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Tractate für die Seelsorge (Wilhelm Löhe)/Der sacramentliche Theil des Confirmandenunterrichts

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Tractate für die Seelsorge (Wilhelm Löhe)
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Wilhelm Löhe’s
Tractate für die Seelsorge.

VI.
Der sacramentliche Theil des Confirmandenunterrichts.
Zur Repetition für Confirmierte.

Zweite Serie.

Nürnberg.
U. E. Sebald’sche Buchdr. u. Verlagshandlung.
1860.


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Uebersicht des Confirmandenunterrichts.


01. Was ist die Taufe?
02. Von der Kindertaufe.
03. Von Pathenpflicht und Pathendank.
04. Ordnung der Taufhandlung.
05. Jachtaufe und Anleitung dazu.

06. Was ist die Confirmation im allgemeinen?
07. Vom Taufbund, der in der Confirmation bestätigt und erneuert werden soll.
08. Die Abrenunciation in der Confirmation.
09. Das Credo in der Confirmation.
10. Von der wahren Kirche, zu welcher man sich in der Confirmation bekennt.
11. Zuläßigkeit und wahrer Werth der Confirmation.
12. Confirmationsordnung.

13. Die heilige Absolution.
14. Von der Beichte, sammt Anleitung zu den verschiedenen Arten derselben.
15. Von der heiligen Zucht der Bruderliebe.|
16. Stellung der Beichthandlung vor der Confirmation, sammt Ordnung und Form der Beichte und Absolution.
17. Stiftung des heiligen Abendmahles.
18. Was ist das heilige Abendmahl? Sammt den confessionellen Unterschieden.
19. Würdigkeit und Selbstprüfung.
20. Abendmahlsgemeinschaft.
21. Ordnung der heiligen Communion.
22. Die Lehre vom Sacrament, sammt Würdigung der 7 Sacramente anderer Kirchen.
23. Vom Gebet und deßen seliger Uebung.


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§1.
Was ist die Taufe?

Die Taufe ist eine auf Gottes Befehl unter Anrufung des dreieinigen Namens geschehene Untertauchung oder Waschung des Menschen. Durch die Taufe wird der Mensch ausgesondert aus der Menge der Juden und Heiden und aufgenommen in den Bund Gottes; sie ist das Bundeszeichen des neuen Testamentes.  Röm. 2, 28. 29.

 Durch die Taufe wird der Mensch mit Vergebung aller seiner Sünde begabt und mit Christo selbst und seiner Gerechtigkeit bekleidet.

 Durch die Taufe wird der Mensch mit dem heiligen Geiste übergoßen, und in ihm die neue Kreatur geschaffen, welche von der Zeit an entweder| durch die göttlichen Gnadenmittel genährt und erzogen, oder durch menschlichen Widerstand und Untreue verkümmert wird.

 Durch die Taufe bekommt daher der Mensch auch Kräfte eines neuen Lebens, vermöge deren er dem göttlichen Worte gehorchen und Gutes wirken kann, während er von Natur zu allem Guten untüchtig ist. Diese Kräfte bleiben ihm treu, auch wenn er versäumt, sie zu gebrauchen; er findet sie immer wieder bereit, so wie er aus seinem Traume erwacht.

 Durch die Taufe werden wir alle Ein Leib JEsu Christi, Eine Heerde.

 Die heilige Taufe ist also nicht bloß eine äußerliche göttliche Handlung, sondern auch eine inwendige Läuterung, Wiedergeburt, Erneuerung, Begabung und Sammlung des Volkes Gottes auf Erden.

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§2.
Von der Kindertaufe.
 In der heiligen Schrift neuen Testamentes finden sich mehrere Stellen, in denen erzählt wird, daß die oder jene ältere Person mit ihrem ganzen Hause getauft worden sei. Da aber in keiner von diesen Stellen ausdrücklich gesagt ist, daß Kinder vom Alter unserer Täuflinge zu den Familien gehört haben; so können wir auch aus den Stellen keinen schlagenden Beweis für die Kindertaufe nehmen. Ueberhaupt enthält die heilige Schrift kein ausdrückliches Wort von der Kindertaufe. Zwar wißen wir wohl, daß im alten Testamente die Kinder durch die Beschneidung in den Bund des alten Testamentes aufgenommen wurden, und man könnte daher von dem Vorbilde den Schluß auf das Urbild machen,| daß nemlich auch das neutestamentliche Bundeszeichen den Kindern gegeben werden dürfe. Doch muß auch dieser Schluß seine Stärke erst aus neutestamentlichen Stellen erhalten, da überhaupt ein Schluß vom Vorbild auf’s Urbild immer eine gewagte Sache ist.
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 Weil nun die heilige Schrift über die Kindertaufe nichts ausdrückliches enthält, so haben in älterer und in neuerer Zeit manche, besonders aber in der neueren die Baptisten und Anabaptisten, den Schluß gemacht, daß es nicht der Wille des HErrn sei, die Kinder zu taufen. Beide letztgenannte Sekten stammen aus der reformierten Kirche und verläugnen deshalb die reformierte Art nicht. Die Reformierten waren vom Anfang an geneigt, keine Tradition der Kirche, kaum einen Schluß aus klaren Worten der heil. Schrift gelten zu laßen; sie haben| abgethan, was nicht auf einem ausdrücklichen Worte der heiligen Schrift beruhte. Die lutherische Kirche hingegen hat das Bestehende angegriffen, wenn es dem Worte Gottes widersprach, dagegen stehen lassen, was mit dem Worte Gottes übereinstimmte. Wenn nun reformierte Sekten den Grundsatz ihrer Mutterkirche noch über das Maß der Mutterkirche ausdehnten, so zeigten sie damit nur, wie falsch der Grundsatz sei; wenn hingegen die lutherische Kirche auf dem Wege ihres Grundsatzes die Kindertaufe behielt, so erwies sie damit nur, was für ein großer Schutz gegen die Irrfahrt reformierter Sekten in diesem ihrem Grundsatze liegt.
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 Es ist eine unleugbare Sache, daß nicht bloß gegenwärtig alle Kirchen auf Erden die Kinder taufen, sondern daß von Anfang her alle Kirchen die Kinder getauft haben. Es| ist also die Kindertaufe eine übereinstimmende, allgemeine und ununterbrochene Tradition der Kirche.

 Als zum erstenmale in den ersten Jahrhunderten baptistische Grundsätze geltend gemacht wurden, verwarf die ganze Kirche auf Grund ununterbrochenen allgemeinen Herkommens die Neuerung; ebenso geschah es in späteren Zeiten, so oft sich der alte Baptismus regte.

 Die lutherische Kirche hat also die Tradition aller Kirchen festgehalten, und es fragt sich nun, welche Schriftgründe sie dafür hat.

 Da der HErr JEsus Christus ausdrücklich die Kinder zu sich einlädt Marc 10, und ihnen das Himmelreich zuspricht; so kann die gesammte Kirche aller Zeiten unmöglich Unrecht thun, wenn sie die Kinder zu seiner Taufe, das ist zu Ihm selbst bringt.| Das ist Ein gewaltiger und unumstößlicher Grund, um deßen willen die Kirche auch bei jeder Kindertaufe das Evangelium Marci 10, 13–16 liest.

 Der HErr JEsus Christus sagt Johannis 3, 5. ausdrücklich, wer nicht aus dem Geiste wiedergeboren sei, könne nicht in das Reich Gottes kommen[.] Er selbst erklärt uns, daß die Wiedergeburt aus dem Geiste im Waßerbade der Taufe geschehe, und sein Apostel Paulus nennt Tit. 3, 5. 6. die Taufe ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im hlg. Geiste. Wenn nun die Taufe für alle nöthig im Leben ist, so ist sie auch für die Kinder nöthig. Ein zweiter gewaltiger Grund.

 Gegen diese Schlüße sagen die Baptisten, man könne nicht taufen, bevor man gelehrt habe, weil der HErr Matth. 28, 19 zuerst sage „lehret alle Völker“, und dann erst „taufet| sie.“ Da man die kleinen Kinder nicht lehren könne, könne man sie auch nicht taufen. Das ist ein Grund, der zur Verwirrung vieler Herzen starken Beitrag gethan hat. Allein der ganze Grund fällt dahin, sowie man die richtige Uebersetzung des Taufbefehls gibt. Der Herr sagt nicht „lehret alle Völker“ sondern: „Gehet hin in alle Welt, macht alle Völker zu meinen Schülern (bringt sie in meine Schule), indem ihr sie taufet im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, und indem ihr sie lehret halten alles, was ich euch befohlen habe.“
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 Es wird also im Taufbefehle die Taufe vor die Lehre gesetzt, und die Einführung in die Jüngerschaft Christi wird nach den Worten Christi durch Taufe und Lehre vollbracht. Der Nachdruck liegt auf der Taufe. Dabei| versteht es sich von selber, daß man bei der Taufe Erwachsener jedenfalls so viel Lehre vorausschicken muß, als nöthig ist, um in ihnen den Entschluß hervorzurufen, sich taufen zu laßen, während die reifere und reichere Belehrung erst nachfolgt. Bei den Kindern, die über sich in keinem Stücke verfügen können, verfügt der Vater rücksichtlich der Taufe, wie überhaupt, und alle Lehre folgt nach.
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 Dagegen erhebt man aber neues Bedenken, welches aus Marci 16, 16 hergenommen wird. Man sagt: „Wer glaubet und getauft wird, der soll selig werden“; die Kinder könnten nicht glauben, also könnten sie nicht getauft werden. Dagegen aber setzt die Kirche einen andern Schluß: „Ohne Glauben ist unmöglich Gott gefallen. Mc. 10, 13 ff. gefallen die Kinder Gott;| also müßen sie auch glauben können. Der Geist wird über sie ausgegoßen und wirkt in ihnen. Ja die Kirche bringt die Kinder zu JEsu und Seiner Taufe schon mit dem Gebet um Glauben.

 Man muß nur nicht denken, daß es blos einen Glauben gebe, der sich in Gedanken und Sprache äußert. Das Kind hat eben seinen Glauben, wie es alles hat, nemlich in wahrhaftiger, aber unentwickelter Weise.

