippides.
Um möglichst bald die Pfandgebühren einzuziehn,
Drum kosten sie’s um einen vollen Tag zuvor.
Strepsiades.
(gegen die Zuschauer)
Ihr Armen, he! Was sizt ihr da so dumm herum,
Ein Spott für uns, die Weisen! Klöze, Steine nur,
Wohl billig stimm’ ich auf mich selbst und diesen Sohn
Um solches Glückes willen an ein Jubellied!
(singend)
„O du glückseliger Mann!
Wie weise schon bist du selbst,
So ruft mit bald jeder Freund
Und Nachbar zu,
(zu Pheidippides)
Voll Neides, wenn in jedem Handel
Dein Wort Sieger bleibt!
Erst am Mahl zu laben.
(Sie gehen in’s Haus.)
Pasias, ein wohlbeleibter Alter. Ein Zeuge. Strepsiades. Der Chor.
Pasias.
(im Gespräche mit dem Zeugen fortfahrend.)
Da soll ein Mann das Seine so wegwerfen? Nein,
Nein! Klüger freilich war es, ihm damals sogleich
Rundweg es abzuschlagen, als jezt also mich
Dich herbemüh’n als Zeugen und noch obendrein
Mit einem alten Nachbar mich verfeinden muß.
Doch nie, so lang ich lebe, schänd’ ich unsre Stadt;
So lad’ ich denn Strepsiades –
Strepsiades.
(aus dem Hause tretend.)
Wer ist der Mann?
Pasias.
Strepsiades.
(zu den Zuschauern:)
Ihr bezeugt es mir:
Zwei Tage hat er anberaumt!
(zu Pasias:)
Und was betrifft’s?
Pasias.
Ich borgte dir zwölf Minen, um den Schecken dir
Dafür zu kaufen.
Strepsiades.
Ich den Schecken? Hörtet ihr’s?
Ich, der – ihr alle wißt es – haßt, was Pferde heißt?
Pasias.
Strepsiades.
Wohl: aber damals hatte ja Pheidippides
Noch nicht das unumstößliche neue Recht gelernt.
Pasias.
Und also darum läugnest du die Schuld mir ab?
Strepsiades.
Was würd’ ich sonst gewinnen bei der Wissenschaft?
Pasias.
Wenn ich zum Eid dich treibe?
Strepsiades.
Was für Göttern denn?
Pasias.
Dem Zeus, dem Hermes und Poseidon.
Strepsiades.
Ja bei Zeus,
Um nur zu schwören, legt’ ich drei Obole drauf!
Pasias.
Zur Hölle du mit deiner unverschämten Stirn!
Strepsiades.
(auf den Bauch des Pasias zeigend)
Pasias.
Wie? Du verhöhnst mich?
Strepsiades.
Faßte wohl sechs Kannen der!
Pasias.
Bei Zeus und aller Götter Macht, das soll dir nicht
Von mir so hingeh’n!
Strepsiades.
Welch ein Spaß die Götter da!
Auch Zeus im Eidschwur ist ein Spott der „Wissenden.“
Pasias.
Jezt – willst du zahlen oder nicht? Antworte mir,
Damit ich weiter gehe.
Strepsiades.
Wart’ in Ruhe noch:
Gleich bring’ ich deutlich und bestimmt Antwort zurück.
(er läuft in’s Haus.)
Pasias.
(zu dem Zeugen:)
Was, meinst du, wird er thun?
Der Zeuge.
Bezahlen, mein’ ich doch!
Strepsiades.
(kommt mit einem Backtroge zurück.)
Sag’ an, wie heißt dies?
Pasias.
Einen Backtrog nennt man es.
Strepsiades.
Und, solch ein Dummkopf, forderst du noch Geld von mir?
Nie geb’ ich einen Obolos dem Mann heraus,
Der einen Trog die Backeltruhe nennen kann!
Pasias.
Strepsiades.
Nein, so viel ich weiß.
Nun tummle dich, und eilig packe dich hinweg
Von meiner Thür!
Pasias.
Ich gehe. Doch das merke dir:
So wahr ich lebe, hinterleg’ ich jezt ein Pfand!
(er geht mit dem Zeugen ab.)
Strepsiades.
Und wirst es auch wegwerfen zu den zwölfen hin!
Denn nur aus Einfalt sprachest du von einem Trog.
Amynias, ein wohlgekleideter junger Mann. Strepsiades. Der Chor.
Amynias.
O weh mir, weh!
Strepsiades.
Ho, ho!
Wer heult denn hier so kläglich? Hat wohl Einer gar
Amynias.
Wie? Wer ich sei? Ach, das zu wissen wünschet ihr?
Ein Mann des Unglücks!
Strepsiades.
Gehe denn nur deines Wegs!
Amynias.
„O grimmer Dämon, wagenradzertrümmerndes
Geschick der Rosse! Pallas, wie verderbst du mich!“
Strepsiades.
Amynias.
Freund, spotte nicht; nein, heiße lieber deinen Sohn
Das Geld zurück mir zahlen, das ich ihm geborgt,
Zumal mich sonst auch heimgesucht das Misgeschick.
Strepsiades.
Und welches Geld denn?
Amynias.
Das ich ihm auf Zinse lieh.
Strepsiades.
Amynias.
Wettrennen wollt’ ich (großer Zeus!), und kam zu Fall.
Strepsiades.
Was faselst du, wie Einer, der vom Esel fiel?
Amynias.
Ich fas’le, wenn ich wieder will, was mein gehört?
Strepsiades.
Unmöglich kannst du wiederum gesunden.
Amynias.
Wie?
Strepsiades.
Amynias.
Und du, bei Hermes, scheint es mir, stehst bald vor Amt,
Wenn du das Geld nicht heimbezahlst.
Strepsiades.
Erst sage mir:
Was meinst du? Sendet jedesmal, wenn’s regnet, Zeus
Uns neues Wasser, oder zieht die Sonne stets
Amynias.
Das kann ich nicht entscheiden; liegt mir wenig dran.
Strepsiades.
Und doch – das Geld zu fordern hältst du dich befugt,
Und weißt so gar von überird’schen Dingen nichts?
Amynias.
Nun, bist du nicht bei Gelde, Freund, so zahle doch
Strepsiades.
Welch ein Thier ist das, der Zins?
Amynias.
Was anders, als daß jeden Monat, jeden Tag,
Die Summe Geldes immerfort sich mehrt und mehrt,
Indeß gemach fortströmt die Zeit?
Strepsiades.
Recht gut gesagt!
Doch weiter! Glaubst du, daß die See zu dieser Zeit
Amynias.
Nein, die bleibt sich gleich;
Ich sehe nicht, warum sie wachsen sollte.
Strepsiades.
Nun,
Wie kommt es, Armer? Größer wird niemals die See,
In die so manches Wasser doch einströmt, und du
Verlangst, nur immer wachsen soll dein Silberschaz?
(zu einem Sklaven)
Bring’ her den Ochsenstachel!
Amynias.
(zu den Zuschauern.)
Ihr bezeugt mir das!
Strepsiades.
Was säumst du? Vorwärts! Tummle dich, mein edles Roß!
Amynias.
Ha, welch ein Frevel!
Strepsiades.
Trabst du gleich? Ich stachle dich,
Seilklepper, unterm Schweife, daß du weiter kommst!
(Amynias entflieht.)
Samt deinen Rädern und dem Stuhl des Zweigespanns.
(ab in’s Haus.)
Erster Halbchor.
Strophe.
So kommt es, wenn man bösem Werk nachtrachtet! Hier
Der Alte, Wahntrunk’ne,
Will Gelder unterschlagen, die
Nicht fehlen kann es, heute trifft
Sicher ihn ein Ungemach,
Daß der abgefeimte Wicht
Unverseh’ns
Den Lohn empfängt, der Klügling!
Zweiter Halbchor.
Gegenstrophe.
Bald, mein’ ich, wird er finden, was er lange schon
Mit heißer Gier suchte:
Daß Meister ward sein Sohn, beherzt
Das Recht zu beugen, daß er flugs
Alle Gegner niederschlägt,
Die er trifft, und spräch’ er auch
Eitel Trug.
Er wäre stumm, der Junge.
Strepsiades. Pheidippides. Der Chor.
Strepsiades.
(stürzt aus dem Hause, hinter ihm her Pheidippides, der nach ihm schlägt.)
Au, au!
Ihr Freunde, Nachbarn, Anverwandte, steht mir bei,
So viel ihr könnt, – vor seinen Schlägen rettet mich!
Mein graues Haupt, ich Armer, ach, mein Backenbein!
Pheidippides.
Ja, mein Vater, ja!
Strepsiades.
(an die Zuschauer:)
Seht, er bekennt, daß er mich schlägt!
Pheidippides.
Nun, allerdings!
Strepsiades.
Ruchloses Scheusal, Vatermörder, Straßendieb!
Pheidippides.
O schimpfe so noch Einmal, schimpfe derber noch!
Ich hör’ es gerne, noch so viel und noch so derb.
Strepsiades.
Pheidippides.
Streue mir der Rosen viel!
Strepsiades.
Du schlägst den Vater?
Pheidippides.
Und beweisen, will ich, traun,
Daß ich’s mit allem Rechte that.
Strepsiades.
Abscheulicher,
Den Vater schlagen, – sollte das mit Recht geschehn?
Pheidippides.
Mit Gründen zeig’ ich’s, daß du dich besiegt erkennst.
Strepsiades.
Pheidippides.
Leicht, und gründlich auch;
In welcher Redeweise, das entscheide selbst.
Strepsiades.
In welcher – ?
Pheidippides.
Nun, der stärkern oder schwächeren?
Strepsiades.
So? Freilich darum lerntest du die Kunst, o Thor,
Dem Recht zu widersprechen, um am Ende mir
Wenn seinem Vater Schläge gibt der eigne Sohn!
Pheidippides.
Ich denke dir’s so gründlich einzureden, daß
Du selbst, mein Wort vernehmend, Nichts entgegnen sollst.
Strepsiades.
Nun denn, so will ich hören, was du sagen wirst.
Erster Halbchor.
Strophe.
Du diesen bewältigst;
Denn pocht’ er nicht auf irgendwas, er wäre doch
Nicht gar so vermessen.
Wohl macht ihn Etwas trozig; denn viel Zuversicht
Die Chorführerin.
Doch jezt, aus welchem Keime sich der Streit zuerst entsponnen,
Ziemt dir dem Chore kundzuthun; so sag’ es unverholen.
Strepsiades.
Nun ja, von wannen wir zuerst begannen uns zu schimpfen,
Erzähl’ ich. Eben saßen wir am Mahle, wie ihr wisset;
Das Liedchen von Simonides: „der Widder ward geschoren.“
Gleich fuhr er auf, altmodisch sei’s, zu leiern und zu singen
Bei’m Trunk, dem alten Weibe gleich, das dürre Gerste mahle.
Pheidippides.
Und mußt’ ich dir nicht gleich zu Leib mit Fäusten und mit Füßen,
Strepsiades.
Das Gleiche hat er drinnen auch schon, so wie jezt, geäußert;
Auch schalt er auf Simonides, er sei ein schlechter Dichter.
Ich hielt mich nur mit Mühe, doch bezwang ich mich im Anfang;
Dann hieß ich ihn mir wenigstens, ein Myrtenreis in Händen,
„Von Aeschylos? Nun, dieser dünkt mir, traun, der erste Meister
In Schwulst und Bombast, ungeschlacht, hochtrabend, aufgedunsen.“
Da kochte mir (wie meint ihr wohl?) vor Grimm das Herz im Busen;
Gleichwohl verbiß ich meine Wuth und sprach: „So stimme, Lieber,
Gleich sang er aus Euripides ein Stück, worin der Bruder –
Apollon, wend’ uns ab den Fluch! – beiwohnt der eignen Schwester.
Das hielt ich denn nicht länger aus, und plazte los mit Fluchen,
Mit Schimpf und Schmähung mancher Art; nun ging es, wie’s Gebrauch ist:
Und mich zerstampft, durchbläut und preßt, und fast das Herz mit auswürgt.
Pheidippides.
Mit Recht, da du den Euripides, den ersten aller Weisen,
Nicht ehrst!
Strepsiades.
Den ersten Weisen ihn? O du – wie soll ich sagen?
Doch sezt es wieder Schläge dann.
Pheidippides.
Gewiß, und wohlverdiente!
Strepsiades.
Und jeden deiner Wünsche stets errieth an deinem Lallen?
So oft du Bryn riefst, merkt’ ich gleich und reichte dir zu trinken;
Und wenn du Mamman betteltest, so lief ich Brod zu holen;
Und wenn du Kakka kaum gesagt, so nahm ich dich und sezte
So laut ich rief, so laut ich schrie,
Daß Noth mich dränge, trugst du doch
Mich vor die Thüre nicht hinaus,
Verruchter Sohn, daß eingepreßt
Zweiter Halbchor.
Gegenstrophe.
Mich dünkt, den Jungen klopft das Herz vor Ungeduld,
Was dieser entgegnet.
Nun, wenn sich rein zu waschen ihm nach solcher That
Durch Schwazen gelänge;
Kein winziges Böhnchen.
Die Chorführerin.
(zu Pheidippides:)
Nun ist’s an dir, du neuer Kunst Aufrüttler und Beweger,
Auf Ueberredung auszugeh’n, damit du scheinst im Rechte.
Pheidippides.
Wie lieblich ist es, eingeweiht in neuer Kunst Ideen
So lang auf Roß und Wagen nur ich Herz und Sinn gerichtet,
Da konnt’ ich auch drei Worte nicht vorbringen ohne Stocken.
Nun aber, seit der Vater selbst davon mich abgezogen,
Und ich mit feinem Saz und Wort und Grübelei’n vertraut bin,
Strepsiades.
So reite, fahre, wie du willst! Mir wahrlich thut es besser,
Ein Viergespann zu füttern, als durch Schläge mürb zu werden.
Pheidippides.
Ich komme wieder auf den Saz, wo du mich unterbrachest,
Und frage dich vor Allem: ob du mich als Kind geschlagen?
Strepsiades.
Pheidippides.
So sage,
Ob’s nicht gerecht ist, daß auch ich durch Schläge meine Liebe
Dir zeige, da das Schlagen ja nichts ist als reine Liebe?
Wie sollte denn nur deine Haut frei sein von jedem Streiche,
Die meine nicht? Ich bin doch auch als freier Mann geboren.
Wohl wirst du sagen, also sei’s einmal bei Kindern üblich;
Doch ich erwied’re, Greise sind zum zweitenmale Kinder.
Und wohl verdienen Alte drum mehr Schläge denn die Jungen,
Je minder ihrer Jahre Zahl, zu fehlen, sie berechtigt.
Strepsiades.
Pheidippides.
War’s nicht ein Mensch, der dies Gesez uns aufgestellt im Anfang,
Wie du und ich? Gewann er nicht mit Reden erst die Alten?
Wie stünde mir’s denn minder frei, der Folgezeit ein neues
Gesez zu schaffen, daß der Sohn den Vater wieder schlage?
Die schenken wir euch insgesammt als Schulden, die verjährt sind.
Betrachte doch die Hähne nur und andres Hausgezüchte,
Wie’s gegen seine Väter kämpft. Gleichwohl was unterscheidet
Sie denn von uns, als daß sie nicht wie wir Psephismen krizeln?
Strepsiades.
Scharr’ aus dem Mist dein Futter auch und schlaf’ auf einer Leiter!
Pheidippides.
Das ist ein Andres, wäre, Freund, auch Sokrates’ Geschmack nicht.
Strepsiades.
Drum schlage nicht; sonst hast du selbst dereinst dich anzuklagen.
Pheidippides.
Warum?
Strepsiades.
Wie ich berechtigt bin, dich, meinen Sohn, zu strafen,
Pheidippides.
Und wenn mir keiner würde –
Ich hätte dann umsonst geheult, du lachtest noch im Grabe.
Strepsiades.
(an die Zuschauer.)
Ihr Männer, mir an Alter gleich, mir scheint er Recht zu haben;
Mich dünkt, man muß den Jungen auch, was billig ist, gestatten.
Denn wenn wir nicht das Rechte thun, ist’s billig, uns zu schlagen.
Pheidippides.
Strepsiades.
Nun geht es mir an’s Leben.
Pheidippides.
Vielleicht, du wirst dich eher dann für deine Schläge trösten.
Strepsiades.
Wie? Sage doch, wie denkst du mir daraus Gewinn zu schaffen?
Pheidippides.
Die Mutter schlag’ ich so wie dich.
Strepsiades.
Was sagst du da? Was sagst du?
Ein neuer Frevel, ärger noch!
Pheidippides.
Wie, wenn ich dir als Anwalt
Die Mutter schlagen, sei mir Pflicht?
Strepsiades.
Was weiter? Wenn du solches thust,
Dann hindert nichts mehr, daß du selbst
Hinab dich stürzest in’s Verließ
Und deiner schwächern Sache! –
(sich von ihm abwendend:)
Ihr tragt die Schuld, ihr Wolken, daß ich dies erlebt,
Dieweil ich all mein Trachten euch anheimgestellt!
Die Chorführerin.
An all dem Unheil hast du selbst allein die Schuld,
Strepsiades.
Warum denn habt ihr solches mir nicht gleich gesagt,
Warum mich alten dummen Mann noch mehr bethört?
Die Chorführerin.
Das thun wir immer, jedesmal, wenn Einer uns
Erscheint in böses Trachten ganz und gar verstrickt,
Damit er Ehrfurcht lerne vor der Götter Macht.
Strepsiades.
O wehe! Schlimm ist das, ihr Wolken, doch gerecht!
Um ihre Gelder durft’ ich meine Gläubiger
Nicht prellen.
(Indem er sich wieder an Pheidippides wendet.)
Nun komm ohne Säumen, Theuerster;
Die dich und mich betrogen, auf, verderbe sie!
Pheidippides.
Nein, meinen Lehrern will ich nichts zu Leide thun.
Strepsiades.
Doch, doch! Du sollst Zeus fürchten, unsrer Väter Gott!
Pheidippides.
Da seht mir: Zeus, der Väter Gott! Altgläubiger!
Strepsiades.
Allerdings.
Pheidippides.
Nein, nein; es herrscht
Der König Umschwung, der den Zeus vom Throne stieß.
Strepsiades.
Nicht stieß vom Throne; nein, ich glaubte früher nur,
Das Schwunggefäß dort wäre Zeus. Ich armer Tropf!
Ich hielt sogar dich, ird’nes Ding, für einen Gott!
Pheidippides.
(er geht ab.)
Strepsiades. Der Chor.
Strepsiades.