§3.
Von Pathenpflicht und Pathendank.
 Die Pathenpflichten sind Pflichten der freiwilligen Liebe; man hat sie deshalb nur zu erfüllen, weil man überhaupt erfüllen und halten soll, was man versprochen hat. Die Pathenschaft ist eine uralte Einrichtung der Kirche voll Weisheit und Lieblichkeit,| eine Frucht des heiligen Sinnes der Kirche und ihrer treuen Sorge für die Erziehung ihrer Täuflinge; sie ist aber durch kein besonderes göttliches Gebot erfordert.

 Auch bei der Taufe der Erwachsenen hatte man von Alters her Pathen; aber nichtsdestoweniger hat man je und je gewußt und als Ueberzeugung festgehalten, daß die Giltigkeit der Taufe nicht von der Anwesenheit der Pathen, sondern von der richtigen Vollziehung der Handlung abhängt.

 Da die Pathenpflichten Pflichten freiwilliger Liebe sind, so ergibt sich daraus, daß niemand gezwungen sein kann, eine Pathenstelle anzunehmen; man kann Gründe haben, einen Abschlag zu geben. Die Pathenpflichten bestehen nicht darin, daß der Pathe gehalten ist, seinem Täufling bei der| Taufe, am Weihnachtsfeste und bei der Confirmation ein Geschenk zu machen. Ein Pathe kann wohl seinen Täufling beschenken, wenn er will; aber er soll sich kein Gewißen daraus machen laßen, es zu thun, und seine Pathentreue lieber in der rechten Art beweisen. Diese letztere wird dadurch sehr leicht verdunkelt, daß man so sehr auf Pathengeschenke hält.

 Die Pathenpflicht besteht auch nicht darin, daß der Pathe verpflichtet wäre, seinen Täufling zu erziehen, wenn die Eltern sterben; auch damit wird eine unerträgliche Last aufgebunden, welche das Pathenamt nur erschwert.

 Die wahren Pathenpflichten sind folgende:

1) Wie die Mütter Marc. 10 ihre Kinder zu JEsu brachten und ihn baten, dieselben zu segnen; so bringt der Gevatter (Mitvater) mit| dem Vater den Täufling zu JEsu und betet für ihn um den Taufsegen. Die erste Pflicht ist das Gebet bei der Taufe.
2) Wie die Mütter ihre Kinder Christo darbrachten, so helfen die Gevattern dem Vater, den Täufling Christo aufopfern: sie bringen ihn dar.
3) Die Pathen vertreten bei Schließung des Taufbundes den Täufling mit Rede und Antwort, und das ist ihre Hauptpflicht; sie schließen statt seiner den Bund.
4) Sie halten den Täufling zur Taufe und achten darauf, daß die heilige Handlung richtig vollzogen werde.
5) Der Pathe gibt dem heranwachsenden Täufling öfters Zeugnis, daß er richtig getauft sei, damit der Täufling seiner Taufe wegen in keine Anfechtung komme.|
6) Der Pathe ermahnt seinen heranwachsenden Täufling öfter, den in seinem Namen geschloßenen Taufbund zu halten.
7) Der Pathe ermahnt seinen Täufling, besonders bei herannahender Confirmation, zur rechten Erneuerung seines Bundes, ist, wo möglich; Zeuge bei der Confirmation und Bundeserneuerung seines Täuflings und führt ihn, wo möglich, zum Altar und Sacramente, wie er ihn zum Taufstein gebracht hat.
8) Beim Absterben der Eltern sorgt der Pathe, soviel als möglich, dafür, daß sein Täufling im Taufbund erzogen werde.
9) Der Taufpathe schließt seinen Täufling unter allen Umständen in sein Gebet und Vater unser ein.
 Da die Pflichten der Taufpathen, wie wir gesehen haben, so schön und| reich sind, so ist ein Täufling seinem Pathen ohne Zweifel großen Dank schuldig, selbst wenn der Pathe diese Pflichten nicht in ihrem ganzen Umfange erfüllen sollte. Jedenfalls hat er doch den Täufling seinem HErrn zugetragen, den Bund geschloßen, und sich die Fähigkeit erworben, ein Zeugnis von der recht geschehenen Taufe abzulegen. Mag er nun untreu in Gebet und Ermahnung gewesen sein, so sieht ein dankbares Herz doch nicht den Mangel, sondern die Wohlthat an, die es empfangen hat, und übt die heilige Pflicht des Dankes mit Lust und Freude. Insonderheit wird es den Pathendank nicht vergeßen, wenn die Zeit vorhanden ist, den Taufbund persönlich zu erneuen. In unsren Gegenden ist diese Pflicht noch so tief und allgemein erkannt, daß gewiß kein Confirmand erfunden wird,| der nicht einige Tage vor der Confirmation von Vater oder Mutter feierlich zu seinem Pathen geführt würde, um zu danken. Diese edle Sitte werde erhalten von Geschlecht zu Geschlecht, und wo sie nicht ist, da werde sie erweckt, – eine Sache, die unmöglich schwer sein kann, da so viel Dankgefühl, als nöthig ist, einen Confirmanden zur Danksagung zu bewegen, gewiß ganz leicht erweckt werden kann.
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 Hier wird der schickliche Ort sein, etwas über die Pathenwahl anzufügen. Ein christlicher Vater hat sich dabei vor allen Dingen über den Brauch der Geschenke wegzusetzen; er wählt seinen Pathen in der alleinigen Berücksichtigung der wahren Pathenpflichten und sorgt, daß sein Kind einen Pathen bekomme, welcher eben so fähig als willig sei, die edlen Pflichten freiwilliger Liebe zu übernehmen.| Er kann, wo er es für nöthig und schicklich findet, sich gleich vorne herein gegen den möglichen Vorwurf verwahren, daß er bei seiner Wahl eine andere Absicht gehabt habe, als die hier angegebene. Er wird sich z. B. nicht an die Könige, Fürsten und Großen dieser Welt wenden, um sie zu Gevattern zu gewinnen, weil diese wahrscheinlich die Pathenpflicht nicht leisten können. Er wird auch nicht glauben, seine Gevattern nothwendig aus seinen nächsten Verwandten oder Standesgenoßen nehmen zu müßen, weil nicht immer die leiblich nächsten Menschen die besten Pathen sein werden. Er wird bei seiner Wahl rücksichtlich des Standes allerdings Bescheidenheit gebrauchen, vor allen Dingen aber auf fromme Glaubensgenoßen sehen, von denen er überzeugt sein kann, daß sie aus Liebe zu JEsu und den Brüdern| die selige Last des Pathenamtes übernehmen.

 Was die Zahl der Pathen anlangt, so sagt zwar die Erfahrung, daß oftmals gar keiner ein rechter Pathe wird, wenn man mehrere gewinnt, und daß in der alleinigen Pathenschaft eine stärkere Aufforderung zur Erfüllung der Pathepflichten liegt. Dennoch aber ist es sicherer, einem Kinde mehr als einen Pathen zu geben, weil bei nur Einem Pathen der Tod oft vor der Zeit die Ausübung des Pathenamtes auf Erden unmöglich macht.

§. 4.
Ordnung der Taufhandlung.
 Bei der Taufordnung hat man zu allererst auf den Mittelpunkt der heiligen Handlung zu schauen. Dieser Mittelpunkt besteht darin, daß der Täufer dem Kinde das Waßer andient| und dazu spricht: „Ich taufe dich im Namen des Vaters. des Sohnes und des heiligen Geistes.“ – Ist Waßer und Wort also gebraucht, so ist die Taufe richtig, auch wenn außerdem gar nichts gesagt oder gethan worden wäre. Allein es fragt sich ja nicht bloß, ob eine Taufe richtig und giltig sei, sondern die Handlung soll auch wo möglich in derjenigen Vollständigkeit ausgeübt werden, welche gerade für sie gehört und nützlich ist. Daher ist es für die Taufhandlung erwünscht, daß vor Vollziehung der Taufe selbst die Abrenunciatio oder Entsagung und das Credo oder der Glaube hergehe. Wenn es möglich ist, sollen diese beiden Stücke gebraucht werden, zumal in ihnen, wie wir später sehen werden, der Taufbund besteht. Die Abrenunciatio besteht in der Beantwortung der drei Fragen:
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1) Widersagst du dem Teufel?
2) Und allen seinen Werken?
3) Und allem seinen Wesen?

 Unter den Werken des Teufels sind vornemlich alle Arten von Abgötterei, Zauberei und Lügen zu verstehen, denen also ein getaufter Christ feierlich entsagt hat.

 Für das deutsche Wort Wesen steht im griechischen das Wort pompe (Pomp). Unter diesem Ausdruck ist nichts anderes zu verstehen, als die weltlichen Vergnügungen, die Schauspiele, die Tänze, die öffentlichen Aufzüge der Weltkinder.

 Wer also getauft ist oder gar seinen Taufbund erneuert hat und solchen Dingen anhangt, sündigt wider seinen Taufbund.

 Das Credo oder der Glaube, der bei der Taufe gebraucht wird, ist der apostolische, welcher zu Ehren der drei| Personen Gottes in drei Fragen zerlegt wird, nach Anleitung der drei Artikel.

 An die sechs Fragen der Abrenunciatio und des Credo schließt sich bei der Taufe eine siebente an: „Willst du getauft werden?“

 Die Antwort auf die drei verschiedenen Arten von Fragen ist:

1) Ja, ich entsage.
2) Ja, ich glaube.
3) Ja, ich will.