Weh, weh, Verrückheit! Daß ich so wahnsinnig war,
Die Götter wegzuwerfen um den Sokrates! –
(Indem er einer Hermessäule naht.)
O lieber Hermes, grolle mir doch nicht darob,
Und reibe mich nicht völlig auf, verzeihe mir’s,
Ach, rathe mir doch freundlich: soll ich öffentlich
Sie vor Gericht belangen? Oder – was du meinst!
(Er lauscht wie Antwort erwartend.)
Du räthst mir recht, Prozesse weben soll ich nicht,
Nein, flugs in aller Eile dort der Schwäzer Haus
(ruft in’s Haus hinein.)
Hierher, holla, her du, Xanthias!
Nimm eine Leiter, komm heraus, bring’ Hacken auch,
Und steige dann dort auf die Denkerei hinauf,
Und haue, liebst du deinen Herrn, die Balken durch,
Bis daß die Wohnung ihnen auf die Köpfe stürzt!
(Xanthtias steigt hinauf und geht an die Arbeit.)
Dann soll von ihnen Mancher heut zur Stelle hier
Mir büßen, sei ihr Uebermuth auch noch so groß!
Strepsiades. Schüler des Sokrates. Sokrates. Chärephon. Der Chor.
Ein Schüler.
O weh! O weh!
Strepsiades.
(die Fackel schwingend.)
Nun ist’s an dir, o Fackel: laß die Flammen sprüh’n!
(er steigt auf das Dach und zündet es an.)
Der Schüler.
Strepsiades.
Was ich mache? Weiter nichts!
Ich spintisire mit des Hauses Balken hier.
Zweiter Schüler.
Weh, weh!
Wer steckt das Haus uns über unserm Kopf in Brand?
Strepsiades.
Derselbe, dessen Mantel ihr entwendet habt!
Dritter Schüler.
Du mordest uns! Du mordest uns!
Strepsiades.
Das will ich auch,
Vorher hinunterstürze, daß mein Nacken bricht!
Sokrates.
(noch innen)
Du, was beginnst du eigentlich, du dort auf dem Dach?
Strepsiades.
In Lüften wandl’ ich, sehe herab auf Helios.
Sokrates.
O wehe, weh mir Armen, ich ersticke noch!
Chärephon.
Strepsiades.
Wer hat denn euch geheißen auch die Götter schmäh’n,
Und nach Selene’s Size schau’n mit Späherblick?
(zu Xanthias.)
Drauf! Schlage, wirf sie! Tausendfach verdienten sie’s,
Zumal sie selbst an unsern Göttern frevelten.
(das Haus des Sokrates brennt nieder.)
Die Chorführerin.
(zu dem Chore.)
Vers 5. Früher, als noch Friede war, hätten die Knechte mir nicht so schnarchen dürfen. Da wurden die Sklaven in der Frühe auf das Feld geschickt; seit dem Ausbruche des Krieges mußten sie glimpflicher behandelt werden. Denn bis zum Jahre 413 „waren, wie Thukydides (7, 27.) berichtet, mehr denn 20,000 Sklaven zu den Feinden (den Peloponnesiern, die im attischen Gebiete streiften, Schol.) übergegangen.“
" 14. Freie Männer, besonders welche die Reitkunst übten, trugen langes Haar.
" 17. Bei den Griechen wurde das Geld monatweise ausgeliehen, und die Zinse waren am letzten Monatstage fällig.
" 22. Zwölf Minen sind 275 Thaler.
" 23. Koppa, in der Urschrift Koppatias, ein edles Roß, welchem das Zeichen „Koppa“ in die Hüfte gebrannt ist.
" 25. Die Wagenlenker auf der Rennbahn fuhren neben einander. Oft aber kam einer dem andern in’s Geschirr, wie Antilochos dem Menelaos: Il. 23, 423 ff.
Aber Antilochos lenkte die stampfenden Rosse vorüber,
Rasch abfahrend vom Weg, und bog nur wenig zur Seite.
Held Menelaos erschrack und rief zu dem Sohne des Nestor:
Sinnlos führst du den Wagen, Antilochos! Hemme die Rosse!
Eng ist’s hier; bald kannst du an breiterer Stelle vorüber;
Renne mir nicht an den Wagen; du bringst uns Beide zu Schaden!
" 28. Pheidippides fragt unwillig, ob denn Philon die Bahn ganz für sich in Anspruch nehmen und alle Andern von der Benüzung derselben ausschließen wolle. Kock.
[102] Vers 30. Nach dem Scholiasten Anspielung auf einen Vers des Euripides: τί χρέος ἔβα δῶμα; welche Noth traf das Haus? nur daß Aristophanes das Wort χρέος in der Bedeutung von Schuld gebraucht.
" 32. Zur Schwemme, eigentlich „zum Sande“, zu den sandigen Pläzen, wohin die vom Rennen erschöpften Rosse geführt wurden, um sich durch Wälzen im Sande zu erfrischen.
" 37. ein Schulze, der Demarch, der in den Gemeindeversammlungen den Vorsiz führte und das Schuldenwesen unter sich hatte. Dieser beißt, wie ein Floh oder eine Wanze, den Strepsiades zum Bett hinaus.
" 47. Megakles, ein Name, der in dem angesehenen Geschlechte der Alkmäoniden, aus welchem auch Perikles und Alkibiades stammten, häufig vorkommt. Uebrigens ist die Abstammung der Frau des Strepsiades wohl nur erdichtet, um den Schein der Vornehmheit zu steigern. Die stolze, üppige Kösyra wird bald Eretrierin und Ahnfrau jenes Geschlechtes als Gattin Alkmäons, bald die dem Peisistratos vermählte Tochter der Megakles genannt.
" 63. Namen mit Hippos, Roß, waren ritterlich. Die Mutter, stolz auf Ahnen, die durch Rossezucht sich hervorthaten, (nach Herodotos waren die Alkmäoniden diejenigen, die von Anfang an Wagenkämpfe geübt und Kampfsiege gewonnen hatten,) will ein Roß anbringen, und nennt ihn bald
Der Vater dagegen, dessen Vater Pheidon (V. 134) und Pheidonides, Spargut, Spargutsohn, geheißen hat, nennt ihn Spargütlein (V. 65). Endlich werden sie eins, und nennen ihn, halb adelich und halb ländlich, Sparrösselein. Voß.
" 71. Die „Höhen des Phelleus“ sollen steinige Abhänge nordöstlich von Athen sein, die zu Weiden besonders geeignet waren.
[103] Vers 79. Ein vielsagendes Pröbchen, bemerkt Wieland zu dieser Stelle, wie der schwachherzige, einfältig-schlaue Strepsiades seinen halbadelichen Jungen erzog. Es werden uns deren noch mehrere aufstoßen. Auch mußte eine solche Erziehung vorhergegangen sein, wenn der sophistische Sokrates dieses Stückes einen solchen Taugenichts aus ihm sollte machen können, wie er sich uns am Ende darstellen wird.
" 81. Der Sohn soll ihm die Hand geben, weil er im Sinne hat, ihm ein Versprechen abzunöthigen.
" 92. Sokrates hatte ein Häuschen, welches er selbst mit Einschluß des Hausgerätes bei Xenophon auf fünf Minen schäzt. Zwölf Minen hatte das Kopparoß (V. 23) gekostet. In einem ähnlichen Häuschen schulhaltert der komische Sokrates; der wirkliche Sokrates war den Tag über nicht zu Hause, sondern verkehrte in Gymnasien, und wo er sonst die meisten Menschen antraf. Voß.
" 96. Stülpkamin, eine Stülpe, worunter man glühende Kohlen barg. In den Panopten des Kratinos ward derselbe Vergleich, wie der Scholiast meldet, dem Weltweisen Hippon zugeeignet.
" 99. Daß Sokrates für seinen Unterricht Geld genommen, bestreiten Xenophon und Plato; wohl aber ist nicht unwahrscheinlich, daß er von seinen Schülern Unterstüzung in Lebensmitteln empfing, während sich die Sophisten für ihre Kunst theuer bezahlen ließen.
" 104. Chärephon aus der Gemeinde Sphettos (V. 156) war ein Jugendfreund des Sokrates, wie dieser selbst in Platons Apologie (c. 5) bezeugt, und hatte zu Delphi den Orakelspruch erwirkt, wodurch Sokrates für den weisesten der Sterblichen erklärt wurde. Er war blaß und hager, hatte lange, schwarze Augenbrauen, aus welchen der Floh (V. 146) auf die Glaze des Sokrates springt, und ein dünnes Stimmchen, weßwegen ihn Aristophanes in den Vögeln (1554.) die Fledermaus nennt. Seine ungestüme Begeisterung für Sokrates mag wohl neben seiner [104] Gestalt die Pfeile der Komiker auf ihn gelenkt haben, die ihn nicht weniger angriffen, als den Sokrates selbst.
Vers 109. Fasanen, die man vom kolchischen Flusse Phasis eingeführt hatte, waren damals in Athen noch sehr selten. – Leogoras, der Vater des Redners Andokides, war ein berüchtigter Schlemmer.
" 110. Die Anrede parodirt die Sprache der Tragiker.
" 113. Protagoras und andere Sophisten lehrten, daß für die entgegengeseztesten Behauptungen über denselben Gegenstand gleich starke Gründe vorhanden seien, und bekannten sich öffentlich zu der Kunst, die schlechtere, schwächere Sache (des Unrechts) in die bessere, stärkere (des Rechtes) zu verwandeln. Gell. N. A. 5, 3: Protagoras pollicebatur se id docere, quanam verborum industria causa infirmior fieret fortior. Quam rem Graece dicebat: τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν.
" 126. Der Ausdruck ist von Ringern entlehnt, die erst nach dem dritten Falle für besiegt galten.
" 134. Die vollständige Angabe des Namens, wie sie bei wichtigen Gerichts- und Staatsverhandlungen erforderlich war, gibt der Stelle den Charakter komischer Feierlichkeit. Kock.
" 137. Sokrates, der Sohn einer Hebamme, pflegte selbst seine Lehrweise mit der Kunst seiner Mutter zu vergleichen und sich zu rühmen, daß er die Seelen der Jünglinge von den Wahrheiten, die in ihnen, gleich einer Leibesfrucht im Schooße der Mutter, verborgen liegen, entbinde, und sie also gebären mache. Der thürhütende Schüler wirft im Schrecken eine Fehlgeburt.
" 145. Es ist wohl möglich, daß Sokrates, dem es sehr gewöhnlich war, zumal in guter Gesellschaft bei Tische, paradox scheinende Wahrheiten in einem scherzhaften Tone vorzubringen, unserem Dichter auch zu dieser muthwilligen Spötterei Gelegenheit gegeben haben kann. Denn eine solche Frage aufzuwerfen, wenn etwa die Rede davon war, daß Größe und Kleinheit bloß relative Begriffe seien, wobei Alles auf den Maßstab ankommt, war gar [105] sehr in seiner Manier. Das Burleske liegt bloß darin, daß Aristophanes den Philosophen Ernst aus der Sache machen und dem Floh Pantöffelchen anziehen läßt, um das Maß seines Fußes genau angeben zu können. Wieland. Uebrigens wird die Geometrie nach Flohfüßen dem Sokrates auch in dem Gastmahle des Xenophon aufgerückt; vielleicht bezieht sich dies auf eine bekannte Anekdote, die auch Aristophanes benüzt.
Vers 177. Sokrates, der so gern seinen belehrenden Umgang der Jugend weihte, hielt sich oft in Gymnasien und Ringhöfen auf, um mit den Jünglingen, die dort ihre Leibesübungen machten, sich zu unterhalten. In den Ringhöfen stand ein Opferaltar; ein Tisch, worauf das Opfer zerlegt wurde, und die Bratspieße durften nicht fehlen, Asche war von den verbrannten Opfertheilen vorhanden. Droysen.
" 186. Kleon hatte sie zuerst in Pylos eingeschlossen, und als sie sich ergaben, nach Athen geführt, wo er die Abgezehrten in enger Haft nochmals hungern ließ: Thukydid. 4, 8. Der Sinn ist: sie sehen so bleich und abgezehrt aus, wie jene Sparter.
" 203. Erobertes Land wurde vermittelst des Looses unter athenische Bürger vertheilt, denen die Einwohner um Lohn dienen mußten; den zehnten Theil davon erhielten die Götter. Der Alte meint V. 205, so solle die ganze Welt vermessen und vertheilt werden.
" 208. Von den zwanzigtausend Bürgern Athens saßen sechstausend in den Gerichten. Die Vorliebe der Athener für Processe verspottet der Dichter auch sonst.
" 212. Euböa liegt neben Attika lang dahingestreckt; daher der frühere Name der Insel Makris. Die Euböer hatten im Anfang des peloponnesischen Krieges gegen Athen Partei genommen, und waren dafür von Perikles „hingestreckt“ (V. 213), empfindlich gezüchtigt worden. Wieland macht noch auf den demokratischen Stolz des Bauers in den Worten: „uns und Perikles!“ aufmerksam.
[106] Vers 234. Die Kresse hatte nach der Meinung der Alten eine den Boden und die benachbarten Pflanzen besonders anziehende und austrocknende Kraft. Aristophanes spielt auf die Gewohnheit des Sokrates an, seine Lehrsäze durch Analogieen und Beispiele aus dem gemeinen Leben zu erläutern und anschaulicher zu machen. Wieland.
" 248. Gangbare Münze, d. i. gangbarer Glaube; aber Strepsiades versteht den Ausdruck eigentlich.
" 249. Die eisernen Münzen hatten die Byzantier, ebenfalls Dorer, wie die Sparter, mit den lezteren gemein.
" 257. In dem Athamas des Sophokles, der zwei (verloren gegangene) Tragödien dieses Namens schrieb, wurde dieser alte König Böotiens durch die Rache der Göttin Nephele, die er, nachdem sie von ihm zwei Kinder, Phrixos und Helle, geboren, einer Sterblichen zu Liebe verlassen hatte, bekränzt vor den Altar des Zeus geführt, um geopfert zu werden, aber durch die Dazwischenkunft des Herakles noch gerettet.
" 264. Die Luft wird als „allherrschender Gott“, als Zeus, angerufen nach dem Vorgange des Euripides (in den Bruchstücken):
Du siehest hoch den unermess’nen Aether dort,
Der rings die Erd’ einschließt in feuchter Arme Band.
Ihn achte du für Zeus und glaub’ an jenen Gott!
" 268. In der Stadt ging man gewöhnlich ohne Kopfbedeckung aus.
" 270. Von den äußersten Enden der Erde: den Okeanosinseln im Westen, dem Nil (Neilos) im Süden, dem mäotischen See im Norden, dem Mimas, einem hohen Gebirge Kleinasiens, im Osten, werden die Wolken zusammengerufen.
" 271. Die Nymphen sind die Okeaninen, die Töchter des Okeanos und der Tethys.
" 294. Die schlechten komischen Dichter sind gemeint. Als die komischen Spiele noch auf Wagen an den Straßen vorgetragen wurden, machten die Darsteller das Gesicht [107] durch Weinhefe unkenntlich. Die Personen des Aristophanes hatten Larven.
Vers 300. Das mystische Haus ist der Tempel der Demeter und Persephone in Eleusis, worin man die Weihe der Mysterien empfing.
" 303. Bilder und Tempel, wie die Werke des Phidias, der Parthenon, die beiden Standbilder der Pallas u. s. f.
" 307. Feste gibt es in jeder Jahreszeit; aber mit dem Lenze beginnt das schönste, die Feier des Dionysos mit Chortänzen und Gesängen, wozu schmetternde Flöten tönten.
" 315. Ausdrücke der Tragödie.
" 319. Parnes, das Gränzgebirge gegen Böotien, im Norden Athens.
" 328. Die ganze hier aufgezählte Sippschaft gehörte der neumodischen Zunft der Sophisten an, deren Schuzgottheiten die luftigen Wolken sind. Unter den „Ringfingerignägelberingten“, d. i. mit Ringen an den Fingern bis zum weißen Nagel bedeckten, versteht Lessing prunkende Flötenspieler; überhaupt sind wohl athenische Stuzer gemeint, wie sie in der Einleitung des platonischen Protagoras im Hause des Kallias sich versammeln, vor Allen der geckenhafte Sophist Hippias aus Elis; der eine Menge selbstverfertigten Puzes an sich trug.
" 329. Dithyrambische Chöre, Rundgesänge, die an festlichen Tagen um Götteraltäre getanzt wurden. Ihr ehemals einfacher, kräftiger, choralmäßiger Ton verlor sich damals in Schwulst und schnörkelnde Künstlichkeit. Diese von den Wolken empfangen zu haben, rühmt sich in den Vögeln 1383 ff. der Dithyrambensänger Kinesias. Voß.
" 331. Phrasen aus Dithyrambendichtern, wie Kinesias, Philoxenos und Kleomenes.
" 332. Das wirbelnde Hunderthaupt ist Typhos; der Gigant, der nach Aeschylos (im Prometheus) hundert Häupter mit blizsprühenden Augen hatte, eine Personifikation des feurigen Wirbelwindes.
[108] Vers 335. Das Ganze, bemerkt der Scholiast, zielt auf die Dichter, welche bei den Choregen schmausten, oder auf Spruchredner und Seher, die im Prytaneion unterhalten wurden.
" 345. Der Sohn des Xenophantos, Hieronymos, der hochtrabende Tragödien und Dithyramben schrieb, hatte sehr dichtes Haar, das in den Acharnern als „dunkeldichthaarige Tarnkappe“ bezeichnet wird.
" 347. Simon, ein Sophist, in öffentlichen Angelegenheiten sehr gewandt, auch durch Meineid berüchtigt: vgl. V. 395.
" 349. Kleonymos wird oft von Aristophanes und den anderen Komikern durchgezogen, besonders wegen seiner unglaublichen Feigheit.
" 351. Kleisthenes, von dem Dichter anderwärts als glattgeschorener Weichling verspottet, ist bei der Aufführung anwesend zu denken.
" 357. Prodikos, ein durch Geist und Kenntnisse ausgezeichneter Sophist, der sich besonders mit etymologischen und synonymischen Forschungen beschäftigte, und seine Weisheit für schweres Geld verkaufte. Von ihm ist die allegorische Erzählung von Herakles am Scheidewege, die uns in der Umarbeitung des Xenophon (Denkwürd. 2, 1, 21) erhalten ist.
" 360. Die Erde ruft Strepsiades an als Landmann.
" 371. Die Anrede: „du Verweg’ner in Allem“, parodirt eine Stelle des Sophokles im Oedipus auf Kolonos (V. 759 unserer Uebersezung).