 Sowie vor der eigentlichen Taufhandlung Abrenunciatio und Credo hergehen, so schließt sich an dieselbe der Taufsegen mit dem ersten Friedensgruß, welchen der Täufling in seinem Leben bekommt. Weil er nun getauft ist, so ist sein der Segen und der Friede der Kirchengemeinschaft. Segen und Gruß sind folgende:

 „Der allmächtige Gott und Vater unsers HErrn JEsu Christi, der dich| anderweit geboren hat durchs Waßer und den heiligen Geist und hat dir alle deine Sünde vergeben, der stärke dich mit seiner Gnade zum ewigen Leben.“

 Antwort der Pathen: „Amen.“

 „Der Friede sei mit dir.“ Antwort: „Amen.“

 Von der Abrenunciation bis zum Friedensgruße kennen wir nun die Taufhandlung; aber auch die übrigen Stücke sind werth, gekannt und gemerkt zu werden. Vor der Abrenunciation geht nemlich bei der Kindertaufe zunächst das Evangelium Marc. 10 und das Vaterunser her, welch letzteres unter Handauflegung gesprochen wird. Weil nemlich der HErr JEsus die Kinder anrührte und segnete, so rührt bei der Taufe der Täufer als Stellvertreter JEsu den Täufling auch an und wendet ihm allen Segen JEsu durch das Vaterunser zu. Die| Kirche drückt somit durch Lection und Gebet ihre Ueberzeugung aus, daß in der Taufe die Kinder zu Christo gebracht werden und dem HErrn angenehm sind.“ – Bei der Taufe Erwachsener liest man nicht das Evangelium Marci 10, sondern das der Taufeinsetzung Matth. 28.

 Vor dem Taufevangelium stehen die uralten herrlichen Gebete der Kirche, bei uns gewöhnlich zwei. Das erste schließt sich ganz an den Spruch an: „Bittet, so werdet ihr nehmen“ und bittet im allgemeinen um Einlaß des Täuflings zu den Pforten JEsu und zu seinem Taufbrunnen. Das zweite Gebet schließt sich eng an die alttestamentlichen Vorbilder der Taufe und an die Taufe JEsu an und bittet, daß die Vorbilder an dem Täufling in Erfüllung gehen mögen, und er dazu Geist und Glauben bekomme.

|  Vor den Eingangsgebeten steht die Bezeichnung des Täuflings mit dem Kreuze, welche mit den Worten gegeben wird: „Nimm hin das Zeichen des heiligen Kreuzes beides an Stirn und an Brust.“ Dadurch ergreift der HErr Besitz vom Täufling als von seinem Eigenthum.

 An den Schluß der ganzen Handlung tritt entweder bloß der Kirchensegen, oder vorher auch eine Danksagung für die Taufe.

 Die lutherische Kirche hat in ihre Taufordnung auch den Exorcismus aufgenommen, d. h. die Formel der Teufelsbeschwörung. Seit Speners Zeiten aber ist er an den meisten Orten gefallen, und man hat seitdem den Grundsatz geltend gemacht, man solle ihn nicht fallen laßen, wo er noch steht, und nicht aufrichten, wo er gefallen ist. Jedenfalls aber gehört er der Form| nach zum schönsten und herrlichsten auf dem Gebiete der heiligen Liturgie.

 Zwischen die einzelnen Theile der Taufhandlung eingeschoben, auch ihr voran und nachgestellt findet man an verschiedenen Orten verschiedene Ermahnungen an die Taufpathen und Anwesenden, welche jedoch nichts wesentliches sind und daher hier nicht besonders aufgeführt werden sollen.

 Bei unserer Taufordnung hat man häufig und nicht ganz mit Unrecht die Consecration des Taufwaßers vermißt und gesagt, daß man das Element bei der Taufe ebensowohl als beim heiligen Abendmahle consecriren sollte. In Berücksichtigung dieser Ausstellung hat man hie und da wenigstens dafür gesorgt, daß an einer schicklichen Stelle die Worte der Einsetzung der heiligen Taufe über dem Waßer gelesen werden. Es wäre zu wünschen, daß dieses| einmüthig und allenthalben geschehe.
§. 5.
Jachtaufe und Anleitung dazu.
 Da die Taufe zum ewigen Leben nöthig ist, weil der HErr gesagt hat, es werde niemand in’s Himmelreich kommen, er sei denn aus Waßer und Geist neu geboren; so muß dafür gesorgt werden, daß jedes Kind, bevor es stirbt, getauft werde. Da es nun aber oftmals mit dem Sterben neugeborner Kinder sehr schnell geht, und der ordentliche Haushalter über Gottes Geheimnisse nicht immer erreicht werden kann; so ist es der Brauch der Kirche, daß im Nothfall auch ein anderer getaufter Christ, der nicht im Amte steht, das Sacrament der Taufe verwaltet. Man nennt das die Jachtaufe oder jähe Taufe. Es tauft im Nothfall wo möglich ein getaufter und| confirmierter Christ männlichen Geschlechtes; ist aber kein männliches Gemeindeglied vorhanden, so kann auch eine getauft die christlimierte Christin, also auch die christliche Hebamme, die Taufe vollziehen.

 Damit nun ein jeder Christ für den Nothfall der Jachtaufe gerichtet und bereit sei, sowohl selbst zu handeln, als die Handlung anderer zu beurtheilen, so wird den Confirmanden folgende Unterweisung gegeben:

 Wenn ein Kind jachgetauft werden soll, so muß Waßer vorhanden sein. In welchem Gefäß es sich befinde, das ist für die Giltigkeit der Handlung gleich. Ebenso ist es gleich, ob das Waßer kalt, warm oder lau ist, ob ein Wohlgeruch beigemischt ist oder nicht, ob das Waßer aus dem Jordan, oder irgend wo anders her ist. Jedenfalls aber muß es Waßer| sein; man kann mit nichts anderem, als mit Waßer taufen. Ist also kein Waßer da, so kann man nicht jachtaufen.
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 Wer jachtaufen soll, der kann es in kürzerer oder etwas längerer Form thun, je nachdem es das hinscheidende Leben des Kindes verlangt. Ist gar keine Zeit zu verlieren, so ergreift der Täufer das Waßer, ruft den Anwesenden ein flüchtiges Wort der Vermahnung zur Andacht und Aufmerksamkeit zu und schüttet das Waßer über den Leib des Kindes, nach kirchlicher Sitte in drei Absätzen, und spricht dazu mit vernehmlicher Stimme: Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und Geistes;“ die Anwesenden sprechen: „Amen.“ Und so ist das Kind richtig und giltig getauft. – Hat man etwas mehr Zeit, so kann man vor der Taufe, nach der Ermahnung zur Andacht und Achtsamkeit,| die nicht fehlen sollte, mit den Anwesenden zusammen das apostolische Glaubensbekenntnis sprechen, darauf taufen, wie vorhin gesagt, und hernach eine kurze Danksagungscollekte für die Taufe sprechen.
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 Sowie die Jachtaufe geschehen ist, macht man dem Pfarrer unter Angabe der Umstände die nöthige Anzeige. Bleibt das Kind am Leben, so muß von dem Pfarrer die Bestätigung der Jachtaufe vorgenommen werden. Bei der Bestätigung müßen die zugegen sein und Antwort geben, welche tauften und bei der Taufe zusahen, um Rede und Antwort geben zu können. Erst wenn der Pfarrer alles richtig befindet, bestätigt er die Taufe; stellt sich aber irgend ein nöthiger Punkt nicht klar heraus, so greift er frisch zum Waßer und tauft. Ist dem Kind bei der Jachtaufe kein| Name gegeben worden, so geschieht es bei der Bestätigung; ebenso können die Pathen bei der Bestätigung eintreten, wenn sie bei der Taufe selbst nicht da waren.
§. 6.
Was ist die Confirmation im Allgemeinen?
 Die Confirmation oder Firmung ist uralt; aber sie in der heiligen Schrift nachzuweisen, wird eine schwere Sache sein und bleiben. Man fand A. Gesch. 8, 14–17 den Anfang der Confirmation. Die Gläubigen in Samarien waren von dem Diakonus Philippus getauft worden. Zwei aus dem Collegium der Apostel, Johannes und Petrus, wurden zu ihnen gesandt, und es wird sich nicht läugnen laßen, daß zur Absicht der Sendung auch dies| gehörte, den Aposteln eine Ueberzeugung von dem Zustande der dort entstandnen Gemeinde zu verschaffen, daß eine Art von Visitation geschehen sollte. Da sich alles fand, wie die Apostel wünschen konnten, so beteten Johannes und Petrus über den Getauften und legten ihnen die Hände auf; da empfingen sie den heiligen Geist, der zuvor auf keinen unter ihnen gefallen war. Da nun auch unsre Confirmation an den Getauften geschieht, gebetet und die Hand aufgelegt wird, ja da um den heiligen Geist gebetet, also auch als Erhörung der heilige Geist erwartet wird; so läßt sich die große Aehnlichkeit, welche zwischen den Verhandlungen der beiden Apostel zu Samaria und der spätern Confirmation vorhanden ist, nicht verkennen; ebensowenig, daß in der Handlung der Apostel eine Art von| Bestätigung der Taufe mit eingeschlossen war. Allein zweierlei darf nicht übersehen werden:
1) daß die heiligen Apostel durch Auflegung ihrer Hände die außerordentlichen Gaben des heiligen Geistes mittheilten, von deren Mittheilung bei unserer Confirmation und bei der anderer Kirchenparteien nichts zu merken ist, wie denn auch nirgends in der heiligen Schrift gefunden werden kann, daß andere, als die heiligen Apostel diese Gaben mittheilen konnten;
2) daß nirgends in der heiligen Schrift den Aeltesten oder Bischöfen befohlen ist, den Aposteln nachzufolgen und an den Täuflingen das zu vollziehen, was Johannes und Petrus an den getauften Samaritern gethan haben.
 Zwar verweist man auf die Stelle| Ebr. 6, 1. 2, wo unter den Anfangsgründen der christlichen Lehre und des christlichen Lebens die Handauflegung genannt ist, und man sagt gerne, die Handauflegung sei nichts anders, als die Confirmation. Allein das stünde eben erst zu beweisen, und da die Handauflegung möglicherweise auch die Absolution oder die Ordination sein könnte, so wißen wir auch dieser Schriftstelle keine Zuversicht für das göttliche Recht der Confirmation zu entnehmen.
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 Da von den ältesten Zeiten her bei der Confirmation wie bei der Taufe auch Oel gebraucht wurde, so hat man diese Handlung auch Salbung genannt und auf sie die Stellen der heiligen Schrift bezogen, welche, wie z. B. 1. Joh. 2, 27., 2. Kor. 1, 21., von der Salbung handeln. Da aber kein ausdrücklicher Befehl vorhanden ist, die Firmlinge zu salben,| überhaupt keine Stelle der heiligen Schrift die Firmung befiehlt und für sie das Oel verordnet; so wißen wir auch nicht, ob die heiligen Apostel in den angeführten Stellen an eine Salbung bei der Firmung überhaupt auch nur gedacht haben. Ebensowenig Sicherheit gewährt die Beziehung auf diejenigen Stellen, in welchen, wie z. B. 2. Kor. 1, 22., Eph. 1, 13. und 4, 30. von einer Versiegelung die Rede ist, obwohl man von Alters her die Firmung um der Kreuzesbezeichnung willen, die bei ihr vorkam, die Versiegelung genannt hat.
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 Da man nun die Firmung aus der heiligen Schrift nicht nachweisen kann, so hat sie die lutherische Kirche im Anfang hie und da ganz fallen laßen. Aber sie ist allmählich auch bei uns wieder allgemein geworden und gilt mit Recht für eine schöne, von| Gottes Wort und Segen triefende Kirchenordnung, die zwar für das ewige Leben nicht nothwendig ist, aber für die Führung der Seelen und Gemeinden doch kaum entbehrt werden kann.
§. 7.
Vom Taufbund, der in der Confirmation erneuert und bestätigt werden soll.