" 376. Empedokles lehrte nach Aristoteles: die Erde ruhe durch den schnellen Kreislauf des Himmels, wie ein schnell umgeschwungenes Glas das Wasser nicht verschütte. Von ihm sagt Sokrates im Phädon: er sezt einen Umschwung um die Erde, damit sie unter dem Himmel bleibe. Dieser Umschwung, meint der komische Sokrates, dränge die Wolken zum Fortziehen und zum Zerplazen. Voß.
" 382. Am Feste der Panathenäen, das die Ortschaften Attika’s vereint ihrer Schuzgöttin Pallas Athene, und jedes [109] fünfte Jahr mit ausgezeichneter Pracht feierten, wurden aus ganz Attika Opferstiere nach Athen gesandt. Voß.
Vers 394. Kronisch werden Dinge genannt, die so alt sind, als Kronos, der von Aristophanes, sogar von Platon, als altfränkischer Thor, als kindisch gewordener Gott bezeichnet wird.
" 395. Von Simon und Kleonymos war schon früher die Rede. Theoros wird von Aristophanes anderwärts als gemeiner Schmeichler verspottet; auch ward er beschuldigt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben.
" 397. Sunion, „Attika’s Berghaupt.“ Homer Odyss. 278:
Als wir Athens Berghaupte, dem heiligen Sunion, nahten.
" 404. Die Diasien, ein Fest zu Ehren des Zeus Meilichios, des Besänftigenden, wurden im Monat Anthesterion außerhalb der Stadt mit unblutigen Opfern gefeiert; heitere Volksfeste und Schmausereien schlossen sich an.
" 420. Chaos bezeichnet hier den leeren Luftraum.
" 473. Mit neuem Zeuge, geistigem Kriegsgeräth, um die Seele des Strepsiades für die neue Lehre zu erobern.
" 490. Das Ablegen des Mantels soll die Einweihung in einen höheren Grad andeuten; Strepsiades nimmt es als Vorbereitung zu Schlägen.
" 492. Es war Sitte, bemerkt der Scholiast, daß, wer in fremden Häusern nach vermißtem Eigenthum suchte, ohne Mantel hineinging, damit er nicht entweder selbst Etwas entwenden, oder, wenn er das Vermißte fände, beschuldigt werden könnte, die Sache mit sich hereingebracht zu haben.
" 500. Kuchen, mit Honig bestrichen, das gewöhnliche Sühnopfer für die Götter der Unterwelt, nahm man mit sich hinab in das Heiligthum des Trophonios, eine unterirdische Orakelhöhle bei Lebadeia in Böotien, um sie den Dämonen, den Schlangen und anderem in der Tiefe hausenden Gewürm vorzuwerfen. Die Höhle soll so schauerlich gewesen sein, daß, wer sie einmal besucht hatte, sein ganzes Leben hindurch traurig und ernst blieb, und man von [110] einem finsteren Menschen sprichwörtlich sagte, er habe sich von Trophonios wahrsagen lassen. Nach dem Scholiasten.
Vers 512. Semele’s Sohn, Dionysos, der, als Vorsteher der dionysischen Festspiele, den komischen Dichter seines besonderen Schuzes würdigte.
" 516. Die Wolken bot der Dichter dem gesammten Volke zu früherem Genuß, als auserkorenen Kunstfreunden. Im Volke aber war eine Partei – der Scholiast sagt, des Alkibiades – die das Stück auszischte, und vielleicht dadurch die Richter bewog, die Mitbewerber Ameipsias und Kratinos als Sieger auszurufen.
" 522. Zwei Brüder, Tugendsam und Liederlich, waren die Hauptpersonen in dem ersten Lustspiele des Aristophanes, den Schmausenden, das er aus jugendlicher Scheu, wie ein Mädchen das Kind einer heimlichen Liebe nicht anzuerkennen wagt (V. 523f.), im J. 427 unter fremdem Namen auf die Bühne gebracht hatte.
" 524. Ein anderes Weib: der Schauspieler und Dichter Philonides. Vgl. die vorangehende Anmerkung.
" 527. In dem Todtenopfer (den Choephoren) des Aeschylos findet Elektra auf dem Grabe ihres Vaters eine geweihte Haarlocke, und erkennt daran die Nähe des wiedergekehrten Bruders Orestes. Ebenso wird die gegenwärtige Komödie an dem Beifalle, den sie bei dem Publikum zu finden hofft, dieselben kunstverständigen Zuschauer wieder erkennen, welche ihrer Schwester, dem ersten Kinde des Dichters, ihre Gunst schenkten.
" 533. Der Wirbeltanz, Kordax, ist ein aus Asien nach Hellas gekommener wollüstiger Tanz, der in der alten Komödie nicht selten war. Kahlköpfe hatte der Komiker Eupolis verspottet, vielleicht weil der junge Nebenbuhler Aristophanes selbst ein Kahlkopf war, auch den Schnurrenerzähler eingeführt; und der Schauspieler des Komikers Hermippos, Simermon, hatte die Gewohnheit, die Nahestehenden zu pritschen, um Gelächter zu erregen. Zum Theil nach dem Scholiasten.
[111] Vers 538. „Ich prunke nicht mit hohem Busch“, als ein Kahlköpfiger, und ich brüste mich nicht. Der griechische Ausdruck (κομᾶν) bezeichnet Beides.
" 544. Hyperbolos, ein Lampenhändler und Töpfer, war schon zu Lebzeiten Kleons, dessen gelehriger Schüler und Geistesverwandter er war, nicht ohne Einfluß, und nach dem Tode desselben allmächtig geworden. Seinen Tod in Samos erzählt Thukydides 8, 73. Außer Hermippos hat ihn auch Eupolis unter dem nicht griechischen Namen Marikas und der Komiker Platon im „Hyperbolos“ verspottet. Seine Mutter war eine Bäckerin und liebte den Trunk.
" 547. Den Vorwurf, daß Eupolis in seinem Marikas die Ritter des Aristophanes ausgeschrieben habe, gibt Eupolis selbst in der Parabase der Bapten (415) mit den Worten zurück, „er habe jene Ritter mit dem Kahlkopf zusammengemacht.“
" 548. Das „alte trunkene Weib“, wahrscheinlich eben die Mutter des Hyperbolos, war eine Nachbildung der Andromeda in dem gleichnamigen Stücke des Komikers Phrynichos, worin dieser die tragische Andromeda aus der Perseussage parodirte, indem er ein besoffenes altes Weib durch ein Meerungeheuer rauben ließ. Andromeda, die Tochter des äthiopischen Königes Kepheus und der Kassiopea, büßte das Vergehen der letzteren, die sich schöner als die Nereiden dünkte, dadurch, daß sie dem verheerenden Meerscheusale, das Poseidon in’s Land gesendet, vorgeworfen ward. An einen Felsen gebunden fand sie Perseus, erlegte das Ungeheuer, und befreite sie.
" 550. Der Komiker Hermippos dichtete auf Hyperbolos und seine Mutter die „Brodweiber“, in welchen diese wegen ihrer barbarischen Sprache verspottet wird.
" 552. Dieses Gleichniß („wie man Aal’ im Trüben fischt“), welches in den Rittern (863) dem Treiben Kleons so kunstreich angepaßt war, hatten jene Nachahmer ungeschickt auf Hyperbolos angewandt.
[112] Vers 559. „Des Tridentes Schwinger“, Poseidon, der erderschütternde Gott.
" 565. Der „roßlenkende Gott, der in leuchtende Strahlen die Welt einhüllt“, ist Helios.
" 573. Regen und Gewitter bedeuten Unglück; so wird in den Acharnern V. 171 die Volksversammlung schleunig aufgelöst, weil dem Dikäopolis ein Regentropfen auf die Nase fällt.
" 574. Den „paphlagonischen Gerber“ (Kleon) kennen wir aus den Rittern.
" 576. Die Stelle ist nach dem Scholiasten aus dem Teukros des Sophokles.
" 577. Der Mond wich aus seiner Bahn, die Sonne verfinsterte sich, als die Athener den Kleon zum Feldherrn wählten: eine komische Erfindung des Dichters. Kleon, nachdem er mit seiner Tapferkeit geprahlt hatte, ward vom Volke gezwungen, den Zug nach Pylos zu unternehmen.
" 580. Ein Sprichwort sagte: die Athener haben mehr Glück als Verstand.
" 585. Durch die „schwere Fessel“ wird ein hölzernes Strafwerkzeug bezeichnet, in welchem der Verbrecher mit dem ganzen Körper krumm geschlossen wurde, indem man Hals, Hände und Füße durch die dafür bestimmten fünf Oeffnungen oder Röhren des Holzes steckte. Ein anderes hölzernes Strafwerkzeug, der κλοιός zuweilen auch ξύλον genannt, fesselte nur Nacken und Hände.
" 591. Ephesos’ Göttin, Artemis, die von lydischen Jungfrauen verehrt wird, da man Ephesos zu Lydien rechnete.