 Bei der Firmung, sowie sie in der lutherischen Kirche im Gebrauch ist, treten gewisse Stücke besonders hervor: 1) der Mittelpunkt der ganzen Handlung, der Taufbund; und zwar a. die Abrenunciation, b. das Credo, c. die Zusage, welche der confirmierenden Kirche gesagt wird; 2) die Bestätigung des Taufbundes, und das kirchliche Segensgebet um den heiligen Geist. – Wir reden hier von dem ersten Punkte, also vom Taufbunde.

|  Wir lesen in der heiligen Schrift und zwar 1. Petr. 3, 20. 21. daß die Taufe sei „der Bund eines guten Gewißens mit Gott.“ Das gute Gewissen des Täuflings kann man unmöglich so verstehen, als sollte der Ausdruck eine innere Zufriedenheit des Täuflings mit seiner Erfüllung der zehn Gebote andeuten: in dem Sinne hätte nie ein Täufling ein gutes Gewißen gehabt, es hätte daher auch keiner getauft werden können und sollen. Es muß daher das gute Gewißen sich auf die Taufe selber beziehen: wer getauft werden will, der muß in sich das ruhige Bewußtsein haben, von allem abtreten zu wollen, was einem getauften Christen nicht geziemt, und an sich alles geschehen, sich in alles hinein leiten zu laßen, was dem HErrn der Kirche wohlgefällt; es muß dem Täufling mit seiner| Taufe ein heiliger Ernst sein. Hat also einer dies gute Gewißen, so kann er getauft werden und den Bund schließen. – Der Bund ist nach den Worten des Apostels ein Fragbund, wenigstens hat die Kirche das Wort so gefaßt. Daher wird vor der Taufe im Namen Gottes der Bundesschluß vorgenommen durch Frage und Antwort. – Im weiteren Sinne rechnet man nun alle die Fragen, welche der Taufe vorangehen, zum Taufbund; auch wenn man von Erneuerung des Taufbundes redet, denkt man an die 7 Fragen. Im engeren Sinne aber versteht man unter dem Taufbund zunächst das Credo oder die 3 Fragen des Glaubensbekenntnisses. Wer sich nun zur Confirmation bereitet, der bereitet sich auch, alle Fragen des Taufbundes in der Weise mit Ja zu beantworten, wie sie ihm als einem bereits getauften Christen| vorgelegt werden können. Nichts in der Welt ist unwürdiger, als wenn der Bund mit Gott unüberlegter Weise und nur deshalb auf’s neue geschlossen wird, weil die Kirche und die Eltern es haben wollen. Die Erneuerung des Taufbundes sollte immer Sache des wohlerwogensten, freiesten Entschlußes sein. Der Confirmand sollte vor Gott und im Gebet zur ersten und größten That sittlicher Reife, d. i. eben zur Erneuerung des Taufbundes, sich entschließen und mit sich selbst völlig in’s Reine kommen, sein Ja ein Ja von ganzem Herzen sein zu laßen.
§. 8.
Die Abrenunciation in der Confirmation.
 Gott der HErr hat vom Anfang an beabsichtigt, auf Erden ein heiliges| Reich zu stiften; der Satan aber hat seit der Zeit, da er von Gott abfiel, ein böses Reich gegenüber dem heiligen Reiche Gottes zu gründen gesucht. Das Heidenthum, welches auf seinen Antrieb entstand und die Weltmonarchieen, die unter den Heiden gestiftet wurden, standen immer als ein Reich des Teufels dem göttlichen Willen und seiner heiligen Stiftung entgegen. Im alten Testamente wohnte das Volk Gottes im heiligen Lande, abgesondert von den Heiden, und wenn es gewollt hätte, hätte es sich leicht von aller Einwirkung des Heidenthums frei halten können. Im neuen Testamente, deßen Bundesglieder aus allen Nationen berufen werden, ist es viel schwerer, sich des Einflußes der Welt zu erwehren, da der HErr die Kirche unter alle Völker und in alle Länder zerstreut hat, die Welt in die| Kirche eingedrungen ist, und der Einfluß der falschen Brüder einerseits viel gefährlicher, andrerseits aber viel schwerer abzuwenden ist, als der der Heiden. Dazu kommt noch, daß der große Abfall so vieler Getauften von ihrem HErrn Christo auch eine Ableugnung des Daseins und der Einwirkung böser Geister im Gefolge hat, daß die Abgötterei und die Zauberei von den wenigsten als Werke des Teufels erkannt werden, sowie, daß die Lust der Welt sogar von vielen, denen es mit dem Christenthum ein Ernst ist, nicht für Sünde und ihre Ausbrüche nicht für das „Wesen“ des Teufels gehalten werden. Und doch soll nun ein Confirmandenkind bei Erneuerung seines Taufbundes allen Ernstes dem Teufel und seinen Werken und seinem Wesen entsagen, ja widersagen! – Ist es mit der Entsagung kein Ernst, so ist| es auch keiner mit der Zusage und Uebergabe an den dreieinigen Gott; und so gewiß die Zusage oder das Credo eine rechte Hauptsache, ja die Hauptsache beim Taufbund ist, so gewiß ist es doch auch, daß Grund und Vorbedingung der Zusage in der Abrenunciation liegt. Daher hat ein Confirmand alle Ursache, es mit derselben genau zu nehmen, und sich vor Gott zu prüfen, ob er auch wirklich entschloßen sei, dem Teufel und seinen Werken und seinem Wesen abzusagen. Die Selbstprüfung darf auch nicht dadurch abgeschwächt werden, daß man sich etwa vorführt, es sei mit dem Teufel, seinen Werken und Wesen ein anderes als früherhin; sondern man muß sich die alte Schlange und ihre zwar allerdings nach den Zeiten verschiedene Regungen in der Gestalt, welche gerade die hervortretende| ist, vor Augen stellen und seine Entsagung in gerader Beziehung zu den Werken und dem Wesen des Teufels leisten, die nun eben recht „zeitgemäß“ genannt werden können.
§. 9.
Das Credo in der Confirmation.
 Das Credo umfaßt den Inhalt der drei Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses und wird, wie bekannt, in drei den Artikeln entsprechenden Fragen vorgelegt und beantwortet. Dabei muß man sich erinnern, was man mit den Worten: „Ja, ich glaube“ sagt. „Ich glaube“ heißt nicht so viel als: „ich weiß, ich habe gelernt.“ Du hast allerdings gelernt und weißt, was du glauben sollst; auch das ist gut und nöthig; aber das Wort „ich glaube“ schließt mehr ein, als das bloße Wißen. – „Ich glaube“ heißt| auch nicht so viel als: „ich halte das für wahrscheinlich, es scheinen mir diese Sätze Wahrheit zu sein, ich habe ein gewißes Maß von menschlicher Ueberzeugung von ihnen.“ Du sollst allerdings auch mit deinem Verstande die Artikel des Glaubens auffaßen, du sollst von ihrer Wahrheit auch eine menschliche Ueberzeugung haben; aber eine menschliche Ueberzeugung ist noch nicht der Glaube. – „Ich glaube“ heißt nichts anderes als: ich erkenne für göttliche Wahrheit und himmlische Offenbarung, was in den drei Artikeln des apostolischen Glaubens steht, und ich habe in mir ein Maß von Ueberzeugung davon, welches ich eine vom heiligen Geist geschenkte Zuversicht nennen kann, wie der Apostel sagt: „der Glaube ist eine feste Zuversicht des, das man hoffet und nicht zweifelt an dem, das| man nicht siehet.“ Es soll also ein Confirmandenkind mit seinem: „ja, ich glaube“ eine göttliche Zuversicht aussprechen können. Wie groß das Maß dieser Zuversicht ist, wie brünstig und dringend diese Zuversicht sei, darauf kommt es nicht an, darüber soll sich niemand eine Anfechtung machen laßen; aber es soll doch ein Kind auch zu der Erkenntnis geführt werden können, daß sein Glauben kein pures Wißen, keine pure menschliche Ueberzeugung, kein bloßes Annehmen der Ueberlieferung der Kirche sei.
§. 10.
Von der wahren Kirche, zu welcher man sich in der Confirmation bekennt, oder von der Zusage zur confirmierenden Kirche.
 Bei der heiligen Taufe heißt die siebente Frage: „Willst du getauft werden?“| Bei der Erneuerung des Taufbundes aber wird in der siebenten Frage zum Confirmanden ungefähr gesprochen: „Bekennst du dich zu der evangelisch-lutherischen Kirche, von der du unterrichtet bist, und wünschest du bei derselben und ihrem Bekenntnis zu verharren bis an dein seliges Ende? Diese Frage könnte einen Confirmanden in die größte Verlegenheit setzen. Man kann sich doch zu einer Kirche nur dann bekennen, wenn sie die wahre Kirche ist; ob aber die lutherische Kirche die wahre Kirche ist, das läßt sich doch nicht bloß daraus abnehmen, daß wir für dieselbige erzogen wurden; auf Grund deßen könnte ja der Grieche, der Römische, der Reformierte seine angeerbte Kirche auch für die rechte halten. Wie bringt also ein Confirmand heraus, ob die lutherische Kirche die wahre Kirche sei, und er sich in| der Confirmation zu derselben bekennen dürfe? Man könnte darauf sagen: Unter den verschiedenen Kirchen ist diejenige die wahre, welche Gottes Wort rein und lauter predigt und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet. Es muß also ein Confirmand die Bekenntnisse der verschiedenen Kirchen und ihre Sakramentsverwaltungen kennen lernen, nach der heiligen Schrift prüfen, auf diese Weise sich die wahre Kirche heraussuchen, und wenn es die lutherische Kirche ist, sich zu derselben bekennen und halten. So könnte man sagen, und wer die Gabe, die Zeit, die Beharrlichkeit und die Gelegenheit dazu hat, der mag es auch so machen; für die meisten Menschen aber ist das kein Weg zur Erkenntnis der wahren Kirche zu kommen. Der einfache und für ein in der lutherischen Kirche| erzogenes Kind sehr leichte Weg ist der:

 Prüfe vor allen Dingen die Lehre deiner Kirche nach dem göttlichen Wort, ebenso ihre Sakramentsverwaltung.

 Die Lehre kennst du, denn du kannst eines ihrer symbolischen Bücher auswendig, nemlich den kleinen Katechismus.

 Die Sakramentsverwaltung weißt du, denn du siehst sie alle Tage.

 Das Wort Gottes kennst du, denn du hast dein Spruchbuch auswendig gelernt, welches lauter helle, klare Sprüche enthält, denen kein anderer widersprechen kann.

 Stimmt nun dein Katechismus und die Sakramentsverwaltung deiner Kirche mit dem Spruchbuch, so stimmt sie mit dem Worte Gottes; so ist deine Kirche die wahre und du brauchst dich nach keiner andern umzusehen.

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§. 11.
Zuverläßigkeit und wahrer Werth der Confirmation.
 Obgleich die Confirmation in der heiligen Schrift nicht geboten ist, keine göttliche Einsetzung hat, so kann man doch auch nicht sagen, daß sie verboten sei, oder dem göttlichen Worte widerstreite. Es ist gewis recht, daß die Kirche die heranwachsende Jugend über Taufe und Taufbund unterrichtet und zur Erneuerung des Taufbundes anleitet. Um dieses Recht zu beweisen, reicht schon ein einziger Spruch hin, wie z. B. der Jerem. 3, 12 ff.: „Kehre wieder, du abtrünnige Israel, kehre wieder.“ Will Gott, daß die Abtrünnigen wiederkehren, so will er auch, daß man sie zur Wiederkehr ermuntere und wiederbringe. Die Erneuerung des Taufbundes ist also in den| allgemeinen Grundsätzen der Heilsordnung begründet.
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 Nach denselben Grundsätzen muß es auch außer Zweifel sein, daß Gott denen, welche den Taufbund erneuen, denselbigen bestätigen wird. Und die Kirche, die im Namen Gottes auf Erden handelt, wird daher auch in Gottes Namen die Bestätigung aussprechen können. Ist daher die Confirmation eine menschliche Ordnung, eine Kirchenordnung, darf man sie nimmermehr dem Sakramente gleichsetzen oder sogar höher halten als die Feier des heiligen Mahles, wie es hie und da von Unverständigen zu geschehen scheint; so ist und bleibt sie doch eine liebliche, von Gottes Worte und Segen triefende, kirchliche Handlung, welche zur pastoralen Führung der Gemeinde ganz nöthig ist, und jeder rechte Confirmand sieht sie auch| dafür an und sucht sich durch treue Bereitung zu derselben für den Empfang ihrer Segnungen tüchtig zu machen.
§. 12.
Confirmations-Ordnung.
 Die Confirmation ist Erneuerung und Bestätigung des Taufbundes, daher muß die Mitte ihrer Ordnung auch zweitheilig sein, erstens Erneuerung, zweitens Bestätigung des Taufbundes. Die Erneuerung des Taufbundes geschieht auf dieselbe Weise, wie deßen erste Schließung, nemlich durch die Fragen der Abrenunciation und des Credo, denen sich als siebente Frage die nach dem Beitritt der rechten Kirche anschließt. Da diese Erneuerung des Taufbundes von Seiten der Confirmanden geschieht, von denen aber richtig und unrichtig| geschehen kann, so läutet man während der Erneuerung mit der Betglocke, und die Gemeinde betet, daß die Handlung der Confirmanden in Gott gethan sein möge. – Die Bestätigung des Taufbundes geschieht durch den confirmierenden Diener Gottes theils in einer allgemeinen Ankündigung, theils aber in der, jedem einzelnen Kinde unter Handauflegung gesprochenen Formel: „Ich confirmiere dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes;“ außer dieser pflegt eine der alten Segensformeln hinzugenommen zu werden. Da die Bestätigung des Taufbundes eine göttliche Wohlthat ist, so geschieht sie unter dem Lobgetöne des großen Geläutes, und die Kirche spricht ein Dankgebet. Alles, was sonst noch zur Confirmationsordnung hinzutritt, ist weniger nothwendig und geschieht in verschiedenen| Gegenden auf verschiedene Weise.
§. 13.
Die heilige Absolution

 Die Absolution ist die feierliche, im Namen des dreieinigen Gottes geschehene Ankündigung und Mittheilung der Sündenvergebung an den gläubigen Menschen.

 Kein Mensch kann Sünden vergeben, nicht einmal diejenigen, welche an ihm selbst begangen sind; Gott allein vergibt die Sünde, und er allein hat die Macht, die Folgen und Strafen der Sünden aufzuheben. Ein Mensch muß sich also seiner Sünden halben vor allen Dingen in Christo JEsu zu Gott wenden. In Christo JEsu vergibt Gott Sünde.

 Wenn dir aber Gott in der verborgenen Heimlichkeit seines Himmels| Vergebung schenken würde, ohne daß du etwas darum wüßtest: so könnte schon lange über dir Friede im Himmel sein; während du noch im vollen Unfrieden deines Herzens hingehen könntest. Daher hat Gott durch seinen eingebornen Sohn die heilige Stiftung des Amtes gemacht, welches die Versöhnung predigt und diesem Amte erlaubt, in seinem Namen Vergebung der Sünden zu sprechen und auszutheilen. Es ist ein Unterschied zwischen der Predigt von der Vergebung und zwischen der Zutheilung der Vergebung, welche in der Absolution selbst geschieht; in der letzteren wird mitgetheilt, wovon in der ersteren nur die Rede ist.
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 Die Absolution kann dir unmittelbar von Gott mitgetheilt werden, durch außerordentliche Wirkung des heiligen Geistes; daß dir das geschehen| werde, dafür hast du keine Verheißung, kannst es also auch nicht erwarten. Gott kann dir aber auch durch einem von ihm erwählten Boten ankündigen, daß er dir Sünden vergeben wolle und Sünden vergeben habe; daß er dies thun wolle, hat er dir verheißen, ja nicht bloß verheißen hat er dir das, sondern er schickt seine Boten in die ganze Welt aus, läßt alle Sünder zu seiner seligen Absolution berufen, und die da kommen, die werden im Namen, d. i. in der Stellvertretung des dreieinigen Gottes, absolviert. Da heißt es dann: „welchen ihr die Sünden erlaßet, denen sind sie erlaßen“, und wer durch die Boten Gottes absolviert ist, der ist gerechtfertigt vor Gott im Himmel, wenn er die Absolution gläubig hinnimmt.
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 Die Absolution wird auf eine verschiedene| Weise gesprochen, in voller, bestimmter Form nur bei der Privatbeichte, mit der Retention bei der gewöhnlichen allgemeinen Beichte, ohne Retention, in blos tröstender Form bei dem Confiteor. Wenn aber auch die bestimmteste Form der Absolution gesprochen wird, so kann doch nur das gläubige Beichtkind die Sicherheit haben absolviert zu sein, nicht aber kann es der Beichtvater wißen, wer von Gott wirklich absolviert ist. Der Beichtvater hat nichts zu verantworten als die ihm kund gewordenen Zuchtfälle, das übrige ist Sache der Beichtkinder. Der Beichtvater führt den Schlüßel: kann aber er dafür, wenn kein Schloß da ist, oder das Schloß keine Oeffnung hat, in die er seinen Schlüßel stecken und ihn darin drehen kann?
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§. 14.
Von der Beichte sammt Anleitung zu den verschiedenen Arten derselben.

 Die römische Kirche verpflichtet ihre Kinder, alle wißentlichen Sünden zu beichten; sie hat und hält bei allen Erleichterungen, die sie gewährt, Beichtzwang. Die lutherische Kirche erlaubt ihren Kindern zu beichten, rühmt die Beichte, sieht gerne wenn sie benützt wird, und bedauert es, wenn ein gewaltiges Erziehungsmittel nicht oder selten benützt wird; sie läßt jedermann die Freiheit, besondere Sünden zu bekennen oder auch nicht. Darin liegt der gewaltige Unterschied zwischen der römischen und lutherischen Kirche, nicht in dem Namen Ohren-, zumal die Reformatoren die Privatbeichte selbst Ohrenbeichte genannt haben.

|  Die Art und Weise zu beichten ist dreifach: entweder beichtet man mit der Gemeinde der Communicanten im Confiteor, das ist eine Beichte zu Gott; oder man beichtet zur besonderen Vorbereitung auf’s heilige Abendmahl in der sogenannten allgemeinen Beichte, das ist auch eine Beichte zu Gott, aber keine Beichte der Gemeinde, sondern einzelner, welche sich zufällig zusammengefunden haben; oder man beichtet in der Privatbeichte, das ist eine Beichte an den Beichtvater, dieselbe, welche der Römische Ohrenbeichte heißt.