" 601. Bei den Griechen, die nach Monden das Jahr abmaßen, richteten sich einige Feste nach den Jahrzeiten, andere nach den Neumonden und Vollmonden. Sonnenlauf also und Mondlauf in Uebereinstimmung zu bringen, war die Aufgabe, die seit Solon Manchen beschäftigte, und am geschicktesten löste sie Kleostratos durch seine Periode von acht Jahren oder neunundneunzig Monaten, [113] unter denen drei Schaltmonate waren. Aber auch bei dieser Rechnung häuften sich große Verwirrungen, daß die Priester unaufhörlich am Kalender zu flicken hatten. Eine solche Kalenderflickerei hatte man wahrscheinlich kurz vor der Aufführung dieses Stückes vorgenommen, und wieder nicht gesorgt, daß die Monate mit den Erscheinungen des Monates übereinstimmten, wodurch die heiligen Monatfeste gänzlich verrückt wurden. Die Götter, aufmerksame Beobachter der Mondphasen, erscheinen an den gehörigen Festtagen; und wenn sie dann statt des fetten Opferduftes einen mageren Werkeltag finden, muß Selene die Unordnung des athenischen Kalenders entgelten. Diese bittet nun, durch eine vernünftige Zeitrechnung ihre Ehre herzustellen. Voß.
Vers 615. Sarpedon, der Sohn des Zeus, und Memnon, der Sohn des Titbonos und der Eos, die im troischen Kriege gefallen waren, werden als Lieblinge der Götter von diesen auch nach ihrem Tode noch geehrt.
" 617. Das Amphiktyonengericht, woran zwölf Völker Griechenlands Theil nahmen, versammelte sich in späterer Zeit zweimal des Jahres, im Frühlinge, vor dem Ausgange des Anthesterion, zu Delphi, im Herbste zu Pylä (Thermopylä), dem ursprünglich einzigen Versammlungsorte. Jeder Amphiktyonenstaat schickte zwei Abgeordnete, einen Hieromnemon und einen Pylagoras, jenen, der den Vorrang hatte, in gottesdienstlicher Angelegenheit, diesen in bürgerlicher. Der Hauptzweck dieses vom Orakel beschüzten Gerichtes war: gemeinsame Sorge für die Religion und den delphischen Tempel, Bekämpfung von Tyrannen, Sorge für Frieden, Beilegung wichtiger Streitigkeiten. Als Hieromnemon war der schlechte, aber betriebsame Hyberbolos zur Frühlingsversammlung nach Delphi geschickt worden, und in seinem Auftrage war die Bitte um Bestätigung des neuen Kalenders. Mit dem Lorbeerkranze, dem Zeichen des glücklichen Erfolges, kehrt er nach Athen zurück; ehe er aber die [114] Stadt erreicht, wird ihm, dem Unterstüzer des Frevels, durch gottgesandte Winde der Kranz vom Haupte geweht. Dies lustige Unglück war ihm vor wenig Tagen begegnet. Voß.
Vers 619. In einem Geseze des Solon bei Diogenes von Laerte (1, 59.) heißt es: τὰς ἡμέρας ἄγειν κατὰ σελήνην.
" 625. Strepsiades war in die dunkeln Gemächer des Speculatoriums hinabgestiegen: vgl. V. 501.
" 634. Dreimesser – Trimeter, Viermesser – Tetrameter.
" 644. Im Waffentanze, wovon es mehrere Arten gab, ward eine Handlung aus dem Leben von bewaffneten Tänzern mit lebhaftem Gebehrdenspiel nach der Flöte aufgeführt. Er bewegte sich im Dreivierteltakt. Im geraden Takt, oder zweiviertel, schwebten die ruhigeren Tänze, wozu Athenäos einen rechnet, der Daktylos hieß. Voß.
" 646. Das griechische Wort Daktylos bezeichnet „Takt“ und „Finger.“
" 663. Der Fehler liegt nach Sokrates darin, daß ein durch das Geschlechtswort ἡ als weiblich bezeichnetes Wort (κάρδοπος, Backtrog,) mit der männlichen Endung ος schließt.
" 666. Der Name Kleonymos, meint Sokrates, sollte weiblich enden, also Kleonyme oder (mit deutscher Endung) Kleonymin heißen, um die Feigheit des Mannes zu bezeichnen; vgl. V. 349 f.
" 668. Wegen seiner Armuth und Schmarozerei wird Kleonymos auch in den Rittern verspottet: vgl. V. 1293 ff.
" 669. Der Mörser, worin man Kräuter zum Knoblauchsalat (Acharn. 174) stampfte, war ein gehöhlter Cylinder aus Stein oder Holz. In so einem, dessen Umfang auch eine Vergleichung mit dem Dickwanst aushielt (Wesp. 202), knetete der verarmte Schlucker sein Brod, so oft er daheim essen mußte. Voß.
" 683. Amynias hat im Vocativ Amynia, und erhält dadurch eine weibliche Endung.
[115] Vers 685. Amynias war ebenso weibisch und üppig, wie Kleonymos.
" 703. Die Urschrift, auf den griechischen Namen der Wanzen (κόρεις) anspielend, nennt statt dieser die Korinther, auf deren Geldgier und Wollust sich nach einigen Auslegern die folgenden Verse beziehen sollen.
" 712. Die Schuhe, bemerkt der Scholiast, hat Strepsiades aus Ehrfurcht vor den Mysterien ausziehen müssen. Vgl. V. 493.
" 720. Das Einhüllen des Hauptes sollte von den Eindrücken der Außenwelt befreien und das abstracte Denken befördern. So verhüllt Sokrates bei Platon im Phädros das Haupt, um eine Rede zu ersinnen.
" 742. Medeia soll auf ihrer Flucht durch die Luft eine Kiste mit Zaubermitteln über Thessalien verloren haben. Daher traute man den Thessalerinnen die stärksten Zauberkünste, selbst die Macht zu, den Mond vom Himmel herabzuziehen. Kock.
" 744. Die Spiegelkapsel war den Alten für ihre Metallspiegel nothwendig, um sie vor Rost zu bewahren. Kock.
" 770. Zeugen, nämlich daß du nicht schuldig seiest.
" 807. Strepsiades schwört nicht bei den Göttern, sondern „bei’m Nebel“, wie selbst der wahre Sokrates nicht bei den Göttern schwur, die er dadurch zu beleidigen glaubte, sondern bei unbedeutenden Wesen (Gans, Hund, Platane). Vgl. V. 620.
" 808. Den Reichthum des Oheims Megakles erwähnt die Mutter des Pheidippides V. 70 (s. daselbst die Scholien) und Pheidippides selbst V. 124. Gewöhnlich nimmt man an, Megakles sei gegen früher sehr verarmt: in seinem Hause sei nach des Alten ironischer Uebertreibung nichts zu essen, als die Säulen, die Reste früherer Herrlichkeit.
" 823. Sokrates, der Melier. In diesem einzigen Beiworte, bemerkt Wieland, steckt eine dreifache Schalkheit der giftigsten Art: 1. Man konnte einem Athener wenig [116] schlimmere Dienste thun, als wenn man ihn über sein attisches Geburtsrecht schikanirte. Wenn der Dichter also den Sokrates von seinem großen Verehrer Strepsiades selbst den Melier nennen läßt, so konnte er hoffen, daß, wer ihn nicht genauer kannte, es im wörtlichen Sinne nehmen und sich einbilden werde, Sokrates sei wirklich von der Insel Melos gebürtig. 2. Die Melier waren eine alte Kolonie der Sparter, und hatten besonders auch in dem noch fortdauernden peloponnesischen Kriege, ihrer vorgeblichen Neutralität ungeachtet, eine warme Anhänglichkeit an Sparta bewiesen. Mehrere fehlgeschlagene Versuche, sie zu einer freiwilligen Unterwerfung unter das nicht allzu sanfte Joch der Athener zu bewegen, unterhielten den gegen sie gefaßten Groll; und da zu allen politischen und merkantilischen Ursachen desselben noch der Umstand hinzukam, daß 3. Diagoras, der beschuldigt war, die eleusinischen Geheimnisse verrathen zu haben, und wegen seiner erklärten Verachtung der Götter Griechenlands der Atheist genannt wurde, ein geborener Melier war: so ist zu glauben, daß auch dies dazu beitragen mochte, den Namen Melier in Athen verhaßt zu machen. „Ja, wenn er ein Melier ist, (wird mancher Zuschauer gedacht haben,) so wundert es mich freilich nicht, daß er ein so heilloser Bursche ist und ein Atheist noch obendrein.“
Vers 838. Nach Xenophon (Denkwürd. 1, 2, 49.) durfte der Sohn den Vater der Geistesverwirrung (παρανοίας) anklagen, und, wenn er sie beweisen konnte, ihn gefangen sezen. Der Sinn ist: soll ich ihn wegen Wahnsinns vor Gericht anklagen, um mich von ihm zu befreien, oder ist eine solche Klage überflüssig, da dieser Zustand auf sein nahes Lebensende zu deuten scheint?
" 846. Himmelstürmer nennt Pheidippides die Anhänger der neuen Lehre von ihrer Aehnlichkeit mit den Giganten, welche dem Zeus die Weltherrschaft streitig machten.
[117] Vers 852. Als die Sparter in Attika einfielen, bewog Perikles ihre Feldherrn Kleandrides und Pleistoanax durch zehn, nach Anderen durch zwanzig Talente zum Rückzug. Bei der Prüfung der Staatsrechnungen begnügten sich die Athener mit seiner Bemerkung, daß er das Geld zu Nöthigem (εἰς τὸ δέον) verwandt habe: was Strepsiades lächerlich macht, indem er das „verwandt“ des Perikles in „verthan“ verdreht.
" 856. Die Heliasten (die in dem Gerichtshof Heliäa sizenden Richter) erhielten Einen, später drei Obolen.
" 857. zu Zeus’ Festtage, den Diasten, an welchen die Kinder beschenkt wurden.