 Die Privatbeichte geschieht zu einem verschiedenen Zweck:

 Entweder beichtet man bloß deshalb privatim, weil man die besondere Absolution haben will, dann ist es hinreichend, mit einer Formel zu beichten;

|  oder man beichtet in der Absicht, besondere, drückende Sünden vorzubringen und sich dafür absolvieren zu laßen; dann findet man die Anleitung im kleinen Katechismus Luthers;

 oder man beichtet, um Seelenrath zu bekommen für Sünden, an deren Vergebung man nicht zweifelt, zu denen man aber immer neue Versuchung hat, ohne sie überwinden zu können; dann wird man sich am besten eines Beichtgespräches bedienen;

 oder man beichtet, um sich zu demüthigen; dann sagt man das Demüthigende, so viel oder wenig es ist;

oder endlich man beichtet, um sich einem Seelsorger recht zu erkennen zu geben, und ihm die Seelsorge möglich zu machen; dann wird die Beichte zum Lebenslauf oder zu dem, was die Römischen Generalbeichte nennen.

|  Von diesen verschiedenen Arten zu beichten wähl’ dir jederzeit diejenige, welche du bedarfst; die Wahl ist deine eigne Verantwortung. Auch ist es ganz gleich, ob du, soweit es mit deiner Absicht vereinbar ist, schriftlich oder mündlich beichtest, du müßtest denn durch die schriftliche Beichte dich dem Auge des Seelsorgers entziehen und dir die Schamröthe ersparen wollen, die man nicht in allen Fällen fliehen muß.
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 Die rechte Beichte ist keine Zustandsbeichte, sondern diejenige, welche frische Thatsünden bekennt. Hinter die Zustandsbeichte kann sich jeder Hochmuth verbergen; sie muß nicht sein, aber sie ist sehr häufig eine Beichte der Heuchler und Gleißner. Ein rechtes Beichtkind beichtet zwar seine sündigen Zustände auch, aber wenn sie dem Beichtvater einmal bekannt sind, so beichtet es die neuen| Früchte und Werke der Finsternis, die aus den Zuständen hervorkommen, und zwar recht genau, mit Namen und Umständen, außer wenn andere Personen unnützer Weise mit hinein gezogen würden, deren Sünde man nicht zu beichten hat.
§. 15.
Von der heiligen Zucht der Bruderliebe.
 In der christlichen Kirche gibt es keine andere Zucht als die der Liebe: Liebe ist der Herzensgrund derer, die die Zucht annehmen, Liebe ist die Absicht derer, die sie üben, und die Liebe bestimmt auch die Art und Weise des Verfahrens. Die Liebe hat zuweilen die Aufgabe, eine schwere Arbeit zu thun, einen Schaden zu heilen, der nur langsam weichen will: da kann es dann kommen, daß die Liebe in der Form der| Strenge auftreten muß; aber wo sie nur kann, namentlich auch in zweifelhaften Fällen, wird sie die ihr eigenthümliche Form der Mildigkeit und Güte wählen.
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 Nicht der Pfarrer allein hält Zucht, wo es recht ist, sondern die Gemeinde, und zwar ist die Zucht nicht zuerst eine öffentliche, sondern eine private und geheime. Derjenige macht den Anfang in ihr und zu ihr, welcher zuerst eine Sünde inne wird, insonderheit eine Beleidigung. Der Beleidigte soll nicht zürnen, aber auch die Sache nicht gehen laßen, sondern in Liebe den Befehl Christi befolgen, der Mtth. 18. sagt: „Sündigt dein Bruder an dir, so strafe ihn zwischen dir und ihm allein.“ Wenn der Beleidiger sich von seiner Sünde nicht überweisen läßt, so darf man ihn auch dann nicht sich selbst überlaßen, denn unser| HErr spricht Mtth. 18, 15. 16: „Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Höret er dich nicht, so nimm noch einen oder zween zu dir, auf daß alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Munde.“ Was sollen aber die zwei oder drei Zeugen? Werden sie blos mit hingenommen, um etwa aus der dritten Stufe der Zucht ihr Zeugnis von der vergeblichen Behandlung des Beleidigers durch den Beleidigten abzulegen? Keineswegs; sondern sie sollen auch mit vermahnen helfen. Wenn nun aber die Vermahnung durch den Mund mehrerer so wenig hilft als durch den Mund des einzelnen, was dann weiter? Darf man alsdann den Beleidiger in seiner Unbußfertigkeit laufen laßen? Wieder nicht, sondern dann wird er vor die Ortsgemeinde gestellt, und die ganze Gemeinde muß sich alsdann mit dem| Beleidigten und den Zeugen vereinigen, den einen irrenden Sünder zur Erkenntnis zu bringen und dem HErrn JEsu sein Schaf wieder zuzuführen. Denn der HErr selbst spricht Matth. 18.: „Hört er die Zeugen nicht, so sags der Gemeinde. Hört er die nicht, so halte ihn für einen Heiden und Zöllner.“ In dem Fall ist er auch von der christlichen Gemeinschaft ausgeschloßen. – Es versteht sich von selbst, daß man so nicht über solche Handlungen verfahren kann, von denen man gar nicht weiß, ob sie geschehen sind, oder ob sie Sünde sind; über zweifelhafte Dinge ist kein Zuchtverfahren zu eröffnen.
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 Auf dem Wege der Zucht kann eine Sünde, die zuvor verborgen gewesen ist, eine öffentliche Sünde werden. Es kann aber auch eine Sünde vorne herein eine öffentliche sein.| Dann beginnt die Zucht nicht mit dem ersten Vermahnungsgrade; oder wenn sie auch damit beginnt, kann sie doch bei diesem Grade nicht stehen bleiben, sondern es muß bis zum dritten vorgeschritten werden; öffentliches Aergernis fordert öffentliches Bekenntnis.
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 Gegenwärtig läßt sich der Befehl des HErrn von der Zucht in den meisten Gemeinden gar nicht ausführen, weil die Gemeinden für das Gute nicht entschieden sind und darum zum Guten nicht helfen können. Es kann daher bei solchen Zuständen nur Unordnung herrschen. Doch soll die erste und zweite Stufe der Vermahnung allerdings geübt werden, und wo eine Hausgemeinde besteht, auch die dritte Stufe. Dabei aber ist der Dienst unparteiischer treuer Seelsorger eine nöthige Sache, weil die ganze Bewegung| einer Gemeinde gegen die Sünde der Leitung bedarf, und die Betheiligten auf beiden Seiten hin nur allzu oft leidenschaftlich und ungerecht werden.
§. 16.
Stellung der Beichthandlung vor die Confirmation sammt Ordnung und Form der Beichte und Absolution.
 An manchen Orten hält man die Confirmation am Freitag, wohl auch am Sonntag vor den erstmaligen Genuß des heiligen Mahles. Am Samstag darauf folgt die Beichte und am Sonntage das Sakrament. Da aber die drei Handlungen gewissermaßen ein Ganzes mit einander bilden, so ist die angegebene Reihenfolge nicht richtig. Man kann den Taufbund nicht erneuen, bevor man Vergebung| für die alten Sünden des Bundesbruchs empfangen hat; daher steht die Beichthandlung der Confirmation voran. Jedermann, auch jedes Kind kann beichten und Absolution empfangen. Eine Einschränkung der Beichte und Absolution kann nur in der Beschaffenheit des Beichtenden liegen; dagegen aber wird die öffentliche und feierliche Erneuerung und Bestätigung des Taufbundes als öffentliche, vor die Gemeinde gehörige Handlung auch bei dem frömmsten Kinde erst dann eintreten können, wenn das Alter vorhanden ist, zu dem die Gemeinde vertrauen kann, daß es die Reife zu öffentlichem, kirchlichem Handeln gebracht haben werde. Vor Gott kann ein Kind zu jeder Zeit, in der es will, seinen Taufbund erneuen, so gut es kann und dazu fähig ist; vor der Gemeinde aber, die Gottes Auge und| Herz nicht hat, bedarf es eine solche Reife der Jahre, aus der man schließen kann, daß das Kind völlig wiße, was es thue.
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 Was die Beichthandlung anlangt und deren Ordnung, so ist wenig zu sagen; der kleine Katechismus Luthers zeigt die richtige Aufeinanderfolge ganz deutlich. Das Kind tritt einfach zum Beichtvater und spricht zuerst die Bitte um Anhörung der Beichte, dann seine Beichte mit Bitte um Absolution, zuletzt aber kniet es nieder, neigt sein Haupt und empfängt unter Auflegung der Hände das gnadenreiche Wort der Absolution, den Freibrief des Lebens. Die in unserem Lande altherkömmliche Form der Absolution ist bekannt; es gibt aber der Formeln mancherlei und liegt an den verschiedenen Worten nichts, wenn nur der Inhalt derselbe ist, und die Absolution| im Namen des dreieinigen Gottes ertheilt wird.

 Der Absolvirte beobachte innerlich und äußerlich die schöne, kirchliche Sitte, sich vom Beichtstuhl auf seinen Platz in der Kirche zurückzuziehen, da noch einmal die empfangene Wohlthat zu überlegen und ein Dankgebet für dieselbe zu sprechen. Wer nach empfangener Absolution mit seinen Gedanken schnell von ihr wegeilt, für den wird die Absolution wie ein Vogel sein, der auf dem Baume sein Lied singt, davonfliegt und sammt seinem Liede in Vergeßenheit geräth. Wer aber fleißig an sie denkt und für sie dankt, dem wird es geschehen, wie man im Liede singt: „Geriebne Kräuter riechen wohl.“

§. 17.
Stiftung des heiligen Abendmahls.
 Wer die Einsetzung des heiligen| Abendmahles in den Evangelien liest, der kann in die Versuchung kommen, schnell darüber wegzugehen, wie über einen unbedeutenderen Gegenstand; die Worte sind kurz, und die heiligen Evangelisten halten keine Betrachtungen darüber; diese Worte wollen mehr gewogen als gezählt sein. Wie wichtig sie sind, erkennt man erst völlig, wenn man wahrnimmt und überlegt, wie dieselben von der Kirche aufgenommen worden sind. Schon im 1. Brief an die Corinther im 10. und 11. Kapitel sieht man, daß die Stiftung JEsu, welche in der Erzählung der Evangelisten so klein und kurz erscheint, der Höhenpunkt eines geistlichen und kirchlichen Lebens der apostolischen Gemeinden geworden ist. Von den Aposteln an bis herauf in unsere Tage ist das Sakrament ganz in derselben Hochschätzung und Wichtigkeit geblieben, so daß| keine Stiftung JEsu, die Taufe ausgenommen, so allgemeinen Gehorsam und ununterbrochenen Dank und Brauch gefunden hat. Schon dadurch können wir angeleitet werden, auch unsrerseits das heilige Mahl hochzuschätzen und es mit einem jeden Worte der Stiftung genau zu nehmen. In dieser Hochschätzung und in diesem Entschluße werden wir noch bestärkt, wenn wir aus 1. Cor. 11. erkennen, daß der HErr auch im Zustande seiner Verklärung und Erhöhung über seiner Stiftung hält und dem Apostel Paulus unmittelbare und wunderbare Offenbarung darüber mittheilt.
§. 18.
Was ist das heilige Abendmahl?
(Sammt den confessionellen Unterschieden.)
 Nach den Einsetzungsworten des HErrn JEsus Christus kann man| die in der Ueberschrift gethane Frage nicht anders beantworten, als sie im kleinen Katechismus Luthers beantwortet ist, nemlich also: „Es ist der wahre Leib und das wahre Blut unsers HErrn JEsu Christi.“ Da nun aber nichts wunderbareres gesagt werden kann, als: „dies Brod ist mein Leib, dieser Wein ist mein Blut“; so hat es von Alters her an Versuchung, die Worte Christi zu deuten, nicht gefehlt, und man kann die gegenwärtig vorhandenen Ausdeutungen bis zurück in das graue Alterthum verfolgen. Es ist das auch ganz wohl zu faßen, da sich die menschliche Natur immer gleich geblieben ist. Man hat es allezeit unbegreiflich gefunden, daß die Stiftungsworte JEsu wörtlich wahr sein sollen; es hat allezeit Zweifel und Deutungen gegeben; es hat aber auch allezeit eine fromme,| gottverlobte Schaar gegeben, welche, mit den Worten der heiligen Schrift zu reden, ihre Vernunft gefangen genommen hat unter den Gehorsam des Glaubens, der nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet, sondern eine gewisse Zuversicht ist des, das man hoffet.
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 Gegenwärtig sind es hauptsächlich drei Richtungen, die es in der Welt gibt. Die eine, die reformierte, leugnet die Gegenwart des Leibes Christi aus dem Abendmahle weg und deutet sich in diesem Sinne die Einsetzungsworte, findet im Sacramente nur Gedächtnis und Symbol des Leibes und Blutes Christi; die andere, die der vorreformatorischen Kirche, leugnet die Gegenwart des Brodes und Weines weg und deutet sich die Einsetzungsworte in ihrem Sinne, denn das Wort „Verwandlung“ ist eine Deutung;| die dritte, die einzig schriftmäßige Richtung die der lutherischen Kirche, leugnet nichts weg, was nach Gottes Wort da ist, weder das Brod und den Wein, noch den Leib und das Blut, sie deutet gar nicht, denn ihr Schlagwort „vereinigen“ ist keine Deutung, sondern die nothwendige Folge davon, daß wir die gleichzeitige Gegenwart der Elemente und der himmlischen Güter nach Gottes Wort behaupten. Alle andern Kirchen deuten im Sakrament, nur die lutherische Kirche deutet nicht und ist auf diese Weise im vollen Besitze der Wahrheit. – In den angegebenen Schlagworten liegt der Unterschied der Confessionen über das heilige Abendmahl zu Tag. Es sind damit nicht alle confessionellen Unterschiede im Sakrament des Altares angegeben, doch ist die innerste Mitte getroffen,| und es dürfte hier wohl hauptsächlich nur noch angeführt werden, wie wenig die bekannte Verwaltung des Sakramentes bei den Römischen und Griechischen der Einsetzung Christi entspricht. Auch rücksichtlich der Verwaltung des Sakramentes bleibt die lutherische Kirche in der rechten Mitte der göttlichen Stiftung.
§. 19.
Würdigkeit und Selbstprüfung.
 Kein Mensch, der heiligste so wenig als der freche Sünder, ist werth zu Gottes Tisch zu gehen. Wir sind nicht werth, daß uns die natürliche Sonne anscheint; wie könnten wir denn werth sein, die Menschheit JEsu zu empfangen, und zwar mündlich zu empfangen, deren Glorie Sonne, Mond und Sterne übertrifft? Wenn der heilige Apostel 1. Kor. 11, 27 von| einer Unwürdigkeit redet, so denkt er nicht an Würdigkeit oder Unwürdigkeit einer Person, sondern bloß an würdige oder unwürdige Art und Weise, zu Gottes Tisch zu gehen. Wir sind alle des Abendmahls unwerth: daraus folgt aber nicht, daß wir auf eine unwürdige oder ungeziemende Weise zum Sakramente gehen und uns bei deßen Genuß unwürdig benehmen müßen; der HErr und sein guter Geist kann auch arme Sünder so regieren und behüten, daß sie dieses Mahl von jeder andern Mahlzeit unterscheiden und sich am Leib und Blute des HErrn nicht versündigen. Die Korinther genoßen das heilige Abendmahl auf eine unwürdige Weise, weil sie bei dem mit dem heiligen Abendmahle verbundenen Liebesmahle gegen die Armen unbarmherzig waren, selbst aßen und tranken, die Armen aber| darben ließen. Wer nun unter uns beim heiligen Abendmahle wißentlich einer Sünde fröhnt, welche es auch sei, z. B. dem Leichtsinn, der Zerstreutheit, der Eitelkeit, der Hoffahrt in Kleidern, der geht auf eine unwürdige Weise zu Gottes Tisch. Wer hingegen seine Sünde bereut und haßt, an keiner Sünde klebt, auf das allmächtige Blut des HErrn JEsus Christus als das alleinige Reinigungsmittel unseres Leibes und unserer Seele vertraut, der ist recht würdig und wohl geschickt, und darf nicht glauben, daß die ewige Sonne der Gnaden ihr leuchtendes Angesicht vor ihm verfinstern oder verbergen werde.
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 Wenn der Apostel Paulus 1. Kor. 11, 28 sagt: „der Mensch prüfe sich selbst“, so meint er zunächst nicht eine Selbstprüfung über die zehn Gebote im Allgemeinen, sondern eine Selbstprüfung,| die sich auf die Würdigkeit des vorhandenen Zustandes und Verhaltens gegen das heilige Abendmahl bezieht. Du sollst dich zunächst prüfen, ob du auf eine würdige Weise zu Gottes Tisch gehst, also, ob keine Sünde in dir herrscht, ob du bereitet bist, einer jeden abzusterben, ob du ohne eigene Gerechtigkeit, im alleinigen Vertrauen auf das Blut JEsu Christi und die Vergebung deiner Sünden kommst, ob du das hochzeitliche Kleid der Gerechtigkeit JEsu Christi trägst. Diese Fragen hast du dir bei deiner Selbstprüfung vor allen andern zu beantworten, und zur richtigen Beantwortung wird dir allerdings die eingehende Selbstprüfung über die zehn Gebote und die Artikel des Glaubens sehr förderlich sein. |
§. 20.
Abendmahlsgemeinschaft
Wir sind alle zu einem Geiste getränket“, sagt der Apostel. 1. Cor. 12, 13. Darin liegt ohne Zweifel der christliche Satz ausgesprochen, daß die innigste Vereinigung der Christen beim Sakramente des Altares stattfindet. Hier werden wir vereinigt mit Demjenigen, der gesagt hat Joh. 6, 56.: „Wer mein Fleisch ißet und trinket mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm.“ Hier werden aber auch die Communikanten vereinigt zu Einem Leibe, und, wie uns der Apostel lehrt, zu Einem Geiste. Das kann nun freilich nicht so verstanden werden, als dürften uneinige, innerlich von einander getrennte Menschen nur miteinander zum Sakramente| gehen, um dann eins zu sein. Es ist in dem sakramentlichen Eßen und Trinken allerdings etwas, was über alle unsre Faßungskraft hinausreicht, eine wunderbare Wirkung des HErrn, deren Tiefe und Größe, Art und Weise uns erst der Tag der Ewigkeit klarer machen wird. Aber sowie ein unempfängliches Herz überhaupt keinen göttlichen Segen aufnehmen kann, so kommt auch beim heiligen Abendmahle alles darauf an, daß man es auf eine würdige Weise empfange, sonst ist an ein segensreiches Empfangen nicht zu denken. „Die Hungrigen füllet er mit Gütern, aber die Reichen läßet er leer.“ Daraus kann man erkennen, daß die Lehre der Römischen vom opus operatum d. i. vom Segen des Sakramentes durch den bloßen Empfang, derselbe sei welcher er wolle, zu weit gegriffen ist. Kann aber| nicht jeder den Segen des Sakramentes empfangen, gibt es Seelenzustände, in denen man sich am Sakramente versündigt und statt Segen Fluch empfängt; so ist es auch offenbar, daß die seelsorgende Liebe des HErrn und seiner Knechte oftmals Ursache findet, den oder jenen vom Sakramente zurückzuhalten und nicht mit ihm zu heiligen Mahle zu gehen.
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 Die Gründe, weswegen man mit andern nicht zu Gottes Tisch gehen kann, liegen entweder in seinem Glauben oder in seinem Leben. Es ist ausdrücklicher Befehl Tit. 3, 10.: „Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er ein oder zweimal vermahnt ist.“ Damit ganz übereinstimmend sagt der heilige Apostel Johannes, man solle denjenigen nicht in’s Haus aufnehmen und nicht grüßen, der eine unapostolische Lehre vom Sohne| Gottes bringe. Soll ich aber einen Ketzer meiden, ihn nicht grüßen, nicht in’s Haus aufnehmen; so folgt daraus, vermöge eines Schlußes vom Geringeren auf das Größere, daß ich ihn auch mit dem Friedensgruß JEsu nicht grüßen und keine sakramentliche Gemeinschaft mit ihm machen dürfe. Daher hat M. Luther im Gespräch zu Marburg 1521, mit Zwingel gehalten, durchaus nicht nachgegeben und ihm nach die ganze lutherische Kirche sich von der Altargemeinschaft der Reformierten fern gehalten. Aus gleichem Grunde können wir überhaupt mit niemand zum Sakramente gehen, den wir für einen Ketzer achten müssen. –
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 Es ist ferner göttlicher Befehl, nicht bloß einmal, sondern oftmals ausgesprochen: „So jemand ist, der sich läßt einen Bruder nennen, und ist ein Hurer, oder ein Geiziger, oder| ein Abgöttischer, oder ein Lästerer, oder ein Trunkenbold, oder ein Räuber, mit demselben sollt ihr auch nicht eßen.“ 1. Kor. 5, 11. Wenn wir aber überhaupt mit einem solchen nicht eßen sollen, wie können wir mit ihm das Abendmahl Christi eßen? Mit dem bekehrten Sünder, in welchen Sünden er auch gesteckt habe, gehen wir zu Gottes Tisch wir sind selbst nichts anders, als bekehrte Sünder, die allein aus Gnaden, durch das Blut Jesu Christi selig werden; aber der hartnäckige Sünder muß in der standhaften Weigerung der Gläubigen, mit ihm zu Gottes Tisch zu gehen, die Liebe erfahren, die ihn eben so wenig in seinen Sünden laßen, als am Blute JEsu Christi schuldig werden laßen will. Dabei muß nun aber allerdings bedacht werden, daß es eine schwerere und noch folgenreichere Verirrung| der Kirche ist, wenn sie rücksichtlich der Lehre leichtsinnig wird, als wenn es rücksichtlich des Lebens geschieht. Denn wenn die reine Lehre da ist, so kann sich an ihr ein reines Leben immer wieder entzünden; wo soll aber heiliges Leben herkommen, wenn die reine Lehre erstirbt? Daher muß die Liebe es mit der Lehre strenger nehmen, als mit dem Leben. Aus diesem Grunde hat auch die Kirche sich so scharf von den irrlehrenden Parteien geschieden, während sie rücksichtlich des Lebens viel größere Langmuth und Geduld geübt hat.
§. 21.
Ordnung der heiligen Communion.