" 858. Pheidippides ist schon entschlossen mitzugeben, und macht nur noch den Vater für die Folgen verantwortlich.
" 869. Sokrates will sagen: „der junge Mensch taugt nach meiner Meinung nicht zum Redner. Und doch – wenn man etwas Rechtes daran wendet – für ein Talent hat es selbst ein so dummer Mann, wie Hyperbolos, gelernt.“
" 882. Hier ist nach den Angaben der Scholien und dem Zeugnisse der Handschriften ein Chorgesang ausgefallen.
Die beiden Redner sind nicht als bloße Vertheidiger des Rechtes und des Unrechtes zu betrachten, sondern zugleich als die beiden widerstreitenden Principien der alten und der neuen Zeit. Danach war wohl auch ihre äußere Ausstattung eingerichtet: der Vertreter des Rechtes ist bejahrt, in der einfachen ungeschmückten Tracht der guten alten Zeit, der Vertreter des Unrechtes ein junger Fant nach der Mode, frech und hämisch. Zum Theil nach Droysen.
" 901. Er fordert den Speinapf, um sich seiner Galle zu entleeren. Der Scholiast.
" 904. Deine Schmähungen sind mir angenehm, wie Rosenduft, wie Lilien und Gold.
" 916. Telephos, König von Mysien, wurde, als die Hellenen auf dem Zuge nach Troja sein Land verheerten, von Achilleus verwundet. Auf den Rath des delphischen [118] Orakels, Heilung bei dem zu suchen, der ihn verwundet hatte, zog er nach Thessalien, und wurde dort von Achilleus geheilt. Euripides führte ihn in einem Drama mit einem Sack auf dem Rücken und bettelnd ein.
Vers 918. Pandeletos war als Sykophant und Schönredner berufen.
" 959. Wenn die Knaben die Schule des Grammatisten verlassen hatten, der sie im Lesen und Schreiben übte, und die edelsten Dichter von Homer an auswendig lernen ließ, wurden sie zum Musikmeister geschickt. Sein Geschäft war, nicht bloß die Kunst des Gesanges und des Spieles zu lehren, sondern auch durch Zeitmaß und Wohlklang sittliches Gefühl zu bilden, indem die Knaben sittsam auf den Schulbänken vor ihm saßen. Voß.
" 962. „Pallas, der Städte Bewältigerin“, ist der Anfang eines Liedes, das, wie Eratosthenes berichtet, Phrynichos dem Lamprokles zuschreibt, dem Sohne des Midon aus Athen. Das andere Lied ist von dem Kitharöden Kydides aus Hermione. Der Scholiast.
" 965. Phrynis, ein Kitharöde aus Mitylene, verkünstelte und verweichlichte zuerst die alte Musik. Der Scholiast.
" 967. Die Ringschule (Gymnasion) folgte auf den Musikunterricht. Im Gymnasion lernten die Knaben den Fünfkampf, d. i. Ringen, Faustkampf, Laufen, Springen und Diskoswerfen; und mehrere dieser Uebungen wurden in der Palästra gehalten, deren Boden mit feinem Sande bestreut war. Dazu drängten sich Zuschauer, auch Wüstlinge. Während der Pädotribe (ein Unterlehrer, denn des Oberlehrer hieß Gymnastes) einige Knaben übte, saßen andere im Sand umher. Voß.
" 971. Das Salben des Körpers ging gewöhnlich den gymnastischen Uebungen der Knaben voraus.
" 978. Die Buphonien oder Diipolien waren dem Zeus, dem Beschüzer der Stadt, (Δίϊ πολιεῖ) heilig, und wurden als Erinnerung an die erste Begründung des Ackerbaues gegen das Ende des Junius mit alterthümlichen Gebräuchen gefeiert. Man trieb Stiere nach einem Opfertische hin, auf dem ein Kuchen stand. Denjenigen, der [119] zuerst den Kuchen berührte, erschlug der Priester, entfloh zum Schein, und statt seiner wurde das zurückgebliebene Beil, mit dem das dem Landbau heilige Thier erschlagen hatte, verurtheilt und in das Barathron (den Galgengrund, das Verbrecherloch) geworfen.
Eine goldene Cikade trugen die Athener noch kurz vor den Zeiten des Thukydides (1, 6.) als Haarschmuck.
Vers 979. Kekeidas war ein alter Dithyrambendichter, dessen prunklose Kunst damals ihren Reiz verloren hatte.
" 982. An den Panathenäen schritten die Jünglinge mit Schild und Speer und kurzem Kriegsrocke nach kriegerischer Musik einher. Ehmals, als Einfalt der Sitten und öffentliche Ehrbarkeit noch an kein Aergerniß dachten, bedeckte man, der Bedeutung des Tanzes gemäß, die Brust mit dem Schilde; jezt braucht man ihn, den Verlust des Schamgefühls zu verbergen, – als Feigenblatt. Dadurch, meint der Sprecher, wird der Schild, die Waffe der Tritogeneia, (der am See Triton in Libyen geborenen Athene,) entweiht. Voß.
" 991. Der Apfel war der Aphrodite heilig; das Bewerfen mit Aepfeln galt als Liebeserklärung.
" 994. Die Söhne, oder, nach einem im Munde des Volkes gangbaren Wortspiele, die Schweine des Hippokrates (υἱέσιν, ὑσίν, in der Uebersetzung Kinder und Rinder) werden ihrer Dummheit wegen oft verspottet.
" 999. Die Akademie lag nördlich von Athen, und war von den heiligen Oelbäumen beschattet, die von der Burg dorthin verpflanzt waren.
" 1000. Schilfrohr war die eigenthümliche Bekränzung der Dioskuren.
" 1001. Mit dem Laube der am Acheron wachsenden Pappel kränzte sich Herakles, als er den Kerberos aus dem Schattenreiche heraufholte; vom Schweiße ward die untere Seite des Blattes weiß (silbern) gefärbt. Seitdem war das Laub dieser Pappel ein Schmuck ausdauernder Helden und der Jünglinge in den Gymnasien. Voß.
[120] Vers 1017. Antimachos, ein schamloser, weichlicher Mensch, und wenn er mit dem in den Acharnern (1150 f.) erwähnten eine und dieselbe Person ist, ein schlechter Dichter.
" 1037. Ein Silberstater betrug vier Drachmen, ein goldener Stater zwanzig Drachmen.
" 1039. Laue Bäder, womit die ermüdeten Heroen erquickt wurden, brauchten die entarteten Athener zur Verweichlichung und Ueppigkeit.
" 1042. Der Ringer, den der Gegner um den Leib gefaßt hatte, galt für verloren.
" 1046. Warme Bäder, die mit dem Namen der Herakles bezeichnet wurden, gab es im Alterthum mehrere. So bei Thermopylä, wo dem ermüdeten Herakles Hephästos (oder Athene) warme Quellen emporsprudeln ließ als das größte Labsal nach Athletenarbeit.
" 1058. Peleus, aus der Heimat flüchtig, war von Akastos, dem Sohne des Pelias und König in Iolkos am Fuße des Pelion, gastlich aufgenommen worden. Hippolyte, die Gemahlin des Königs, faßte zu ihm eine sträfliche Neigung; und weil er ihr nicht willfahrte, verläumdete sie ihn bei Akastos, als ob er von ihr Ungebührliches verlangt habe. Der König schenkte der falschen Anklage Glauben, und beschloß den Gastfreund zu verderben. Er verbarg ihm ingeheim sein Schwert im Walde, damit er, dasselbe suchend, von den Kentauren erschlagen würde. Da rettete Cheiron den Peleus, und gab ihm sein Schwert wieder; nach Anderen sandten ihm die Götter durch Hermes ein von Hephästos verfertigtes Schwert, und so entrann er der Gefahr.
" 1060. Hyperbolos, bemerkt Wieland, war anfangs Großhändler mit Lichtern, Dochten, Lampen, Laternen u. s. f.; da er nun merkte, daß er wenigstens ebenso viel Beruf [121] zum Demagogen habe, als Andere seines Gleichen, so fing er an, zuerst die Rolle des Sykophanten und Schreiers, in der Folge, nachdem er sich einen Anhang gemacht, eine immer bedeutendere Rolle zu spielen, so daß ihm zuletzt die Ehre zu Theil wurde, durch den Ostracismus aus Athen verwiesen zu werden.
Vers 1063. Nach dem Mythos verließ Thetis den Peleus, weil dieser sie störte, als sie das Sterbliche an Achilleus durch Feuer tilgen wollte. Wie Homer (Il. 18, 432.) berichtet, hatte die Göttin dem sterblichen Manne nur gezwungen ihre Hand gegeben.
" 1068. Becherspiel, Kottabos, ein Spiel bei’m Mahle, wobei man reinen ungemischten Wein tropfenweise aus dem Becher in ein anderes Geschirr fallen ließ, um an dem Klatschen und dem Klange, den die Tropfen machten, die Liebe zu errathen oder zu erproben.
" 1078. Die dem Ehemann gestattete Rache, wenn er den Buhler auf der That ertappte, war, ihm einen Rettig in den After zu treiben, die Haare auszuraufen, und die Stelle mit heißer Asche zu bestreuen. Der Scholiast.
" 1079. Der Vertreter des Rechtes meint die Folge der Rettigstrafe; der Gegner aber nimmt das Wort in dem verbrauchten Sinne für Zärtling. Voß.