 Die hervorragenden Theile dieser Ordnung sind: die Consecration, die Darreichung und der Empfang.

 Die Consecration geschieht in| der lutherischen Kirche ganz einfach durch die Anwendung der Einsetzungsworte auf die Elemente, wobei es sich von selbst versteht, daß es einerlei ist, ob gesprochen oder gesungen wird. Zur Consecration rechnet man jedoch auch noch das Vaterunser, welches ohne die Doxologie gesprochen oder gesungen zu werden pflegt. In der ältesten Kirche waren die Worte des Testamentes einem größeren Weihegebet eingefügt, welches den Namen Eucharistie oder Danksagung hatte, so daß man von ihm auch die ganze Handlung Eucharistie nannte. Ebenso bildete in der ältesten Kirche das heilige Vaterunser den Schluß des sogenannten Gebetes der Brodbrechung. Zwar hat man in der lutherischen Kirche aus der römischen Meßordnung die Präfationen mit herüber genommen. Diese Präfationen sind Eucharistieen| oder Danksagungen, aber der Fehler ist, daß in keiner gedankt wird, wofür Christus im Abendmahl dankte. Hier bleibt die schöne lutherische und überhaupt abendländische Ordnung hinter den uralten Ordnungen der morgenländischen Kirchen zurück.

 Die Darreichung des Sakramentes liegt in der ursprünglichen Ordnung Christi begründet, denn es heißt ausdrücklich, daß der HErr die Elemente gegeben und dazu gesprochen habe: „Nehmet hin.“ Daher dürfte man den Communikanten nicht erlauben, sich ohne Darreichung die himmlischen Güter zu nehmen. Dagegen aber ist es ganz gleichgültig, ob man den Communikanten die Elemente in die Hand oder in den Mund gibt; sie werden sogar zu ermahnen sein, daß sie selbst zulangen und nachhelfen, damit vom Kelche nicht verschüttet werde.

|  Das nehmen ist Ziel der ganzen Handlung: man consecrirt und reicht dar, damit genommen werde. Es ist kein Sakrament, wo nicht genommen wird. Nehmen mußt du also auch bei dem heiligen Mahle, und zwar so viel, daß man es eßen und trinken nennen kann, weil der HErr gesagt hat: „Nimm hin und iß, nimm hin und trink.“

 Von diesen dreien Dingen: Consecration, Darreichung und Nießung darf keines fehlen, sie sind nothwendig zur sakramentlichen Handlung. Ehe du also an einem Orte zum Sakramente gehst, erkundige dich genau, ob es mit diesen dreien Stücken in Ordnung ist.

 Die Kirche hat außer und neben diesen dreien Stücken noch manche andere angeordnet, zur Einleitung, zur Verherrlichung, zum Schluß der Handlung. Auch diese sollen nicht willkürlich bestellt| werden, da man auch im Gottesdienste nach dem Schönsten und Besten streben soll, schöneres und beßeres aber, als die älteste Kirche dafür angeordnet hat, kaum möglich sein wird. Doch hängt von diesen andern Stücken das Sakrament nicht ab; wenn nur die drei angegebenen Stücke in Ordnung sind, so weit es nöthig ist, so bleibt dir der sakramentliche Segen unverkümmert, und du kannst dich mit andern Dingen gedulden.
§. 22.
Die Lehre vom Sakrament, sammt Würdigung der sieben Sakramente anderer Kirchen.
 Die lutherische Kirche hat ihren Sakramentsbegriff entnommen von zwei göttlichen Handlungen, die in ihrer Art einzig sind, von der heiligen Taufe und dem heiligen Abendmahl.| Sie sagt: ein Sakrament sei eine heilige, von Gott eingesetzte Handlung, bei welcher unter irdischen Zeichen besondere himmlische Güter mit evangelischer Gnade (Vergebung der Sünden) mitgetheilt werden. Zu einem Sakramente gehört also, daß es eine Handlung sei, daß sie von Gott eingesetzt sei, daß irdische Güter, daß unter denselben besondere himmlische Güter ausgetheilt werden, und mit dem gläubigen Genuße Vergebung der Sünden verbunden sei. Diese Merkmale paßen genau genommen nur auf die heilige Taufe und das heilige Abendmahl, während den andern so genannten Sakramenten von diesen Merkmalen eins, mehrere oder alle fehlen. Diejenigen Kirchen, welche mehr als zwei Sakramente lehren, haben daher entweder einen andern Sakramentsbegriff, oder sie folgen bei| Festhaltung ihrer Sakramente nicht allein der heiligen Schrift.
§. 23.
Vom Gebet und deßen seliger Uebung.
 Wenn alles dem Gedächtnis und der Erkenntnis eingeprägt ist, was in den vorausgegangenen 22 Paragraphen steht, so fehlt doch noch etwas, nemlich die Salbung des heiligen Geistes, von welcher St. Johannes schreibt. Alles was gelehrt ist, kann äußerlich mit dem Verstande gelernt und wohlgemerkt, ja auch eine wohlgefällige, menschliche Ueberzeugung geworden sein, ohne daß sie deshalb aushält unter der Anfechtung des Teufels, des Todes, oder auch nur der eiteln, bösen Welt und des Fleisches. Um da siegreich hindurchzudringen, muß es eine göttliche Ueberzeugung werden| durch die Salbung des heiligen Geistes. Zum Andenken deßen laßt uns noch einiges anfügen über das Gebet, durch welches und in welchem wir uns nach der himmlischen Gabe des heiligen Geistes ausstrecken.
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 Das Gebet ist, wie es euch bekannt ist, ein Gespräch der Seele mit Gott und kann von dem mannigfaltigsten Inhalt sein. Wenn man als verschiedene Arten des Gebetes das Bittgebet, Lobgebet und Dankgebet nennt, so hat man damit nur die herrlichsten Arten des Gebetes genannt, doch aber nicht allen und jeden Inhalt des Gebetes bezeichnet. Du sollst bitten, danken und loben, du sollst dir aber auch nicht wehren laßen, mit deinem Gott zu sprechen, wenn du einmal den Inhalt deines Gebetes unter eine der drei genannten Klassen des Gebetes nicht einreihen kannst,| denn du sollst mit deinem Gott in einem persönlichen Umgang stehen, vor ihm wandeln und mit allem, was du hast und thust, vor ihm offenbar sein und werden. Kein Unterricht wird in dir haften, keine Erkenntnis zum Leben werden, es sei denn, daß du den Unterricht und die Erkenntnis betend pflegest. Es ist euch so oft gesagt worden, täglich, wenn auch nur eine kleine Zeit, in die Stille zu gehen und da die Andacht zu üben, eure „stille halbe Stunde“ zu feiern; laßt euch die von niemand nehmen, macht eine selige Gewohnheit daraus und thut alles, was ihr könnet, sie nie ausfallen zu laßen.
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 Damit aber, daß ich euch die Zeit angesagt habe, die euer täglicher Sabbath sein soll, habe ich euch noch nicht die Art und Weise gelehrt, wie ihr eure Erkenntnis, eueren Unterricht zum| Seelensabbath verwenden sollt und deshalb wünschte ich meinem Confirmandenunterrichte einen Anhang zu geben, den ihr nicht mehr schreiben sollt, aber lesen. Der Anhang ist der Traktat vom „Sabbath und Vorsabbath“, den ihr euch leicht verschaffen könnet, und den ihr dann eifrig lesen, üben und lernen dürftet, ehe euch das Oel dazu gebricht. Da findet ihr eine völlige Belehrung über das Gebet und seine selige Uebung, und welche von euch den Weg betreten und einhalten werden, die werden sich wundern in ihrem Lebenslaufe, was es für süße Brunnen im Jammerthal gibt, und wie sich der HErr denen so nahe thut, die ihn suchen, und ihnen die Salbung gibt, die mancherlei lehret.
Der Friede des HErrn sei mit euch allen! Amen.




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