" 1101. Da er Alles voll weibischer Menschen sieht, so fürchtet er Gefahr, wenn er sich nicht zu ihrer Partei schlüge, und thut, als ob er ihnen den Mantel zuwerfen wolle, um desto schneller unter sie flüchten zu können. G. Hermann.
" 1117. L. εἶτα τὸν καρπόν τε καὶ τὰς ἀμπέλους.
" 1126. Der Einzug der Braut in das Haus des Bräutigams geschah bei Nacht mit Fackeln, deren Erlöschen durch den Regen für eine böse Vorbedeutung galt.
" 1128. Am Nil, im Nillande Aegypten, als einem der entlegensten Länder, oder dem Wunderlande, wo es nicht geheuer ist.
[122] Vers 1129. Plutarch sagt (im Leben Solon’s 25): Solon bemerkte auch die Ungleichheit der Monate, und daß der Lauf des Mondes weder mit dem Untergange noch mit dem Aufgange der Sonne ganz übereinstimmt, sondern der Mond oft an einem und demselben Tage die Sonne erreicht und an ihr vorübergeht. Er verordnete demnach, man solle einen solchen Tag den Alt und Neuen (ἕνην καὶ νέαν, altes und neues Licht) nennen, indem er die Stunden vor dem Zusammentreffen des Mondes mit der Sonne zu dem scheidenden, die übrigen zu dem neuen Monat rechnete. Den darauf folgenden Tag (den ersten des nächsten Monats) nannte er Neumond (νουμηνίαν). Die Tage vom zwanzigsten an zählte er nicht in aufsteigender Ordnung (21, 22, 23, 24 und so fort), sondern wie er es bei’m Mondlichte sah, rückwärts abnehmend bis zum dreißigsten. (Also statt 21 zählte er 10, 9 u. s. f. Der fünfte, vierte, dritte Tag in unserer Stelle wäre demnach der 26te, 27te und 28te Tag.)
" 1134. Geld als Pfand mußte nach schriftlicher Einreichung der Klage Kläger und Beklagter hinterlegen. War die Entscheidung erfolgt, so ersezte der verlierende Theil dem gewinnenden die Auslage. Mit Hinterlegung der Kosten also begann der Prozeß.
" 1152. Der Vers soll nach dem Scholiasten aus dem Peleus des Euripides sein.
" 1171. Das trotzige: „was sagst du?“ womit man den, der Etwas vorgebracht hatte, in Verlegenheit zu sezen suchte, war eine Eigenthümlichkeit, die Athen, durch Hülfe der Sophisten, vor den übrigen Griechen voraus hatte.
" 1173. Attischer Blick, Blick der Unverschämtheit, der zu dieser Zeit aus dem Selbstgefühle des Wizes, der höheren Bildung und einer geläufigen Zunge entsprang. Voß.
[123] Vers 1187. Die Schuld war am Altundneuen fällig; würde dieser Tag bloß dem alten Monat angehören, so könnte der Schuldner fordern, daß der Gläubiger bis auf die lezte Stunde dieses Tages auf Zahlung warten müsse; der Gläubiger konnte dann erst am Neumond, am ersten Tage des nächsten Monats, den Gegner vorladen und die Klage einreichen, und die Sache würde nicht vor dem zweiten zur richterlichen Entscheidung kommen. Droysen.
" 1195. Nach Athenäos waren die Vorkoster (προτένθαι) eine gesezlich constituirte Behörde, um die zu den Opfern bestimmten Speisen vorher zu kosten. Nach einem Verse des Philyllios (ἡ τῶν προτένθῶν Δορπία καλουμένη) scheinen sie am Abend des ersten Tages des Apaturienfestes ein gemeinsames Abendessen, wohl von dem Opferfleische, gehalten zu haben. Wie diese vor der Zeit, in der nämlich die Andern den Opferschmaus genießen, die Speise kosten, so die Richter die Sporteln. Kock.
" 1200. Man muß daran denken, daß die Zuschauer im Theater reihenweise über einander sizen.
" 1216. Der Kläger mußte den Gegner, ohne sein Haus zu betreten, in Gegenwart von Ladungszeugen, deren Namen in der Klageschrift ausdrücklich vermerkt wurden, vor Gericht fordern. Kock.
" 1218. Pasias als attischer Patriot glaubt seine Vaterstadt zu beschimpfen, wenn er die Gelegenheit zu einem Prozesse vorbeiließe.
" 1232. Dem Zeus als dem höchsten Gotte, dem Hermes, weil es eine Geldangelegenheit betraf, dem Poseidon als dem Gotte der Rosse.
" 1233. drei Obole drauf, nämlich zu den schon entrichteten Gerichtssporteln.
[124] Vers 1239 „Die Wissenden“ war ein Lieblingsausdruck der Sokratiker.
" 1253. D. h. am lezten Monatstage stehen wir beide vor Gericht. S. die Anmerkung zu 1134.
" 1260. Karkinos (Krebs), ein fruchtbarer, oft verspotteter Tragiker, hatte drei kleine Krabben zu Söhnen (Wesp. 1512. Fried. 783): der eine, der dem Vater am ähnlichsten war, Xenokles, schrieb Tragödien (Frösch. 86 Schol.), worin brüllende Götter auftraten; die beiden andern waren Chortänzer. Zum Theil nach Voß und dem Scholiasten.
" 1263. Die Verse sollen aus einer Tragödie des Xenokles sein, in welcher Alkmene über den von Tlepolemos, dem Sohne des Herakles von einer Gefangenen, erschlagenen Likymnios jammert. – Amynias fürchtet, die drei Minen, die er vorgestreckt, möchten, wie der Wagen des Pheidippides (31), in Trümmer gehen.
" 1272. Der Sinn ist wohl: faseln, unzusammenhängend sprechen, wie Einer, der durch einen gefährlichen Fall sich das Gehirn erschüttert bat.
" 1296. Eines Stachelstockes bediente man sich, um Pferde und Ochsen anzutreiben.
" 1299. Seilklepper hießen die Pferde, die neben den beiden Jochpferden des Zweigespanns am Seile liefen. Voß.
" 1301. Anspielung auf V. 31.
" 1326. Wer die Eltern mißhandelte, mußte mit schwerer Strafe büßen. Deßwegen ruft Strepsiades Zeugen auf.
" 1355. Nach dem Mahle gab der Hausherr die Laute nach der Reihe herum, und jeder Gast mußte ein Lied singen. Der Scholiast.
" 1356. Simonides aus Keos, ein Dichter aus der Zeit der Marathonkämpfer, welchen Platon den weisen und göttlichen nennt, ward von der neuen Schule verschmäht.
[125] Vers 1358. Weiber, die auf der Handmühle mahlten (Odyss. 20, 105), verkürzten sich durch Lieder die Zeit. Ein solches Mühlenlied hat Plutarch aufbewahrt:
Mühle, Mühle, mahle:
Auch Pittakos ja mahlt,
Der doch herrscht in der großen Mitylana.
" 1360. Cikaden, die vom Singen und vom Thau leben, die sich mit Thau begnügen und unaufhörlich zirpen.
" 1364. Wer bei’m Mahle ein Gedicht vortrug, mit oder ohne Gesang, hielt einen Lorbeerzweig oder ein Myrtenreis in der Hand, das er samt der Laute dem folgenden Sänger übergab.
" 1371. In dem (verloren gegangenen) Aeolos des Euripides vermählt sich Makareus mit seiner Schwester Kanache.
" 1382. Bryn, Mamman, Kakka, griechische Kinderlaute. Voß.
" 1415. Parodie von Euripides’ Alkestis 674, wo Pheres sagt: „Dich freut das Licht, den Vater soll es nicht erfreu’n?“ Die Parodie wird durch den zwischen die Tetrameter plözlich eingeschobenen Trimeter noch deutlicher.
" 1429. Psephismen, Volksbeschlüsse.
" 1436. Dann hätte ich meine Schläge von dir umsonst weg, und „du lachtest noch im Grabe“, wenn ich deine Schläge dir nicht zurückgeben noch bei einem Sohne sie anbringen könnte.
" 1449. Das Verließ (Barathron) war ein jäher Felsenschlund in Attika, in welchen die zu dieser Todesart verurtheilten Missethäter hinabgestürzt wurden.
" 1472. L. ἀλλ’ ἐγὼ τότ’ ᾠόμην Δία τουτονὶ τόν Δῖνον.
" 1473. Das griechische Wort Dinos (Umschwung 1471) bedeutet auch einen rundbäuchigen Napf zu vielfachem Gebrauch: Wasser abzukühlen, Wein aufzutragen, zum Fußwaschen. Hier wahrscheinlich ein Napf, um dem Hermes, dessen Bild vor der Wohnung des Strepsiades stand, sein Opfer zu bringen. Voß.
[126] Vers 1478. Eine Hermessäule, ursprünglich eine phallische Pfeilerbüste, später eine viereckige, von oben nach unten verjüngte Säule oder Stüze, auf welche der Kopf eines Heros, eines Menschen oder Gottes, gewöhnlich des Hermes, gesezt war, stand vor jedem Hause, war auch eine Zierde der Zimmer, der Straßen, der öffentlichen Pläze, der Grabmäler. Diese Säulen, das schicklichste Gestell für einen Kopf, hatten gerade die verhältnißmäßige Höhe, die der übrige Körper der Figur zu dem Kopfe hätte haben müssen. Hirt.
" 1503. S. 225.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Gu